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ärts immer, rückwärts nimmer
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Die Jahre 1987-1988: Vorwärts immer, rückwärts nimmer
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Weltbild
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Hans-Günther Pölitz, Der Fortschritt ist hinter uns her
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1. Kapitel: Vorwärts immer, rückwärts nimmer
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John Stave
Wie wir uns selbst verwalten Hans-Günther Pölitz Was nun? Jochen Petersdorf Motiv Matthias Biskupek Nachba.rin Hümpe erläutert die Grußerweisung 2. Kapitel: Alles zum Wohle des Volkes Humorvolles aus dem Alltag
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Ernst Röhl
Eine lehrreiche Geschichte Manfred Strahl Der totale Wettbewerb Jochen Petersdorf Schreiben Sie doch mal Hansgeorg Stengel Aller guten Affen sind drei Ernst Röhl Pardon wird nicht gegeben Johannes Conrad Die kleinen, wilden Kaffeemaschinen Jochen Petersdorf Datschen-Kino
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3. Kapitel: Lernen, lernen, nochmals lernen Als wir Schüler und Pioniere waren
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Heli Busse
Mein Wunderkind Ottokar Domma Unser Freundschaftstreffen
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Inhalt
Jochen Petersdorf Frühes Leid Thomas Reuter Meine pädagogischen Fähigkeiten Ottokar Domma Was ist Glück? 4. Kapitel: Was des Volkes Hände schaffen Wir Werktätigen in Stadt und Land
Ernst Röhl Zur Feier des Tages Manfred Strahl Ideen muß man haben Klaus Lettke Alles aufeinander eingespielt Alfred Schiffers Laien-Spiel 5. Kapitel: Heißer Sommer Von Ostseestrand, Datsche und Jugendclubs . . .
Lothar Kusche Keine Reise ohne Zange Jochen Petersdorf Sammerteim Matthias Biskupek Unser Freizeitfreiluftmobiliar Jochen Petersdorf Unter fremden Menschen Heli Busse Am Waldsee 6. Kapitel: Höher, schneller, weiter Sportlich sportlich
Jochen Petersdorf Sport-Klauberei Hans-Dieter Kern Fußball auf unserer Klitsche
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Inhalt
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Klaus Lettke Anglerglück
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7. Kapitel: Unter vier Augen Über Verliebte und Verheiratete
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Angela Gentzmer Kurschatten Ottokar Domma Wie man die Frauen ehrt Irn1gard Abe Ewig diese verfluchte Schlamperei Jochen Petersdorf Gewichtgedicht Lothar Kusche Hugos Hochzeit 8. Kapitel: Wo wir sind, ist vorn Es geht seinen sozialistischen Gang
Matthias Biskupek Mein Selbst-Vertrauen Wolfgang Schaller Die Stimmungsliederrnacher Manfred Strahl Der Staatsbesuch Hans-Günther Pölitz Gewöhnungssache
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Zeittafel Rechtliches
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Eine Lachnummer
Das Jahr 1988 ist traurig. Weil es nicht so berühmt ist wie das Jahr 1989. Deshalb haben ihm die Buchmacher auch das Jahr 1987 an die Seite gestellt. Gemeinsam sind sie stark. Und zwar betroffen vom Zerfall dessen, was sich einmal DDR nannte. In der Sowjetunion tobten schon seit geraumer Zeit Glasnost und Perestroika. In der DDR tobte dagegen das Politbüro: »Würden Sie, wenn Ihr Nachbar seine Wohnung neu tapeziert, sich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?« Mit diesem Spruch ging Chefideologe Kurt Hager 1987 erst als »Tapeten-Kutte« in die Geschichte ein und zwei Jahre später völlig unter. Unsere Tapetenindustrie war schon mit den alten Bahnen völlig überfordert, geschweige denn mit neuen. Statt das Brett zum Tapezieren aufzustellen, trug man es lieber vor dem Kopf. Es wurde weiter gelebt im Sozialismus in den Farben der DDR: Schwarz-Rot-Gold. Die Bürger ärgerten sich schwarz, die Funktionäre sahen rot und versprachen eine goldene Zukunft. So zirkelte man sich im Kranz der Ähren über die Zeit, bis der Hammer fiel. Aber vorher wurden noch einmal kräftig Geschenke verteilt. 1987 schenkte Erich Honecker seinen Landeskindern mehr Kindergeld und Udo Lindenberg eine Schalmei. Dieser hatte ihm vorher bereits eine Lederjacke geschenkt. Die aber Erich nicht anzog, als ihm Helmut Kohl einen Empfang in Bonn schenkte. Die DDR schenkte der Welt dann noch den ersten Megabit-Chip, Made in GDR. Da war der Wurm drin. Denn unsere Mikroelektronik war nicht kleinzukriegen. Kleinkriegen wollte man dagegen alle kritischen Stimmen. Im Sommer 1988 fanden noch die 22. Arbeiterfestspiele im Bezirk Frankfurt/Oder statt. Sie waren die letzten. Danach stand den Werktätigen der Sinn weniger nach Musizieren, Fotografieren und Rezitieren. Sie wollten lieber diskutieren, protestieren und demonstrieren. Im November 1988 stürzte der sowjetische »Sputnik« wegen zu kritischer Äußerungen aus dem Himmel des DDR-Postzeitungsvertriebs. Hilflose Parteisekretäre begründeten in ihren Parteigruppen das Nichterscheinen damit, daß die Züge, welehe die Hefte in die DDR transportieren sollten, auf sowjetischem Territorium im Schnee steckengeblieben wären. Im Schnee schon, aber in dem, den die Partei redete. Damit löste sie wieder eine Eiszeit aus. In dieser wurden zum Beispiel die meisten Kabarettprogramme, die Ende 1988 auf die Bühne kommen sollten, »wegen künstlerischer Mängel« aus dem Verkehr gezogen. Eine Lachnummer. Aber der Volkswitz ließ sich nicht unterkriegen, und so spiegelt sich die Zeit sehr schön in folgendem wieder: Die USA, die Sowjetunion und die DDR wollen gemeinsam die Titanic heben. Die USA interessieren sich für den Goldschatz und den 'Iresor mit den Brillanten. Die Sowjetunion interessiert sich für das technische Know-how. Und die DDR interessiert sich für die Band, die bis zum Untergang noch fröhliche Lieder gespielt hat. „
Hans-Günther Pölitz
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John Stave
Wio wit i.11s solJOst 1101wa1Jto11 Vor zwei Jahren haben wir unser Mietshaus in die eigenen Hände genommen. Mieterselbstverwaltung nennt sich das, und ich wunderte mich schon, daß keiner stutzig wurde, als der bis dahin zuständige Verwalter der KWV nach geleisteter Vertragsunterschrift sich verstohlen die Hände rieb. Aber wir sind ja auch ein recht intellektuelles Haus, alles Leute, die Beachtliches auf theoretischem Gebiet leisten, also nicht direkt produktiv, und sogar ein Professor ist dabei sowie ein Zahnarzt. Einer aus dem Haus liest den ganzen Tag nur Bücher, lebt aber auch. Zwei haben Autos, einer einen Trabant. Und noch einer wird jeden Morgen mit einem Volvo abgeholt und abends wieder nach Hause gebracht. Das nur mal zur Illustration. Noch was: Im zweiten Stock wohnt eine Schauspielerin. Sie möchte aber in diesem Zusammenhang ausnahmsweise Übrigens, unser Hausrasen sieht einmal nicht genannt sein. aus wie ein englischer Fußballplatz. Und nun können Sie sich vorstellen, wie das ist, wenn wir als HGL zusammentreten und uns selbst verwalten. Ach halt! Beinah hätt ich noch einen vergessen, der etwas aus dem Rahmen fällt. Ein praktischer Mensch: Albert Kunze. Der ist von Beruf Weichenausspüler bei der Straßenbahn. Er macht das mit noch einem Kollegen, und da fahren sie dann mit so einer kleinen Nuckelpinne von Auto alle Weichen ab und spülen sie aus. Und an dem Auto steht dran: Vorsicht, Schienenfahrzeug! Das haben Sie sicher schon mal gelesen. Also dieser gute Albert, der schmeißt unsern Laden im Grunde. Er eröffnet die Sitzung, begrüßt alle, und dann sagt er, daß unser Limit eintausendzweihundert beträgt. Das hört sich natürlich nach etwas an; und so spendet unser Professor auch gleich begeistert Beifall. »Das ist eine gute Sache!« ruft er entzückt. »Das ist großer Mist!« sagt hingegen Albert, und ein bißchen Leid umwölkt seine Stirne. Sie müssen wissen, daß unser Haus mittlerweile fünf Jahre alt geworden ist, und nun zeigen sich natürlich langsam die ersten Zerfallserscheinungen. Nehmen wir nur mal die Fensterkreuze. Da ist die Farbe runter. Aber das wäre weiter nicht schlimm, hat Albert gesagt. An zwei Wochenenden könnte er das schon in Ordnung bringen. Und wenn vielleicht noch jemand hülfe, ginge es sogar schneller. Aber
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wie gesagt, wir sind alles mehr Theoretiker, mehr Arbeiter des Geistes eben und weniger der Faust. Und dann die Sache mit den Badeöfen - puh! Sechs Stück auf einen Schlag im Eimer. Das macht eintausendzweihundert! »Großer Mist«, sagt Albert. Und er denkt scharf nach. Was an sich unsre Sache wäre. Aber er hat das Denken wahrscheinlich als Hobby, und so macht es ihm Spaß. Übrigens: Unser Hausrasen - große Klasse. Sieht aus wie ein englischer Fußballplatz. Das macht alles Albert. Seine Frau hilft ihm tüchtig. Und Blumen haben sie auch aus ihrer Laube herangeschleppt. »Natürlich müssen erst die Badeöfen in Ordnung gebracht werden. Vielleicht lassen sich ein paar doch noch reparieren. Das Geld, das wir einsparen, nehmen wir für Farbe. Und dann streichen wir zuerst einmal die schlimmsten Kreuze«, sagt Albert. »Also mein Kreuz nach vom raus sieht verheerend aus«, sagt die Schauspielerin, »aber ich bin am SACHBEARBEITf R ·.· Wochenende nicht zu Hause. KönFÜR KRITISCHE HINWEISE nen Sie nicht mal am Tage pinseln kommen?« Der Zahnarzt lacht schallend und schlägt sich dabei auf die Schenkel. Der Professor kichert mit, weiß aber nicht, worum es geht. Albert notiert sich schweigend den Mittwochnachmittag, da hat er ein paar Überstunden abzubummeln. Er erhält von der Schauspielerin eine Westzigarette. »Herr Doktor«, sagt Albert, »Sie wollten doch mal einen Farblichtbildervortrag über Ihre Jugoslawienreise halten?« »Mein lieber Albert«, sagt der Zahnarzt bedauernd, »ich bin leider noch nicht dazu gekommen, die Dias zu rahmen.« »Schicken Sie uns den ganzen Ramsch rauf, meine Frau und der Junge können das erledigen«, sagt Albert. So gesehen ist eine Mieterselbstverwaltung gar nicht von der Hand zu weisen. Ich selbst bin im Grunde kein ausgesprochener Intellektueller. Ich bin Verwalter bei der KWV, aber in einem ganz anderen Stadtbezirk. Und ich kann Ihnen sagen: In meinen Häusern · läuft alles!
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Hans-Günther Pölitz
Brennende Fragen unserer Zeit Aus dem Programm des Amateurkabaretts »Die Zange«
Das Neue Deutschland erscheint mit drei neuen Seiten: Auf Seite eins steht, was gemacht werden muß, auf Seite zwei, wie es gemacht werden muß, und auf der dritten Seite sind schwarz umrandete Kästchen. Das sind die, die es versucht haben.
(Aus dem Off ist ein Gespräch mit folgendem Wortlaut zu hören) A: Ist denn nun draußen schon Licht, oder was? B: Nein, ist noch alles dunkel. C: Meine Güte, wie lange sollen wir denn noch warten? A: In der Dunkelheit werden uns doch die Leute unruhig. Ich gehe jetzt einfach mal raus. D: Bist du verrückt?! Die Anweisung lautet: Erst wenn oben Licht gemacht wird, sollen wir anfangen zu reden. A: Ich habe keine Lust mehr zu warten. Ich gehe jetzt raus, mal nachsehen. B: Komm zurück! (Auf der Bühne, die immer noch dunkel ist) A: Mensch, was ist denn los? Pennen die da oben an der Leitung? D: Mäßige dich, du schockierst die Zuschauer. A: Wieso? D: Unsere Menschen sind es nicht gewohnt, daß über Fehlerquellen in der Öffentlichkeit diskutiert wird. A: Das merkt doch eh jeder, daß hier was nicht klappt. D: Also brauchst du auch nicht extra drüber zu reden. A: Du redest wie unsere Zeitungen. B: Wrr wollten doch in diesem Programm ohne Massenmedien auskommen. A: Bei solcher Berichterstattung kommt man sehr gut ohne Massenmedien aus. B: Eigott, wenn die an der Leitung nicht bald Licht machen, redest du dich hier noch um Kopf und Kragen. C: Was ihr bloß habt? Unsere Massenmedien sagen doch alles. Wenn auch mit anderen Worten. A: Wenn ich etwas mit anderen Worten formuliere, dann ist das keine Infonnation, sondern eine Fabel. C: Na, dann stimmt doch der Satz, daß der DDR-Bürgerfabelhaft informiert wird. B: Mensch, nun macht doch mal mehr Licht!
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C: Das waren schon Goethes letzte Worte. B: »Den Gedanken Licht!« Das forderte auch Erich. Alle: ????????????????????? B: Weinert. D: Wollten wir nicht heute über brenzlige Fragen der Gegenwart sprechen? •• A: Uber brennende, du Knallo. C: Wenn die Fragen brennen, dann müßte doch hier mehr Licht • sem. A: Dann laß doch deinen Geist leuchten. C: Nee danke, ich stehe lieber im Dunkeln. Als leuchtendes Beispiel abzufackeln, ist mir zu gefährlich. A: Aber nach mehr Licht schreien. C: Ich habe keinen Ton gesagt. So wie 's ist, wird es schon seine Richtigkeit haben. E: (durch die Saaltür in den dunklen Saal kommend) Heh! ... Hallo! ... Hört ihr mich? B: Was machst denn du da drüben? E: Ich bin in der Dunkelheit den falschen Weg gegangen. A: Wrr begrüßen unseren Sowjetbürger. E: Wieso Sowjetbürger? A: Ich dachte nur, weil du in aller Öffentlichkeit zugibst, daß du was falsch gemacht hast. B: Der tappt im Dunkeln und hat trotzdem noch den Weg gefunden. D: Du bist für eine Leitungsfunktion geboren! A: Apropos Leitung! Wann machen die denn nun das Licht an? B: Vielleicht verstehen die unsere Sprache nicht? E: Dann versucht's doch mal mit sowjetisch! (peinliche Pause, zu A) Na komm, du hast doch am lautesten nach Licht geschrieen. Nun mach mal! •• A: Ah... äh... Lampa kaputt ... E: Nix Lampa kaputt. Du kaputt. Kann denn hier keiner die Sprache der Bolschewiki? •
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D: Wir können mehr so die Sprache von Bernhard Wicki. C: Oder Leandros Vicki ... E: Da haben wir nun 38 Jahre lang agitiert: Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen. Und dann haben wir nicht mal die Sprache gelernt. B: Gelernt schon, bloß können kann's keiner. A: Hat doch keiner geahnt, daß man die mal so plötzlich brauchen könnte. E: Es ist doch nicht das erste Mal, daß uns die Entwicklung klar macht, was wir versäumt haben. D: Mensch, sei bloß froh, daß es hier so finster ist. Wenn das einer sehen würde, was du redest. E: Oder hören würde, wie ich aussehe. (geht an die Rampe) Towarischtschi, wkljutschitje swet! (Licht geht an) A: Ich werde verrückt, die russische Variante geht. E: Wissen ist eben Macht. Unsere Menschen, ja das weiß ich, B: Jetzt gucken die alle auf uns. arbeiten tagtäglich fleißig. E: Mit Recht. Wer im Licht steht, muß auch ein Programm haben. B: Jetzt muß aber was losgehen. C: Der Pianist fehlt. A: Nun stehen wir im Licht und nichts geht los. D: Wären wir im Dunkeln geblieben, hätten wir uns jetzt schön zurückziehen können. C: (zu E) Das hast du uns eingebrockt mit deinem Russisch. E: Ich? Ihr habt doch nach Licht gebrüllt. Hättet ihr lieber organisiert, daß alle Voraussetzungen da sind. C: Wie kann ich denn im Dunkeln sehn, was uns fehlt? D: Was machen wir denn nun ohne Musik? B: Da singen wir eben nicht, sondern reden bloß drüber. C: Da merkt doch auch der Letzte, daß uns was fehlt. A: Da kommt vielleicht 'ne Stimmung auf. B: Und wie fangen wir die ab? C: Das beste ist, wir machen das Licht wieder aus. (Licht geht wieder aus) A: Komisch, die Verdunklung funktioniert in Deutsch. C: Ich habe doch gleich gesagt: »Brennende Fragen unserer Zeit«, das ist nichts fürs Kabarett. Die Satire bringt doch mehr durcheinander, als die Politiker ... B: Na, na, na! C: ... je wieder geradebiegen können. Ihr müßt einen mal ausreden lassen . •
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D: Ich könnte zum Beispiel ein zündendes Referat halten über brennende Fragen. Hier ist meine Wortmeldung. (gibt A einen Zettel) A: Denkste, ich kann das im Finstern lesen? Macht doch mal Licht an. Jetzt geht das wieder nicht. Wie hieß das? E: Towarischtschi, wkljutschietje swet! A: (stockend) Towarischtschi, wklu-jschtsch-iete swet! (Licht geht an) E: Klingt noch bißchen unbeholfen, aber du siehst, der gute Wille wird belohnt. A: Sie hören jetzt ein Referat zum Thema: »Was rührt das Kabarett in den Problemen unserer Zeit.« C: (schaut auf den Zettel) Was rührt das Kabarett an den Problemen unserer Zeit. A: Oder so. Es spricht ein hoher Funktionär, einer mittleren Ebene. D: Mir sträuben sich sehr oft die Haare, wenn ich vom Cabaret erfahre. Die treiben alles auf die Spitze, Und fragen nicht, ob's uns auch nütze. Die machen auf der Bühne Witze, daß ich im Saale unten schwitze. Drum fragend ich zum Chef hinseh Gehört denn das ins Cabaret? Zum Beispiel Zeitung, Rundf11nk, Fernsehn, In denen wir uns selber gern sehn, Werden hier mit Spott bedacht. Und ich weiß nicht, worüber lacht der Bürger abends nach halb acht im Saale schallend oder sacht. Und der Gedanke tut mir weh Das muß nicht sein im Cabaret. Oder nehmen wir die Hauptstadt Die doch jeder Bürger gern hat. Nur die Witzler stelln sich quer, behaupten, keiner freut sich mehr, wenn von allen Orten her abgezogen mehr und mehr protzig in der Hauptstadt steh das muß.nicht ins Cabaret.
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Honecker, Reagan und Gorbatschow sind zu Besuch bei Gott. Jeder von ihnen hat eine Frage frei. Fragt Reagan, was mit den USA im Jahr 2000 sei. Nun, sagt Gott, die USA sind im Jahr 2000 sozialistisch! Da geht Reagan in die Ecke und weint bitterli~,h. Fragt Gorbatschow, was mit der UdSSR im Jahr 2000 sei. Nun, die gibt es nicht mehr, die wurde GroßChina einverleibt. Da geht Gorbatschow in die, Ecke und weint bitterlich. Zuletzt will Erich wissen, was denn mit der DDR im Jahr 2000 sei. Da geht Gott in die Ecke und weint bitterlich.
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Daß die DDR ein saubres Land, Ist wohl der ganzen Welt bekannt. Die Lästerer jedoch sehn Wälder sterben Und unsre Luft im Qualm verderben, Sehn Krankheitsbilder sich vererben. Das Fell sollte man ihnen gerben. Denn wie ich die Sache seh Gehört das nicht ins Cabaret. ''
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Ich, der nur vorwärts diskutiert Fühl mich dabei stets angeschmiert. Drum mach ich euch ein Expose Was reingehört ins Cabaret.
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Dreimal schon hat man es vernommen, daß eine Robbe in der Elbe angekommen. Warum schwimmt so'n Biest nie in die Spree Das ist Stoff fürs Cabaret.
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Die Feste feiern, wie sie fallen. Gefällt doch jedem von uns allen. Fällt das Gebiß dir raus im Tee Das bringt Feez ins Cabaret. C: Wer soll das gewesen sein? Ein hoher Funktionär einer mittleren Ebene? B: Das war höchstens ein mittelmäßiger Funktionär mit einer ganz unteren Ebene. A: (zu D) Solche wie dich hätte der Gorbatschow längst abgesetzt. D: Du willst mich absetzen? Du kannst ja nicht mal richtig Russisch.
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A: Dafür reichen mir zwei Worte: Glasnost und Perestroika. E: Und was heißt das? A: Absetzen, absägen, heidewitzka weg der Sessel. E: So einfach? A: Einfach so. Ritsch, ratsch - weg isser! E: So kann nur einer reden, der sich im Russischen nicht auskennt. Glasnost heißt nämlich so viel wie Durchsichtigkeit. Und Perestroika Veränderung. B: Erst mußte durchsehen, dann kannste verändern. E: Genau. A: Und wer nichts verändert, wird abgesägt. E: Da fang doch gleich mit dem Kabarett an. Säg's ab! Was verändert denn das Kabarett? D: Die Programmtitel. •
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C: Nö, das kannste aber nun nicht sagen. Gucke mal, wie haben wir vor zwanzig Jahren kritisiert, daß uns Klopapier fehlt. Und heute gibt's Klopapier in Hülle und Fülle. E: Willst du damit sagen, daß wir die Probleme von heute in 20 Jahren gelöst haben? D: Wenn ich das noch erleben könnte. C: So genau möchte ich mich da nicht festlegen. Es können auch 21 Jahre werden. B: Manches ging aber auch schneller. Vor 15 Jahren haben wir darüber geredet, daß man auf den Trabbi 8 Jahre warten muß. Und schon nach 8 Jahren ... E: ... konnten wir darüber reden, daß man auf den Trabbi bald 15 Jahre warten muß.
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Anfrage an den Sender Jerewan: Ist es üblich1 irn ~n land mit Devisen:> · zu bezahlen? Antwort: Im Prinzip nein. Nur wenn Sie besondere Wünsche haben.
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B: Oh, das war wohl jetzt ein blödes Beispiel, was? E: Blöde ist daran nur, daß die Leute vor 15 Jahren genauso darüber gelacht haben wie heute. Sie lachen, gehen nach Hause, und was wird verändert ... ? C: Solange unsere Bürger noch lachen, wenn sie auf den Trabbi warten, ist doch alles in Ordnung. D: Eine gute Stimmung in der Schlange verkürzt die Wartezeit. C: Wenn sie dran sind, wird ihnen der Spaß schon vergehen. D: Bis sie den Kaufpreis verdaut haben, ist die erste Reparatur fällig. A: Alle absetzen! E: Nee, alle müssen was tun! B: Aber was tun? D: Wir sollten eine Losung ausdenken. E: Ich sagte: Was tun! D: Das haben wir aber 38 Jahre lang getan. C: Jetzt tun wir das aber nicht mehr ... So oft. D: Schade, mit 'ner Losung konnte man aber immer so schön tun, als würde man was tun. E: Und was hat sich getan? B: Meistens nichts. A: Meine Rede: Hier hilft nur noch Russisch sprechen. B: Und wer das nicht versteht? A: Absetzen! B: Da würde ich aber an deiner Stelle ganz schnell anfangen, Russisch zu lernen. Von wegen: Lampa kaputt! Birne weich. E: Bevor wir bei uns Russisch sprechen, sollten wir mit manchem erst mal richtig Deutsch reden.
oti11 Kunz ging nachts auf den Balkon llnd schmiß sein altes Chaiselongue kurzerhand aufs Rosenbeet, was andern auf die Nerven geht. Ein Polizist hat ihn verhört, Kunz hat zu seinem Tun erklärt, daß es im Sinn der Losung sei: »Alles heraus zum 1. Mai!«
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Matthias Biskupek
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Gunntach. Gunntach. Sie mal wieder zu sehen? Wie geht's denn so in unsern Tagen? Danke der Nachfrage. Bitte ... ? Nein. Ich hab nur ganz schnell was zu erledigen. Auf dem schnellen Sprung. Man steckt ja ständig in den Sielen. Ich kann mich schließlich nicht den ganzen Tag von Einkauf zu Einkauf hangeln wie gewisse Kolleginnen. Man will ~v· ir ja nichts andeuten. Was sich manche -· ~ so rausnehmen. Das ist bei mir nicht 1 drin. Wenn man nicht so verschwiegen -..... 1 wäre, könnte man Sachen erzählen. Manche spielt die dicke Frieda und den großen Friedrich noch dazu. Aber so leicht laß ich mir nicht die Wurst von der Speckseite ... gucken Sie mal nicht so darüber. Nein, dorthin. Hm. Das ist der Klimpke, ja, der mit der Wattejacke. Nicht, daß der noch Gunntach sagt. Solche Leute seh ich ja überhaupt nicht. So was ignoriert man. Gucken Sie jetzt bloß nicht hin. Klimpke bringt's fertig und grüßt mich. Obwohl ich den nicht zu sehen ge' denke. Eigentlich auch überhaupt nicht kennen muß. Bloß Nachbarabteilung. __. •
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WissenSie,~sderh~?Derh~mich
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ganz frech gefragt, wieso ich denn immer krank wäre, wenn bei uns im Büro Klüngels angeliefert werden. Sie kennen doch die Dinger? Aus dem Fotolabor? Kommt man ja nie auf seine gesetzliche Kaffeepause, wenn man das alles einsortieren muß. Also erstens, sag ich, geht das Sie überhaupt nichts an, weil Sie Nachbarabteilung sind. Oder sind Sie sitzengeblieben? Sag ich so, mit Ironie, nicht wahr? Zweitens werde ich gegen Verleumdungen einschreiten. Einzuschreiten wissen, sag ich. Drittens kann ich krank sein, wie ich und mein Krankenschein wollen. So ganz geistesgegenwärtig sag ich das noch und dann: Gunntach, Herr Klimpke! Das war das letzte Gunntach, was der
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von mir gehört hat. Na, hören Sie mal, wenn einem einer solche Dinge direkt ins Gesicht sagt, ohne schamrot und so. Ich bin ja für Offenheit. Gibt ja hin und wieder Unregelmäßigkeiten bei gewissen Kolleginnen, die ich in vertraulichen Momenten mal dem Kollegen Abteilungsleiter mitteile. Mitteilen muß. Schließlich müssen wir alle mitziehen, und es ist nicht Sache gewisser einzelner, Ordnung ins große Ganze zu bringen. Aber da ist man doch in .~ufgang n ur menschlicher Hinsicht von einer interfur Herrschaften nen Höflichkeit. Solche direkten und öffentlichen Unverschämtheiten sind - ja - einfach ungezogen. Jedenfalls können Leute wie diese Klimpkes lange auf ein Gunntach von mir warten. Das gibt ja noch weit Schlimmeres. Neulich zum Beispiel, also das muß ich Ihnen erzählen, da waren zwei Gebäudefritzen bei mir. Wissen Sie was? Nein, das ahnen Sie nicht! Die hatten irgendwas am Dach zu reparieren, hämmern schon den ganzen Tag rum. Man hat ja keine Ruhe. Wissen Sie, was das an Nervenmaterial kostet? Und ich bin doch krank geschrieben. Jedenfalls wollten die plötzlich bei mir durch die gute Wohnstube aus dem Fenster. Mit irgendwelchen Geräten. Wegen Festmachen. Sagen die. So sperrige Geräte. Die zerschlagen doch womöglich noch was! Würden Sie wildfremde Handwerker > >Diese .finstere Zeit liegt einfach durch Ihre Stube lassen, bloß weil die irgendwelche nun hinter uns!(( Dachschäden bekämpfen? Na, sagen Sie mal, so was. Ich hatte grade geglänzt. So geht's ja nun nicht, sag ich. Ist staatlich, sag ich, und da kümmern sich gesetzmäßig staatliche Stellen drum. Für mein Wohnzimmer nämlich, da bezahl ich noch immer pünktlich die Miete. Und mein Mann, Sie wissen ja, der hat eine dienstliche Vertrauensstellung, was ich ja gar nicht so öffentlich ... Wenn da nun Unterlagen bei uns wären? Man kann doch
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nicht jeden über seine Schwelle lassen? So geht's ja nun nicht, jedenfalls hab ich mich strikt geweigert, gesagt, ich stehe da auf dem Boden des stabilen Mieterschutzgesetzes. Da konnten die bloß dumm gucken. Dumm gucken und Achselzucken. Weil im Auftrag nichts schriftlich ausdrücklich vorgegeben war, von unserem Wohnzimmer. Und weil wir bei uns eine erkämpfte Gerechtigkeit haben. Und nun hören Sie zu: Da sagt doch vorgestern einer von den unverschämten Gebäudefritzen, ich hatte die längst vergessen, wie ich ihn grad auf der Straße - also gar nicht sehen will, also da sagt der: Gunntach, Frau Hümpe. Ich sag dazu aber klipp und klar gar nichts. Denk ja nicht dran, solche unverschämten Leute zu kennen. Jedenfalls ruft der mjr noch nach. Ich meine, ich laß mir doch nichts nachrufen. Der ruft also: Ihre Nachbarin, Frau Hümpe, die hatte neulich aber nicht solche Probleme wie Sie. Die haben keine schriftlichen Unterlagen für einen Wohnungsdurchgang verlangt ... Na, da weiß ich doch wieder alles. Leute vom Schlage dieser Nachbarn, die lassen sich mit Kumpelhaftigkeit durchs Leben treiben. Diese sogenannten Mitmieter. Na, die grüße ich ja schon lange nicht mehr. Bitte ... ? Nein. Das sind jetzt neue. Die von früher waren ja Gold ... Bitte? Natürlich, die haben ja nie gelüftet und die Treppe sah auch immer aus ... Nun ja. Man setzt unsereinem ja immer schlimmere Leute vor die Nase. Jedenfalls, diese neuen, diese Fälle von angeblichen Mitbürgern, kriegen von mir kein Gunntach zu hören. Der Mann legt's ja noch immer drauf an und grüßt, so frech und direkt, wenn er mich sieht. Ich überhör das aber ganz deutlich. Ich schaue über so was einfach weg. Einfach weg. Die sind für mich nicht da. Stück - ja - Schmutz, sozusagen. Würden Sie zu Schmutz Gunntach sagen? Wissen Sie nämlich, was deren Tochter zu unserm Sohn sagte? Nein, das ahnen Sie nicht! Du bist ein dämliches Kamel. Wörtlich. Sagte deren Tochter. Zu unserm Sohn. Dämliches Kamel. Direkt ins Gesicht. Unser Junge ist ja etwas sensibel. Der nimmt so was immer ziemlich schwer. Das quält ihn, das weiß ich. Dämliches Kamel. Ich werd da gar nicht fertig damit. Das mindeste wäre ja nun, daß die Eltern sich bei uns dafür entschuldigen, wenn sie schon ein asoziales Tochterstück aufgezogen haben. Ich sag noch ganz freundlich zu der Mutter, daß man das ja wohl.verlangen könnte, eine Entschuldigung.
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Der kürzeste Witz: Dr. Honecker.
* Noch ein kurzer Witz: Ein Minister fährt Straßenbahn.
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Vorwärts immer, rückwärts nimmer
Damals haben wir ja noch gegrüßt, mein Mann die Frau sogar immer zuerst. Wrr haben gewußt, daß das kein Umgang für uns ist. Aber wir haben gegrüßt. Schließlich weiß man, was sich gehört. Jedenfalls sagt diese Mutter, als ich meine Anschuldigung deutlich mache und ganz freundlich eine Entschuldigung fordere, sagt doch diese sogenannte Mutter, das seien Kindereien. Wissen Sie, wie alt unser Sohn ist? Dreizehn. Mit dreizehn Jahren steht man in unserer Republik direkt vor der Jugendweihe und ist ein anerkannter Teil der Gesellschaft. Trägt Verantwortung. Das läßt sich nicht einfach als Kinderei abtun. Das ist noch verletzender als dämliches Kamel. Mein Sohn, sag ich, mein Sohn ist keine Kinderei, aber Ihre Tochter ist offensichtlich kein sehr wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft. Man hat ja wohl gehört, sag ich, daß sie einen Eintrag unter anderem wegen gewisser Dinge erhalten hat. Ich meine, ich weiß Bescheid, aber so was juckt solche Leute ja nicht, daß man Bescheid weiß. Ich sag also noch: Nun, wenn dieses Dämchen schon nicht weiß, was sich gehört, dann müßten Sie das wenigstens wissen. Aber der Apfel und der Stamm, man hat diese Leninsche Erkenntnis ja wohl schon gehört. Ich war ganz ruhig, hab wörtlich: Nicht sehr wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft! gesagt. Denn man hat ja Niveau. Ich laß mich doch nicht auf diese unterste Ebene hinab. Solche Menschen werden von mir mit Verachtung gestraft. Ich bin froh, wenn ich die nicht sehe. Die sind es nicht wert, sagt immer mein Mann. Roselore, sagt mein Mann: die sind's nicht wert. Einfach unwert. Reg dich nicht auf, sagt mein Mann. Mit diesen Leuten, die Ausdrücke durch ihre Sprößlinge gebrauchen lassen, wahrscheinlich von langer Hand vorbereitet, man wird das herauszufinden wissen, mit diesen sogenannten Menschen, deren gesellschaftliches Ansehen völlig fehl am Platz ist, reden wir einfach nicht. So sagt das mein Mann. Und ich sag Gunntach doch nur zu den Leuten, denen ich einen guten Tag wünsche. Man ist ja kein Heuchler. Wissen Sie, was ich denen wünsche? Na, ich bin viel zu gut erzogen, das zu sagen, aber die sollte man ... also wirk· lieh, ich finde, Anstand und Höflichkeit gehören zum Menschen, aber nicht zu diesen. Die mit ihrer sogenannten Direktheit und vorgegebenen Offenheit ... Bitte? Sie müssen weg? Hallo ... also so was. Unsereins hat wirklich keine Zeit! Aber wenigstens Auf Wiedersehen! kann man ja wohl sagen! Impertinenz!
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Alles zum Wohle des Volkes
Ernst Röhl
»Es ist unakzeptabel!« hob Herr Lawatschek hervor. Er packte die Kuchengabel und versetzte der Zitronenkremschnitte auf seinem Teller den Todesstoß. »Un-ak-zep-ta-bel! « wiederholte er mit vollem Mund. Die rundliche Frau Lawatschek sah das ebenso: »Die eigene Frau als dick zu bezeichnen, nur weil sie nicht dünn ist - wer tut denn so was?!« Dies war nur eine rhetorische Frage. Frau Lawatschek kannte einen solchen Menschen. Sie kannte ihn sehr gut und schon lange. Einst hatte sie ihn gar, im Sinn des Wortes, an ihrem Busen genährt. »So ist er nun mal«, seufzte die Schwiegertochter, »für ihn ist weniger ebend mehr.« Mit bebender Hand führte sie die Tasse zum Munde; als sie sie zurückstellte, kljrrte leise Gerichtliche Schritte kündigte er an und die Untertasse. vergaß nicht zu erwähnen, daß er im Dienst Frau Lawatschek hatte ihre SchwiegertochWand an Wand sitze mit dem Justitiar. ter, genauer gesagt, ihre ehemalige Schwiegertochter gleich für das erste Wochenende nach der Scheidung zum Kaffee eingeladen. Das glaubte sie ihr schuldig zu sein. Den Tisch hatte sie mit ihrem Paradegeschirr gedeckt: Zwiebelmuster, ein Weihnachtsgeschenk, von Herrn Lawatschek bezahlt, eine Augenweide, die Tassen so wertvoll, daß die wirtschaftliche Frau Lawatschek aus Gründen der Schonung, wie sie scherzhaft einflocht, am liebsten nichts anderes als Schonkaffee eingeschenkt hätte. Beim Abräumen unterlief der Schwiegertochter dann dieses Mißgeschick. Das Kännchen mit der Kaffeesahne entglitt ihren Händen und zerschellte auf dem Küchenfußboden. Entsetzt starrte sie auf das Häufchen Scherben in Sahne und ließ den Tränen freien Lauf. »Aber, aber, aber«, murmelte Frau Lawatschek und schloß sie mütterlich in die Arme. »Es ist doch gar nichts passiert, nicht · das geringste.« Diese trostreichen Worte erwiesen sich schon bald als Fehlurteil, und zwar im KERAMIK-SALON, wo Frau Lawatschek nach einem einzelnen Sahnekännchen fragte. »Gießer leider nicht vorrätig«, sagte die Verkäuferin, »Ersatzteile Zwiebelmuster überhaupt nicht.« Dazu lächelte sie melancholisch. Von Auskünften dieser Art ließ sich die lebenskluge Frau Lawatschek nicht entmutigen, grundsätzlich nicht. Der
Alles zum Wohle des Volkes
Gießer, sagte sie, um das Herz der Verkäuferin zu erweichen, wäre ihr ja nie und nimmer zu Bruch gegangen, wenn nicht ihre Schwiegertochter Ilona ... »Das gehört absolut nicht hierher.« Herr Lawatschek schnitt ihr das Wort ab. Er hielt es für unwürdig, sich bei Verkaufskräften anzubiedern, für unnötig übrigens auch, schließlich waren die Fragen des Handels ebenso wie die der Versorgung gesetzlich geregelt, umfassend und zielzentriert, also optimal. Herr Lawatschek, um das kurz zu erwähnen, zeichnet sich aus durch einen unerschütterlichen Glauben an Vorschrift, Verfügung und Verordnung. Dies betrifft sogar sein grenzenloses Vertrauen zu Recht und Gesetz im Straßenverkehr. Im Unterschied zu anderen Verkehrsteilnehmern verkehrt er mit seinem edelgrauen Trabant-Kombi stets haargenau so, wie es die StVO befiehlt und wird folglich immer wieder in Karambolagen verwickelt. Der Handel jedenfalls, legte Herr Lawatschek dar, habe dem Kunden jederzeit Einzelteile zum Nachkauf bereitzustellen, da sei er juristisch in die Pflicht genommen. Der Verkäuferin sagte er damit nichts Neues. Dennoch mußte sie bedauerlicherweise bedauern; das einzige, was sie in seinem Fall bereitstellen könne, sei die Anschrift des Herstellerbetriebs, mehr leider nicht. Das, hob Herr Lawatschek hervor, sei immerhin etwas. Selbst diesen bescheidenen Optimismus wollte sie nicht teilen; bei der ganzen Schreiberei käme am Ende ja doch nichts weiter heraus als der bekannte vorgedruckte Brief mit dem vorgedruckten todsicheren Tip: Bitte, wenden Sie sich mit Ihrem Problem an den Einzelhandel! Eine seltsame Fachverkäuferin! Offenbar sah sie ihre vornehmste Aufgabe darin, die Kundschaft zu verunsichern. Was war nur mit unserem Handel los? Das fragte er sich schon, seit vor Jahresfrist am Fischladen in der Petra-Kuschlig-Allee die blaue Neonzeile ALLES VOM FISCH ausgetauscht worden war gegen
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>>Bitte schneidern Sie mir eine solche Bluse!<<
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Was ist ein DDRSnob? Einer, der Petersilie im Intershop kauft, das Neue Deutschland über GENEX bezieht und den Parteibeitrag in D-Mark bezahlt.
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die Zeile VIELES VOM FISCH. Wenn das so weitergeht, dachte Lawatschek, dann steht vielleicht übermorgen dran: EINIGES oder ALLERHAND VOM FISCH. Er bestellte per Nachnahme 1 Stück Gießer/Service Zwiebelmuster, EVP 9,60 M. Dann wartete er sechs Wochen vergeblich. Den vorgedruckten Brief bekam er nicht, vom Sahnekännchen ganz zu schweigen. Mit einem zweiten Schreiben, dem er den Durchschlag seiner Bestellung beifügte, brachte er sich nachdrücklich in Erinnerung. Er hatte, fand er, ein Recht auf Antwort, ja er hatte genaugenommen sogar das Recht auf einen Sahnegießer. Wer gut arbeitet, der erwirbt dieses Recht. Erst auf dem jüngst vergangenen Betriebsvergnügen hatte die Festzeitung seine diesbezüglichen Qualitäten gutmütig-humorvoll gewürdigt: Kollege L. vergiftet kontinuierlich das Betriebsklima, indem er ständig am Platz ist und schuftet, er ist unersetzlich, speziell bei überflüssigen Arbeiten ... Womöglich zählten sie in ihrem Porzellanwerk auch den Kundendienst schon zu den überflüssigen Arbeiten. So nicht, Sportsfreunde! Wenn der Kunde in den Betrieb hineinruft, muß unbedingt ein weitgehend positives Echo herausschallen! Lawatschek ließ einen Monat verstreichen. Dann schrieb er seinen dritten Brief, in dem er sich auf das Gesetz über die Bearbeitung der Eingaben der Bürger bezog. Er verlangte »achtungsvolles Verhalten gegenüber den Bürgern, sorgfältige und schnelle Bearbeitung ihrer Anliegen« sowie laut Paragraph 7 Entscheidungsfindung innerhalb von 4 Wochen. Nach vier Wochen, in denen nichts geschah, stieg ihm der Mißerfolg zu Kopf. »Wenn die Kohlekumpels eines Tages so arbeiten wie diese Traumtänzer von der Porzellanbude«, brüllte er auf die erschrockene Frau Lawatschek ein, »dann gibt's im Fernsehen endlich die Sendung KLOCK ACHT OHNE STROM!« Sein viertes Schreiben formulierte er in kohlhaasischer Rage. Es ging ihm längst nicht mehr um irgendein Milchkännchen, es ging ums große Ganze! Im Stil eines Anklägers drohte er, die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen. Gerichtliche Schritte kündigte er an und vergaß nicht zu erwähnen, daß er im Dienst Wand an Wand sitze mit dem Justitiar seines Betriebes. »Wand an Wand! Dies nur zu Ihrer persönlichen Information.« Es war ein großartiger, ein mutiger Brief - Lawatschek als Vater Courage. Ein Prachtbrief! Er drückte ihn seiner Frau in die Hand zum Zwecke der Lektüre und angemessener Bewunderung des Autors. »Und morgen früh«, wies er an, »gleich zum Postamt damit, Einschreiben, Eilbrief, peng! «
Alles zum Wohle des Volkes
Frau Lawatschek hatte ja gar nichts gegen das große Ganze, im vorliegenden Fall aber lag ihr vor allem an der Lieferung eines Sahnegießers für ihr Zwiebelmusterkaffeeservice. Und in keinem seiner vier Briefe hatte ihrer Meinung nach Autor Lawatschek den rechten Ton getroffen, den Ton, der zum Erfolg führte. Diese Meinung allerdings hütete sie wie ein Geheimnis. 0 ja, sie wußte genau, was richtig und falsch war in Ehe und Partnerschaft. Erst kürzlich hatte der Ratgeberteil einer Frauenzeitung sie wieder bestärkt in ihren Auffassungen: »Sprechen Sie niemals abfällig oder kritisch über das Wirken Ihres Partners. Finden Sie heraus, wozu er fähig ist und was er nicht bewältigen kann.« Frau Lawatschek zerriß, bevor sie selbst entschlossen zur Feder griff, den Brief in tausend Schnipsel, die sie den Stromschnellen des Wasserklosetts anvertraute. Bereits am Sonnabendmorgen war der Antwortbrief da. Herr Lawatschek las ihn noch vor dem Frühstück, und Frau Lawatschek las mit, über seine Schulter hinweg. Es war ein rätselhafter, merkwürdigerweise an seine Frau adressierter Brief: »Liebe Frau Lawatschek! Vielen Dank für Ihr Schreiben vom 25.1. Sie ahnen ja nicht, wie gut ich Sie verstehe. Meine Tochter Clarissa ist nämlich genauso fertig wie Ihre arme Schwiegertochter, nur daß auch noch Kinder da sind, so daß sie wohl ebenfalls bald ihre Zuckerdose mit Zwiebelmusterdessin fallen lassen wird. Wie die Bilder sich doch gleichen: Meine Clarissa hat nämlich auch Linienprobleme, und mein sauberer Herr Schwiegersohn belegt sie zu den Mahlzeiten auch andauernd mit Injurien, sie solle die Vorspeise weglassen und statt des Hauptgerichts kein Dessert nehmen ... « und so weiter bis zur Unterschrift Müllner, Abt. Kundendienst. »Was bedeutet das?« Lawatscheks Gesicht verfinsterte sich. »Ich will ja gar nicht behaupten, daß wir schon durch sind«, sagte, vom Erfolg verklärt, Frau Lawatschek. »Aber wir sind einen Schritt weiter!« Und sie piekte mit dem Zeigefinger auf das P.S.: »Bitte wenden Sie sich mit Ihrem Problem Salzstreuer/Zwiebelmuster an den Einzelhandel.«
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> >Natürlich kann ich dieBommeln abschneiden. Aber dann entsprechen die Leuchten nicht mehr der gebrauchswerterhöhten Preisgestaltung des Herstellers. <<
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Manfred Strahl
or totalJa Unser letzter Umzug ging erstaunlich reibungslos vonstatten. Wir hatten weder Verletzte noch größere Möbelschäden zu beklagen. Alles lief wie am Schnürchen. Die Möbelträger zogen das Frühstück, das ihnen meine Frau von zarter Hand bereitet hatte, nicht unnötig in die Länge. Bereits nach zweieinhalb Stunden rüsteten die ersten zum Aufbruch. Als ich ihnen das 'llinkgeld aushändigen wollte, hinderte mich meine Frau daran. »Erst müssen noch die Blumenkästen auf den Balkon geschafft werden«, forderte sie energisch. Zwanzig Minuten später, die Möbelträger waren längst abgerückt, klingelte es bei uns. Ich öffnete. Vor mir stand freudestrahlend eine Bürgerin in höherem Lebensalter. Sie drückte mir einen frischen Blumenstrauß sowie Unwissenheit schützt vor Auszeichnung nicht. eine Urkunde in die Hand und beglückwünschte mich im Namen des WBA zum dritten Platz im Balkon-Wettbewerb des Wohngebiets. Da ich soeben erst eingezogen sei, könne es sich nur um eine Verwechslung handeln, beteuerte ich. Aber die alte Dame ließ nicht locker. »Ihre herrlichen Geranien sieht man sogar von der Straße aus«, behauptete sie. Widerstand schien zwecklos. Meiner Frau zuliebe, die in der Tat prächtige Hängegeranien aufgezogen hatte, nahm ich die Auszeichnung entgegen. Unwissenheit schützt halt vor Auszeichnung nicht! Wer wie wir dem Wettbewerbsgedanken aufgeschlossen gegenübersteht, kann sich vorstellen, was nach dieser unerwarteten Würdigung in uns vorging. Wir brannten förmlich vor Ehrgeiz. Wenn wir in aller Unschuld den dritten Platz belegt hatten, sagten wir uns, müßte es doch bei bewußter Teilnahme am Balkonwettbewerb auch möglich sein, auf den zweiten oder sogar auf den ersten Rang vorzustoßen. Womöglich winkte dem Sieger eine Kuba-Reise. Unsere ganze Liebe galt fortan dem Balkon, der bald einem Blumenmeer glich. Selbst in der kalten Jahreszeit, als die Balkone der Nachbarn zusehends verödeten, stand unser Balkon in voller Blüte. Rosen, Tulpen, Gerbera, Astern und Studentenblumen, um nur die wichtigsten Gewächse zu nennen, gediehen trotz teilweise klirrenden Frostes prächtig auf unserem Balkon. Als die verdiente Anerkennung dafür ausblieb, glaubten wir, der
Alles zum Wohle des Volkes
WBA habe uns die kleine Schummelei mit den Sebnitzer Kunstblumen vielleicht übelgenommen. Trotzdem gaben wir nicht auf. Unverdrossen kämpften wir weiter um den schönsten Balkon. Wrr pflanzten echte Schneeglöckchen und Krokusse in Massen an, doch nichts geschah. Nicht einmal auf der Lokalseite berichtete die Presse über unsere lobenswerten Aktivitäten. Entweder - so mutmaßten wir - hatte sich der WBA die großartige Idee mit dem Balkonwettbewerb von einigen Ewiggestrigen ausreden lassen, oder der Balkonwettbewerb war, wie zuvor manch anderer Wettbewerb, einfach eingeschlafen. Eines schönen Tages, ich ging gerade mit meinem Hund Gassi, entdeckte ich jedoch ein echtes Lebenszeichen unseres geliebten Balkonwettbewerbs. Das heißt, eigentlich entdeckte es Roy, mein vierbeiniger Freund. Ein echter Spürhund. Er hob sein Bein an einem glasverkleideten Schaukasten, der mir bis dahin nie aufgefallen war, aber offenbar schon eine ganze Weile in unserer Straße stand. Das Papier darin war ziemlich vergilbt, die Schrift jedoch noch gut zu lesen. Der Schaukasten enthielt die öffentliehe Auswertung unseres Balkonwettbewerbs. Etwa 60 Leute waren aus dem Wettbewerb als Sieger hervorgegangen. Wir befanden uns, wie ich verbittert feststellte, leider nicht darunter. Hauptsache, der Balkonwettbewerb lebt, tröstete ich mich. Und nicht nur der Balkonwettbewerb lebte. Beim näheren Hinsehen entdeckte ich, daß der WBA noch eine Reihe weiterer Wettbewerbe öffentlich ausgewertet hatte. Die Schautafeln enthielten die Namen der Sieger in den Wettbewerben »Schönster Hof«, »Schönste Haustür« und »Schönster Vorgarten«. In diesen Disziplinen waren allerdings nicht mehr als jeweils zwanzig Sieger aufgeführt. Sicherheitshalber las ich mir auch diese Listen aufmerksam durch. Es hätte ja sein können, daß ich zufällig mal beim Hoffegen, beim Haustürstreichen oder beim Gartenumgraben beobachtet worden war. Mein Verdacht, daß der Schaukasten nicht den aktuellsten Stand des Wettbewerbs im Wohngebiet widerspiegelte, bestand
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))Mein Vater hatte es schwer! Der mußte noch ins Uhrwerk gucken!«
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Warum zahlen die FDGB-Mitglieder ihre Beiträge pünktlich? Damit sie immer einer vollen Tisch haben.
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zu Recht. Ohne Bürocomputer, gestand mir der WBA-Vorsitzende unter vier Augen, sei eine schnelle Auswertung der vielgestaltigen Wettbewerbsaktivitäten heutzutage gar nicht mehr möglich. Aber selbst dann, wenn der WBA über einen eigenen Computer verfügte, gab er seufzend zu, sei an eine Aktualisierung der Schautafeln vorläufig nicht zu denken. Das Durchschnittsalter der für die Auswertung des Wettbewerbs zuständigen Mitglieder des WBA, erfuhr ich, lag bei 76 Jahren. Doch obwohl sich die ehrwürdigen Damen und Herren bester Gesundheit erfreuten, weigerten sie sich eigenartigerweise strikt, einen Computerlehrgang zu absolvieren. Ich horchte auf. Das traf sich ausgezeichnet. Denn bei uns im Betrieb war die Lage genau umgekehrt. Wrr besaßen Bürocom· puter und verfügten auch über qualifiziertes Bedienungspersonal. In Ermangelung entsprechender Software ließ aber die Auslastung der Computer zu wünschen übrig. Hätten die Kollegen nicht von selbst herausgefunden, daß man mit den Computern wunderbar Schach, Mieze und Anakonda sowie Schiffeversenken spielen kann, ständen sie noch völlig ungenutzt herum. Was lag näher, als die brachliegende Rechnerkapazität für die Auswertung der laufenden WBA-Wettbewerbe zu nutzen. Unsere betagten Partner staunten nicht schlecht, als sie sich am Bildschirm persönlich von der Schnelligkeit überzeugen konnten, mit der unser Computer die eingegebenen Daten verarbeitete. Die Andeutung, daß der Computer mühelos in der Lage sei, alle halbe Stunde den neuesten Stand in den einzelnen Wettbewerben zu errechnen, riß sie hin. Unter diesen Umständen, schlug der WBA-Vorsitzende vor, könne der Wettbewerb noch umfassender geführt werden. Sobald entsprechende Kontrollergebnisse vorlägen, sollte der Computer auch die Sieger und Plazierten in den Wettbewerben »Schönste Türklinke«, »Schönstes Treppengeländer« und »Schönster Briefkasten« die ersten achtzig Plätze in jeder Disziplin . ermitteln. Aber nur •• Damit keiner die Ubersicht verlor. Obwohl der Computer tatsächlich so zügig wie angekündigt arbeitete, gab es ein neues Problem. Leider besaßen wir nicht ausreichend Papier für den Drucker, so daß den Leuten vom WBA nichts anderes übrigblieb, als die Ergebnisse per Hand vom Bildschirm abzuschreiben. Der WBA-Vorsitzende tröstete uns. »Spätestens im dritten Quartal haben die Kollegen die Ergebnisse des ersten Quartals zu Papier gebracht«, sagte er stolz. »So schnell haben sie das noch nie geschafft!«
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er1n Ein Westdeutscher zu Besuch in der DDR wundert sich über eine lange Menschenschlange vorm Fleischerladen. »Nun ja«, erklärt ihm eine alte Dame, »kein Paradies ohne Schlange.« ()
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Hast du schon gehört, Erich Honecker fährt mit dem Traktor durch Berlin. warum denn das? Er sucht seine Anhänger.
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Katja Ebste\n in Berlin. Drei Abende gastierte sie im Weltstadtvariete in der Friedrichstraße. Drei Abende ausverkauftes Haus. Drei Abende Riesenbeifall. Eine Gratulation an eine 100jährige. .Kleine Möngef reparieren wir hie , g~o8en Anzahl ist es ollerdin . r '" unserer Hauswerkstatt. Bei de bißchen durcheinande.r ist.• gs kein Wunder, wenn der Mechaniker
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Jochen Petersdorf
Aus dem Leben eines vorbildlichen Radiohörers
Wzr haben uns hohe Maßstäbe gesetzt ... (( >>
Karl Wollbauer war am Abend spät zu Bett gegangen. Er hatte sich im Radio das Mitternachtskonzert der Vereinigten Mengersgereuth-Hämmerner Teufelsgeigenorchester angehört und anschließend sofort zur Postkarte gegriffen, um der Aufforderung des Programmsprechers nachzukommen, folgende Quizfrage zu beantworten: »Ist die Teufelsgeige ein Streich-, Zupf- oder Rupfinstrument?« Für die richtige Antwort winkten wertvolle Preise, unter anderem eine Rolle Draht zum selbständigen Anfertigen einer original Teufelsgeige. Wollbauer hatte sich für Rupfinstrument entschieden, seine Lösung in launige Verse gekleidet und die Karte noch in derselben Nacht zum Briefkasten getragen. Erschöpft war er dann zu Bett gegangen, hatte vorsichtshalber das Radio laufen lassen, aber schlief so fest, daß er den Beitrag von Prof. Schlummer-Rolle verpaßte, der um 1.30 Uhr die Hörer aufforderte, doch mal zu schreiben, ob der Schlaf vor Mitternacht wirklich der gesündeste sei. Zum Glück wurde er munter, als der kregle Moderator der beliebten Frühsendung »Aufgewacht und mitgedacht« um 6.10 krähte: »In wenigen Sekunden, liebe Hörer, ist es genau 6.09 Uhr. Wenn Ihnen diese Uhrzeit gefällt, dann schreiben Sie uns doch mal!« Logisch, daß Wollbauer sofort zu Kugelschreiber und Postkarte griff, die Zeitdurchsage im Prinzip begrüßte, aufs Frühstück verzichtend in seinen Trabant kroch und zum Hauptbahnhof fuhr, um seine Karte dem Richtungsbriefkasten und somit dem Weg des geringsten Postwiderstands anzuvertrauen. Vor dem Hauptbahnhof begegnete Wollbauer dem braven Schüler Ottokar, der sich auf dem Weg zum UTP mittels Kofferheule den Pionierweckruf anhörte, der mit der Frage an die Hörer
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auf die wir uns bei unserer Arbeit stützen!<< >>• • •
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Hansgeorg Stengel
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Der Orang-Utan ist ein Menschenaffe. Drei Exemplare leben in Berlin. Erkennungszeichen: mustergültig straffe uneingeschränkte Tierpark-Disziplin.
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Wir wissen nicht gar viel von diesen Tieren. Wir spüren nur: Sie sind zutiefst human. Sie stammen aus femöstlichen Revieren, mitnichten aber aus Afghanistan . Aus ihren Augen blitzt nicht wilde Tücke . Sie sehen weise aus und fotogen, als schlügen sie zoologisch eine Brücke zu den Geschöpfen, die vorm Käfig stehn. Ein Affe ist nicht ganz wie unsereiner. Er meldet sich nicht unentwegt zu Wort, trinkt weder Pilsner Urquell noch Kathreiner und treibt tagtäglich vierzehn Stunden Sport. Man sollte sich als Mensch nicht überheben. Auch Orang-Utans haben Lebensart. Zwar: Feinschliff ist den Affen nicht gegeben, doch ihr Gemüt ist mild und butterzart. Es ist nicht nett, die Affen zu verdießen. Sie gehn auf grobe Späße ungern ein. Drum laßt mich mit dem Afforismus schließen: Wer Affen will, muß fröhlich sein.
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Alles zum Wohle des Volkes
Ernst Röhl
' OHWlt Vor Jahren sprach mein Arbeitskollege Rohlinger auf Versammlungen und Beratungen aller Art gern zu Fragen der sozialistischen Lebensweise. Mit einem Seitenblick auf meine Person, doch ohne meinen Namen zu erwähnen, brandmarkte er den Besitz von Wochenendhäuschen leidenschaftlich als Datschismus, geißelte er den Erwerb von Grundstücken als kleinbürgerliche Zersiedelungsgier. Tatsächlich hatte ich von meinem Großvater eine hölzerne Laube mit Garten geerbt. _Anfangs hatte ich versucht, ein paar Beete mit Radieschen, Teerosen und Suppenkraut anzulegen, aber die Wühlmaus durchkreuzte meine Pläne. »Wenn die Wühlmaus«, las ich in Brehms Tierleben, »sich einmal eingenistet hat, geht sie freiwillig nicht eher weg, bis sie alles Genieß„. bare aufgefressen hat. «Ich fügte mich ins Unvermeidliche, stellte den Gartenbau bereitwillig ein und legte mich in die Sonne. Denn Nichtstun ist immer noch besser, als mit großer Mühe nichts schaffen. Rohlinger stieg vom Sachbearbeiter zum Abteilungsleiter auf und sprach auf Versammlungen nunmehr wesentlich seltener zu Fragen der sozialistischen Lebensweise, stattdessen begann er auffällig oft von den Schönheiten unserer Heimat zu schwärmen, von Mutter Grün, vom Busen der Natur, von einem stillen Plätzchen, wo es sich in Ruhe nachdenken ließe über sozialistisches Arbeiten, Lernen, Leben. Als er Hauptabteilungsleiter wurde, kaufte er mir mein Häuschen samt Garten ab. Die Laube gefiel ihm ganz gut, den Garten dagegen fand er reichlich verwildert, unkultiviert. »Ein schönes Fleckchen Erde«, sagte er ironisch, »allerdings ein Schandfleckchen! « Er griff sofort zu Axt und Spaten, streckte ein paar alte, morsche Pflaumenbäume nieder, buddelte im Schweiße seines Angesichts den ganzen Garten um und säte Rasen an, Zierrasen Sorte 1. Nach einem ergiebigen Landregen drängten unaufhaltsam zarte Grashälmchen ans Licht. Ein irrer Hauch von fri-
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Wzr orientieren erst einmal darauf, daß alles in bester Ordnung ist. << >>
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Alles zum Wohle des Volkes
schem Grün! Wem der Rasen aufläuft, dem geht das Herze über. Angefeuert von den Ratschlägen seiner Frau, steckte er Tulpenzwiebeln, Krokusse, Osterglocken, Märzenbecher, Schneeglöckchen und fieberte einen langen Winter lang dem Frühjahr entgegen. Der Schnee schmolz, doch Rohlingers Frühblüher ließen auf sich warten. Mit dem Spaten, ja mit bloßen Händen grub er nach seinen kostbaren Zwiebeln - sie waren allesamt wie aus dem Erdboden verschwunden. Nun erst nahm er eine Erscheinung ernst, die er bislang nur wahrgenommen hatte: ein geheimnisvolles Muster im Rasen. Rissige Gänge zogen sich in abenteuerlichen Kurven dicht unter der Erdoberfläche hin. Höhepunkt dieses ominösen Schnittmusterbogens waren zwei Dutzend kleinformatiger Maulwurfskrater. »Herzlichen Glückwunsch zur Wühlmaus!« sagte ich schadenfroh. Rohlinger begann, sich mit Theorie und Praxis der Wühlmausbekämpfung zu befassen, und Solange Büchsenlicht herrschte, tauchte der ihm war gar nicht wohl dabei. ErbeFeind keine einziges Mal auf aus dem Untergrund. zeichnete sich selbst als Tierfreund erster Klasse. Wenn er sich fragte, wen er mehr liebe - seine Frau, seine Freundin, seinen Dackel Conny, dann belegte der Dackel ganz gewiß nicht den letzten Rang. Und nun sollte ausgerechnet er, der Goliath Rohlinger, einschreiten gegen einen unterirdischen David, gegen einen Winzling aus dem Tierreich? Mit Sicherheit war sich die Wühlmaus gar keiner Schuld bewußt. Das Wühlen liegt ihr natürlich im Blut, alles Vererbung, sie kann halt wühlen nur und sonst gar nichts ... Andererseits, wenn schon einer in Rohlingers Scholle mmwühlte, dann doch wohl der Inhaber selbst und sonst keiner! Rohlinger stellte Fallen auf. Die Wühlmaus legte Umleitungen an. Rohlinger schickte seinen Dackel vor. Als der Schaden, den dieser anrichtete, die Wühlmausschäden überstieg, nahm sein Herrchen ihn aus dem Rennen. Rohlinger planierte die Landschaft und legte an allen Ecken und Enden des weitverzweigten Wühlmausverkehrsnetzes das tödlich wirkende Wühlmauspräparat DELICIA aus, ein von der biologischen Zentralanstalt geprüftes und anerkanntes Mittel, ein Freßgift der Abteilung 3 nach dem Giftgesetz vom 6.9.1950. Am Abend starb sein Dackel eines qualvollen Todes. Rohlinger, von Trauer und Zorn übermannt, beschloß, die Wühlmaus als das zu bekämpfen, was sie war: der Hauptfeind des mitteleuropäischen IDeingärtners!
Alles zum Wohle des Volkes
Fortan betrat er seinen Garten nur noch bewaffnet mit seiner Luftbüchse. Doch solange Büchsenlicht herrschte, tauchte der Feind kein einziges Mal auf aus dem Untergrund. Rohlinger kaufte einen größeren Posten Wühlmausgaspatronen auf. Tapfer kämpfte er bis zur letzten Patrone. Die Wühlmaus aber baute ihr Gangsystem unverdrossen immer weiter aus. Minutenlang leitete er Autoqualm in die Gänge. Die Wirkung war nicht gering. Und zwar an seinem Auto. Rohlinger, von seinen Mißerfolgen berauscht, besorgte sich einen Kanister Diesel. Flächendeckend verdieselte er alle Wühlmausgänge. In die Löcher stopfte er dieselgetränktes Zeitungspapier und zündete es an. Dazu drohte er dem Feinde siegesbewußt mit der Faust. Leider stand der Wind nicht günstig. So wurde seine Laube ein Raub der Flammen. Mit diesem Brandopfer begann sein sozialer Abstieg. Seine Freundin, die er zugunsten der Wühlmaus stark vernachlässigt hatte, wandte sich von ihm ab. Seine Frau reichte die Scheidung ein. Der Betriebsdirektor, der in das Geheimnis von Rohlingers »Dienstfahrten« eingeweiht war, ernannte ihn wutschnaubend zum wissenschaftlichen Mitarbeiter. Rohlinger versuchte es ein paar Tage lang mit Arbeitsdisziplin, aber immer und immer wieder schweiften seine Gedanken aus dem Büro ins Freie. Schließlich glückte es ihm, in einer ländlichen Schlosserei zehn Kilo Karbid aufzutreiben. Damit verminte er eines Sonntags das sich immer weiter ausbreitende Gangsystem und sprengte den halben Garten in die Luft. Nun ist er krankgeschrieben, und sein rechter Arm ist wegen Verbrennungen dritten Grades bis zum Ellbogen hinauf bandagiert. Gestern traf ich ihn. Er wolle das Grundstück abstoßen, sagte er. Ruhe und Erholung habe er dort zu finden gehofft, sich statt dessen aber intensiv der Kleinwildjagd widmen müssen. Dies allerdings mit durchschlagendem Erfolg. Die Wühlmaus sei ausgeräuchert, besiegt! Ich hatte meine Zweifel, hütete mich aber, sie Rohlinger, einem geschlagenen Mann, kalt und herzlos mitzuteilen. Ich mußte an Brehm denken und an den Umstand, daß die Wühlmaus auf Rohlingers Grund und Boden alles Genießbare ratzekahl vertilgt hatte. Sie hatte sich in einen nahrhafteren Grund zurückgezogen, davon war ich fest überzeugt. Der Mensch kann es erfolgreich mit Bären, Wölfen und Löwen aufnehmen, die Wühlmaus aber, die Wühlmaus ist für ihn eine Nummer zu groß. ·
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Anfrage·an den · Sender Jerewan: Stimmt es, daß es · .im }\oJl1munismus kein·Geld mehr · geben wird? ·. Antwort: ..Im Prinzip ja. Denn es wird schon im Sozialismus>alles aus„ .gegeben sein.
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Alles zum Wohle des Volkes
Johannes Conrad
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' OOHtttse IHOH Beinahe gut gelaunt brauste der Schnellzug Dresden-Berlin durch den Sonntagnachmittag, durch Sonne und Regenschauer, an nassen Wäldern und eingeweichten Feldern vorbei, durch Patsch und Quietsch und Krähenknarren, die Schranken verbeugten sich, die Wagen wiegten sich wie dicke Frauen in den Hüften, die hellgrünen Bäume salutierten, die Kiebitze saßen kopfschüttelnd auf den Eiern, der Zug steppte und tanzte und wackelte, die Bierflaschen in den Abteilen zitterten, und die Lokomotive - huhuhu! - gab gerade Laut, als Frau Seidel ihrem Mann ins Ohr sagte, daß der Magere, neben dem Janine sitze, ein feiner Mensch sei, sie habe es gleich gesagt! Uwe Seidel, der sich seit Antritt der Fahrt in seinem Notizbuch auszurechnen versuchte, was er zu bezahSogar Schweinen ziehen sie manchmal len hätte, wenn er das Auto nun doch in die farbige Fräcke an und lassen sie kopfstehen. Werkstatt brächte und nicht wieder von Karl Prutzke, diesem Pfuscher, reparieren ließe, sah seine Frau zerstreut an und seufzte. Dann ließ er den Blick zu Janine wandern, die klein und dick neben dem Mageren saß und gerade die dritte Leberwurststulle verdrückte. »Warum gewinnen immer die anderen im Lotto?« dachte er, und das ganze Abteil roch nach Leberwurst. »Leberwurst ist wie Heimweh!« dachte Uwe Seidel. »Feine Milchkühe!« sagte er zu dem Mageren, der einer einsamen Kuhherde zunickte. Der Magere lächelte traurig. »Wenn sie nicht geschlachtet würden«, entgegnete er, »möchte man manchmal so ein Tier sein, Kollege! Das bißchen Geziepe an den Zitzen beim Melken kann schließlich so weh nicht tun. Ansonsten grast das doch dauernd in der frischen Natur, ohne Kummer, ohne Sorgen, unsereiner aber muß zur Beerdigung seiner Kusine! Kühe haben keine Kusinen! « Der Magere nahm die Brille ab und putzte sie schniefend. »Außerdem leide ich unter Schlafstörungen«, gestand er Uwe Seidel. »Wegen der Kaffeemaschine, die ich mir gekauft habe. Weil sie so laut quackert! Sie röchelt wie lebendig, verstehen Sie? Manchmal denke ich, sie kriegt keine Luft. Man atmet dann unwillkürlich in diesem angstvollen Rhythmus mit. Und immer bei den Nachrichten! Das kommt mir schon langsam seltsam vor. Zudem haut's mit der Tülle am Glaskrug
Alles zum Wohle des Volkes
nicht hin, mit der Gießschnauze! Der Kaffee läuft beim Ausschenken daneben, macht Pfützen! Es ist ja so tröstlich, hier mal ohne diese Maschine unter Kindern sitzen zu können, verstehen Sie das?« Uwe Seidel nickte verwirrt und dachte an sein Auto. »Wenn man die Filtertüte einlegen will, Kollege«, fuhr der Magere mit erhobener Stimme fort, »muß man den Filter zwischen die Zähne nehmen, stellen Sie sich das mal vor! Weil er umkippt, wenn er stehen soll! Ich wollte schon das Kaffeetrinken aufgeben deswegen, man ist doch kein abgerichteter Hund!« Erregt strich der Magere der leberwurststullenessenden Janine Seidel übers Haar und preßte durch die Zähne: »Ich darf als Zahntechniker auch keine Prothesen aus Ventilgummi liefern! Kein Wunder, daß man die Kühe zu beneiden beginnt!« »Muhkuh macht Aa!« erwiderte Janine Seidel kauend. »Aber nicht mit vollem Mund, Kind!« fuhr Frau Seidel dazwischen und berichtete dem Mageren mit mütterlichem Lächeln: »Wir waren nämlich übers Wochenende bei meinen Schwiegereltern auf der LPG, da hat sie's gesehen!« - »Ist ja auch beeindruckend!« erwiderte der Magere, und Janine Seidel rief weinerlich »Muhkuh macht Aa! «, worauf Frau Seidel einen roten Kopf bekam und »Jetzt nicht, nur bei Omi!« schrie. »Aber, junge Frau! « rief der Magere. »Was soll ich da erst sagen mit meiner Kaffeemaschine? Das kleine Ruschel weint ja fast. Wo's doch so artig sein Bemmel mit Leberwurst ißt!« »Hausschlachtne von meinen Eltern!« warf Uwe Seidel ein. »Als hätt ich's gerochen!« rief der Magere. »Und so ein niedliches Pullöverchen hat das Mädel an! Ein richtiger kleiner Wollknaul biste, was?« - »Muhkuh macht Aa!« schrie der kleine Wollknaul wütend, worauf der irritierte Magere seine lange Nase schnaubte und sich mit der Frage »Haben Sie auch eine Kaffeemaschine?« an Frau Seidel wandte. »Eigentlich nicht direkt ... !« antwortete Frau Seidel vorsichtig. »Ohne Kaffee bin ich kein Mensch!« erklärte der Magere und faltete sein Taschentuch entsetzlich ordentlich zusammen. »Wenn ich vor der Arbeit nicht meine zwei, drei Tassen habe, kann ich gleich einpacken! Aber wenn die Maschine wie der Sterbende Schwan röchelt, pack ich schon vorher ein!« Der Magere schüttelte sich wie einer, der etwas Saures getrunken hat. »Das kann doch nicht der Sinn der Heimelektronik sein!« rief er. »Aber in der Sparkasse Computer! Soll ich mir vielleicht den Kaffee im Sparkassencomputer aufbrühen, meine Dame?« »Bald blühn die Primeln!« erwiderte Frau Seidel ausweichend
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Honecker hat darauf bestanden, daß Margot alle Grünpflanzen aus der Wohnung in Wandlitz räumt. Er kann das Wort Gießen nicht mehr hören.
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und wandte sich mit der zärtlichen Frage »Willste auch ein Leberwurstbemmel? « an ihren Mann. Uwe Seidel, der sich gerade dazu entschlossen hatte, das Auto nun doch nicht in die teure Werkstatt zu bringen, sondern die Sache anders anzupakken - keinesfalls aber mit Karl Prutzke! - blickte seine Frau verständnislos an. Verwirrt öffnete er den Mund, da schrie Seidels Sohn, ein Fünfjähriger mit großen Ohren und einem schlau aussehenden Campingbeutel auf dem Rücken: »Rehe! Lauter wilde Rehe, die Gras fressen!« Freundschaftlich stieß der Magere den Jungen an und sagte: »Rehe fressen das Gras nicht, Kleiner, sie äsen!« »Aber ich habe das doch gesehen, wie die Rehe das Gras fressen, Onkel!« rief der junge Seidel. »In gewissem Sinne stimmt das schon, mein Kerlchen«, erwiderte der Magere und blickte amüsiert reihum, »rein optisch gesehen, fressen die Rehe das Gras, doch bei den Rehen sagt man nun mal eben, daß sie äsen - Wild äst, mein Junge!« Erstaunt setzte sich der junge Seidel hin. »Äsen Menschen auch, wenn sie Gras fressen?« fragte er. Der Magere lächelte gerührt: »Menschen essen Kopfsalat, Kleiner, sie haben kein Organ für Gras, aber Rehe haben es!« »Wissen Sie auch, ob Rehe manchmal Schürzen umhaben?« fragte der junge Seidel. »Ich müßte eine umhaben wegen meiner Kaffeemaschine, Junge!« rief der Magere und wandte sich an Frau Seidel: »Ich finde es albern, wenn man Rehe in Schürzen auftreten läßt! Oder Affen mit Zuckertüten! Sogar Schweinen ziehen sie manchmal farbige Fräcke an und lassen sie kopfstehen!« Liebevoll blickte der Magere dem jungen Seidel in die Augen und sagte: »Rehe tragen keine Schürzen, Junge.« »Aber wenn wer kommt«, gab der junge Seidel zu bedenken, »und macht den Rehen Schürzen um?« »Wozu denn?« fragte der Magere. »Na, damit sich die Rehe nicht bekleckern, du Blöder!« antwortete der junge Seidel, worauf seine Mutter mit hoher Stimme »Aber, Mirko!« rief und der Magere gar nichts mehr sagte. Er sah den jungen Seidel nur an. Feindselig erwiderte der junge Seidel den Blick des Mageren. Etwas später begann er sogar zu singen. »Die kleinen, wilden Rehe fressen Gras und haben Schürzen um«, sang er. Danach sang er etwas lauter: »Auch die kleinen Zuckertüten fressen Gras und haben Schürzen um!« »Die wilden Schweine auch!« fügte er böse hinzu, um hierauf aus voller Kehle zu singen: »Auch die Eisenbahnen haben
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Schürzen um und fressen Gras!« Der Magere nickte bitter. So, als wüßte er das alles schon von seiner Kaffeemaschine. »Ein übermütiges Fohlen!« erklärte ihm Frau Seidel. »Er läßt sich ja nicht mal den ollen Campingbeutel abnehmen! Sag doch auch mal was, Uwe!« rief sie ihrem Mann zu, doch der stellte sich gerade vor, wie ein engelartiger Mensch im Monteuranzug das Seidelsche Auto reparierte - und schwieg. »Auch Regenwürmer haben Schürzen um«, sang der junge Seidel und machte alle ihm bekannten Tiere, aber auch Schnürsenkel und Zahnbürsten zu grasfressenden Schürzenträgern. Kurz vor Ende der Reise erhob sich der Magere, ergriff eine schwarze Aktentasche und einen schlauchförmigen schwarzen Mantel und fragte den noch immer singenden Jungen: »Wann gehst du zur Schule, du übermütiges Fohlen?« - »In einem Jahr, dann " esse ich Gras und habe eine kleine Mirkoschürze um«, sang der junge Seidel, der nicht mehr aus dem Singen herauskam. »Na, da bist du ja schon recht schlau für dein Alter!« stellte der Magere fest. Und dann sagte er noch mit respektvollem Nikken zu Frau Seidel: »Schöne große Ohren hat er!« Hierauf verließ der Magere traurig das Abteil. »Ach du meine Güte, das war aber ein aufgeblasener Hund!« rief Frau Seidel und setzte erschüttert hinzu: »Wo mein Vater Orchestermusiker ist! Wenn dem Herrn unsere Ohren nicht passen, muß er sich eben seine geliebten Kuheuter angucken! « »Muhkuh macht Aa!« gähnte die erwachende Janine Seidel. »Nein, in der Eisenbahn nicht!« rief Frau Seidel und zog ihren Anorak über. »Große Ohren!« schimpfte sie. »Wo Mirko schon mit dem Taschenrechner rechnen kann! Und nur, weil der Kerl unzufrieden mit seiner Kaffeemaschine ist! Da soll er sich doch keine Neuentwicklung kaufen, er ist doch kein Testpilot! Hätten wir uns lieber in das Abteil mit der feinen, alten Dame gesetzt und nicht zu diesem Jammerlappen!« »Er fuhr zur Beerdigung, Uschi!« warf Uwe Seidel ein. »Na, und?« entgegnete Frau Seidel wütend. »Laß bloß mal end-
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WodKa Gorbatschow.
lieh unser Auto richtig reparieren, daß es nicht immer kaputt ist, wenn man gedemütigt wird! « »Prost, Mahlzeit!« dachte Uwe Seidel, der sich gerade dazu durchgerungen hatte, das Auto nun doch wieder von Karl Prutzke reparieren zu lassen. »Warum gewinnen bloß immer die anderen im Lotto?« dachte er und ergriff die schweren Taschen mit der Hausmacherwurst in Gläsern, denn soeben röhrte ein Lautsprecherbaß: »Berlin-Lichtenberg, alles aussteigen, der Zug endet hier! « Der junge Seidel sang gerade stockheiser: »Die kleinen, wilden Kaffeemaschinen fressen Gras und haben kleine Kaffeemaschinenschürzen um!« - »Komm du mir nur nach Hause!« sagte Frau Seidel und warf ihrem großohrigen Sohn einen furchtbaren Blick zu.
Wasftinkt man '~· 1981. in der Sowjetunion? -
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Re (a}genwasser. Das liät der Miile- , ralsekretär so an-
geortlnet.
Der Maxe baut ein feines Haus, denn Maxe ist nicht faule, und eine Wiese ist am Haus mit einem Schwimming-Paule. Der Robert baut ein feines Haus, damit schockiert er Maxen weil auf dem Dach von Roberts Haus Bananenbäume wachsen. Der Emil baut ein feines Haus aus Klinkern und aus Klunkern, die Maxens und die Roberts Haus beblinkern und beblunkern. Da baut der Franz ein schönes Haus aus Marmor, Stein und Eisen und sagt, er kann mit diesem Haus auf alle andern spucken. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann bauen sie noch heute und wundern sich: Wie dußlig sind doch ganz normale Leute.
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Heli Busse
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Ich hatte mir diesen Haushaltstag wahrhaftig nicht genommen, um über meine 14jährige Tochter nachzudenken, aber ihr Deutschlehrer wollte es so. In der Kaufhalle trat er mir aus einem Hinterhalt plötzlich in den Weg und sagte, er möchte mich vorwarnen, daß meine Tochter mit einer satten 5 nach Hause komme, weil sie und zwei andere Früchtchen in der Deutscharbeit Wort für Wort mit sämtlichen Fehlern voneinander abgeschrieben hätten. Er wisse nicht, wer von wem, aber das sei ihm auch egal, da alle drei gleich verlogen seien. Ich mag das nicht, wenn mich Leute so unvermittelt mit ihren beruflichen Problemen überfallen, und darum antwortete ich kurz angebunden, ich könne nicht beurteilen, ob meine Tochter genauso verlogen wäre wie die beiden anderen, weil ich die nicht kennen würde, aber ich verließe mich da ganz auf ihn als den Fachmann in solchen Fragen. Naja, man kennt das doch aus der eigenen Schulzeit: Es ist sinnlos, mit einem Lehrer zu diskutieren, man zieht immer den kürzeren. Kaum hatte ich mich von dem Lehrer befreit, stieß ich auf Herrn Hohnberg und Frau Tittelbach, deren Kinder in derselben Klasse sind wie meine Tochter. Herr Hohnberg erzählte Frau Tittelbach gerade von seinem neuen Hi-fi-Stereo-Kompakt-Set, und wie er und sein Sohn Thor-Alf und seine Frau abends immer Bach oder Mozart hörten, ohne die sie schon gar nicht mehr einschlafen könnten. Herrn Hohnbergs Sohn habe über 200 Kassetten mit klassischer Musik, und darunter solche Kostbarkeiten wie die ganz selten gespielte 11. Sinfonie in A-Dur für Streicher und Posaune von Tintoretto. Herr Hohnberg wandte sich an mich und lud mich ein, mit Mann und Tochter zu ihm zu kommen, um die Sinfonie zu hören. Hierauf erzählte Frau Tittelbach, ihre Familie könne erst nach hundert Seiten guter Literatur einschlafen, und ihre Tochter Made-Lene habe schon über 300 Bücher der Weltliteratur gelesen und verschlinge selbst solche schwer verständlichen Werke wie fünfhundert Jahre Einsamkeit in einer Nacht. Frau Tittelbach wandte sich an mich und sagte, sie leihe mir das Buch gerne für meine Tochter.
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Nun berichtete Herr Hohnberg von seinem Sohn, bei dem man wegen seiner vielseitigen, überdurchschnittlichen Begabung noch nicht recht sagen könne, ob er mal ein bekannter Leistungssportler, Mathematiker, Geigenvirtuose oder ganz etwas anderes werden würde. »Genau wie bei meiner Tochter!« rief Frau Tittelbach aufgebracht dazwischen. »Ja«, sagte Herr Hohnberg und fuhr fort, daß ein Bekannter seinen Sohn letztens Wunderkind genannt habe, was er jedoch für unwissenschaftlich halte, da es sich um eine natürliche, wenn auch hohe, sehr hohe vererbte Intelligenz handele, die allerdings ans Wunderbare grenze. Frau Tittelbach nickte und meinte, auch ihre Tochter gelte allgemein als Wunderkind, weil sie schon im Kindergarten lesen, schreiben und rechnen konnte, während sie sich jetzt mehr mit Philosophie und Computer-Basics befasse, so daß sie nicht sehr gerne zur Schule gehe, weil das da so langweilig für sie sei. Hier lachte Herr Hohnberg schmerzlich auf und sagte, in der Tat, wenn es etwas gäbe, was den Fähigkeiten solcher Kinder am wenigsten gerecht würde, dann wäre das die Schule. Und voller Bitterkeit fügte er hinzu, daß überdurchschnittlich intelligente Kinder bei den Lehrern höchst unbeliebt seien, aber nicht erst seit heute, denn unter dieser Abneigung der Lehrer gegen Wunderkinder habe auch er schon in der Schulzeit gelitten, und Frau Tittelbach war es nicht anders ergangen. So kam es, daß ich auf dem Heimweg nicht über die noch zu erledigenden Hausarbeiten nachdachte, sondern über meine Tochter und darüber, ob ich nicht ein ernstes Wort mit ihr reden müßte, und das wurde mir zur Gewißheit, als ich schon an der Wohnungstür das bekannte Wummwumm-wumm und irres Gedudel hörte. Ich ließ die Taschen mit dem Einkauf fallen, stürzte in das Zimmer meiner Tochter, drehte das Radio aus und schrie: »Geht nichts anderes mehr rein in dein Gehirn als diese Dampframmenschläge und das Eunuchenheulen? Grad hat mir Herr Hohnberg von seinem Sohn erzählt, an dem du dir mal ein Beispiel nehmen solltest!« »An dem Beknackten, eh?« sagte meine Tochter. »Oder lies mal wie Made-Lene Tittelbach ein gutes Buch!« »Die is ja noch beknackter, eh!« sagte meine Tochter. Ich wollte mich gerade auf sie stürzen, als mein Mann
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nach Hause kam, und ich nahm ihn beiseite und fragte ihn, wie er es sich erkläre, daß die Tochter einer intelligenten Mutter und eines auch nicht gerade auf den Kopf gefallenen Vaters nicht überdurchschnittlich intelligent sei wie Kinder anderer Leute, sondern in Deutsch eine Fünf kriege, obwohl zu Hause nichts wie Deutsch geredet werde. »Es liegt an unserer Desoxyrlbonukleinsäure«, sagte mein Mann. »Ich hab das grad in der Zeitung gelesen. Es ist ganz einfach. Irgendwas in der Säure geht kaputt, und die ganze Erbinformation ist zum Teufel. Das passiert in den besten Familien, und man braucht sich deswegen keine Vorwürfe zu machen. « Ich sagte, ich mache ihm ja keine Vorwürfe, aberwir sollten unserer Tochter wenigstens das Radio wegnehmen, weil ich mir gut vorstellen könne, daß diese Musik, die wie ein spitzer Pfahl ins Gehirn gerammt werde, dort eines Tages noch Wichtigeres als bloß die Erbinformation kaputtmache. Ich erzählte ihm, daß andere Kinder »Fünfhundert Jahre Einsamkeit« lesen und Sinfonien hören, weswegen sie mal irgendwas Berühmtes werden würden, und ich forderte meinen Mann auf, mitzukommen zu Herm Hohnberg, um die 11. Sinfonie in A-Dur von Tintoretto vom Band zu hören. Mein Mann sagte, er habe die Erfahrung gemacht, daß sich Sinfonien in A-Dur sauer auf seine Ribonukleinsäure legten, und ich solle allein mit meiner Tochter gehen. Das machten wir, aber erst wollte ich mir bei Frau Tittelbach das Buch ausleihen. Wir waren jedoch kaum aus dem Haus, da tauchte schon wieder dieser Deutschlehrer auf, und er machte sich an meine Tochter heran und fragte: »Na, was haben deine Eltern zu der Fünf gesagt?« »Nischt, eh!« sagte meine Tochter. »Hören Sie«, mischte ich mich da in das Gespräch ein. »Sie sollten die beiden Wunderkinder in Ihrer Klasse nicht zum Maßstab für alle machen. Für ein Kind mit kaputter Desoxyribonukleinsäure kommen dann logischerweise nur noch Fünfen heraus.« »Für wer bei was?« stotterte dieser Deutschlehrer, daß meine Tochter mitfühlend die Augen verdrehte. »Ich rede von Ihren Wunderkindern Hohnberg und Tittelbach«, klärte ich ihn auf. »Und von meiner bedauernswerten Tochter.«
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»Wunderkinder?« schnaufte der Lehrer und ging mit dem Rükken an die Hauswand. »Hohnberg und Tittelbach!« half ich ihm beim Denken, aber er brachte bloß noch krächzend heraus, daß Hohnberg und Tittelbach die anderen beiden verlogenen Früchtchen seien, die er mit einer satten 5 bedacht habe. »Das ist sehr aufschlußreich für mich«, sagte ich. »Ich hab schon davon gehört, daß überdurchschnittlich begabte Kinder nicht sehr beliebt bei den Lehrern sind. Bei Ihnen werden sie gleich kollektiv mit einer Fünf abgestraft. Fein!« Ich nahm meine Tochter und ging. Er blieb an der Hauswand stehen wie festgeklebt und blickte uns hinterher. Ich fing langsam an, meine Tochter mit anderen Augen zu sehen. Das Haus, in dem Frau Tittelbach wohnte, war ganz erfüllt von dem bekannten Gewumme und Eunuchengeheul. Wir stiegen die drei Treppen hoch, und der Lärm wurde immer lauter, und ich wollte gerade den Finger auf die Türklingel legen, da hörte ich Frau Tittelbach in der Wohnung kreischen: »Mach das Radio leiser, hab ich gesagt, Ich hab gesagt, mach das Radio leiser, Ma-de-Le-ne !« Aber das hörte die bei dem Krach natürlich nicht, und wir waren schon wieder auf der Straße, als man Frau Tittelbach trotzdem noch schreien hörte: »Mach das Radio leiser, hab ich gesagt, ich hab gesagt ... « »Na siehste!« sagte meine Tochter. Bei Herrn Hohnberg im Hause herrschte eine ruhige, gepflegte Atmosphäre, daß ich richtig aufatmete. Was immer das auch für eine Sinfonie sein mochte, die Herr Hohnberg uns zu Gehör bringen wollte - schlimmer als das, was man sonst so hörte, konnte es auf keinen Fall • sem. Herr Hohnberg gab uns die besten Plätze zum Stereohören, und seine Frau und sein Sohn Thor-Alf ließen sich hinter uns nieder, während Herr Hohnberg die Kassette einlegte und uns noch einmal die Seltenheit dieser 11. Sinfonie in A-Dur von Tintoretto erläuterte, die nur zweimal gespielt worden war, nämlich einmal 1887 in New York und vor kurzem in Warschau, wovon Herr Hohnberg die Aufnahme hatte, um die ihn Millionen Musikfreunde in aller Welt beneideten, weil die Sinfonie nach seiner Hochrechnung erst wieder im Jahre 2087 irgendwo gespielt werde, aber vielleicht auch überhaupt nie wieder. Hierauf ließ Herr Hohnberg das Band anlaufen und setz-
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te sich mit einem erwartungsvollen Lächeln zu uns. Eine ganze Weile hörte man nichts, und Herr Hohnberg wurde schon unruhig, als plötzlich ein irrer Schrei die Stille zerriß, und danach setzte mit ungeheurer Wucht Dampframmengewummere und Eunuchengeheul ein. »Det is die Gruppe Fortschenmix, eh!« sagte meine Tochter erfreut. Herr Hohnberg aber stieg von seinem Stuhl senkrecht hoch wie ein Geist, und mit einem Arm, der mir gut zwei Meter lang zu sein schien, griff er zwischen uns hindurch nach seinem Sohn, und während er ihn in den Korridor hinausschleifte, brach er in den prophetischen Ruf aus: »Das war die letzte Kassette, die du mit deinem Kleinkindergebrüll versaut hast!« Und nun hätte man nicht mehr sagen können, ob das gräßliche Geschrei von der Gruppe Fortschenmix oder von Thor-Alf kam. »Na siehste !«sagte meine Tochter, als wir endlich im Treppenhaus standen, wo sich ein Mann schwer atmend und vor sich hinbrabbelnd am Geländer zu uns emporzog. Als er unser ansichtig wurde, schrie er auf, stürzte, wie von Furien gejagt, die Treppen hinunter und aus dem Haus. »Mein Deutschlehrer, eh!« sagte meine Tochter erstaunt. Ich legte den Arm um sie und sagte mitleidig: »Gewöhn dich dran, daß dich die Lehrer nicht leiden mögen und daß es Fünfen hagelt, mein armes Wunderkind! Auch deine Mutter mußte dies durchmachen.«
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Ottokar Domma
Eines Tages sagte unsere Russischlehrerin, Frau Katharina Pitthuhn, daß sie sich zum Tag der Befreiung was Schönes ausgedacht hat, nämlich ein Freundschaftstreffen mit einer sowjetischen Schulklasse. Sie kommt aus unserer Kreisstadt, und es sind die Kinder von sowjetischen Soldaten und Offizieren, die uns zusammen mit der Volksarmee beschützen. Frau Pitthuhn hat alles mit den Freunden ausgemacht, und wir sollen jetzt überlegen, wie wir sie empfangen und unterhalten. Wir waren gleich freudig aufgeregt und sagten der Frau Pitthuhn, wie wir uns das Treffen denken. Das Beste dachte sich mein Freund Harald aus, indem er vorschlug: Man kann ja mit den sowjetischen Freunden einen Wettbewerb ausrufen, zum Beispiel im Gedichtaufsagen und Theaterspielen - und die Mädchen im Singen und Tanzen, damit sie auch was zu tun haben. Frau Pitthuhn rief, das ist eine feine Sache, und sie möchte noch mehr solche Gedanken hören. Die Wally schlug jetzt eine Handarbeitsausstellung vor, der Schweine-Sigi einen Schachkampf und Wettrechnen, die Bärbel Patzig eine Gemäldegalerie, die dicke Mia eine Sitzung mit Schlagsahne und Torte, der lange Schücht ein Fußballspiel, und die Mädchen müssen uns anfeuern und jubeln. Der Pillenheini sagte, man kann auch einmal zeigen, wie man gebrochene Beine und Köpfe schnell verbindet; denn junge Sanitäter gibt es überall. Wer siegt, ist Sieger. Jetzt meldete ich mich und sprach, daß ich das auch alles vorschlagen wollte, und man muß unterstreichen, was meine Vorredner unterstrichen haben. Auch könnte man vielleicht einmal probieren, wie wir uns miteinander in der anderen Sprache unterhalten. Wer von uns am längsten Russisch spricht, bekommt einen Orden. Frau Pitthuhn antwortete, sie ist von mir enttäuscht, und die anderen Vorschläge waren besser. Auch wird sie alles so besprechen und vorbereiten. Als es soweit war und wir uns vor der Turnhalle aufgestellt hatten, kam endlich der Omnibus mit unseren sowjetischen Freunde.n. Sie mußten erst antreten, danach
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marschierten sie vor uns hin, indem ein sowjetischer Pionier auf Deutsch rief: »Wir grüßen unsere Freunde mit Freundschaft.« »Freundschaft« schrien jetzt alle sowjetischen Pioniere. Unsere Frau Pitthuhn war auf einmal mächtig aufgeregt und fragte leise, ob das von uns auch einer kann, und sie hat gar nicht an einen russischen Begrüßungssatz gedacht. Weil wir auch nicht daran gedacht haben, rief jetzt Frau Pitthuhn diesen Satz selbst auf Russisch, und wir schrien danach »Druschba«. Wir haben uns erst noch ein bißchen gegenseitig beklatscht und darauf gewartet, wer zuerst aufhört. Wrr hörten zuerst auf, und unsere Freunde waren Sieger. Dann setzten wir uns an die Kuchentafel. Neben mir saß ein Mädchen mit einem schönen gelben Zopf. Ich fragte sie auf Russisch, wie sie heißt. Sie hat meine Frage ziemlich schnell erraten und antwortete: »Walja.« Jetzt fragte sie auf Deutsch: »In wieviel Klasse Sie gähen, bittä? « Ich sprach stolz: »Pjät klass.« Sie hat es auch ziemlich richtig verstanden und sagte einen langen Satz auf Russisch. Ich antwortete sehr sicher: »Nepanjemaju.« Danach fragte ich auf Deutsch, warum Walja »Sie« zu mir sagt. Walja antwortete darauf: »Nix värstäh, bittä.« Sie war immer sehr höflich, und ich sagte, daß wir jetzt mit dem Kakao Brüderschaft trinken müssen. Als ich ausrief: »Nastrowje! «, mußte Walja mächtig lachen, und sie hatte schöne große Zähne. Nachher zählte ich zusammen, und es stellte sich heraus, daß ich schon halber Sieger war. Denn Walja sagte nur siebenmal »Nix värstäh«, wogegen ich fünfzehnmal »Nepanjemaju! « ausrief. Wie wir mit dem Kuchenessen fertig waren, ging es los. Die Lehrer wählten eine Schüri, und die sollte sagen, wer der Beste im Wettbewerb ist. Zuerst sprach unsere Tanja Schulze ein russisches Gedicht. Sie ist unsere beste Russischschülerin. Die sowjetischen Pioniere und Lehrer wollten gar nicht mehr aufhören mit Klatschen. Danach sprach der sowjetische Pionier Kolja ein deutsches Gedicht, es hieß »Gefunden von Johann Wolfgang Goethe«. Jetzt klatschten wir wie verrückt, aber die Schüri meinte, die Tanja ist Sieger. Das ist keine Kunst, weil Tanjas Mutter Russischlehrerin ist. Nachher sangen wir Lieder. Zuerst klatschten unsere Lehrer bei unseren Liedern mit, später nicht mehr, sondern nur noch bei den russischen. Auch bekam der Herr Burschelmann Ohrensausen, wenn wir sangen, und er stopf-
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te sich die Finger hinein. Danach zeigten die Tänzer ihre Kunst. Bei den sowjetischen Pionieren tanzten die Knaben und Mädchen, bei uns nur noch die Mädchen, weil wir Knaben den Anblick noch mehr versaut hätten. Aber es hat trotzdem nichts genutzt. Die Lenjnpioniere siegten, weil sie schneller waren und sich schöner wiegten, besonders in den Hüften. Unsere Mädchen waren zuerst ein bißchen traurig, und der Herr Burschelmann sprach zu ihnen, sie sollen nicht weinen, und es war ein schöner deutscher Stampfer, den ein anderer nicht so leicht nachmachen kann. Zum Schluß rechnete unser Schweine-Sigi die Sieger zusammen. Wir siegten: im Gedichtaufsagen, im Fußballspiel, in weiblichen Handarbeiten, welche eine DFD-Frau anleitet; auch im Hochsprung und im Sackhüpfen waren wir die Besten, und unser Klassenlehrer meinte, im Lärmmachen waren wir auch gut. Aber das wurde nicht mitgerechnet. Die Leninpioniere siegten: im Schachspiel, im Singen und Tanzen, im Laufen, Tauziehen und Weitsprung und in der Disziplin, was ebenfalls nicht mitgerechnet wurde. Nach dem Sport hieß es, jetzt kommt das Sprachspiel, aber es läuft außer Kongruenz. Das Spiel ging so: Zwei Schüler sind die Spieler, und sie müssen sich ein Gespräch ausdenken und spielen, sagen wir am Postschalter, im Geschäft, auf dem Bahnhof, beim Arzt usw. Sie müssen dabei miteinander in der fremden Sprache sprechen, bis ihnen nichts mehr einfällt. Und die Schüri schaut auf die Uhr, wie lange es jeder aushält. Meine Freundin Walja spielte mit ihrem Klassenfreund Aljoscha Vater und Tochter. Der Vater fragte, was die Tochter den ganzen Tag gemacht hat, und Walja antwortete oder umgekehrt. Und zwar alles in Deutsch. Als sie nicht mehr weiterkonnten, sagte die Schüri, daß sie acht Minuten gesprochen haben und die Besten der sowjetischen Mannschaft sind. Danach spielte ich mit meinem Freund Harald das Stück »Lehrer und Schüler«. Ich war der Lehrer und fragte den Harald: »Tschto äto?« Harald antwortete: »Äto stol.« Ich fragte wieder: »Tschto äto?« Harald antwortete: »Äto lampa. « Ich zeigte meinen Federhalter und fragte: »Tschto äto? « Harald sprach: »Äto penal. « Danach biß ich in eine Stulle und fragte: >>Tschto äto?« Harald rief: »Äto Buterbroat« usw. Es war sehr lustig, und die sowjetischen Leh-
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rerinnen mußten vor Freude weinen, wogegen die Schüri nach zehn Minuten rief, wir sollen aufhören. Es war ein sehr schönes Fest, und unser Herr Direktor Keiler hielt eine Rede und rief, wir haben alle gewonnen. Wrr begleiteten danach unsere Freunde zum Omnibus. Ich sagte »Doswidanja, Walja«, wogegen sie sprach: »Aufwiddersähn, Oodookarr. « Auch hätte ich sie gern ein bißchen gedrückt, aber das ging nicht, weil die anderen dabei waren. Und man soll nicht nur eine Walja lieben, sondern alle Freunde. Druschba!
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Ich bin Schackliehn, und ich bin Meik. Ich bin Eiriehn, und ich Clohndeik. Ich bin der Hansi, wer bist du? Ich bin Swetlana-Märriluh. Mein Haar ist kurz, und meins ist lang. Ich bin sehr pummlig, ich bin schlank. Ich bin schön braun, und du bist bleich. Und trotzdem sind wir alle gleich. Ich wohn in Wurzen, ich in Greiz! Ich wohn in Rostock, ich in Zeitz! Ich wohn rechts hinten bei Schwerin, und du wohnst - logisch - in Berlin. Daß wir uns alle gut verstehn, ist gar nicht so leicht einzusehn. Die Sprachbarrieren sind sehr groß, du singst, du grunzt, du knödelst bloß. Und doch vertragen wir uns gut, denn uns vereint die gleiche Wut. Wir klettern, wo's auch immer ist, am gleichen, blöden Stahlgerüst. Der Kinderspielplatzeinheitsquark macht solidarisch uns und stark!
Jochen Petersdorf
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Der Lehrer fragt Fritzchen: »Wie ist die Oberflächenform der DDR?« Fritzchen: »Die DDR ist ein flaches Land mit vielen Engpässen.<<
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31. MAI 1987 RUND UM 0 14 BIS 19 UHR EN ALEXANDERPLATZ
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Thomas Reuter
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Erziehung ist nicht allein Frauensache! Das ist meine Überzeugung. Deshalb bin ich auch sofort einverstanden, als meine Frau mir eines Abends ein klärendes Gespräch zwischen mir und meinem fünfzehnjährigen Sohn nahelegt. Sein Zimmer mache den Eindruck einer wilden Müllkippe. Erziehung ist kein Problem. Man muß nur wissen, was man will. Nehmen wir ein harmloses Beispiel: Vater und Sohn haben einen Apfel, eine Banane sowie Hunger. Erzieht der Vater autoritär, futtert er die Banane allein, während der Sohn sich durch den Apfel kämpfen muß. Erzieht der Vater antiautoritär, ist beim Sohn alles Banane, und er selbst muß in den sauren Apfel beißen. Bemüht sich der Vater um den kameradschaftlichen Erziehungsstil, wird er eine Schüssel holen und Obstsalat machen. Dann löffeln beide den Salat gemeinsam aus. »Mit unseren jungen Leuten kann man doch reden. Die sind verständig«, suggeriere ich mir letztmalig. Dann betrete ich nach kamerdschaftlichem Klopfen das Zimmer meiner Sohnes. Ich erkenne sogleich die Atmosphäre meiner ehemaligen Studentenbude wieder. Ich könnte mich fast wohl fühlen, wäre da nicht der vertrackte Auftrag meiner Frau. Das Bett ist zerwühlt, auf Tisch und Fußboden sind Schallplatten verstreut, aufgeschlagene Bücher, diverse Klamotten und einige Aktbilder, die ich in meinem Schreibtisch als sicher verwahrt vermutete. Inmitten dieser Bodenkultur ein halbvolles Glas Tee, eine Vase mit Butterblumen und Unkraut. Über diesem Chaos breitet sich majestätisch mein Sohn, mit geschlossenen Augen rücklings auf dem Sofa liegend, aus und wippt gelangweilt mit den Füßen. Räuspernd stelle ich mich ans Fußende der Couch. »Hör mal«, eröffne ich meine pädagogisch wohldurchdachte Ansprache. »Deine Mutter schickt mich. Wegen dieses Saustalls von Zimmer.« Er reagiert
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Lernen, lernen, nochmals lernen
nicht. »Was denkst 'n dir dabei? Gefällt dir's etwa in diesem Tohuwabohu?« Keiner seiner Muskeln zuckt. Nur die Füße wippen. Ich lasse mich durch seine gespielte Teilnahmslosigkeit nicht provozieren. Ich bin mir sicher: Er hört genau zu. »Wir haben dich doch zu einem ordentlichen Menschen erzogen, Mensch! Wenn du so liederlich bleibst, wird aus dir höchstens mal 'n Student. Oder stell dir vor, mein Chef kommt unangemeldet und sieht das hier. Und ich führe im Betrieb noch das große Wort wegen vorbildlicher Ordnung ... Wrr wollen uns jedenfalls deinetwegen nicht schämen!« Gut geredet habe ich. Mein Sohn schnippt dreimal mit der linken Hand. »Also, wir lösen die Sache unbürokratisch. Ich mache einen Vorschlag, und du brauchst nur noch zuzustimmen: Ich kümmere mich ums Geldverdienen, Mutter hält die Wohnung sauber und du dein Zimmer. Okay!« »Baba«, erwidert er und lächelt selig. Ruhig bleiben. Zufrieden verschränkt er die Hände überm Bauch und atmet tief ein. »Was ist nun?« frage ich. »Räumst du deine Bude auf?« - »Yeah! « Er feixt herausfordernd. »Ich kann darüber nicht lachen!« ant·<::::;worte ich scharf. Einern jungen Pferd darf man die Zügel nicht zu sehr lockern. Man hat schließlich eine Menge Lebenserfahrung und kann einschätzen, was gut ist für diese Greenhorns. Wer nicht hören will, muß fühlen! »So - Schluß mit dem Debattieren. Du bringst deine Bude auf Hochglanz, oder es passiert was!« Mein pädagogischer Zeigefinger nagelt ihn auf dem Sofa fest. »Aha«, erwidert er. »Aha - du willst nicht«, schnaufe ich. »Wrr können auch anders!!« Vierzehn Jahre solide Erziehung ... Nun wollen wir mal sehen, wer das Sagen hat! Die Jugend ist unverbesserlich. »Noch vorm Abendbrot sieht's hier auswiegeleckt!« Mein überheblicher Sohn lächelt verbindlich mit geschlossenen Augen. Jetzt reicht's! Ich hab es nicht nötig, mich von so einem Hüpfer nasführen zu lassen! »Wenn bis heute abend aus diesem Stall kein Appartement geworden ist«, schreie ich außer mir, »kannst du dein Bett woanders aufschlagen!!« Er öffnet die Augen, sieht mich überrascht an, greift in sein Lockenhaar, nimmt die Walkman-Kopfhörer von den Ohren und sagt freudig: »Klasse, Papa, daß du mich mal auf meiner Bude besuchst!«
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Lernen, lernen, nochmals
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Ottokar Domma
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~e »Harald, wenn du sowieso alles weißt, dann kannst du mir vielleicht auch erklären, was Glück ist.« »Das ist ganz einfach zu beantworten. Glück ist das Gegenteil von Pech.« »Aha. Also nehmen wir an, ich bekomme auch beim Herrn Kurz mal eine Eins.« »Dann hast du mehr Glück als Verstand gehabt.« »Aha. Dann steht nach deiner Meinung der Verstand im Gegensatz zum Glück?« »So kann mans auch nicht sehen. Ich denke, man kann auch mit Verstand glücklich sein. Guck dir nur mal das Fräulein Heidenröslein an. Die ist glücklich und hat Verstand.« »Woher willst du denn das so genau wissen?« »Sie ist immer fröhlich und hat nie schlechte Laune.« »Oder sie ist verliebt.« »Kann auch sein. Liebe soll ja glücklich machen.« »Na, ich weiß nicht. Mein Vater sagt: Bei zuviel Liebe ist der Verstand im Eimer.« »Kommt drauf an, welche Liebe er meint.« »Na die zwischen Mann und Frau, was sonst.« »Aber man kann doch nicht andauernd lieben, zwischendurch muß der Mensch ja auch arbeiten.« »Und zum Arbeiten braucht man Verstand.« »So ist es.« »Meine Oma trällert öfter ein Lied, welches heißt: Glücklich ist, wer vergißt, was nicht zu ändern ist.« »Das ist Quatsch. Deine Oma ist alt und hat keine zehnklassige Oberschule besucht. Genau müßte sie singen: Glücklich ist, wer nicht vergißt, was alles noch zu ändern ist.« »Najanaja. Aber wenn mein Vater daran denkt, was er alles noch zu tun hat, dann sieht er eigentlich gar nicht so glücklich aus, mehr finster.« Und während wir noch ein bißchen darüber nachdachten, kam der Pilei Alfons angewetzt und sagte: »Ein Glück, daß ich euch hier noch treffe. Ich hab einen Auftrag für euch.« Naja, sagten wir, haben wir eben Pech gehabt.
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Was des Volkes Hände schaffen
Ernst Röhl
Fritze zu Paul: »Ich stand gestern auf
der Titelseite vom Neuen Deutschland.« Paul: »Wirklich?« Fritze·: »Ja, mit beiden Füßen.«
Triumphierend riß Bä11mel beide Arme hoch und zeigte mir die Instrumente: zwei nullsiebziger Glasmantelgeschosse. Edel! Obwohl mir die harten Sachen nicht halb so viel bedeuten wie ihm, winkte ich ihm zu. Vorfreude - schönste Freude. Feste muß man feiern, wie sie fallen. »Kollege Retisch!« tönte es blechern aus dem Hallenlautsprecher. »Kollege Retisch! Bitte sofort - sofort!! - zum Kollegen Betriebsdirektor!« Meine Kollegen sahen prüfend zu mir herüber, doch ich war mir absolut keiner Schuld bewußt. Lässig schaltete ich meine Maschine ab. Am Waschbecken rubbelte ich mir gründlich die Pfoten blank; denn bei uns in der Verwaltung greifen sie zum Zeichen ihrer Volksverbundenheit verzweifelt nach jeder Arbeiterhand, die sie zu fassen kriegen. Und Schmieröl an den Fingern, oh! Das wird einem schnell mal falsch ausgelegt, nämlich so, als wollte man auf gewisse, sagen wir spaßeshalber Niveauunterschiede in der Arbeitsproduktivität aufmerksam machen. Die Tür zum Vorzimmer stand halb offen. Die Sekretärin winkte mich zu sich herein. Nett von ihr, denn sie war gerade in ein Ferngespräch verwickelt. »Aber nein!« rief sie entrüstet in die Muschel. »Hier ist keiner. Keine Menschenseele. Nicht einmal ich selber. Ich bin um diese Zeit immer zu Tisch. Ich wiederhole: Hier ist niemand. Keiner! Ehrlich gesagt, hier ist nicht mal ein Anschluß. Auf Wiederhören.« Sie lächelte mir zu, betrat das Allerheiligste, kam auf leisen Sohlen wieder heraus, schloß ganz, ganz sachte die gepolsterte Tür und sagte: »Momentchen noch.« Mein Senkfuß begann sich zu senken, mein Spreizfuß spreizte sich beängstigend, und mein Plattfuß drückte längst, da endlich öffnete sich die Tür. »Immer herein in die gute Stube.« Mit großer, belegschaftsnaher Geste bat mein Direktor mich in sein Kabinett. Er lockerte, um nicht allzu unsalopp dazustehen, den Schlips und öffnete den Kragenknopf seines Oberhemds. >>So sieht man sich wieder«, sagte er. »Ich kenn dich gut - hattest du nicht früher 'ne Vollglatze?« Wortlos schüttelte ich meine zwar graue, aber immer noch üppige Mähne.
Was des Volkes Hände schaffen
»Richtig, jetzt fällt es mir ein: Du hattest diesen gewaltigen schwarzen Rauschebart.« »Eine Zeitlang«, erklärte ich, um ihm entgegenzukommen, »hab ich mich bloß jeden zweiten Tag rasiert.« »Sag ich doch! - Deine Frau kenn ich übrigens auch.« Das nun war schlecht möglich. Er gehörte erst drei Jahre zum Betrieb, ich aber war schon seit mehr als zehn Jahren geschieden. Ich schwieg, um ihn nicht zu enttäuschen. »Alles klar.« Von seinen Kenntnissen begeistert, legte er mir die Hand auf die Schulter. »Du bist der Schachspieler.« »Tut mir leid, ich bin der Skatspieler«, berichtigte ich. »Schade, ich hätte dich gern herausgefordert. Gegen unseren Koofmich anzutreten, hat wirklich keinen Zweck ... « Seine Miene hellte sich noch weiter auf, ein Scherz kündigte sich an. »Der nimmt mir bloß immer die Figuren weg.« Kalau läßt grüßen, dachte ich und stimmte kollegial in sein Gelächter ein. »Aber<<, sagte er, »Spaß beiseite, jetzt wird's feierlich: Ich gratuliere dir von Herzen.« Verdutzt starrte ich ihn an, und in diesem Augenblick der Wehrlosigkeit packte er meine Rechte. »Ich möchte dir heute die Hand schütteln, ich persönlich, bißchen Handarbeit kann auch im Büro nicht schaden. -Ach ja ... « Er seufzte. »Den lieben langen Tag Analysen, Statistik, Kennziffem, Planzahlen, aber für mich gibt's da nur eines: hinter jeder Null den lebendigen Menschen sehen.« Noch immer tappte ich im d11nkeln, noch immer ahnte ich nicht einmal, wovon überhaupt die Rede war. Ich wußte nur soviel: Gegen überraschende Ehrungen und Auszeichnungen ist bei uns kein Mensch gefeit, ganz besonders dann nicht, wenn er sie gar nicht verdient. »Allerdings«, fuhr mein Direktor fort, »auch wenn oder gerade weil heute dein Ehrentag ist, Kollege, kann ich deine Schwächen nicht unerwähnt lassen. Warum nicht? Nun, weil ich an dich glaube! Weil ich weiß, du kannst sie abstellen, wenn du nur willst, Stichwort: Alkohol am Arbeitsplatz.« »Wie, was, warum?« entfuhr es mir.
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)>Die Brigade schlägt Emil vor, der hat am wenigsten Bummelschichten!<<
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»Du weißt schon, die Sache damals vor der Konfliktkommission.« - »Das«, sagte ich mit Nachdruck, »war nicht ich. Das war Bäumel! « »Richtig!« Schelmisch drohte er mir mit der geballten Faust. »Du bist ja der berühmte Schläfer, der immer in der Nachtschicht einpennt.« »Das«, sagte ich, »ist Bäumel! « »Hör mal zu«, sagte er, »irgendeinen Fehler wirst du doch auch haben!« »Kann sein.« Ich lächelte hintergründig. »Aber den verrat ich nicht.« - »Geheimnisträger!« sagte er. Seine geballte Faust entkrampfte sich zum erhobenen Zeigefinger. Aus der Vase, die auf seinem Schreibtisch stand, griff er sich den Tulpenstrauß und überreichte ihn mir. »Also«, sagte er, »alles Gute, auch im persönlichen Leben! Und die Blumen, die schenkst du deiner Frau.« Ich kratzte mir verlegen den Hinterkopf. • »Wie alt«, fragte er, »wirst du heute eigentlich?« »Ich bin vierundvierzig geworden, vor einem Vierteljahr.« Seine Stirn umwölkte sich. »Aber in eurer Brigade hat doch heute einer Geburtstag.« »Im Prinzip ja.« »Und wer, wenn nicht du?« »Bäumel«, sagte ich. »Der feiert allerdings nicht Geburtstag, sondern vierzigstes Betriebsjubiläum.« Ärgerlich schlug er mit der flachen Hand auf die polierte Schreibtischplatte. »Seit die Geburtstagsliste über den Computer läuft, klappt aber auch gar nichts mehr! « Behutsam wollte ich ihm die Blumen in die Hand drücken. Er wies sie zurück: »Kommt gar nicht in Frage! Die schenkst du deiner kleinen Frau.« »Ich bin«, bekannte ich, »seit zehn Jahren glücklich geschieden.« Sichtlich erleichtert nahm er den Strauß zurück. Ich kehrte an meinen Arbeitsplatz zurück und hörte von weitem die blechern klingende Durchsage. Bäumel kam mir entgegen. »Was Schlimmes?« fragte er. »Jein«, sagte ich, »wie man's nimmt.« • ()
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»Mit dem Neuen können wir zufrieden sein, der hat anständig was auf dem Kasten.<<
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In der Nacht wurde der Arbeiter Fritze Meyer von einem Wachmann mit ein paar Ziegelsteinen in der Aktentasche erwischt. Auf die Frage, warum er nachts stehle, antwortete er: »Am Tage wird man von den Kollegen wegen der paar Steine doch nur ausgelacht.«
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Was des Volkes Hände s-chaffen
Manfred Strahl
Es war keine gewöhnliche Leitungssitzung. Diesmal sollten wir uns was einfallen lassen. Deshalb war eine Ideenkonferenz angesetzt worden. Thema: Unser Beitrag zur Konsumgüterproduktion. Anfangs sprühten die Kollegen förmlich vor Einfällen. Kollege Zuschke schlug zum Beispiel vor, schmiedeeiserne Grills herzustellen. In allen Größen und Ausführungen. Bis hin zum fahrbaren Gemeinschaftsgrill Marke »Grillparzer« für Kinderferienlager und Campingplätze. Zwar wandte Kollege Wittkegel, Zuschkes ewiger Widersacher, sofort ein, daß es im Handel schon Grills in allen Größen und Ausführungen bis hin zum fahrbaren Gemeinschaftsgrill der Marke »Grillparzer« gebe, doch der Betriebsdirektor erstickte den aufkommenden Meinungsstreit beInzwischen schienen die Kollegen ihr geireits im Ansatz. Das sei ja gerade das Bestiges Pulver schon verschossen zu haben. sondere an einer Ideenkonferenz, wies er Wittkegel zurecht, daß jeder Kollege seiner blühenden Phantasie freien Lauf lassen könne und unverblümt sagen dürfe, was ihm einfiele. Kein Vorschlag, so abwegig er auch sein möge, dürfe zerredet oder verworfen werden. Jedenfalls nicht von vornherein. Dann bat der Direktor um weitere Vorschläge. Kollege Kokoschinski, ansonsten ein außergewöhnlich zurückhaltender Mensch, fühlte sich durch den Hinweis des Direktors ermuntert, erstmalig voll aus sich herauszugehen. Er plädierte leidenschaftlich für schmiedeeiserne Flurgarderoben. Wie ihm über den betrieblichen Buschfunk zu Ohren gekommen sei, verfügten zahlreiche Kollegen aus der Produktion ohnehin bereits über Erfahrungen bei der Herstellung von Flurgarderoben für den trauten Bekannten- und Verwandtenkreis. Warum, so fragte Kokoschinski nach einem euphorischen Blick in die Runde, warum sollten die Kollegen aus betrieblichem Material nicht plötzlich auch Flurgarderoben bauen können, deren Verkaufserlös dem Betrieb zugute käme. Kokoschinskis Vorschlag schlug wie eine Bombe ein. Spontan brandete Beifall auf. Obwohl sich jedes Leitungsmitglied natürlich darüber im klaren war, welch heroischer Überzeugungsarbeit es noch bedurfte, um den Kollegen beizubringen, daß sie
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so mir nichts dir nichts plötzlich Flurgarderoben für den Betrieb herstellen sollten. Rings im weiten Rund wartete man sehnsüchtig auf das Zeichen zur Abstimmung, denn niemand zweifelte daran, daß Kokoschinskis Jahrhundertidee sofort einmütig abgenickt werden würde. Aber es kam anders. Als jedermann bereits mit einem vorzeitigen Ende der Ideenkonferenz rechnete, meldete sich Kollege Geismeier zu Wort. »Ich habe das mal kurz durchgecheckt«, sagte er übergangslos und las von einem Zettel ein paar Zahlen ab, die ich hier aus Gründen der Geheim. ...._' ·-' haltung nicht preisgeben möchte. Nur soviel: Kollege Geismeier gab zu bedenken, daß uns viel zu wenig Material zur Verfüqung stand, um eine erkleckliche Anzahl von Flurgarderoben herstellen zu können. »Der Kombinatsdirektor lacht sich schekkig«, konstatierte der Werkdirektor unwillig, »wenn wir dem Handel nur ein paar Dutzend Flurgarderoben anbieten.« Das sah jeder ein, was folgerichtig die Frage aufwarf, ob es denn unbedingt Flurgarderoben sein mußten. Natürlich nicht! Aber damit standen wir praktisch wieder am Anfang unserer Ideenkonferenz. Inzwischen schienen die Kollegen ihr geistiges Pulver allerdings schon verschossen zu haben. Zwar wurde anfangs noch die Produktion von Kassettenrecordern, Tee-Eiern, Tischtenniskellen und Bauklötzen erwogen, wofür man nachweislich kein Gramm Schmiedeeisen benötigt, doch zu guter Letzt setzte sich die Erkenntnis durch, daß wir als Gesenkschmiede bei der Entwicklung und Produktion von Kassettenrecordern, Tee-Eiern, Tischtenniskellen und Bauklötzen möglicherweise ein unvertretbares Risiko eingehen könnten. Obwohl der Direktor energisch um weitere Vorschläge bat, machte sich eine gewisse Ratlosigkeit breit. Das betretene
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>>Steh hier nicht rum, Kollege, du gefährdest den kontinuierlichen Produktionsablauf<<
Was des Vo 1k es Hä n de s c-h a ff e n
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Schweigen wurde nur hin und wieder durch prinzipielle Hinweise einzelner Kollegen unterbrochen. »Fest steht, Kollegen«, sagte kämpferisch der Begeeller, »daß wir aus dem bißchen Material, das uns zur Verfügung steht, soviel wie möglich machen müssen!« »Genau«, ergänzte der Hauptbuchhalter, »was wir machen, dürfte dem Kombinat piepe sein. Hauptsache, wir liefern hohe Stückzahlen.« »Demnach«, fügte der Werkdirektor nachdenklich hinzu, »müßte es ein möglichst kleines Erzeugnis sein.« Damit trat unsere Ideenkenferenz zweifellos in die entscheidende Phase. Prinzipiell war nun alles gesagt, jetzt ging es um ganz konkrete Vorschläge. Folglich breitete sich Schweigen aus. Ich persönlich, muß ich zu meiner Schande gestehen, hatte trotz intensiven Nachdenkens keine Idee. Unser Leitungskollektiv ist zwar so groß, daß es gar nicht weiter auffällt, wenn dieser oder jener Kollege mal einen schlechten Tag erwischt hat, aber meine Einfallslosigkeit wurmte mich dennoch. Meinen Mangel an Ideen führte ich in erster Linie auf eine langanhaltende Konzentrationsschwäche zurück. Und die wiederum hing wahrscheinlich mit meiner Abneigung gegen das autogene Training zusammen. Jawohl, trotz geradezu hingebungsvoller Bemühungen meiner Psychotherapeutin schlug das autogene Training bei mir nicht an. Obwohl ich die Beschwörungsformeln brav auswendig gelernt hatte. Da sich unsere Ideenkonferenz ohnehin in einem Stadium befand, in dem jeder seinen eigenen schöpferischen Gedanken nachhing, kam ich auf die Idee, es mit dem autogenen Training noch einmal zu probieren. Und zwar sofort. Ich schloß, wie es sich gehört, die Augen, was meinen Kollegen entging, da ich eine dunkle Brille trug. Dann begann ich langsam, ganz lang-
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> >Sie haben da drin mal Staub gewischt! Fein, da können wir Sie ja dazuzählen. <<
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sam, die Formel lautlos vor mich hin zu flüstern. »Ich bin ganz ruhig; ganz ruhig und entspannt«, sagte ich, obwohl mein Innerstes vor Aufregung so aufgewühlt war wie ein Vulkan beim Lavaausbruch. Aber ich gab nicht auf. Mehrmals wiederholte ich den Satz. Endlich, beim sechsten Mal, stellte ich mit Verwunderung fest, daß ich tatsächlich völlig ruhig und entspannt war. Nun sprach ich, wie man so sagt, meine Arme an. »Mein linker Arm ist schwer«, sagte ich. Und schon beim dritten Mal spürte ich deutlich, was die Therapeutin damals vergeblich von mir verlangt hatte: Mein Arm wurde tatsächlich schwer. Und warm. Erwartungsvoll dehnte ich das Kommando auf beide Arme aus. »Beide Arme sind ganz schwer«, behauptete ich, und tatsächlich stellte sich ein ungeheures Schweregefühl in den Armen ein. Da ringsherum noch Stille herrschte, die Kollegen also weiterhin angestrengt nachdachten, fuhr ich mit dem autogenen Training fort. Ich sprach alle möglichen Körperteile an. Und wie durch ein Wunder verfehlten meine Kommandos diesmal die beabsichtigte Wirkung nie. Ich war begeistert. Selbst mein stattlicher Bauch wurde noch schwerer, als er ohnehin schon war und brannte wie Feuer, nachdem ich »Mein Bauch ist strömend warm« in mich hineingeflüstert hatte. Obwohl ich erst höchstens zwei Drittel der Übungen absolviert hatte, stellte sich bereits jenes Gefühl bei mir ein, von dem meine Therapeutin seinerzeit so geschwärmt hatte. ja, zunächst war es nur ein angenehmes Gefühl. Aus dem angenehmen Gefühl entwickelte sich jedoch bald eine noch angenehmere Vision. Eine Vision, die mir meine Therapeutin offenbar verschwiegen hatte. Vor meinem geistigen Auge sah ich mich in einem hellerleuchteten Raum sitzen. Tausend Lichter strahlten mich an. Tausend Lichter in tausend Kerzenhaltern. »Schöne Kerzenhalter«, rief ich angesichts der Pracht begeistert aus. Plötzlich vernahm ich Stimmengewirr, verstört schlug ich die Augen auf. »Kerzenhalter - das ist ein ganz ausgezeichneter Vorschlag, Kollege«, beglückwünschte mich der Werkdirektor und ließ abstimmen. Nur Kokoschinski machte gegen meinen Vorschlag Stimmung. »Kerzenhalter«, sagte er abfällig, »gibt es im Handel doch nun wirklich genug.« »Aber noch keine aus unserem Betrieb«, konterte der Werkdirektor scharf. Gestern nun habe ich unsere schmiedeeisernen Kerzenhalter zum ersten Mal in den Läden gesehen. Ein schönes Gefühl, wenn du sagen kannst: »Meine Idee!«
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Klaus Lettke
Ein Löwe ist aus · dem Tierpark ausgerissen. Erst nach zehn Tagen wird er - wol11genährt - .· · zurückgebracht. »Wo hast du dich so fettgefressen?« fragt der Tiger. »Ach«, sagt der Löwe, »da war so ein Gebüsch vorm Haus der Plankommission. Da habe ich jeden Tag einen Mitarbeiter weggefangen, ist gar · nicht aufgefallen.« »Und warum bist du nicht dageblieben?« - »Ich Idiot habe die Reinemachef~u gefressen, die immer den Kaffee gekocht hat.<(
Ich bin ein ausgesprochener Schreibtischmensch, ein sogenannter Sesselfurzer, der nicht einmal einen Nagel in die Wand kriegt. Glücklicherweise habe ich genügend Handwerker an der Hand. Und einer ist immer besser als der andere. Ich habe das beim Bau meines Wochenendhauses erfahren. Der Boß jener Gang, der mir in einer Tag-und-Nebel-Aktion das Ringfundament geschüttet hatte, versicherte mir, es sei ein großes Glück, daß ich ihn und sein Team erwischt habe. »Wrr sind 'ne dufte Truppe«, meinte er ebenso bescheiden wie offenherzig. »Zwar bloß vier Mann, aber allet aufeinander einjespielt. Von wejen an der Arbeit festhalten - is nicht Festpreis - und all et paletti! Ordentliche Arbeit, ordentlichet Jeld. « Daß sie ordentliches Geld nahmen, davon konnte ich mich noch am selben Tag überzeugen: Tausend Mark, »bar auf die Kralle! «, wie sich ihr Brigadier ausdrückte. Die Jungs hielten sich nicht lange bei der Vorrede auf. Es war eine Lust, ihnen bei der Arbeit zuzuschauen. Wie die Heinzelmännchen! dachte ich gerührt. Bloß nicht ganz so billig. Der Boß bediente eigenhändig den Betonmischer. »Eins zu drei, was?«fragte ich in das Mischergedröhn, um auch mal was Fachmännisches dazwischenzuwerfen. Der Brigadier, ein Fachmann durch und durch, wußte sofort, daß ich nicht irgendeinen Wechselkurs, sondern das Mischungsverhältnis des Betons gemeint hatte. »Ach was«, sagte er, »eins zu acht, und nach oben hin bißchen fetter. Machen Sie sich mal keen' Kopp!« fügte er hinzu, als ob er meine Bedenken erraten hätte. »Wir haben da so unsere Erfahrungswerte. Das Fundament, das wir Ihnen hinsetzen, kriegen Sie nicht kaputt! « Da ich ohnedies nicht vorhatte, mein eigenes Fundament zu zertrümmern, war ich beruhigt. Nach knapp drei Stunden war das Werk vollbracht. »Det Ding steht wie 'ne Bombe!« sagte der Brigadier und tippte zum Beweis mit der Schuhspitze sacht gegen ein Schalbrett der Betoneinfassung. »Stampfbeton! Wrr haben's erdfeucht gemacht; sobald wir weg sind, könn' Se ausschalen.« Obwohl ich sehr neugierig war, entschied ich mich, mit dem Ausschalen noch eine Woche zu warten, bis der Beton seine volle Festigkeit erlangt hatte. Danach löste ich vorsichtig ein
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Brett der Einschalung. Sofort rieselte ein Häufchen Kies auf meinen Schuh, wobei sich an der Oberfläche des Fundaments ein kleiner Trichter bildete. Damit nicht noch weitere Verheerungen um sich griffen, beschloß ich, die Ausschalarbeiten einem Fachmann zu überlassen. Keiner konnte dafür geeigneter sein als der Maurer, welcher versprochen hatte, mir demnächst die Wände »hochzuhauen«! Dieser machte jedoch nicht viel Federlesens und deshalb beim Ausschalen das halbe Fundament kaputt. »Können Sie mir mal verraten, worauf ich hier mauem soll?« fragte er interessiert und schubste mit dem Fuß einen Klumpen fuuchten ~es beiselie - den ~~~~~~~.~~~~~~~~~ letzten Rest der Fundament-oberI\ i ' kante. »Nee, Meister, das bringen "J.r , • Sie erst mal in Ordnung. ehe Sie mich wieder holen!« sagte er. »Aber sehen Sie zu, daß es waagerecht wird.· Ich achte nämlich sehr auf Genauigkeit!« Durch meine Arbeit am Ringfundament hatte ich mich an den Umgang mit der Wasserwaage ge~ -- •' wöhnt. Als der Maurer wiederkam, . . _ . ; , . : ?? -' . .JJ..Y"~ --..~ K;::_ ~ , .„. legte ich sie bald an diese, bald an (~ jene Ecke des entstehenden Bau- ,.)- -·- ~-:· ) _, ) werkes an. ' -~ »Was machen Sie denn da?« fragte . . _. .~ :-- -~.- -- „ - - . - . _-__. _ _ ____„ ...... ...-.. der Maurer, der mein Tun schon ·· längere Zeit mit wachsendem Unmut verfolgt hatte. »Meinen ))Na gut, aber erst nach Feierabend!« Sie vielleicht, das ist nicht gerade?« »Hier könnte es allerdings ein wenig ... «, begann ich tapfer. »Geben Sie mal her, die Blubber!« sagte der Meister und packte mit fachmännischem Griff die Wasserwaage, um sie gegen die frische Mauer zu drücken. »Hier - stimmt doch ganz genau!« meinte er gekränkt. Tatsächlich! Die Luftblase befand sich akkurat in der Mitte des gekriimmten Röhrchens. Trotzdem konnte ich mir den Hinweis nicht verkneifen, daß die Wasserwaage unten ungefähr eine Handbreit von der Wand abstand. »Ach, den halben Millimeter gleiche ich mit dem Putz aus!« sagte der Maurer optimistisch. Als der Rohbau fertig war, gestand mir der Maurer, daß er sich eigentlich nichts aus Putzen mache. Seine Spezialstrecke sei mehr das Mauem. ·i
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»Wer hat denn hier gemauert?« fragte sein Nachfolger, den ich als Putzer angeheuert hatte. »Ein Maurer«, sagte ich ein wenig unsicher. »Na, wenn das ein Maurer war, dann bin ich Professor Dathe! Hier, sehn Se sich das mal an. Alles schief! Und da, da fehlt ja fast 'n halber Meter!« »Vielleicht kann man mit dem Putz ... ?« fragte ich zögernd. »Mit dem Putz kann man gar nichts ausgleichen«, entgegnete der Putzer, »aber vielleicht kriege ich das noch irgendwie hin. Hier muß ich was wegstemmen und da was ansetzen. Dauert eben bißchen länger. Aber dafür wird's ordentlich.« Und wirklich, als der Putzer sein Werk vollendet hatte, sah das Häuschen nicht mehr ganz so schief aus wie vorher. Mit etwas Gutmütigkeit und Toleranz konnte man es sogar für gerade halten. «Diese verdammten Pfuscher!« schimpfte der Rohrleger, der anschließend kam. »Wie soll ich denn hier ein Stück Wasserrohr verlegen, wenn alles krumm und schief ist? Meine Winkelstücke sind winklig, aber in diesem Haus habe ich bis jetzt noch keinen rechten Winkel entdeckt.« Ich hatte mich inzwischen daran gewöhnt, Für solchen Hungerlohn kann man ja der Prügelknabe meiner Handwerker zu sein, wirklich keine Qualitätsarbeit leisten. und steckte schuldbewußt die gerechten Vorwürfe des Rohrlegers ein, die fast immer mit dem Satz endeten: »Und das alles für zehn Mark die Stunde!« Ich sah ein, daß es allein mit passiver Unterwürfigkeit nicht getan war, und schlug dem geplagten Fachmann vor, seinen Stundenlohn auf zwölf Mark fünfzig zu erhöhen. Daraufhin ging es zügig voran. Bald hatte der Rohrleger den freigeschachteten Raum in Bad und Toilette mit einem unüberschaubaren und scheinbar wahllos verzweigten System von PVC-Rohren unterschiedlicher Kaliber ausgefüllt. »Passen Sie auf!« sagte er. »Hier gieße ich jetzt Wasser hinein.« Tatsächlich goß er aus einer Brauseflasche Wasser in ein emporragendes Rohrende. Ich mußte grenzenloses Erstaunen heucheln, als mir der Rohrleger, der mich blitzschnell ins Freie gezerrt hatte, ein Rohrende zeigte, aus dem dasselbe Wasser wieder herauskam. Ein Vorgang, den ich bis dahin für normal gehalten hatte. »Es funktioniert!« brüllte der Rohrleger triumphierend. »Na, nu können Sie zuschippen, das hält hundert Jahre!« Ebensolange hätte ich wahrscheinlich Lobeshymnen auf mei-
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nen letzten besten Handwerker gesungen, wäre die gesamte Abflußanlage nicht nach drei Jahren hoffnungslos verstopft gewesen. Da ich in bezug auf Handwerker inzwischen sehr wählerisch geworden war, heuerte ich wieder meinen altbewährten Qualitätsfanatiker an, der sich aber längst nicht mehr an mich erinnern konnte. »Mit Reparaturen gebe ich mich eigentlich nicht ab«, sagte er kühl. »Na, machen wir einen Preis unter Brüdern: zwanzig Mark die Stunde und Essen und Trinken auf der Baustelle.« Ich war überglücklich, so billig davonzukommen, denn wahrscheinlich hätte ich es mir gar nicht leisten können, nicht sein Bruder zu sein. Das Abflußrohr hatte ich bereits durchgesägt und auseinandergedrückt - eine wichtige Vorbereitung, denn der Rohrleger beabsichtigte, den Fehler einzukreisen. »Na, das werden wir gleich haben!« meinte der Rohrleger zuversichtlich. Aber nachdem er eine Weile mit verschiedenen Geräten in dem Rohr herumgestochert hatte, wobei er sich besonders von der sogenannten Spirale einen durchschlagenden Erfolg versprach, sagte er plötzlich: »Jetzt reicht's !«und zog mit einem gewaltigen Ruck an dem Rohr. Der Rohrleger schwang triumphierend ein bizarres, geweihartig verzweigtes Rohrgebilde wie eine Siegestrophäe über seinem Haupte. »Da haben wir's!« rief er begeistert und wies auf das Kunststoffrohrgewirr, das in seiner eigenwilligen Form an ein abstraktes Kunstwerk erinnerte und mir irgendwie bekannt vorkam. »Hier drin kann ja nichts ablaufen«, sagte der Rohrleger ... »Sehen Sie sich doch bloß mal diese eckigen Bogen an! Das muß sich ja zusetzen. Ich möchte bloß wissen, welcher Trottel das gemacht hat! « »Das waren Sie! « sagte ich rasch, ehe er sich noch mehr aufregte. Eine Weile sagte er gar nichts. Ich sah fön11lich, wie es jetzt in seinem Gehirn arbeitete. »Was denn, ich selber soll ... ?« »Na klar! Wissen Sie denn nicht mehr: zwölf Mark fünfzig die Stunde?« »Ach so!« - ein verzeihendes Lächeln huschte über das Antlitz des Rohrlegers, der sich nun wieder voll in der Gewalt hatte. »Na, für solch einen Hungerlohn kann man ja wirklich keine Qualitätsarbeit leisten.« Das soll mir eine Lehre sein für die Zukunft: Unter fünfundzwanzig Mark die Stunde läuft bei mir nichts mehr!
Vor dem Haus der Ministerien steht ein Bockwurstverkäufer. Auf einmal weht ein Wmdstoß alle Pappteller in ein Fenster des Ministeriums. Der Verkäufer geht ZU!ll · Pförtner und llittet· " darum, die Pappteller zurückzuerhalten. Der Pförtner macht sich auf den Weg, kommt nach einer Weile zurück und sagt: »Das geht leider nicht.« »Wieso denn?« fragt der Verkäufer. »Der Minister hat sie alle schon unter„ schrieben.« "·.
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Alf red Schiffers
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>>Oh, Verzeihung, ich habe Sie aber wirklich nicht mehr gesehen!<<
Ich betrat den Kurzwarenladen, um einen Hosenknopf zu kaufen. Kaum hatte ich die Ladentür hinter mir geschlossen, als mich auch schon zwei Verkäuferinnen umzingelten. Lächelnd und wie aus einem Munde fragten sie nach meinen Wünschen. Mein Wunsch, einen Hosenknopf zu kaufen, versetzte sie in helle Begeisterung. Sie geleiteten mich auf liebenswürdigste Weise zum Ladentisch und legten mir eine riesengroße Kollektion wunderschöner Hosenknöpfe vor. Sie gaben unaufgefordert Auskunft über Qualität, besondere Vorzüge und voraussichtliche Lebensdauer jedes einzelnen Knopfes bei der entsprechenden Pflege. Ich gestehe, daß mich dieses nicht alltägliche Geschäftsgebaren irritierte. Ich wählte einen geeigneten Hosenknopf aus und erschrak bei der höchst merkwürdigen Frage der Ver. · ·.-. · , · kaufskräfte, ob ich den Knopf gleich mitzunehmen gedächte oder ob man mir die Ware ins Haus senden sollte. Nun erfaßte mich Panik. Ich schleuderte ein Markstück auf den Ladentisch und verließ unter Zurücklassung des Restbetrages sowie des Knopfes fluchtartig das Geschäft. Draußen vor der Ladentür, als ich schon glaubte, davongekommen zu sein, tippte mir ein Herr auf die Schulter. »Das war nicht nett von Ihnen«, sagte er. »Wrr drehen hier einen Film zur Woche der Verkaufskultur, und kurz vor dem HappyEnd schmeißen Sie die Sache.« »Tut mir leid«, sagte ich. »Halb so schlimm«, sagte er, »besetzen wir eben den Kunden auch mit einem Schauspieler.«
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Lothar Kusche
oi1to Roiso o Ho Die wichtigste Vorbereitung auf eine Reise besteht bekanntlich in der Zusammenstellung des nötigen Gepäcks. Aber selbst erfahrene und weitgereiste Leute versagen dabei nicht selten: Sie packen fast immer zuviel ein, und selbst wenn sie sich bei der nächsten Gelegenheit fest vornehmen, nur noch die Hälfte davon mitzunehmen, so ist auch das mindestens das Doppelte von dem, was sie im äußersten Falle gebrauchen könnten. Zum Beispiel Krawatten, Socken, Taschentücher nehme ich immer in großen Mengen mit. Wenn ich für zwei Tage wegfahre, packe ich ungefähr sieben Taschentücher ein. Genauer gesagt: Es wird eine geheimnisvolle Kraft in mir wirksam, die sie mich einpacken läßt. Natürlich bin ich als aufgeklärter Mensch über den Verdacht erhaben, irgendwelcher düsteren Metaphysik anzu. hängen, aber was das Einpacken von Taschentüchern betrifft, so gibt es Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen sich meine Schulweisheit nichts träumen läßt. Meine Schulweisheit ist allerdings auch ziemlich gering. Doch wie jeder Reisende weiß, nimmt man nicht nur von irgendeiner Sache immer etwas zuviel mit, sondern auch von einer anderen etwas zuwenig. Um auch dafür ein Beispiel zu geben: Ich vergesse mit einer geradezu unheimlichen Regelmäßigkeit, eine Zange einzupacken. Schon oft fand ich mich des Abends im Hotelzimmer in der peinlichen Situation, den Koffer auszuräumen und keine Zange darin zu finden. Donnerwetter, dachte ich dann verärgert, du wirst langsam vergeßlich, alter Knabe! Mein Versagen wäre noch zu entschuldigen, wenn es sich um ein ausgefallenes Ding handelte, an das man eben nicht immer denkt, beziehungsweise das man auf einer Reise so gut wie gar nicht benötigt, beispielsweise eine Stehlampe, einen Feuerhaken oder ein Gerät zum Durchleuchten von Hühnereiern. Aber wie kann man als
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Reisender die Zange vergessen! Schließlich reist man nicht nur zum Vergnügen. Man hat Verabredungen einzuhalten, also muß man pünktlich aufstehen. Das aber setzt voraus, daß man zur rechten Zeit aufwacht. Mit dem Wecken ist es aber immer so eine ungewisse Sache. Ich will nichts gegen das Niveau unserer Hotels sagen, das sich ja seit Ausgang des Mittelalters nicht wesentlich gesenkt hat, aber die Methoden, mit denen Gäste geweckt werden sollen, entbehren doch nicht eines gewissen Risikos. In der Regel haut jemand fünf Minuten vor acht einmal gegen die Tür und brummt »halb acht«, und dann kümmert er sich um nichts weiter.
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Daher benutze ich einen Reisewecker. Nun weiß jeder Mensch, der unsere Reisewecker kennt, daß jenes Rädchen, mit dem man den Reisewecker stellen kann, spätestens nach dreimaliger Benutzung abfällt, weil es einfach nicht so konstruiert ist, daß es an dem Reisewecker dranbleiben könnte. Einern ordentlichen Menschen, der nicht so huschelig ist wie ich, macht das nichts weiter aus, denn er wird niemals seine Zange vergessen und kann mit ihrer Hilfe jederzeit seinen Reisewecker stellen. Immerhin bleibt mir eine letzte, kleine Rechtfertigung: Die handelsüblichen Zangen sind so unhandlich. Daher schlage ich der Uhren-Industrie vor, wenn sie schon keine Reisewecker mit haltbaren Rädchen produzieren kann, doch wenigstens geschmackvolle Reisezangen in Etuis anzufertigen und somit einen Beitrag zu den tausend kleinen Zangen zu leisten.
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Jochen Petersdorf
Ein Feldrain. Man hört Mähdreschergeräusch. Ein Bauer kommt auf einem Fahrrad angefahren. Er hält an. Guckt verstohlen um sich. Er pfeift auf zwei Fingern und ruft leise: »Lisa!« Das Mähdreschergeräusch hört auf. Lisa (die Mähdrescherfahrerin) kommt. Macht sich das Kopftuch ab. Schüttelt den Staub davon ab. Wischt sich den Schweiß von der Stirn. Lisa (glücklich): Da bist du ja! Bauer: Ja, da bin ich. Lisa: Hat dich auch niemand gesehen? Bauer: Ich glaube nicht. Ich bin unten am Bach langgefahren. Da war bloß Heinrich mit den Schafen. Und der sieht ja schlecht. Lisa: Aber hier ist es eigentlich ungünstig. Kein Baum, kein Strauch. Man kann uns meilenweit sehen. Bauer: Wir können doch dort hinter den Strohhaufen gehen. (Sie verschwinden hinter den Kulissen, und man hört nur noch die Stimmen.) Lisa: Eigentlich ist es nicht richtig, was wir machen. Es ist gemem. Bauer: Aber ist es nun mal nicht zu ändern. Und wenns keiner sieht, kann es auch kein Gerede geben. Lisa: Also gut. Schnell, schnell! (Schmatzende Geräusche, zufriedenes Stöhnen. Dann kommen beide wieder vor.) Lisa: Ah! Das tat gut! Bauer: Ja. Und im Wmter, Lisa, können wir es sogar wieder öffentlieh machen. Dann liefert das Getränkekombinat ganze Kästen voll, und keiner kann neidisch sein, wenn jemand Brause trinkt! "
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Matthias Biskupek
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Zuletzt wurde der Trabbi ohne Motor ausgeliefert - in der DLlR ging
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sowieso alles bergab ...
Die linden Lüfte waren erwacht; also die Wettertendenz gestaltete sich zunehmend positiv. Ich bedachte, daß die Gartenbank jetzt aus dem Keller an die frische Luft gehöre und daß die Bank ein paar blanker Nägel und etwas netter Farbe bedürfe. Gedacht- gesagt. Doch man muß wissen, daß meine Frau mitten im Leben tätig ist. Nachrichten sind ihr konkret und abrechenbar zu übermitteln. Ich fertigte also ein Anschreiben: »Freizeitfreiluftmobiliar unverzügl. jahreszeitgemäßer Verwendung zuführen. Umfassende Instandsetzg. ist in Eigeninitiative zu realisieren. Termin: sofort. Beschlußkontrolle: täglich.« Ich erhielt folgende Hausmitteilung meiner Frau: »Begründung für Umsetzung konkretisieren und nachreichen. Bilanzanteile für malermäßige Instandsetzung derzeit noch unbilanziert. Breites Nagelkontingent dringend erforderlich. Ist eine umfassende Einbeziehung weiterer gesellschaftlicher Bereiche in Angriff genommen worden? Mitspracherecht verwirklichen! Information über Aktivitäten umgehend erbeten.« Ich setzte einen Aufruf an meinen Sohn auf: »Jugend voran! Was ist Dein Beitrag zur sich immer umfassender entwickelnden Jahreszeit? Heraus mit dem Freizeitfreiluftmobiliar! Treffen wir den Nagel auf den Kopf! Bitte teile mjr Deine Aktivitäten unverzügl. mit. (Formlose Stellungnahme genügt.)« Meine Frau hingegen erhielt von mir folgendes Antwortschreiben: »Betrifft: I. Begründung über Umsetzung des Freizeitfreiluftmobiliars. Betrifft: II. Information über breite Mitsprache der Jugend. Zu I.) Weitere Verbesserung des gartentypischen Sitzangebots. Zu II.) Aufruf gestartet. Begeisterte Zustimmung aus vielen Bereichen. Die weitere Entwicklung wird aufmerksam verfolgt.« Unser Sohn, seit vielen Schuljahren umfassend auf unser Leben vorbereitet, schrieb mir einen in herrlichen Worten gehaltenen Brief. »Lieber Vater, ich danke Dir für Deine richtungweisenden Vorschläge. Sei gewiß, auf mich kannst Du Dich immer verlassen. Als vordringliche Aufgabe erachte ich es, unsere erfahrenen Bürger schöpferisch einzubeziehen. Die konkrete Nutzung des Freizeitfreiluftmobiliars ist eine Herausforderung
Heißer Sommer
für die Jugend!« Einen Durchschlag des Schreibens erhielt meine Frau. Meine Frau sah sich voll gefordert und lud mich zu einer Koordinierungsberatung ein, um alle bisherigen Vorschläge tatkräftig umsetzen zu können. Ein schöner Erfolg zeichnete sich schon bald ab: Unser Sohn hatte inzwischen ganz unbürokratiscl1 und mit jugendgemäßer Frische unsere Oma mal in aller Deutlichkeit angesprochen. Und Oma hatte die Gartenbank in den Garten geschleppt. Ich setzte mich auf die Bank und ein neues Schreiben auf: »Auf dem Erreichten gilt es sich nicht auszuruhen. Verwirklichen wir noch besser die komplexe Sanierung der Freizeitfreiluftaltmöbelsubstanz! Wo heute ein Latte wackelt, müssen wir morgen den Nagel ansetzen. Es kommt stets darauf an, eine jede Schadstelle umfassend zur Renovierung vorzubereiten.« Wahrscheinlich habe ich die Anforderungen im Verlauf unserer Kampagne etwas zu hoch geschraubt. Meine Frau, mein Sohn und ich hielten mehrere Beratungen auf der Gartenbank ab. Von unseren erregten Debatten, die wir stets bis zur völligen Einsicht hin ausdiskutierten, bekam die Bank einen Knacks. Genauer: einen doppelten Dreifachkreuzquerknacks, wie wir im Schadensprotokoll feststellten. Es war nun an der Zeit, rückhaltlos Kritik zu üben und mit manchen hier und da noch auftretenden Schlampereien abzurechnen. Ich stellte unumwunden fest, daß wir im Verlauf dieses Sommers viel erreicht hätten, daß es aber keinen Grund zu Selbstzufriedenheit gäbe. Leider wurden nicht alle gesteckten Ziele erreicht. Es gab Versäumnisse, jawohl, rief ich aus. Können wir es uns leisten, das zu verschweigen? donnnerte ich. Unsere Oma schleppte schuldbewußt die Gartenbanktrümmer in den Keller.
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»Kein Wagen, kein Schwimmingpuhl, nicht mal ein Hund - woriiber soll man sich mit die Leute unterhalten!(
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Jochen Petersdorf
Eine Reisegeschichte Friedrich Deutschmann, mittelgroß, geht spazieren und sieht Losbude, wo man ab und an einen Reibach machen kann. Friedrich, der zwar nie im Leben Spaß gehabt am Geldausgeben, ist nicht knickrig unbedingt, wenn er meint, daß Vorteil winkt. Fünfzig Pfennig, er grapscht rin, Heidiwitzka Hauptgewinn!
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> >Und ihr liebstes Hobby, Mr. Robinson?<< >>Autofahren, Autofahren, Autofahren ... <<
In ein Land, das, wie man weiß, sozialistisch ist und heiß, zieht es ihn nicht sonderlich, doch er sagt sich: Friedrich, denke dran, wer rastet, rostet, zittre los, zumals nischt kostet. Auf gehts gen Bulgaria, hipp hipp hurra! Safaria! Sieben Startbonbons gelutscht, Steak und Kognak, damits rutscht, Stewardeß entwickelt Charme, Friederichen zwickts im Darm, endlich Landung, Zöllner grienen:
Friedrich, anfangs hoch beglückt, glubscht auf einmal recht geknickt, weil zum Fernsehn ein Gerät, er sehr gern besitzen tät.
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»Sonnenbrillen? Nix verdienen! Wünschen gute Weiterreise!« Friedrich blubbert: »Große Scheiße! Balkan mies wie ehedem!« Machts sichs im Hotel bequem. Schläft, bis abends gegen acht ihn der Kohldampf munter macht, schluckt dann mangels Pils und Eisbein angeekelt Huhn mit Weißwein, intoniert schon etwas blau »Zickenschulze aus Bernau« und verlangt zum Zeitvertreib rassiges Zigeunerweib. Kneift die Barfrau, die sich ziert, wankt vors Haus und uriniert. Tags darauf, schon wieder munter, faßt er sich ein Herz und unternimmt nun mittels Omnibus eine Fahrt zwecks Kunstgenuß. Wo die frommen Mönche hausen, heucheln Scharen von Banausen. Pietät und Feingefühl, Friederich jedoch bleibt kühl und gibt Kunst der Knoblauchfresser letzten Schliff mit deutschem Messer. Nickerchen am Badestrand. Fazit: schwerer Sonnenbrand. Friedrich zetert: »Jetzt ist Schluß! Zuviel Nepp für schweres Geld! « Turboprop - schwupp - Schönefeld. Heimatland, Wtllkommensschluck. »Kellner! Mastika! Ruckzuck! Nicht vorhanden? Ein Skandal! Chaos international!« Nachsatz: F. erfährt man, plane Wmtersport in Zakopane. Freundschaft!
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Das in schwedischen Ostseegewässern gesichtete U-Boot ist identifiziert worden. Es gehört zur NVA-Marine und ist auf der Suche nach Grundnahrungsmitteln.
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Heli Busse
soo Fast täglich kommen wildfremde Leute zu uns ins Gemeindebüro und fragen nach Pachtland am Waldsee, und unter diesen Pachtlandsuchern sind nicht wenige, die eine dicke Brieftasche voller Geld haben und denken, wenn sie die herausholen und ihnen dabei aus Versehen ein Scheinehen auf den Gemeindeschreibtisch fällt, dann wäre ihr Antrag so gut wie gelaufen. Aber bei uns läuft nichts mehr auf diese Weise, und das ist dann stets eine herbe Enttäuschung für die Damen und Herren. »Seien Sie froh«, sage ich immer zu ihnen, »daß es nicht klappt. Glauben Sie mir - es wäre Ihr Untergang, Sie würden das nicht durchstehen!« Natürlich hat mir das noch keiner geglaubt. Jeder denkt: Mann, ich habe einen Raufen Geld - wieso soll ich das nicht durchstehen? Nun ich kann nicht jedem dieser Leute die Geschichte von Rübsam und Dungebach erzählen. Sie ist zu lang, aber man sollte ihren Fall, weiß Gott, ans Schwarze Brett der Gemeinde Schließlich konnte er seine Familie nicht gut auf einer anschlagen, damit sich einjeder Decke am Boden herumliegen und Gras kauen lassen. infarmieren kann und begreift, was für ein Glück er hat, kein Grundstück zu kriegen. Die Sache mit Rübsam und Dungebach fiel in die Zeit, als im Gemeinderat noch die Idee umging, die Waldseeumgebung parzellenmäßig zu erschließen. Zufällig tauchte damals der mickrige Rübsam im Ort auf. Rübsam hatte fast so etwas wie eine amerikanische Millionärskarriere hinter sich, denn er war als Tellerwäscher in einer Großküche ein wohlhabender Mann geworden, indem er plötzlich im Lotto einen Hanfen Geld gewann. Und er hatte schon alles eingekauft, was er zum Glücklichsein brauchte, bloß ein Grundstück fehlte ihm noch, weshalb er bei uns im Gemeindebüro erschien und mit seiner dikken Brieftasche herumspielte. Ich will hier nicht sämtliche Einzelheiten schildern, nur soviel: Rübsam bekam sein Grundstück, und die Gemeinde hatte privat Geld, um für den Kindergarten eine große Holzeisenbahn zu kaufen. Wrr hielten das damals für eine gute Lösung der Probleme, und da die Landverpachtung am Waldsee lediglich gegen das Landeskulturgesetz verstieß, brauchten wir nicht zu befürchten, daß sich irgendeiner aufregte deswegen. Rübsam friedete sein Pachtland am Waldsee mit einem Zaun
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ein und fing an zu bauen, und da kann sich jeder vorstellen, daß er fortan keine Schwierigkeiten hatte, seinen Lottogewinn unter die Leute zu bringen und sich dafür jede Menge Sorgen einzuhandeln. Vielleicht hätte er die auch alle bewältigt, wäre nicht drei Wochen später ein gewisser Dungebach im Ort erschienen, gleichfalls auf der Suche nach einem Waldgrundstück am See. Dungebach war das ganze Gegenteil von Rübsam, nämlich ein großer mächtiger Mensch mit einem Stiemakken und gewaltigen Pranken an langen Armen, so daß man ihn von weitem für einen Orang-Utan halten konnte. Aber weil die Gemeinde inzwischen Geschmack an der Landverpachtung gewonnen hatte, störte sie sich nicht weiter an Dungebachs Aussehen, obwohl auch über seine finanziellen Verhältnisse völlige Unklarheit herrschte. Dungebach war Handwerker und in Geldangelegenheiten sehr verschwiegen, doch er hatte sich bereit erklärt, für eine Wasserleitung zum Campingplatz zu sorgen, und das war ja echt noch mehr wert als eine Holzeisenbahn für den Kindergarten. Dungebach sollte jedoch nicht dazu kommen, sein Versprechen zu erfüllen, denn kaum hatte er sich am Waldsee niedergelassen und gesehen, wie Rübsam einen Bungalow hochzog, fühlte er die Verpflichtung in sich, ihm das nachzumachen. Schließlich konnte er seine Familie nicht gut auf einer Decke am Boden herumliegen und Gras kauen lassen, wenn die nebenan in Betten schliefen und sich in ihrer Küche frugale Menüs kochten. Der mickrige Rübsam hatte mit seinem Bungalow baumäßig drei Wochen Vorsprung, aber den büßte er nun ganz schnell ein, denn was sah er seinerseits bei Dungebach und mußte es auch haben? Er sah, wie Dungebach mit einem Lada vorfuhr, während er es selber mit seinem Lottogewinn in der Eile bloß zu einem Trabant Kombi gebracht hatte. Rübsam fing also an, darüber nachzudenken, wie er an einen vornehmeren Wagen kommen könnte, aus dem seine Frau ebenso richtig und elegant aussteigen konnte wie Frau Dungebach aus dem Lada. Dadurch verlor Rübsam die Beschaffung von Steinen und Mörtel und Dachplatten und all den hunderttausend Dingen für seine Datsche erst einmal aus dem Auge. Er geriet ins Hintertreffen, zumal Dungebach als Handwerke sowieso im Vorteil war, weil er bloß seinen Handwerkerausweis hervorzuholen brauchte, um in jedem Laden Schokosteckdosen und
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>>Verstehst du, warum er nicht losfährt?<<
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alles Material zu bekommen, was Rübsam viele Wochen und immer ein paar Scheine extra kostete. Nun kann man sagen, was man will, aber es gibt eine ausgleichende Gerechtigkeit, denn jetzt hatte Dungebach seinen schwarzen Tag. Er blieb mit seinem Lada an der Abzweigung zum Waldsee stehen, weil der Kühler kochte, und während er zum Telefonieren in den Ort lief, um das Abschleppen und Reparieren seines Wagens zu besorgen, saßen seine Frau und die Tochter im Chausseegraben und warteten und weinten. In diesem für die Familie Dungebach schrecklichen Augenblick fuhr der mickrige Rübsam mit einem hochglanzpolierten Dacia an ihnen vorüber, und aus dem Rückfenster grinsten Frau Rübsam und deren beide Bengel. Als Dungebach mit seiner unglücklichen Familie endlich völlig fertig am Waldsee eintraf, schlug das Schicksal noch einmal zu, denn er mußte sehen, wie Rübsams in einer funkelnagelneuen Hollywoodschaukel schauMan kann sogar Ärger bekommen, wenn man kelten und von da aus ihren funkelnalediglich gegen das Landeskulturgesetz verstößt. gelneuen Dacia beäugten. Dungebach, ohnehin deprimiert wegen seines Wagens, warf sich aufheulend ins Gras, und jeder kann sich vorstellen, wie schrecklich der Anblick dieses mächtigen, am Boden zuckenden Körpers für Frau und Tochter gewesen sein muß. In ihrer Verzweiflung verbreitete Dungebachs Frau das Gerücht, man würde für drei Wochen nach Ungarn fahren, um dort Urlaub zu machen, weil das am Waldsee zwar ganz nett, aber eben doch kein richtiger Urlaub mit internationaler Umgebung wäre. Rübsams glaubten es, und es war prestigemäßig ein Schlag für sie, da ihnen so etwas wie internationale Umgebung nicht eingefallen war, aber sie beschlossen sofort, die drei Wochen zu nutzen, um etwas auf die Beine zu stellen, was den Orang-Utan nach seiner Rückkehr zerfetzen würde. Nach drei Wochen, als Dungebach seinen Lada wieder beisammen und auch eine Hollywoodschaukel besorgt hatte und mit Gattin und Tochter am See erschien, erhob sich Rübsam gemessen aus seinem Liegestuhl, um seine neueste Attraktion in Betrieb zu setzen: einen Springbrunnen mit Fontäne, die dank einer Motorpumpe drei Meter in die Höhe schoß und alsdann in ein betoniertes Becken niederpladderte. Dungebach stand zunächst wie erstarrt, aber dann kam plötzlich Bewegung in seinen mächtigen Körper und er rannte mit angewinkelten Armen zu dem kleinen Häuschen hinter dem Bungalow. Rübsam sah es und dachte zunächst, der blanke
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Neid wäre Dungebach in die Gedärme gefahren, aber als Dungebach auch später immer wieder die Flucht ergriff, sobald er die Fontäne niederpladdem hörte, begriff Rübsam die Zusammenhänge und erkannte, welch furchtbare Waffe er mit der Fontäne gegen den Riesen Dungebach in der Hand hatte. Von da an machte er es sich zur Aufgabe, alle halbe Stunde die Fontäne ab- und wieder anzustellen, um Dungebach unter mekkemdem Gelächter zum Häuschen abmarschieren zu lassen. Dungebach beriet sich mit einem Rechtsanwalt. Der erschien am Waldsee, fand alles sehr nett und legte sich probehalber in Dungebachs Hollywoodschaukel, um die Wirkung der Fontäne zu prüfen, aber ihm machte das Wassergepladder nichts aus. Deshalb sagte er Dungebach, unter diesen Umständen könne er nichts anderes tun, als das Pachtland aufzugeben und sich etwas anderes zu suchen, da sich juristisch keine Handhabe böte. Und noch am selben Tag erschien dieser Rechtsanwalt auf der Gemeinde, ums ich als Anwärter auf Dungebachs Grundstück vormerken zu lassen. Aber er sollte nicht in den Genuß seiner juristischen Beratungskunst kommen, denn Dungebach gab das Land nicht zurück, sondern hatte einen anderen Einfall. Dungebach baute einen Steg in den Waldsee und an dessen Enden eine Plattform auf Pfählen, und er kaufte ein Boot mit Außenbordmotor, und er nebst Frau und Tochter fuhren auf dem Waldsee spazieren und machten einen Höllenlärm, daß Rübsam mit seinen dünnen Beinchen, die unten aus einer Lederhose heraushingen, wie Rumpelstilzchen um den Waldsee herumtanzte und gräßliche Flüche über das Wasser schickte. Und der mächtige Dungebach lächelte breit dazu und ließ den Motor aufheulen, daß Rübsam seine eigene Stimme nicht mehr hörte. Und dadurch wurde dem Dungebach so wohl wie dem bekannten Esel, der aufs Eis geht und einbricht. Er holte sich ein paar Bekannte zusammen und veranstaltete auf der Plattform am Ende des Steges, wo er Rübsams schreckliche Fontäne nicht hörte, eine große Siegesfeier mit Kaffee und Kuchen, Sonnenuntergang und Lampions, Kartoffelsalat und Würstchen, Bier und Schnaps und viel Gesang. Rübsam stand wie ein Kessel
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unter Überdruck am Seeufer, und da sah er plötzlich, wie sich die Plattform nach einer Seite neigte und alles, was sich darauf befand, ins Wasser fiel. Bloß die Lampions fielen nicht ins Wasser, sondern ins Dungebachsche Boot. In dem Boot befand sich ein Kanister mit Benzin für den Außenbordmotor. Es gab eine Explosion, die man bis in den Ort hinein hörte, und dann brannten das Boot und der Steg ab. So schnell, wie das alles ging, war unsere freiwillige Feuerwehr nicht zur Stelle. Der Sachschaden war nicht groß, aber der Brand brachte uns trotzdem eine Menge Ärger ein, insofern mit der Feuerwehr auch die Polizei erschien und die Meldung von dem Vorkommnis höheren Orts die Frage aufwarf, wieso am Waldsee entgegen den Bestimmungen des Landeskulturgesetzes Grundstücke verpachtet und bebaut worden waren. Es kam die Sache mit der Holzeisenbahn zur Sprache und noch ein paar weitere Dinge, wie das immer so ist, wenn mal irgendwo angefangen wird zu graben und tiefer zu bohren. Kurz: plötzlich gingen über unsere stille Gemeinde Verfahren, Mahnungen, Verweise, Strafbescheide und Auflagen nieder, und am Ende wurden wir beauflagt, am Waldsee wieder alles in den ursprünglichen Zustand zu versetzen und der allgemeinen Nutzung zugänglich zu machen. Doch dies nur am Rande zur Warnung, daß man sogar dann Ärger bekommen kann, wenn man lediglich gegen das Landeskulturgesetz verstößt. Was ich eigentlich sagen wollte, ist dies: In gewisser Weise konnten Rübsam und Dungebach von Glück reden, daß ihnen der Brand dazwischengekommen war. Der hat sie veranlaßt aufzugeben, was sie sonst höchstwahrscheinlich nicht getan hätten. Ich bin ziemlich sicher - irgendwann hätte einer von ihnen damit angefangen, eine Betonstraße nur für sein Auto durch den Wald zu legen, und der andere, nur für sich einen Fernsehturm mit Drehcafeobendrauf zu bauen, und selbst dann wäre noch immer kein Ende in Sicht gewesen. Wieso ist das so? Und womit fängt das alles an? Alles fängt immer damit an, daß man bei anderen etwas sieht, und dann muß man es auch haben, um nicht in den Augen der anderen schäbig dazustehen. Ich bin sicher, auch der allererste Mensch war so ein Beispiel für die anderen Affen, nun ebenfalls von den Bäumen zu steigen, weil es ihnen plötzlich nicht mehr vornehm genug auf dem Ast erschien, auf dem sie saßen. Aber was hilft alles Philosophieren? Glauben Sie, es wäre am Waldsee erträglicher gewesen, hätten die Affen dort auf den Bäumen herumgelärmt?
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In der DDR gibt es eine neue Massenorganisation, BMW Bürger mit Westgeld.
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»Genossen und Kollegen«, sagte der Alte, »wenn ich so dran denke, dann darf ich gar nicht dran denken.« Die angesprochenen Genossen und Kollegen der Betriebsleitung nickten ernst und teilnahmsvoll. Sie wußten zwar nicht, was gemeint war, aber sie merkten, daß der Alte Sorgen hatte - und da ist Anteilnahme prinzipiell nie verkehrt. »Ihr alle wißt«, fuhr der Alte fort, »welch enormen Stellenwert der Sport in unserem Lande hat. Jawoll, der Betriebssport! Ich kann mich auf keiner höheren Ebene mehr blicken lassen, wenn es uns nicht endlich gelingt, ein Betriebssportfest durchzuziehen.« - »Anläufe haben wir ja zur Genüge gemacht«, meinte Kollege Bänkelsang, »aber die Belegschaft hat nun mal am Wochenende ihre Privatinteressen.« - »Der Sport ist aber nicht nur gesellschaftlich relevant, sondern originäres Privatinteresse!« rief der BGLer. Er war gerade von einem Weiterbildungslehrgang heimgekehrt, der sein Wissen um die Wörter >relvant< und >originär< bereichert hatte. »Am besten, wir machen das Sportfest in der Arbeitszeit«, sagte der Ökonomische. »Das ist zwar produktionsmäßig kaum zu vertreten - aber wir würden Massen auf die Beine kriegen.« »Kommt nicht in Frage!« schrie der Alte. »Ein Sportfest hat am Wochenende stattzufinden! Die Fußballer spielen ja auch am Sonnabend!« - »Jaja - aber wie?!« rief prustend der Kleine Muck, den man deshalb den Kleinen Muck nannte, weil er 1,92 Meter lang ist. Kollegen-Ulk. Der Alte guckte unheimlich nachdenklich, i1nd plötzlich hatte er eine Idee. »Hör mal zu Kleiner«, sagte er zum Kleinen Muck, »du bist doch sicherlich über Sonnabend und Sonntag wieder auf deinem Grundstück?« - »Na logo!« - »Eben. Und da liegst du sicherlich nicht nur faul rum!« - »Du hast's erraten. Ich muß Kirschen pflücken!« Die Miene des Alten hellte sich zusehends auf. »Kirschen pflükken«, rief er, »dazu brauchst du doch bei deiner Länge bestimmt keine Leiter!« - »Nee«, meinte der Kleine Muck. »Das mache ich aus'm Stand, und nach den Knuppern, die etwas hoch hängen, springe ich.« Der Alte grübelte: »Er springt! Er springt! Habt ihr das gehört Kollgen? - Paß auf Kleiner. Notier dir die Sprünge und die Höhe, und am Montag rechnest du im Betrieb ab. Hochsprung ist doch eine klassische Sportfestdisziplin. Weiter. Kollege Schnorkel, was machst du am Sonnabend?« »Ich gehe zum Frühschoppen.« - »Und danach?« - »Da geht er
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am Stock«, quakte der dicke Prauschkewitz und schüttelte sich vor Lachen. »Laßt den Unfug, Kollegen«, rief der Alte. »Ihr habt doch gehört: Kollege Schnorkel geht zum Frühschoppen. Er fährt weder mit dem Bus noch mit dem Fahrrad. Was auch kriminell wäre. Nein - der Kollege geht. Er geht! Haben wir noch mehr Geher unter uns? Nicht? Hm. Schade, daß der alte Hümpel nicht mehr im Betrieb ist. Der wurde seinerzeit in der Presse als Schrittmacher bezeichnet. Wie schön hätten wir den jetzt als Geher abrechnen können.« - »Ich gehe am Piep-See wieder auf Barsche und Hechte!« sagte Chefkonstrukteur Zirkler. »Ich habe 'ne Wurfangel.« - »In Ordnung«, meinte der Alte, »das können wir als Zielweitwurf verbuchen. Ein Hammerwerfer würde uns auch gut stehen!« - »Ich repariere mit meinem Schwager gerade das Garagendach. Is 'ne Fummelei«, sagte Krawuttke. »Da könnt ihr euch ja vorstellen, wie weit wir zum Feierabend den Hammerwerfen.« - »Je weiter, desto besser«, meinte der Alte. »Natürlich die Würfe und die Meter. Wo arbeitet dein Schwager?« - »Marmeladenfabrik >Adriano Geleetanoo<.« - »Na schön. Hat zwar mit unsrer Goldbronzeproduktion wenig zu tun, aber wir werden deinen Schwager als Gastunseres Betriebssportfestes führen. Das zeigt Weltoffenheit. So, Kollegen. Ich nehme an, ihr habt jetzt das Prinzip verstanden. Wir betrachten das Sportfest nicht als kleinkarierte Hops-Veranstaltung in einem engen, muffigen Stadion, sondern tragen die Fackel unter unsere Menschen und beleuchten ihr sportliches Treiben in Haus und Garten, Wald und Feld, Stube und Küche. Wir als Leitungskollektiv werden uns jetzt aufschlüsseln und am kommenden Montag in den einzelnen Abteilungen unsere Betriebsangehörigen nach ihren Erfolgen in den einzelnen Disziplinen befragen. Das Gesamtergebnis wird in einer kleinen Broschüre veröffentlicht. Die Besten erhalten Ehren•• wimpel und goldbronzene Aschenbecher. Ubrigens, unsere Roswitha hat sich ja gar nicht an der Diskussion beteiligt. Solch ein junges Blut muß doch eigentlich ein ganz besonderes Verhältnis zum Betriebssport haben. Was können wir von dir erwarten, liebe Kollegin?« - »Ich weiß nicht so recht, ich gehe am Sonnabend zur Disko.« - »Also Wehrsport. Ausgezeichnet! Montag Bericht. Die Sitzung ist geschlossen. Sport frei!«
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Hans-Dieter Kern
Schrumme, unser eisenharter linker Außendecker, wischte sich den Bierschaum von den Lippen. Pieke, unser Spielertrainer, der, solange die Puste reicht, meist aus hängender Position über die rechte Seite kommt, winkte nur müde ab. Wir hatten zwar gewonnen, doch so rechte Stimmung wollte nicht aufkommen. Kalle vom Genossenschaftsvorstand suchte nach passenden Worten. Es habe nun wenig Sinn und helfe niemandem, sich bei den Fehlern und Versäumnissen der Vergangenheit aufzuhalten. Jetzt müßten wir unsere Blicke wieder nach vom richten und auf der Grundlage der vorliegenden A /\ /\ LPG-Vorstandsbeschlüsse zur weiA (l '1 fl <1 teren Entwicklung unseres Fußballs langfristig und systematisch (l neu aufbauen und dabei verstärkt ~(1 auf den Nachwuchs setzen. An Ta/\ /\ lenten mangele es gewiß nicht in unserer LPG, wie die letzten Er11" \ folge im Nachwuchsbereich zeigten. Wir brauchten eben Zeit und Geduld mit unserem Fußball. Wunder seien über Nacht aller~:---------l __ __, dings nicht zu erwarten. Eigentlich hatten wir uns schon im >>Noch 'n kleines StückAuftaktspiel letztes Jahr zu Hause gegen LPG Fallerstedt wiechen, dann haben wir der mal selbst ein Bein gestellt. Trotz drückender FeldüberlePrenzlau erreicht. << genheit - 27:1 Ecken - waren die Jungs über ein mageres 1: 1 nicht hinausgekommen. An der Einstellung und Moral der 'D:uppe gab es keine Abstriche. Aber die Nerven! Möglicherweise waren wir das Spiel auch zu offensiv angegangen. Dann folgte das verunglückte 1:4 beim Agrochemischen Zentrum. Rein optisch sahen wir auch diesmal nicht schlecht aus. Nun galt es, das Fünferfeld von hinten aufzurollen. Sozusagen aus einer leichten Konterstellung heraus. Die liegt uns ohnehin am besten. Der Vorstand genehmigte uns eine Woche bezahltes Trainingslager in unserer LPG-Bungalowsiedlung. Die Mannschaft war •
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gewillt, ihr Herz noch einmal fest in beide Hände zu nehmen. Gegen Zwischenfrucht Ballenshagen hat es dann fast geklappt. Obwohl auch diesmal nicht viel nach vom lief, hatte Kutte, unser wieselflinker, unberechenbarer Linksaußen fünf Minuten vor Schluß urplötzlich doch noch eine Riesenchance auf dem Fuß. Unbedrängt am kurzen Pfosten stehend - der gegnerische Kasten war völlig verwaist! -, konnte er jedoch das gefühlvolle Fünfmeterzuspiel von Schrumme nicht unter Kontrolle bringen. Millimetersache ! Im Gegenzug machten die Ballenshagener dann das Tor. Obwohl wir bei entsprechenden Schrittmacherdiensten immer noch eine Chance besaßen, meldeten sich in der Genossenschaft wieder die notorischen Nörgler und neunmalklugen Besserwisser. Böse Worte fielen. Von Aufhören war die Rede, von Unfähigkeit und purer Geldverschwendung. Der Vorstand reagierte prompt. In einem prinzipiell gehaltenen Artikel unserer Betriebszeitung LANDECHO wurden die ewigen Miesmacher in die Schranken gewiesen. Mit Sarkasmus und zynischer Häme, so war zu lesen, käme unser Fußball gewiß nicht aus der Talsohle heraus! Deutliche, aber notwendige Worte. Sie gaben unserer Mannschaft das nötige Selbstvertrauen für das Restprogramm, in dem wir voll zu überzeugen wußten. Im Endspurt bezwangen wir Pappelstädt mit 1:0 und schickten nun in unserem letzten Qualifikationsspiel auch noch Ködelsdorf mit einer 1:3-Niederlage nach Hause. Doch letztlich reichte das nur zum undankbaren zweiten Platz. Der Endrundenzug zum LPG-Kreisfinale um den »Goldenen Traktor« war wieder mal ohne uns abgefahren. Aber was soll man tun?! Überall in unserem Kreis, in allen Bereichen hört man von Schrittmachern, die die anderen mitreißen. Nur im Fußball muß man alles alleine machen! ...
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))Mit seiner Kurzsichtigkeit versaut er jede „ Ubung.<<
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Es ist schwarz, fliegt durch die Luft und darf nicht nach dem Westen -was ist das? Ein Pechvogel!
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Mattl•eS war in onaer~r ohne Bodel10$8
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.Es ist jo wohl meine Sache, wie ich ihm in den Pausen maximal zur Entspannung und Erholung verhelfe.•
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Klaus Lettke
Wie schön das Angeln eigentlich sein kann, wäre mir wohl für immer verborgen geblieben, hätte nicht mein Freund Melchior Reusenschlupf mich auf den Geschmack gebracht. »Diese Ruhe!« schwärmte er. »Wenn alles ringsumher noch schläft, und nur die Vögei sind schon auf! Und du gleitest mit deinem Kahn lautlos durch die unbewegte Wasserfläche, über der ein aufsteigender Nebel vom Nahen des Tages kündet!« Nie zuvor hatte ich meinen Freund Melchior so poetisch gehört. Es muß am Angeln liegen, daß er auf einmal solch feiner Regungen fähig ist, dachte ich gerührt und sah nunmehr dieses feuchte Weidwerk mit ganz anderen Augen. »Du kannst dir das einfach nicht vorstellen!« behauptete Melchior. »Komm doch einfach mal mit raus zum Angeln, dann erlebst du es selber: diese schwermütige Stille, den Nebel über dem Wasser, die ersten Vogelstimmen und den schweren Duft, der ~ ...FP...,.. _;„~~ von den Feldern und Gärten über den See getragen wird. Früh um vier ist die Welt ein unberührtes Paradies. Aber um diese Zeit pennst du ja noch!« Mit diesem Vorwurf glaubte Melchior seine Naturschwärmerei beenden zu müssen. »Ich und noch schlafen?! Wrr können es ja darauf ankommen lassen!« Gekränkter Stolz und nicht etwa die Liebe zum Angelsport hatte mich zu dieser leichtsinnigen Äußerung veranlaßt. »Also gut, abgemacht! Morgen früh um halb vier am Bootssteg«, sagte Melchior, noch bevor ich es mir anders überlegen konnte. »Aber zieh dich warm an! Schnaps gibt's keinen an Bord. Wrr fahren zum Angeln raus und nicht zum Saufen.« Fröstelnd stand ich am nächsten Morgen um drei Uhr dreiundzwanzig am Bootssteg. »Steig mal schon ein, ich hole nur noch die Ruder«, sagte Melchior, der einen Gutenmorgengruß um diese Stunde wohl für verfrüht hielt. Er verschwand hinterm Schuppen. »Na, ganz so toll wird's wohl nicht sein!« dachte ich ketzerisch.
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»Von wegen Nebel über dem Wasser, Vogelgezwitscher und Duft von Feldern und Gärten! ... davon müßte man ja jetzt schon was sehen, hören oder riechen.« Beinah fühlte ich mich ertappt, denn genau in dem Moment, als ich heimlich »Scheiß-Angelsport!« gedacht hatte, kam mein Angelfreund zurück. »Stehst ja immer noch draußen!« rügte Melchior. Er warf die Ruder ins Boot, stieg ein, löste die Leine und stieß den Kahn vom Steg ab. Nur meiner Geistesgegenwart, im letzten Moment an Bord zu springen, verdankte ich es, doch noch an der Angelpartie teilzunehmen. Eine Zeitlang ruderte Melchior schweigend und verbissen. Dann aber, ungefähr auf der Mitte des Sees, hängte er die Ruder aus und legte sie ins Boot, wobei es ihn \ nicht weiter störte, daß der größte Teil des heruntertriefenden Wassers auf meine Hose ging. »Na, hab ich zuviel versprochen?« 'w-_..l.-""'""':~:-:i brach Melchior das paradiesische --------' ~__,_--::::-~ Schweigen. ~==- ------Nein, das hatte er, nicht. Lautlos - ·""""· glitt der Kahn über die unbewegte Wasserfläche. Aufsteigender Nebel kündete vom Nahen des Tages. Die ersten Vögel waren auch schon aufgestanden und schickten >>Ich bin nun mal kein ihren Morgengruß über den See, während ein kaum spürbarer Jäger wie dein erster Hauch den schweren Duft der Gärten und Felder herübertrug. Mann!<< »Ist es nicht herrlich?!« fragte Melchior. »Herrlich ist kein Ausdruck!« sagte ich ergriffen. »Und wo hast du denn die Angel?« Ein bißchen schämte ich mich dieser albernen Frage. »Die Angel?« Melchior schien zu überlegen und legte den Finger an den Mund. »Hörst du?« flüsterte er. »Das ist ein Pirol. Nein, ich glaube, eine Nachtigall. In Vogelstimmen macht mir keiner was vor. Alles auf dem Wasser gelernt, beim Angeln.« »Und die Angel?« Ich konnte es mir nicht verkneifen, noch einmal auf dieses wichtige Utensil des Angelsports zurückzukommen. »Die Angel«, sagte Melchior, der sich offesichtlich nur ungern von seinem ornithologischen Höhenflug zum nüchternen Thema der Fischjagd herabließ, »um ehrlich zu sein - in letzter Zeit nehme ich gar keine mehr mit. Solch einen herrlichen Morgen versaut man sich doch nicht mit Angeln!« ;
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Angela Gentzmer
Sketch mit Helga Hahnemann Sie sitzt auf einer Bank im Kurpark und trinkt ihren Brunnen! Er kommt - ebenfalls mit einem Trinkgefäß in der Hand angeschlendert - lüftet seinen Hut. Er: Pardon, ist auf Ihrer Bank noch ein Plätzchen frei? Sie: Ja - dort hinten - am äußersten Ende! Er: Verbindlichsten Dank! (Nach einigen Sekunden•• lehnt er sich weit zu ihr hinüber und fragt) Ah - Entschuldigung, meine Dame, darf ich fragen, an welcher Quelle Sie sitzen? Sie: Drei! Vegetative Dystonie! Er (rückt näher): Drei? Aber liebe, gnädige Frau, wie konnten Sie sich denn diesen Sprudel aufschwatzen lassen? Wissen Sie denn nicht, daß man dieses Rinnsal in Fachkreisen die »Mackenquelle« nennt? Sie: Tatsächlich? Bis jetzt hab ich noch nichts gemerkt! Er: Das kommt noch, meine Liebe! Nach der 3. Ladung kriegt man regelrecht einen verblödeten Gesichtsausdruck! Ich habe das Zeugs drei Jahre hintereinander schlucken müssen! Sie: Was soll ich denn machen? Ich bin im Kurieren doch noch so unerfahren! Er (rückt noch näher): Auf mich hören, Gnädigste! Sie: Mir hat man eine gräßliche Diät aufgebrummt! Er: Sie - und Diät? Typisch! Da werden die letzten herrlichen Busen und einladenden Hüften zum Aussterben verurteilt! Sie (leise): Ich kriege doch hier schon ein kleines Doppelkinn! Er: Wer sagt das? Bitte, zeigen Sie mir mal Ihr Profil! (Er zeichnet ihr Kinn mit der Hand nach!) Sie (ängstlich): Sehr schlimm? Er: Schlimm? Das ist phantastisch- einmalig! Sie kennen doch die Venus von Milo, ja? Sie: Nein! Ich bin ja gestern erst angereist! Er: Liebste, Beste, ich meine doch diese Frau aus Marmor die ohne Arme! Sie: 0 Gott! Soo schlimme Fälle haben wir hier auch? ,<
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Er (versonnen): Ihre beiden Profile gleichen sich wie ein Rad dem anderen! Noch sehr sehr brauchbar! Und- ich bin Fachmann: Autoschlosser! Verstehe was von Karossen und Fahrgestellen! Sie: Ich bin Künstlerin! Er: Sehen Sie, ich habe sofort gewußt, daß Sie etwas Besonderes sind! Sie: Ich habe nachts grauenvolle Träume. Da sehe ich mich auf der Bühne stehen - kann nicht spielen - nicht singen - nicht tanzen - dann möchte ich am liebsten das ganze Show-Business an den Nagel hängen! Er: Aber meine Liebe, wenn Sie selbst schon insgeheim fühlen, daß Sie kein Talent haben, warum tun Sie es dann nicht? Sie (heult): Geht leider nicht! Ich bin schon ein Star! Er: Ja - dann hilft nur eins: Sie müssen einfach mal abschalten! Sie: Das tun die Zuschauer ja schon! (Sie legt heulend ihren Kopf an seine Schulter! Er tröstet sie.) Sie: Aber - da ist noch etwas, was mich stark bedrückt! Er: Man hat Ihnen doch hoffentlich nicht diese Wahnsjnns-Therapie verordnet, bei der man Kartoffeln sortieren muß? Die guten nach links - die faulen nach rechts! Nach einer halben Stunde ist man zu Tode erschöpft! Sie: Von der körperlichen Arbeit? Er: Ach was! Von den vielen Entscheidungen, die manjede Sekunde treffen muß! Sie: Mein Problem liegt etwas tiefer, mein Herr! Er: Gnädigste, wie tief es auch sein mag - ich schweige wie ein Grab! Sie: Ja - also - das ist so bei mir: Immer, wenn ich ein Glas Wein trinke, dann - dann werfe ich mich dem nächstbesten Mann an den Hals! Er: Aber liebe kleine Frau, das ist doch nicht so schlimm! Passen Sie auf, jetzt gehen wir beide erstmal in ein gemütliches Restaurant- trinken zusammen ein Gläschen - und dann unterhalten wir uns in aller Ruhe über Ihr Problem.
Eine junge Frau will einen West-Hunderter in ForumSchecks für den Intershop tauschen. »Oh, leider«, sagt die Frau am Schalter, »ist dieser Schein nicht echt.« Darauf die junge Frau: »Unerhört, dann bin ich letzte Nacht vergewaltigt worden.« '
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Ottokar Domma
Zu den wichtigsten Gedenktagen gehört der 8. März oder auch Internationaler Frauentag genannt. An diesem Tag ist allerhand los, und ich muß einmal schildern, wie wir die Frauen ehren. Keiner soll denken, jetzt kommen ein paar blöde Witze mit Bart und so, im Gegenteil, es ist eine positive Beschreibung. Fangen wir bei unserer Familie an. Schon ein halbes Jahr vorher denkt mein Vater an nichts anderes als an den Frauentag, indem er uns Kindern Ratschläge gibt, wie wir unsere Mutter und die Oma beehren können. Er verteilt drei Hauptaufgaben: Erstens muß man an die Blumen denken, zweitens an Glückwunschkarten und drittens an ein paar schöne exkwiesite Geschenke, das kann sein Selbstgebasteltes und Gekauftes. Der Befehl lautet dann: Wir Kinder kümmern uns um die Blumen, Karten und um das Selbstgebastelte, der Vater besorgt die anderen Geschenke. Mit den Karten und Blumen gibt es keine Schwierigkeiten. Ich habe vor zwei Jahren zwanzig Karten gekauft, und sie reichen noch ein paar Jahre. Auch mit den Blumen klappt es. Denn der Herr Gärtner Krause hat einen DaueraufAm deutlichsten wird die Frauenehrung, trag, welcher so zustande kam: Mein Vater hilft ihm als Feierabendbrigadier bei kleinen wenn es heißt, es gibt Prämien. Maurerarbeiten, dafür muß er jedes Jahr zum 8. März zwei große Blumensträuße aufheben. Meistens rote Nelken. Einen Tag vorher hol ich sie ab, und sie zieren dann eine Nacht lang den Keller. Der Vater kommt in diesem halben Jahr immer mal wieder mit einem Päckchen nach Hause und versteckt es an unsichtbaren Stellen für den Frauentag. Wichtig ist, daß mein Vater das ganze Jahr seine Frauen ehrt und die Gleichberechtigung durchhält, indem er jeden Abend hilft, das Geschirr abzuspülen und Kohlen aus dem Keller zu holen und anderes. Zum Beispiel geht er mit meiner Mutter zusammen in die Volkshochschule, damit die Mutter nicht zurückbleibt. Wenn meine Schwester einmal krank ist, wechseln sie sich gegenseitig beim Zuhausebleiben ab. Denn ihre Betriebsleiter sind sehr gütig und sagen, so muß es sein. Deshalb sieht auch der BGL-Vorsitzende sofort ein, wenn mein Vater einmal sagt, er kann heute abend nicht zur Sitzung kommen, weil er zu Hause Abendbrot machen muß und vorher einkaufen. Denn er ist in dieser Woche dran.
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Bei meiner Mutter ist es genauso. Wenn sie spricht, der Vater hat für sie eine Theaterkarte ergattert, und deshalb bleibt sie einmal bei der DFD-Versammlung weg, dann rufen die Vorstandsfrauen aus einem Mund, wie schön das ist, und sie gönnen ihr diesen Abend. Denn Kultur muß sein. Auch unsere Lehrer sind zufrieden, weil meine Eltern immer zusammen zu den Elternversammlungen gehen, und es gibt keinen Streit, wer unsere Schularbeiten nachsehen soll. Entweder macht es heute die Mutter und morgen der Vater oder alle beide zusammen oder überhaupt nicht. Dann sind meistens Ferien. Deshalb gibt es am 8. März in unserer Familie keine besonde•• ren Uberraschungen. Wir schenken die Blumen nebst Glückwunschkarten, auch haben wir Kinder etwas gebastelt. Mein Vater schenkt der Mutter noch Pralinen und Parfüm, und die Oma kriegt auch was ab. An diesem Tag dürfen wir Männer einmal nicht in der Küche helfen; das lassen die Frauen nicht zu, und wir sollen es 1 einmal im Jahr gut haben. Und so gibt es viel Freude 1 I1 und Küsse. In den nächsten Tagen und Wochen findet der Vater nach und nach die versteckten Geschenke wieder, und er überreicht sie mit roten Ohren. Auch in unserer Schule werden die Frauen sehr geehrt, und nicht nur am 8. März, sondern das ganze Jahr über. Wenn zum Beispiel bei unserer Frau Pitthuhn eins von ihren Kindern krank ist, und sie müßte deswegen ein paar Tage zu Hause bleiben, dann lassen das unsere Lehrer nicht so hingehen. Denn es darf kein Stundenausfall sein. Entweder übernehmen sie ein paar Stunden von Frau Pitthuhn freiwillig, oder der Herr Luschmil spricht zu seiner nichtarbeitenden Gattin, sie soll das Pitthuhnskind pflegen, oder der Herr Direktor Keiler sucht für ein paar Stunden eine Frau oder Oma, welche auf das Kind solange aufpaßt. Er hat sich extra vom DFD eine solche Frauenund Omaliste geben lassen, und das klappt immer. Auch darf dann die Frau Pitthuhn nach ihren Stunden keine Minute län-
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Anfrage an den Sender Jerewan: · Meine Frau steht unmittelbar vor der Niederkunft. Unsere volkseigene Industrie kann aber erst in neiin Monaten Wmdeln liefern. Was sollen wir ma- , chen? .
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Antwort: Schnell
ein neues Kind.
ger in der Schule bleiben, sondern sie wird vom Herrn Direktor gleich nach Hause gejagt. Unsere Lehrer passen immer gut auf, daß es den Lehrerinnen nicht zu schwer wird. Zum Beispiel nehmen sie den Frauen nicht nur die Mäntel ab, sondern auch alle schweren Arbeiten, und keiner darf mit einer Funktion überlastet sein. In manchen Schulen ist es noch so, daß die Lehrer zu einer Frau mit kleinen Kindern sagen, sie muß alles mitmachen. Bei uns ist es das Gegenteil; die Lehrer schreien, daß man diese Lehrerinnen schonen muß, und wir übernehmen einige Aufgaben. Wenn zum Beispiel eine Lehrerin sagt, daß sie am Freitagnachmittag für ihre Familie einkaufen muß und deshalb nicht zur Sitzung kommen kann, dann bedankt sich der Herr Direktor Keiler für diesen wertvollen Hinweis, und er legt alles um. Am deutlichsten wird die Frauenehrung, wenn es heißt, es gibt Prämien oder es kann jemand befördert werden. Einmal hieß es, es ist wieder eine ausgezeichnete Medaille fällig. Die Männer schrien gleich, es muß eine Lehrerin sein, und sie verzichten. Und sie haben dann eine Lehrerin gesucht, welche sehr bescheiden ist und ruhig und nicht so viel Wind macht, aber sehr fleißig und beliebt ist, nämlich die Frau Borstel. Auch hat sie ein kleines Kind. Die Ehrung geht weiter, indem der Herr Direktor Keiler mit unserem Herrn Bürgermeister Sparsock ein paarmal die Lehrerinnen zu Hause besucht oder mit ihnen einen Kaffeenachmittag macht. Dort sprechen sie über Frauenfragen und was man so tun kann. Und auch der Vater von meinem Freund Harald, der Herr Schulrat, kommt öfter und fragt, welche Frauen befördert werden sollen und eine höhere Funktion bekommen müßten. Der Herr Direktor Keiler jammert dann immer, er möchte zu gern, daß er von einer Frau abgelöst wird, und er will gern in eine andere Schule gehen, wo es noch nicht so läuft. Aber daraus ist bis jetzt noch nichts geworden, weil es die Lehrerinnen bei unserem Direktor so gut haben, und sie wissen nicht, was nachher kommt. Auch ist unser Fräulein Heidenröslein als eine stellvertretende Direktorin vorgemerkt. Aber sie muß warten, bis Frau Seidenschnur in Pangsion geht. Deshalb ist der Frauentag für unsere Lehrerinnen auch keine Überraschung mehr. Und sie richten an diesem Tag alles schön her und feiern mit den Lehrern; denn sie haben es verdient. Und wenn hier ein paar Sachen nicht ganz so stimmen, dann liegt es vielleicht daran, daß mein kleiner Kopf auch nicht alles so genau behalten kann.
,,Stehn sich Meiers denn so schlecht, daß sie nach dem Preis gucken muß?!''
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,°'1, Die DDR-Regierung läßt die Einstellung ihrer Bevölkerung zu Partei und Staat per Meinungsumfrage ermitteln. Auf die Frage: »Wie stehen Sie zum real existierenden Sozialismus in der DDR?« schreibt ein Mann: »Wie zu meiner Frau!« Er wird zur Parteileitung bestellt, die von ihm wissen will, wie er das gemeint habe. »Ganz einfach, Genossen, ich bin jetzt fast 40 Jahre verheiratet, und da hat man sich an vieles gewöhnt~ Aber Spaß macht es schon lange nicht mehr ... «
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»Wo ist meine Nagelschere?« So lautet die präzise Frage von Herrn Weise an Frau Weise. Es ist eine Frage mit stolzer Tradition. Eine uralte Frage. Vielleicht die Urfrage überhaupt, denn manchmal hat Frau Weise den Verdacht, diese Frage schon im Urelement vernommen zu haben. Im Wasser des Babyteiches, bevor der Storch sie herausfischte. »Wo ist meine Nagelschere?« Herr Weise hat diesen Satz während seines gemeinsamen Lebensslaloms mit Frau Weise schon bis zur Randzerfransung wiederholt; nachsichtig freundlich oder unnachsichtig scharf; er hatte ihn auch befreiend gebrüllt, daß die Kinder anfingen zu plärren; am schlimmsten war es, wenn er ihn so unendlich angewidert fallen ließ, weil es gar nicht Herr Weise lebt ihr die Ordnung quasi vor. Sie anders sein konnte, weil das Ding einbraucht sich nur seinen Schreibtisch anzusehen. fach weg sein mußte. So unvermeidlich wie mit jedem neuen Schuljahr ein Schüler auftauchte, der »die Interesse« sagte. Und auch schrieb. Bis Herr Weise die sinnlose Kraftprobe aufgab mit dem Satz: »Schlaumeier, ich verliere ab heute jegliches Interesse an Ihrer Interesse!« Anders die Nagelschere. Die blieb über alle Jahre gleichbleibend interessant. Denn die wurde gebraucht. Und nicht nur von Herrn Weise. Es schien die Hauptbeschäftigung der Familie zu sein, diese Werkzeuge zu verstecken, und Herm Weises Lebensaufgabe, danach zu suchen. Dabei dachte, als Frau Weise das uralte Stück im Nähkästchen ihrer Großmutter ausgrub, kein Mensch an ein Problem. Eine Schere mehr im Haushalt - das war alles. Der Krieg begann, als sich herausstellte: Diese war wirklich zu gebrauchen! Nicht so ein dickes Monstrum, mit dem man kleinen Kinderfingern nicht beikam; kein stumpfes Eisen, das die Nägel nur schmerzhaft umknickte; sie besaß auch nicht den Mode gewordenen Zuckerzangeneffekt, diesen Hohlraum zwischen den Schnittflächen - kurz: Es war eine Schere, die man mit diesem Namen anreden konnte. Scharf, schlank, fein und deshalb immer benutzt und immer verschwunden. »Sie braucht eben einen festen Platz!« hatte Herr Weise verfügt.
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»Und das wird mein Schreibtisch sein. Hier, dieses Schubfach. Kommt alle her: Hier lege ich sie rein, hier bleibt sie liegen!« Sie lag schon nicht mehr drin, als Herr Weise noch würdevoll das Schubfach schloß, und sie tauchte erst Wochen später wieder auf. Hinterm Ofen, zwischen Annemonchens weggeworfenem Buntpapier. Was schon einiges über Frau Weises Haushaltführung aussagt. Daraufhin hatte Herr Weise das Ding wortlos mit einer langen, dünnen Kette an seinem Schreibtisch befestigt. In dieser Kette verhedderte sich Frau Weise, als sie den Weihnachtsbaum anputzte, und weil sie im Sturz am Baum Halt suchte, wurde es ein gelungenes Fest, an das alle gern zurückdenken. Nun schloß Herr Weise das Streitobjekt endgültig weg, versteckte den Schlüssel und erklärte sich damit zum einzigen rechtmäßigen / Besitzer und Benutzer. ~l'. I 1 ;1\ \ \ Frau Weise begrüßte l diese Konsequenz aus-drücklich, und nach jedem Bad schickte sie die Kinder zum Scherenschneider: »Vati ist lieb, Vati beschneidet euch gern alle vierzig Nägel!« Zweiunddreißig sogar unblutig. >>Aber nach dem Frühstück die Krümel wegIn diesen schweren Tagen zündete bei Herrn Weise die Idee, fegen willst du auch Frau Weise mal was zu schenken: ein Manicure-Necessaire, nicht!<< das genau so teuer war, wie es sich schreibt und spricht. Das Leder seidenweich, Form und Verarbeitung anmutig, Reißverschluß fast mühelos zu bewegen und alle in Taft eingebetteten Eisenteile durchaus brauchbar. Bis auf die Nagelschere selbstverständlich. Damit war der Urzustand wieder hergestellt, und Herr Weise entschloß sich, das Übel bei der Wurzel zu packen. Er fragte also Frau Weise ganz sachlich: »Was ist nach deiner Meinung der Nährboden für diese ewigen lächerlichen Nagelscheren-Exzesse?« Auf Anhieb hatte Frau Weise sich selbst in Verdacht. Prompt sagte Herr Weise: »Deine verfluchte Schlamperei natürlich!« »Meine Schlamperei! Natürlich!« wiederholte Frau Weise und nickte so übertrieben lange und demütig, daß es Herm Weise schon wieder renitent vorkam. \
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Un t e r v i er A u"g e n
»Natürlich deine Schlamperei. Was denn sonst?« Herr Weise hört doch den ganzen Tag nur einen Satz: Wo ist ... ? Wo ist die Kleiderbürste? Wo ist der Kellerschlüssel? Wo ist das Bandmaß? Wo ist der Schneeschieber? Neulich sogar der hanebüchene Gipfel: Wo sind die Zeugnisse von Annemonchen und Ralfpeter? Diese Schlamperei macht Herrn Weise eben ganz krank. Wirklich regelrecht krank. Aber wer wagt in diesem Haushalt noch, krank zu werden? Da lautet doch unweigerlich die erste Frage: Wo ist das Fieberthermometer? In diesem Haushalt findet Herr Weise doch nicht mal einen Hammer! Als er die Nagelschere an seinen Schreibtisch ketten wollte, hatte er sich bei der Hammersuche bis zum Boden verstiegen und ist bis heute bedient von dem unglaublichen Anblick: ausrangierte Lampen und Bilderrahmen zwischen Fahrradschläuchen und Puppenstuben, Kabelreste, Kartons mit Perlen und Knete ... »Fertig?« fragt Frau Weise. Aber sie sollte diesen dreisten Ton besser. unterlassen, Der kleine Max hat den Taschenrechner durch die Waschmaschine gejagt und die sonst schildert ihr Herr Weise gerne noch Couchecke mit Babycreme eingerieben. den chaotischen Zustand des Kellers. »Warum bist du nur so absolut unfähig, Ordnung zu halten?« Das begreift Herr Weise nicht. Er lebt ihr die Ordnung ja quasi vor. Frau Weise braucht sich doch nur seinen Schreibtisch anzusehen! Rechterhand alle Papiere. Sein Versicherungsausweis - ein Griff. Sein Reisepaß - bitte. Links die schulischen Unterlagen. Exakt gegliedert nach Fächern und Klassen. Frau Weise bückt sich und kramt und sucht und guckt. »Wo ist denn bloß«, fragt sie, »wo ist denn bloß der Klammerbeutel, mit dem sie dich gepudert haben?« Denn wäre in Herrn Weises Oberstübchen alles so akkurat in Ordnung wie in diesem einen Möbel, dann könnte er auf so einen Vergleich nicht kommen: Schreibtisch gegen Rest der Welt! »Wo steht denn eigentlich geschrieben, daß für alles und alles, aber auch alles nur ich zuständig bin? Warum räumst du nicht auch mal den Boden auf?« Heilige Einfalt! What a question! Ist es etwa Herrn Weises Krempel, zwischen dem man kaum noch treten kann? Spielt er mit dem Puppenhaus? Sitzt er vorm Kaufladen? Womöglich verdächtigt man ihn noch, er knete heimlich dicke Elefanten. »Nein«, hatte Frau Weise damals losgeschrien, ich! Ich sitze da · oben mitm Hütchen und spiele Kaufmannsladen. Jeden Tag
Unter vier Augen
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spiele ich da oben acht Stunden Hütchen mitm Kaufmannsladen. Wußtest du das noch nicht?« Jaja, Herr Weise kannte die alte Leier. Ja, er wußte, es waren auch seine Kinder. Aber er wußte auch, daß er seinen Kindern stets mit gutem Beispiel voranging, während sie bei Frau Weise jeden Tag dasselbe erlebten: den Kamm in der Butter. »Was immerhin den Schluß zuläßt, daß wir noch Haare aufm Kopp und Stulle aufs Brot haben!« Damit war Frau Weise aufgesprungen, über einen Teddy gestolpert und in den leeren Bierkasten gefallen, der von einer Vortagsfete immer noch im Wohnzimmer rumlungerte, statt endlich nach Hause in die Kaufhalle zu gehen. »Na bitte!« hatte Herr Weise nur gesagt, da jeder Kommentar sich erübrigte. Und nun steht er in der Tür und fragt ehrlich verblüfft: »Wo ist denn meine Nagelschere? « Als stellte er diese Frage zum ersten Mal in seinem Leben. Frau Weise lauscht dem Satz nach, er kommt ihr bekannt vor. Wie lange war das her? Seit die Kinder aus dem Haus sind, herrscht geradezu unerträgliche Ordnung, hat sich niemand mehr an diesem Heiligtum vergriffen. »Deine Nagelschere ist weg?« - »Ich sagte es bereits.« Frau Weise überlegt scharf. Dann geht sie ins Kinderzimmer, wo am Wochenende der kleine Enkel Max gespielt hatte. Mit sicherer Hand greift sie in das Buntpapier hinterm Ofen und wird sofort fündig. »Heißt das, die ganze Schlamperei geht von vorne los?« fragt Herr Weise fassungslos. Eben das ist ja Frau Weises heimliche Hoffnung! Mit dem kleinen Max wird neues Leben in die Bude kommen. Er hatte schon den Taschenrechner durch die Waschmaschine gejagt, er hatte die Couchecke mit Babycreme eingerieben und mit Kakao gepudert - daß er in diesem zarten Alter bereits zum Wesentlichen vorgedrungen war, zur Nagelschere, ermutigte Frau Weise nun zu schönsten Zukunftsträumen.
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Jochen Petersdorf
' ow1e Lilomaus, es ist soweit! Sonne lacht, und wieder wird es dir zur Maienzeit ziemlich eng im Mieder. •
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Frühling läßt sein blaues Band flattern durch die Lüfte, und erschreckt befühlt die Hand Speck auf Bauch und Hüfte . Illustrierte, Femsehn, Funk tönen täglich wieder: »Nieder mit dem dicken Strunk! Trumpf sind schlanke Glieder!«
----->>Phantastisch! Und kein Gramm zugenommen seit dem letzten Mal. ((
Lilomaus, ich bitte dich: Laß dich's nicht verdrießen. Laß auch weiterhin für mich alles an dir sprießen. Trau den Heuchlern nicht, mein Kind, die nur Dünne wollen. Wenn sie losgelassen sind, gehn sie in die Vollen.
Supermoddeltypen sind überall im Sehwange, und es knarm im Frühlingswind Knochen von der Stange.
Unter vier Augen
Lothar Kusche
Eines Tages teilte uns Hugo mit, daß er wieder mal heiratet. Da muß man als Verwandter hingehen. Ich bin der Onkel. Meine Frau sagte: Ich erinnere mich an Hugos frühere Hochzeiten: So was dauert immer sehr lange, und Hugo ist ein sparsamer Mensch, und Bier allein hält den Menschen auch nicht aufrecht, also nehmen wir Stullen mit. Ich gab zu bedenken, daß die Stullen möglicherweise Hugos Frau kränken könnten, und meine Frau sagte: Kennst du denn Hugos Frau überhaupt? Nein, sagte ich, ich glaube nicht, daß ich sie kenne. Worauf meine Frau mit der Frauen eigenen Logik sagte: Du kennst sie also doch. Das hätte ich mir denken können. Wie der Neffe, so der Onkel. Das hätte ich mir ja denken können. Am besten gehe ich gar nicht mit. Das hätte ich mir wirklich denken können! Dann bleibe ich auch hier, sagte ich, heute ist die Sendung: Der Staatsanwalt hat den Senf. Du gehst zur Hochzeit, sagte sie, du mußt, du bist verwandt. Um es kurz zu machen: Wir gingen beide hin. Ohne Stullen. Unterwegs tauchte das Problem auf, wo Hugos Hochzeit eigentlich ausgetragen werden sollte. Unsere Richtung stimmte, aber wir waren uns über das Ziel im Ungewissen. Nun hatten wir glücklicherweise Hugos Einladungskarte zur Hand, welche uns folgende Informationen vermittelte: 7.45 Trauung im Standesamt am Kürbis-Weiher. Anschließend kl. Umtrunk in der Sublimaten-Klause (Ecke Gustav-Hentz-Allee), danach gesell. Beisammensein in meiner Wohnung. Ab 12.10 Mittagessen in der Gemütlichen Ecke. Anschließend Heimspiel.« Es verstand sich von selbst, daß wir nicht mitten in der Nacht losgingen, um uns diese Sache im Standesamt und den dazugehörigen engen Kragen der Protokollantin anzusehen. So was kennen wir ja aus Fernsehfilmen und von Hugos früheren Hochzeiten. Immer dieselbe Beamtin; Hugo muß ihr schon zum Hals raushängen, obwohl wenigstens die Bräute wechseln. Na schön. Wo aber ist diese verdammte Sublimaten-Klause? Meine Frau ist aus irgendwelchen Gründen, über die sie keine nähere Auskunft geben will, der Meinung, daß ich alle Kneipen der Deutschen Demokratischen Republik auswendig kenne, was aber nicht stimmt. Ich kenne die Sublimaten-Klause wirklich
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))Meine Tochter hat noch nicht mal ausgelernt, junger Mann!<< >>Das glooben Siel<<
Unter vier Ausen
nicht, und ich weiß auch nicht, daß dort anläßlich irgendeines Jubiläums das berühmte Sublimator-Pils ausgeschenkt wird an so was würde man sich doch erinnern. Kurz und krumm: Wrr fanden immerhin die Gustav-Hentz-Allee, welche verschiedene Ecken hat, und suchten dort Hugos Wohnung. Wrr trafen nur wenige Menschen, von denen niemand Hugo kannte; zumindest gab es keiner zu. Es war warm, und ich fühlte mich unsicher, weil ich mir die Haare gewaschen hatte, und sagte zu meiner Frau: Ich hätte mal wieder die Haare schneiden lassen sollen, wie ich dies alle zwei Jahre tue. Aber sie sagte: Sei froh, daß du überhaupt noch Haare hast. Auch gut. Im fünften Haus wurden wir fündig, weil uns ein Mensch aufforderte, die im Flur befindlichen Steingut-'frümmer zu beseitigen. Es handelte sich um die Rudimente von Hugos Polterabend, und ihre Spuren wiesen auf die gegenüberliegende bzw. -stehende Sublimaten-Klause. Wir umarmten Hugo und gaben unsere 5 Nelken sowie das praktische Gerät zum Herauspolken von Kaffeesatz aus Sieben ab und stürzten uns ins Getümmel. Das Essen hatte gerade begonnen. Ein Glück, daß wir ohne Stullen gekommen waren. Es gab 2 Vorspeisen, 1 Suppe, 3 Hauptgerichte und 1 Dessert, mit dem allein man 28 Kinder hätte sattmachen können. Zwischendurch sagte ich zu meiner Frau, daß ich mal rausgehen und mir die Haare kämmen müßte, aber sie meinte, jetzt wird erst gegessen, und das ist schließlich die Hauptsache. Nach der Hauptsache waren wirklich etwas kaputt, aber wir wollten uns nicht lumpen lassen, als Hugo nunmehr Kaffee und Kuchen ankündigte. Es war ungeheuer viel Kaffee und Kuchen vorrätig. Es waren auch ungeheuer viele Leute da. Nun hätte mich interessiert, welche von diesen zahlreichen Personen wohl Hugos Frau sein könnte. Aber ich kam weder dazu, über dieses Problem nachzusinnen, noch mir die Haare zu kämmen, denn plötzlich umarmte mich eine freundliche grauhaarige Dame, ich ich seit mindestens 16 Jahren nicht gesehen hatte. Es war Hugos Mutti. Ich hätte mir doch die Haare schneiden lassen oder wenigstens kämmen sollen. Sie hatte mich für die Braut gehalten.
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Matthias Biskupek
' OIH Das müssen Sie verstehen. Die Sache liegt jetzt klar hinter mir, der Vorgang ist abgeschlossen; ein schmaler Blick zurück, doch zwei breite nach vom: Das ist die Losung des Umdenkens einer neuen Zeit. Es hat damit angefangen, daß ich einen Onkel habe. Ich hatte ihn tief in meinen Kaderakten versteckt, doch irgendwann ist er mir wieder aufgestoßen. Kennen Sie das, wenn es in der Kantine Buletten mit Zwiebeln gab? Und plötzlich, vor dem Nachmittagskaffee, schmeckt man Zwiebeln? So eine Zwiebel, ungefähr, ist mein Onkel. Schickt mir da einfach den subversanten Wisch. Mit Stempel. Unglücklich verquickt damit war der Umstand, daß wir eine permanente Arbeitskräftesituation haben. Im Rat der Stadt fehlen die kompetenten Mitarbeiterwie die Nadeln im HeuUnklare Antworten bekämpft man haufen. Ich bin so eine Nadel, deshalb wächst nämlich durch hinweggefegte Fragen. mir die Arbeit über den Kopf, daß einem das Wasser bis zum Hals steht. Ich bin doch beim Referat Abwässer und Verschmutzungsstrafgelder. Sie können sich vielleicht vorstellen, was meine Tätigkeit mir und meinen Vorgesetzten bedeutet. Reiner Schmutz, sag ich. An anderen Stellen fehlen die Leute ähnlich. Wrr vom Rat könnten Lieder davon singen. Stichwort: Der Sektorenleiter für das Kreissängertreffen hat nun auch einen Aufhebungsvertrag gemacht. Beim Kulturkombinat war er noch dringlicher am Platze. Ungefähr so geht das. Jetzt bearbeitet meine Sekretärin die Chöre; die Kollegen vom Finanzamt sollen nebenbei alle Abwasserfragen in die Wege leiten, und ich bin ständig Z.B.V. Zur Besonderen Verwendung heißt das zwar, aber wir nennen uns Ziemlich Blöde Vollidioten. Entschuldigung, das Amtsdeutsch läuft einem manchmal so über die Zunge. Arbeit in Hülle und Fülle und keine Leute beider Stange. Es ist eines der sieben Republikswunder, daß unser Rat überhaupt noch rundläuft. Abraten und Tee trinken, so heißt unser Kampf um Devisen. Und nun stößt mir also noch mein Onkel auf. Es lag natürlich an der gegenwärtigen Situation. Man ist ja wirklich anders angesehen, wenn man schon mal dort war. Und nun wurde ganz plötzlich mein Onkel fünfundsiebzig. Im Oktober. In München. Ein Ausreiseantrag ist ja nichts Schlimmes, sondern was Ein-
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maliges. Für zehn Tage. Mit Wiedereinreise; ich hab mich da sachkundig gemacht. Und mein Onkel hatte also eine ganz echte Einladung geschickt. Von allein wäre er ja nie drauf gekommen, das nur nebenbei, aber nun mußte ich natürlich, ob ich wollte oder nicht, die Sache in die Wege leiten. Das ist immerhin ein amtliches Schriftstück mit Stempel der Ratskollegen aus München. Man muß ja Kollegen sagen. Und nun kommt der Hammer und die Sichel. Sense sozusagen. Ich mache Z.B.V. Und das heißt in der gegenwärtig schwierigen Kaderlage, daß ich die Genehmigungsverfahren für genehmigungspflichtige Sonderfälle unter mir habe. Verstehen Sie jetzt? Es ist kein schlechtes Gefühl, nein, das darf ich Ihnen verraten, wenn man so schwierige Entscheidungen treffen muß. Wrr sind ja gehalten, verstehen Sie? Hin und wieder kann ich auch mal die Zustimmung verweigern. Begründete Bedenken. Außerdem machen ja nicht wir den letzten Stempel auf solchen Antrag, doch zuweilen muß schon ich mich konsequent zu einer Ablehnung der Befürwortung durchringen. Man hat seinen Ärger nicht nur mit den Kantinenklopsen. Die unglückliche Verquickung habe ich angedeutet. Mein Antrag mit dem amtlichen Onkelschreiben landete mappenmäßig auf meinem Tisch. Ich hab die Sache nicht auf mich gezogen; das war ein klares Kompetenzproblem. Ich versuchte, den Hauptreferenten mit meiner kitzligen Angelegenheit zu konfrontieren. Aber der erklärt mir bloß seine kaderpolitischen Engpässe. Entlastung ist nicht drin, sagt er. Ich solle mich auf die vorhandenen Präzedenzfälle und meine vertrauensvolle Zusammenarbeit stützen. Da sitzt man da und weiß nicht, wie man über sich informiert sein soll. Obwohl ich mir gewisse peinliche Nachfragen ersparen kann. Soll ich etwa meine Nachbarn über mich befragen? Natürlich ahne ich von mir, daß ich bloß deshalb im Oktober nach München fahren will, weil da dieses traditionelle Fest abläuft. Der Onkel ist mir doch schnuppe. Der lebt doch, rein geistig, in einer fremden Welt. Mit dem verbindet mich nichts. Das ist ein Ewiggestriger. Ein für allemal haben wir Fragen der Geschichte beantwortet, gelöst und hinweggefegt. Unklare Antworten bekämpft man nämlich durch hinweggefegte Fragen. An meinem Schreibtisch kommt man einfach auf richtige Gedanken. Ich stelle die Kollegenfrage, die man immer in Problemfällen stellen muß: Kann ich dem Antragsteller vertrauen? Ich mein, ich kenn mich doch. Man muß unsereinen auch mal verstehen. Nicht immer bloß
Woran merkt man,. daß die Stasi R0bo-. tron-Wanzen Bei . · einem einsetzt? , . Man hat einen neuen Schrank im Zimmer und ein Trafohäuschen vorm Haus. .
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Schreibtischhengste schimpfen, wenn wir den Wünschen der Bürger noch nicht voll und ganz entsprechen konnen. Unsereins hat da die Verantwortung. Wenn was passiert, fällts auf uns zurück. Und nun also mein diffiziler Fall. Ich will also von mir eine Stellungnahme darüber, ob ich ein vertrauenswürdiger Kader bin, einer, der in München weder mit der CDU fusioniert, noch behördenmäßige Hochtechnologie etwa beim Oktoberfestbier ausplaudert, oder eine fehlerhafte Worterklärung für Glasnost gibt, oder - oder ob ich etwa einer bin, dem es dort vielleicht besser gefallen könnte, als er hier vorgibt, daß es ihm gefallen werde. Das Schlimmste: Ich muß meine Stellungnahme über mich schriftlich abgeben. Und wenn die anfechtbar ist, fällt das auf mich zurück. Mit Schriftstücke kann man jeden festnageln. Noch nicht mal vorgeben kann ich, daß ich es nicht gewußt hatte. Da heißt es immer entschuldigend, man könne in den Bürger ja nicht hineinsehen. Sonst kann man sich ja in jedem Menschen irren, und für eine bedauerliche Fehleinschätzung, eine bitter bereitete Enttäuschung, ist hier noch niemandem der Kopf abgerissen worden, aber in meinem ganz besonderen Fall . . . Soll ich mir denn blind vertrauen? Aber wie kann ich besser meine Ergebenheit für alles Geforderte beweisen, als daß ich ohne Ansehen der Person entscheide? Es fällt ja doch alles auf mich zurück. Da wird doch sofort gefragt werden: Wer hat denn die Genehmigungsverfahren für genehmigungspflichtige Sonderfälle unter sich? Ich finde, man kann die Demokratie auch zu weit treiben. Gerade jetzt sollte man doch vorsichtig, Stück um Stück, aber nicht alles auf einmal. Da locht man doch die Akte an der falschen Stelle. Weil ich für mich gebürgt habe, fällt das doppelt auf mich zurück. Und das krieg ich dann vierfach zu spüren. Und das dann achtkantig ... Jawohl. Jawohl, also Nein. Ich habe mich durchgerungen. Ich habe mich abgelehnt. Da darf man nicht inkonsequent sein. Da muß man seinem inneren Schweinehund auf die Zehen treten. Da muß man vorwärts- und nicht rückwärtsschreitend genehmigen. Das müssen Sie, ich bitte Sie, auch mal verstehen.
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Ein Zöllner inspiziert das Gepäck eines ausreisenden DDR-Bürgers. Verwundert weist er auf ein Bild von Erich Honecker. »Verstehe ich nicht«, sagt er, »Sie kehren unserem Staat den Rücken. Warum nehmen Sie da ein Honecker-Bild mit?« Darauf der Mann: »Gegen Heimweh.«
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Wolfgang Schaller
tiHtHtltlt Treffen sich drei Hunde aus der glorreichen Sowjetunion1 der tapferen Volksrepublik Polen und aus der DDR. Sofort fängt der Sowjethund an zu schwärmen: »Also bei uns läuft jetzt alles bestens, Brüderchen. Seit diesem Gorba- · tschow, also ich sage nur, Perestroika, Glasnost und so, alles ist gut.. Auch für uns einfache Hunde. Wrr brauchen nur noch zu bellen, schon kriegen wir ein Stück Fleisch.« Der polnische Hund kriegt große Augen: »Bitteschön, was ist >Fleisch« Der DDR-Hund dreht sich links llm, schaut, schaut nach rechts, noch einmal nach links und flüstert: »Bitteschön, was ist >Bellen«
Wrr sind bei jeder Show als Stimmungsmacher sehr begehrt. Wrr haben uns bei jedem Tief als Knallbonbon bewährt. Denn scheint uns auf der Lebensbühne etwas schiefzuliegen, dann können wirs dank ungebrochner Stimmung gradebiegen. In den düsteren Jahren haben wir es erfahren: Arm wär das Leben, würds uns nicht geben. Doch keine Angst, uns gibt es ja seit vierzig Jahren schon, uns, die Stimmungsmacher der Nation. Blau ist die Nacht, sieh nur den Mond am Himmel, schau, wie er lacht! Wie viele Fotos an der Wand verschwanden über Nacht. Wir haben an die neuen die Girlanden angebracht. Wrr wechselten die Bilder aus im altbewährten Rahmen. Der Glaube blieb, auch wenn die Götter gingen oder kamen. Der Papa wirds schon richten, der Papa machts schon gut. Denn Papa macht ja alles, was sonst keiner gerne tut. Wrr liebten unser Väterchen. Dann mußten wir erfahren, daß die Taten Väterchens so väterlich nicht waren. Doch um Euch von der Nachricht von Millionen Opfern unsres Väterchens zu schonen, klang es so, wenn wir davon in unsren Liedern sangen, als hätt er bei der Jagd nur ein paar Hasen weggefangen. Schallali - schallala, schallali - schallala, schon tuts nicht mehr weh. Wrr haben Losungen schnell verlernt, wenn wir verlernen mußten. Wir standen stets ganz vorn Spalier, weil wir die neuen wußten. Weltrevolution? Und Konföderation? Zwischenstadium? Kybernetik? Manche schöne Kunstästhetik? Das unvergeßliche Zitat vom einzig rechtmäßigen Staat? Unterdessen - längst vergessen!
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Standpunktwechsel - kein Problem wenn wirs vom richtigen Standpunkt sehn. Auf die Bäume, ihr Affen, der Wald wird gefegt, der Wald wird gefegt, der Wald wird gefegt. Nur Nachwuchssänger stelln in diesen Tagen uns Stimmungssängem ihre dummen Fragen: War Tito Freund, war Tito Feind? Was hat uns mit dem Schah vereint? War Chinajung bei Mao Tse Tu.ng? Wir tauschen Namen ein und aus, die ins Geschichtsbuch paßten. Generalprobe: >>Die Nummer sitzt noch nicht, der Direktor hat gar nicht gemerkt, daß er gemeint war.«
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Wer zog die Namen spurlos raus aus dem Gedächtniskasten? Wrr singen Niederlagen klein, wenn wir wo unterliegen. Denn was nicht sein darf, kann nicht sein, weil wir gesetzlich siegen. Und werden die Antworten manchmal knapp in schwierigen Situationen: Wrr schießen die Fragen einfach ab mit unseren Stimmungskanonen. Keine Bange, wir holen eine Zange und die Feuerleiter. Und dann .geht es weiter. Und dann geht es weiter ...
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Manfred Strahl
Kaum war die Sondermaschine gelandet, preßten Sumambo und die ihn begleitenden Persönlichkeiten neugierig ihre Gesichter gegen die Scheiben. Sie waren schon auf das äußerste gespannt, ob es wirklich zutraf, was man sich auf diplomatischem Parkett hinter vorgehaltener Hand erzählte. Nämlich, daß auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld zu jeder Tages- und Nachtzeit einige tausend Menschen mit Wrnkelementen in den Händen herumstehen und schon sehnsüchtig auf den nächsten Staatsbesuch warten. Obwohl sich Sumambo fast die Nase plattdrückte, sah er nichts dergleichen. »Alles nur üble Westpropaganda«, murmelte er in waschechtem Sumambeli erbost vor sich hin und begab sich zum Ausstieg. Während er die Gangway herabschritt, schlug er vorsichtshalber den farbenprächtigen Umhang seiner Nationaltracht zur Seite. Damit er Schließlich hatten sich die gewaltigen Erfolge beide Hände für die im Empfangsprotoder DDR bei der Benzineinsparung selbst bis koll vorgesehene brüderliche Umarins ferne Sumambowo rumgesprochen. mung des Gastgebers frei hatte. Als Sumambo schließlich, in freudiger Erwartung einer herzlichen Begrüßung lächelnd und mit ausgebreiteten Armen, den Flugplatz betrat, suchten seine Augen die des Gastgebers zu erspähen. Nicht, daß er versehentlich den falschen umarmte. Munter ließ er seine Blicke schweifen. Aber so weit das Auge reichte, war von den Gastgebern niemand zu sehen. Das lag nicht etwa daran, daß Sumambo - wie viele bedeutende Persönlichkeiten - unter einer gewissen Kurzsichtigkeit litt. Nein, Sumambo und die Seinen waren weit und breit die einzigen auf dem riesigen Flughafen. Selbst die Ehrenformation, die Sumambo laut Protokoll hätte abschreiten müssen, war nicht zur Begrüßung erschienen. Als Sumambo auch noch die auffällig unauffälligen jungen Männer vermißte, die bei Staatsbesuchen scheinbar tatenlos überall herumzustehen pflegen, lief es ihm heiß und kalt zugleich über den Rücken. Um Himmels willen! In Berlin gab es immerhin mehrere Flugplätze. Sollte ausgerechnet seine Sondermaschine auf dem falschen gelandet sein? Irritiert schaute er in Richtung Flughafengebäude. Dann atme-
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te er erleichtert auf. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Dort stand in großen Lettern: Flughafen Berlin-Schönefeld. Während Sumambo und die ihn begleitenden Persönlichkeiten ein wenig ratlos herumstanden, näherte sich ihnen ein Autobus. Endlich wird alles gut, dachte Sumambo, der annahm, daß die Begrüßungsdelegation der Gastgeber aus ökonomischen Gründen geschlossen im Autobus anrückte. Schließlich hatten sich die gewaltigen Erfolge der DDR bei der Benzin- und Dieselkraftstoffeinspamng selbst bis ins ferne Sumambowo herumgesprochen . •• Zu seiner Uberraschung war der Autobus leer. Der Fahrer hielt jedoch und gab den hohen Gästen das Zeichen zum Einsteigen. Ob die Begrüßungsdelegation vielleicht aus gesundheitlichen Gründen nicht erschienen war? In jüngster Zeit grassierten in Europa immerhin einige Grippewellen. Auch nach der Paß- und Zollkontrolle, die ohne besondere Vorkommnisse verlief, wurde den Gästen kein gebührender Empfang zuteil. Verwirrt suchte Sumambo in der geräumigen Vorhalle des Flughafens die Information auf. Als er, unserer schönen deutschen Sprache leider nicht mächtig, endlich an der Reihe war, tippte er sich stolz an die Brust und sagte: »Sumambo.« Aus dem Gesichtsausdruck der Dame hinter dem Schalter schloß Sumambo, daß ihr sein Name offenbar nichts sagte. Deshalb wiederholte er, diesmal eine Verbeugung andeutend, seinen Namen und fügte, zuvor mühevoll einstudiert, bedeutungsvoll hinzu: »Berlin, Staatsrat!« Die junge Dame bestätigte ihm durch heftiges Kopfnicken, daß sich der Staatsrat in Berlin befand. Dann wandte sie sich gelangweilt dem nächsten Ausländer zu. Als Sumambo die Telefonzellen entdeckte, schöpfte er neue Hoffnung. An Telefonieren war aber nicht zu denken. Entwe-
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)) Wieder zwei von den Eingeborenen, die früher hier ihr Bier getrunken haben.<<
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der waren die Hörer zertrümme~ oder die Leitungen durchgeschnitten. Ansonsten war an den Telefonzellen alles in Ordnung. Erst mal runter vom Flugplatz, entschied Sumambo und begab sich zum Taxi-Stand, an dem rein zufällig ein Fahrzeug hielt. Sumambo öffnete die Tür des Wagens und sagte: »Staatsrat!« »Nee, nee, Mister, nix Staatsrat!« antwortete der Fahrer schlagfertig und schüttelte heftig den Kopf. >>Höchstens bis Weißensee. Wrr haben Feierabend, Mister! Verstehen? Holiday!« Ein Einheimischer, der den Dialog zufällig mitgehört hatte, tippte Sumambo freundlich auf die Schulter und sagte: »Du nach Staatsrat mit S-Bahn!« Mit dem Arm deutete er die Richtung des S-Bahnhofs an und ahmte dabei die Geräusche eines fahrenden Zuges täuschend ähnlich nach. Zehn Minuten später stand Sumambo bereits artig in der SchlanDas Wörtchen Etablissement erschreckte ge vor dem Fahrkartenschalter. Als er endlich an der Reihe war, hängte die junge Dame ein die ausländischen Gäste derartig, daß Schild ins Fenster und verschwand. sie fluchtartig das Lokal verließen. »Vorübergehend geschlossen«, stand auf dem Schild. Obwohl Sumambo damit wenig anzufangen wußte, tat er instinktiv genau das Richtige. Er achtete auf die anderen Leute und stürmte wie sie zu den Fahrkartenautomaten, um dort sein Glück zu versuchen. Es handelte sich um supermodeme Automaten. Der Geldeinwurf klappte vorzüglich. Nur der Fahrkartenauswurf wollte einfach nicht funktionieren. Sumambo probierte, bis er kein Kleingeld mehr hatte. Dann zog er einen größeren Schein aus der Brieftasche und wollte ihn am Zeitungskiosk wechseln. Doch der Kiosk hatte ebenfalls gerade geschlossen. Aus technischen Gründen, wie einem Zettel zu entnehmen war. Selbst auf die Gefahr hin, als Schwarzfahrer überführt zu werden, betraten Sumambo und die ihn begleitenden Persönlichkeiten ohne Fahrausweis den S-Bahnsteig. Ein freundlicher Reisender aus Sachsen erklärte ihnen mit Händen und Füßen den Weg. Der freundliche Reisende entpuppte sich jedoch bald als gewissenloser Lügner. In Schöneweide wurden sie nämlich bereits aus dem Zug gezerrt und genötigt, die Fahrt im Autobus fortzusetzen. Im ersten Moment fuhr Sumambo ein gehöriger Schreck in die Glieder. Er glaubte zunächst, das Opfer einer großangelegten Entührung seines Widersachers im fernen Sumambowo geworden zu sein. Aber die Mitreisenden beruhigten ihn schnell. Zwi-
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sehen Schöneweide und Alexanderplatz, klärten sie ihn auf, müsse man jederzeit mit Schienenersatzverkehr rechnen. Am Alexanderplatz hielt der Bus direkt vor dem Hotel »Stadt Berlin«. Ursprünglich wollte Sumambo den Mitreisenden sofort zum S-Bahnhof folgen. Doch vor dem Hotel roch es derart verführerisch nach Pommes frites und flambierten Steaks, daß er der Versuchung nicht wiederstehen konnte und sich spontan zur Einkehr entschloß. Beherzt betrat die ausländische Delegation das Restaurant und steuerte auf den einzigen freien Tisch zu. Doch der Ober war schneller. »Sie können wohl nicht lesen«, schleuderte er dem hohen Gast ins verdutzte Gesicht. »Auf dem Schild am Eingang steht doch ganz deutlich, daß Sie in unserem Etablissement plaziert werden. « Das Wörtchen »Etablissement« erschreckte die ausländischen Gäste derart, daß sie fluchtartig das Lokal verließen. Sie wollten schließlich nur etwas essen. Mehr nicht! Also verzichteten sie auf Pommes frites und flambierte Steaks und genehmigten sich am Kiosk neben der Hochgarage des Hotels ein Berliner Nationalgericht. Bockwurst mit Salat und Espressokaffee aus Pappbechern. Frisch gestärkt machten sie sich auf den Weg. Die Weiterfahrt mit der S-Bahn verlief reibungslos. Nicht einmal Pendelverkehr war angesagt. Vierzehn Uhr dreißig, eine halbe Stunde vor Beginn der offiziellen Gespräche, stand die Delegation aus Sumambowo müde, aber glücklich vor dem Staatsratsgebäude. Sumambo schritt auf den Haupteingang zu und versuchte, die Tür zu öffnen. Vergeblich. Die Tür war verschlossen. »Ruhetag« stand auf einem Schild. Sprechzeiten nur dienstags und freitags zwischen acht und zwölf und vierzehn bis neunzehn Uhr. Diplomatenpech! An diesem Tag war ausgerechnet Mittwoch. Was daraufhin geschah, werter Leser, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Oder, besser gesagt, ich habe noch nicht darüber nachgedacht. Wozu auch? Sie haben ja sicherlich ohnehin längst bemerkt, daß diese Geschichte von Anfang an erstunken und erlogen ist. Ein reines Phantasieprodukt sozusagen, von dem sich der Autor tunlichst distanzieren sollte. Schließlich weiß hierzulande jeder, daß so etwas bei uns nicht passieren kann. Jedenfalls bei keinem Staatsbesuch.
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Der Kabarettist kommt im Habitus eines Hausmeisters. Er trägt das übliche Honecker-Porträt und eine Leiter bei sich, um das Bild aufzuhängen: Ich kann gar nicht verstehen, daß Sie hier so ruhig sitzen können. Nun sagen Sie bloß, Sie haben es noch nicht bemerkt? So was sieht man doch auf den ersten Blick. Na, hier fehlt was. Schließlich sind wir ein öffentliches Haus. Ein Amtsgebäude sozusagen. Und da gibt es gewisse Normen. (Musik)
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Ich bin gewöhnt an dein Gesicht. / Mit dir beginnt für mich der Tag./ Bin an das Blau ja so gewöhnt,/ das jeden Raum verschönt./ Dein Hemd, dein Blick, dein Schlips, dein Schick./ Das ist mir alles so vertraut, / fast wie der Bart schon, den ich trag. /Als ich hereintrat, wußt' ich, etwas stimmt nicht,/ etwas fehlt hier noch. / Hoffentlich zieht sich nicht irgend jemand daran hoch. / Wrr sind dran, wie du schaust, gewöhnt, / wie du so bildhaft sprichst, / gewöhnt an dein Gesicht. (hängt Bild auf) (ruft in die Kulissen) Von wegen, nicht wie im richtigen Leben, machen wollen. Ha! (setzt sich auf die Leiter, schält einen Apfel o.ä.) Obwohl, ich frage mich manchmal, ob du eigentlich auch siehst, was da alles im richtigen Leben vorgeht? Ich meine, da müßte dir doch manchmal ganz schön die Scheibe beschlagen. Manchmal, könnte ich mir denken, müßtest du sogar aus dem Rahmen fallen.
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Wenn du in der Halle, die sich Einkaufshalle nennt / überm Tisch hängst und darunter hartes Brot. /Wenn vergeblich man stets nach Frischgemüse rennt, /doch in der Hauptstadt kloppen sie dich damit tot. / Was die Regierung will, ist ehrlich, / stabile Preise hat nicht jeder Staat. / Im Leben funktioniert's nur schwerlich,/ gibt's manches dann nur noch im »delikat«./ Und auf manchem Amt ist man viel zu früh ergraut. I Drückst du etwa dabei deine Augen zu? / Wenn ein Bürokrat mir die Menschenwürde klaut, /Und überm Bürokraten, da hängst du. / Oh, wie du da hangest! Wie unmöglich! / Wie tief deprimierend! (hat einen Einfall) Wie höchst erfreulich könnte das sein!
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Was hieltest du beispielsweise von dem Vorschlag? Dich aufzuhängen dürfte keine Vorschrift mehr sein. Nein, es müßte vielmehr eine Auszeichnung sein, dich hängen lassen können zu dürfen. Das klingt jetzt komplizierter, als es ist. Ich stelle mir das so vor: Dein Bild darf nur noch dort hängen, wo es besonders sozialistisch zugeht. Da könnte uns keiner mehr vormachen, daß er wunder was für den Sozialismus tut. Man würde sofort an der Wand erkennen, ob du gegenwärtig bist, oder nur noch verblaßte Konturen von dir übrig sind. Nur echt mit dem Erich! Und injedem Jahr könnten wir dann eine »ErichVerleihung« veranstalten. Das klingt dir jetzt zu kapitalistisch? Wenn's uns nutzt, muß dich das nicht weiter stören. Gorbatschow sagt auch, daß wir vom Kapitalismus einiges übernehmen könnten. Lenin hat das auch gesagt, wenn dir das vielleicht lieber ist. Stell dir mal vor, wenn du nur überall dort hängen würdest, wo wir Fortschritt erzielt haben ... Keine Protokollstrecke könnte dir mehr was vormachen. Aber so ... ... bist du ein Mann, der viel verzeiht. / Der geflissentlich, wissentlich / streng seinen Standpunkt vertritt und drauf beharrt. / Kurz: Ein Mann, der zu vieles verzeiht. Doch zögst dein Bild du dort zurück, / wo wir uns schaden heut' und hier / und wenn man noch rührend fleht, / draußen blaugefroren steht, /verschließ die Tür und sag nur, ich zitier: /»Kommunisten wollt ihr sein? Ha!« Doch sind wir so gewöhnt wenn's tagt, I man ja und Amen sagt, / mal dies, mal das, halt irgendwas, / das ist uns alles so vertraut, / daß man's mechanisch wiederkaut. / Was einmal Ideale waren, sind heut nur Schablonen noch. / Könnten's aber wieder werden, wenn wir wollten - doch / erst wenn wir uns mal abgewöhnt, / daß Mängel man verschönt. /Verschönt durch dein Gesicht. (in die Überlegung hinein, ob er das Bild wieder abnimmt, kommt der Black)
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1987 Unterhalten sich zwei Gefängnisinsassen. Fragt der eine: »Weshalb bist du hier?« »Ich bin Fahrradhändler und habe Erich Honecker den Rücktritt angeboten. Und was hast du angestellt?« »Ich habe Erich Honecker durch ein Fernrohr beobachtet.« »Da ist doch aber nichts schlimmes dabei!« Sagt der andere: »Ja, schon, aber bei mir hing da noch ein Gewehr unten dran.«
Markus Wolf
4. Januar
Auf dem Deutschlandtreffen der CDU in Dortmund bezeichnet Bundeskanzler Helmut Kohl die DDR als >>Regime, das politische Gefangene in Gefängnissen und Konzentrationslagern hält<<. Der Ständige Vertreter der DDR in Bonn legt offiziellen Protest ein.
9. Januar
Zu Beginn des Jubiläumsjahres zum 750jährigen Bestehen der Stadt Berlin wird das Bode-Museum in Ost-Berlin nach gründlicher Renovierung wiedereröffnet.
13. Januar
Temperaturen um minus 20 Grad. Die Braunkohleförderung ist eingefroren. Folgen: Einbrüche in der Strom- und Wärmeversorgung. Auch bleiben zahlreiche Haushalte nach Rohrbrüchen ohne Trinkwasser.
18. Januar
Die Verantwortlichen der Sendeanstalten ARD und ZDF schließen mit Vertretern des Fernsehens der DDR Produktions- und Kooperationsvereinbarungen ab.
24. Januar
Erstaufführung von Sartres >>Die Fliegen<< in den Kammerspielen des Deutschen Theaters, Regie: Friedo Solter.
31. Januar - 1. Februar Zum sechsten Mal wird Karin Kania in St. Foy (Kanada) Weltmeisterin im Eisschnellauf (Sprint-Vierkampf). 3.-8. Februar
Zum fünften Mal in Folge wird Katarina Witt in Sarajewo Europameisterin im Eiskunstlauf.
6. Februar
Generaloberst Markus Wolf tritt auf eigenen Wunsch aus dem Dienst des Ministeriums für Staatssicherheit aus; für seine Verdienste wird ihm der Karl-Marx-Orden verliehen.
7. Februar
DEFA-Kinderfilmpremiere >>Das Schulgespenst<<.
1. März
Der Ständige Vertreter der DDR in Bonn, Ewald Moldt, übermittelt Bundeskanzler Kohl die Botschaft von Erich Honekker, Ost-Berlin und Bonn sollten ein gesondertes Abkommen über Mittelstreckenraketen abschließen.
2. März
Im Ost-Berliner Friedrichstadtpalast gastiert der Schlagersänger Udo Jürgens an drei Abenden hintereinander.
7. März
Erstaufführung von Becketts >>Warten auf Godot<< in Dresden, Regie: Wolfgang Engel.
9.-15. März
Katarina Witt wird in Cincinnati zum dritten Mal Weltmeisterin im Eiskunstlauf.
21. März
DEFA-Filmpremiere >>Johann Strauß - der ungekrönte König<< (Co-Produktion DDR/Österreich).
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Zeittafel 1987 23. März
In Magdeburg wird aus der Technischen Hochschule die >>Technische Universität Otto von Guericke<<.
25. März
Erstmals reisen Offiziere der Bundeswehr als Manöverbeobachter in die DDR.
In einer Sitzungspause des Zentralkomitees der SED sitzt Günter Mittag über einem Stapel Papieren, schüttelt den Kopf und mur., melt vor sich hin: »Icp versteh den Plan nicht.« Erich,Honecker .... geht auf ihn zu und fragt: »Was ist los, Günter, was plagt dich?« -· Mittag: »Ich versteh den Plan nicht. « Honecker: »Kein Problem, den kann ich dir erklären.« Mittag: »Unfug, Erich, erklären kann~•- ich ihn selber, aber ich versteh den Plan nicht. « i' 23. April
DEFA-Filmpremiere >> Käthe Kollwitz - Bilder eines Lebens<<.
1. Mai
Das Kindergeld wird erhöht: Nun gibt es für das erste Kind 50 Mark, fürs zweite 100 Mark (bisher je 20) und für alle weiteren je 150 Mark (bisher 50-70 Mark).
8.-23. Mai
Die 40. Friedensfahrt gewinnen Uwe Ampler und die DDRMannschaft (Ampler, Heppner, Kummer, Raab, Ludwig, Barth).
14. Mai
DEFA-Filmpremiere >>Wengler & Söhne - Eine Legende<<.
14. Mai
Das neuerbaute Nikolaiviertel mit der restaurierten Nikolaikirche wird vom Berliner Oberbürgermeister Erhard Krack eröffnet.
29. Mai
An der Volksbühne werden unter dem Titel >>Spektakel Berliner Geschichten en Suite<< neun Stücke unterschiedlicher Genres auf sieben Bühnen des Hauses an einem Abend aufgeführt.
12. Juni
Der US-Präsident Ronald Reagan reist zur 750-Jahr-Feier nach West-Berlin. In seiner öffentlichen Rede vor dem Brandenburger Tor fordert er den sowjetischen Parteichef Gorbatschow auf, die Mauer niederzureißen und schlägt vor, Olympische Spiele in beiden Teilen der Stadt abzuhalten.
Wie kann man die Himmelsrichtung bestimmen? Man legt eine Banane auf die Mauer. Wo sie abgebissen wird, . ist Osten . .· 18. Juni
Heike Drechsler wird als weltbeste Athletin 1986 mit der Trophäe des Weltverbandes der Sportjournalisten ausgezeichnet.
26. Juni
Erich Honecker schenkt Udo Lindenberg eine Schalmei als Dankeschön für die von Udo überreichte Lederjacke. - Die Jacke wird im August zugunsten der Dritten-Welt-Hilfe für 7500 Mark von der FDJ-Betriebsorganisation des VEB Jugendmode Rostock ersteigert.
Zwei Volkspolizisten haten sich ffu'. eine höhere Laufbahn beworben. Dazu müssen,, sie allerdings eine·mündliclie Prüfung bestehen. Nun sitzen sie zitternd voF,dem Prüf11ngs- · raum. Der erste wird hereingerufen. Ein paar Minuten später kommt er wieder heraus und sagt: »Es gab nur eine einzige Frage: Wie heißt unserer Staatsra'.tsvorsitzender? « Darauf sagt der andere Voli}spolizist: »O je, und so was schweres wußtest du?« »Klar, der heißt Ho.necker. « - »Wie war ' „'·'",, . ' ,. das?« - »HON ~- EC KER! « buchstabiert der erste. »Momentchen, das schreibe ich mir unter meinen Schuh!« sagt der andere und kritzelt »Honecker« ·atif die Schuhsohle. Kurze Zeit später, in der '•
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tatsachlich diese Frage gestellt. Versteckt schaut er auf seine Schuhsohle u~d ' alltwortet stolz: »Salamander!«
Zeittafel 1987
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2. Juli ·o
Kohl brüstet sich während Honeckers Besuch 1987 in Bonn damit, daß er,?< nur kluge Leute.~t1m" sich habe. Hone~ a glaubt ihm nioht t Um seine Aussagt~= ,;: zu beweisen, fragt·. ~-~ Kohl bei Tisch Gen„scher: »Es ist nicht~ mein Bruder und auch nicht meine Schwester, aber trotzdem das Kind meiner Eltern. WeLe "' · ist das?« Genscll:e · ·. -
17. Juli
Was hat 100 Zähne und 4 Beine? Ein Krokodil. Was hat 100 Beine und 4 Zähne? Das Politbüro.
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10.-12. Juli
30. Juli
Der rekonstruierte Französische Dom in Berlin wird wiedereröffnet. Er beherbergt das Hugenottenmuseum und Archiv und Bibliothek der Französisch-Reformierten Gemeinde. 1. August Unter den Linden öffnet das Grand-Hotel mit 350 Zimmern, Appartements und Suiten. Es soll vor allem zahlungskräftige Westgäste anlocken. Drei der vierzehn gastronomischen Einrichtungen stehen auch DDR-Bürgern offen. >>Fußballer des Jahres<< wird erneut Rene Müller. 3. August 27. August SED und SPD veröffentlichen ein gemeinsames Papier: >>Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit<<. Das Papier arbeitet die ideologischen Gegensätze zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten heraus und entwirft ein Konzept für eine langfristige Zusammenarbeit. 2.-4. September Der >>Olof-Palme-Friedensmarsch<< wird zwischen dem KZ Ravensbrück zum KZ Sachsenhausen begangen. 5./6. September Etwa 1000 Mitglieder unabhängiger Friedensgruppen protestieren gegen die atomare Rüstung in Ost und West und ziehen von der Zionskirche zur Gethsemanekirche.
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Das imponiert Ho- : •. necker. Wieder zu- - · rückgekehrt ver- · sucht er den gleichen Test mit W'Illi · Stoph: »Es ist nicht~ mein Bruder und . nicht meine Schwe-: · ster, aber trotzdeiw das Kind meine1 ~ ~- . . tern. Wer ist aa.;.~ :;<· .. Stoph denkt eine ~~: .·. Weile angestrengt .. nach und schlägt · ·~ dann vor, Mielke · diese Frage zu steI.: . len. Mielke wird hinzugerufen. Er übet-~ legt lange, dann_ efc.:·· hellt sich seine · , .·"" · . Miene: }~Das bis1i6: ..· · _·1 <
Zwei Volkspolizisten stehen am Flughafen und beobachten die anund abfliegenden Maschinen. Sagt der eine zum andern: »Nun sag mir doch mal, wie die Terroristen es immer wieder schaffen, solche riesengroßen Flugzeuge zu klauen.« »Ü Mann, bist du dumm«, sagt der andere, »die werden doch nicht hier auf dem Boden geklaut, wo sie so groß sind, sondern oben in der Luft, und da sind sie klitzeklein! «
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Erich!«
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DEFA-Filmpremiere >>Die Alleinseglerin<<, mit Christina Powileit, Manfred Gorr und Fred Delmare. Erster Katholikentag in der Geschichte der DDR. Aus Anlaß des 38. Jahrestages ihrer Gründung beschließt die DDR-Regierung die Abschaffung der Todesstrafe.
7.-11. September Erich Honecker besucht die Bundesrepublik und trifft Bundeskanzler Kohl. Es werden Abkommen zum Umwelt- und Strahlenschutz sowie über die Zusammenarbeit in Wissenschaft und Technik vereinbart. 15. September Eröffnung des Schinkel-Museums in der rekonstruierten Friedrichwerderschen Kirche in Berlin. 3. Oktober Im Albertinum auf der Brühlschen Terrasse in Dresden öffnet die X. Kunstausstellung der DDR (bis 3. April '88). Sie zieht 1, 1 Mio Besucher an .
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»Unsinn«, sagt ·ifi.• necker, »das ist nä·. ' türlich Kohl!« . •
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Zeittafel 1987 13./15. Oktober Die Staatschefs der RGW-Länder werden zu einer Sitzung nach Moskau berufen, um über notwendige Wirtschaftsreformen zu beraten. 16. Oktober
Werner Tübke signiert sein Panoramagemälde >>Frühbürgerliche Revolution in Deutschland<< im Bauernkriegsdenkmal auf dem Schlachtberg bei Bad Frankenhausen.
30. Oktober
Die Bundesrepublik und die DDR tauschen mehr als 400 Kunstwerke aus, die während des Zweiten Weltkriegs aus ihren Heimatmuseen ausgelagert worden waren.
1. November
DDR läßt ab sofort die Einfuhr und den Versand von Fachzeitschriften, Kalendern, Briefmarken, Schallplatten und Arzneimitteln aus der BRD zu.
10./11. November Der US-Vizeaußenminister besucht Berlin und spricht mit Erich Honecker über eine Intensivierung der Beziehungen. 24.-26. November Der X. Schriftstellerkongreß tagt in Berlin. 25. November
Bei einer Durchsuchung der Umweltbibliothek der evangelischen Zionsgemeinde in Ost-Berlin nehmen DDR-Sicherheitsorgane mehrere Mitglieder von Friedens- und Umweltgruppen fest.
Welches ist die größte Kirche der Welt? Die Zionskirche in Berlin. Du gehst zur Tür rein und kommst in Gießen wieder raus. 3. Dezember
Der Film >>Die Russen kommen<< von Heiner Carow hat Premiere. Er entstand bereits 1968.
5.-6. Dezember Drei Weltrekorde im Eisschnellauf in Calgary (Kanada): Christa Rothenburger über 500 m, Karin Kania über 1 000 m und Gabi Zange-Schönbrunn über 3 000 m. 1987 verlassen 18 958 DDR-Bürger das Land.
Klaus Feldmann
Oberliga-Plazierung 1987
1. Berliner FC Dynamo 2. SG Dynamo Dres-
den 3. 1. FC Lokomotive Leipzig 4. Wismut Aue 5. 1. FC Magdeburg 6. FC Carl Zeiss Jena 7. FC Rot-Weiß Erfurt 8. FC Karl-Marx-Stadt 9. Stahl Brandenburg 10. FC Vorwärts FrankfurtJO. 11. 1. FC Union Berlin 12. Stahl Riesa 13. Energie Cottbus 14. Fortschritt Bischofswerda
Sportler des Jahres:
Fernsehlieblinge:
neue Bücher:
große Hits:
Silke Möller-Gladisch (Leichtathletik)
Helga Hahnemann
Sigrid Damm >>Cornelia Goethe<<
>>Casablanca<< City
Torsten Voss (Zehnkämpfer) Volleyball-Nationalmannschaft der Frauen
Erika Krause Klaus Feldmann Helga Piur Petra Kusch-Lück Ellentie
Torschützenkönig der Oberliga: Frank Pastor vom BFC Dynamo mit 17 Treffern
Heinz Florian Oertel Hans-Joachim Wolfram
Erwin Strittmatter >>Der Laden 2<<
>>Als ich fortging<< Karussell >>Doris<< Pankow
Alfred Wellm >> Morisco<<
>>Ich bin frei<< Stern Meißen
Christa Wolf >>Störfall. Nachrichten ' eines Tages<<
>>Halt mich fest<< Prinzip
Daniela Dahn >> Prenzlauer Berg-Tour<<
>>Die Fans sind eine Macht<< Frank Schöbe!
Zeittafel t988
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1988 7.-9. Januar
Erstmals wird Erich Honecker von einem Staatspräsidenten der drei Westalliierten, vom Franzosen Fran~ois Mitterrand, zum Staatsbesuch empfangen.
12. -17. Januar Katarina Witt wird in Prag erneut Europameisterin im Eiskunstlauf. 17. Januar
Am Rande der traditionellen Demonstration zum Jahrestag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verhaftet der DDR-Staatssicherheitsdienst rund 120 Demonstranten; in der Folge kommt es zu Verurteilungen und Ausweisungen aus der DDR.
23.-24. Januar In Oberhof finden die ersten Hundeschlittenrennen in der DDR vor 18 000 Zuschauern statt. 28. Januar
DEFA-Filmpremiere >>Einer trage des anderen Last<<, Regie: Lothar Warnecke. - Ein Volkspolizist und ein evangelischer Vikar teilen sich Anfang der 50er in einer Lungenheilanstalt gemeinsam ein Zimmer.
2. Februar
In einem internen Bericht des Staatssicherheitsdienstes wird die Zahl der rechtsradikalen Skinheads in der DDR mit rund 800 beziffert.
12. Februar
Der Regierende Bürgermeister von Westberlin, Eberhard Diepgen, zu Besuch bei Erich Honecker.
Rosa Luexemburg
-
Ein Kunde verlangt im Buchladen »Aus meinem Leben« von Erich Honecker. >>Bedaure«, sagt die Verkäuferin, »ist niclit vorrätig. Aber ich kann Ihil.~n dieses hier empfehlen: >Aus dem Leben eines Taugenichts~_.<( Karl Liebknecht
25. Februar
In Bischofswerda und Waren an der Müritz beginnt der Abzug sowjetischer Mittelstreckenraketen aus der DDR.
27. Februar
Bei den XV. Olympischen Winterspielen in Calgary erringen DDR-Sportler neun Gold-, zehn Silber- und sieben Bronzemedaillen. Katarina Witt wird zum zweiten Mal Olympiasiegerin im Eiskunstlauf.
1. März
Westberliner dürfen ab sofort bei Tageseinreisen in die DDR dort auch übernachten.
3. März
Gespräch Honeckers mit Landesbischof Werner Leich über das Verhältnis Staat und Kirche~
14. März
Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche mit anschließendem Schweigemarsch von etwa 300 Menschen zur Thomaskirche.
20.-27. März
Nationales Popfestival in Karl-Marx-Stadt.
26. März
Katarina Witt wird zum vierten Mal Weltmeisterin und beginnt als erste DDR-Sportlerin eine Profikarriere.
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Zeittafel 1988 27. März
Aus dem Haus der Kultur in Gera wird eine Gala zur Kür der Fernsehlieblinge 1987 live übertragen.
30. März
Erstaufführung von Volker Brauns >>Die Übergangsgesellschaft<< am Maxim Gorki Theater, Regie: Thomas Langhoff.
31. März
West-Berlin und die DDR vereinbaren den bisher umfangreichsten Gebietsaustausch. Von der Vereinbarung ist unter anderem das sogenannte Lenne-Dreieck betroffen, ein rund 4 ha großes Grundstück in Berlin-Mitte, das auf der westlichen Seite der Mauer liegt, obwohl es bislang zu Ost-Berlin gehörte.
1.-6. Mai
Hermann Axen wird vom amerikanischen Außenminister empfangen, wobei auch ein Besuch Honeckers in den USA erörtert wird.
12. Mai
DEFA-Filmpremiere >>Jadup und Boel<< mit Kurt Böwe, Regie: Rainer Simon, bereits 1981 entstanden.
23. Mai
Ulf Timmermann stellt in Chania (Griechenland) einen neuen Weltrekord im Kugelstoßen auf und stößt als erster über 23 m.
1. Juni
85 000 Fans beim Joe (ocker-Konzert in Berlin-Weißensee.
Wirtschaftsminister Günter Mittag lernt jetzt Spanisch. Wieso?
Er ist mit seinem Latein am Ende.
29. Mai-2. Juni Reagan und Gorbatschow kommen zu ihrem 4. Gipfel in Moskau zusammen. Der >>offene Dialog<< in Abrüstungsfragen wird ohne konkrete Ergebnisse fortgesetzt. 19. Juni
Michael Jackson gibt vor dem Reichstagsgebäude in WestBerlin ein Konzert. Im Ostteil der Stadt versammeln sich einige Jugendliche in der Nähe der Mauer, um akustisch an dem Spektakel teilzunehmen. Dabei kommt es zu Auseinandersetzungen mit der Volkspolizei.
5.-7. Juli
Bei einer RGW-Tagung in Prag sprechen sich die DDR und Rumänien gegen Reformen des sozialistischen Wirtschaftsbündnisses aus.
11.-13. Juli
Treffen von BRD-Umweltminister Klaus Töpfer mit Minister Hans Reichelt über Zusammenarbeit im Umweltschutz.
20. Juli
Bruce Springsteen tritt vor 160 000 Fans in Berlin-Weißensee auf.
8. August
Andreas Thom wird zum >>Fußballer des Jahres<< gewählt.
27. August
Der frühere Skispringer und jetzige Sportarzt Hans-Georg Aschenbach kehrt von einer Sportveranstaltung im Schwarzwald nicht in die DDR zurück.
1. September
In West-Berlin werden die 38. Berliner Festwochen eröffnet ..An den Veranstaltungen nehmen erstmals auch Künstler aus der DDR teil.
Hermann Axen
Hans Reichelt
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Zeittaf el 1988 9. September
Petra Felke stellt in Potsdam einen ewigen Weltrekord im Speerwerfen auf, sie wirft als erste Frau der Welt 80 m.
12. September Das Forschungszentrum Mikroelektronik Dresden überreicht Erich Honecker den ersten Megabit-Chip made in GDR.
14. September Die jährliche Transitpauschale der Bundesrepublik an die DDR wird für die Jahre 1990 bis 1999 festgelegt. Sie soll von 525 Millionen Mark auf 860 Millionen Mark jährlich steigen . 16. September Ernennung von Eiskunstläuferin Katarina Witt zur Sonderbotschafterin der UNICEF in New York. 17. September-2. Oktober Bei der XXIV. Olympiade in Seoul erringen 138 DDR-Sportler 37 Gold-, 35 Silber- und 30 Bronzemedaillen. Kristin Otto wird Olympiasiegerin im Schwimmen über 50 m und 100 m Freistil, 100 m Schmetterling und 100 m Lagen. 25. September DEFA-Märchenfilmpremiere >>Der Eisenhans<<. 27.-29. September Arbeitsbesuch Honeckers bei Gorbatschow in Moskau: Honecker sichert >>einmütige Unterstützung für den Kurs der Erneuerung in der sowjetischen Gesellschaft<< zu und sieht die Reformen auf die UdSSR beschränkt. 12. Oktober
Die Serienfertigung der Limousine Wartburg 1.3 in Eisenach mit VW-Motor beginnt.
12. Oktober
In Berlin-Hohenschönhausen übergibt Erich Honecker die dreimillionste Neubauwohnung, die seit dem Parteitagsbeschluß 1971 errichtet wurde.
Frank Gastorf
16.-18. Oktober Der Vorsitzende des Jüdischen Weltkongresses, Edgar Bronfman, besucht die DDR. Er gibt bekannt, daß sich die DDR zu einer >>symbolischen Entschädigungszahlung<< für die noch lebenden Opfer des NS-Regimes bereiterklärt hat.
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Tamara Danz
19. Oktober
Kristin Otto erhält für ihre Leistungen im Schwimmen die goldene Krone des IOC, eine erstmalig vergebene Auszeichnung.
21. Oktober
>>Flüstern und Schreien<<, ein Dokumentarfilm über die Musikszene der DDR, mit Tamara Danz. Erstmals werden auch Independent-Gruppen vorgestellt.
10. November Grundsteinlegung durch Erich Honecker für den Wiederaufbau der kriegszerstörten Synagoge in der Berliner Oranienburger Straße.
Zeittafel 1988
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17 ./18. November Erich Honecker verleiht Nicolae Ceausescu bei dessen Besuch in Berlin den Karl-Marx-Orden. 18. November Die deutsche Ausgabe des sowjetischen Readers Digest, >>Sputnik<<, wird wegen >>Verzerrung der Geschichte<< von der Liste des Postzeitungsvertriebs gestrichen. 28. November Beschluß einer Rentenreform und Erhöhung der Mindestrenten zwischen 30 bis 100 Mark. 2. Dezember Der XII. Parteitag der SED wird für Mai 1990 (statt wiegeplant 1991) einberufen 7. Dezember Michail Gorbatschow kündigt vor der UN-Generalversammlung einseitige Abrüstungsschritte an.
Der liebe Gott ruft Reagan, Gorbatschow und Honecker zu sich und eröffnet ihnen, daß in 7 Tagen die Welt untergeht. Reagan kehrt nach Washington zurück ll:lld hält eine Ansprache an die Na. tion: »Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Ich habe mit Gott gesprochen. Die schlechte: In sieben Tagen geht die Welt unter.« Gorbatschow kehrt nach Moskau zurück und beruft den Obersten Sowjet ein: »Ich habe zwei schlechte Nachrichten. Erstens, diesen gewissen Gott gibt es wirklich. Zweitens, in sieben Tagen geht die Welt unter.« Erich ruft den Ministerrat zu. sammen und erklärt: »Genossen, ich habe zwei gute Nachrichten · für euch. Gott hat die DDR anerkannt. Und in sieben Tagen hat der Spuk von Glasnost und Perestroika ein Ende. .
14. Dezember
Neue Verordnung über das Reisen ins Ausland.
14. Dezember
Volkskammerbeschluß über die Errichtung von Verwaltungsgerichten auf kommunaler Ebene.
17. Dezember
Frank Castorf bringt am Deutschen Theater die Erstaufführung von Michail Bulgakows >>Paris, Paris<< heraus.
1988 verlassen 39 832 DDR-Bürger das Land.
Wolfgang Lippert
Oberliga-Plazierung 1980 1. Berliner FC Dynamo 2. 1. FC Lokomotive Leipzig 3. SG Dynamo Dresden 4. Stahl Brandenburg 5. Hallescher FC Che• m1e 6. FC Carl Zeiss Jena 7. 1. FC Magdeburg 8. FC Karl-Marx-Stadt 9. FC Hansa Rostock 10. Wismut Aue 11. 1. FC Union Berlin 12. FC Rot-Weiß Erfurt 13. FC Vorwärts Frankfurt/O. 14. Stahl Riesa
Sportler des Jahres:
Fernsehlieblinge:
neue Bücher:
große Hits:
Kristin Otto (Schwimmen)
Uta Schorn
John Erpenbeck >>Gruppentherapie<<
>>Ich liebe dich<< Rockhaus
Brigitte Struzyk >>Carotine unterm Freiheitsbaum<<
>>Die Welt<< Stern Meißen
Joachim Walther >>Heldenleben<<
>>Kleine Frauen<< Karussell
Helga Schubert >>Über Gefühle reden?<<
>>Auf und ab<< Babylon
Olaf Ludwig (Radsportler) Straßenradvierer von Seoul
Torschützenkönig der Oberliga: Andreas Thom vom BFC Dynamo mit 20 Treffern
Klaus Feldmann Ellen Tiedtke Erika Krause Heinz Florian Oertel Carmen Nebel Wolfgang Lippert Gunther Emmerlich
>>Wand an Wand<< City
>>Wir wolln immer artig sein<< Feeling B
Rechte
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Nachweise Die Karikaturen stammen von Peter Bauer: 110 Heinz Behling: 20, 77, 111 o., 115 Manfred Bofinger: 8, 44-56, 90 o. Henry Büttner: 17, 75 o., 75 m. Peter Dittrich: 32, 33, 61 o. r., 67 Barbara Henniger: 19, 53 o., 64, 87, 99 o., 104 Heinz Jankofsky: 74, 92, 99 u., 101 Harald Kretzschmar: 113, 120, 123, 124, 125, 126, 127 Cleo Petra Kurze: 75 u. Harri Parschau: 11, 13, 59, 61 o./u., 63, 70, 72, 83, 90 l.u., 91, 103 Louis Rauwolf: 25, 27, 29, 31 o./u., 60, 73, 78, 97 Horst Schrade: 81, 88, 89 Karl Schrader: 41, 53 u., 106 Wolfgang Schubert; 90 r. u. Reiner Schwalme: 35, 111 u. Für die freundliche Genehmigung zum Abdruck danken wir den Autoren, Zeichnern und Erben. Nicht in allen Fällen ist es uns gelungen, Rechteinhaber und Rechtsnachfolger zu ermitteln. Berechtigte Honoraransprüche bleiben gewahrt.
Impressum Besuchen Sie uns im Internet: www.sammelwerke.de
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• Genehmigte Lizenzausgabe für Sammler-Editionen in der Verlagsgruppe Weltbild, Steinerne Furt, D-86167 Augsburg Copyright © Eulenspiegel · Das Neue Berlin Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Berlin Umschlaggestaltung: Peperoni Werbeagentur GmbH, Berlin Umschlagmotiv: Jens Rötzsch/Ostkreuz Druck und Bindung: Offizin Andersen Nexö Leipzig GmbH, Zwenkau Printed in the EU
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