Die Jahre 1979-1980: Erich währt am längsten
Stor1ts ll41tdo1t dos 1J1JR-H14HtOtS 1979-1980
Erich währt am längsten
Weltbild
4
3Hfta/!t Klaus Möckel: Am längsten währt der Humor 1. Kapitel: Erich währt am längsten Inge Ristock Auf die Argumente kommt es an Peter Ensikat Schild und Bürger Ernst Röhl Das Ohr an der Masse Klaus Lettke Mistverständnis C. U. Wiesner Der arme Mann zu Trockenburg Jochen Petersdorf Blühmke paßt nicht rein 2. Kapitel: Alles zum Wohle des Volkes Humorvolles aus dem Alltag
7 9 10 13 16 18 19 21
23
Jochen Petersdorf Der Unfall Ernst Röhl Muttasprache - Muttalaut Angela Gentzmer Die Fahrschule Johannes Conrad Ein Prachtweib! C. U. Wiesner Frisör Kleinekorte als Privatdetektiv Klaus Möckel Tischlein deck dich!
40
3. Kapitel: Lernen, lernen, nochmals lernen Als wir Schüler und Pioniere waren
43
Peter Ensikat Väterliche Ansprache
24 26 27 32 36
44
Inhalt
Peter Ensikat Eins, zwei, drei ... Ernst Röhl Non vita, sed cola Ottokar Domma Mit Geduld dauert alles etwas länger Jochen Petersdorf Gaudeamus igitur Jochen Petersdorf Der Rüde mit dem Steinbruch 4. Kapitel: Was des Volkes Hände schaffen Wir Werktätigen in Stadt und Land
Peter Ensikat Die fünf Brüder Hanskarl Hoerning Umlagerung Jochen Petersdorf Arbeitszeitgenössisches Edgar Külow Die Brigade Klaus Lettke Triumph der Technik Ernst Röhl Lokaltermin 5. Kapitel: Heißer Sommer Von Ostseestrand, Datsche und Jugendclubs ...
Lothar Kusche Erholung auf eigene Gefahr Alfred Schiffers Stranderlebnis Ernst Röhl Heißer Sommer Heli Busse Die Nacht im Kloster
5
46 47
so 53 54
57 58 62 64 66 68 69
71
72
76 78 79
Inhalt
6
6. Kapitel: Höher, schneller, weiter! Sportlich sportlich
Ulrich Speitel Der Kampf um den Abstieg Hell Busse Lallmann ist geschieden Wolfgang Schrader Wenn der Betrieb läuft 7. Kapitel: Unter vier Augen Über Verliebte und Verheiratete
Renate Holland-Moritz Der große Auftritt Irmgard Abe Ehrensache John Stave Sprechen mit Waldemar Ernst Röhl Verständigungsschwierigkeiten Klaus Möckel Der Froschkönig 8. Kapitel: Wo wir sind, ist vorn! Es geht seinen sozialistischen Gang
John Stave Der doppelt glückliche Reporter Irmgard Abe Ein Topfkuchen ist schneller gebacken als ein neuer Mensch Peter Ensikat Am Busen der Kultur
83 84 89 91
93 94 97 102 105 106
109 110
114 118
Zeittafel
120
Rechtliches
128
Pfeffer in die Suppe streuen
Nicht lange ist's her, daß ich nach durchlittener Operation in einer Berliner Klinik auf Genesung hoffte. Doch Nacht für Nacht wurden wir Patienten von den kläglich hallenden Rufen eines verwirrten Kranken aus dem Schlaf geschreckt: „Mei Erich, ach, mei Erich!« - War damit der uns allen unvergessene Erbauer des DDR-Sozialismus gemeint? Nichts ist verbürgt, aber jene Heilstätte, bis 1990 Mitgliedern der staatlichen Führung vorbehalten, verfügte u. a. über ein Zimmer mit Blick auf den Park, in das bei Krankheit der gebürtige Saarländer einkehrte. Deshalb ist mit einem gewissen Recht zu vermuten, daß Erich noch immer währt. Zumindest in manchen Köpfen. Zwar ist er nicht mehr so berühmt wie der Fußballtrainer Hans Meyer, aber welcher Politiker kann sich schon mit dem messen? 1979/80 war von Gorbatschow noch nicht die Rede, doch Gefahren drohten der DDR bekanntlich von allen Seiten. Besonders von Bücherschreibern, weshalb damals einige, die der vorgegebenen Linie nicht folgen wollten, aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen wurden. Man feierte aber auch den 30. Jahrestag der Republik, eine überaus ernste Angelegenheit. Gab es da überhaupt noch etwas zu lachen? Oder satirisch bloßzustellen - außer dem Klassenfeind? Es gab durchaus! Allerdings mußte sich, wer solches vorhatte, auf leisen Sohlen anschleichen, den geweihten Tempel durch die Hintertür betreten, den Pfeffer mit geschickter Hand in die Suppe streuen. Der Leser hat die Methode in den bisherigen Bänden dieser Reihe kennengelernt und wird sie hier wiederfinden. Denn ganz ehrlich -wie heilig die Prinzipien auch sind, wie unerschrokken man auch an ihnen festhält, länger als jeder Erich währt der Humor! Klaus Möckel
7
8
Erich währt am längsten
10
lnge Ristock
Altl dia Atf114HtOHta /fOHtHtt OS aH A liest Zeitung auf einer Parkbank, B frühstückt. B: Kumpel, wenn meine Fuffzehn rum ist, mußt du die Bank aber räumen. Ich muß sie nämlich streichen. - Was gibt's denn Neues in der Zeitung? A: Hier lese ich grade, daß unser Lebensstandard noch mehr erhöht werden soll. B: Meiner ist hoch genug. A: Was bist'n? B: Maler. Und dein Lebensstandard? Steigt der nicht auch ständig? A: Ja, ja, so im allgemeinen - weil's ja gesetzmäßig ist, aber wenn ich dann nach konkreten Beispielen suche .. . A: Nein, aber dann hab ich auch keine Tapete. B: Nimm mal konkret und beispielsweise meine Frau, die ist Verkäuferin in einem Tapetenladen. Vor zehn Jahren mußte sie noch spritzen, wenn ein Kunde in den Laden kam. Vor fünf Jahren war das bereits umgekehrt. Nun spritzte der Kunde der Verkäuferin hinterher. Und heute muß man ihr einen Zehner rüberschieben, damit sie dem Kunden überhaupt 'ne Tapete zeigt. Sie hat also weniger Rennerei und eine zusätzliche, unversteuerte Einnahmequelle, wodurch ihr Lebensstandard gestiegen ist .. . A: Und ihr von Moped auf Wartburg umgestiegen seid. B: De Luxe. A: Wenn ich nun aber keine Verkäuferin, sondern Kunde bin, der Tapeten sucht? B: Für die Tapeten-Kunden ist der Lebensstandard erst recht gestiegen. A: Wieso? B: Sieh mal, zum Lebensstandard gehört doch nicht nur das Materielle, sondern auch das Geistige, zum Beispiel die Lebensfreude. Freust du dich, wenn du in ein Geschäft gehst und dort ein Pfund Mehl, Zucker oder Salz kriegst? A: Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.
~~~~~~~~~~~~~
»Was die Menschen nur haben! Wzr wohnen schon seit tausend fahren so."
Erich währt am längsten
B: Siehste, es berührt dich gar nicht. Freust du dich aber, wenn du Tapeten kriegst? A: Na und ob! B: Bitte, und Freude erhöht den Lebensstandard. A: Aha. Aber ich hab doch die Freude erst, wenn ich den Zehner rüberreiche. B: Na klar, für nichts ist nichts. Deshalb haben wir ja auch noch keinen Kommunismus, sondern nur Sozialismus. A: Ja, ja. Wenn ich nun den Zehner nicht geben kann, weil ich ihn nicht habe? B: Dann haste deine Moral gestärkt, und es ist ein ungeheuer erhebendes Gefühl, wenn du dir sagen kannst: Ich bin kein Schweinehund. - Dich zwingt ja keiner zu schmieren. A: Nein, aber dann hab ich auch keine Tapete. B: Na und? Nimmste Latex. A: Hast recht. Nehm ich Latex. Und hab 'nen Zehner gespart, was meinen Lebensstandard erhöht. B: Genau. Jetzt haste den Dreh raus. A: Jetzt kann ich endlich das Konkrete vom Allgemeinen unterscheiden. Sag mal, du bist doch Maler ... B: Ja. A: Dann ist doch dein Lebensstandard gesunken. B: Wieso? A: Wenn die Tapeten knapp sind, hast du weniger zu tun, und du verdienst weniger. B: Mann, Junge, ein einzelner Maler kann doch nicht die Gesetzmäßigkeit des Sozialismus umstoßen. Mein Lebensstandard ist natürlich auch gestiegen. A: Verstehe ich nicht. B: Paß auf: Wenn ein Kunde kommt und sagt: »Meister, wenn Sie freundlichst meine Wohnung machen täten, was soll ich denn da an Material besorgen?« Dann gucke ich ihn tiefsinnig an und frage: »Bilden Sie sich ein, daß Sie irgendwo Tapete auftreiben?« Und dann überlasse ich ihn drei Tage seinem Trübsinn. A: Warum denn? Du hast doch deine Tapetenfrau. Die könnte doch ... B: Das ist doch Psychologie, verstehste? Wenn du den Tapetenkummer gleich stillst, sagen die meisten nicht mal »danke«. Wenn du aber erst nach drei Tagen kommst und sagst: »Also wissen Sie, als Mensch und Maler konnte ich Sie nicht tatenlos dieser Wohnung überlassen, ich habe mich hinter meinen Wartburg geklemmt und nun habe ich eine Quel-
11
Warum wurde am Palast der Republik die Ballustrade nicht nur zum Marx-Engels-Platz gebaut, sondern auch zum Spreeufer an der Rückseite? Damit Honecker auch Flottenparaden abnehmen kann.
12
Erich währt am längsten
le. Wenn ich da 'nen Zehner rüberreiche, könnte es klappen!« Dann ist der so glücklich, daß er mir außer dem Zehner für meine Frau und dem Benzingeld noch einen Zwanziger aufzwingt. A: Du drehst ja ganz schöne Dinger. B: Das ist: Die gegebenen Möglichkeiten optimal nutzen zum beiderseitigen Vorteil. A: Was hat denn der arme Mann für Vorteile? B: Er hat sich 'ne Menge Rennerei und Ärger erspart und fühlt sich als unerwarteter Glückspilz, weil er mich hat. Und sein optimistisches Lebensgefühl steigert den Lebensstandard aller, denn der Mann arbeitet ja nun viel besser, weil er sieht, daß es vorwärts geht, auch mit seiner individuellen Tapete. A: Wenn mans so sieht ... B: So muß mans aber sehen. Immer poliOhne Schmiergeld kann heutzutage kein tisch! Und dann sag ich: »Meister, Ihr ZimMensch mehr seinen Lebensstandard halten. mer ist groß, wir brauchen zweiundzwanzig Rollen.« Dann guckt er dumm, denn früher hat er immer nur achtzehn gebraucht. Sage ich: »Die Tapeten sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.« A: Und was machst du mit den vier überschüssigen Rollen? B: Ich warte, bis ich sechzehn zusammen habe und erhöhe damit den Lebensstandard einer Rentnerin, indem ich da zu gesetzlichen Preisen das Häuschen tapeziere. A: Aber du hast doch die Tapete schon mal bezahlt gekriegt! B: Man will ja ein Muttchen nicht auf ihre alten Tage in Gewissenskonflikte stürzen. Nachher denkt sie, es ist geklaut. A: Das ist ein feiner Zug von dir. Aber was hat die Rentnerin davon, wenn sie heute so viel zahlen muß wie vor 10 Jahren? B: Es ist doch so: Ohne Schmiergeld kann heutzutage kein Mensch mehr seinen Lebensstandard von vor 10 Jahren halten - was die Handwerker betrifft. Und deshalb sind ja auch die Renten erhöht worden, und dieses eingesparte Geld kann nun die Rentnerin in Bohnenkaffee umsetzen, woran der Staat verdient, was wiederum uns allen zugute kommt, weil damit die Mieten gestützt werden. A: Mann, du bist ja fast so positiv wie unsere Leitartikel. B: Siehst du, so schließt sich die Kette mit dem Lebensstandard. Man muß es nur richtig sehen. A: Da hast du recht. Es geht einem gleich viel besser, wenn man merkt, daß es einem noch besser geht, als man sowieso schon dachte.
Erich währt am längsten
Peter Ensikat
Bei meinem Fleischer um die Ecke (so was gibts noch!) hängt an der Eingangstür ein kleines Schildchen mit einem süßen, handgemalten Hündchen darauf und der schriftlichen Bitte an Frauchen, ihren vierbeinigen Liebling doch draußen warten zu lassen. Frauchen und Herrchen halten sich daran, auch wenn ihre kleinen Lieblinge noch so laut und uneinsichtig bellen. Wir nichtbellenden Zweibeiner verfügen normalerweise über sogenannte menschliche Einsicht und warten geduldig vor allerlei Gebots-, Verbots- und Hinweisschildern, selbst Keine Haftung wenn es menschlicher Einsicht oft für ßarderobe ! schwerfallen mag, einen Sinn hinter manchen Schildern zu entdecken. Neulich habe ich sogar einen stellvertretenden Minister an dem inzwischen klassischen Hinweisschild vor dem Hallenser Interhotelrestaurant scheitern sehen, das da besagt, der Gast würde vom Restaurantleiter plaziert. Irgendwie war der Genosse Minister von der Protokollstrecke abgekommen - das passiert uns ja allen mal-, und nun erkannte ihn keiner mehr. Die Erkenntnis, daß wir vor solchen Schildern alle gleich sind, löste zwar einige Schadenfreude aus, spendet aber schließlich wenig Trost. Übrigens sollte man nicht falsch verallgemeinern - Interhotel ist nicht immer das, was wir fürchten müssen. In Gera zum Beispiel liefert sich das Bedienungspersonal völlig schutzlos seinen Gästen aus, bleibt freundlich, wenn diese Gäste Wünsche äußern und erträgt beinahe lächelnd das gewiß nicht immer musterhafte Betragen dieser Gäste. In der Hallenbar darf man sogar den Mantel über den Stuhl hängen, obwohl nirgendwo das Schild steht, das den Gast verpflichtet, selbst auf seine Garderobe zu achten. Dieses Schildchen übrigens, ohne das kaum ein Restaurant oder eine Dienststelle auszukommen scheint, ist nur gerecht-
13
Erich währt am längsten
14
fertigt, wenn die Garderobenständer so aufgestellt sind, daß die Gäste Mäntel, Mützen oder Regenschirme selbst im Auge behalten können. Für die am Haken vor der Tür oder am Nagel im Wmkel abgelegten Sachen haftet der Veranstalter. Aber wer weiß das schon? Und sollte sich das herumsprechen, bleibt zu befürchten, daß unsere Gastronomie auch den letzten Nagel aus der Wand ziehen wird, um nicht doch Verantwortung tragen zu müssen. Oder man geht dazu über, einen Einlaßdienst zu organisieren, der darauf achtet, daß nur noch Gäste ohne Garderobe die Einrichtung betreten. Der Zahnarzt, der mit dem kleinen Schildchen »Behandlung nur auf Voranmeldung« Patienten fernhält, ist eigentlich viel schlechter dran als die Gaststätte, die sich vor dem unkontrollierten Eindringen fremder Gäste schützt. Denn wenn ich Zahnschmerzen habe, nützt ihm sein Schutzschild gar nichts mehr, weil ich weiß, "Vof.Sl:H T Sf/JFE !~ daß er mich trotzdem behandeln muß. So streng sind die Gesetze für den, der sie kennt. Aber wer kennt sie schon alle? r{voRSICHTSTUF~ Auch das moderne Telefon, auf das in unserer technisch-wissenschaftlichen Neuzeit auch die ältesten Witze zutreffen, kann komplette . VORS/CH T STUFf1 · Dienstleistungskombinate und ebenso Reichsbahnauskunftstellen vor unliebsamen Auftragserteilern und Fragern schützen. Denn das gleichmäßige Getute unseres real existierenden Besetztzeichens ist beispielsweise für die Kunden von Monsator zum reinen Ohrwurm geworden. Schriftlich soll man nicht und fernmündlich kann man kaum zu dieser sagenhaften Reparaturannahmestelle vordringen. Wer wollte Monsator einen Vorwurf daraus machen? Die Leute dort haben das Telefon nicht erfunden. Vor vielen Arzt- und anderen Amtszimmern ist zu lesen, daß Eintritt nur noch Aufruf zu erfolgen habe. Ob dieser Aufruf erfolgt und wann, das ist eine reine Ermessensfrage. Wer trotz0
Erich währt am längsten
dem einfach mal anklopft, nachdem er lange genug gewartet hat, macht sich zwar nicht strafbar, aber ganz bestimmt unbeliebt. Und welcher Patient oder Antragsteller wagt es, sich unbeliebt zu machen, bevor er abgefertigt ist. Auch REWATEX bereitet seinen ahnungslosen Kunden viel Freude mit dem bescheidenen Hinweis, daß hier nicht gehaftet werden könne für Schäden, die bei der Reinigung an Kleidungsstücken entstün den. Der Kunde hat sich also selbst bei seinem Sakko zu erkundigen, welche Behandlung er verträgt. Die Fachleute von REWATEX können das nicht ahnen. Von dieser heiteren Stelle aus, übrigens herz-liche Grüße an meine hellbraune Wildlederjacke, die vor mehr als einem Jahr irgendwo bei REWATEX untergetaucht ist, ohne daß sich der Betrieb dafür haftbar machen ließe. Ob sie nun zur Behandlung in die Häckselmaschine geworfen wurde oder einfach nur so verschwunden ist (es war eine schöne und teure Jacke), kann mir schließlich egal sein. Denn REWATEX ist es das schon lange. Nun könnte natürlich einfach mal einer völlig unangemeldet daherkommen und fragen, was all diese Schilder denn sollen, wenn sie doch mehr oder weniger ungesetzlich sind. Sie erfüllen den gleichen Zweck, den ein zahnloser, aber laut bellender Wachhund erfüllen kann, nämlich den Eindringling abschrecken. Als solcher fühlt man sich ohnehin oft genug angesichts mancher Kellner, Pförtner, Schreibtischinhaber und Dienstleistungsabwehreinrichtungen. Das Sprichwort sagt zwar: Hunde, die bellen, beißen nicht. Aber sie schüchtern ein.
15
"Natürlich weiß ich, daß das nicht Ihre Hose ist; als Entschädigung spendieren wir Ihnen deswegen drei Mottenkugeln dazu!"
Erich währt am längsten
16
Ernst Röhl
'Das Ofcr aH dar Massa Ein Hase kommt in einen Gemüseladen und fragt: »Hattu Möhm?« Darauf der Verkäufer: »Neee!« Der Hase geht und kommt einen Tag später wieder. Dieselbe Frage: »Hattu Möhm?« Und der Verkäufer wieder: »Neeee! Und laß dich hier nicht noch einmal blicken, sonst hänge ich dich an deinen Ohren auf!« Der Hase geht und kommt einen Tag später wieder. Dasselbe Spiel: »Hattu Möhm?« Der Verkäufer packt den Hasen und hängt ihn direkt neben das Bild von Erich Honecker. Der Hase dreht sich zu Honecker: »Hattu auch nach Möhm gefracht?«
Betriebsdirektor Brösicke war furchtbar im Streß. Die große Digitaluhr in seinem Arbeitsraum zeigte elf Uhr nullfünf, und er lag mit der schriftlichen Begründung seines dringlichen Antrages auf Planpräzisierung erst in den vorletzten Zügen. Am frühen Nachmittag mußte er gewaschen und gekämmt im Kombinat antanzen; der General hatte den Termin kurzfristig auf Punkt vierzehn Uhr anberaumt. Vorher aber wollte Brösicke eigentlich noch auf einen Sprung in die Stanzerei. Vor Tagen schon hatte er sich durch seine Sekretärin Frau Elvira Siebenschön für elf Uhr fünfzehn bei Abteilungsleiter Kaschube ansagen lassen, um im persönlich-schöpferischen Gespräch mit den Jungs aus der Produktion die ständig wachsenden Aufgaben zu beraten. Diesen Termin mußte er halten, da gab es nichts. Das Wort der Kollegen - welcher Leiter könnte leichten Herzens auf es verzichten! Aber auch der Termin vierzehn Uhr mußte unbedingt gehalten werden. Auf Unpünktlichkeit war der General schlecht zu sprechen. Auf Planpräzisierung sogar noch schlechter, klar! Der Plan wurde ja nie rauf-, sondern immer bloß runterpräzisiert! Um elf Uhr sechsundzwanzig zog Brösicke einen blauen Kittel über und betrat, flankiert von Kaschube, die lärmerfüllte Stanzerei. Sein Mienenspiel strahlte einen nur mühsam gebändigten Optimismus aus. Und Wiedersehensfreude! Endlich war er mal wieder leibhaftig da, wo er sich, wie er nicht müde wurde zu betonen, am allerwohlsten fühlte -vor Ort; in Gedanken allerdings befand er sich, um der Wahrheit die Ehre zu geben, bereits im Meinungsclinch mit dem General. Stanzer Hein Hämmerling sah ihn kommen und fragte sich, ob der Alte ihn wohl erkennen würde. In der Tat stutzte Brösicke und fragte: »Woher kennen wir uns, Kollege···" »Hämmerling!« vollendete Kaschube eilfertig. »Wir kennen uns vom Sehen«, sagte Hein Hämmerling. »Achja, richtig!« riefBrösicke. Abteilungsleiter Kaschube stellte fest, daß das Gespräch zufriedenstellend anlief, und ging in die andere Ecke der Halle hinüber, um beim Lehrling Mike nach dem Rechten zu sehen. »Na, wie rollt's denn so, Kollege Hämmerling?« fragte Brösicke. »Tja«, sagte Hein, »jedes Wochenende Sonderschichten ···"
Erich währt am längsten
Na bitte, dachte Brösicke, Sonderschichten! »... un montags fehlt uns denn das Matrial.« Sonderschichten! triumphierte Bösicke, der den zweiten Teil der Antwort gar nicht mehr zur Kenntnis nahm. Initiativen! Hier gehts rund! Hier liegt keiner auf der Ottomane. »Darum kommen wir montags immer drei Stunden später auf Arbeit ... " »Sehr schön«, sagte Brösicke. »... un gehn immer vier Stunden früher nach Hause.« »Ausgezeichnet!« sagte Brösicke. Durchaus möglich, daß der General ihm einen Einlauf machen wollte. Ihm die Knorpel aus den Ohren drehn! Aber er, Brösicke, würde sich schon einpegeln, er hatte noch jedesmal die Kurve gekriegt. »Tjä, un denn haben wir auch immer Zeit für'n or'ntlichen Skat.« »Das freut mich!« sagte Brösicke. »Oder Klammem!« »Das ist der richtige Weg«, sagte Brösicke. »Un denn - heidiwitzka! - saufen wir uns immer so richtig einen an.« »Ganz wunderbar«, sagte Brösikke. Nein, nein, er hatte absolut keinen Grund, sich auf die Schienen zu legen. Er hatte einen Arsch in der Hose. Er hatte die Nase auf dem rechten Fleck. Hein Hämmerling wunderte sich ein bißchen, fand den Alten allerdings sehr sympathisch, weil er die Wahrheit so gut vertragen konnte. »Aber keine Bange«, fuhr Hein fort, »wir kommen schon auf unser Geld. Wrr schreiben Stunden. Mit 'n ganz spitzen Bleistift. Wenn der Tag sich nach uns richten würde, hätte er fümmunzwanzig Stunden.« »Großartig«, sagte Brösicke. »Matrial klauen wir auch viel mehr als vergangenes Jahr.« »So muß es sein!« sagte Brösicke. Natürlich wird er den großen Hund losmachen, dachte er, aber ich werd ihm zeigen, wo der Luftballon zusammenfällt! Ich hab noch ein paar saftige Pflaumen im Eierbecher. Ich werd ihm verraten, wie der heilige Geist mit Vornamen heißt! »Im persönlichen Leben«, sagte Hein, »kann ich auch nich direkt klagen. Montags immer, wenn Sie Ihr wertes Partei-
17
18
Erich währt am längsten
lehrjahr haben, denn kuck ich immer mal eins rein bei Ihrer Frau···" »Vorbildlich!« sagte Brösicke. »Und denn legen wir beide uns immer ne halbe Stunde auf'n Sofa···" Abteilungsleiter Kaschube kam zurück, und Hein verkniff sich die Einzelheiten. »Kollege Hämmerling«, sagte Brösicke, »machen Sie so weiter! Ich erwarte von Ihnen noch einiges in dieser Richtung." Er eilte hinaus. »Ein guter Mann!« raunte er Kaschube zu. Und während er draußen den blauen Kittel auszog, sagte er zu ihm: »Willi!« sagte er eindringlich, »berate dich immer und immer wieder mit den Kollegen! In allen Fragen. Das, mein Lieber, hat uns Lenin gelehrt, und ich«, sagte er, »gebe es an dich weiter.» Treffen zwischen Honecker, Ceausescu und Breshnew. In der Pause fragt Ceausescu Honecker: »Sag mal, hast du Leonids goldene Uhr gesehen?« »Nee ···"· sagt Erich, „... zeig mal!«
Ein Mann sieht einen Haufen Mist und schimpft, daß er vorhanden ist. Er sagt es dem Abteilungsleiter. Der meldet's dem Direktor weiter, der seinerseits nun wie geschmiert den Vorgesetzten informiert. Jedoch auch dieser Vorgesetzte ist in der Kette nicht der letzte, weshalb sich der Ministerrat bald um den Mist zu kümmern hat. Und der faßt logisch den Beschluß, daß dieser Mist verschwinden muß. Vom Vorgesetzten, nicht zu schwach, kriegt der Direktor eins auf Dach, doch - ähnlich wie ein Blitzableiter gibt er den Schlag nach unten weiter, und ganz am Ende trifft es dann, wie zu erwarten, unsern Mann, der, wegzuräumen diesen Mist, auch ohnedies verpflichtet ist. Jedoch nicht ohne Auftragsschein, denn Ordnung muß ja schließlich sein.
Klaus Lettke
Erich währt am längsten
C. U. Wiesner
Zwischen dem Nordrand des Thüringer Waldes und den Ausläufern der Mecklenburgischen Seenplatte liegt das unscheinbare Städtchen Trockenburg. Dort begegnete ich dem ärmsten Mann der Republik. Da ich in der benachbarten Großstadt kein Hotelzimmer bekommen hatte, mußte ich mit einem etwas schäbigen Gasthof zu Trockenburg vorliebnehmen. Es wurde zeitig dunkel, und die Stadt bot ohnehin keine historischen Sehenswürdigkeiten. Das einzige Kino am Orte wurde gerade renoviert. Was tut man? Man setzt sich in die Schankstube, ärgert sich, daß das Bier zu warm ist, und trinkt es trotzdem. Er kam zur Tür hereingeschlichen, grüßte verlegen und blickte scheu zu den Tischen, an denen die Einheimischen saßen. Dann fragte er höflich, ob er bei mir Platz nehmen dürfe. Ich hatte nichts dagegen. Der Mann steckte in einem sauberen, aber ungemein armseligen Nachkriegsanzug, wie ihn nicht mal der raffinierteste Rentner anziehen würde, wenn er auf der Westdeutschlandreise von seinen Kindern neue Kleidung schinden will. Sein verängstigter Gesichtsausdruck, der gleichwohl nicht vom schlechten Gewissen eines Bösewichts geprägt schien, weckte mein Mitleid. Ich lud den Mann zu einem Bier und einem Doppelten ein, wobei ich nicht verhehlen will, daß mich eine gewisse berufliche Neugier trieb, sein offensichtlich trauriges Schicksal zu ergründen. Er sprach jedoch nur über das Wetter und über die unzureichende Straßenbeleuchtung von Trockenburg. Erst kurz vor der Polizeistunde - die letzten Einheimischen hatten singend das Lokal verlassen rückte er mit seiner Geschichte heraus: »Sehnse, ich bin an sich 'n ganz normaler Mensch, verheiratet, zwei erwachsene Töchter, nette Schwiegersöhne „.« - »Ihr Familienleben ist also in Ordnung?« warf ich ein. »Vermutlich Sorgen im Beruf?« »Nein«, antwortete er, »ich bin Kraftfahrer und fahr seit dreißig Jahren unfallfrei.« - »Na also«, erwiderte ich. »Quält Sie irgendein heimtückisches Leiden?« - »Ach wo«, sagte er traurig, »ich bin kerngesund. Aber das verdammte Zahlenlotto „.
19
20
Breshnew, Helmut Schmidt und Honecker unterhalten sich über das Tempo der Entwicklung in ihren Ländern. Breshnew: »Bei uns in der UdSSR wird ein Traktorenwerk innerhalb dreier Monate gebaut, dann verlassen die ersten Traktoren schon das Werk." Schmidt: »Bei uns in der BRD bauen wir innerhalb eines Monats ein Atomkraftwerk, dann wird bereits Energie geliefert.« Darauf Honecker: »Das ist doch gar nichts im Vergleich zum Tempo in der DDR. Als ich gestern morgen von Wandlitz zum ZK fuhr, hoben Arbeiter das Fundament für eine Bierbrauerei aus. Und als ich abends nach Hause fuhr, waren die Arbeiter bereits sternhagelvoll! «
Erich währt am längsten
Fünf, sechs Jahre habe ich jede Woche zwei Tippscheine abgegeben und nie was gewonnen.« - »Das müssen Sie sich nicht zu Herzen nehmen«, entgegnete ich. »Mir gehts genauso.« »Na, dann wissen Sie ja, wie das ist: Man hofft von Woche zu Woche, man macht Pläne, man verspricht allen Leuten das Blaue vom Himmel ···" Ich nickte. »Und gewinnen tut man immer wieder nichts.« - »Doch«, flüsterte er, »vor drei Wochen hatte ich einen Fünfer. Einhundertsechsundachtzigtausendzweihundertfünfundvierzig Mark." Ich hätte vor Ärger fast mein Bierglas umgeworfen. Da hatte ich also von meinen paar Piepen diesen Krösus den ganzen Abend freigehalten. Aber ich faßte mich. »Nun sagen Sie bloß, Sie haben Ihren Tippschein nicht abgegeben oder die Aktentasche mit dem vielen Knatter in der Eisenbahn stehenlassen?« Er grinste hilflos. »Von wegen! Ich bin ein ordentlicher Mensch. Das Geld habe ich noch bis auf den letzten Pfennig beisammen." Zum Teufel! So viel hatte doch der Kerl an diesem Abend gar nicht getrunken! »Ich versteh Sie nicht«, sagte ich ungehalten, »da könnten Sie leben wie Gott in Frankreich, sich ein Häuschen bauen, ins Ausland reisen, Maßanzüge tragen···" - »Eben nicht«, unterbrach er mich. »Damals, als ich nicht an einen Hauptgewinn glaubte, hab ich meiner Brigade eine gemeinsame Urlaubsreise ans Schwarze Meer, dem Betrieb neue Möbel für den Klubraum, meinem Kumpel einen Jollenkreuzer, jedem Schwiegersohn einen Wartburg, meinen Töchtern einen Persianer - und was ich hier so abends den Leuten in der Kneipe alles versprochen habe! Als ich dann heimlich das Geld abholte, dachte ich, die sollten mal wissen ···" Ich begann ihn zu begreifen. »Und nun tut Ihnen das alles leid, und da mimen Sie in der Öffentlichkeit den armen Mann, und zu Hause machen Sie mit Ihrer Frau Lebeschön?« Er schüttelte den Kopf. »Das geht auch nicht. Wenn meine Frau von dem Gewinn wüßte, wäre es sofort in ganz Trockenburg herum. Und darum sag ich mir jeden Tag: nur nicht auffallen, daß bloß keiner dahinterkommt und mich beim Wort nehmen will. Was soll ich machen? Die Arbeit aufgeben? Dann würden die Kollegen stutzig werden. Kauf ich mir Schnaps, fragt meine Frau, wo ich das Geld herhabe. Sagen Sie selber: was blieb mir weiter übrig, als die Aktentasche mit den Geldscheinbündeln an einem sicheren Ort zu vergraben?« - »Ja, aber«, fragte ich ihn, »was haben Sie denn nun von Ihrem Hauptgewinn?« Er drehte sich eine Zigarette und lächelte versonnen. »Das schöne Gefühl, ein steinreicher Mann zu sein. Spendieren Sie mir noch ein Bier?«
Erich währt am längsten
21
Jochen Petersdorf
81!i4A11tfia pa/Jt 1tieAt raiH »Ich laß mir doch kein Licht ans Fahrrad klemmen«, sagte Werkdirektor Batzke. »Ein Leiter wird immer noch an der realen Planerfüllung gemessen und nicht daran, ob er ne Jugendbrigade vorzeigen kann." »Wenns nun aber mal verlangt wird, Willi«, sagte der BGeller, »da müssen wir irgendwas anschieben.« »Wie du meinst«, knurrte Batzke. »Warum kümmert sich denn der FDJ-Sekretär nicht darum?« »Weil wir keinen haben.« »Hatten wir nicht mal einen?« »Natürlich, den Gustav. Aber der kuriert doch schon wochenlang an seiner Prostata rum. Solche Probleme kommen nun mal bei einem bestimmten Alter.« »Na schön«, sagte der Direktor. »Also, was machen wir?« »Wir machen Manne, Hanne und Menne zur Jugendbrigade.« »Die kenne ich gar nicht.« »Klar kennste die, Wtlli«, sagte der BGeller. »Das sind doch die drei Jungs aus der Eloxalschleiferei.« »In der Eloxalschleiferei war ich lange nicht.« »Brauchste auch nicht. Du kennst sie trotzdem. Das sind die dreie, die immer im Hof stehn und rauchen.« »Ach die! Warum stehn die denn eigentlich immer im Hof? Haben die keine Lust zum Arbeiten?« »Schon. Aber keine Schleifscheiben.« »Aha. Das wäre auch mal ein Problem, über das wir reden müßten. Aber lösen wir erst mal die Frage Jugendbrigade. Ich merke übrigens, wir sind ganz schöne Trottel.« »Wie meinstn das, Willi?« »Na Mann! Die dreie rauchen doch mindestens schon ein halbes Jahr zusammen. So lange hätten wir sie schon als Jugendbrigade führen können.« »Haste eigentlich recht. Führen wir sie wenigstens ab sofort. Aber wir müßtens ihnen sagen. Vorsichtshalber. Könnte ja sein, es kommt mal einer von der Presse, will die Burschen fotografieren, und sie wissen gar nicht warum.« »Hast recht. Besser isses schon. Außerdem müßten wir ihnen ja wohl auch so ne Art Objekt anvertrauen, wie? Nur rauchen ist ein bißchen wenig. Oder?«
Kohlektiv
22
Honecker erhält einen neuen Volvo. Bei der Testfahrt fragt er den Fahrer, ob der Motor nicht mehr leisten könne. »Doch«, sagt der Fahrer, »aber wir nähern uns der Staatsgrenze der DDR.« Honecker: »Egal, fahr ich eben selbst.« Er setzt sich ans Steuer, und bald sind sie am Grenzübergang. Der Posten salutiert und läßt ihn passieren. Das fragt der andere Grenzer: »Wer war denn das?« Darauf der erste: »Weiß ich nicht, muß aber ein ganz hohes Tier gewesen sein. Honni selbst hat ihn kutschiert."
Erich währt am längsten
»Stimmt schon. Man könnte sie bei der Endmontage der großen Eloxe III mit einsetzen." »Bist du noch zu retten? Mit dem Ding wollen wir auf die Messe der Meister von morgen! Da muß Präzisionsarbeit geleistet werden. Außerdem weißt du doch genau, wie sehr der alte Gottlieb an seiner Eloxe III hängt. Wrr können ihm nicht kurz vor der Rente einen MMM-Triumph wegnehmen.« »Einverstanden, Willi. Lassen wir das Trio aufm Hof. Aber da sollen die Burschen nicht nur rauchen, sondern dabei wenigstens den schwedischen Upsalomaten entrosten.« »Der rostet? Da kannste mal sehen, die Schweden. Auch nicht mehr die alten. Ein Glück, daß wir den Apparat seinerzeit gar nicht erst in die Halle geschleift haben. Das würde ja aussehen: Mitten in unserer alten, aber sauberen Anlage ne hochmoderne Rostlaube. Bloß schade um die Devisen. Damit hätte der Delikatladen am Altmarkt so manchen Trumpf ausspielen können. Oder Sarotti. - Moment mal, bitte. Ja, hier Batzke! Wer? Der General? Oh, Genosse Rufer, guten Tag, guten Tag! Danke, danke. Es läuft! Nicht gerade rund, aber es läuft. Bitte? Ja, die Analyse ist unterwegs. Ist übrigens besser ausgefallen, als ich dachte. Ich glaube kaum, daß Sie da noch viel hinein ... Der Minister wird auch so seine Freude daran haben. - Apropos haben: Wir haben in der Frage Jugendbrigade einen beachtlichen ... Bitte? Eine, Genosse Rufer. Eine. Aber ein verschworenes, eingespieltes Kollektiv. Bitte? Man hat vielerorts zwei? Ist das Linie? Aha, verstehe. Linie nicht, aber es sieht besser aus. Tja, da müssen wir mal sehen. Kriegen wir in Griff, Genosse Rufer. Ja danke. Auf Wiederhören. Scheiße!« »Is'n los, Willi?« - »Er will zwei. Macht sich besser.« »Verstehe. Paß mal auf. Da teilen wir die Brigade.« »Wie willst du denn drei Mann teilen? Einer allein ist keine Brigade! Wrr müssen einen vierten Mann finden, dann gehts. Laß mich mal überlegen. Ich habe neulich in der Wicklerei so einen kleinen, schmächtigen Lockenkopf gesehen. Sieht noch relativ jung aus. Den schlagen wir dazu.« »Ich weiß, wen du meinst. Das ist Benno Blühmke. Gesichtsmäßig würde es gehen. Aber ich glaube trotzdem nicht, daß es klappt. Die Sache hat einen Haken.« »Was für'n Haken?« »Der Blühmke raucht nicht! « »Na und? Stört das?« »Natürlich. In einem guten Kollektiv müssen alle gleichmäßig mitziehen."
2. Ka itel
Aßßos z~Ht WoAßo das llol/llos Humorvolles aus dem Alltag Wenn sich Humoristen den kriminellen Machenschaften ihrer Mitmenschen zuwenden, muß es nicht unbedingt um Mord und Totschlag gehen - der Leser kommt trotzdem auf seine Kosten. Hier wird von Sammlerwut, Antiquitätenjagd und Diebstahl erzählt, und mit einem guten, zumindest amüsanten Schluß darf man rechnen, zumal wenn es der altbekannte Frisör Kleinekorte ist, der sich als Privatdetektiv betätigt. Ein gutes Ende nimmt es auch mit Fahrschülerin Wally, alias Helga Hahnemann, die trotz unglaublicher Fahrkünste die begehrte Pappe erhält. Übrigens war nicht nur die mehrjährige Wartezeit für einen PKW einzuplanen, auch die Fahrschulen waren für zwei, drei Jahre im voraus ausgebucht. Auch da konnte eine blaue Fliese, ein Hunderter West, für Beschleunigung sorgen. Beschleunigen will auch die DDRRegierung den Rücklauf des kursierenden Westgeldes: Ab 1979 gelten in den Intershops nur noch die sogenannten Forum-Schecks als Zahlungsmittel. Zum Wohle des Volkes, nämlich für Preisstützungen, gibt 1980 die Regierung 17 Milliarden Mark aus, wobei ein Großteil auf die niedrigen und stabilen Mieten entfällt, die bis zum Ende der DDR auf dem Stand von 1936 eingefroren blieben.
Alles zum Wohle des Volkes
24
Jochen Petersdorf Nach seiner Rückkehr aus dem Weltall wird Kosmonaut Sigmund Jähn von allen Großen dieser Welt empfangen. Er ist zu Gast bei Breshnew. Der zieht ihn ins Vertrauen. »Du verstehst, ich hab mich nie getraut, unsere sowjetischen Kosmonauten danach zu fragen. Sag mir: Hast du Gott gesehen? Gibt es ihn?« Jähn bejaht. Breshnew bittet ihn, niemandem davon zu erzählen. Jähn verspricht es. Nun ist er zu Gast beim Papst, auch der fragt, ob er Gott gesehen habe. Jähn verneint. »Nun«, sagt der Papst, »sei so gut und erzähle niemandem davon.« Jähn verspricht es auch ihm. Zurück in der Heimat, trifft er Honecker. Auch der nimmt ihn zur Seite: »Sigi, sag mir, hast du Gott gesehen?« Jähn bejaht. »Und«, fragt Honecker, »sieht er mir ein bißchen ähnlich?«
»Und ick sage dir, Frida, an den Fleischstand ham se uns übers Ohr jehaun. Ick hab et deutlich jesehn: Der Zeiger von die Waage hatte 'n Knick!« »Mensch Otto, du mit deiner Filzbrille, du kannst dochjar nicht so weit kieken. - Otto, kiek ma da, da liegt eena!« »Wer liegt da?« »Da liegt eena! Een Unfall!« »Frida! Ein Unfall kann da jar nich liegen, höchstens eine verunfallte Person, wie es offißjell heißt. Aber Tatsache. Jetzt seh ich et ooch. Hier liegt eena!" »Na los, Otto! Steh nich so rum. Da müssen wir wat unternehmen. Faß mit an, wir wolln ihn aufrichten!« »Hände weg, Frida! Biste varricktjeworden! Den darfste doch nich berühren!« »Weso denn nich, Otto. Det is doch unsre Pflicht!« »Kiekste nich Fernsehn? Da wird et dochjanz deutlichjezeigt. Nich berühm, bevor die Polizei kommt. Von wejen die Spuren! Lauf lieber los und such'n Telefon oder 'n Feuermelder. Det Unfallkommando muß her!" »Guten Tag!« »Guten Tach!« »Ist hier was passiert?« »Na sehnse doch, ein Unfall!« »Ach du lieber Himmel! Der Mann rührt sich ja überhaupt nicht!« »Na, Kunststück. Der is ja ooch janz schwer anjefahrn worden!« »Angefahren? Wieso liegt er denn hier auf dem Gehsteig?« »Na weil er rüberjeschleudert wurde. Det is sicher eener von die verrückten Dumper jewesen. Die fahm ja wie die Jesengten!« »Dumper? - So ein Ding heißt Damper, lieber Mann. Das kommt aus dem Englischen!" »Also, det is ja nu Quatsch. Die komm aus de Schubertstraße, da wose det neue Heizwerk baun. Det weeß ick nu zufällig janz jenau!« »Was ist denn hier los. Hilfe, ein Toter!« »Unterlassen Se diese sensationslüsternen Äußerungen! Ob
Alles zum Wohle des Volkes
der Mann dot is, wird der Arzt feststellen. Bis jetzt issa rein äußerlich bloß ohnmächtig." »Ja, da muß man doch was unternehmen. Polizei, Rettungsamt, Feuerwehr!" »Meine Frida is ja schon losjesockt! Der Funkwagen wird gleich hier sein!« »Na, da haben Sie aber großen Optimismus, lieber Mann. Wenn man die Polizei braucht, ist sie nie zur Stelle! Aber auf den Revieren, da sitzen sie und spielen Skat!" »Reden Sie bitte nicht solchen Blödsinn. Das grenzt ja an Verleumdung!« »Na, so dicke wolln wa nich gleich auftragen, aber die Dame hat recht. Sie quatschen mächtig dämlich!" »Ich quatsche dämlich? Hier, mein Bein! Bitte, bitte! Sehen Sie die Narbe? Die Spur eines Feuerwerkskörpers. Silvesterscherz meiner Schwiegermutter!« »Jetzt kommt der noch mit Schwiegermutterwitzen." »Das ist kein Witz! An dieser Wunde wäre ich beinahe gestorben. Verblutet. Erst nach 15 Minuten kam ein lumpiger Wachtmeister. Und was hat er gemacht? Gefragt, ob wir Jod hätten.« »Hähä! Hihi!« »Ich finde derartiges Gelächter angesichts einer todwunden Person sehr unpassend!" »Ja, da hat er recht.« »Also, jetzt könnte wirklich langsam die Polizei kommen. Oder wenigstens der Rettungswagen." »Es ist ja auch unerhört von dem Kraftfahrer, sein Opfer hier einfach liegenzulassen. Weiß man denn wenigstens die Nummer?« »Nee. Aber det kriejense raus.« »Es war ein Damper. Einer von den überschweren.« »Seit wann fährt hier ein Dampfer lang?!« »Ich sagte Damper. Das ist ein Baufahrzeug.« »Ja, von da hinten, wo se det Heizwerk bauen. Die fahm fast immer mit 80 um die Kurve.«
25
26
Alles zum Wohle des Volkes
»Und wenn das Heizwerk fertig ist, funktioniert es trotzdem nicht. Mein Schwager wohnt im Neubau mit Fernheizung. Da ist es mal zu warm und mal zu kalt. Deswegen fühlt er sich zu Hause nicht richtig wohl und muß sich in die Kneipe setzen." »Ist hier was passiert? Personenschaden? Sachschaden? Ich bin Gerichtsdiener!" »Ja, ein Dumper!« »Ein Damper!« »Jedenfalls ein Damper kam mit 80 Kilometer aus der Schubertstraße.« »Ein überschwerer Damper kam mit 96 km Geschwindigkeit daher und hat diesen Radfahrer ... « »Nein, Fußgänger!« "··· beim Überqueren der Fahrbahn mit dem großen Greifer erfaßt und beiseitegeschleudert. « »Polizei ist bereits verständigt. Ausführende Person: meine Frida. Beethoven straße 73, Hochparterre.« »Hilfe! Der bewegt sich ja!« »Der steht ja auf! Der lebt!« »Der kann ja laufen!« »Ja, das kann ich. Aber kann ich nu endlich mal in Ruhe dieses blöde Erdkabel reparieren?«
Aus Fremdsprachen mach ick ma nüscht, fans! Ick liebe meine Muttasprache, det sarick euchjanz cool. Sprache, wa, ob ickse nu live hör oda vonne single oda LP, wa, oda ob ickse uffn paperback lesen tu, also die deutsche Sprache, die is all right. Die is so 'n richtja oldie, abajrade, weil se so 'n oldie is, is se echt in. Die hat pep, die hat sex, die hat so 'n irren tauch, die hat so 'n sound, so 'n drive. Det swingt und pappt, det machtma high, det machtma happy. Einfach crazy. Nee, laßt ma, fans Deutsch is okay!
Ernst Röhl
Alles zum Wohle des Volkes
27
Angela Gentzmer
mit Fahrschülerin Helga Hahnemann Eine ruhige Nebenstraße, in der ein Fahrschulauto (Kabriolet) steht. Der Fahrlehrer, Herr Kaiser, sitzt in dem Wagen - wartet und raucht nervös! Plötzlich kommt Wally- seine Fahrschülerin - angehetzt! Sie trägt einen engen Rock - eine Rüschenbluse - hochhackige Sandalen und ein albernes, kleines Schleierhütchen auf dem Kopf! Der Fahrlehrer schwingt sich mit einem Satz aus dem Wagen, stemmt die Fäuste in die Hüften und mustert das Mädel sprachlos! Wally stakst auf ihn zu reicht ihm die Hand wie zum Handkuß. Wally: Hallo, Kaiserehen! Endlich mal ein Mann, der seinen Hintern spontan erhebt, wenn eine Dame ihn begrüßt! Warten Sie schon lange, mein Lieber? Er, sauer: Eine geschlagene Viertelstunde, Nr. 17! Wally schnattert: Ja, Pünktlichkeit ist meine absolute Stärke! Ich sage mir immer: Lieber ein Viertelstündchen später anfangen - dafür aber fünfzehn Minuten friiher aufhören! Wie ist es? Haben Sie schon gefriihstückt? Oder essen Sie morgens immer nur warm? Ich meine den Glimmstengel, den Sie da im Mundwinkel zu hängen haben!? (Sie nimmt ihm die Zigarette aus dem Mund -wirft sie auf den Boden und macht sie mit dem Fuß aus!) So - für heute haben Sie genug gequarzt! Jetzt brauchen wir beide erst mal 'ne feste Unterlage! Ich weiß hier nämlich ganz in der Nähe ein entzückendes kleines Cafe - allerdings nicht ganz billig! Sie haben doch hoffentlich genügend Geld eingesteckt? Obwohl - wir müssen ja nun nicht gleich schon am ersten Tag Sekt trinken, nicht? Oder wollen wir lieber irgendwo rausfahren? Um diese Jahreszeit ist am Müggelturm zum Beispiel ... Kaiser unterbricht sie wiitend: Ruhe, zum Donnerwetter! Wally erstaunt: Ach - tatsächlich? So - das wußt' ich nicht, daß die heute Ruhetag haben! Na gut - dann dürfen Sie jetzt einen Vorschlag machen! Aber bitte - in keine Bar, da wiirde ich mich in meinen Arbeitssachen nicht so recht wohlfühlen! Kaiser geht mit auf dem Rücken verschränkten Armen langsam um sie herum, betrachtet kopfschüttelnd ihr Schuhwerk: Wollen Sie mit diesen blödsinnigen Abendsandaletten etwa Auto fahren?
Was ist passiert, wenn ein Trabi bei Grün noch an der Ampel steht? Ein Reifen klebt an einem Kaugummi.
28
Alle s zum Wohle des Volkes
Wally stellt ein Bein auf das Trittbrett - zieht den Rock etwas höher und meint: Ja -warum denn nicht? Ach so - Sie meinen, weil die Farbe nicht zum Auto paßt? Das ist allerdings nicht hübsch! Sagen Sie, Kaiserehen, kann man das Vehikel nicht schnell noch umspritzen lassen? Vielleicht ein helles Rose? Dann paßt es auch gleich noch zu meinem Nagellack! Kaiser streng: Steigen Sie ein! Wally kokett: Gerne - aber dummerweise ist ja keine Tür offen! Kaiser reißt ungeduldig den Wagenschlag auf: So! Das erste und das letzte Mal, daß ich für Sie den Wagenschlag öffne! Hopp - rein! Aber - 'n bißchen dalli! Wally lächelt verschmitzt: Sie Schlimmer! Jetzt wollen Sie mich aber ganz schön anführen! Auf diesem Platz sitzt nämlich eigentlich der Chauffeur! Hab ich richtig geraten? Er redet jetzt wie zu einem kleinen Kind: So ist es! Und was macht ein Chauffeur mit seinem kleinen Autoehen? Na? Sie droht mit dem Finger: Sie sind wohl noch ziemlich neu auf dem Bock, was? Also schön - ich verrat es Ihnen ausnahmsweise: Er fährt wie ein Henker flucht vor sich hin - droht mit der Faust und zeigt den anderen Idioten einen Vogel! Kaiser setzt sich neben sie, reicht ihr den Zündschlüssel und sagt lässig: Na, Nr. 17 - dann zeigen Sie mal diesem Idioten hier, wie man den Schlitten überhaupt startet! Hier ist der Schlüssel! (verschränkt abwartend die Arme) Wally wirft den Schlüssel ins Handschuhfach und sagt errötend: Na na! Nicht so stürmisch! Immer hübsch eins nach dem anderen!! Ihren Hausschlüssel können Sie mir ja später noch geben - jetzt brauch ich erst mal Streichhölzer damit ich das Gas anzünden kann! Er fährt heftig zusammen: Streichhölzer??? Wissen Sie, was dann passiert, Nr. 17? Dann fliegen wir beide in die Luft! Sie, geschmeichelt: Traun Sie mir da nicht'n bißchen zuviel zu, Kaiserehen? Ich meine, hoch würde ich ja wahrscheinlich noch kommen, aber ob die Landung so glatt gelingen wird? Er reißt nervös an seiner Krawatte: Ihnen trau ich so langsam alles zu! Ich nehme an, Sie wissen nicht mal, wozu das Lenkrad überhaupt da ist?
Alles zum Wohle des Volkes
Wally eingeschnappt: Och -wollen Sie mich beleidigen? An irgendwas muß man sich ja schließlich festhalten - wenn das Ding erst mal rollt! Er nimmt ihre Hände und klatscht sie auf das Lenkrad: Na also - dann legen Sie jetzt beide Hände ran! Sie zieht eine Hand wieder weg - hält sie zum Fenster hinaus und sagt: Nö nö! Eine! Genügt völlig! Die andre brauch ich, um all meinen Bekannten zuzuwinken! Ich hab doch schon allen erzählt, daß Sie mir heute das Fahren beibringen! Was meinen Sie - länger als 'ne Stunde wird's doch wohl nicht dauern? Haben Sie meine Fahrerlaubnis eigentlich schon mit? Dann können Sie gleich dieses Foto von mir draufnieten! (Kramt aus ihrer Handtasche ein Foto, auf dem sie sich in einem Bikini am Strand sonnt und reicht es ihm.) Er wirft einen Blick darauf und gibt es ihr wieder: Was soll der Quatsch? Menschenskind, Sie sollten ein Paßfoto mitbringen! Sie, erstaunt: Ja - na und? Auf dem Foto paßt doch alles wie angegossen! Er, unwirsch: Außerdem müssen Sie ja auch damit rechnen, daß die Verkehrspolizei mal 'n Blick draufwerfen will! Sie, fröhlich: Na sehn Sie! Warum soll man den Jungs bei ihrem schweren Dienst nicht auch mal was Hübsches gönnen? Er prophezeit: Ich schätze, Sie werden Ihre »Pappe« sowieso kaum länger als drei Tage in der Tasche haben! Sie pflichtet ihm bei: Da könnten Sie recht haben, Kaiserehen! Hach - ich bin ja so schusselig! Ich ha' neulich sogar einen BH verbummelt - und konnte mich beim besten Wissen nicht mehr erinnern, ob ich ihn beim Arzt oder beim Zahnklempner liegengelassen hatte! Wissen Sie was? Ich nehme einfach die Fahrerlaubnis von meinem Mann! Wenn ich die dann verliere, dann hab ich wenigstens meine noch als Ersatz! Kaiser trommelt nervös mit den Fingern auf dem Armaturenbrett herum: Ich warte - Nr. 17! Wally fragt gespannt: Ach ja? Auf wen denn? Meinen Sie, es wird jemand kommen, der uns schiebt? Kaiser dumpf: Ich warte darauf, daß Sie endlich anfahren! Wally eifrig: Aber gerne! Vorwärts oder rückwärts? Ich meine, soll ich den Baum dort - oder lieber die Laterne hinter uns anfahren? Kaiser schreit: Wrr - fahren -vorwärts! Und zwar mit dem ersten Gang! Wally schmollt: Also, Kaiserehen, entschließen müssen Sie
29
Warum ist der Trabi lackiert? Damit er bei Regen nicht einläuft.
30
»Jetzt dauert es nur noch fünf Tage, bis ein Trabi geliefert wird!« Fünf Tage? Wie denn das?« »Einen für die Anmeldung und drei Parteitage.«
Alles zum Wohle des Volkes
sich nun aber schon! Fahren wir nun? Oder machen wir erst noch 'n kleinen Gang? Kaiser, mit unterdrückter Wut: Nr. 17! Ich erkläre jetzt alles noch mal ganz idiotensicher, capito? Wally überlegen: Selbstverständlich weiß ich, was Capito is'! Das ist das durchlöcherte, runde Ding, das in Rom steht! Da haben früher die antiken Gladiolen drin gekämpft! Kaiser nimmt mit irrem Blick den Zündschlüssel in die Hand und läßt ihn vor ihrer Nase hin- und herbammeln: Sehen Sie, was ich hier habe, Nr. 17? Na? In welches olle Loch soll der Kaiser den jetzt stecken, hm? Wally gelangweilt: Ach nein! Nun hören Sie doch endlich auf, mich mit Ihrem dämlichen Hausschlüssel zu nerven! Er brüllt: Das ist nicht mein Hausschlüssel! Sie zuckt mit den Schultern: Na - meiner auch nich'! Dann schmeißen Sie ihn doch in den Gully, wenn er Sie stört! Ich dachte, Sie wollten mir erklären, wie wir die Karre hier mal richtig in Schwung bringen! Oder wissen Sie's etwa selber nicht? (droht schelmisch mit dem Finger) Du - du! Ich soll doch fahren lernen - das andere kann ich ja schon! Da braucht mir keiner was beizubringen! Kaiser schreit hysterisch: Schluß jetzt! Das ist der Schlüßzündel - Zundschüssel - schietegal - jedenfalls muß der da rein! Wir drehen uns nach rechts! Djum! Da springt die alte Kriikke uns an! Linkes Kniebein - djoing - auf die Verkupplung! Knüppel in die rechte Pfote - und 1. Gang reinschmeißen! Alle übrigen Beine aufs Gaspedal! Ein Auge schielt in den Spückriegel - das zweite nach vorne - hinten - und das dritte in den Außenspiegel! Und- Winker! Blinken! Gas! Jawoll! Die blöde Kupplung langsam kommen lassen! Und - Start! Djum - djum - djum - Kupplung! Zweiter Gang! Gas! Wauh! Kupplung! Pfote! Dritter Gang! Gas! Links-rechts! Kupplung! Nachtisch: 4. Gang! Und Feuer! Feuer Iiiiiaaaah! (Hält erschöpft inne und ringt nach Luft.) Wally klettert mit ihrem engen Rock mühsam über ihn hinweg, steigt aus dem Wagen und sagt: Nehmen Sie's mir nicht übel, Kaiserehen, aber irgendwann hat meine Geduld nun auch mal 'n Ende! Bei Ihnen muß man ja Angst haben, daß Sie einem die Fahrerlaubnis regelrecht eindreschen! Was wollen Sie Nervenbündel denn machen, wenn Sie mal 'n Fahrschüler kriegen, der nich' so'ne schnelle Auffassungsgabe besitzt wie ich? (Stelzt empört davon.)
Die HO und Neckermann denken über eine Fusion nach. Der Name der neuen Firma? Honecker! Alexanderplatz gibt es z emen Banan enautomaeten. JWi~etuftd~m enn man oben eine Banan . e remste kt k c ' ommen unten 2 Mark raus.
Fahn;euge der. Drlnl· liehen Mecijzlnischen Hilfe. Im vergangenen Jah~tf&m. bei 65? Einsätzen der ~KreisorgamsatiOD insgesamt Patienten in einem Fahrzeug latZ nehriiih· Die däbet' getährenen 13 llbö Kiio&ter wurden unfallfrei zurückgelegt.
p
Lichtblick In der ,,Freien Erde" vom 24 . März 1979 gefunden von Wolf-Diethard John . Demmin
Alles zum Wohle des Volkes
32
Johannes Conrad
6iH PrtAellatwoiO!
Der Tuabant wird jetzt mit zwei Auspuffrohren geliefert. Warum? Wenn der Tuabi kaputt geht, kommen hinten zwei Stangen rein und man kann ihn als Schubkarre verwenden.
Ewigkeiten ists her, ich besaß, glaube ich, sogar noch den ausgefransten Backenzahn, diese Bestie links oben, da kamen wir an einem Sommertag aus dem Strandbad. Der Bus war so voll, daß ich während der Fahrt unentwegt wimmerte. Eingezwängt in dampfende Menschenbäuche blickten Karlchen und Fritzchen traurig zu uns empor, da rief meine Frau mit schriller Mädchenstimme: »Morgen melde ich mich an!« Sofort starrten alle Fahrgäste auf meine Frau, doch sie hats keinem verraten, wofür sie sich anmelden wollte. Am nächsten Nachmittag kam sie nach Hause und sagte: »Ich habe mich zur Fahrschule angemeldet, so!« Da jubelte die Familie, nur mich kränkte es etwas, denn damals hatte ich schon zum dritten Mal die Grundausbildung in Erster Hilfe absolviert, ich wußte sogar, wie man eine Halsschlagader abdrückt, aber vom Autofahren verstand ich sowenig wie ein Frosch von Shakespeare, weil ich, Gott seis geklagt, ein technischer Idiot bin. Dann gingen die Jahre ins Land, Krokusse, Butterbirnen und Schneeflocken wechselten sich ab, und im letzten Herbst fragte mich Heinrich, ob ich ich seinen Skoda kaufen wolle. Ich kannte Heinrichs Skoda, ein Wagen wie eine frische Orange. Ich erbleichte. Heinrich machte einen spitzen Mund, denn er ist ein empfindsamer Mensch. »Mein schönes Geld!« stammelte ich. »Mein schöner S 100!« sagte Heinrich düster. Aus diesem Grund bin ich gleich am nächsten Tag mit meiner Frau zur Fahrschule, wo viele Menschen mit fiebrigen Augen umherirrten. Wir haben die Vorgesetzte am Schalter gefragt, ob es noch bis zur Rente würde mit der Fahrerlaubnis oder ob meine Frau erst völlig mit Rosen zuwachsen müßte. Einen spitzen Mund wie Heinrich hat die Dame gemacht. Dann blätterte sie noch und verriet uns, daß es im Oktober losgeht. »Ich habs gewußt, ich habs gewußt, im größten Dreck!« stöhnte meine Frau und wollte sofort alles hinschmeißen, aber abends hat sie stundenlang gedankenvoll das rote Kreuz auf ihrem Erste-Hilfe-Nachweis betrachtet. In der zweiten Oktoberhälfte, die Lindenblätter stürzten sich erschüttert von den Bäumen, begann meine Frau mit der Theorie. Schon nach der ersten Stunde kam sie aufgelöst nach Hause und verkündete der Familie, daß die Hälfte aller Fahrschüler bei der theoretischen Prüfung durchfalle. Das Prakti-
Alles zum Wohle des Volkes
sehe mußte ein Kinderspiel gegen die Theorie sein! Es folgten schwere Tage für uns, denn die temperamentvolle Schülerin wollte fortwährend alles hinschmeißen. Heute weiß ich, daß es vor allem das dauernde Zitieren von Vorfahrtsregeln während des Frühstücks war, durch das sich damals mein Leistenbruch einklemmte. Als ich Anfang Dezember wieder aus dem Krankenhaus auftauchte, hatte meine herrische Frau das Theoretische geschafft und auch schon die komplizierten Torturen am Simulator hinter sich gebracht. Gleich spürte ich, wie meine Bruchnarbe fröhlicher zu verheilen begann. Zwei Simulatorinnen mußten den Simulator sogar wiederholen, denn gegen das Simulieren war das Theoretische ein Kinderspiel. Einige Tage später kam die Schülerin nach Hause und konnte nur noch krächzen. »Was ist?« schrie ich, und meine Bruchnarbe machte einen spitzen Mund. »Eigenhändig bin ich Auto gefahren!« - krächzte die Schülerin und kippte unter unserm Jubelgeschrei eine große Flasche Astoria hin ter. Der Fahrlehrer hieß Herr Schnupperbauer. Der Wagen war ein Lada mit H-Schaltung. »Herr Schnupperbauer sagt, ich wäre eine Naturbegabung!" krächzte meine Frau. Nach dieser ersten Fahrstunde wurde der Name Schnupperbauer der am meisten genannte Name in unserer Familie: etwa wie Brecht beim Berliner Ensemble. Meine Bruchnarbe war ein Dreck dagegen. Selbst der Skoda, welcher Mitte Dezember in unseren Besitz überging, machte nur auf mich Eindruck. Fortwährend zitterte ich, denn es ist ein unheimliches Gefühl, ein richtiges Auto zu besitzen, welches mutterseelenallein auf der Straße rumstehen muß. Außerdem hatte ich nun dauernd Sorgen im Weltmaßstab wegen der Erdölversorgung. Dazu kamen die nervlichen Belastungen durch Herrn Schnupperbauer. War er zufrieden gewesen, dann jubelte die Familie, sogar die Kakteen blickten fröhlicher. Eines Tages aber kam die Fahrschülerin völlig verzweifelt nach Hause und wollte wieder alles hinschmeißen. An der Kreuzung bei Grün hatte Herr Schnup-
33
»Wenn du noch dreimal um den Block fährst, haben wir genau fünf tausend Kilometer gemacht! Das spricht sich besser aus!«
34
Alles zum Wohle des Volkes
perbauer dreimal gesagt: »Fahren Sie los!«, doch sie war nicht losgefahren! Es war wie eine Lähmung gewesen. Da hat Herr Schnupperbauer kein Wort mehr mit ihr gesprochen! Das Theoretische und der Simulator waren ein Kinderspiel ge~n die Hölle der praktischen Fahrausbildung. Das wußten wir jetzt. Die ganze Familie einschließlich der Kakteen wurde von tiefer Melancholie erfaßt. Bis Herr Schnupperbauer beim nächsten Mal anerkennend gehustet hatte. Aber da stürzte sich plötzlich dieser hundsgemeine Winter auf unseren Skoda. Die Fahrschule machte Pause, und unser Skoda schneite ein. Er wurde zur Schneewehe. Die Wölfe hinterließen Fußspuren auf seinem Dach! Und die Batterie war auch noch drin! »Die geht nicht kaputt, die ist neu!« wimmerte Heinrich jedesmal bei meinem täglichen Anruf. Als sich 20 Grad Frost an der Welt und an unserem Auto ausgetobt hatten, begann es zu tauwettern. Da Sie erklärte uns mit himmelhoher Stimme, daß sie fuhr die Schülerin zum ersten Mal ihr Staatsexamen im Autofahren bestanden hatte. bei Regen. Herr Schnupperbauer soll nur anfangs irritiert gewesen sein, weil sie mit perpendikelndem Kopf an den arbeitenden Scheibenwischern vorbeizugucken versucht hatte, aber sonst: einsame Spitze! Ermutigt schippte ich unseren Wagen schneefrei. Etwas kleinlaut kam er zum Vorschein, und sofort verging meine Angst vor dieser armseligen Kreatur - ich beschloß, das Auto zum ersten Mal selbständig zu öffnen. Drei Tage lang studierte ich die Broschüre: »Ich fahre einen Skoda«, dann stiefelte ich los. Selbstbewußt steckte ich den Schlüssel ins Türschloß, aber die Tür ging nicht auf. Entsetzt versuchte ich, den Schlüssel wieder herauszuziehen, aber auch das gelang nicht. Von oben machte mir meine Frau Zeichen. Ich winkte ab und blickte mich um, ob mich nicht irgendein mißgünstiger Hund aus den umliegenden Häusern beobachtete. Plötzlich ging der Schlüssel heraus. Ich stürzte davon, und meine Frau schlug vor, sofort bei Heinrich anzuklingeln. »Wir sind noch nicht einmal im Auto drin!« stöhnte ich und stellte mir Heinrichs spitzen Mund vor. Erregt steckte ich mir eine Zigarre an. »Herr Schnupperbauer sagt, Zigarrenrauchen gilbt die Zähne!« rief meine Frau. Dann schüttete es erneut Schnee auf Berlin. Die Prüfung mußte verschoben werden. Apathisch verkündete meine Frau jeden Tag mehrmals: »Beim Linksabbiegen fallen die Prüflinge sowieso wie die Fliegen durch!« Voller Grausen dachte ich an das Linksabbiegen und an Heinrichs spitzen Mund.
Alles zum Wohle des Volkes
Als ein frischer Regen die letzten Wolfsspuren von unserem Auto gespült hatte und die Fahrschule ganz schön ins Geld zu gehen begann, kam meine Frau eines Tages bleich und schön nach Hause und erklärte uns mit himmelhoher Stimme, daß sie soeben ihr Staatsexamen im Autofahren bestanden habe. Die Familie jubelte auf, und ich nahm sofort den Wagenschlüssel her. Der Wagen ließ sich bereitwillig öffnen, denn diesmal versuchte ich es erst gar nicht mit dem Zündschlüssel. Ich habe mich in die klamme Mühle gesetzt, habe die Polster gestreichelt und jubelnd gehupt. Plötzlich durchfuhr mich ein heißer Blitz: Die Batterie! Zum Hupen brauchte man Strom, also lebte der Wagen noch! Erregt winkte ich meine Frau herunter. Sie kam und fummelte am Schaltknüppel herum. »Wenn rechts und links Spiel ist, ist Leerlauf, sagt Herr Schnupperbauer«, murmelte sie und drehte den Zündschlüssel herum: Der Wagen schluchzte mehrmals rührend auf! »Sie drehte den Zündschlüssel noch einmal herum und dann noch einmal - plötzlich lachte der Motor gluckernd, dann hustete er gellend, um hierauf zufrieden vor sich hin zu blubbern. »Eine Teufelsbatterie!« krächzte meine Frau und stellte den Motor ab. Danach kamen noch einige Rückschläge, denn gegen das praktische Autofahren ist die ganze Fahrausbildung ein Kinderspiel, aber wir schafften es. Am letzten Sonntag nun rauschten wir endlich ins Hellgrüne. Meine Frau saß konzentriert hinterm Lenkrad. Zweifelsohne fuhr sie unseren Wagen ganz allein durch Weißensee. Wir bewegten uns auf der Hauptstraße, wie man an der sogenannten Beschilderung ersah. Man mußte es nur glauben. Wir fuhren fast fünfzig, wir rasten mitten in die Natur und in die Sonne hinein, und ich stellte mir Heinrichs Mund vor, der wohl nun nicht mehr spitz würde. Das Prachtweib neben mir bohrte mit kühnen Adleraugen ein Loch in den Horizont, und mir ging auf, daß der Mensch viel mehr wert ist als so ein Auto, obwohl er keine zwölftausend Mark kostet. Hinter uns schnieften die von uns gezeugten Zwillinge vergnügt vor sich hin, und in mir jubelte es beim Anblick der jungfräulichen Mutter Erde auf. »Ein beglückender Apparat!« stammelte ich. »Nur durch den Fahrer!« entgegnete meine Frau hochmütig, und plötzlich rasselte es im Getriebe beim Schalten. Die Meisterfahrerin grinste verächtlich. Mit brutaler Männerstimme sagte sie »Scheiße!« und peitschte den Wagen auf die ungeheure Geschwindigkeit von sechzig Kilometern hoch. Da steckte ich mir erschauernd die erste Zigarre in unserem Auto an.
35
Im !FA-Vertrieb in Berlin-Schöneweide stehen Tausende DDR-Bürger und warten auf ihren Wartburg. Gegen zehn geht die Tür auf. Ein Abteilungsleiter ruft: »Alle Bürger mit US-Dollar zu mir!« Darauf melden sich etwa SO Bürger. Alle erhalten ihren Wartburg. Der IFA Mann: »Alle mit DM zu mir!" Etwa 100 Leute erhalten ihre Autos. Nochmals der IFAMann: »Alle Parteisekretäre zu mir!" Es melden sich etwa 500 Personen. Zu denen sagt der IFA-Mann: »So, und ihr erklärt jetzt dem Rest, warum sie ihre Autos nicht kriegen.«
Alles zum Wohle des Volkes
36
C. U. Wiesner
1risör KDoi1to/iorto aDs Pri11atdoto/iti11 Nehmse Platz, Herr Jeheimrat! Was gibsn Neues aufm Bau? Wieder Nachtschicht gehabt? Bisher sagte man ja, die schlümmsten Untaten passieren im Schutze der Nacht, und der Verbrecher scheut dis Tageslicht, aber dis jüldet heutzutage auch nich mehr. Also dis war jenau vor vierzehn Tagen. Weil mein Telefon mal wieder nich fungsjonierte, denk ich, wirste ehmt eigenhändig zur Lieferjenossenschaft runterfahren und neues Haarwasser bestellen. Undjenau an den Nachmittag muß doch dis Ding passieren. Also, nu stütz ick mir jenau auf die Aussage der verehelichten Friede Kleinekorte, meiner lieben Jattin. Um sechzehn Uhr siebzehn, höchstens 'n paar Minuten früher oder später, klingelt's anne Wohnungstüre. Ick habe hier, sehnse mal, höchstpersönlich aufjrund von Mutterns Beschreibung ein Jeisterbild jemalen, ein sojenannten Idiotenkitt, wie die Krimmenalisten dis nennen. Also, dieses Subjekt, unjefähr vierzig, Dreiviertelglatze wie Sie, nagelneue jelbe Lederjacke, die förmlich nach Intershop roch, stellt sich janz höflich mit Kohlmeier vor und sagt, er is Aufnahmeleiter beis Fernsehn. Sie drehn ein Fülm, wo ins Altberliner Mülljöh spielt, und dazu muß er den janzen Krempel für die Requisitte auftreiben, damit hinterher alles wie echt aussehn tut! Nu hätte er j ehört, daß wir noch sone schöne olle Standuhr hätten. Muttern hört bloß Fülm und wird nischt Eiligeres zu tun ham, als mit den wildfremden Kerl inne Bodenkammer hochzusteigen. Der kuckt sich die Uhr an und meint, ziemlich ramponiert isse ja schon, aber is ejal, ick nehmse gleich mit. Und denn hat er se sich aufn Ast jeladen und is mit ihr die Treppen runter. Muttern hatte wenigstens noch ein lichten Moment und sagte, verschenken wollt ick dis olle Ding eijentlich nich. Aber Oma, meint der Kerljanz auf die sachte Tour, da sind wir dochjroßzügig. Ick gebe Sie bare fuffzig Mark und mein Ehrenwort, daß in den Fülm Ihr Name aufm Abspann erscheint. Da war meine Frau, dis olle Kamel, noch hochbeglückt drüber und sagte: Da wird sich mein Mann aber freuen. Nu hat der Kerl noch mehr Morgenluft jewittert und janz scheinheilig Mutterns olle Jewiirztöppken aufs Küchenre-
Alles zum Wohle des Volkes
jal so lange bewundert, bis se ihm die für zwanzig Mark auch noch überlassen und sojar einjepackt hat. Könnense sich vorstellen, wie ick mir jefreut hab, als ick janz jutjelaunt an mein heimischen Herd zurückkehre und die Jeschichte brühwarm aufjetischt kriege? Muttern, sag ick zu dis Unglückswurm, die Uhr stammt noch von mein Onkel und is mündestens hundert Jahre alt. Kannste dir nich erinnern, daß ick ihr bloß aufn Boden je schafft hab, weil mir nachts immer dis olle Glokkenspiel aufjeweckt hat? PolizeirvF -- :·--·,,~ 1'10 Nu half ja alles Jammern nischt mehr. ~\"' Zuerst hab ick den Laden abgeschlos-,,"sen und mein Krisenstab einberufen, also außer mir und Herrn Kafforke hab ick noch Hauhecheln, den Kellner ausm Fernsehkasino, als Sachverständigen hinzujezogen. Und der hat mir versichert, daß er sämtliche Aufnahmeleiter kennt, aber keinen namens Kohlmeier, und dis müßte also ein Betrüger sein. Na, dis schwante mir ja gleich. Jetz hab ick Herrn Kafforke mit Puder und Rasierpinsel losjeschickt, um vorsichtshalber die Fingerabdrücke zu sichern. Aber Muttern hat ihm rausjejagt undjesagt, sie laßt sich nich ihre jute Küche versauigeln. Herr Kafforke meinte "Immer diese Filme nämlich, der Puder is unjeeignet und wollte es eigenmächtig vonne Arbeit!" mit Ofenruß probieren. Herrn Hauhechel hab ick in den Blauen Affen entsendet, damit er da einige Rächerchen unter die Stammgäste ermittelt. Bei dis Fluchtauto, dis wußten wir inzwischen schon, handelte es sich um ein appelsinfarbigen Laderkombi, und son Fahrzeug hat manchmal schon vorm Blauen Affen jeparkt. Ick selber bin stantepeze nachs Pullezeirevier rüberjesockt. Hauptmann Lux packte jrade sein Krimskrams zusammen und sagte, er hat schon Feierabend, und ob ick nich lieber morgen früh kommen will. Nee, sag ick beharrlich, Bürger Hauptmann, ick will nämlich 'ne Anzeige wegen ein Kappetalverbrechen erstatten. Ick mußte meine Personalien runterbeten, und denn hat er mir mit mein Personalausweis verglichen. Und nu durft ick erst zur Sache kommen. Tja, sagt er, da werden wir wohl
37
38
Alles zum Wohle des Volkes
kaum was machen können, manche Bürger sind ebent zu gutgläubig. Der Mann kann sich schließlich darauf berufen, daß er die Gegenstände ordnungsgemäß erworben hat, aber wir werden die Sache immerhin im Auge behalten. Im ersten Moment war ick ziemlich sauer, aber denn dacht ick mir, selbst is der Mann. Aufm Rückweg hab ick im Blauen Affen Station jemacht und auch prompt meine Sonderkommission bein kleines Bierchen anjetroffen. Hauhechel hatte aber janze Arbeit jeleistet und mein Jeisterbild rumjezeigt. Da sagt doch Albert Wuttke, der Wirt, ick freß 'n Besen, wenn dis nich der Kollmeister war. Wat denn, sag ick, der Kellner, den du vorm halben Jahr rausjefeuert hast, weil er dauernd bei die Rechnung dis Datum mitjezählt hat? Mann, den hab ick Ochse doch mal selber von meine Standuhr erzählt. Albert, sag ick, jib mir mal die Adresse und 'n Besenstiel und 'n Fuchsschwanz! Bis die Funktaxe ran war, hatt ick den Besenstiel zersägt und Herrn Hauhechel und Herrn Kafforke mit zwei handfeste Knüppel ausjerüstet. Denn sind wir losjezischt. Zu den Taxifahrer hab ick jesagt, Sie können jleich warten, dis wird 'ne Blitzrazzia. Wie wir im dritten Stock vor die Türe standen, hat mir ja dis Herze 'n bißken jepubbert, aber denn hab ick schon kräftig gejen die olle Türe jedonnert. Dis Flurlicht ham wir vorher ausjehn lassen, und meine Truppe stand schön im Dustern, wie der Kollmeister endlich aufmachte. Kommt im Schlafanzug raus, mit zerwühlte Haare und jrinst mir höhnisch an: Wat willst du denn hier, du Friedhofsjemüse? Da mußt ick erst mal kurz schlucken, aber denn hab ick ihm schneidend anjefahren: Hier
Alles zum Wohle des Volkes
sind die siebzig Mark, rückense sofort mein Eigentum raus, Sie wissen schon! Darauf hebt er seine Faust gejen mir: Wenn du olle Bartkratzermumie dir nich sofort verfatzt, kannste dir deine Knochen einzeln numerieren. Darauf ick: Dis sagense nich noch mal! In den Moment verpaßt er mir ein Ding, daß ick janz unsanft auf mein Allerwertesten lande. Den blauen Fleck hab ick immer nach. Aber nu blies ick zum Sturm wie einst der Trompeter von Säckingen, und damit hatte Kollmeister nich jerechnet. Meine Jarde mit ihre Knüppel stürmte wie Ziethen ausm Busch hinter ihm her. Und was meinense, was wir in die Wohnung entdeckten? Ein richtiges Warenlager: Janze Rejale voll Meißner Porzellan, Berge von Öljemälde und Pelzmäntel und nagelneue Lederjacken und Fliesen und Minimaxbohrer, Auspuffanlagen und Radierreifen, und mittenmang stand son messingnes Bette mit ne splitternackte Mieze, die quiekte vor Angst wie ein anjestochenes Schwein. Wir sind keine Janoven wie ihr Macker, schönes Frollein, hab ickjesagt und ihr ein Pelzmantel zujeworfen. Bedekkense ihre Blöße und haunse ab. Kollmeister hat jar nischt mehr jesagt. Denn ham wir die Standuhr und Mutterns Jewürztöppe und Herrn Kollmeister zu dis Taxi jebracht, den Halunken gleich in seinjestreiften Schlafanzug. Herr Hauhechel meinte, denn brauchense ihm in Rummelsburch jar nich erst neu einkleiden ... Und denn ham wir ihm aufs Revier abjeliefert. Wie wir endlich nach Hause durften, war Mitternacht, und Muttern hat die Hände überm Kopp zusammenjeschlagen und die Jewürztöppe hochbeglückt wieder ins Rejal jestellt. Jestern kam nu Hauptmann Lux in mein Salong. Tja. Herr Kleinekorte, meint er, dieser Kollmeister wird sich demnächst vor Gericht verantworten müssen, dis is ein ziemlich schwerer Junge. Nu weiß ich bloß noch nich, ob wir Ihnen ein Verfahren wegen Hausfriedensbruch und Nötigung anhängen oder Ihnen einen Präsentkorb wegen beherzter Ergreifung eines Verbrechers überreichen müssen. Nu überleg ick mir ernsthaft, ob ick mir zum Jeburtstag von Muttern als Wiederjutmachung handjeschöppte Visittenkarten drucken lasse, natürlich als Zeudonom, frei nach den berühmten Schriftsteller Raimund Schindler: Philipp Marwitz, Privatdetektiv. Macht zweifuffzig, und verfolgense mal inne nächste Zeit die Jerichtsberichte vonne Wochenpost!
39
Im Neubaugebiet Marzahn wird ein Mann überfallen, zusammengeschlagen und ausgeraubt. Er fängt laut an zu singen: »Auferstanden aus Ruinen „." Als er bei der dritten Strophe angelangt ist, fährt ein Streifenwagen vor. Ein Volkspolizist springt heraus und brüllt den Mann an: »Ja, wissen Sie denn nicht, daß man die Nationalhymne nicht mehr singen darf?« »Ich weiß sogar, warum«, sagt der Mann, »wegen der Zeile >Deutschland, einig Vaterland<.« »Und warum tun Sie's dann?« »Na, wären Sie sonst gekommen?«
40
Alles zum Wohle des Volkes
Klaus Möckel
1iseAIJaiH daeli dieA!
Was ist der Unterschied zwischen einer Berlinerin und einer Leipzigerin? Die Berlinerin geht einkaufen, die Leipzigerin geht auf Nahrungssuche.
Vor Zeiten lebte ein Mann, der drei Söhne hatte und nur eine Benzinkutsche. Die aber war sein liebstes Gut, und er behandelte sie besser als seine Frau. An einem Wochenende sprach er zu seinem ältesten Sohn: »Putz mir den Skoda, und zwar so, daß ich kein Fleckchen mehr dran sehe.« Der Sohn ging auch, obgleich etwas murrend, hinaus und reinigte das Auto nach allen Regeln der Kunst. Zum Schluß fragte er: »Na, Wägelchen, bist du schön sauber?« Das Auto erwiderte: "Besten Dank, war selten so blank, hepp, hepp!" Da glaubte der Bursche seine Arbeit getan. Als sich der Vater jedoch ein paar Stunden später am Anblick des frisch gewaschenen Wagens laben wollte und fragte: »Nun, liebes Auto, bist du gut geputzt?«, antwortete der Skoda: "Du mußt doch krank sein, wie sollt ich denn blank
sein, mal drübergewischt und weiter nischt!" »Was muß ich hören!« rief der Vater, der sofort hundert Streifen und Flecke im Lack zu entdecken glaubte, ging ins Haus und schimpfte mit dem Burschen. Und weil der mit gleicher Münze zurückzahlte, zankten sie sich so sehr, daß der Junge wenige Tage später die Familie verließ und sich in der nächsten Stadt Arbeit und ein Dach überm Kopf suchte. Vierzehn Tage später war der zweite Sohn mit Autowaschen dran, und es gab dasselbe Theater. ''Besten Dank, war selten so blank, hepp, hepp!" rief der Skoda, und später, als Antwort auf des Vaters Frage: "Du mußt doch krank sein, wie sollt ich denn
blank sein, mal drübergewischt und weiter nischt!" Da kam es denn zum Streit zwischen dem Vater und dem zweiten Sohn, und auch dieser verließ das Haus. Als das gleiche schließlich noch mit dem dritten Sohn passiert war und die Frau dem Mann zyrannei und Affenliebe zu einem toten Gegenstand vorwarf, der ihm mehr bedeute als die Kinder, wurde der Vater stutzig und wusch den Wagen selbst. "Besten Dank, war selten so blank, hepp, hepp!" sagte der Skoda zunächst, eine Stunde später aber schrie er: "Du mußt doch krank sein, wie sollt ich denn blank sein···" Da erfaßte den Mann die kalte Wut, und er gab dem Auto einen gewaltigen Tritt. Dabei brach er sich den großen Zeh, aber das war wirklich nur eine geringe Strafe für seinen Starrsinn und seine Dummheit. Nun hätte der Vater gern seine Söhne zurückgerufen, doch er wußte ihre Adressen nicht. Es blieb ihm deshalb nichts ande-
Alles zum Wohle des Volkes
res übrig als abzuwarten. So vergingen einige Jahre. Eines Tages jedoch kündigte der Älteste seine Rückkehr an. Er hatte in einem Textilkombinat gearbeitet und würde, wie er schrieb, eine einzigartige Neuentwicklung mitbringen. Aber dazu kam es nicht, die Umstände hatten sich gegen ihn verschworen. Es handelte sich bei der Erfindung um ein Spezitexgewebe, das, wenn man es über einen Tisch breitete und »Tischlein, deck dich!« rief, umgehend die schönsten Speisen und Getränke herbeizauberte. Mit diesem Tuch hätte der Bursche zu Hause durchaus Ehre eingelegt, wäre er nicht am Abend vor seiner Abreise noch im Restaurant »Weinkeller« eingekehrt. Dort wollte man ihm nämlich eine halbe Stunde vor Küchenschluß nichts mehr zu essen geben, und da half er sich kurzerhand mit der Tischdecke aus. Der Objektleiter, der das mitbekam, witterte eine große Chance. Nie mehr würde er seinen Gästen Kochfleisch als Rinderfilet unterjubeln und zerkleinertes Schnitzel als Schweinelendehen servieren müssen, wenn er einen Hunderter für die eigene Tasche erwirtschaften wollte. Ein Tischtuch, das dem Zauberding zum Verwechseln ähnlich sah, hatte er im Wäscheschrank. Die beiden Stücke auszutauschen, als der Bursche einmal zur Toilette ging, war für ihn ein Kinderspiel. So kam es, daß der älteste Sohn zwar mit einem Tüchlein zum Vater zurückkehrte, sich aber ganz schrecklich blamierte, als er sein Kunststück vorführen wollte. Der zweite Sohn hatte in einem Fahrradwerk gearbeitet und wollte nun gleichfalls nach Hause. Auch er hatte eine Neuentwicklung im Besitz, einen schicken Drahtesel. Wenn man dem ein „Esel, streck dich!« zurief und dazu die Klingel betätigte, sprangen die Zehnmarkstücke nur so auf dem Asphalt herum. Wollte mans nicht so auffällig machen, konnte man auch Fünfzigmarkscheine aus der Lenkstange ziehen. Das Unglück brachte es mit sich, daß der Bursche am Abend vor seiner Abreise dieselbe HO-Gaststätte aufsuchte wie sein Bruder. Er dachte, sich für die letzte Nacht noch eine flotte Puppe zu angeln. Das gelang ihm nicht - er schaffte es nur, sich sinnlos zu betrinken. Auch hatte er, als es ans Bezahlen ging, nicht genügend Scheine in der Brieftasche. Doch dem ließ sich ja abhelfen. Er wankte zu seinem Rad und brabbelte seinen Zauberspruch. Donnerwetter, sagte sich der Objektleiter, der ihm vor die Tür gefolgt war, da brauchtest du ja nie mehr »Auslese« für sowjetischen Kognak auszugeben, nie Orangenjuice
41
»Durch die geniale Erfindung eines zweiten Ab tropfAufhängeLochs ist es gelungen, die Schallmauer des Weltniveaus zu durchbrechen.«
42
Alles zum Wohle des Volkes
mit Wasser zu verdünnen. Gedacht, getan - während der andere an der Bar einen letzten Whisky pur kippte, vertauschte er das Rad mitsamt dem Ständer, an dem es hing. Und geprellt wie sein Bruder kam der Bursche zu Hause an. Endlich meldete auch der dritte Sohn seine Heimkehr an, und die beiden älteren warnten ihn vor dem betrügerischen Gaststättenleiter. Denn daß sie im »Weinkeller« geprellt worden waren, hatten sie inzwischen begriffen. Klar, daß der Jüngste sich dorthin aufmachte, als er das Telegramm der Brüder erhielt. Er hatte in einem Werk gearbeitet, wo Haushaltgeräte aus Plast hergestellt wurden, und nannte eine Neuheit sein eigen. Einen Fleischklopfer, der die Eigenschaft besaß, auf den Ruf »Knüppel, aus dem Sack!« jegliches Fleisch zu bearbeiten, das ihm zugewiesen wurde. In der verdächtigen Gaststätte angelangt, bestellte der Bursche den besten Sekt und legte den Fleischklopfer, der hübsch rot und weiß gestreift Das Tuch servierte nur noch Abfälle, war, vor sich auf den Tisch. Der Objektleiter, der das Fahrrad produzierte Schuldscheine. sich mittlerweile an Gäste mit Wunderdingen gewöhnt hatte, trat auch gleich hinzu. »Sie haben da wohl einen kleinen Zauberstab, junger Freund?« sagte er scherzend: »Ganz recht, einen Zauberstab!« - »So, und was stellt man mit ihm an?« - »Das wirst du gleich sehen, Spitzbube!« rief der Bursche, »Knüppel, aus dem Sack!« Da sprang der Klopfer vom Tisch und machte sich vor den erstaunten Gästen und Serviererinnen über den Objektleiter her, daß der nicht mehr wußte, wo unten und oben war. »Was soll das heißen, was hab ich dir getan?« schrie der Geprügelte, »ruf ihn zurück, erwird mich noch umbringen!« - »Erst wenn du herausrückst, was du meinen Brüdern gestohlen hast - du weißt Bescheid.« - »Alles geb ich zurück, alles!« Der Bursche rief den Klopfer zurück; der Objektleiter, braun und blau geschlagen, holte Tuch und Drahtesel und händigte beides dem Gesellen aus. Auch bat er die Gäste, die sich einmischen wollten, händeringend, nicht nach der Polizei zu telefonieren. »Das laß dir eine Lehre sein«, sagte der Bursche und brachte die drei Wunderdinge am nächsten Tag seinen Brüdern und Eltern. Die sich freilich nicht lange daran erfreuen konnten -wie oft bei solchen Neuentwicklungen, stellten sich bald ernsthafte Mängel ein. Das Tuch servierte nur noch Abfälle, das Fahrrad produzierte Schuldscheine, der Klopfer wandte sich gegen den eigenen Herrn. Ein Glück, denn sonst wäre der älteste Sohn womöglich noch ein Vielfraß, der mittlere ein Falschmünzer und der jüngste ein Radaubruder geworden.
3. Ka
itel
letHtJH, IJetHtJH, 1toe1'11talJs IJer1teH Als wir Schüler und Pioniere waren Während der brave Schüler Ottokar von Geduld und Vertrauen der Lehrer zu den Schülerpersönlichkeiten ausgeht, setzt Peter Ensikat in der Rolle des stolzen Vaters ganz auf das Talent .seines Sprößlings, den er aber vorsorglich schon mal auf den heiklen Punkt hinweist, daß Spezialbegabungen nicht reichen, wenn die Durchschnittsnote nicht stimmt. Ein schulmäßig durchorganisiertes Studium macht Ernst Röhl zum Gegenstand seiner Glosse und spöttelt über das Freizeitverhalten der rund 130 000 Hochschul- und rund 170 000 Fachschulstudenten des Jahres 1980. Jochen Petersdorf kennt das ewige Dilemma des lustigen Studentenlebens: »Das Stipendium reicht nicht aus/ Lindencorso mit Likör,/ schwupp, schon ist der Beutel leer.« Lernen und sinnvolle Freizeitgestaltung verbinden, das war eine Grundregel, die auch für die Schüler der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen galt. Nicht nur an den Schulen selbst gab es zahlreiche Angebote an Zirkeln und Arbeitsgemeinschaften. In fast jeder Kreisstadt, in Großstädten in jedem Stadtbezirk, konnten Pioniere und Schüler Pionierhäuser besuchen und dort spielen und lernen. In Dresden diente seit 1951 die Albrechtsburg als Pionierpalast. 1979 wurde der neuerbaute Pionier-palast »Ernst Thälmann« in der Berliner Wuhlheide eröffnet.
44
Lernen, lernen, nochmals lernen
Peter Ensikat
lliiterlliel!ae A1tsprael!ae ... an ein überdurchschnittlich begabtes Baby Wo ist denn unser kleines Sonnenscheinehen? Da ist es jajajajaja! Nu gib sie mir doch mal rüber, Lisbeth! Ja, ich halte das Kind schon richtig. Bin ja schließlich dein Papi, nicht wahr, mein Täubchen? Aber wer wird denn gleich weinen? Dadadadada! Dudududududu! Dididididi! Siehste, schon lacht sie wieder! Das hab ich doch gleich in der Klinik gesehn, daß du die Schönste bist von allen. Deine Mutter fand dich ja auch schön, aber sie urteilt immer nur ganz subjektiv. Ich habs sofort objektiv gesehn. Weißt du, was du mal werden kannst? Naß ist sie. Ich denke, du hast sie eben trockengelegt, Lisbeth? Nu laß man, ich kann ja ne Windel unterlegen. Ich hab nämlich mit Sängerin könntest du mit deinem schönen Stimmchen dem Kind zu reden. Was verauch werden, und wenns nur Opernsägerin ist. steht sie noch nicht? Alles verstehst du, mein Täubchen. Stimmts? Nu sei doch mal still, Lisbeth! Was meinst du, warum das Kind jetzt schon wieder schreit? Aber, aber, was sollen denn die Tränchen? Bin ich nicht dein lieber Papi? Na, siehst dudududududu, dadadadadada, dididididi! Schon lacht sie wieder. Das Kind versteht nämlich jedes Wort. Man muß nur richtig mit ihm ... Nununununu, nanananana, ninininini! Wenn es nach Schönheit ginge, würdest du bestimmt mal mimimimimi . . . mamamamama . . . Mannequin, oder sogar Schönheitstänzerin könntest du werden. Nu laß doch mal, Lisbeth! Sie weiß ja noch gar nicht, was Schönheitstänzerin ist. Außerdem gibts das ja bei uns nicht. Nicht weinen, mein Täubchen! Intelligent bist du ja auch. Dafür hab ich einen Blick. Jajajajaja! Und wie geschickt du schon in die Luft greifst! Wo ist denn die Luft? Ja, da ist die Luft! Blumenbinderin könntest du auch werden bei deiner Geschicklichkeit. Red doch nicht immer dazwischen, Lisbeth. Ich mach ja bloß Vorschläge. Von mir aus kann sie auch Chirurgin werden. Was hat denn unser bababababa, bibibibibi, bububububu! Ich erschrecke das Kind doch gar nicht, Lisbeth! Am besten du gehst mal raus, damit sie endlich zur Ruhe kommt. Ich muß sowieso mal ernsthaft mit ihr sprechen. Das Kind soll doch was von seinem Vater haben.
Lernen, lernen, nochmals lernen
Na endlich! Jetzt ist sie weg, die olle Mamamamama. Da brauchst du doch nicht mehr weineweine zu machen. Komm, ich leg dich so lange ins Bettchen, damit ich die Hände frei hab zum Reden. Weißt du, als Papi macht man sich ja schon frühzeitig Gedanken um die Zukunft seiner kleinen Lieblinge. Deine großen Brüder haben dadurch auch schon einen ziemlich guten Durchschnitt in der Schule. Nicht gleich wieder schrein. Du kriegst auch mal einen sehr guten Durchschnitt, mindestens einskommadrei-deideidei! Ja, mach die kleinen Äugelein ruhig zu, dann kannst du mir besser folgen. Das ist nämlich so, mein Herzchen, wenn du erst größer bist, kommst du zur Schule, und da darfst du dann alles lernen, was sie dir beibringen, die lieben Lehrerehen. Schreiben und lesen und Mathematiktiktiktiktik. Darauf freust du dich schon, stimmts? Aber damit ist es ja nicht getan. Nun ja, schreiben und lesen und rechnen mußt du natürlich sehr schnell lernen. Aber wenns so richtig drauf ankommt, kommts auf den Durchschnitt an, dududududu! Durchschnitt, das ist das Ganze. Sport, Lesen, Mathematik und Biologie und Geschichte und Musik ... Jajajajaja! Sängerin könntest du natürlich auch werden mit deinem schönen Stimmchen, und wenns bloß Opernsängerin ist! Aber das geht natürlich nur, wenn du auch immer fein rechnen und turnen und russisch und zeichnen und schreiben und technisch zeichnen lernst, damit dein Durchschnitt ... Ohne Durchschnitt kannst du nämlich gar nichts werden. Aber dududududu wirst schon einen guten Durchschnitt schaffen. Weißt du, dein Papi hatte auch immer einen guten Durchschnitt. Sonst hätten wir beide ja jetzt nicht das schöne Kinderzimmer und das große Auto und die liebe Mama mit den vielen lustigen Kleidern. Mein Bruder, der jetzt dein lieber Onkel ist, hatte ein großes Talent zum Basteln. Deshalb wollte er Autoschlosser werden. Aber mit der Drei in Deutsch und Geschichte und der Vier in Musik ... Aber, aber, wer wird denn da gleich wieder weinen! Dein Onkel ist nachher ein sehr gesuchter Klavierstimmer geworden. Denn dafür hat sein Dudu-
45
"Wenn er mal Medizin studieren soll, muß er ein bißchen üben!«
46
Lernen, lernen, nochmals lernen
dududurchschnitt gereicht. Daß er nicht so musikalisch ist, haben sie erst bei der Abschlußprüfung gemerkt. Und da wars natürlich zu spät, weils doch so wenig Klavierstimmer ... Mimimimimi! Bei uns wird jeder immer das, was er mit seinem Durchschnitt verdient. Und damit du später mal in Sport nicht versagst, darfst du nicht alles futtern, was dir die liebe Mami reinstopft, mein Häschen. Immer fein aufpassen. Vielleicht willst du mal Mathematik studieren, und dann bist du so dick, daß du dir mit deiner Sportzensur den ganzen Durchschnitt verdirbst! Nein, nein, nein, nein, nein! Wegen Zeichnen mußt du keine Angst haben. Da kann ich dir die Bildchen malen, damit du keine schlechte Zensur kriegst! Aber turnen mußt du selber und singen. Weißt du, Talent haben kann jeder. Aber einen Durchschnitt von einskommanullullullullull, da müssen wir alle mitmachen. Und da darfst du auch nie einem anderen vorsagen oder jemanden von dir abschreiben lassen, weil der sonst vielleicht auch so einen guten dududududu ... Und dann darf der studieren, und du wirst nachher, Baubaubaubaubau ... Was ist denn los? Schläfst du etwa, mein Kind? Lisbeth! Komm doch mal! Deine Tochter schläft einfach ein, während ich ihr ... Ach was, das Kind ist doch nicht mehr zu klein mit seinen vier Monaten. Naja, zum Glück ist sie ja ein Mädchen. Vielleicht sieht sie später wenigstens mal gut aus und findet einen Mann, der einen guten Durchschnitt mit in die Familie bringt!
BiHs, zwei, drei ... . . . vier, fünf, sechs, sieben Schüler, die fast sitzenblieben, wurden nicht gescheiter, und kamen trotzdem weiter. Der Grund ist gar kein mystischer, sondern ein statistischer.
Peter Ensikat
Lernen, lernen, nochmals lernen
47
Ernst Röhl
N OH "ita, sod eoßa Im Anschluß an das Seminar Transzendente Relevanz kam unsere FDJ-Versammlung zum Thema Verschulung zur Durchführung. Es kann eingeschätzt werden, daß die Diskussion einen schöpferisch-turbulenten Verlauf nahm. Alle Jugendfreunde brachten erstmalig ihre ganz persönliche Meinung zum Ausdruck, noch dazu auf jugendgemäß rustikale Art, die sich durch wohltuende Spontaneität auszeichnete. Wrr werden die nötige Spontaneität künftig nicht mehr dem Zufall überlassen, sondern gesetzmäßig organisieren, damit sie so richtig spontan wirkt. Unser Seminarsekretär Atze Toffehn, der auf dieser Beratung persönlich unter uns weilte, zog in seinen einleitenden Ausführungen eine stolze Bilanz des Erreichten. Als gewichtigen Schwerpunkt, der uns gerade noch gefehlt hat, führte er die Durchschnittsnote an, die jeder Student durch intensives Studium erhöht beziehungsweise senkt. Als besonders positiv hob unser Atze die kompromißlose Arbeit mit der Anwesenheitsliste hervor, durch die mit optimalster Präzision ausgewiesen wird, daß alle Freunde anwesend sind, die Abwesenden nicht ausgenommen. Er führte weiter aus, daß wir mit Erfolg dem Abschreiben in Klausuren den unerbittlichen Kampf angesagt haben, da das Abschreiben den Angehörigen des Lehr- und Forschungskörpers vorbehalten bleiben muß, und zwar für wissenschaftliche Publikationen. Stabülisiert hat sich während des laufenden Studienjalrrs das Frage-Antwort-Spiel im Seminar, das den lästigen Meinungsstreit ins gesellschaftliche Abseits stellt. »Redet nicht, studiert lieber!« - mit eindringlicher Stimme zitierte unser Atze diese treffenden Worte unseres Hausmeisters. Das alles ist ein schöner Anfang. Trotzdem rief er in seiner Funktion als gewählter Vertreter des Kollektivs zur Wahrnehmung der Interessen der staatlichen Leitung und der Studenten unser Seminarsekretär, der sich stets, ständig und schonungslos Gedanken darüber macht, wozu wir uns verpflichten könnten, das Kollektiv dazu auf, Vorschläge zur noch hundertprozentigeren Durchsetzung der Verschulung zu unterbreiten. Dankbar aufgegriffen wurde die Idee von Chris und Frank, den Seminarraum in Klassenzimmer umzubenennen und mit einer
Unterhalten sich zwei Kinder in Berlin über die Mauer hinweg. »Meen Oller wiegt zwei Zentner!" sagt der Westberliner. »Meener sogar drei!« sagt der Ostberliner. »Ja, aber Ost!«
48
"Na, das klappt ja, als ob wir es schon oft geübt hätten!"
Lernen, lernen, nochmals lernen
Losung zu schmücken. Frank, unser Sprachgenie, schlug als Lösung die folgende Losung vor: NON VITA, SED COLA DISCIMUS! - Das ist griechisch-römisch und heißt: Nicht für eine Vita, sondern für eine Cola lernen wir. Von dieser alkoholfreien Losung inspiriert, schlug Ulf-Olaf, der kühle Blonde aus dem Norden, für die Mensa eine Losung vor: VERDAUEN IS JUT, NE MOLLE IS BESSER! Diese Losung wurde jedoch abgelehnt, und zwar wegen elitären Akademismusses. Um das enge Band von Hochschule und Elternhaus noch enger zu schnallen, schlug Atze die sofortige Bildung eines Elternaktivs vor. Sicherlich werden es die aktivsten Vatis nicht ablehnen, den einen oder anderen oder gar alle Hörsäle malermäßig instand zu setzen. Anton regte die Einführung von Mitarbeitspunkten und Fleißbienchen an. Um abrechenbare Werte für die Ordnungszensur ermitteln zu können, werden sich Mappenkontrollen nicht länger umgehen lassen. Liebesbriefe, die unter den Bänken umherwandern und nur vom Unterricht ablenken, werden zum Zwecke der Veröffentlichung dem Kinderbuch-Verlag übergeben. Freudig begrüßt wurde die alsbaldige Durchführung eines Wandertages, der uns in den Tierpark und nicht in Clärchens Ballhaus führen wird. In die Zukunft weisen die Gedanken, die sich unser Kollektiv um die Neuimmatrikulierten machte. Damit die Studienanfänger gefahrlos die Straße vor dem Sektionsgebäude überschreiten können, werden Studentenlotsen gestellt. Der scharfen Ablehnung allerdings verfiel das Vorhaben, den Neuimmatrikulierten in feierlicher Form Zuckertüten zu überreichen, in denen außer Dauerlutschern und Kaugummi durchaus auch schon ein erstes Quantum Pflichtliteratur mit Schwerpunktangaben zu finden sein könnte. Nichts gegen Pflichtliteratur und gegen Zuckertüten als solche, so argumentierte unser Seminarsekretär, Süßigkeiten aber, so unterstrich er, gehen entschieden zu weit. Und er fügte wörtlich hinzu: »Schließlich sind unsere Studenten erwachsene Menschen! «
»Wer sieht denn zu Hause Westfernsehen?« fragt der Lehrer. Niemand meldet sich. Der Lehrer hakt nach. »Und du, Fritzchen?« - »Nein, ganz bestimmt nicht. « - »Mal ehrlich „ .« - »Nun ja«, gibt Fritzchen zu, »ganz selten, montags, zum alten Film, da schalten wir mal um!«
fand in der Klasse 7 der Er!ch- Wel.nert-Oberscl>ule Krie9chow eine Elsternversammlune sta~. an der die JWlgen der Klasse teilnahmen. Einfe-
.Nachdem ich euch gestern gezeigt habe, wie man meißelt, könnt ihr nun heute selbst mal •. . 1•
Lernen, lernen, nochmals lernen
50
Ottokar Domma
Sehr wichtige Eigenschaften unserer Lehrer sind, daß sie Geduld und Vertrauen zu den Schülerpersönlichkeiten haben. Manchmal ist es ja noch umgekehrt. Wir haben Geduld und vertrauen ihnen, daß sie eines Tages mit uns fertig werden. Dazu ein paar Beispiele: Eines Tages hat sich unsere Pioniergruppe vorgenommen, den Schulpark und den Appellplatz zu säubern. Das war an einem schönen Märztag. Der Schnee war weggetaut und hinterließ allerhand Dreck: Schachteln, Papierehen, einzelne Handschuhe und Schals, Schnapsfläschchen, verlorene Schlüssel, eine zerzauste Perükke und andere Lehrmittel. Eigentlich macht es keinen Spaß, den Mist der anderen wegzuräumen, aber einer muß ja mal den Anfang machen. Wir riefen auf, und alle kamen. Nur die faule Mia hat sich wieder gedrückt. Aber unser Klassenlehrer, der Herr Burschelmann, ließ es sich nicht nehmen, uns zu beaufsichtigen. Er wollte uns gerade zeigen, was eine Harke ist, da hielt vor dem Zaun ein Wartburg, Die Mutter von der faulen Mia stieg aus. Sie hatte einen schwarzen Diskoluk an mit drei Ketten. »Auch das noch!« stöhnte der Herr Burschelmann, aber er verbesserte sich gleich, indem er seine Taschen abklopfte und brummte: »Jetzt hab ich auch noch meinen Kugelschreiber vergessen!" Den brauchen Sie nicht, sagten wir, denn so schnell wie Mias Mutter spricht, kann kein Mensch mitschreiben. Der Herr Burschelmann ging ihr entgegen, und sie setzten sich auf eine Bank. Der Pillenheini meinte: »Das gibt Hämorieten!« Während ich die Arbeit einteilte, war die Diskussion dort schon im Gange. Der Herr Burschelmann saß bald am Ende der Bank, weil ihm Mias Mutter immer näher rückte und auf sein Gesicht einsprach. Als wir den Park fertig hatten, guckte der Herr Burschelmann schon ganz nervös auf die Uhr, und er erhob sich. Der Schweine-Sigi murmelte: »Wenn er jetzt auf die Toilette geht, ist er gerettet!" Aber die anderen sagten, das hat keinen Zweck. Mias Mutter wartet vor der Tür auf ihn. Als wir die Blumenbeete geharkt hatten, rief der Herr Burschelmann uns zu, er kommt gleich und sagt uns, wie es weitergehen soll. Aber er konnte nicht kommen, weil ihn Mias Mutter anfaßte und hin und her schob. »Das steht er nicht durch«, flüsterte der Harald, »wir müssen was unternehmen!«
Lernen, lernen, nochmals lern e n
Es gab verschiedene Vorschläge. »Feueralarm!« - »Telefon!« »Das glaubt die ja doch nicht!« Die brave Bärbel schlug vor: , "Was haltet ihr davon, wenn ich umfalle? Ohnmacht kann ich ganz gut." Die Idee war nicht schlecht, aber der lange Schücht zeigte einen Vogel. »Denkste! Die fährt dich gleich zur Poliklinik und nimmt den Herrn Burschelmann mit!" Inzwischen waren wir mit der Arbeit fertig und räumten die Werkzeuge weg. Und plötzlich hatte ich eine Idee. Ich kletterte über den Zaun und rief von dort: »Herr Burschelmann! Im Konsum gibts frische Erdbeeren!« Da verabschiedete sich Mias Mutter ganz schnell und fuhr los. Der Herr Burschelmann war ganz blaß und mehr geschafft als wir, aber er hatte noch die Kraft, mich zu fragen: »Seit wann gibt es denn im März schon frische Erdbeeren?« - »Seit zwei Minuten«, sagte ich. Der Herr Burschelmann zuckte ein bißchen, kontrollierte die Arbeit und meinte: »Na ja. Kontrolle ist gut, aber Vertrauen ist besser. Wozu braucht ihr mich eigentlich?« Das war ein großes Lob für uns, und wir lobten ihn auch und sagten: »Na ja, Ihre Geduld war auch nicht schlecht, aber ein dickes Fell wäre für Sie besser. Dazu helfen wir Ihnen!« Das zweite Beispiel: Es gibt in unserer Klasse die Sonja Zunder. Die Sonja ist seit der vierten Klasse nur mitgeschleppt worden, weil sich einige Lehrer nicht trauten, sie sitzen zu lassen. Dabei ist ihr Vater gar keine hochgestellte Persönlichkeit, nicht einmal Verkäufer für Autoersatzteile, sondern Friedhofsverwalter. Als solcher bevorzugt er keinen. Sein Spruch lautet: »Nicht drängeln, es kommt jeder dran, habt Vertrauen!« Auch der Herr Burschelmann war schon bei ihm, doch Sonjas Vater meinte, in Mathematik kann er ihm nicht helfen. Aber wenn seine Tochter ein paar Extrastunden bekäme, würde er dem Herrn Burschelmann ein schönes Plätzchen aufheben. Es half alles nichts. Auch ich war ein paar Wochen Sonjas Pate. Aber statt zu üben, erzählte sie mir dauernd, welche Jungs ihr in den oberen Klassen gefallen. Ich wollte mit ihren Entwicklungen nichts zu tun haben und ging zu unserer Lehrerin, dem Fräulein Heidenröslein. »Was kann man dagegen tun, wenn sich die Sonja nur für entwickelte Jungs interessiert und nicht für Mathematik?« Das Fräulein Heidenröslein zog einen schlauen Mund und erwiderte: »Jetzt haben wirs.« Ich wußte nicht, was sie hat, aber zwei Tage später sah ich entwickelte Jungs bei der Sonja ein- und ausgehen. Doch nach einer Woche sagten sie zum Fräulein Heidenröslein: »Es hat keinen Zweck. Uns hat die Sonja zwar aufgeklärt, aber für Mathe hat sie keine Lust.«
51
Der Lehrer fragt in der Schule nach der Größe des Sozialismus. Fritzchen meldet sich: »l,70 Meter«, sagt er. Der Lehrer, verwundert: »Wie meinst du das?« Fritzchen: »Nun, mein Vater ist 1,80 Meter und - gestrichene Hand unter der Nase - sagt, der Sozialismus steht ihm bis hier!«
52
"So, nun kann Ullis Kl.assenlehrer kommen.11
Lernen, lernen, nochmals lernen
Jetzt hätte das Fräulein Heidenröslein ihre Geduld wegschmeißen können, aber nein, sie dachte über neue Geheimwege nach. Und eines Tages arbeitete die Sonja in Mathematik mit und verbesserte sich langsam. »Wie haben Sie denn das geschafft?« fragte der Herr Burschelmann in einer Pause das Fräulein Heidenröslein. »Ach«, sagte sie, »wußte denn keiner, daß sie ein Schlagerfan ist? Sie war ganz scharf nach einem Foto von den Puhdys. Da besorgte ich eins und schrieb hinten drauf als Puhdys: >Sonja, liebes Mädchen, wir erfuhren, daß Du sehr gut lernst, sogar in Mathematik. Mach weiter so, dann bekommst Du zum Abschluß von uns eine LP. Tschüs, Deine Puhdys!«• Der Herr Burschelmann sah das Fräulein Heidenröslein sträflich an. Sie wurde rot und meinte: »Aber irgendwas mußte ja geschehen! Das Problem besteht nur darin: Wo krieg ich jetzt die LP her?« Ich glaube, das kriegen wir auch irgendwie hin. Viel schwieriger ist, wie wir den Schweine-Sigi von seiner Vier in Russisch runterbringen. Ich hab ja noch ein Foto von Sigmund Jähn. Vielleicht schreibe ich hinten drauf: Schweine-Sigi, du Teufelskerlchen, weil Du so gut Russisch kannst, nehm ich dich beim nächsten Kosmosflug mit. Dein Freund Sigi Jähn. Aber wie ich den Schweine-Sigi kenne, antwortet er: Was soll ich im Kosmos! Ferkel sind mir lieber. Und nun zum Schluß noch ein drittes Beispiel: Wenn im Unterricht beim Herrn Kurz einer nicht gleich kapiert, fängt Herr Kurz an zu drängeln, und wenn er drängelt, kommt man erst recht durcheinander, und wenn man durcheinander ist, fällt einem überhaupt nichts mehr ein, und wenn einem nichts mehr einfällt, macht man ein blödes Gesicht, oder grinst, und wenn man grinst, darf man sich gleich setzen und hat eine Fünf weg, und wenn man eine Fünf weg hat, hängt sie einem an, und wenn sie anhängt, versaut sie die Durchschnittszensur, und die Durchschnittszensur kommt aufs Zeugnis, das Zeugnis lesen die Eltern, und die Eltern sagen: Jetzt reichts aber, unsere Geduld ist zu Ende! Was lehren uns diese Beispiele? Sie lehren uns: Mit Geduld dauert die Entwicklung etwas länger, und ohne Geduld geht sie schneller, und der Friedhofsverwalter Herr Zunder kann dann wieder sagen: »Nur nicht drängeln, es kommt jeder dran, habt Vertrauen!«
Lernen, lernen, nochmals lernen
53
Jochen Petersdorf
Gaudeamus igitur, Benno Schulz hats Abitur! Gaudeamus igitur, Benno Schulz hats Abitur. Und er hats nicht nur alleene, insgesamt sinds Stücker zehne, Studienplätze hamse keene, denn sie wolln besonders scheene.
Benno Schulz will sich zerstreun, und er schaltet's Femsehn ein. Anfangs tänzeln ein paar Kerls, später krähn die Knüller-Girls. Benno traut kaum seinen Oogen, Zwei davon sind Pädagogen, und er kriegte fast Komplexe denn nun warn sie nur noch sechse.
Und sowohl die Chirurgie als auch Gynäkologie, selbst die Filmakademie sind besetzt und voll wie nie. Da sprach Benno Schulz zur Meute: Laßt die Sorgen fahren, Leute, macht das Herz euch nicht noch schwerer; pfeift auf alles, werdet Lehrer!
Gaudeamus, ei der Daus! Das Stipendium reicht nicht aus. Lindencorso mit Likör, schwupp, schon ist der Beutel leer. Zwei von Bennos Seminar leiten heut ne Konsum-Bar, ham 'nen Fiat vor der Türe und belächeln mild die viere.
Gaudeamus, dideldum! Bald war ein Semester rum. Benno zählte die Getreun, sieh, da warens nur noch neun. Nämlich einem war selbst Mathe zu politisch, darum hatte er sich still und leise abgesetzt. Beim Theater spielt er'n Zeitstück jetzt.
Viere sinds schon lang nicht mehr. Einer ging zum Kraftverkehr, einer steht in Brot und Lohn auf dem Spielfeld von Union. Einer kennt schon halb Europa, denn er ist bei der Mitropa und er braucht auch kein Examen übrig blieb nur Benno - Amen.
Gaudeamus, trallalla! Wozu ist die Jugend da? Fragte sich die Edeltraut, Sie war rundrum schön gebaut. Und so trieb sie eifrig nächtlich ihre Studien auch geschlechtlich, bis das Glück im Körbchen lachte. Peng, da warens nur noch achte.
Ein kleines Lehrerlein, das steht nun ganz alleene und bringt mit einer Pferdekur die Klasse glatt durchs Abitur und sagt: Ihr werdet Lehrer nur, dann ham wir wieder zehne! Dann ham wir wieder zehne!
54
Lernen, lernen, nochmals lernen
Jochen Petersdorf
Aus der Volkshochschule geplaudert »Verzeihen, Herr Nachbar, ist bei Ihnen hier noch 'n Plätzchen frei?« »Bitte schön, Hauptsache, Ihr Rüde läßt meine Hosenbeine ungeschoren. Eigentlich müssen Hunde ja draußen bleiben. Oder irre ich mich?« »Keineswegs, Herr Nachbar. Aber der Wirt ist mein Schwager. Deshalb drückt er ein Auge zu. Ich hoffe, Sie sind auch tolerant.« »Natürlich, Kollege. Bin ja schließlich 'ne Art Kynologe.« »Was Sie nicht sagen! So ein ZuVielleicht kann man einen neuen Zirkel ins Leben fall. Ich bin Schmalfilmer.« rufen: Unsere Heimat mit den Hühneraugen gesehen. »Ich glaube, jetzt bringen Sie was durcheinander. Ich bin Hundefachmann, ums mal ganz lax und allgemeinverständlich zu sagen.« »Ach so. Auch nicht verkehrt. Was halten Sie von meinem Nero? Altdeutscher Schäferhund. Hat auf der letzten Hundeschau in Stötteritz SC eins gemacht.« »Das ist ein Skandal! Der verdient, allein vom Haar her gesehen, nicht mal SC drei." »Wolln Sie mich beleidigen?« »Keineswegs. Ich hab mich ja noch vorsichtig ausgedrückt. Sehn Sie doch mal das Geläuf. Der Rüde steht vom zu tief und hinten zu hoch. Und die Kruppe ist völlig verkorkst. Außerdem hat er noch die Wolfskrallen. Also, daß so was heutzutage noch durchgeht. Ich habe sogar den Verdacht, der ist Oberbeißer. Machense mal frei. - Na bitte! Das sind keine Schneidezähne, das ist 'n Steinbruch. Nee, mein Lieber, mit dem Tier könnse vielleicht fremde Hühner aus'm Garten scheuchen, aber für die Zucht is kein Blumentopp drin. Tut mir leid. So ist die Lage. Apropos Lage. Nehmse 'n Bier und 'n Korn?« »Ja danke. Obwohl Sie mich ganz schön zerschmettert haben. Aber eins muß man Ihnen lassen. Was Sie sagen, hat Hand und Fuß. Wo hamsen das eigentlich her, diese Bildung?« »Volkshochschule, mein Lieber. •Vom Zwergpinscher bis zum Riesenschnauzer. Der Hund, wie er weint und lacht - für Fortgeschrittene.< Vier Doppelstunden pro Woche.«
Lernen, lernen, nochmals lernen
»Das ist ja 'n Ding! So was lernt man in der Volkshochschule? Ich dachte immer, da kriegt man politische Ökonomie beigebogen oder Integral und Differenz." »Mama mia! Wo leben Sie denn?! Das waren die primitiven Anfänge. Die romantischen Gründerjahre. Inzwischen hat die Sache Profil. Na schön. Es gibt auch noch Sprachlehrgänge. Sogar allgemeinbildenden polytechnischen Lehrstoff kann man sich noch um die Ohren hauen lassen. Aber das is was für Außenseiter. Spitzenreiter belegen Lehrgänge für Web- und Knüpftechnik, für Keramikarbeiten, für vogtländische Handnäherei oder studieren die Kunst der Fuge.« »Verstehe, die Feierabend-Freimaurerei ist ja ganz schön im Sehwange.« »Üuatsch! Die Kunst der Fuge hat nichts mit Datschenbau zu tun. Die fällt in den Klavierunterricht." »Ach so. Und Klavierspielen lernt man nicht in der Musikschule oder im Kulturhaus, sondern in der Volkshochschule?« »Es geht so oder so, wie schon der Dichter spricht. Sie können mit 'nem leichten Knick in der Ehe entweder zum DFD-Beratungszentrum gehen oder einen Lehrgang in der Volkshochschule belegen. Und 'ne Exkursion auf die Burg Stolperstein inklusive Kaffeetafel macht nicht nur das Reisebüro, sondern auch···" »Verstehe, verstehe, auch die Volkshochschule. Ist das aber nicht ein wenig doppelt gemoppelt?« »Zweifellos. Diesbezüglich wäre sogar noch mehr drin. Gäbe es zum Beispiel den Zirkel •Wenn der Trabbi aber nun ein Loch hat - Tapezieren leicht gemacht<, könnten sich nach der eben genannten Praxis mit diesem Thema gleich fünf Institutionen auseinandersetzen - die Volkshochschule, die Urania, die Kammer der Technik, die Sonntagsschule des Verkehrssicherheitsaktivs vom Backwarenkombinat oder der Anglerverband." »Der Anglerverband auch?« »Selbstverständlich. Wer angelt denn heute noch zu Fuß! Und Pilzwanderungen veranstaltet nicht nur die Städtische Brauerei, sondern - Sie ahnen es - vor allem die Volkshochschule. Jetzt sind Sie platt, was?« »Allerdings. Da hätte mein Sohn Ulf-Uwe ja beinahe in der
55
"Tagsüber junktioniert's ganz gut, nur in der Nacht hapert's.11
56
Lernen, lernen, nochmals lernen
falschen Richtung gesucht. Der will nämlich das Abitur nachmachen.« »Nun ja. Solche Möglichkeiten bietet die Volkshochschule tatsächlich auch. Er muß eben ein bißchen suchen. Und wenn er genügend herumgewandert ist, kann er vielleicht gleich einen neuen Zirkel ins Leben rufen: •Unsere Heimat mit den Hühneraugen gesehen< ···" »Jetzt scherzen Sie aber etwas makaber. Ich finde das alles gar nicht so lächerlich. Was sagt denn eigentlich die Volksbildung dazu? Die örtlichen Volksvertretungen können sich doch die Sache nicht so entgleiten lassen." 11 Vom Armverband bis zum Kaffeewärmer alles Batik! Ist ja in den Volkshochschulen als Kunsterziehungsfach so unerhört in Mode gekommen.<<
»Tun sie ja auch nicht. Entgleiten kann einem doch nur, was man in der Hand hatte. Wenn zum Beispiel in Gera in einem Bezirkstagsbeschluß über die Aufgaben der Volksbildung nach dem IX. Parteitag der SED die Volkshochschulen nicht einmal erwähnt werden, dann sagt das wohl einiges.« »War das eben ein echter Fakt oder wieder eine Ihrer ju:xigen Übertreibungen?" »Das war echt. Ich hab einen entfernten Verwandten beim Eulenspiegel. Der sagt, sie hätten in dieser Richtung noch mehr auf Lager. Sie wollens bloß nicht so direkt hinblättern. Das sieht mitunter so nach Kritik aus." »Tja, sollte man denn solch eine Sache nicht mal kritisieren?« »Doch, doch. Aber Sie wissen ja: Die Leute sind oft sensibel. Wie sagt man so was am nettesten? Wissen Sie's?« »Nee. Aber vielleicht gibts zu diesem Problem irgendwo einen Zirkel in der Volkshochschule. Prosit!«
Was des Volkes Hände schaffen
58
Peter Ensikat
Wir sind fünf Brüder, aber keiner von uns ist Handwerker geworden. Darüber ist unser Vater nie ganz hinweggekommen, denn er hat ein kleines Häuschen am Stadtrand und zwei linke Hände. Die sich auf uns Söhne vererbt haben. Glücklicherweise werden aber bei uns alle Hände gebraucht, also auch unsere. Obwohl unsern Vater das wenig tröstet, sind wir fünf Brüder doch alle in verantwortungsvoller Stellung tätig. Zwar ist bisher keiner Direktor oder wenigstens Leiter einer Dienststelle geworden, aber so alt sind wir ja noch nicht, und auch als Pförtner hat man bereits Gelegenheit, wichtige Vorentscheidungen zu treffen. Schließlich entscheidet man da, wer das bewachte Gelände überhaupt betreten darf und damit natürlich auch das Direktionszimmer. Hinzuzufügen bleibt, daß der Pförtner noch der Geringste unter uns Brüdern ist. Er war immer ein bißchen mißgünstig, doch seit er in seiner Loge sitzt, wirkt er zu Hause Vor seinem Dienstzimmer befindet viel ausgeglichener. Er übt sein Amt natürlich sich ein Vorzimmer, in dem ihm die ohne Ansehen der Person aus, wie es so schön einfacheren Fälle abgenommen werden. heißt. Dafür kann ich mich persönlich verbürgen, denn als ich neulich in seiner Dienststelle zu tun hatte, wollte er meinen Ausweis sehen, obwohl er mich doch sofort hätte erkennen können, wenn es ihm darum gegangen wäre. Aber -wie gesagt - er übt seinen Dienst eben ohne Ansehen der Person aus, und folglich zählt für ihn nur der Ausweis. Da kennt er keine Verwandten. Der jüngste von uns Brüdern hatte es zu Hause nicht leicht, denn er war als Jüngster auch der Schwächste. Daher kommt es wohl, daß er noch heute von unbändiger Freundlichkeit ist und meint, keinen Menschen enttäuschen oder gar verärgern zu dürfen. Dabei sitzt er in einem Büro, das eigentlich dafür gemacht zu sein scheint, die Menschen zu verärgern oder doch wenigstens zu enttäuschen. Er ist bei der KWV beschäftigt. Wallte diese KWV nun alle Ansinnen, die an sie gestellt werden, erfüllen, müßte sie Mittel haben, die sie bei unseren niedrigen Mieten und der stabilen Handwerkersituation gar nicht haben kann. Also erfüllen kann auch mein Bruder längst nicht alle Wün-
Was des Volkes Hände schaffen
sehe, aber er kann den unabänderlichen Willen dazu zeigen und sich immer wieder energisch Notizen machen. Ich weiß nicht, wie oft er täglich bei der Zeitansage anruft, um mit Nachdruck das Nötige zu veranlassen und dem verärgerten Mieter das sichere Gefühl zu geben, daß von seiten meines Bruders alles Menschenmögliche getan wird. Manchmal fürchtet mein armer Bruder, er könnte irgendwann einmal der gleichbleibend freundlichen Zeitansagerin auf der Straße begegnen, und sie würde in ihm dann den Mann erkennen, der sie schon derartig zurechtgewiesen hat, daß selbst Klempnermeister ganz klein geworden wären. Aber da besagte Dame ja die Zeit rund um die Uhr ansagt, ist wohl die Gefahr gering, ihr vor ihrer Pensionierung auf der Straße zu begegnen. Auch der zweitjüngste unter uns Brüdern haßt nichts mehr als Herzlosigkeit und Bürokratie. Das sagt er jedem, der zu ihm kommt und eigentlich nur die Genehmigung für den Bau eines genehmigungspflichtigen Kaninchenstalles will. Unendlich ist seine Geduld, mit der er die Antragsteller von seinem Verständnis für ihr Anliegen überschüttet. Wenn er dann zum Schluß auch vom Antragsteller das kleine bißchen Verständnis dafür erwartet, daß seinem Anliegen im Moment noch nicht entsprochen werden kann, dann ist dieser Antragsteller meist so überwältigt von dem grenzenlosen Verständnis meines Bruders, daß er sich oft selbst zu fragen beginnt, wie er nur darauf kommen konnte, sich ausgerechnet in der augenblicklichen Situation einen Kaninchenstall bauen zu wollen. Auch wenn er eigentlich in der Sache nichts erreicht hat, kann er zu Hause doch von der herzlichen und verständnisvollen Atmosphäre berichten, in der die Gespräche im Büro meines Bruders verliefen. Nicht ganz so redegewandt ist mein ältester Bruder, obwohl er es am weitesten von uns allen gebracht hat. Denn vor seinem Dienstzimmer befindet sich ein Vorzimmer, in dem ihm die einfacheren Fälle abgenommen werden. Den Bürgern aber, die bis zu ihm durchdringen, gibt er zunächst einmal das Gefühl, daß ihnen hier zugehört wird. Geduldig schaut er den Bürgern in die Augen, und erst wenn sie zu ihrem Anliegen selbst kom-
59
60
Drei Zwickauer Kinder unterhalten sich. »Mein Vater«, sagt der erste, »arbeitet im Autowerk und taucht linke Kotflügel.« »Mein Vater«, sagt der zweite, »arbeitet auch im Autowerk und taucht rechte Kotflügel." »Mein Vater«, sagt der dritte, »arbeitet auch im Autowerk, aber er taucht nischt, er ist Parteisekretär."
Was des Volkes Hände schaffen
men, überfliegt das Gesicht meines Bruders ein bedauerndes Lächeln. Beinahe traurig läßt er die Menschen vor sich wissen, daß, wenn es nach ihm ginge, sich alles schnell regeln ließe. Aber da gibt es eben Gesetze und deren Durchführungsbestimmungen, und was darin festgelegt ist, mag zwar im Moment ein wenig hart klingen, ist aber unabänderlich. Natürlich ist es völlig ausgeschlossen, ein Gesetz anders auszulegen, als mein Bruder dies tut, denn er kennt sie auswendig und vermag sie dem Bürger freundlich, aber prinzipienfest ins Gesicht zu sagen. Nie liegt irgend etwas an meinem ältesten Bruder. Immer sind es die Gesetze. Er bedauert unendlich. Ich selbst habe nicht die Begabungen meiner Brüder. Trotzdem sagt man gerade von mir, ich sei fast überall einsetzbar. Denn wenn zu mir jemand kommt, so gestehe ich sofort meine totale Inkompetenz ein, indem ich jeden, der da etwa Beschwerde führen will, sofort davon unterrichte, daß ich nicht zuständig sei. In aller Bescheidenheit verweise ich ihn in das Nebenzimmer, in dem ein ebenfalls unzuständiger Stiefbruder die weitere Verschickung des Beschwerdeführers übernimmt. Sollte einer von denen, die ich da weitergeschickt habe, Kraft und Intelligenz genug aufbringen, um bis zu mir zurückzugelangen, so bedaure ich unendlich die Verantwortungslosigkeit und Faulheit meiner eigentlich zuständigen Kollegen und nehme den Fall auf, natürlich nur als völlig Unbeteiligter, der eben nur seinen guten Willen zeigen möchte. Mit dem Versprechen, die Angelegenheit weiterzugeben, auch wenn dies durchaus nicht in meinen Verantwortungsbereich fällt, ernte ich so manches freundliche Dankeswort und rette damit das Ansehen meiner Institution. Nun werden Sie vielleicht fragen, was ist an dieser Familie eigentlich so bemerkenswert? Ich gebe zu, wir fünf Brüder und auch der kurz erwähnte Stiefbruder sind nichts Besonderes. Aber man hat uns lange nachgesagt, wir würden bald das Zeitliche segnen. Das halte ich für unwahrscheinlich. Meine Brüder und ich, wir erfreuen uns bester Gesundheit. Und glücklicherweise ist die Lebenserwartung hier und heute nicht nur hoch, sie steigt sogar ständig, so daß wir trotz unserer linken Hände das sichere Gefühl haben, noch eine Weile gebraucht zu werden.
Warum gehen die Direktoren der volkseigenen Betriebe nicht mehr in die Kantine? Sie können das Wort Mittag nicht mehr hören.
Jeder. der alc:h an der Gemein· schattaanlaae · beteill&t, wird durchschnittlich 50 Glste misten. Wie öffnet ein Polizist eine Fischbüchse? Er klopft an und ruft: »Aufmachen. Deutsche Volkspolizei."
»Nächstes Jahr werden die Streichhölzer teurer.« »Wieso denn das?« »Der Gebrauchswert ist erhöht worden. Die Köpfe sind dann an der anderen Seite.«
„Du sollst mal zum Chef kommen."
Was des Volkes Hände schaffen
62 Hanskarl Hoerning
Anfrage an den Sender Jerewan: »Was passiert, wenn der Sozialismus in der Sahara eingeführt wird?« Antwort: »Die ersten zehn Jahre passiert gar nichts. Dann wird allmählich der Sand knapp.«
S: Prost, mei Schorschl. H: Prost, mei Karle. S: Ich hab immer noch keene Einbauwanne für meine Salpeterwohnung. H: Kannst ja mal eene umlagern. S: Was kann ich? H: Eene umlagern. S: Das versteh ich nicht. H: Na pass mal off, mei Karle. In meinem Betrieb, da konnten se jetzt ne hochwichtige Exportmaschine nich zusammenmontieren, bloß, weil e paar passende Schrauben nich da warn. S: Und warum warn keene da? H: Der Planungsleiter hatte zu wenig angefordert. Der hatte n bissel de Übersicht verlorn. S: Un wer de Übersicht verlorn hat, soll wenigstens n Mut zur Entscheidungen ham. H: Genau. S: Un was habt ihr nu entschieden? H: Also erschtmal, damit wertvolle Arbeitszeit nich sinnlos verplempert wird, da ham wir entschieden, Skat zu spieln. S: In der Arbeitszeit? H: Nu, eh wir rumstehn. Und dann hatte unser Brigadier enne Idee. Am nächsten Tag warn die Schrauben da. S: Wo habt ihr die denn off eenmal hergehabt? H: Ausm VEB, der bei uns um de Egge rum is. Da lagen die massenweise rum. S: Ach, die ham se wohl nich gebraucht? H: Oja, die brauchen se ooch. Bloß, die hatten keen Platz zum Lagern, und da lagen se eben so rum. S: Und ihr habt se einfach weggenomm? H: Einfach wars nich, aber sis geloofen. Weeßte, wir sind hinten rein, wo das Loch im Zaun is. S: Un nu könn die nich weiterarbeiten, weil bei denen die Schrauben fehln, die ihr geklaut habt. H: Nich geklaut, umgelagert ham wir se. Das is de sossijalistsche Inderbredadziohn von klaun. S: Na, wenn se das überall so machen, da kann ja nischt klappen.
Was des Volkes Hände schaffen
H: Bei uns klappt ooch nischt, bloß -wir könn nich überall sein. Prost, mei Karle. S: Prost, mei Schorschl. Habt ihr euch denn wenigstens verpflichtet, daß sich mal was ändert? H: Verpflichtet? Schon paarmal, immer, wenn e passender Anlaß da war, e Jahrestach oder so. S: Un wozu habt ihr euch diesmal verpflichtet? H: Also erschtmal hat sich Sauf-Jakob verpflichtet, sein Arbeitsplatz sauber zu halten. S: Na da is doch ne Selbstverständlichkeit. H: Fast jede Verpflichtung is ne Selbstverständlichkeit. S: Na da brauchste dich ja nich erst zu verpflichten. H: Das mußte sogar. Was willstn sonst in dn Wettbewerbsbericht neinschreiben? S: Haste ooch wieder recht. Un wer hat sich noch verpflichtet? H: Streber-Paule. Der hat sich verpflichtet, nich mehr so viel zu arbeiten. S: Ich hör wohl nich recht? H: Der sagt, wenn er soviel arbeitet wie er, macht er viele Fehler. Un wenn er nu weniger arbeitet, sagt er, macht er ooch weniger Fehler. S: Da kann er ooch gleich sagen, wenn er gar nich arbeitet, macht er überhaupt keene Fehler. H: Das meint er ooch damit. Wer keene Fehler macht, sagt er, der hat Offstiegschancen. S: Ihr seid ne feine Truppe. Hat sich noch jemand ... ? H: Ich, mei Karle. Ich hab mich verpflichtet, zu sparn. S: Koste es, was es wolle. H: Genau. Un Bagger-Elli, die hat sich verpflichtet, e Instrument zu lem'n, Flöte. S: Flöte? Schön. H: Nich schön, quer. Querflöte. S: Dazu hat sie sich verpflichtet? H: Zu Ehrn des jeweiligen Anlasses! Un nu geht die flöten. S: Mensch, da habt ihr ja ganz schön was vor. Kommt ihr denn da überhaupt noch zum arbeetn? H: Wenns ne Prämie zu verteiln gibt, da sin wir schnell vomedran. Also zweemal im Jahr. S: Na ja, mei Schorschl, Hauptsache, de Arbeet macht Spaß. H: Der Mist is bloß: De meisten vertrachn keen Spaß.
63
»Aber diese Neuentwicklung ist moderner, leichter, effektiver. Was riskieren wir denn dabei?« 11Eine Produktionsumstellung!«
Was de s Volkes Hände schaffen
64
Jochen Petersdorf
ArOoitszoillJOHÖssisellaos Es geschah vor vielen hundert Jahren. Oder noch früher. Da saß der große Erfinder Kam-Schat-Ka, nach dem später übrigens auch die gleichnamigen Krebse benannt wurden, auf einem Baumstamm und dachte. Die Sonne stach mächtig und stand auch im Zenit. »Hei nun«, rief da der große Kam-Schat-Ka. »Es wird Zeit, daß ich mal wieder was erfinde.« Daraufhin wälzte er einige Gedanken und erfand die Arbeitszeit. Damit hätte er eigentlich wieder für eine ganze Weile zufrieden sein und der Ruhe pflegen können. Aber er war rastlos. »Was nützt die schönste Erfindung«, so meinte er, »wenn sie nicht unter die Leute kommt und ausgenutzt wird.« Deshalb erhob er sich und schritt zu Tale. Wobei Man darf die Arbeitszeit nicht nur zum Fummeln er so ganz nebenbei das Volkslied benutzen, man muß sie auch ausnutzen. »Wohlan, die Zeit ist kommen« erfand und auch gleich sang. In der nächsten menschlichen Siedlung, die er erreichte, war gerade ein munteres Volksfest im Gange. »Was ist der Grund eures juxigen Treibens?« erkundigte sich der Denker. »Wir feiern ohne Grund«, sagte der Dorfälteste. »O nein«, rief da der große Kam-Schat-Ka. »Ihr habt guten Grund, Freunde! Denn ich hab heute die Arbeitszeit erfunden!« »Das muß gefeiert werden«, jauchzten da die Leute und tobten noch einen Zahn schärfer. Sie sangen »Blau ist die Nacht«, und das stimmte in jeder Beziehung. Am anderen Morgen lagen alle unheimlich flach. Nur der rastlose Kam-Schat-Ka schritt durch die Siedlung und rief: »Auf, auf zum fröhlichen Jagen!« »Aber doch nicht in der Arbeitszeit«, grunzte der schlaftrunkene Dorfälteste. »Ei, freilich«, antwortete Kam-Schat-Ka. »Das ist ja der Sinn der Sache." Es gelang ihm schließlich, alle Arbeitsfähigen auf die Beine zu bringen und in Schützenkette ausschwärmen zu lassen. Sie machten reiche Beute, und alle lobten den großen Denker und Organisator Kam-Schat-Ka. Von nun an nutzten sie täglich die Arbeitszeit zu allerlei ersprießlichem Tun und lebten glücklich und zufrieden. Aber die Arbeiter spielten auf die Dauer nicht mit, und so kam übern langen Weg der Achtstundentag ins Haus und eines Tages der Moment, da die Arbeitszeit volkseigen wurde. Zwar noch nicht überall, aber da und dort. Und auch hier. Bei uns.
Was des Volkes Hände schaffen
Das war eine gute Sache. Denn seitdem kann uns keiner mehr mit der Arbeitszeit übern Löffel balbieren. Die Arbeitszeit gehört uns, und wir nutzen sie zu unserem Wohle. Zum Wohle! Damit möchte ich keineswegs diejenigen anrempeln, die während der Arbeitszeit mal anstoßen. Denn die paar Zecher gehn doch in der Masse der Arbeitsfreudigen und Disziplinierten glatt unter. Außerdem verteilt es sich. Man hat noch nie davon gehört, daß zur selben Zeit ein ganzer Volkswirtschaftszweig becherte. Es sind in allen Bereichen nur einzelne, und die Zeiten sind sowohl gestaffelt als auch unregelmäßig. Vorabende von Feiertagen machen eine Ausnahme, aber da wiegt ja wohl das kollektive Erlebnis sowieso schwerer als der Ausfall an Arbeitsstunden. Ideell gesehen. Es gibt genügend Zeugnisse aus Brigaden und Betrieben, die deutlich machen, wie es mit Geduld und sanfter Gewalt gelang, einzelne Hitzköpfe und Meckerer in die Schranken zu weisen und somit zu verhindern, daß durch unbedachte Äußerungen oder Taten sensible Zulieferer oder Vorfertiger kopfscheu gemacht wurden. Dadurch gelang es in den meisten Fällen, der Unregelmäßigkeit des Produktionsablaufs eine gewisse Systematik zu verleihen. Schön. Leider macht sich die Unsitte breit, die Ungeduldigen mit öffentlichem Lob zu behängen und die stillen, feinen Kollegen, die morgens eine halbe Stunde später kommen und dafür abends eine Stunde früher gehen, in die Pfanne zu hauen. Das zeigt doch deutlich, Genossen, daß es uns noch nicht restlos gelungen ist, das Problem der Arbeitszeitnutzung in den Griff zu kriegen. Da gibt es offensichtlich verschiedene Strömungen. Die einen sehen die Sache mehr gesellschaftlich, die anderen mehr privat, dritte wiederum versuchen, sich sowohl als auch durchzuschlängeln. Wer hat nun eigentlich recht? Zur Klärung dieses Problems werde ich morgen vormittag meine Brigade zusammenholen und eine Art Seminar veranstalten. Humperts Karl wird zwar nicht mitmischen und während dieser Zeit wieder Gewinde schneiden. Na schön, soll er. Auch dieser Kollege wird eines Tages einsehen, daß man die Arbeitszeit nicht nur zum Fummeln verwenden darf, sondern man muß sie auch ausnutzen.
65
"Wir haben auf diese geschmackvollen Arbeitsschweine umgestellt."
66
Was des Volkes Hände schaffen
Edgar Külow
Personen: Meister, Prieda, Bierwein, Ostpickel, Atze Internationale Pressekonferenz zum Bau der Baikal-Amur-Magistrale. Der Minister hält eine Rede und erlaubt dann, Fragen zu stellen. »Wird diese Bahnlinie ein- oder zweigleisig?« fragt ein ausländischer Journalist. Der Stellvertreter des Ministers hält eine weitere Rede; die Frage wird nicht beantwortet. Der hartnäckige Journalist wiederholt die Frage, ein Abteilungsleiter setzt zu einer dritten, noch längeren Rede an. Der Journalist: »Wird die Strecke nun ein- oder zweigleisig?« Jetzt gibt der Minister ein Zeichen. Ein Ingenieur erhebt sich und sagt: »Der Bau beginnt von zwei Seiten. Treffen sie sich, wird die Bahn eingleisig; treffen sie sich nicht, wird sie zweigleisig!"
Meister: Also Kollegen, nachdem ich im Auftrage der BGL die Einheit zwischen Wirtschaft und Ökonomie noch einmal fest umrissen habe, übergebe ich das Wort an euren Brigadier, den Kollegen Ostpickel. Los, fang an. Ostpickel: Wrr brauchen einen Kultur- und Bildungsplan. Selbst die Brigade »Lilli Palmer« will so'n Kulturdings machen. Was verstehst du unter Kultur, Bierwein? Bierwein: Wrr trinken nicht mehr aus der Flasche, sondern saufen aus Gläsern. Ostpickel: Und was verstehst du unter Bildung? Bierwein: Wenn mir der Bohrer abbricht, sage ich nicht mehr »Scheiße«, sondern »Na, du böses kleines Material, du!« Ostpickel: Bierwein, mit frisierter Schnauze erringen wir den Titel nicht. Prieda: Aber unser Bierwein ist ein guter Arbeiter. Meister: Wrr brauchen laut Plan keine guten, sondern kulturvolle, gebildete Arbeiter. Bierwein: Da können ja die Akademiker die Asche abfahren. Meister: In dem Punkt muß ich dir recht geben. Ostpickel: Aber wir hatten ja auch keine Zeit für Kultur und Bildung. Da hatten wir laufende Meter Gewerkschaftswahlen. Sechs Wochen in allen Räumen die dämliche Ausstellung über unsern neuen Teppichentsafter. Dann die halbe Belegschaft krank wegen diesem komischen Vrrus. Meister: Darum seid ihr auch kein Kollektiv. Atze (der laufend aus einem Henkelmann vor sich hin frißt): Das ist wahr! Meister: Warum singt ihr nicht gemeinsam in der Pause? Atze: Das ist wahr! Meister: Nee, da schlagt ihr individuell die Freizeit tot. Also bis zum 1. Mai müßt ihr den Staatstitel errungen haben, weil wir noch so viel Geld im Prämienfonds haben. Ihr zahlt Beiträge, also denkt die BGL auch für euch. Atze: Das ist wahr! Meister: Im Rahmenplan der BGL steht: Die Brigade studiert »Das Kapital«. Von dreien machen 4 die Meisterprüfung, jeder lernt ein Instrument, am besten was leichtes, Balalaika.
Was des Volkes Hände schaffen
Atze: Warum das? Meister: Wegen der Freundschaft. - Und gemeinsamer Konzertbesuch, aber was Positives, keine Klassiker! Atze: Das ist wahr! Meister: Wer die Musik nicht versteht, kann sich wenigstens mal angucken, wie schnell die auf der Geige kratzen können. Atze: Das ist wahr! Bierwein: Aber wir arbeiten in drei Schichten. Frieda: Und da ist die Brigade noch oft gespalten. Also nicht gespalten, sondern halbiert. Also nicht halbiert, sondern in verschiedenen Schichten. Meister: Aber wir haben die Kampagne zur Erstellung der Kulturund Bildungspläne, und wer um den Staatstitel ringt, soll so'n Ding haben. Ostpickel: Aber das ist doch Voraussetzung für'n Titelkampf! Frieda: Wie ist das überhaupt rausgekommen, daß wir nicht so was haben? Meister: Der Vorsitzende vom Volkskammerausschuß hat nicht dicht gehalten, und die Trottel vom ND haben's abgedruckt. Atze: Aber wir haben jetzt die schweren persönlichen Pläne und den kollektiven Gegenplan. Frieda: Und liegen schon mit 3,7 drüber. Meister: Das interessiert nicht, wir haben die Kampagne! Atze: Das ist wahr! Meister: Sonst noch was? Mahlzeit! (Ab.) Bierwein: Wenn ich nicht wüßte, daß der in der BGL sitzt, würde ich sagen, der is doof. Atze: Ihr wißt, ich bin in unserer Brigade der Positivste. Bierwein: Ja, das kann Frieda bestätigen. Ostpickel: Also, macht mal Vorschläge. Bierwein ... Bierwein: Also: Ich lese »Das Kapital« nicht! Ostpickel: Na, das ist doch wenigstens ein Vorschlag. Frieda: Ich mache die Meisterprüfung nicht.
67
11Überflüssige Planstelle! Die Leute merken doch selbst, ob die Birne brennt oder nicht.«
Was des Volkes Hände schaffen
68
Ostpickel: Ja, auch sehr gut. Atze: Ich lerne Lalabeika nicht spielen. Ostpickel: Richtig! Kann dich keiner zu zwingen. Aber, Kollegen, vielleicht hat einer sogar einen konstruktiven Vorschlag. Frieda: Wrr müßten was machen, wo wir auch selber Lust zu haben. Ostpickel: Also, das kriegen wir bei der BGL nicht durch. Frieda: Wir waren doch zusammen in der Gemäldeausstellung. Ostpickel: Aber Atze ist erst im Ratskeller munter geworden. Atze: Wir machen doch zusammen unsern Weiterbildungslehrgang. Ostpickel: Und so willste weiterwurschteln und vielleicht zum vierten Mal ins Metropol in »Hello Dolly« laufen. Bierwein: Genau! Das ist immer noch positiver als alle Rahmenpläne im Schreibtisch unserer BGL. Atze: Das ist wahr! Bierwein: So, und auf unserem nächsten Betriebsvergnügen trete ich als Komiker auf. Frieda: Da haste doch deine Verpflichtung. Ostpickel (lacht): Was willst du denn vortragen? Bierwein: Den Rahmenplan unserer BGL!
Mit der Schaufel kommt man schwerlich heut noch schnell genug vom Fleck. Darum setzt man - was erklärlich Bagger ein für jeden Dreck.
Dieser trifft auch auf die Schnelle schon nach sieben Wochen ein, fehlt zwar auf der Großbaustelle, doch was sein muß, das muß sein.
Vor dem Haus Nummer sieben liegt seit einem halben Jahr Schutt herum wie Kraut und Rüben, der beim Putzen übrig war.
Hei, nun geht es aber wacker! Schwere Technik ist doch fein: Ein Kollege führt den Bagger, und drei andre weisen ein.
Längst schon wäre er verschwunden, doch er ist zwei Zentner schwer! Der Polier stellt unumwunden fest: »Hier muß der Bagger her!«
Freilich ließen sie im Stillen liegen noch ein Häufchen Kies, das sich nicht - beim besten Willlen mit dem Greifer greifen ließ.
Opa Schlurfke - still und reinlich schippt es weg an ihrer Statt, und ihm ist es furchtbar peinlich, daß er keinen Bagger hat.
Klaus Lettke
Was des Volkes Hände schaffen
69
Ernst Röhl
Unser Objektleiter heißt Egon und ist ein pfiffiger Bursche. In seinem Büro hat er ein ziemlich großes Transparent aufgespannt mit dem folgenden pfiffigen Text: Kleine Geister halten Ordnung- Genies beherrschen das Chaos! Aha, denkt sich der argwöhnische Betrachter, dieser Objektleiter möchte gern angeben mit pfiffigen Sprüchen, sogenannten Euphorismen! In Wirklichkeit aber hat das Spruchband bloß die Aufgabe, den riesigen rosa Sektfleck an der Wand zu verdecken, der auf ein verdächtig gutes Betriebsklima in unserem kleinen Kollektiv hinweisen könnte. Neulich läßt mich Egon aus meiner Küche holen. Als ich eintrete, steckt gerade Lisa, unsre Oberkellnerin, ihre Nase in das Buch. Früher hieß es mal BESCHWERDEBUCH, aber seit die Anzahl der Beschwerden rapide zurückgegangen ist, heißt fX]@[f~~o~[J[}[fJ. ~Q[};!]@rn 0 es treffend DER GAST HAT DAS WORT. »Der Gast hat janüscht zu sagen«, ruft Lisa entrüstet und stemmt die geballten Fäuste in die stämmigen Hüften. »Zu sagen vielleicht nicht«, sagt Egon, »aber er hat das Wort. « Lisa: »Aber nicht det letzte! « Das stimmt, denn das letzte Wort hat immer Lisa. »Wir hatten mal wieder einen schreibenden Arbeiter«, erläutert Egon und deutet auf das Buch. »Wozu büffeln? Ich »Wie kann das passieren?« frag ich kopfschüttelnd. »Ich denk, fahre schon seit Jahren das Buch liegt im Panzerschrank!« - »Richtig«, bestätigt Egon, ganz prima mit: Ei dont »und die Tür vom Panzerschrank ist leider noch nicht repa- anderständ und Ja ne riert. « - »Prost Mahlzeit! « sag ich bitter. »Dann kann uns na- ponimaju.« türlich jeder hergelaufene Penner mit Dreck bewerfen." - »Du krichst den dicksten Dreckbatzen ab , Jottlieb! « jauchzt Lisa und liest eine besonders gemeine Stelle vor: »Der Küchenmeister empfiehlt - dieser Satz ist der reine Hohn. Rührei, Bulette mit Reis, Mikrobockwurst, halbstarke Knacker. Alles in allem nur vier unoriginelle Gerichte in der Preisstufe III! Und der Kaffee von bernsteingelber Klarheit. Man sollte Ihnen Herzkranke zur Kur schicken!" Also, ich bin so was von empört! So ein häßlicher Drecksack! Aber Egon sagt glashart: »Der Mann hat recht, Kollegen. In der Preisstufe III kann er tatsächlich eine andere Speisekarte verlangen. Zur Sache: Das Rührei fliegt raus! « Ich protestiere
70
Ein Volkspolizist betritt ein Konsumwarenhaus. »Guten Tag, ich hätte gern dieses Tonbandgerät gekauft.« Die Verkäuferin antwortet: »An Polizisten verkaufen wir nichts!« Der Polizist geht und erscheint kurz darauf in Zivil wieder. Er spricht die Verkäuferin erneut an: »Guten Tag, ich hätte gern dieses Tonbandgerät gekauft.« Die antwortet wieder: »An Polizisten verkaufen wir nichts!« Der Polizist geht wieder und erscheint kurz darauf unkenntlich verkleidet mit falschem Bart nochmals. Er spricht die Verkäuferin wieder an: »Guten Tag, ich hätte gern dieses Tonbandgerät gekauft.« Die antwortet nochmals: »An Polizisten verkaufen wir nichts!« Der Polizist fragt verzweifelt: »Sagen Sie mal, wie haben Sie mich denn eigentlich erkannt?« Antwort: »Ganz einfach - es handelt sich nicht um ein Tonbandgerät sondern um einen zweiflammigen Gaskocher."
Was des Volkes Hände schaffen
gegen diese Willkürmaßnahme, aber Egon ist nicht zu bremsen: »Dafür kommt rein: Omelette surprise.« - »Wat is'n det?« fragt Lisa. Ich sage: »Überraschungsomlett.« Lisa: »Und wat isset würklich?« - »Rührei!« sagt Egon stolz. »Rührei«, sag ich, »aber dann ist es doch keine Überraschung.« - »Na, und ob!« Egon erklärt uns die Sache geduldig und überzeugend. »Also, jeder Gast stellt sich seelisch und moralisch ein auf die große Überraschung, und was kommt? Rührei! Na, wenn das keine Überraschung ist!" Wie gesagt, Egon ist ein pfiffiges Kerlchen, und Egon kommt so langsam in Fahrt: »Bulette bleibt, wird aber umbenannt in Balkan-Hacksteak nach Heiduckenart. Reis heißt ab morgen Risotto, die Soße - Manchester-Sauce.« »Denn verlang ickJehaltszulare!« sagt Lisa, »wejen Fremdsprachen.« - »Und die Bockwürste, Egon«, werf ich ein, »soll ich vielleicht größere Bockwürste bestellen?« - »Um Himmels willen!« Egon schlägt die Hände überm Kopf zusammen. Mickrig und knickrig müssen sie sein! Die heißen in Zukunft Knickerbokker und die Knacker Knickerknacker. Der Kaffee heißt Cafe sanitaire.« Lisa guckt mich an, ich gucke Lisa an. »Kaffee der gesunden Lebensweise«, erklärt Egon und fügt hinzu: »Ich denke, damit wäre die Kritik unseres Gastes umfassend ausgewertet. « - »Moment!« Lisa schüttelt ihr platinblondes Toupet und fängt wieder an mit Lesen: »Der Zustand des Etablissements spottet jeder Beschreibung. Die meisten Stühle wackeln bedenklich. Die Blumen, sofern vorhanden, sind welk. Die Tischdecken enthalten nur noch wenige weiße Flecken.« Bevor ich so richtig aufbrausen kann, muß ich schon wieder abbrausen. Egon kommt mir zuvor: »Paßt mir prima in meine Versorgungskonzeption, Kollegen! Ab Morgen werden bei uns alle Stühle und Tische wackeln, ohne Ausnahme. Unser Kontakt mit dem Gast ist der Wackelkontakt! Aus den Tischdecken werden die restlichen weißen Flecken entfernt! Blumen sind nur noch auf dem Bier zugelassen, wenn überhaupt! Und Gottlieb geht, wenn in der Küche nicht so viel Arbeit ist, wutschnaubend durchs Lokal und bedroht die Gäste!« Ich gucke Lisa an, Lisa guckt mich an. Und Egon gibt noch einen drauf: »Über die Theke kommt ein Transparent: WERTER GAST! HIER KÖNNEN SIE WAS ERLEBEN! - Jawoll, wir schaffen einen Erlebnisbereich. Die Gaststätte heißt ab morgen ZUR BRUCHBUDE!« Ich spreche aus, was auch Lisa denkt: »Alles schön und gut, Egon! Aber die Preisstufe III kannste doch nicht halten!« »Genau!« triumphiert Egon. »Ab morgen Originalitätslokal Preisstufe rv:"
5. Ka
itel
Hoi/Jor So11t11tor Von Ostseestrand, Datsche und Jugendclubs ... Zum Sommerfilmhit des Jahres 1980 wird ein DEFA-RoadMovie: »Nächstes Jahr am Balaton« heißt Herrmann Zschoches Film, der Urlaubsfeeling in den Farben der DDR einfängt. Ein geplanter Familienurlaub in Nessebar droht zu platzen, weil Sohn Jonas eigene Weg geht und nach Süden trampt. Er trifft unterwegs nicht nur Kollegen aus seiner Werkstatt, sondern auch die Holländerin Shireen. Deren Ziel ist Indien. Für Jonas endet die Reise an der türkischen Grenze. Viele junge Leute trampen in den 70er und 80er Jahren durch Polen, die CSSR, Bulgarien und vor allem Ungarn, wo sie von ihrem begrenzten Forint-Umtausch Jeans, Platten und Bücher aus dem Westen erstehen. In geordneten Bahnen teilnehmen darf, wer offiziell delegiert ist - verläuft das Nationale Jugendfestival zu Ehren des 30. Jahrestages der DDR. Daheim ist es das vertraute Urlaubsbild: ausgelastete FDGBHeime und übervolle Zeltplätze an der Ostsee, wo die Campingfreunde ihre Ausrüstung immer mehr perfektionierten. Sehr viel weniger luxuriös und vor allem sittenstreng geht es für die Dienstreisende in Heli Busses Geschichte zu, die im Arbeiterwohnheim übernachten muß. Von einem Dienstreisevergnügen auf eigene Gefahr berichtet auch Lothar Kusche.
72
Heißer Sommer
Lothar Kusche
Wer sind die drei besten Freunde des DDR Bürgers? Die Genossen Abrassimov, Lunikoff und Bungalow.
Lieber Onkel Paul, Natalie hat mich tatsächlich überredet, sie auf einer Winterreise mit ausgeprägtem Erholungsfaktor zu begleiten, weil die Gelegenheit so außerordentlich günstig war. »Du hast ja eine Gesichtsfarbe wie ein Camembert«, sagte sie, »was du brauchst, ist viel Ruhe, frische Luft, langer Schlaf und eine andere Umgebung. Alles das kann ich dir per Zufall bieten. Du bist ein Idiot, falls du nicht auf meinen Vorschlag eingehen willst.« »Na, ich will schon. Aber der Doktor hat auch gesagt, ich soll mich überhaupt niemals über irgend etwas aufregen.« Sie sagte: »Deine Sache. Ich habe jedenfalls im Erzgebirge zu tun, und die Firma stellt großzügigerweise einen Dienstwagen, und das einzige, was von dir verlangt wird, ist lediglich, daß du dich hineinsetzt und mitfährst. Ich bin sogar bereit, dir die Wagentür aufzumachen. Also was ist los?« Als Kavalier der alten Schule bestand ich natürlich darauf, mir die Wagentür selbst aufzumachen. Natalie belehrte mich noch darüber, daß ich - formaljuristisch betrachtet - auf eigene Gefahr mitfahren müsse. »Denn schließlich stehst du ja nicht im Dienstauftrag. Aber was soll da schon passieren!« »Na eben«, sagte ich, »was soll mir da schon passieren, wenn ich nicht mal im Dienstauftrag stehe! Hauptsache, ich muß im Auto nicht stehen!« Und so löste ein munterer Scherz den anderen ab, und eines Morgens, als es in Berlin schon ziemlich kalt war, fuhren wir los. Das Erzgebirge mit all seinen ausgeprägten Erholungsfaktoren ist bekanntlich ziemlich weit von der Hauptstadt entfernt, so daß ich die Gelegenheit zu einem ausführlichen Schlaf benutzen wollte. Nach ungefähr zehn Minuten erwachte ich, weil mein rechter Fuß zu vereisen drohte; es zog ein wenig durch die Türritze. Natalie zischte mir ins Ohr: »Du bist ein Stiesel. Anstatt uns, die wir einem schweren Dienst nachgehen, während du bloß mitgenommen wirst, ohne irgendeine Pflicht auszuüben, ein wenig aufzuheitern, flegelst du dich hier hin und schnarchst uns die Ohren voll. Dabei kennst du unseren reizenden Fahrer Eginhard seit mindestens sechs Jahren und weißt, was für ein lustiger Mensch er ist!" »Was für ein lustiger Mensch er war«, sagte ich, »vor zwei Mo-
Heißer Sommer
naten hat er sich das Rauchen abgewöhnt, und seitdem spricht er kein Wort mehr mit irgendjemand.« »Dir kann man nichts recht machen«, bemerkte Natalie, »sei froh, daß Eginhard seine alte Pfeife vergraben hat. Da können wir die frische Wrnterluft genießen." Das stimmte. Ich genoß sie besonders intensiv an meinem rechten Fuß. Weiter oben im Auto war es angenehm warm, wenn auch nicht gerade luftig, weil der vierte Mann im Wagen eine »Karo« an der anderen entzündete. Ich konnte mich leider mit ihm nicht unterhalten; er war der für Nataliens Exkurs bestellte erzgebirgische Experte, der kein Wort Hochdeutsch oder gar Berlinisch hervorbrachte und mich nur gelegentlich mit einem hingemurmelten »Unnere Haamiit is schii« oder »Of de Barg, do is halt onners uls hii« und ähnlichen geheimen Zaubersprüchen zu verwirren suchte. Je weiter Eginhard mit seinem Wartburg nach Süden vordrang, desto nebliger wurde es, und als wir schließlich, auf Anregung Eginhards, in einer Kreisstadt rasteten, fanden wir uns in einem dichten Schneetreiben. »Ich halte hier«, sagte Eginhard, »und das Cafe ist ein paar Schritte weiter unten. Wrr haben keine Schneeketten an den Reifen, da gehen wir lieber die paar Schritte zu Fuß hinunter." Niemand wagte, etwas an Eginhards Entscheidung zu kritisieren. Unglücklicherweise hatten wir auch an unseren Schuhsohlen keine Schneeketten, so daß wir die paar Schritte - ich schätze die Entfernung von Eginhards Parkplatz zu jenem Cafe auf etwa tausendfünfhundert Meter - in ungefähr anderthalb Minuten zurücklegen konnten, und dies natürlich nur auf Grund eines gewissen Rutschfaktors. Der einheimische Fachmann erläuterte uns, weshalb wir die Straße so schnell hinuntergerutscht waren; ich verstand kein Wort. Der Kaffee war ausgezeichnet, vor allem bot er Herzleidenden einen ausgeprägten Erholungsfaktor. Nach der Rast kletterten wir die Rutschbahn wieder hinauf, es dauerte bei Natalie, Eginhard und mir schätzungsweise eine halbe Stunde. Der Mann aus dem Erzgebirge stand schon am Auto, als wir oben ankamen, und sang das schöne Lied vom Vugelbeerbaam. Die Weiterfahrt war ausgesprochen romantisch. Die Straße
73
»Ich bin schließlich Sicherheitsinspektor!11
74
Was ist der Unterschied zwischen der DDR und Italien? Italien liegt am Mittelmeer, und die DDR hat keine Mittel mehr.
Heißer Sommer
glich einer Bob-Bahn, und wir trudelten darauf in Eginhards Gefährt herum wie auf einem jener elektrisch betriebenen AutoScooter, die man auf jedem besseren Rummelplatz hat. Jedesmal, wenn wir beinahe an einem Baum zerschellten, sagte Natalie: »Hast du Angst? Na, ich kann es ja verstehen - du fährst ja schließlich auf eigene Gefahr mit.« Schneetreiben und Nebel wurden immer dichter, und als ich gerade überlegte, ob wir schon in der CSSR angelangt wären, gab es einen sanften Bums: Wir waren an eine Hauswand gefahren. Glücklicherweise war es das Gebäude, in dem die Kurverwaltung unseres Bestimmungsortes residierte. Der Herr Oberkurverwalter hatte allerdings keine Ahnung von Natalies Dienstauftrag, und vor allem hatte er kein Quartier für uns. Daher schlug er vor, wir sollten unverzüglich zurückfahren. »Mit meinem Wagen nicht«, sagte Eginhard lakonisch, »eher gewöhne ich mir wieder das Rauchen an.« Doch unser erzgebirgischer Begleiter wußte ein Gehöft, ganz in der Nähe des Kurortes, in dem wir vielleicht ein Nachtlager kriegen könnten. Er seilte uns an seiner Aktentasche an, und los gings. Der Schnee lag ungefähr anderthalb Meter hoch, und ab und zu flitzte ein Skiläufer über unsere Köpfe, aber es machte mir nichts weiter aus, da ich ja eine Mütze trug. Schon nach wenigen Stunden lag ich auf einer behaglichen Pritsche mit ausgeprägtem Erholungsfaktor und leicht gefrorenem Laken. Alle zehn Minuten standen wir auf und machten zwanzig Kniebeugen. Ich war sehr froh, denn viel Ruhe und einen langen Schlaf brauchte ich ja so dringend. Den Sonnenaufgang konnten wir nur mutmaßen: der Schnee begann ein wenig zu glitzern. Der Fachmann wies uns auf die besonders schöne Aussicht hin, die man allenthalben in diesem Kurort hat, außer an Nebeltagen. Er empfahl daher eine Fahrt mit der Schwebebahn auf den höchsten Berg der Umgebung, dessen Spitze jetzt über den Wolken in strahlender Sonne liegen müßte, und dann gingen wir alle miteinander los, um die Talstation der Schwebebahn zu suchen. Natürlich fanden wir sie nicht. Ich glaubte auch gar nicht, daß dort überhaupt eine Schwebebahn existiert, aber ich hütete mich, das zu sagen, denn schließlich stand ich ja nicht im Dienstauftrag. Nun entsann sich Natalie ihrer Berufspflicht und wollte uns allesamt noch einmal zur Kurverwaltung schleppen, aber - Du wirst es Dir ohnehin denken können, lieber Onkel Paul - die Kurverwaltung konnten wir vor lauter Schnee und Nebel auch nicht finden. Lediglich der Parkplatz, auf dem Eginhards Wagen
Heißer Sommer
ruhte, war noch vorhanden - genauer genommen: der Wächter war vorhanden. »Die Aatuus sin unnern Schnii«, sagte er und empfahl Eginhard eine weitere Rücksprache nach Beendigung der Tauwetter-Periode. »Ich bin eigentlich schon genug erholt«, sagte ich zu Natalie, »wollen wir nicht nach Hause fahren?« Sie stimmte mir sofort zu (was ich vorher noch nie erlebt hatte), und wir schieden bewegten Herzens von Eginhard. Noch minutenlang hörten wir durch den Nebel seine heisere Stimme schallen: »Gibts denn hier nich ma eine Kneipe?« Wer weiß, wann wir ihn wiedersehen werden. Ein schwerer Autobus mit Schneeketten, der uns gerade überfahren wollte, nahm uns freundlicherweise bis zur nächsten Schnellzugstation mit. Der dortige MitropaKiosk versorgte uns mit lekkerem Tortenkeks vom Vorjahr, den wir - hungrig, wie wir waren - mitsamt der Verpackung verspeisten. »Keine Sorge«, sagte ich, »hier gibt es einen Schnellverkehr nach Berlin. Falls der Zug pünktlich abfährt, sind wir in dreieinhalb Stunden zu Hause.« Der Zug fuhr eine Stunde später los, und nach zehn Stunden waren wir immer noch nicht zu Hause. Natalie schimpfte auf die Deutsche Reichsbahn, und ich suchte sie zu beruhigen, indem ich ihr erklärte, daß keine Eisenbahngesellschaft der Welt auf ein solches Wetter eingerichtet sein könne. »Sag bloß, es gefällt dir, daß der Zug alle Nasen lang hält! Bloß weil keine Personenzüge fahren. Na, ich danke. Aber in Schönefeld - das kannst du mir glauben -wird er nicht halten, nur damit wir vom Ostbahnhof wieder nach Schönefeld zurückfahren müssen. Sitz nicht so vornehm da! Schimpf doch wenigstens!« »Wie du willst«, sagte ich, »selbst viel vornehmere Leute als ich ... erinnere dich mal an Victor Auburtins Glosse über die berühmten drei Wünsche, die der Allmächtige oder eine Fee oder irgend jemand ihm freistellen will. Da hat der Mann geschrieben: >Wenn ich diese Frage in Berlin zu beantworten hätte (etwa
75
>>Er schließt sich schon wieder aus unserer Freizeitgestaltung aus. Da muß aber jetzt bald das Kollektiv eingreifen!"
Heißer Sommer
76
in der Straßenbahnlinie 1 72 und vor dem Potsdamer Platz für eine halbe Stunde festgefahren), so würden meine drei Wünsche lauten: Erstens: Ich wünsche, daß mir sämtliche Bewohner der Erde den A ... «< Du kennst ja Natalie, lieber Onkel Paul, und weißt, daß sie mich in diesem unanständigen Zitat natürlich unterbrochen hat. Aber Dir darf ich wohl verraten, daß Auburtins zweiter und dritter Wunsch dem ersten genau gleich waren. Und dabei hatte er nur eine halbe Stunde in der Bahn warten müssen! Was übrigens den Halt in Schönefeld angeht, so fand er nicht statt; der Zug fuhr durch, und Natalie hatte recht behalten. Wie immer. Auch Dir wünscht eine baldige Winterreise Dein Dich liebender und kolossal erholter Neffe
Die Regentropfen hopsten aus den Wolken, als würden diese, wie von Geisterhand, wie eine große schwarze Kuh gemolken, die schweigend über unsern Köpfen stand.
Die Sonne sah dem Schauspiel zu und lachte, der Wind jedoch erhob sich mit Krawall und schob die dicke Wolkenkuh ganz sachte zurück in ihren heimatlichen Stall.
Der Urlaubstag war nicht mehr zu gefährden. Wir waren glücklich! Doch um Viertel vier erschienen plötzlich ganze Wolkenherden! Und alle wollten sie gemolken werden! Und alle wurden! Ausgerechnet hier!
Alfred Schiffers
lekanntmachung Die &aststlltte .Landgratenhau1· wird -
Jab_....b -
U. S. Irrt -
.,ellDA-
Die 6aststltte .Otto-Schott·Plati• wird·- ,........,..ub.,,. J. S. Irrt ~
• Was .geschieht elRe~dl im. Stadt· bad Fre1t~J? ~enn wir in den letzten Mona.ten in dte Wanne steigen wollten um em Reinigungsbad zu uns zu ne,,: :p!ni. standen wir vor vusdllosseMr ur. Das 9eplan~ .feuchte VttQDügen•
Ein Urlauber aus der DDR kommt auf dem Zeltplatz mit einem Ungarn ins Gespräch: »Mir geht es gut. Ich habe einen sicheren Arbeitsplatz, ein geregeltes Einkommen, hab genug zu essen, fahre einen Wart· burg, ich kann nicht klagen!« Meint der Ungar: »Das hab ich doch auch alles, aber ich kann klagen ... !«
78
Heißer Sommer
Ernst Röhl
Hoi/Jor So11t11tor Zwischen Kiefern, Fichten, Lärchen stehen Zelte - wie im Märchen. Sommer, Sonne, Ruh und Frieden sind dem Menschen hier beschieden. Doch nicht lange, denn schon bald heult ein Motor auf im Wald. Klagend warnt eine Eichelhäher! Das Geräusch kommt immer näher, und ein LKW bricht stolz panzergleich durchs Unterholz.
Campingfernsehn, Campingsessel, in der Ecke irgendwo ein diskretes Camping-Klo; alles da, weil Schmidt es will. Ja, sogar ein Campinggrill; so ein eigner Campingherd ist beim Camping Goldes wert. Es gibt zwar ein Zeltlokal, doch Herr Schmidt, der will nun mal nicht in der Kantine futtern, sondern unbedingt bei Muttern. Hat er endlich was im Magen, baut er für den Lieferwagen in der Nähe auf der Wiese emsig eine Art Remise ...
»Hällo, Nachbarn! Hällo Fäns! Jetzt kommt Schmidt vom Zirkus Renz!« Schmidt, der schreitet gleich zur Tat und zeigt alles, was er hat: Planen kolossaler Länge und Gestänge jede Menge; daraus baut er ohne Hast einen wahren Zeltpalast. Auch Frau Schmidt rennt brennend heiß von der Stirne schon der Schweiß. Sie hat auf Befehl des Gatten die Behausung auszustatten. Campingtassen, Campingkannen, Campingteller, Campingpfannen, Campingtöpfe, Campingkessel,
Schmidt muß ackern, Schmidt muß wühlen, um sich wie zu Haus zu fühlen. So vergehn die Urlaubswochen flugs mit Arbeit und mit Kochen, ohne Jux und Pilzesammeln, ohne Baden, ohne Gammeln. Schmidt, entnervt und abgeschafft, fährt nach Haus mit letzter Kraft; er versucht durch Kürzertreten und durch autogenes Beten im Büro zunächst verstohlen, sich vom Urlaub zu erholen. Denkste! Tropfen und Tabletten können Schmidt jetzt nicht mehr retten. Kein Büroschlaf! Gegen diese superschwere Nervenkrise hilft ganz sicher eines nur: Sachen packen! Ab zur Kur!
Heißer Somm er
79
Heli Busse
Dia Naellct ;,,. KIJostar »Und Sie«, wandte sich der Betriebsleiter nach der langen Sitzung an mich, sind unser Gast und werden im Arbeiterwohnheim übernachten. »Aber ich mache Sie gleich darauf aufmerksam: Dort herrschen etwas strenge Sitten, wie ihr sie in Berlin vielleicht nicht gewohnt seid!" Der Leiter des Wohnheims empfing mich denn auch ungewöhnlich reserviert in der Vorhalle und sagte zur Begrüßung: »Auf eines möchte ich Sie gleich aufmerksam machen: Bei uns herrschen recht strenge Sitten, wie ..." »Ich hörte schon davon«, sagte ich kleinlaut. »Um 22 Uhr ist Zapfenstreich. Allgemeine Bettruhe. Sind Sie verheiratet?« - Ich nickte, während hinter der Bürotür eine Frauenstimme keifte: »Was geht dich das wieder an?« Der Leiter zuckte zusammen und fuhr etwas leiser fort: »Besuche Betriebsfremder auf den Zimmern werden nicht geduldet. Telefongespräche nach außerhalb sind untersagt! Jeder Versuch, den Pförtner zu bestechen, ist zwecklos.« Ich warf einen Blick auf den Pförtner, und er legte die rechte Hand aufs Telefon und warf mir einen langen, unbestechlichen Blick zurück. »Ich müßte mal meinen Mann anrufen«, sagte ich. - »Weiß er nicht, wo Sie sind? Ist er ein kleines Kind?« fragte der Heimleiter. Nachdem ich das erste bejaht und zweite verneint hatte, fuhr er fort in der Belehrung: »Keine alkoholischen Exzesse, keine sexuellen Orgien! Alles weitere steht hier angeschlagen. Es ist die Heimordnung, lesen Sie sie.« - »Nicht nötig«, sagte ich, »ich kenne das. Zölibat und so. Es ist wie im Kloster, nicht wahr?« - »Wie in was für einem Kloster?« wunderte er sich. »Ich hab mal ein Buch darüber gelesen«, erklärte ich ihm, »und da war es genauso.« - »Dann war es gut«, sagte er, händigte mir den Zimmerschlüssel aus und machte mich mit meinem
"Wenn ich lästig werde, sagen Sie s ruhig, Fräulein Ute. Dann hör ich auf zu quatschen und esse meine Kaltverpflegung.11
80
Biete Flugreise nach Moskau Suche Wanderweg nach Bonn!
Heißer Sommer
Recht bekannt, bis 22 Uhr in der Heimkantine Brause kaufen zu dürfen. Ich holte, den Fahrstuhl herunter. Als sich die Tür öffnete, war es, als wenn man nachts um zwei eine Kneipe entlüftet, und auf dem Fahrstuhlboden saß in der Ecke ein Mann neben einer Brauseflasche, der fragte: »Sie wünschen?« »In den Siebenten«, sagte ich, und er kroch an der Fahrstuhlwand bis zum Knopf mit der 7 hoch, drückte und fuhr mit mir hinauf. Dann nahm er seine Flasche und meinen Koffer und wankte damit bis vor die Zimmertür. »Darf man denn hier im Dienst trinken?« erkundigte ich mich. »Wieso im Dienst?« staunte er langsam. »Ich wohne hier!« »Was, bei mir im Zimmer?« schrie ich. Aber er wohnte eine Treppe tiefer, bloß konnte er nicht auf sein Zimmer, weil heute nacht sein Bettkollege mit einer Dame an der Reihe war. Sie wohnte ebenfalls im Heim, und die Sache blieb daher unter Betriebsangehörigen. Im freien Bett der Dame konnte er aber auch nicht übernachten, weil sie da zu dritt Skat spielten. Platz war eigentlich nur im Bett neben der Frau vom Hausmeister, aber da er die nicht leiden konnte, hatte er sich entschlossen, die Nacht im Fahrstuhl zu verbringen. Er trat bei mir ein, machte Licht, setzte sich aufs Bett, stellte sich die Flasche auf dem Nachtschrank zurecht und fragte: »Sind Sie verheiratet?« - Ich erinnerte mich, schon mal danach gefragt worden zu sein. Es schien allgemein zu interessieren, und ich nickte. »Ich auch«, sagte er und erzählte, wie er seine Frau in Dresden kennengelernt hatte, als er da auf Montage war, und wie er diese Montage heute verflucht, weil seine Frau gleich zum Betriebsleiter gerannt ist und gesagt hat, sie sollen ihren Mann nicht mehr auf Montage schicken, sondern in Dresden was montieren lassen, wo er seine Frau hat, von der er nicht immerzu weg will, aber in Wirklichkeit ist das überhaupt das einzige, was er will, weil ihn seine Frau ununterbrochen löchert, bei ihr zu bleiben. Hier fing er an zu weinen und sagte, ich würde wahrscheinlich gut zu ihm passen, und er legte probehalber seinen schweren Arm auf mich und hauchte mir einen doppelten Klaren auf die Wange. »Gut«, sagte ich, »gehn wir zusammen runter, Brause trinken.« Er weinte heftiger, folgte mir aber zum Fahrstuhl, und wir fuhren hinunter. Je tiefer wir kamen, um so deutlicher glaubte ich, den Gefangenenchor aus Nabucco zu hören, und als wir vor der Tür zur Kantine standen, wußte ich, daß der Chor da drin war. Aber er sang andere Lieder, die nichts mit Nabucco zu tun hat-
Heißer Sommer
ten. Wrr traten ein, und der wilde Chor brach ab und schrie auf, als wäre er beim Nacktsingen erwischt worden. Auf den Tischen standen Brauseflaschen, und durch eine tiefblaue Rauchwolke starrten mich ungeheuer viele Männeraugen an. Ich ging rückwärts wieder raus, schlug die Tür zu, lehnte mich dagegen und versuchte, mit der Vision fertig zu werden. Aber die Tür wurde aufgedrückt, und irgendwer zog mich in die Kantine hinein. Alle schrien wieder auf, aber es war Begeisterung, wie ich merkte. Einer drückte mir eine Brauseflasche in die Hand, und sie stimmten das Lied an »Hoch soll sie leben ... « Mir fiel ein, daß es vielleicht gut wäre, der wichtigsten Frage hier zuvorzukommen, und als sie gerade mal alle ruhig waren, sagte ich: »Ich bin verheiratet, Männer!« Sie sagten, das komme mir nur so schlimm vor, weil ich nicht im Heim wohne, aber wenn ich erst mal eine Weile hier wäre, würde mir die Ehe wieder anfangen, Spaß zu machen. Sie erzählten, daß sie auch verheiratet wären, aber einen Dreck davon haben und sich deswegen abends immer an ihrer Brause festhalten, und daß sie irgendwann noch mal ein gutes Werk tun und den Heimleiter verhauen wollten. Sie gaben mir von ihrer Brause zu trinken, und ich muß sagen, das war nun wirklich mal eine Sache, die man in Berlin nicht so ohne weiteres in diesen Flaschen zu kaufen bekommt. Sie fingen an zu würfeln, und einige erklärten sich bereit, mir eine Privatstunde im Würfeln auf meinem Zimmer zu geben. Aber ich sagte, dies könnte die anderen, die auch dazu fähig wären, kränken, und darum möchte ich sie insgesamt bitten, mir ihren kollektiven Schutz angedeihen zu lassen. Sie sagten, auch das wäre ihnen ein Vergnügen, und sie wollten mir eine Wache aufs Zimmer geben. Ich erklärte ihnen, es würde meinen Schlaf stören, wenn immerzu einer auf- und abginge, und da entließen sie mich ungern, aber mit den besten Wünschen für meine Nachtruhe. Ich ging am Pförtner vorbei und warf ihm einen Blick zu. Und er legte die rechte Hand aufs Telefon und warf mir einen langen, unbestechlichen Blick zurück. Hinter der Bürotür hörte ich wieder die Frau keifen, aber es antwortete niemand. Da dach-
81
,!fch mache alles mit dem Tele-Objektiv, das erspart jede Menge Lauferei!«
82
Heißer Sommer
te ich, daß sie die einzige Dame in diesem Haus mit einem freien Bett neben sich ist und Grund zum Keifen hat. Die Fahrstuhltür öffnete sich, aber ich roch es nicht mehr, und der Mann mit der Brauseflasche kroch ganz ohne Aufforderung bis zur 7 hoch und drückte. Aber weil er nicht mehr laufen konnte, kam er nicht mit bis zu meinem Zimmer, und das sollte ich gleich bereuen. Denn ich machte die Zimmertür auf und sah im schwachen Licht der Flurlampe, daß ein Mann in meinem Bett lag und schlief. Ich glaube nicht, daß ich geschrien habe. Ich ging im Gegenteil ganz leise zum Fahrstuhl zurück, wo der Mann mit der Flasche inzwischen eingeschlafen war. In der Kantine schrien sie wieder auf, als ich eintrat, aber ich gebot ihnen Ruhe und sagte: »Männer, Hilfe! In meinem Bett liegt einer! Schmeißt ihn raus!« Da entrang sich ihren rauhen Kehlen ein Schrei Ich lobte ihre hohe Einsatzbereitder Empörung, und sie stürzten wie ein Mann zum schaft und moralische Stärke. Fahrstuhl. Sie warfen erst den mit der Brauseflasche hinaus, aber weil trotzdem bloß sechs hineingingen, jagten die anderen die Treppe hinauf. An meiner Zimmertür trafen wir uns, und einer öffnete vorsichtig, blickte hinein und sagte: »Tatsächlich!« Dann ging alles sehr rasch. Sie überzeugten sich, daß es ein Betriebsfremder war, hoben ihn aus dem Bett, hielten ihm den Mund zu, trugen ihn die Treppen hinunter, weil sie zu acht an ihm waren und in den Fahrstuhl nicht reinkamen, und während der Pförtner die rechte Hand aufs Telefon legte, machten sie die Tür zum Parkplatz auf und feuerten den Kerl hinaus. Wir tranken noch eine von diesen Brauseflaschen leer, und ich lobte ihre hohe Einsatzbereitschaft und moralische Stärke und schlief danach fest und ungestört die restlichen drei Stunden bis zum nächsten Morgen. Vor der Sitzung fragte mich der Betriebsleiter, wie ich geschlafen hätte. - »Ich kann es gar nicht sagen«, sagte ich, »es war wirklich wie im Kloster.« - »Wie in was für einem Kloster?« wunderte er sich. - »Ich hab mal ein Buch darüber gelesen«, erklärte ich ihm, »und da war es genauso beschrieben.« - »Nun ja«, sagte er geschmeichelt, »da ist was dran. Manche halten uns zwar für übertrieben sittenstreng, aber wir haben da unsere Erfahrungen. Man darf die Zügel nicht schleifen lassen. Übrigens tut es mir leid, daß man Ihren Mann heute nacht auf den Parkplatz geworfen hat, aber schuld ist er selber: Er hat versucht, den Kollegen Pförtner zu bestechen, um ins Heim hineinzukommen - und das ist nun mal nicht drin bei uns!«
6. Ka
itel
Hölaet, sela11elJIJe1, weiter Sportlich sportlich Zwei sportliche Höhepunkte fallen in das Jahr 1980. Im Februar finden in Lake Placid die Olympischen Winterspiele statt, bei denen die DDR Platz 1 in der Länderwertung belegt, und im August richtet Moskau die Olympischen Sommerspiele aus. Doch aufgrund der militärischen Intervention in Afghanistan 1979 boykottierten 64 westliche Staaten die Spiele. Vier Jahre später verweigern die sozialistischen Staaten die Teilnahme an den Spielen in Los Angeles. In Moskau liegen die sowjetische und die DDR-Mannschaft mit Abstand vorn. 127 Medaillen bringen die DDR-Sportler nach Haus. Waldemar Cierpinksi feiert sein zweites olympisches Gold im Marathon, Gerd Wessig erzielt Weltrekord im Hochsprung, Schwimmerin Caren Metschuk holt drei Goldmdaillen. Aber nicht alle Sportler folgen der Devise: höher, schneller, weiter! Vom Kampf um den Abstieg einer Fußballmannschaft erzählt Ulrich Speitel mit dem Fazit, daß auch ein solches Ziel allerhöchsten Einsatz erfordert. Auch über die beliebten Betriebssportfeste gibt es lustige und lehrreiche Geschichten zu erzählen: Nach dem erfolgreich absolvierten Kampf um Meter und Sekunden lautet das Resümee: »So glänzend könnten wir auch international dastehen, wenn uns die lästige Konkurrenz auf dem Weltmarkt nicht immer wieder herausfordern würde!«
Höher, schneller, weiter
84
Ulrich Speitel
Honecker veranstaltet mit Mittag, Stoph und Mielke eine Jagd. Die drei sollen um das prächtigste erlegte Wildschwein wetteifern. Am Ende der Jagd bringt Mittag einen kapitalen Hirsch herbei und Stoph einen stattlichen Rehbock. Honecker zollt Anerkennung, aber es sind eben keine Wildschweine. Endlich kommt Mielke und präsentiert ihm einen kleinen, zerzausten Hasen. Mielke sagt: »Genosse Honecker, du glaubst nicht, wie lange wir diesen Hasen verhören mußten, bis er endlich zugegeben hat, daß er ein großes Wildschwein ist.«
Eigentlich hätte der Kampf gegen Holz Fichtenberg für uns nicht mehr als ein fröhlicher Jux sein dürfen, ein Gaudi, ein Spaziergang, den wir mit dem linken Bein abmachten. Es war das letzte Spiel der Saison. Wir hielten den vierten Platz, der Gegner den dritten, wenn man die Tabelle von unten besah. Mit dem letzten Spiel beabsichtigten wir, die Positionen zu tauschen. Wir wollten absteigen. Dazu war nichts weiter erforderlich, als dieses eine Spiel zu verlieren, und das schien uns kinderleicht, zumal wir am Abend zuvor unseren Entschluß noch einmal rundum beleuchtet, scharf diskutiert und für goldrichtig befunden hatten, bis zwölf in der »Blauen Maus«, danach in Buschis Bude, und den Rest der Nacht hielt uns die Vorfreude wach. Vier Jahre zuvor hatten wir noch in der 11. Kreisklasse rumgewurzelt. Damals aber mauserten wir uns dann zu einer gefürchteten Truppe und stiegen auf. Die Fans waren hingerissen, die Familien und Freundinnen stolz auf uns Matadoren des runden Leders. Sie trompeteten, trommelten, klingelten, feuerten uns mit Konfetti an, und die Wogen ihres nicht endenwollenden Jubelgesangs schwappten uns geradewegs bis in die Bezirksliga hinauf. Alles deutete darauf hin, daß wir alsbald Dynamo Dresden das Fürchten lehren würden, wenn nicht Liverpool oder Santos. Dörners Tage als Nationalspieler schienen gezählt. Keegan würde erblassen, Beckenbauer die Schuhe entnervt an den Nagel hängen. Das schien gewiß. In dieser Zeit des rauschenden Höhenflugs aber muß bei uns etwas kaputtgegangen sein. Die Ligaspiele brachten es mit sich, daß wir die Mauern unserer Heimatstadt verlassen mußten. Weit über ihre Grenzen hinaus brausten wir davon durch die Fußballande, unsere Fans indes, unsere Fußballfamilie, die uns sonst mit Kind und Kegel, Kaffee und Kuchen, Trompeten und Beifall auf alle Plätze begleitet hatte, hockte verlassen und trübsinnig daheim, bis auf drei unserer unverwüstlichen Geräuschproduzenten. So erlitten wir die ersten Verluste. Mir selber kam meine beste Freundin Corinna abhanden. Während ich fern der Heimat dem Ball zusetzte, ging sie aus Langeweile zum Boxen und fiel einem Schwergewichtler in die Fäuste. Es war ein Foul genau ins moralische Zentrum, das mir
Höher, schneller, weiter
viel von meiner legendären Explosivität raubte. Buschis junge Frau war sogar drauf und dran, den Scheidungsrichter zu beanspruchen, weil der junge Ehemann am ersten Hochzeitstag weit weg mit dem Ball verheiratet war und ihr statt Rosen ein Veilchen und statt kleiner Geschenke einen dicken Bluterguß mitbrachte. Noch aber ignorierten wir solche Zeichen. Es war ärgerlich, doch an eine gemütliche Auswertung unserer Spiele bei Bier, Kaffee und Kuchen inmitten von Fans, Frau, Freundin und Kinderwagen war in der Liga nicht mehr zu denken. Zwei Abende mußten wir scharf trainieren, drei weitere gingen für die Erholung vom scharfen Training drauf, und den Rest der Woche brauchten wir, um das veränderte Klima zu verdauen, uns taktisch zu schulen und den Gegner nach einem genauen Marschplan bereits vor dem Spiel zu schlagen, zumindest theoretisch. Bitterer Ernst machte sich breit und breiter. Die alte sonnige Gemütlichkeit, die zu unserm Fußball gehört hatte wie die Flöhe zum Igel, war dahin. Das kratzte an unseren Nerven, das demontierte unsere Moral. Nach der ersten Halbserie versanken wir namenlos im Mittelfeld, ohne Dampf, Biß und Begeisterung und ohne die Flügel, die uns Fans, Familie und Freundin bisher verliehen hatten. Entnervt musterten wir das geliebte runde Leder und sahen uns deprimiert nach Hilfe um. Glücklicherweise entsproß unserem Kapitän Buschi ein Gedanke von genialer Einfachheit. Wir brauchten doch, meinte Buschi, nur eins zu schaffen: den Abstieg. Ein Jubelschrei stieg gen Himmel, und wir begossen die schöne Aussicht sogleich mit etwas Bier wie in alten Zeiten. Dann begann der Kampf um den Abstieg: Bis zum vorletzten Spieltag hatten wir uns soweit nach unten vorangeschlagen, daß uns nur noch eine einzige Niederlage fehlte. Holz Fichtenberg hingegen winkte in diesem Falle sogar der unerwartete Klassenerhalt. So standen die Dinge, als wir, selbstsicher, gelöst und fröhlich wie einst, mit den Manieren von großen Siegern auf den Platz liefen. Momente nach dem Anpfiff bereits hätte jede andere Mannschaft den griinen Rosen geküßt und sieghaft die Fäuste ge-
85
86
Höher, schneller, weiter
reckt. Wir aber sahen affig aus, denn die Holzer von Holz Fichtenberg hatten sich flugs ein Eigentor beigebracht und grinsten. Das ließ uns stutzen. Im Volleyball hätten wir jetzt eine Auszeit nehmen und uns beraten können. Wir aber waren König Fußball ergeben und mußten aus der Bewegung heraus handeln. Wir öffneten unsere Deckung und luden den Gegner geradezu ein, in die freien Räume vor unserem Tor hineinzustoßen. Und der Gegner stieß. Mit neun Mann raste er wie ein Tornado auf uns zu und stiftete Verwirrung, während der zehnte Mann vom Anstoß weg auf seinen eigenen Kasten losschoß und das 2:0 für uns besorgte. Wir standen da wie vom Bus gestreift. Unsere Herzen stockten, die Nerven arbeiteten sich schwielig. Offenbar hegten die Fichtenberger ebenfalls Abstiegsabsichten. Wir mußten umdenken. Plötzlich kams darauf an, das gegnerische Tor zu verteidigen wie das eigene und das eigene zu bestürmen, als sei es das Heiligtum des Gegners. Aber stürme Die Linienrichter operierten gegen den Schiedsmal! Nicht wir hatten Anstoß, sonrichter, der Schiedsrichter pfiff auf seine Gehilfen, dern die Fichtenberger, und die feuund alle drei hatten sie was gegen uns. erten den Ball sofort wieder auf ihr Gehäuse, und der Torwart höchstpersönlich besorgte das 3:0. Nach 15 Minuten stand es bereits 12:0, ohne daß wir überhaupt ans Leder gekommen waren. Drei alte Fußballrecken, die bis jetzt fassungslos ihre kampfgestählten Köpfe geschüttelt hatten, begannen sich plötzlich ins Spiel zu mischen: der Schieds- und die Linienrichter. Eben wollte Fichtenberg das 13:0 machen, da pfiff der Schiedsrichter ab. Er glaubte, unserm Gegner sei die Orientierung verlorengegangen, erklärte ihm, welche Hälfte des Spielfeldes wem gehörte, und machte mit Schiedsrichterball weiter. Wenn wir jetzt den Ball erkämpften, hatten wir unsere Chance. Buschi, der trickreiche Libero, erkämpfte ihn, schlug zwei Haken, wie kein Hase sie hätte besser hinzaubern können, und kanonierte eine verdeckte Rückgabe riskant auf das eigene Tor. Clausemann, unser Keeper, hechtete auch mit einer tollkühnen Parade in die falsche Ecke. Trotzdem zappelte der Ball nicht im Netz. Ein Fichtenberger hatte auf unserer Torlinie gerettet. Es begann eine offene Feldschlacht von seltener Güte. Wir brauchten ein Eigentor, dann würden wir Anstoß haben, uns sofort das nächste verpassen, wieder anstoßen und so den Fichtenbergern ihre Hinterlist Tor um Tor heimzahlen. Ich gebe ehrlich zu, daß ich in dieser prekären Situation mit versteckten Fouls und raffinierten Handspielen über mich hinauswuchs; ich legte mich
Höher, schneller, weiter
sogar selber um, und so war es mir schließlich auch vorbehalten, das hochwichtige Eigentor zu erzielen. Leider war der Schiedsrichter anderer Meinung. Ich hätte abseits gestanden. Wie konnte ich aber abseits stehen vor einem Kasten, der doch der eigene war! Wir protestierten, sparten nicht mit Komplimenten und standen plötzlich mit zehn Mann da. Buschi hatte die rote Karte bekommen. Die Linienrichter wollten den Irrtum aufklären, gestikulierten wild mit ihrem Kollegen und erhielten die gelbe. Daraufhin wurde die Lage verworren. Die Linienrichter operierten gegen den Schiedsrichter, der Schiedsrichter pfiff auf seine Gehilfen, und alle drei hatten sie was gegen uns. Den folgerichtigen Höhepunkt mag sich der Fußballfreund auf der Feinschmeckerzunge zergehen lassen: Wir vertrauten auf unsere Konter, zogen uns zurück und verteidigten das gegnerische Gehäuse. Einmal war ich gezwungen, die Hände einzusetzen, um ein weiteres Tor für uns zu verhindern. Was tat der Schiedsrichter? Er gab Fichtenberg einen Elfmeter gegen Fichtenberg. Das war zuviel! Ich holte aus, verwechselte den Schiedsrichter mit dem Ball, und wer flog, war weder der eine noch der andere, sondern ich. Ich flog vom Platz. Unser Anhang auf den Rängen war inzwischen ohnehin schon äußerst mobil. Es herrschte eine südamerikanische Atmosphäre. Alle hatten sich auf die Rückkehr in traute Zeiten gefreut, nun aber, mit nur noch neun Mann und den Vorfreuden der letzten Nacht in den Knochen, schien unser Sieg nicht mehr aufhaltbar zu sein. Unser Übungsleiter raufte sich verzweifelt sein letztes Haar. Er war nahe daran, Hoffnung und Geist aufzugeben, da wurde es mäuschenstill in der Runde. Ach, unsere Fans, unsere wunderbare Fußballfamilie! Gesittet und diszipliniert betrat einer nach dem anderen den Platz. Eine Kolonne von militärischer Exaktheit besetzte friedlich des Gegners Hälfte, machte das Tor dicht und wich nicht. Der Schiedsrichter ermahnte, appellierte, drohte und explodierte schließlich. Zornbebend brach er das Spiel ab, erklärte Fichtenberg zum Sieger und wunderte sich heftig, weshalb ein Jubelschrei in die Wolken stieg und die Menge ihn auf den Schultern begeistert in die Kabine trug.
87
"Und das kann ich sogar mit zehn Ringen!"
DIE JUNGEN TURNER treffen sich während der Winterferien täglich in der kleinen Sportholle in Altenburg-Nord, um auch in den Ferien ihren Pio. nierouftrog weiter. zu erfüllen. ':ßCPGQ AAR'!ÖAf Mjttfl ,sq;sg Y'RNC' Viel Freude di!r 1 e en iungen Turnern os rampo in.
'
PJJ'
--
Warum spielt Honecker nicht Verstecken? Na, würdest du ihn su~
t:iiun-
gen. Mangeln_c!es spie~~sches veau, -geringe Stablhtat ~auch 1m k6rripferischen Einsatz), talctache reife _ das alles sind Dinge, auf deren Entwicklung gerade im~
zu
Höher, schneller, weiter
89
Heli Busse
lalJIJHttAHH ist flllSeAiadaH Die Ehe von Lallmann ist nun auch in die Brüche gegangen. Es hat wohl an der Frau gelegen, denn der Mann war in Ordnung. Ein Fußballfan. Nicht, daß er selber Fußball spielte, aber es gab in der ganzen Republik keinen Aktiven und keine Zuschauertribüne, die er nicht kannte. Trotzdem blieb er immer der bescheidene Mensch, der er war. Ich bin dabei - so hieß seine Losung, und dann fügte er meist noch hinzu: Da hat meine Frau zu Hause wieder freie Bahn, haha! Ja, haha! Aber in Wahrheit war ihm gar nicht noch Scherzen zumute, denn es schmerzte ihn sehr, daß seine Frau dem Wichtigsten im Leben mit solcher Gleichgül~ tigkeit begegnete. Sie muß eine von diesen Frauen gewesen sein, bei denen die Männer nach ein paar Ehejahren merken, daß sie geistig nicht nachkommt. Acht Jahre war er mit ihr verheiratet, aber sie konnte immer noch nicht genau sagen, was ein Elfmeter ist und mit welchem Ergebnis sich FC Großenbach am vergangenen Sonnabend von SC Kleinbach trennte. So was ging nicht rein in ihren Kopf. Sie hat auch nie richtig versucht mitzuziehen. Wenn er voll leidenschaftlicher Anteilnahme um Sieg oder Niederlage seiner Mannschaft bangte, dann legte Frau Lallmann zu Hause Wmdeln zusammen, und wenn er heimkehrte, dann zeigte sie ihm, wie viele Wmdeln sie zusammengelegt hatte. Wie oft hatte er versucht, seine Frau mitzureißen. Mehr als einmal hatte er zu ihr gesagt: »Komm mit! Heute spielen die Klassejungs Lederfetzer und Lattenbrenner!« Aber welchen Funkenregen seine Liebe zum Sport auch sprühte - die stumpfe Seele seiner Ehefrau entzündete sich nicht daran. Sie klebte an den Wmdeln von diesen beiden kleinen Kindern. Man kann sich nur wundem, daß Lallmann das durchstand, denn wieviel echte Begeiste\11/l«i
90
Die Chinesen wol· len nun doch zur Olympiade nach Moskau kommen. Ach ja? Ja, aber alle.
Höher, schneller, weiter
rung wird in der Welt oft durch solch deprimierende Befangen· heit in Nichtigem erstickt! Eine dürftige Seele ist erhobener Ge· fühle nicht fähig. Selbst wenn diese Frau mal mitgekommen wäre auf den Fußballplatz - irgendwas in ihr ausgelöst hätte das auch nicht. Man kann solche Frauen ja hin und wieder auf unseren Kampfarenen beobachten: Sie stehen da herum und wissen nicht, wieso. Und wenn dann ein Aufstöhnen durch die Massen geht, weil der Klassemann Lattenbrenner wieder einen seiner gefürchteten Elfmeter gegen den Torpfosten getreten hat, wenn sich also Ereignisse von sportweltgeschichtlicher Tragweite vollziehen, dann sehen diese Frauen so aus, als hätte einer geniest und weiter nichts. Sie sähen glatt zu, wenn einer die Luft aus dem Fußball ließe. Sie sind nicht imstande, zwei oder drei oder vier Tage lang über das Spiel zu sprechen. Das einzige, was sie behalten haben, ist, daß ein Spieler von der Ge· genmannschaft den Ball an den Kopf bekommen und sich lang hingelegt hat. Aber noch nicht mal das hat ihnen besonders gut gefallen. Es ist schon wahr - wer nicht imstande ist, die ganze menschliche Gefühlsskala auszuschöpfen, der gehört nicht auf den Fußballplatz. Das Leben hat andere Aufgaben für ihn, das Windelnwaschen und Breikochen, und damit ist diese Art Mensch dann auch zufrieden. Mehr packt so einer nicht, ge· fühlsmäßig nicht und vom Intellekt her schon gar nicht. Nun ja, und dann kam Lallmann vom Spiel zu dieser Frau nach Hause. Er hatte vier Tore miterlebt, vierzehn Eckbälle, drei Elfmeter. Sein ganzes Denken kreiste um das 2:2 Unentschie· den, ein Werk des unvergleichlichen Klassespielers Latten· brenner. Bisher hatte noch jede Mannschaft, in der Lattenbren· ner nicht spielte, gewonnen, und nun dieses alle Erkenntnisse in Frage stellende Unentschieden! Aber konnte Lallmann mit seiner Frau darüber sprechen? Konnte er ihr je überhaupt klar· machen, was ihn bewegte und aufwühlte? Er konnte es nicht. Da war nichts, was ihn nach Hause zog. So saß er denn bei uns in der Sportlerklause und sagte oft: Wenn ich nicht verheira· tet wäre, wäre das genau so wie jetzt, wo ich verheiratet bin. So war es wohl richtig, daß sich Lallmann von seiner Frau trennte. Erzählen Sie mir nichts - ich weiß Bescheid, es gibt immer noch eine ganze Menge Frauen, die wollen gar nicht gleichberechtigt sein! Es ist ihnen viel zu lästig.
Höher, schneller, weiter
Wolfgang Schrader
Wo1t1t dor BotrioO IJiii.lt Ehrlich gesagt, unser Abteilungssportfest war ein Volltreffer ins Schwarze. Vor allem wissen wir jetzt, daß es egal ist, ob ein Sportfest dem einzelnen einen Muskelkater einbringt oder nur einen einfachen Kater. Die Teilnahme ist immer Voraussetzung. Aufgrund unseres guten Teilnahmeergebnisses haben wir im Volkssportwettbwerb unseres Betriebes gut Chancen auf den ersten Platz, immerhin ein Faß Bier mit Wanderpokal. So leisteten auch jene ihren Beitrag, die bloß früh zur Eröffnung gekommen waren, um sich mitzählen zu lassen. Das ist uns auf jeden Fall lieber als das Verhalten einiger überheblicher Nur-Sportler, die irgendwelche Wettkämpfe in Vereinen vorziehen. Mit anderen Worten: Wir wissen, wo unsere ideologischen Reserven liegen, um in der Perspektive eine hundertprozentige Teilnahme zu erreichen - oder mehr! Die hohen Teilnehmerzahlen sind nicht zuletzt auf das persönliche Beispiel unserer Leiter zurückzuführen. An die Spitze hatte sich wie schon im Vorjahr unser Parteisekretär gestellt, und zwar in seinem nagelneuen Trainingsanzug, den er bereits im vorigen Jahr getragen hatte. Nicht zu übersehen war die Anwesenheit unseres Abteilungsleiters, eines schwerathletischen Typs, der sich persönlich an der Massengymnastik beteiligte und dabei ganz schöne Massen in Bewegung brachte. Für ihn ist die Teilnahme schon gute Tradition: Er staunt immer wieder darüber, wie viele Mitarbeiter trotz Rationalisierung neu zu unserer Abteilung gestoßen sind. Sagen wir es ehrlich: Wir alle nehmen teil, weil wir Freude daran haben zu sehen, wie es im Betrieb mal wieder so richtig läuft, wenn auch nur für ein paar Stunden. Und wie es lief! Der Lauf über die Meile beispielsweise klang mit einem dramatischen Finish zwischen dem drahtigen, für seine gesunde Lebensweise bekannten Kollegen Wibbel und Kollege Wabbel, der
91
92
Höher, schneller, weiter
im Verdacht des Alkoholmißbrauchs steht, beide übrigens aus der Materialbeschaffung. Auf der Aschenbahn siegte Wibbel, bei der Materialbeschaffung siegt immer Wabbel, weil dabei Alkohol ein höherer Trumpf ist als gesunde Lebensweise. Überhaupt war unser Sportfest vom Kampf geprägt - vom Kampf um Meter und Sekunden, vom Kampf gegen den inneren Schweinehund und beim Volleyball vom Kampf gegen die Schiedsrichterentscheidungen. Bewunderungswürdig die konditionsstarke Leistung unseres Kollegen Rössel, Diplom-Mathematiker, der sich als einziger für das Schachturnier gemeldet hatte und im Kampf gegen sich selbst den Sieg und wichtige Wettbewerbspunkte für die Abteilung Forschung und Entwicklung errang. Der glücksstrahlende Sieger schlug den Bogen zu unseren Betriebsproblemen, als er erklärte: »So glänzend könnten wir auch international dastehen, wenn uns die lästige Konkurrenz auf dem Weltmarkt nicht immer wieder herausfordern würde!« Als die Entscheidung im leichtathletischen Mehrkampf (weiblich) heranreifte, kam endlich auch die Sonne heraus. Die Kolleginnen konnten allerhand Kleidungsstücke ablegen und den Zuschauern zeigen, daß sie mehr drauf haben als nur immer wieder Klagen über den Verlauf der letzten Frauentagsfeier. Zum mit Spannung erwarteten Höhepunkt wurde das Fußballspiel der Abteilung 1 gegen die Abteilung 2. Spielbestimmend war der ansonsten im Betrieb weitestgehend unauffällige stellvertretende Stellvertreter Kollege Gerngroße, der schonungslos seine Stärken bloßstellte und durch körperbetontes Spiel die gegnerische Mannschaft ausschaltete, ausgenommen die beiden schnellen Flügelflitzer, die er nicht zu stellen vermochte. Das Endergebnis von 3 mehr oder minder Gesunden zu 8 Verletzten im Team der Abteilung 2 spricht eine eindeutige Sprache. Das Sportfest hat in Bezug auf den Krankenstand im Betrieb jedenfalls zu einer bedeutsamen Planerfüllung geführt. Die Betriebsleitung appellierte an die Belegschaft, den Schwung des Sportfests auch für die restlichen Positionen des Jahresplanes produktiv zu machen. Das jedoch wird zwar qualitativ, nicht aber quantitativ möglich sein; denn die eine Hälfte der Belegschaft ist krankgeschrieben, die andere Hälfte nutzt einen großen Teil der Arbeitszeit zu Krankenbesuchen. Eins der schönsten Ergebnisse unseres Sportfestes war es immerhin, daß die Kollegen einander nähergekommen sind. Das Kollektiv hat sich also gefestigt, wie man so sagt.
94
Unter vier Augen
Renate Holland-Moritz
Dar t,1ro/Ja Ai.ltritt
Der Kolchosvorsitzende ruft die Melkerin Irina zu sich. »Du, ein ausländischer Journalist will ein Interview mit dir machen.« »Was ist denn ein Interview?« fragt Irina. »Weiß ich auch nicht«, sagt der Vorsitzende. »Aber zieh für alle Fälle saubere Unterwäsche an."
Das Künstlerehepaar, in Annoncenleserkreisen bestens bekannt, hatte wieder einmal um Hilfe aus Kreisen der nichtberufstätigen weiblichen Bevölkerung ersucht. Die elfte Hausangestellte war, wie schon ihre zehn Vorgängerinnen, hysterisch kreischend und Porzellan zerschmeißend davongelaufen. Der bedeutende Regisseur und Heldenspieler Eckehard MagerBewershoff begab sich sofort in privatärztliche stationäre Behandlung, weil er sich der jeweils folgenden Haushaltsauflösung einfach nicht gewachsen fühlte. Außerdem marterte ihn der Gedanke, daß auch diese aus dem Arbeitsverhältnis geflohene Dame mit Sicherheit über die internen Angelegenheiten der Künstlerfamilie schwatzen würde. Eckehard Mager-Bewershoff schob nicht ohne Grund seiner Frau die Hauptschuld an der dauerhaften Fluktuation unter den dienstbaren Hausgeistern zu. Die bemerkenswert unbedeutende und deshalb auch nur selten im Fach der komischen Alten einsetzbare Schauspielerin Warwara Becherowka - ein Pseudonym, von dessen slawophilem Klang sich die vormalige Bärbel Becher viel versprochen hatte - legte ein seltenes Talent an den Tag, immer die falschen Hausangestellten zu engagieren. Entweder waren sie zu alt oder entschieden zu jung. In Wahrheit verhielt es sich so, daß Mager-Bewershoff alte Frauen einfach nicht um sich ertragen konnte, während er den jungen und möglichst noch jüngeren in eindeutiger Weise gewogen war. Das erzeugte natürlich ständige Spannungen, die besonders von den Künstlersprößlingen Ottilie (12) und Igor (8) weidlich ausgenutzt wurden. Die beiden verzogenen Satansbraten wußten ganz genau, daß sie mit ihrem ruppigen Benehmen gegenüber der jeweiligen Hausangestellten auf Verständnis bei jeweils einem Elternteil rechnen konnten. Nun also war die vertraute Annonce »Künstlerehep. m. Hochhs.Komfortwhg. su. zuverl., selbst. arb. Hausangestl., eig. Zi. m. TV-Ger. vorh." zum zwölften Mal in der Zeitung erschienen. Da erstmals »Schrift. Bewerb. m. Ganzfoto (gar. zur.)« erbeten war, hoffte Warwara Becherowka, diesmal auf Anhieb eine kluge Entscheidung treffen zu können. Eile schien geboten, denn sie wußte ihren Mann nicht gern für längere Zeit als Logier-Gast in der Nervenklinik, die als Brutstätte des Alkoholismus galt.
Unter vier Augen
.
Es kamen siebzehn Angebote. Nach gründlicher Sondierung entschied sich Warwara für eine 42jährige kinderlose Witwe mit graumeliertem Haar und strenger Nickelbrille. Ihr Antrittsbesuch bestätigte den ersten guten Eindruck: Frau Müller wirkte kerngesund, fleißig und flink und hatte, mit Ausnahme vielleicht ihres verblichenen Gatten, gewiß noch nie einen Mann auf erotische Gedanken gebracht. Im ersten Kadergespräch betonte Frau Becherowka, daß es sich um eine Vertrauensstellung handle, denn ein Künstlerhaushalt sei nun mal etwas Besonderes, nicht mit bürgerlichen oder gar proletarischen Maßstäben zu messen. Natürlich sei man dem Sozialismus im allgemeinen und dem sozialistischen Realismus im Beruflichen verpflichtet, aber derlei müsse ja nicht unbedingt an die große Glocke gehängt werden. Kurz gesagt: Was im Künstlerhaushalt Mager-Bewershoff-Becherowka geredet werde, sei für die Öffentlichkeit tabu. Bei aller Volkstümlichkeit verbleibe der Künstler doch immer ein wenig im Bereich der Exklusivität. Allerweltsvorstellungen von Moral und Sitte seien auf ihn nun einmal nicht anwendbar. Wenn sich Frau Müller danach richte und darüber hinaus die sechs Zimmer sauberhalte, den Einkauf und das bißchen Plättwäsche erledige, gelegentlich etwas Gutes koche und ein wachsames Auge auf die Hausaufgaben der Kinder habe, werde man gewiß gut miteinander auskommen. Leider könne sie, Warwara Becherowka, nicht oft einspringen, da ihre künstlerischen Verpflichtungen sie voll in Anspruch nähmen. Frau Müller zeigte sich vor allem von der Höhe des Stundenlohnes beeindruckt. In ihrem erlernten Beruf als Buchhalterin hatte sie mit solchen Summen nur theoretisch zu tun gehabt. Im übrigen interessierte sie das Gewäsch der Künstlerin Becherowka, von deren Existenz sie bisher nie gehört hatte, nicht im mindesten. Sie war ein Mensch, der jeden nach seiner Fasson selig werden ließ. Die mißratenen Kinder waren ihr auf Anhieb so unsympathisch, daß sie ihnen ohne jede mütterliche Emotion und mit unangreifbarer Sachlichkeit begegnete. Der aus der Nervenklinik heimgekehrte Maestro empfand die neue Kraft zwar als ein kaum anregendes Neutrum, mußte aber ihre Tüchtigkeit und vor allem ihr zurückhaltendes Wesen aner-
95
96
Unter vier Augen
kennen. Natürlich blieb das Verhältnis auf die Dauer nicht ungetrübt. Die häufigen Kräche zwischen dem Künstlerehepaar konnten Frau Müller in der hellhörigen Hochhauswohnung einfach nicht verborgen bleiben. Warwara Becherowka machte ihrem Mann gewaltige Szenen nicht nur wegen seiner zahllosen Liebschaften, sondern vor allem, weil er seine Angetraute in seinen Inszenierungen nicht besetzte. Die von ihm bevorzugten Aktricen waren für sie durch die Bank intrigante, vom Ehrgeiz zerfressene Knattermiminnen, die sich ihre Engagements ausschließlich erschlafen hatten. Worauf der Gescholtene konterte, sie sei von geradezu monströser Talentlosigkeit, eine Fehlbesetzung in jeder Beziehung. In solchen Momenten wurde die in der Küche hantierende Frau Müller oft als Zeugin angerufen, war aber klug genug, sich aus dem Gerangel der psychopathischen Kampfhähne herauszuhalten. Das hatte nun wieder zur Folge, daß sie von beiden Sie genoß den Gedanken, soben als eine indifferente, opportunistische Person beeinen Star geboren zu haben! schimpft wurde, die es eigentlich gar nicht verdient habe, im Dunstkreis bedeutender Künstler zu leben. Eines Abends, als die Stimmung wieder einmal auf dem Siedepunkt angelangt war, teilte Frau Müller kühl mit, sie verlasse jetzt das Haus, um zwei ruhige Stunden im Kino zu verbringen. Eckehard Mager-Bewershoff beglückwiinschte sie mit mephistophelischem Gelächter zu diesem Entschluß, denn jedes noch so mißlungene Leinwandstück verfüge zumindest über eine bessere Hauptdarstellerin als sein persönliches Heim-Kino. Noch ehe Warwara Becherowka zu einer keineswegs druckreifen Erwiderung ansetzen konnte, war Frau Müller schon verschwunden. Im Foyer des Hochhauses hatten sich Dutzende Menschen versammelt, und immer mehr kamen hinzu. Die unauffällige Frau Müller bahnte sich lächelnd einen Weg durch die Massen und schlenderte in Richtung Kino. Während sie in der beruhigenden Stille des Parketts wohlig ihre Glieder dehnte, genoß sie den Gedanken, soeben einen Star geboren zu haben. Just in diesem Moment entzückte die Schmierenkomödiantin Warwara Becherowka, assistiert vom berühmten Ekkehard Mager-Bewershoff, ein volles Haus mit einem Schauerdrama, um welches Meister Striese sie beneidet hätte. Frau Müller hatte nämlich beim Verlassen der Wohnung ganz unauffällig einen Leukoplaststreifen über die Sprechtaste der Wechselsprechanlage geklebt.
Unter vier Augen
97
lrmgard Abe
Vier Wochen, nachdem Carla dieses Männchen geheiratet hatte, kamen ihr Zweifel an seiner Verwendbarkeit als Gatte und Familienrepräsentant. Das hätten wir ihr schon zur Hochzeit sagen können, obwohl wir ihn da zum erstenmal sahen. Jeder hatte sofort bemerkt, wie ungeheuer albern der Bursche ständig sein Kirschmäulchen aufriß, um ein saftloses Lachen über den Tisch zu keckern. Aber der Braten war rosig, der Kuchen fein mürbe und der Wodka so herrlich kalt - wer wollte da Diskussionen anfangen und womöglich nach Hause gehen müssen, bevor der Schnaps alle war! Solche Dümmlinge gibts vielleicht in anderen Dörfern, bei uns denkt man vernünftig. Und vernünftig war es natürlich von Carla, mal zu heiraten. Man brauchte nur ins Nebenzimmer zu sehen, wo schon ein Baby schlief, und auf ihr taillenloses Kleid, um zu begreifen: Wenn da ein Romeo kam, der das ganze kulturelle Erbe hegen und pflegen wollte, dann her mit dem Kunstfreund! Soweit unsere vernünftigen Gedanken. Doch nun zeigte sich: Carla war in diesem Zeitalter der Emanzipation keineswegs auf eine stabile Wirtschaftslage aus gewesen, sondern auf Liebe. In seinen Bart hatte sie sich verliebt, so tragisch war das! Vor lauter Liebe hatte sie aber versäumt, mal ein paar Worte mit dem Kollegen, der dranhing, zu wechseln. Sie hatte ihn sofort an die Hochzeitstafel geschleppt. Welch folgenschwerer Fehler, nicht im Zusammenhang zu denken! Carla gab ihren entsetzlichen Irrtum auf der Maifeier bekannt. Wir waren gerade im besten Trinken und Tanzen, da ging der Jux los. »Kuckt ihn doch mal richtig an!« schrie sie hochrot und zeigte mit langem Arm und langem Finger über den ganzen Saal auf den Gatten und Vater, der still unterm Garderobenständer saß und begeistert Bier in seinen Bart laufen ließ. »Soll ich euch verraten, warum der überhaupt einen Bart hat?« Natürlich blieben wir sofort auf dem Standbein stehen, zumal
"Wze gehts nun weiter mit uns? Das kann doch unmöglich schon alles gewesen sein.«
98
Unter vier Augen
auch die Kapelle aussetzte und interessiert lauschte. Alle warteten wir Carlas Bekanntmachung ab . »Damit er wenigstens aussieht wie ein Mann! Damit er sich bei mir einschleichen konnte. Mein Leben zerstören!« Jetzt wußten auch die Schwerhörigen, wer hier die Hauptrolle spielte. »Los!« forderte Carla. »Schneidet ihm die Fransen ab!« Nun lieben wir ja solche herzerfrischenden Meilensteine auf unserem Entwicklungsweg über alles, wirklich. Aber der Junge war von Beruf Maler, arbeitete bei der PGH in der Stadt und erweckte in uns allerschönste Feierabendhoffnungen. Wer wollte da zur Heckenschere greifen? Ausgerechnet jetzt, im Frühjahr, wo der große Hausputz bevorstand? Schweren Herzens machten wir mit einem Tango weiter. Carla griff den Trickbetrüger bei seinem Requisit, schleifte ihn nach Hause und kam in gleicher Nacht vor Enttäuschung über unsere Tatenlosigkeit vorzeitig mit dem zweiten Baby nieder. Auch für uns wurde es ein erfolgreiches Jahr. Wrr legten zehn renovierte Wohnungen, acht gestrichene Zäune und die aufgemöbelte Fensterfront unNie wußte sie, wann dieser Mensch bei seiner seres Neubaublocks auf den GeburtsFeierabendarbeit Feierabend machen würde. tagstisch der Republik. Hatten also Carlas Liebling kräftig genutzt, ihm natürlich auch unsere schier unbezahlbare Dankbarkeit bewiesen, doch wozu darüber reden? Gewinner waren schließlich wir alle, standen auch gleich als »Schönstes Dorf« in der Zeitung. Aus diesem freudigen Anlaß feierten wir wieder im Saal. Dem Hauptmatador war ein geschmückter Ehrenplatz vorbehalten. Carla brachte ihn auch pünktlich angeschleppt. Sie trug eine hohe Perücke und eine Art Lederschurz um die Hüfte, was uns gebündelt auf die Bretter legte, denn diese gesunde Mode war gerade erst aus Übersee im Hamburger Hafen eingelaufen. »Mann, Carla! Das hat sich aber gelohnt!« »Meine Güte!« sprach Carla hoheitsvoll. »Dieser lächerliche Fummel ist doch wohl nicht der Rede wert." »Er soll ~ir aber auch einen Fernseher geschenkt haben?« »Na und?« entrüstete sich Carla. »Jeder wirkliche Mann hätte in der Zeit ein Auto verdient. Außerdem: Meine Liebe kann man nicht kaufen, daß das klar ist!" Sie setzte sich auch nicht erst lange auf den garnierten Ehrenstuhl neben den enttäuschenden Bart, sondern schritt sofort zur Theke, wo unsere Traktoristen erwartungsvoll standen und bereitwillig die Zigarettenschachteln aus den Taschen fingerten. »Danke!« sprach Carla. Sie rauchte jetzt Camel.
Unter vier Augen
Gegen zehn besann sich die Kapelle auf eine Ehrenrunde für den Feierabendbrigadisten. Der setzte sein Bierglas ab und suchte sein liebend Weib. Geistesgegenwärtig schoben wir ihn schnell solo in den Kreis. Wir klatschten im Takt, er hüpfte auf einem Bein, wedelte mit seiner Jacke und keckerte glücklich. Und als er Carla mit Edwin in der Saaltür auftauchen sah, warf er ihr mehrere Kußhändchen entgegen. »Man schämt sich vor den Leuten«, sprach Carla erschüttert. »Womit hab ich das verdient?« Edwin brachte sie denn auch sofort nach Hause, damit ihr nicht noch mehr Leids geschehe. Wir feierten oft, und jedesmal hatte Carla nichts als ehrenrührige Szenen mit diesem unwürdigen Anstreicher, der sich bisweilen sogar unterstand, sie um einen Tanz zu bitten - vor allen Leuten! Das, wie gesagt, bei unseren frohen Festen, die immerhin doch ein bißchen Abwechslung in Carlas trauriges Leben. brachten. Wie öde dagegen ihre sauren Wochen! Nie wußte sie, wann dieser Mensch bei seiner Feierabendarbeit Feierabend machen würde. Klopfte er etwa schon um acht an die Tür - oder vielleicht doch erst um zehn? Mußte sie das Abendbrot warm halten oder nicht? Um diese nervenbelastende Unsicherheit auszuschließen, verlegte Carla ihre Abende schließlich in Gottes freie Natur, die bei uns von Mücken und Ameisen nur so wimmelt, weshalb wir als vernünftige Menschen auch immer das Auto benutzen. Aber wo viel Licht ist, trifft man bisweilen auch Dumme an. Selbst bei uns. Diese beflissenen Leute stichelten mit dem liebenden Gatten oder versuchten, Carla ins Gewissen zu reden. »Ich vertraue meiner Frau!« sprach das Bürschchen wie ein Mann und pinselte um so heftiger, denn die Kinder waren im Wachsen, und Carlas schöne Ansprüche entwickelten sich zu vollster Blüte. Keine Rede mehr von ledernem Minirock; ein Ma:ximantel mußte her, und zwar aus Pelz. »Was heißt hier betrügen?« verbat sich Carla scharf. »Und was heißt hier ausnehmen? - Ich liebe ihn nicht, also betrüge ich ihn nicht, logisch. Und Dummheit muß bestraft werden, so ist das Leben! « In fünf, sechs Jahren, wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus wären und Carla genug auf der Kante
99
»Meine Frau schimpft mit mir; wenn ich es nicht hinstelle!((
100
Silvesterfeier 1980. Leonid Breshnew, Margret Thatcher, Helmut Kohl und Erich Honecker treffen sich zum Pfänderspiel. Jeder muß zur Einführung ein Kleidungsstück ablegen und an seinem Körper ein nationales Symbol vorzeigen. Breshnew knöpft sich das Hemd auf, zeigt seine behaarte Brust und sagt: Das ist der russische Bär. Thatcher streift die Bluse ab und sagt: Hier seht ihr zwei schöne britische Pfund. Kohl erhebt sich, dreht sich um, läßt die Hose herunter und sagt: Dies ist das geteilte Deutschland. Honecker erhebt sich ebenfalls, läßt ebenfalls die Hose herunter, allerdings ohne sich umzudrehen. Und sagt: Und das ist die Grenzschranke. Die bleibt auch 1981 unten.
Unter vier Augen
hätte, gedachte sie, sich von dem unzumutbaren Herrn zu trennen und eine freie, emanzipierte Frau zu sein. Man soll eben den Teufel nicht an die Wand malen! Es ging schneller, als uns allen lieb war. Und es passierte in einer phantastischen Sommernacht, in die ein Unglück so wenig hineinpaßte wie Schmieröl in einen Pfirsich-Cocktail. Carla hatte nach der Hitze des Tages ein bißchen nachtfrische Luft schnappen wollen und war damit dem Schichtleiter des Mähdrescherkomplexes ziemlich entgegengekommen, genau bis zum großen Roggenschlag hinter den Buchen. Es war ein umwerfendes Erlebnis gewesen, diese dröhnende Kette malmender Ungeheuer; es hatte nach heißem Eisen, nach Benzin und überhaupt sehr männlich gerochen, und die Erde hatte gebebt unter dem Pfaffenhütchenstrauch. Herrlich gerädert saß Carla im Jeep, der Schichtleiter nahm die Kurve im Dorf mit achtzig und knurrte plötzlich wiitend: In seinem Haus brannte noch Licht. Wartete also wieder auf ihn, seine eifersüchtige Frau, spionierte ihm nach! Die konnte was erleben! Carla hatte ihn schon viel Rühmliches über seine Tatkraft reden hören, und es erfüllte sie immer mit schönem Stolz. Doch Männern darf man nie trauen - Dabeisein ist alles! Und so stand sie erwartungsvoll unterm Schlafstubenfenster, als drin das kleine Zimmertheater über die Bühne ging. Ganz nach Carlas verwöhntem Geschmack. Hingerissen lauschte sie den aparten Geräuschen, biß sich begeistert auf die Finger und genoß das Gefühl der Größe. Plötzlich kam etwas Schweres aus dem Fenster geflogen, landete zwischen Edeltanne und Gartenzwergen genau vor Carlas Füßen und keckerte benommen. Ahnungsvoll tastete Carla nach unten, griff in einen soliden Bart und machte sofort reiche Beute. Selbst dazu war er also zu blöde! Der so heruntergekommene Gatte brüllte ein gewaltiges SOS ins offene Ohr des schlafenden Dorfes. Er hatte sich den Knöchel gebrochen. Mit geradezu übermenschlicher Kraft schleifte Carla ihn weg von diesem Waterloo, noch konnte alles en familie geregelt werden, aber kurz vorm rettenden Hafen bogen die Melker der Frühschicht um die Ecke. An diesem Tag blieb der Konsum durchgehend geöffnet, und der Wirt schenkte mehr aus als zum Erntefest. Carla sah sich gezwungen, die Scheidung einzureichen. Fünf, sechs Jahre , bevor die Kleinen aus dem Gröbsten raus waren und sie selbst sich bei der Sparkasse emanzipiert hatte. Doch es mußte sein. Das war sie ihrer Ehre einfach schuldig.
Ein Arbeiter will in die Partei eintreten und geht zum Parteisekretär. Der fragt ihn: »Kennst du Marx?« - »Nö, nie gehört.« - »Na, egal, aber von Engels hast du schon mal gehört?« - »Nö, kenn ich nicht.« - »Ist ja interessant. Aber Lenin kennst du bestimmt?« - »Verdammt noch mal, was fragst du mich dauernd nach fremden Leuten! Dann frage ich dich mal: Kennst du Koslowski?« - »NÖ«, sagt der Parteisekretär, »wieso?« Daraufhin der Arbeiter: »Den kannste ja auch gar nich kennen. Der geht immer zu deiner Frau, wenn du Parteilehrjahr machst.«
„Jetzt ist es genau elf Jahre, vier Monate, zehn Tage, zwölf Stunden, vier Minuten und dreißig Sekunden her,
seit du mir was Nettes gesagt hast."
ein jun~r E.ines Tages aberf-taucht d r _ man hore
Mann im Dort au . e B 1nicht nur den u und staun;ee-sondem auch dessen lertschen · . Und auf einmal Tochter haben w• 11 ·
Unter vier Augen
102
John Stave
»Mir ist der Appetit vergangen«, sagte Herr Mackenberg und schob den tiefen Teller mit der duftenden Kartoffelsuppe demonstrativ ein paar Zentimeter von sich. Die Suppe sah prima aus, goldgelb im Grundton, dazwischen Suppengrün und »Bockwurstscheiben (dünn geschnitten!) sowie, dunkelbraun gebratene Zwiebelwürfelehen von der Einbrenne - ein Genuß! Es war Sonntag. Aber Mackenberg hatte den Teller von sich geschoben. Er wischte sich den Mund mit dem Taschentuch ab. Zum Ärger seiner Frau benutzte er nie Papierservietten, die in reichlicher Menge in einem besonderen Ständer mitten auf dem Tisch vorrätig waren. Frau Mackenberg aß, scheinbar ohne sich um ihren Mann zu kümmern, weiter an ihrer Suppe. Es machte Frau Mackenberg offenbar Spaß, in aller Seelenruhe alles auszulöffeln. SorgfälIch gehe nicht mehr zum Fußball! Ich bleibe zu tig kratzte sie den Teller sauHause, weil ich mit deiner Mutter Kaffee trinken will. ber, legte den Löffel hinein, verschränkte die Arme, beugte sich ein wenig zurück und sah Herrn Mackenberg herausfordernd an. Der kochte innerlich. Der Appetit war ihm nämlich nicht im geringsten vergangen. Im Gegenteil - Kartoffelsuppe war Makkenbergs Leibgericht (und Rote Grütze !) , doch nun konnte er nicht mehr anders. Es war so gewesen: Herr Mackenberg hatte bereits mit dem Speisen angefangen - seine Frau mußte sich ja erst noch ihrerseits den Teller füllen-, aber das übliche »Guten Appetit!« blieb diesmal aus. Stattdessen sagte Frau Mackenberg: »Mama kommt heute zum Kaffee!« Mackenberg lief sofort rot an. Er haßte seine Schwiegermutter aus tiefster Seele. Und nun diese Schreckensmeldung, quasi auf fast nüchternen Magen. Herr Mackenberg betrachtete die schöne Suppe auf seinem Teller ... »Sie wird kalt!" sagte Frau Mackenberg. »Der Kaffee wird auch kalt«, sagte Herr Mackenberg zynisch. Er lachte bitter. »Dann darf ich wohl abräumen?« fragte Frau Mackenberg. Makkenberg nickte geschlagen. »Du darfst«, sagte er zunächst leise.
Unter vier Augen
103
Dann fuhr er lauter und lauter fort: »Du darfst überhaupt alles! Du darfst sogar deine Mutter zum Kaffee einladen. Ohne mich zu fragen! Natürlich! Es ist ja Sonntag, da darf ja die liebe Mutti nicht fehlen!« »Ich dachte«, sagte Frau Mackenberg, »du gehst zum Fußball." »Heute ist kein Fußball!« Herr Mackenberg brachte es anklagend heraus. »Ich geh überhaupt nicht mehr zum Fußball! Ich bleibe zu Hause, weil ich mit deiner Mutter Kaffee trinken will!" Mackenberg schnaufte. »Das war ironisch gemeint«, setzte er nach einer kurzen Weile vorsichtshalber hinzu. »Mama kommt nicht nur meinetwegen, sie kommt auch deinetwegen«, sagte Frau Mackenberg. »Wie edel«, höhnte Mackenberg. »Auch meinetwegen. Meinetwegen braucht sie nicht zu kommen! Ich pfeife drauf!« »Seit Vater tot ist«, sagte Frau Makkenberg ruhig, »ist sie ein bißchen einsam. Das ist gerade sonntags schlimm!« »Sie hat den Köter«, sagte Mackenberg unbeeindruckt. »Diese Ratte. '/f Sie lebt nicht allein, der Hund ist "' bei ihr. Herr Waldemar, die Ratte. /! f Waldi hinten, Waldi vorn. Im Gegen1 satz zu deinem Vater pariert er ihr J 1 1 sogar. Armer Hund!« Frau Mackenberg muckte auf: »Bitte laß Vater aus dem Spiel! Er hat dir nichts getan „. Wenn du die Suppe nicht aufißt, nehm ich die Wurst für den Hund, in Ordnung?« »Natürlich! Selbstverständlich!« brauste Mackenberg auf. »Gib doch alles dem Hund! Meine Wurst. Meine Zigaretten. Mein Bier. Und den Kaffee für die Mutter! Bravo! - Weißt du überhaupt, daß sie sich mit dem Köter unterhält?« Frau Mackenberg wurde wachsam. »Was soll das nun wieder?« fragte sie mißtrauisch. »Sie spricht mit dem Hund«, entlarvte Mackenberg seine Schwiegermutter. »Jawoll: Sie betrachtet ihn als Menschen!« »Das ist doch kompletter Unsinn, Willi«, sagte Frau Mackenberg. »Es ist die Einsamkeit: Das Alleinsein. Weiter nichts." »Und ich sage dir, sie ist verrückt, sie spinnt!« Mackenberg zündete sich eine Zigarette an. »Als ich vorige Woche die Wä-
.
-u
1
/,
~~-\
11Die Schonbezüge nehmen wir nur ab, wenn lieber Besuch kommt."
104
Unter vier Augen
sehe bei ihr abholte, bügelte deine Mama noch in der Küche. Ich saß im Wohnzimmer, aß Rote Grütze und hörte plötzlich jemand reden. Es - war - Mamilein! Ich öffnete die Tür einen Spalt und konnte ganz deutlich verstehen, was sie sagte .. .« »Nun, was sagte sie also?« fragte Frau Mackenberg gespannt. Mackenberg legte eine Kunstpause ein. »Du willst es hören«, sagte er dann. »Also gut: >Sieh einmal, Waldichen. Dies hier sind die vielen, vielen Unterhosen von Willi. Die hat die Mama jetzt fein gebügelt, damit sich der Willi darin wohl fühlt. Und der große Haufen hier, das sind Willis Socken. Das hier sind die blauen Socken, das sind die grünen und grauen. Und das hier ist Willis gute Hose. Da war die Naht aufgeplatzt, mein Waldilein. Die hat die Mama zugenäht. Jetzt ist nichts mehr zu sehen. Bitte, überzeuge dich .. . < Und so weiter. Es war grauenvoll." Frau Mackenberg schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was du willst. Das ist völlig normal. Sie spricht eben mit jemand. Ob das der Hund ist, der Kanarienvogel oder einfach die Wand. Dir wird das später genauso gehen ... « »ERLAUBE MAL!« Herr, Mackenberg schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Die gutaussehende Kartoffelsuppe schwappte über den Tellerrand. »Du mit deiner verrückten Familie! Und ich hab ihr noch fünf Mark gegeben! Ihr habt ja einen Knall! Aber nicht mit mir! ABER NICHT MIT MIR!« Mackenberg sprang auf, verließ das Zimmer, zog auf dem Korridor Schuhe über, ging ins Bad und ließ Wasser in zwei Eimer. »Was machst du, Willi? Wohin gehst du?« fragte Frau Mackenberg beunruhigt. »Ich gehe zum Wagen«, antwortete Mackenberg. »Wo ist der Schwamm?« Die Sonne schien warm vom knallblauen Himmel herunter. Willi Mackenberg stellte die Eimer neben einem gelben Wartburg ab. Er tauchte den Schwamm in das lauwarme schaumige Wasser. Dann begann er, das Auto gründlich zu waschen. Er fing am Dach an, dann folgten die Seitenpartien, das Heck und schließlich die Motorhaube und Vorderfront. Mackenberg spülte das Gefährt mit dem Inhalt des zweiten Eimers sorgfältig ab. Willi Mackenberg hatte irgendwie einen glücklichen Gesichtsausdruck, ja, man konnte sagen, er war die Zufriedenheit in Person. Von einem vorausgegangenen ehelichen Streit war ihm jedenfalls nichts mehr anzumerken. Willi Mackenberg begann den Wagen abzuledern. Frau Mackenberg sah aus dem Fenster ihrer Hochparterrewoh-
Unter vier Augen
105
nung dem Tun ihres Gatten gelassen zu. Sie wußte, jetzt war der Ärger vorbei. Wenn Willi wieder herauf kam, wiirde er völlig verwandelt sein, und selbst die Kaffeestunde mit der Mutter wiirde glimpflich verlaufen. Frau Mackenberg wollte schon das Fenster schließen, als sie die freundliche Stimme ihres Mannes auf der Straße vernahm! »Achherrje!« sagte Herr Mackenberg. »Ihr lieben kleinen Radkappen! Euch hätte ich ja beinahe vergessen! Nein, nein, keine Angst! Der gute alte Willi wird rasch noch einen Eimer Wasser holen -wie bitte? Natürlich mit Auto-Shampoo. Aber selbstverständlich! Heute ist schließlich Sonntag ... "
»Was hast du gesagt, Erna?« »Hast du was gesagt, Alfred?« »Nee, Erna, ich nicht.« »Doch hast du! Ich habs ganz genau gehört.« »Was hab ich denn gesagt, Erna?« »Na hör mal, das mußt du doch besser wissen als ich!« »Ehrenwort, Erna! Ich hab nichts gesagt.« »Doch hast du! Wenn ich richtig verstanden hab, hast du gesagt: Hast du was gesagt, Erna?« »Allerdings, das kann sein ... " »Na also!« »Und was hast du gesagt, Erna?« »Ich? Ich hab gar nichts gesagt. Ich hab bloß was gefragt." »Und was hast du gefragt, Erna?« »Ich hab gefragt: Hast du was gesagt, Alfred?" »Nein.« »Was - nein?« »Ich hab nichts gesagt, Erna." »Wie bitte? Was sagst du? Man versteht ja sein eigenes Wort nicht. Fahr langsamer! So ein Unsinn - Trabant mit hundertzwanzig Sachen!"
Ernst Röhl
»Da siehst du s. Verhindert hat der Gurt gar nichts.«
Unter vier Augen
106
Klaus Möckel
Vor noch gar nicht so langer Zeit lebte in unserm Land ein Universitätsprofessor, der mehrere ganz schön emanzipierte Töchter hatte. Am emanzipiertesten aber war die jüngste, und weil sie außerdem noch eine Neigung zur Romantik besaß, ging sie bei sommerlichem Wetter oft zum Swimmingpool im Garten ihres Vaters, setzte sich dort im Bikini in eine Hollywoodschaukel und drehte ihre Kofferheule auf. Diese Kofferheule hatte sechshundertsiebenundzwanzig Mark gekostet und war ihr liebstes Spielzeug. Sie drehte sie so laut auf, daß sich kein Vogel mehr in die Nähe getraute und schon gar kein Mensch, und wenn sie dann einen wilden Beat hören, eine Zigarette der Marke Pali Mall rauchen und ein Buch über Sexualaufklärung lesen konnte, war sie über alle Maßen glücklich. Da geschah es eines Tages, als sie wieder einmal im Garten saß, daß sie etwas zu heftig schaukelte, mit dem Fuß an die Heule stieß und diese so in den Swimmingpool beförderte. Das ärgerte die Professorentochter ungeIch verwandele mich in einen Intellektuellen und heuer, denn sie konnte nun keinen verspreche, die werktätigen Menschen zu achten. Beat mehr hören. Am liebsten hätte sie das Buch »Du und ich intim« hinterher geschmissen. Sie stieß eine kräftige, durchaus nicht jungmädchenhafte Verwünschung aus und versuchte verzweifelt, den verlorenen Gegenstand zu erspähen. Wie erstaunt war sie aber, als unvermutet der eckige Kopf eines grasgrünen Frosches aus dem Wasser tauchte. »Beruhige dich, meine Tochter«, sagte der Frosch, »und weine nicht. Ich habe wohl gesehen, daß dein hübsches Spielzeug in diesen Brunnen gefallen ist. Wenn du mir einen Wunsch erfüllst, will ich tauchen und es dir herausholen." Das Mädchen war nicht schlecht überrascht, daß sich in diesem Swimmingpool, in dem sie sonst unbesorgt badete, ein Frosch befand, doch sie ließ sich ihren Schrecken nicht anmerken. »Was ist das für ein Blödsinn«, erwiderte sie, »warum sollte ich dir einen Wunsch erfüllen, wo die Heule durch das Wasser sowieso hinüber ist. Wenn ich wollte, könnte ich selbst tauchen. Und was willst du überhaupt in unserem Swimmingpool? Wahrscheinlich kommst du von nebenan - Rohmeisels machen ihr Wasserloch ja nie sauber. Scher dich nur schnellstens wieder dorthin zurück."
Unter vier Augen
Der Frosch hatte eine solche Reaktion nicht erwartet und zeigte sich schockiert. »Aber«, stotterte er, »ich ... ich bin ein verwunschener Königssohn, wenn du mich zu deinem Gefährten machst, entzauberst du mich. Ich nehme meine frühere menschliche Gestalt wieder an, und du kannst mich zum Mann haben." Doch davon wollte das Mädchen nichts wissen. »Einen Königssohn zum Mann«, sagte sie spöttisch, »das würde mir gerade fehlen. Was soll ich mit dem anfangen? Wer will heutzutage noch so was? Er hat nichts gelernt als reiten oder mit der Kutsche ausfahren und wird sich von morgens bis abends bedienen lassen. Er hat eine Geliebte nach der andern und ist gegen den sozialen Fortschritt, die Arbeiterklasse. Nein, ich bedanke mich, das kommt überhaupt nicht in Frage.« Und die Heule am Grund des Swimmingpools zurücklassend, schritt sie, ihr Buch unterm Arm, stolz erhobenen Hauptes davon. Sie ging ins Haus und setzte sich an den Mittagstisch, den ihr Vater gedeckt hatte, der Professor, der an diesem Tag nicht durch Vorlesungen abgehalten war. Aber kaum war sie noch dazu gekommen, die Nase wegen des Menüs zu rümpfen - war es doch hauptsächlich aus Konserven zusammengestellt-, da klopfte es draußen an der Tür. »Laß mich ein, jüngste Tochter«, rief eine klägliche Stimme. »Wenn dir das lieber ist, verwandle ich mich in einen Intellektuellen, einen Mediziner oder so was. Ich verspreche dir, ein stets treuer Ehemann zu sein und die werktätigen Menschen nicht zu verachten.« Doch das Mädchen hatte trotz allem Hunger und gab keine Antwort. Lediglich weil der Vater wissen wollte, wer da klopfe und so sonderbare Reden führe, erklärte sie mürrisch, das sei bloß ein dämlicher Frosch aus Rohmeisels Wasserloch, der sie unverschämt angequatscht habe und sich ihr an den Hals werfe. Am besten, man würde ihn gar nicht beachten. Weil der Frosch aber keine Ruhe gab und sich der Vater, der Zoologe war, für die wissenschaftliche Seite der Angelegenheit zu interessieren begann, ließ sie es schließlich zu, daß das Tier ins Zimmer kam. Sogar an den Tisch durfte es sich setzen, denn der Vater wollte unbedingt in Erfahrung bringen, welche Speisen es auf welche Weise zu sich nahm. Der Frosch benahm sich bei Tisch ganz manierlich, als er freilich nach dem Essen gar mit auf ihr Zimmer wollte, platzte ihr
107
»Das war also unser letzter Tag des Kindes."
108
Als amerikanische Industrielle die DDR besuchen, nutzt Honecker die Chance und fragt nach einem Finanzexperten, der eine Expertise über den Staatshaushalt erstellen kann. Die Amerikaner schikken ihm einen Mann von der Chase Manhattan Bank. Der sieht zwei Wochen lang alle Unterlagen ein, dann geht er zu Honecker. »Nun«, fragt Erich, »wie sieht es aus?« »Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen üblich ist«, sagt der Experte, »aber bei uns wiirde ich vorschlagen: Überschreiben Sie Ihr Privatvermögen Ihrer Frau und melden Sie Konkurs an. «
Unter vier Augen
der Kragen. Das finde sie denn doch zu stark, sagte sie, wenn sie auch keineswegs gegen Erotik sei, so würde sie es noch lange nicht mit einem kalten Lurch treiben wollen, der zudem noch vorhabe, sich in Gott weiß was für eine antiquierte Persönlichkeit zu verwandeln. Da war für den Frosch tatsächlich guter Rat teuer, aber der Vater, der sich als Wissenschaftler mehr und mehr für seine Sache engagierte, half ihm nochmals aus der Not. »Biete ihr doch an«, flüsterte er, »dich in so einen jungen Burschen in Jeans und bedrucktem Hemd zu verwandeln. Mit einem Kettchen um den Hals und dicksohligen Pantoffeln an den Füßen. Sag, daß du Gitarre spielen, schau beaten und rocken kannst. Sag auch, daß du Schlosser gelernt hast. Einen Schlosser könnten wir im Haus übrigens wirklich gebrauchen.« Der Frosch ergriff diesen Strohhalm und versprach, was ihm geraten worden war. Damit verbuchte er auch einen ersten Erfolg. Äußerlich gelangweilt, aber innerlich angerührt, ließ ihn das Mädchen in ihre mit Plattenspieler und Tonbandgerät ausgerüstete und mit allerlei Postern tapezierte Kammer hüpfen. Doch da sie realistisch dachte und noch immer mißtrauisch war, wollte sie ihn nicht in ihr Bett lassen, bevor er nicht als Beweis seines Könnens den Hit von der »Lady Black«, gequakt hätte. Wozu der Frosch absolut nicht imstande war. Als sie ihn daraufhin einen Hochstapler schimpfte, ein angeberisches Breitmaul, gestand er ein, er habe diese vielen einander ähnlichen Schlager noch nie auseinanderhalten können. Da wurde die Professorentochter von einem gewaltigen Zorn erfaßt. Sie packte den Frosch und warf ihn mit aller Kraft gegen die Wand. Worauf ein Tösen durchs Haus ging, als habe ein Düsenjäger die Schallmauer durchbrochen. Vor dem Mädchen aber stand, in goldenen Gewändern und mit einer Krone von Edelsteinen auf dem Haupt, kein Schlosser, sondern ein wunderbarer Königssohn. »Du hast mich erlöst, Liebste, und sollst nun meine Frau werden«, sprach er, »schau zum Fenster hinaus, schon fährt meine Kutsche mit den sechs schneeweißen Pferden vor.« Und tatsächlich hörte man Hufgetrappel am Gartentor. Das Mädchen jedoch schürzte nur verächtlich die Lippen - es hatte von Anfang an gewußt, daß bei der Bekanntschaft mit diesem Frosch nichts Gescheites herauskommen wiirde. Und weil in diesem Augenblick ihre Freunde Ralph und Hans-Christian von der 27. EOS mit ihren Mopeds und ihren Transistorradios unten am Zaun pfiffen, ließ sie den Königssohn stehen und fuhr mit ihnen zum FKK an den Müggelsee.
110
Wo wir sind, ist vorn
John Stave
Dar doppalJt fllJ,e41JieAa Raportar
Breshnew und Carter machen einen Rundflug über New York. »Sehr schöne Stadt«, sagt Breshnew, »aber was sind das da für dunkle Flecken.« »Ja, das ist unser Problem, das sind unsere Slums.« Ein Jahr später machen beide einen Rundflug über Moskau. »Sehr schöne Stadt, und so nette Leute«, sagt Carter, »sie schauen uns aus Ferngläsern hinterher.« »Ach«, sagt Breshnew, »und das ist unser Problem. Das sind keine Ferngläser, sondern Wodkaflaschen."
Als der Reporter den Namen Prowindt las, klingelte er. Prowindt, das war der HGL-Vorsitzende des schönen, neuen und großen Hauses an der Ecke, das zu dieser Zeit in aller Munde war. Wegen der ungeheuren Aktivität, die seine Bewohner entfalteten. Deshalb hatte der Reporter auch den Auftrag, einen schönen Artikel zu schreiben, damit viele andere Bürger davon profitieren konnten und damit ihr Haus dann auch einmal in die Zeitung kam. »Sie sind wohl der Genosse von der Zeitung, was?« fragte Prowindt, der die Tür höchstpersönlich geöffnet hatte. »Na denn man hereinspaziert, lieber Freund!« Der Zeitungsfritze wurde zu einem Sessel geleitet, und während Prowindt was zu trinken heranschleppte, betrachtete der Reporter die unzähligen Urkunden, die - fein gerahmt - eine ganze Stubenwand füllten. »Vorige Woche war schon jemand vom Radio da, und für Donnerstag hat sich das Fernsehen angemeldet. Das nur zur Information. Unser Haus wurde 1965 erbaut. Es beinhaltet sechsunddreißig Parteien mit neunzig Köpfen. Die Aufgaben sind genau verteilt, und niemand kann sich beschweren, daß er zu kurz kommt. Am besten ist, ich gebe Ihnen mal einen Wochenabriß unseres Gemeinschaftslebens, damit Sie sich ein Bild machen können. Montag zum Beispiel. Da haben wir gemeinsamen Filmempfang. Jede Familie delegiert einen Vertreter, und so sehen wir uns in drei Räumen den Abendfilm an und hinterher den Kanal. Anschließend wird diskutiert, und um halb elf machen wir meistens Schluß. Besonders für die Genossen, die vom Parteilehrjahr kommen, was ja meistens montags abgehalten wird, ist das eine herrliche Ergänzung. Besonders achten wir natürlich darauf, daß die nichtarbeitende Bevölkerung in den Genuß kommt. Frau Seidler beispielsweise, die nicht zu bewegen ist, eine Arbeit anzunehmen. Immer schiebt sie ihre vier kleinen Kinder vor und die Krippenplätze, die sie nicht kriegt. Weiter: der Dienstag. Das ist der Garagenbautag. Fünf Parteien haben ein Auto, zehn Parteien sind angemeldet. Im ganzen
Wo wir sind, ist vorn
wollen wir fünfundzwanzig Garagen errichten, weil einige der sechsunddreißig Parteien bereits im Rentenalter stehen. Am Dienstag müssen aber alle feste ran, auch die nicht mehr Werte schaffenden Bürger, weil sie später mal mitfahren können. Wir hoffen, daß wir in einem halben Jahr fertig werden. Mittwoch ist ein gemeinsamer Waschtag. Das geht ganz flott, weil wir auf dem Boden die beiden gemeinschaftlichen Waschmaschinen installiert haben. In einer wird das ganze Bunte gewaschen, das ganze Weiße in der andern. Alle Mieter haben ihre Wäsche gekennzeichnet, so daß nichts passieren kann. In vier Stunden ist alles erledigt. Die Mieter lösen sich nach Plan stündlich ab. Donnerstag ist individuell. Nur einige Kollegen Mieter haben Fegen. Da machen alle mit - bis auf den Kollegen Muschler, der beim Theater ist und sich ausschließt. Ein typischer Kehr„Wir kommen nun 1ur Wahl des HGL· Vorsib:enden . .. dienstverweigerer. Auch sonst beteiligt er sich an nichts und läßt auch seine eigene Wäsche von einer imaginären Mutter waschen. Das brauchen Sie aber nicht zu schreiben, weil jedes noch so gute Haus dunkle Punkte hat, die man nicht extra herausstreichen muß. Am Freitag ist gemeinsames Einkaufen. Da haben die Läden in der Allee unten bis acht auf. . .. wir werden den nichtonwesenden Schulze bitten I" Vorher werden Zettel geschrieben, was man so braucht. Dann teilen wir das ein und grasen die Allee systematisch ab. Ein paar unserer Männer und Frauen achten auf besondere Dinge, die nicht kontinuierlich greifbar sind. Zum Beispiel Räucheraal. Wenn sie mal ein paar ergattern, dann wird systematisch aufgeteilt, so daß jeder mal etwas hat. Sonnabend ist Frühsport. Wir bewerkstelligen das auf unserem Hof, der sehr geräumig ist, vor den entstehenden Garagen. Hier müssen wieder alle mitmachen, weil wir daran interessiert
111
112
iifhr habt zwar das 1Q1 erkämpft, aber wir müssen es verteidigen."
Wo wir sind, ist vorn
sind, eine gesunde Hausgemeinschaft zu bleiben. Bei den Abendunternehmungen kann man fernbleiben - natürlich in Maßen-, wenn etwas Triftiges vorliegt. Beispielsweise eine Beerdigung oder eine Geburt oder eine Versammlung im Betrieb und ähnliche Scherze. Nachmittags wird zum Fußball gegangen. Das betrifft nur die Männer, für Frauen freiwillig. Wir gehen immer zu Vorwärts, weil es da nicht so voll ist. Wenn Vorwärts verreist ist, gehen wir zu Dynamo. Weil dies aber nur Liga ist, machen wir die Sache dann noch freiwilliger, so daß ich manchmal auch alleine gehe. Sonntag ist Gartendienst. Da ist immer etwas zu machen. Während die Frauen Mittagbrot kochen, rupfen wir das Unkraut oder legen Platten, beschneiden die Bäume oder koffern Baumscheiben aus. Mal bauen wir uns ein größeres Müllhaus oder reinigen auch die Dachrinne. Oder wir streichen unsere Kreuze. Ein anderes Mal schaffen wir karrenweise frischen Sand von einer Baustelle für den Buddelkasten heran. Aber das nur zur Information. Ja, vielleicht darf ich zusammenfassend noch ausführen, daß uns das alles herrlich zusammengeschmiedet hat. Wir sind gewissermaßen eine Familie, und es fehlt nur noch - wenn ich mit diesem kleinen Scherz abschließen darf-, daß wir auch alle ein und denselben Namen tragen. Wäre das schön? Es wäre schön.« Der Reporter klappte sein Buch zu und war aus zwei Gründen glücklich. Erstens ... »Wenn ich noch hinzufügen darf«, unterbrach Herr Prowindt diesen Gedankengang, »SO haben wir selbstverständlich auch unsere regelmäßigen Hausgemeinschaftsversammlungen, auf denen wir zu allen möglichen aktuellen Problemen Stellung nehmen!« Der Reporter war also aus zwei Gründen glücklich. Erstens, weil er eine schöne Reportage zusammen hatte, und zweitens, weil er in diesem Haus nicht wohnte.
Wo wir sind, ist vorn
114
lrmgard Abe
BiH 1oplll,~eftoH ist seftHol!l!or tJll· Oaell,oH al!s oiH Ho~or MoHseftl Weshalb kleinmütig drumrum reden, vielleicht noch schamhaft erröten und betreten stottern: »So doll wars auch wieder nicht!« - dafür gibt es keinen Anlaß! Zu voller Größe richten wir uns auf und verkünden auch kommenden Generationen stolz: Wir Ohnewitzer sind die Erfinder der Nachbarschaftshilfe! Das ist eine historische Tatsache, aktenkundig belegt im Verkaufsbuch des Rathenower Autohandels, Jahrgang 1960. Damals legten wir nämlich zusammen und kauften unser gemeinsames Auto, einen Trabant Kombi 500; ein zauberhaftes Wägelchen, ein toller Renner! Das war notwendig geworden, denn der gesellschaftliche Fortschritt hatte auch uns gefunden, obwohl wir Das schwarze Schaf, die individualistische uns mit unseren sieben Häusern schön abSchattenseite, war Mutter Katzorke. seits im Wald versteckt hatten, und zwang uns zu aufwendigen Stadtbesuchen. Die forderten jedesmal einen ganzen Reisetag, gute Kondition und flotte Laufschuhe. Mit dem gemeinsamen Renner aber konnten wir alles mühelos bewältigen, konnten sogar die leeren Gasflaschen zum Füllen mitnehmen und die Kinder zum Impfen. Trotzdem blieb noch Zeit für eine Bockwurst am Kiosk neben dem Krankenhaus. Ja, das war mit einem Schlag ein so leichtes Leben, eine so zauberhafte Gemeinschaft und gegenseitige Hilfe, daß unser geistiges Auge schon immer Schlagzeilen sah: »Eine verschworene sozialistische Gemeinschaft« oder ähnliches in dieser begeisternden Art. Das schwarze Schaf unserer Gemeinschaft, die individualistische Schattenseite, war Mutter Katzorke. Sie stand uns - ich will nicht sagen feindlich - aber doch als Fremdkörper gegenüber. Nie mußte sie zur Einschulungsuntersuchung oder zum Scheidungsrichter; sie gab uns keine Laufmaschenstrümpfe mit und hatte auch keine Scherereien mit der Fahrerlaubnis. Nicht einmal kurze Strekken in die Nachbardörfer ließ sie sich chauffieren, die lief sie lieber mit dem Rad ab. Sie schob das Rad, und ihre Beine wirbelten daneben her wie eine Schiffsschraube. Diese faszinierende Art, Rad zu fahren, erläuterte sie so: »Eh daß ich lang aufsteig, bin ich allweil da! " Vielleicht dachte sie über unseren Renner genauso: Eh daß ich lang einsteig, bin ich allweil da! -
Wo wir sind, ist vorn
wir vermuteten es jedenfalls, es trübte unsere Beziehungen, und wir begannen, ihr Schwein aus unseren Gärten zu vertreiben. Etwas Ungutes wollte sich über unserer Gemeinschaft ausbreiten wie eine Gewitterwolke, da schneite eines Morgens - wir hatten gerade wieder eine größere Exkursion vor - tatsächlich Mutter Katzorke auf unseren Hof. »Hab vernomme, ihr fahrts in die Stadt«, sagte sie still und fein. »Da bitt ich um eine Gefälligkeit, daß ich vielleicht mitkönnte, weil - es macht weiter keine Umständ.« Endlich! Endlich hatte Mutter Katzorke den Weg vom ICH zum WIR beschritten! Sofort rissen wir den Wagenschlag auf: Bitte einzusteigen in den Zug der neuen Zeit, Mutter Katzorke, 1. Klasse, gratis und gepolstert! Mutter Katzorke bestaunte erst mal in aller Ruhe die kaputten Bügeleisen, die zerrissenen Schuhe und die Batterie Gasflaschen, die wir wegschaffen wollten, dann sagte sie freundlich: »Wege mir könnts das ganze Gelump getrost mitnehme. Hauptsach, ihr bringts die Kistle unter für mein Wein, wo ich von der Mosterei abhole muß." Sie krabbelte ins Auto, wippte aufgekratzt im Polster und ließ ihre Nurmibeine gelöst baumeln. Sehr schön, aber wo waren die Kisten, die Flaschen, in denen sie ihren Wein abholen wollte? »Nu, ich mein, ihr seids eine Nachbarschaft! Saufts doch genug, suchts nur, es braucht nicht viel, sind eh bloß 140 Fläschle dies Jahr.« Wrr durchstöberten Schuppen und Ställe und stopften das Auto voll. Puppenkisten, Lumpenkisten, auch einen Bierkasten brachten wir. »Der ist mal gut«, lobte Mutter Katzorke. »Für die andere, da fehle paar Deckle, sonst möchte mir ja die Fläschle aneinanderstoße und zerspringe.« Nun, eine gute Sache ist bei uns noch nie an Schlafdecken, Babydecken oder Pferdedecken gescheitert. Zur Not würden wir auch die Getreidesäcke ausleeren. Doch Mutter Katzorke winkte ärgerlich ab: »Laßts doch die Säckle! Schaut immer aus wie vom Dorf. Falrrts lieber zu! Habts eh schon ein volles Stündle vertrödelt." Sicher, es gab ein paar Anlaufschwierigkeiten, aber dann drehte ich mit Mutter Katzorke noch eine schneidige Ehrenrunde, und im Wmdschatten blieben die Flickschuhe, Gasflaschen und Bügeleisen zurück, für die kein Platz mehr war. Ging es uns etwa um Leder, Stahl und Eisen? Um den Menschen gings uns, um Mutter Katzorke! »Fahr zu!« befahl sie. »Fahr nur zu! Oder kannst nicht schnel-
11 5
Ein Russe, ein Grusinier und ein Jude sitzen im Flugzeug. Das stürzt ab. Während das Flugzeug niedergeht, kommt ein Engel und verspricht jedem die Erfüllung der letzten drei Wünsche. Der Russe: »Erstens ein Wodka, zweitens ein Wodka, drittens neben Lenin begraben zu werden." Der Grusinier bestellt sich: „Erstens eine schöne Frau, zweitens eine schöne Frau, drittens neben Stalin begraben zu werden." Der Jude: »Erstens gefillte Fisch, zweitens gefillte Fisch, drittens neben Breshnew begraben zu werden." »Aber«, sagt der Engel, »Breshnew ist doch noch gar nicht tot!« - »Nun«, sagt der Jude, »ich kann warten.«
116
Wo wir sind, ist vorn
ler? Am End komm ich noch zu spät zur Mosterei." Ich fuhr zu, und als ich die Stempel weg hatte, sagte Mutter Katzorke: »Da hast aber Glück gehabt mit dem nette Herrn Wachtmeister hätt leicht ein Taler koste könne.« Zufrieden lehnte sie sich zurück, pries die Vorzüge einer langsamen Autoreise und sagte unvermittelt: »Wenns eh schon so langsam fahrst, da kannst auch gleich bei der Ella anhalte, weil, ich hab der Bruderfrau ein Kärtle geschriebe, daß ich heut in die Stadt kutschier und nehm sie mit. Soll sie auch eine Freud habe von der Nachbarschaft.« Ich spürte ein unsozialistisches Gefühl, doch das unterdrückte ich, denn ein Topfkuchen ist eben schneller gebacken als ein neuer Mensch. Das sind so Erfahrungswerte. Ella war schon auf dem Sprung. Sie schleifte einen zusammengerollten Teppich nach, der in unser Auto gepaßt hätte wie eine Rolle Teerpappe in eine Zigarettenschachtel, und keifte: »Man steht sich hier die Beene im Ei~ Moskau~r_Wo~ka - das tut mal gut, di~. Bauch, un die Reinigung macht jeden reinste Medizin, die der Russe da rausdest1ll1ert. Moment die Schallusie runter! Is det deine großartige Nachbarschaftshilfe, Katzorken?« Bis zur Mosterei hatte ich nicht verdaut, was mir Ella außer dem Teppich noch nachgeschmissen hatte. Die Mosterei war geschlossen. »Tut nix!« Unbeeindruckt kramte Mutter Katzorke in ihrem kunstledernen Handtäschchen. »Ich habs dahier schriftlich, daß ich mich heut herbemühe möcht.« Die Weinspezialisten betrachteten den Schein: »Nicht heute, Oma, morgen. Hier steht: morgen." »So! Stehts da! Man möchts nicht glaube, was alles für dummes Zeug geschriebe wird. Da muß ich mir halt wege euch das Wägele morge noch mal miete. « Wieder krochen kleinbürgerliche Regungen in mir hoch. Aber durfte ich den zarten Keim des neuen Gemeinschaftsgefühls in Mutter Katzorke etwa anschreien? Es gab eben noch allerhand zu feilen, bis wir sie zu einem vollwertigen Mitglied unserer Gemeinschaft zurechtgehobelt haben würden. Daß dies das Einfache ist, das schwer zu machen war, merkte ich auch auf der Rückfahrt. Da sagte Mutter Katzorke: »Morge mußt schon allein fahre. Ich kann wege dem bißle Wein dem Herrgott nicht noch ein Tag stehle. Flanierst doch eh gern, sags nur grad zu - alleweil machst Ausflüg.« Sie zog sich kichernd aus dem Polster hoch und flüsterte mir ins Ohr: »Was meinst? Möchte wir nicht noch wo einkehre? Einen druffmache?« Wir kehrten ein, und ich bestellte Mutter Katzorke einen Mos-
Wo wir sind, ist vorn
kauer Wodka. »Das tut mal gut«, lobte sie. »Die reinste Medizin, was die Russe da rausdestilliere.« Ich spendierte zwei weitere, und Mutter Katzorke zeigte sich erkenntlich: Den Rest der Fahrt schlief sie vor sich hin. Zu Hause umwogte uns die ganze Nachbarschaft in froherregter Stimmung. Alle zeigten heimlich auf eine fremde, salopp gekleidete Dame und riefen unauffällig durcheinander: »Man hats bemerkt! - Wrr kommen groß raus! - Man will uns in die Zeitung setzen! " Konnte es einen schöneren Tag, einen günstigeren Zeitpunkt dafür geben? Die städtische Dame, hier erkannte man sofort den journalistischen Spürsinn, auch gleich mit holdseligem Lächeln auf Mutter Katzorke los. »Nun, Mutter Katzorke «, sagte sie zu Mutter Katzorke, »wie wirkt sich diese beispielhafte Nachbarschaftshilfe für Sie, eine alleinstehende ältere Bürgerin, aus?« »Scheißhilf!« räsonierte Mutter Katzorke und rutschte rückwärts aus dem Auto. »Ich bitt um eine kleine Gefälligkeit - was machens? Erst kommens früh nicht aus dem Ursch, dafür falrrens so schnell, daß man Schererei kriegt mit dem Herrn Wachtmeister; dann bespuckens einer alleinstehenden älteren Bürgerin die Bruderfrau; dann versagens einem die Hilf in gefälrrliche Situatione wege dem Wein, und am End machens eine alleinstehende ältere Bürgerin auch noch besuffa! - Und dadrauf sagens dann Nachbarschaftshilf!" So bestätigte sich das weise mongolische Sprichwort: Man darf eine Frau nicht übers Knie brechen! Schon gar nicht Mutter Katzorke! Inzwischen ist diese Wunde längst vernarbt. Kinderkrankheiten der Pionierzeit. Heute haben wir in Ohnewitz sieben Autos, vier Motorräder, sechs Mopeds. Und wenn wir spitzkriegen, daß ein Nachbar zehn Tomatenpflanzen auslädt, dann fliegen überall die Garagentore auf, werden die Maschinen angelassen, und ab brummt die Karawane in die städtische Gärtnerei. Heute geht alles seinen sozialistischen Gang.
11 7
»Wahrscheinlich kommen die uns jetzt wegen Parkverbot und so. "
Wo wir sind, ist vorn
118
Peter Ensikat
"Die Vorstellung fällt aus. Schließlich können wir den Filmstars nicht zumuten, vor fast leerem Haus zu spielen. «
Kulturvollen Abend, meine Damen und Herren! Wissen Sie eigentlich, was Kultur ist? Wir wollen es gleich mal offen auf den Tisch legen: Kultur ist alles. Aber nicht alles ist Kultur. So, jetzt wissen Sie Bescheid. Aber das Schönste an der Kultur ist der Busen. Deshalb stehen wir auch alle darauf. Kultur und Kunst haben nur insofern miteinander zu tun, daß man von beiden nicht genau weiß, was sie eigentlich sind. Kunst ist schön, aber Kultur ist notwendig. Man könnte auch sagen: In die Kunst ist man verliebt, aber mit der Kultur ist man verheiratet. Da gibts kein Entrinnen. Kitsch zum Beispiel ist keine Kunst, gehört aber mit zur Kultur. Und auf diesem Gebiet sind wir eine wahre Überflußgesellschaft. Wrr haben soviel Überflüssiges, daß wir es sogar exportieren können. Für Devisen. Und trotzdem decken wir auch den Inlandbedarf an Kitsch noch mühelos. Kulturpolitisch sind wir natürlich entschieden gegen Kitsch, aber ökonomisch sind wir noch entschieden drauf angewiesen. Zurück zur Kultur! Die soll ja früher mal eine feine Dame gewesen sein. Doch heute ist sie endlich allen zugänglich geworden. Sie ist sozusagen das letzte staatlich subventionierte leichte Mädchen der DDR! Im Westen ist sie nach wie vor auf private Spenden angewiesen, also eher ein Call-Girl für die oberen Zehntausend, alternde Playboys und ihre Vatis. Aber bei uns lautet die Devise für jedermann: immer drauf auf die Mutter Kultur. Vom häufigen Gebrauch ist sie natürlich hier und da ein bißchen abgegriffen, aber die DDR ist und bleibt ein ausgemachtes Kulturschutzgebiet. Und was wir schützen, das benützen wir auch. Meine lieben Kulturfreunde! Wir haben nicht nur eine Nationalkultur, sondern auch eine Rübenkultur. Ja, selbst aus unserem Rummelplatz haben wir einen Kulturpark gemacht. Walrrscheinlich, weil da zu wenig Rummel ist! Und Losbuden nennen wir auch nicht mehr Losbuden, sondern VEB Warenverlosung, weil jetzt auch die letzte Niete in Volkseigen-
Wo wir sind, ist vorn
119
turn überführt wurde. Natürlich kann auch die »Distel« nicht länger an der Kultur vorbeigehen, als wäre sie was Selbstverständliches. Deshalb zeigen wir Ihnen heute abend so eine Art Kessel-Kultur-Buntes, also ein echtes Eintopfgericht mit vielen Kulturerbsen und noch mehr Ballett-Einlagen verlängert. Ich rufe also das »Distel«-Ballett: Alle Mann raustreten zum Kulturfassen! Vorhang auf!
Kultur! Kultur! Kultur! Wir sind dir auf der Spur! Wir treiben nicht nur die Körperkultur, zwar haben wir keine Standeskultur, doch dafür eine Landeskultur, eine Gaststättenkultur, eine Raststättenkultur, eine Rinderkultur, eine Kinderkultur, eine Wohnkultur, eine Schonkultur, Kulturredakteure, Kulturfunktionäre, wir leben kulturvoll, wir hab 'n ein Kultursoll, Kulturfeste, Kulturreste, Kulturklausen, Kulturbanausen, Kultur im Heim, Kultur im Keim, Kultur der Masse, Kultur der Klasse, Kultur im Kopf, Kultur im Bauch, und einen Kulturbeutel haben wir auch. Fassen wir zusammen: Kultur ist bei uns erste Bürgerpflicht! Sie tritt auf in allen drei Aggregatzuständen, fest, als fester Bestandteil unseres Lebens, flüssig in den Reden unserer Kulturfunktionäre und gasförmig als blauer Dunst bei den Zuhörern. Kultur kann man nicht anfassen, aber abhaken. Kultur gibt es schon lange, aber wir entdecken sie nach jedem zweiten Plenum neu. Der schöne Spruch: Erstürmt die Höhen der Kultur! wird im Flachlande unserer Losungen und Leitartikel oftmals abgewandelt zu: Latscht sie breit! Denn, wo muntre Reden sie begleiten, da ist Kultur nicht zu bestreiten! Natürlich kann man einfach ins Theater gehn, einfach ein Buch lesen, Musik hören, Bilder ansehen oder auch selber malen. Man kann sogar an sogenannten Kulturveranstaltungen sein Vergnügen haben. Aber erst, wenn man weiß, daß man damit einer Pflicht genügt, einen Plan erfüllt, erst dann lebt man wirklich kulturvoll. Oder?
Oder ist die Kultur denn wirklich nur 'ne Vergnügungskultur? Unsre reine Kultur, unsre feine Kultur, sie ist eine große Kultur. Aber richtige Kultur, die spürt man nur, wenn sie eingeplant ist, und zwar ]eingeplant ist. Das bloße Vergnügen darf uns nicht genügen, das interessiert doch kein Aas. Nur was Pflicht ist, macht den Menschen Spaß!
Einern polnischen, einem amerika.ni· sehen und einem russischen Compu· ter gibt man die Frage ein: Warum gibt es kein Fleisch? Der polnische Computer fragt zurück: 11Was ist •Fleisch•?« Der amerikanische Computer: „was heißt •gibt kein•? Der russische Computer: „was heißt •Warum•?«
120
1979
ZeittajelJ 1979 1. Januar
Erstausstrahlung der beliebten Fernsehserie »Spuk unterm Riesenrad«, Buch: C. U. Wiesner, Regie: Günter Meyer.
26.-28. Januar Detlef Günther und Melitta Sollmann (Einsitzer) werden in Königssee (BRD) Weltmeister im Rennschlittensport.
C. U. Wzesner
Auf dem Neujahrsempfang der Diplomaten preist Erich die Bedeutung der wichtigsten Städte der DDR. Berlin die Hauptstadt der DDR, Leipzig - die international wichtigste Messestadt, Dresden - unsere Heldenstadt. »Wieso das?« fragt ein Reporter, »Dresden ist doch die Kunststadt." »Das stimmt schon«, meint Erich, »aber auch Heldenstadt. Wir haben sie schon so viele Jahre von der Versorgung abgeschnitten, und die Leute leben immer noch.«
30. Januar
Uraufführung des Theaterstückes »Die Hamletmaschine« von Heiner Müller in Paris.
30. Januar
Das Politbüro stimmt der Errichtung einer Großdeponie bei Schönberg zu. Im Sommer kommt der erste Müll aus dem Raum Hamburg, die offizielle Inbetriebnahme erfolgt zwei Jahre später.
3.-4. Februar
In Winterberg (BRD) wird der Viererbob DDR 1(Nehmer, Babock, Germeshausen, Gerhardt) Europameister.
8. Februar
DEFA-Filmpremiere »Zünd an, es kommt die Feuerwehr« mit Winfried Glatzeder.
15.-24. Februar Erich Honecker besucht Libyen, Angola, Sambia und Mosambik und trifft mit Vertretern der Befreiungsbewegungen zusammen. 29. Februar
Samora Mache!, erster Präsident von Mosambik, ist auf Staatsbesuch in der DDR.
6. März
Der ADN meldet: Die deutsche NATO-Sekretärin Ursel Lorenzen hat sich am Vortag in die DDR abgesetzt.
Ein DDR-Inlandsflug wird nach Köln-Bonn entführt. Das Flugzeug steht, von der GSG 9 bewacht, auf dem Rollfeld. Das ZK der SED fragt, welche Forderungen der Kidnapper stellt. 1. Er möchte endlich seinen Trabant ausgeliefert haben, für den er schon 14 Jahre angemeldet ist. 2. Er möchte eine Drei-Zimmer-Wohnung für sich und seine Familie. 3. Er möchte einen Ferienplatz an der Ostsee. Man berät, ob man den Forderungen nachgeben soll. Mielke warnt, daß das Schule machen könnte. Man solle zunächst doch in Erfahrung bringen, womit der Kidnapper droht. Ein Unterhändler wird zum Flughafen Köln-Bonn geschickt. Die Antwort des Kidnappers lautet: »Dann lasse ich stündlich zwei Geiseln frei „. « 23. März
In Trinvillershagen wird der weiße Hengst Kolibri geboren, der im Gestüt Neustadt/ Dosse mit 1700 Nachkommen zum erfolgreichsten Zuchthengst wird.
Zeittafel 1979
30. März
Anläßlich der bevorstehenden Stadtbezirkswahlen wird das Neubaugebiet Berlin-Marzahn aus dem Stadtbezirk BerlinLichtenberg ausgegliedert und zu einem eigenständigen Stadtbezirk erklärt.
5. April
UN-Generalsekretär Kurt Waldheim trifft zu einem viertägigen Besuch in Ost-Berlin ein. Gespräche über UNO-Aufgaben und DDR-Beitrag.
7.April
Klaus Siebert wird Sieger beim Biathlon-Weltcup 1979 in Ruhpolding .
15. April
Der Philosoph Wolfgang Harich, 1957 wegen der Gründung einer »staatsfeindlichen Gruppe« zu zehn Jahren Haft verurteilt, verläßt die DDR und siedelt nach Wien über.
16. April
DDR-Bürger dürfen ab sofort in Intershops, bei lntertank und Genex nicht mehr bar mit DM bezahlen, sondern nur noch mit entsprechenden Wertschecks (Forumschecks) .
1 21
Katrin Saß
Ein LPG-Bauer läßt sich im Intershop den Korb mit Waren vollpacken. Besorgt fragt die Verkäuferin den Mann: »Ja, haben Sie denn auch Devisen?« Sagt der Bauer: »De Wiesen hab ich noch, nur den Acker haben sie mir weggenommen. « 24. April
Uraufführung von Volker Brauns »Der große Frieden« am Berliner Ensemble, Regie: Manfred Wekwerth/Joachim Tenschert.
29.April
Die Mannschaft des TSC Berlin gewinnt zum dritten Mal den Europapokal der Pokalsieger im Hallenhandball der Frauen.
17. Mai
DEFA-Filmpremiere »Bis daß der Tod euch scheidet« mit Katrin Saß und Angelica Domröse.
1.-3. Juni
Mit mehr als 2000 Veranstaltungen findet das Nationale Jugendfestival der FDJ in Berlin statt.
7. Juni
Nach der Verurteilung Stefan Heyms wegen Devisenvergehens wegen Veröffentlichung seines Romans »Collin« in der BRD protestieren Ost-Berliner Schriftsteller in einem Brief an Erich Honecker. Neun Autoren werden aus dem Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossen.
10. Juni
Als erste Frau der Welt läuft Marita Koch in Karl-Marx-Stadt die 200 m unter 22 Sekunden.
28. Juni
In die Strafrechtsordnung werden ungenehmigte Buchveröffentlichungen im Westen als »staatsfeindliche Hetze« aufgenommen.
6. Juli
Uraufführung der Rockoper »Rosa Laub« von Waltraud Lewin und Horst Krüger am Rostocker Volkstheater.
Stefan Heym
122
Zeittafel 1979 6. Juli
DEFA-Märchenfilmpremiere »Schneeweißehen und Rosenrot«, Regie: Siegfried Hartmann.
23./24. Juli
Der französische Außenminister Jean Francois Poncet besucht Ost-Berlin.
22.-26. August Erster Weltmeister-Titel für Bernd Drogan, Hans-Joachim Hartnick, Andreas Petermann und Falk Boden im 100-kmMannschaftsfahren der Amateure in Valkenburg (NL).
Kurt Hager
24.-26. August In Montreal (Kanada) gewinnt die Leichtathletik-Nationalmannschaft der Frauen den Weltpokal. 5. September
Während der Leipziger Messe unterzeichnen Vertreter der DDR und der Bundesrepublik ein Abkommen über energiewirtschaftliche Zusammenarbeit.
Stromausfall im ZK-Gebäude. Nach drei Stunden geht endlich das Licht wieder an. Stoph und Hager treffen sich im Foyer. »Ich bin völlig fertig« , sagt Stoph. »Stell dir vor, drei Stunden war ich im Fahrstuhl eingesperrt!« Sagt Hager: »Na und ich erst! Was denkst du, wie mir dir Beine weh tun! Drei Stunden habe ich auf der Rolltreppe gestanden." 16. September Einer der spektakulärsten Fluchtversuche gelingt: die Familien Strelzyk und Wetzei fliehen in einem selbstgebauten Heißluftballon über die Grenze von Thüringen nach Bayern.
Erich Honecker will sich inkognito unter das Volk mischen. Er geht aus dem ZK-Gebäude und steigt in der Breiten Straße in ein Taxi. Der Taxifahrer dreht sich um, erstarrt, dann schüttelt er den Kopf: »Nee, diese Ähnlichkeit! Das ist sicher sehr unangenehm für Sie, was?«
20. September Ralf Kirstens Film »Lachtauben weinen nicht« mit Uwe Kokkisch hat Premiere. 3. Oktober
Eröffnung des Pionierpalastes in der Wuhlheide in Berlin. Kosten: rund 300 Millionen Mark. Der Bau enthält Schwimm- und Sporthalle, zwei Veranstaltungssäle, Bibliothek, Labors und Räume für 300 Arbeitsgemeinschaften .
5. Oktober
Premiere der DDR-Entdeckungen am Theater Schwerin, u. a. mit »Faust 1 und II«, Regie: Christoph Schroth.
6. Oktober
Breshnew kündigt während seines Besuchs zu den Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der Gründung der DDR den Abzug von 20000 sowjetischen Soldaten und 1000 Panzern aus der DDR an .
31. Oktober
DDR und BRD vereinbaren den gegenseitigen Verzicht auf Straßenbenutzungsgebühren für LKW und Omnibusse.
Welches ist der höchste Berg der DDR? Der Schuldenberg. 7. November
Klaus Gysi wird Staatssekretär für Kirchenfragen.
Zeittafel 1979
123
13. November
Erich Honecker wohnt in Addis Abeba der Grundsteinlegung für das erste Karl-Marx-Denkmal auf dem afrikanischem Kontinent bei. Die DDR hat es gestiftet.
1. Dezember
Die Alters- und Invalidenrenten werden um 40 Mark monatlich erhöht, Frauen mit 5 und mehr Kindern erhalten Anspruch auf Rente auch ohne Versicherungszeit.
13. Dezember
Das Zentralkomitee der SED wendet sich gegen den NATODoppelbeschluß, bekräftigt jedoch gleichzeitig seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit im Rahmen der friedlichen Koexistenz. Der Verteidigungshaushalt muß erhöht werden .
Stephan Hermlin
Zwei Polizisten finden einen Toten. »Du, wir müssen ein Protokoll aufnehmen!« sagt der eine zum anderen. »Ich fange schon mal an, und du siehst nach, wo wir uns überhaupt befinden.« Nach einigen Minuten kehrt der andere zurück. »Alles klar, wir sind auf dem Weg mit dem Natoraketenbeschluß!« 14. Dezember
DEFA-Kinderfilmpremiere »Blauvogel« nach dem gleichnamigen Buch von Anna Jürgens.
14. Dezember
Amnestie aus Anlaß des 30. Jahrestages der DDR. 21 928 Strafgefangene werden entlassen.
21. Dezember
Ein Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen Ost und West auf dem Gebiet des Veterinärwesens wird unterzeichnet.
1979 verlassen 12 515 DDR-Bürger das Land.
Oberliga-Plazierung 1979
Sportler des Jahres:
neue Bücher:
große Hits:
Marita Koch (Leichtathletik)
Stephan Hermlin »Abendlicht«
»Gitter schweigen« Puhdys
Bernd Drogan (Radsportler)
»Die Sage« Erik Neutsch »Der Friede im Osten 2« Stern Combo Meißen
Radsport-Straßenvierer (Bernd Drogan, HansJoachim Hartnick, Andreas Petermann, Falk Boden)
Dieter Noll »Kippenberg« Christa Wolf »Kein Ort. Nirgends«
Torschützenkönig der Oberliga:
Andreas Reimann »Das ganze halbe Leben« (Lyrik)
Joachim Streich vom 1. FC Magdeburg mit 23 Treffern
Maxie Wander »Tagebücher und Briefe«
»Wenn das Schweigen bricht« Karat »Autostop« Karussell »Hallo Erde Berluc
„
.«
»Sing mei Sachse sing« Jürgen Hart
1. Berliner FC Dynamo 2. SG Dynamo Dresden 3. FC Carl Zeiss Jena 4. 1. FC Magdeburg 5. 1. FC Lok Leipzig 6. Hallescher FC Chemie 7. FC Rot-Weiß Erfurt 8. FC Karl-Marx-Stadt 9. Stahl Riesa 10. 1. FC Union Berlin 11 . Wismut Aue 12. Sachsenring Zwikkau 13. Chemie Böh len 14. FC Hansa Rostock
124
Zeittafel 1980
1980
Renate Krößner
1. Januar
Die DDR wird für zwei Jahre nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat.
2. Januar
Das Reiterstandbild von Friedrich II. wird wieder in Berlin, Unter den Linden, aufgestellt.
Das Zentralkomitee diskutiert darüber, ob das Standbild Friedrichs II. wieder aufgestellt werden soll. »Ich bin dagegen«, sagt der Kulturminister, »seine historische Rolle ist umstritten. Er hat zwar in Preußen die Kartoffel anpflanzen lassen .. . « - »Genau«, unterbricht ihn der Minister für Versorgung, »und deswegen hab ich die Kartoffellieferung einstellen lassen, bis dieser Punkt geklärt ist. « 17. Januar
Anfang der achtziger Jahre berät das Politbüro über die Einführung eines neuen Staatswappens, das dem fortgeschrittenen realen Sozialismus angepaßt sein soll. Günter Mittag schlägt als Symbolfigur ein Känguruh vor. »Es macht auch mit leerem Beutel große Sprünge!« Erich Mielke besteht auf einem U-Boot. »Das ist überall, aber man sieht es nicht! « Joachim Herrmann fordert ein Nilpferd. »Es steht bis zum Hals im Wasser und hat dennoch ein großes Maul.« Erich Honecker bringt es auf den Punkt: »Peperoni. Rot, klein, aber scharf!«
DEFA-Filmpremiere »Solo Sunny«, Drehbuch Wolfgang Kohlhaase, Regie Konrad Wolf, mit Renate Krößner.
19.-20. Januar Melitta Sollmann und Hans Rinn/Norbert Hahn gewinnen die EM im Rennschlittensport in Olang (Italien) . 29. Januar
Im (alten) Friedrichstadtpalast, Am Zirkus 1, findet die letzte Vorstellung statt. Das marode Haus wird 1985 abgerissen .
22.-27. Januar Anett Pötzsch wird Europameisterin im Eiskunstlaufen in Göteborg (Schweden) . 30. Januar
Bundeskanzler Helmut Schmidt sagt wegen der Intervention in Afghanistan ein Treffen mit Erich Honecker ab.
Ein russisches Mütterchen beobachtet einen Offizier mit einem Gewehr. »Sag, Söhnchen, warum trägst du ein Gewehr?« »Das ist kein Gewehr, das ist ein Sportgerät.« »Ach so«, sagt das Mütterchen, »dann kannst du mir sicher auch sagen, wann die Olympiade in Afghanistan vorbei ist.« 9./10. Februar
In West Allis (USA) gewinnt Karin Enke den WeltmeisterTitel im Eisschnellaufen (Sprint).
13.-24. Februar Bei der Nationenwertung der Olympischen Spiele in Lake Placid belegt die DDR Rang 1. 5. März
DEFA-Filmpremiere »Glück im Hinterhaus« nach einer Vorlage von Günter de Bruyn.
8. März
Veronika Hesse erkämpft den Weltmeister-Titel über 20 km im Skilanglauf in Falun (Schweden).
125
Zeittafel 1980
28. März
Frank Ulrich siegt in Murmansk (UdSSR) beim BiathlonWeltcup.
5. April
Uraufführung von Christoph Heins »Cromwell« in Cottbus.
9. April
Die DDR und UdSSR unterzeichnen ein Protokoll über die Zusammenarbeit bei der Atomenergie. Der Bau eines Atomkraftwerks bei Stendal wird beschlossen.
12. April
Premiere der Alexander-Lang-Inszenierung von Shakespeares »Ein Sommernachtstraum« am Deutschen Theater Berlin. Sie ist der Beginn von Langs Karriere im DDR-Theater in den 80er Jahren .
29. April
Ruth Fuchs stellt in Split (Jugoslawien) einen neuen Weltrekord im Speerwerfen auf.
8. Mai
Am Rande der Beisetzungsfeierlichkeiten des jugoslawischen Präsidenten Tito kommt es zu Gesprächen zwischen Erich Honecker und Bundeskanzler Schmidt.
10. Mai
Evelin Jahl-Schlaak erzielt in Potsdam neue Weltrekordweite im Diskuswerfen.
17. Mai
Karin Roßley läuft über 400 m Hürden Weltrekordzeit.
Helmut Schmidt
27. Mai-1. Juni Besuch einer DDR-Delegation unter Honecker in Kuba, Abschluß des Vertrages über Freundschaft und Zusammenarbeit und über den Warenaustausch für 1981-85. 5. Juni
DEFA-Filmpremiere »Der Baulöwe«, mit Rolf Herricht, Annekathrin Bürger und Franziska Troegner.
8. Juni
Der Volkssänger Ernst Busch stirbt in Berlin-Pankow.
13. Juni
Konstituierung des Martin-Luther-Komitees unter Vorsitz von Erich Honecker zur Vorbereitung des Luther-Jubiläums.
26. Juni
DEFA-Filmpremiere »Und nächstes Jahr am Balaton« von Herrmann Zschoche, ein Jugendfilm, der die Zuschauer zu Tausenden in die Kinos lockt.
19. Juli-3. August Bei den Olympischen Sommerspielen in Moskau und Tallin starten 345 DDR-Sportlerinnen und Sportler und erringen 47 Gold-, 37 Silber- und 42 Bronzemedaillen.
Breshnew erröffnet die Olympischen Spiele in Moskau. Er liest vom Blatt ab. •Oh, Oh, Oh „. • - •Aber Genosse Generalsekretär•, sagt sein Berater, •das sind doch die Olympischen Ringel• 25. August
Der britische Verleger Robert Maxwell überreicht Honecker die englische Ausgabe der Honecker-Memoiren »Aus meinem Leben«.
Franziska Troegner
Nach den Olympischen Spielen, Telegramm von Breshnew an Honecker: Glückwunsch zum 1. Platz in der Länderwertung - Stop zu den Goldmedaillen - Stop - im Fußball - Stop - im Volleyball - Stop im Handball - Stop - Erdöl Stop Breshnew
126
Lieber kurz und schmerzlos als Erich währt am längsten. Lieber zu Honecker gestanden als bei Mielke gesessen. Lieber riickwärts in die Kneipe als vorwärts im sozialistischen Wettbewerb.
Zeittafel 1980 2. September
DEFA-Filmpremiere »Die Verlobte« (DEFA/Fernsehen der DDR).
3. September
Uraufführung von Heiner Müllers »Der Bau« an der Berliner Volksbühne, Regie: Fritz Marquardt.
4.-12. September Manöver »Waffenbrüderschaft 80« der Warschauer Vertragsstaaten . 4. Oktober
Die Bergsteigerin Gerda Jacob aus Dresden bezwingt mit dem Aufstieg am »Lehnriff« als erste Frau alle 1066 anerkannten Klettergipfel des Elbsandsteingebirges.
13. Oktober
Der Mindestumtausch für Besucher aus dem Westen wird von 13 auf 25 DM pro Tag erhöht: Die Kaufkraft der DDRMark ist gestiegen, der Wechselkurs von 1:5 in West-Banken schädigt die Wirtschaft der DDR.
13. Oktober
Vor Parteifunktionären in Gera hält Honecker eine »Abgrenzungs«-Rede gegenüber der Bundesrepublik. Er erklärt unter anderem die Anerkennung einer eigenen DDRStaatsbürgerschaft ausdrücklich als Voraussetzung für die Normalisierung der deutsch-deutschen Beziehungen.
Lieber zweifelhaft als Einzelhaft. Lieber 'ne Blaue Mauritius als 'ne Rosa Luxemburg. Lieber riickwärts in den Intershop als vorwärts zum Parteitag. Lieber 'n Blauen in der Tasche als 'n Roten in der Familie. Lieber 'ne Tante im Westen als 'nen Onkel im Politbüro. Lieber kariert in Schottland als gestreift in Bautzen. Lieber die Welt anschauen als eine Weltanschauung haben. Lieber im Westen Trübsal blasen, als im Osten flöten gehn.
Der Brigadier der LPG Heilenroda stellt fest, daß die Säue in seinem Stall durchschnittlich 6 Ferkel werfen. •Nicht gerade viel«, meint er zu sich, •das kann ich der SED-Kreisleitung nicht melden!« Er schreibt in seinen Bericht: •Die gesunde Sau in Heilenroda wirft 7 FerkeL• Der Kreisparteileiter liest den Bericht und denkt bei sich: •7 Ferkel, so komme ich nie auf meine Planziffern. Für die Bezirksleitung schreibe ich besser 8.• Der Bezirksparteileiter fragt sich: •8 Ferkel? Ist das viel? Keine Ahnung, aber Papier ist geduldig•, und teilt der Staatlichen Plankommission 9 Ferkel mit. Der Genosse in der Plankommission: •9 Ferkel? Die Genossen in Heilenroda sind gar nicht schlecht! Aber wir haben in der Schweinefleischbilanz noch eine kleine Lücke.• Er meldet dem ZK 10 Jungvieheinheiten. •10 Ferkel sind doch ziemlich wenig•, befindet man im Zentralkomitee, •so können wir dem Politbüro nicht kommen!• Und meldet dem Politbüro 11 Ferkel. Das Politbüro teilt dem Genossen Honecker schließlich mit: •Die gesunde Sau in der LPG Heilenroda wirft 12 Ferkel!• - •Das ist ja wunderbar!« ruft Honecker, •dann können wir ja 6 in den Export geben!• 16. Oktober
In Darmstadt wird die Schriftstellerin Christa Wolf mit dem Büchner-Preis ausgezeichnet.
16. Oktober
In Dresden wird die erste Filmwoche der Bundesrepublik in der DDR eingeleitet, die sieben ausgewählten Spielfilme werden auch in Frankfurt/Oder und in Potsdam gezeigt.
Zeittafel 1980
127
23 .-30. Oktober In Saarbrücken, Duisburg und Bremen findet die erste »Filmwoche der DDR« in der Bundesrepublik statt. 30. Oktober
Der visafreie Verkehr zwischen der DDR und Polen wird aufgehoben.
13. November DEFA-Filmpremiere »Levins Mühle« nach Johannes Bobrowski mit Christian Grashof. Fred Düren, Katja Paryla . 10.-13. November Erich Honecker reist nach Österreich; es ist der erste offizielle Besuch in einem westlichen Land. 16. November
Uraufführung des Theaterstückes »Der Auftrag« von Heiner Müller an der Volksbühne in Ost-Berlin.
Oberliga-Plazierung 1980
1. Dezember
Als Nachfolger von Günter Gaus als Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in der DDR wird Klaus Sölling benannt, der sein Amt im Februar 1981 antritt.
5. Dezember
Treffen der führenden Vertreter der Warschauer Vertragsstaaten, um über die Situation in Polen zu beraten.
1. Berliner FC Dynamo 2. SG Dynamo Dresden 3. FC Carl Zeiss Jena 4. 1. FC Magdeburg 5. FC Vorwärts Frankfurt/O. 6. 1. FC Lok Leipzig 7. Hallescher FC Chemie 8. Sachsenring Zwikkau 9. Wismut Aue 10. Stahl Riesa 11 . FC Karl-Marx-Stadt 12. FC Rot-Weiß Erfurt 13. 1. FC Union Berlin 14. Chemie Leipzig
Zwei Redakteure des DDR•Fem.sehens unterhalten sich. »Was me.irlst dU•, fragt der eine, •ob die in Polen auch 3sat ~?· •.Nee
Mehr als 500000 Menschen versammeln sich vor der Lenin-Werft in Danzig, wo ein Denkmal für die Werftarbeiter enthüllt wird, die bei den Unruhen in Polen 1970 von Regierungstruppen getötet wurden .
31. Dezember
Die Subventionen des Staatshaushalts für Preisstützungen belaufen sich auf 17 Milliarden Mark.
1980 verlassen 12 763 DDR-Bürger das Land. Sportler des Jahres: Maxi Gnauck (Turnen) Waldemar Cierpinski (Marathonlauf)
Fernsehlieblinge:
neue Bücher:
große Hits:
Horst Drinda
Erich Loest »Swallow, mein wackerer Mustang«
»Am Abend mancher Tage« Lift
Klaus Feldmann Petra Kusch-Lück
Helga Hahnemann Handball-NationalmannRolf Herricht schaft der Männer Gerd E. Schäfer Torschützenkönig der Oberliga: Dieter Kühn vom 1. FC Lokomotive Leipzig mit 21 Treffern
Heinz Florian Oertel Frank Schöbel Angelika Waller Heinz Rennhack
Erwin Strittmatter »Der Wundertäter 3« Christa Wolf »Lesen und Schreiben« Wolfgang Schreyer »Die Reporter« Hermann Kant »Zu den Unterlagen. Publizistik«
»Erinnerung «electra »Melanie«Puhdys »Schwanenkönig« Karat »Reichtum der Welt« Holger Biege »Jugendliebe« Ute Freudenberg »Berührung« Gaby Rückert
Rechte
128
R.oefttlJieftos Nachweise Die Karikaturen stammen von Heinz Behling: 61 Manfred Bofinger: 59, Henry Büttner: 17, 25, Peter Dittrich: 75, 78, 79, 97 Barbara Henniger: 14, 19, 46, 48, 118, 49 oben, 101 oben Heinz Jankofsky: 13, 26, 28, 45, 95, 99, 103, 105, 117, 49 unten, 61, 77 links, 88 unten Harald Kretzschmar: 120, 121, 122, 123, 124, 125, Lothar Otto: 73, 76 Harri Parschau: 15, 33, 38, 55, 63, 81, 85, 89, 91, 107, 112, 88 oben, 101 unten, 113 Louis Rauwolf: 10, 21, 41, 52, 56, 65, 69, 77 rechts Horst Schrade: 37, 67, 111 Karl Schrader: 36, 50 Hans-Jürgen Starke: 87 Für die freundliche Genehmigung zum Abdruck danken wir den Autoren, Zeichnern und Erben. Nicht in allen Fällen ist es uns gelungen, Rechteinhaber und Rechtsnachfolger zu ermitteln. Berechtigte Honoraransprüche bleiben gewahrt.
Impressum Besuchen Sie uns im Internet:
www.sammelwerke.de Genehmigte Lizenzausgabe für Sammler-Editionen in der Verlagsgruppe Weltbild, Steinerne Furt, D-86167 Augsburg Copyright© Eulenspiegel· Das Neue Berlin Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Berlin Umschlaggestaltung: Peperoni Werbeagentur GmbH, Berlin Umschlagmotiv: imago/Sven Simon Druck und Bindung: Offizin Andersen Nexö Leipzig GmbH, Zwenkau Printed in the EU
l·
,.1~
1
' ·.
..