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Die Jahre 1961-1962: Lieber schlankweg in den Westen als dicke da im Osten
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Weltbild
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Otto Stark: Ein Kabarettist fürchtet sich nicht
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1. Kapitel: Lieber schlankweg in den Westen als dicke da im Osten
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Renate Holland-Moritz Allet aus Propajanda
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John Stave Vorsicht Liebesgaben
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Horst Beisse Es kommt was an
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Hansgeorg Stengel Besuch von drüben
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Ottokar Domma Mein schönstes Erlebnis Deutlich
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Erwin F. B. Albrecht Im Bundeshimmel
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Lothar Kusche Bürger, haltet die Ostsee sauber
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2. Kapitel: Alles zum Wohle des Volkes Humorvolles aus dem Alltag
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C. U. Wiesner Frisör Kleinekorte äußert sich zur Weltraumfahrt
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Achim Fröhlich Geht nicht
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Rudi Strahl Von morgens bis abends
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Achim Fröhlich Ein tragischer Verlauf
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Peter Gauglitz Öfter mal 11mräumen
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Erich Hanko Frau Bramke und das Polyvinylchlorid
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Hans-Joachim Prell Der Tierarzt „3. Kapitel: Lernen, lernen, nochmals lernen Als wir Schüler und Pioniere waren
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Ottokar Domma Unser Werklehrer Pankraz
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Inhalt
Alfred Schiffers ••
So eine Uberraschung
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Joachim Priewe Um die Zukunft keine Bange!
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Alfred Salomon Eine Fünf!
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John Stave Die Aufklärung
Irmgard Abe Geschlossene Gesellschaft 4. Kapitel: Was des Volkes Hände schaffen Wir Werktätigen in Stadt und Land
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so 53
Hansjoachim Riegenring Besuch bei Freund Eduard
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Joachim Priewe Dorfkrugstudie
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Günter Krone Die Grenzen der Technisierung
Arwed Bouvier Das Versicherungsgeschäft
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Günter Gregor Tagebuchnotizen eines Dorfbürgermeisters
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Jochen Petersdorf Nachrichten
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John Stave Lesen und lesen lassen 5. Kapitel: Heißer Sommer Von Ostseestrand, Datsche und Jugendclubs ...
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Ulrich Speitel Schlaf der Ungerechten
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Ralph Wiener Der Wackelstein
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Erwin F. B. Albrecht Der positive Kellner
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Ulrich Speitel Urlaubsfreuden ohne Urlaub
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H. J. Stein Deutsche Bahnhöfe
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John Stave Der Hieb auf den Kürbis 6. Kapitel: Höher, schneller, weiter! Sportlich sportlich
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Erwin F. B. Albrecht Wie ich Sportzecher wurde
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Alfred Schiffers Wie's im Tagebuche steht Rudi Strahl Der Weitgereiste Hansjoachim Riegenring Auf dem Anstand John Stave Wer wird Fußballmeister 1962 7. Kapitel: Unter vier Augen Über Verliebte und Verheiratete
Peter Gauglitz Amor lebt Joachim Priewe Der Hausfreund Herbert Seifert Gedanken in einem kalten Zimmer John Stave Mehr allgemein Hansgeorg Stengel Gruß nach vom Peter Gauglitz Campingküsse Jochen Petersdorf Dauer-Renner Renate Holland-Moritz Modeme Ehe Ralph Wiener Ich liebe Ingeborg 8. Kapitel: Wo wir sind, ist vorn! Es geht seinen sozialistischen Gang
C. U. Wiesner Frisör Kleinekorte und der neue Mensch John Stave Weshalb Ulrich Speitel Was der Mensch alles braucht Nils Werner Der Tod des Schlagwo.r ts Lothar Kusche Minister im Traum Zeittafel Rechtliches
Inhalt
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Die Wahrheit in der Hosentasche
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Man hat mich gebeten, für die Sternstunden des DDR-Humors ein passendes, lustiges, geistreiches Vorwort zu schreiben. Aber wie soll man die Jahre 61-62 beschreiben: satirisch, humoristisch, ärgerlich oder gar fröhlich? Es war die Zeit des Mauerbaus, des Kalten Krieges, der Frieden war in Gefahr. Alles ernste Probleme. Es gab eine Abgrenzung der Ideologien. Jeder hatte recht und die Wahrheit in der Hosentasche. Auf welche Wahrheit konnte man sich berufen, auf Links oder Rechts, auf Oben oder Unten, Ost oder West? Was ist überhaupt Recht? Man sollte angemessen urteilen über Recht und Unrecht, und auch da gibt es Probleme, wie eine Anekdote aus der k. und k. Monarchie erzählt: Es kommt ein Mann zu einem weisen Rabbi und bittet ihn, einen langjährigen Streit zwischen zwei Freunden zu schlichten. Er stimmt zu, hört sich den ersten an und sagt: »Du hast recht. « Er hört sich den zweiten an und sagt: »Du hast auch recht!« Daraufhin meint die Frau des Rabbis: »Aber es können doch nicht beide recht haben.« Der Rabbi nickt und sagt: »Da hast auch du recht!« Ich habe oft an diese Anekdote gedacht, wenn ich vor Entscheidungen stand, auf der Bühne oder im Leben. Sie erinnert mich 13. August 1961, als ich mit meiner Frau in der Wachau in auch an den •• Osterreich war und wir an einem schönen Sonntagmorgen spazierengingen und ich aus einem offenen Fenster über die Grenzziehung in Ostberlin hörte. Wir diskutierten im Familienkreis, ob wir zurückkehren oder in Österreich bleiben sollten. Onkel Willi, der letzte Überlebende der Familie, hörte zu und sagte zu meiner Frau: »Du kannst doch nicht deine alten Eltern allein lassen«, und zu mir gewandt: »Du gehst natürlich mit. Was willst du hier in Wien? Hier kennst du alle Nazis. Drüben sind auch welche, aber die kennst du wenigstens nicht.« Wir fuhren drei Tage später zurück. Mein Schwiegervater wunderte sich, warum wir zurückkamen. »Um uns braucht ihr euch keine Sorgen zu machen«, meinte er lachend und setzte schmunzelnd hinzu: »Wir sind bestens geschützt durch eine Mauer.« Ja, wir waren jetzt bestens geschützt durch einen »antifaschistischen Schutzwall«. Ganz wohl war uns dabei nicht. Aber wir spielten wieder Kabarett mit großer Freude und all den kleinen und großen Sorgen, die uns damals der Alltag bescherte. Da mein Vorwort nicht ganz so lustig ausfiel, hoffe ich, daß Sie umso mehr Freude an den Beiträgen in diesem Buch finden werden. Ich wünsche Ihnen viel Spaß und schließe mit den Worten von Winston Churchill, als er sich als Politiker verabschiedete: »Ein kluger Mann macht nicht alle Fehler selber ... Er gibt auch anderen eine Chance!« Otto Stark
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Lieber schlankweg in den Westen ...
Renate Holland-Moritz
»Hast du schon gehört? Die Autobahn Berlin-Rostock wird nun doch nicht gebaut?« »Wieso denn nicht?« »Weil sie die Betonteile erst mal um Berlin herum zum Trocknen aufgehängt haben. «
Isset denn die Möglichkeit, die Buntzeln! Seit wann arbeiten Sie denn in Schöneweide? Na, nu weenen Se man nich, ick weeß schließlich am besten, wie weich eim inne Knie wird ohne det jute Hartjeld. Wir ham et ja alle nich einfach in die Zeit, wo se uns so brutal von unse Brida abjespalten ham, det man se nich mal mehr mit een paar Scheiben Kotlett unta de Arme jreifen kann. Na abajewiß doch hab ick mir einjedeckt! Alladings weeß ick nich, wat ick mit die zehn Kilo Mehl anfangen soll, weil bei uns ze Hause doch ja keena Kuchen jeme ißt. Wat meine linke Nachbarin is, die hat sich for hundert Mark Backpulvajekooft. Zu wat die so ville Triebmittel braucht, is mir unklar. Mit ihm dreihundat Funt Lebendjewicht übalebt die jlatt die nechste Hungasnot. Nee, wissen Se, Buntzeln, det is ja jetzt übahaupt keen Leben mehr. Meine Uffwartung mußte ick ja nu ooch entlassen. Nu kann ich mir wieda selba beit Dreckfejen inne eijene Wohnung machen. Jewiß, Arbeit schändet nich, aba wenn man so lange een juten Posten als Raumflejerin in Neukölln hatte, kommt man sich bei so niedrije Varrichtungen doch een bißken schebich vor. Also, wat mir am meisten schmerzt bei die neuen Maßnahmen, det is, wie sich die Menschen zu ihm Nachteil vaändem duhn. Wat mein Jroßen seine Braut is, unse Helja, die is doch bei den privaten Jrünkramhändla Meier aus de Schulzendorfa Vakäuferin. Die janzen Jahre hatta nüscht an se auszusetzen jehabt, weil er jenau wußte, bei die erste demlije Bemerkung kricht er die Flebben vor die Beene. Unse Helja hat'n damals klipp und klar ausenandaposementiert, det se sich ooch nach Kreuzberch vaändem kann. Und wat glooben Sie, Frau Buntzel, wat sich olle Meier vajangene Woche alaubt? Er sacht, Helja könnte ruhich ooch mal den Laden ausfejen, und wenn se sich nich een andan Ton for de Kundschaft anjewöhnt, muß er leida uff ihr vazichten. Det klee ne zarte Medchen hat sich bald die Seele aus dem Leib jeweent. Det der West-Ofen nu aus ist, ist schon traurich jenuch. Aba det Meiern so was ausnutzt, det finde ick direkt unmoralisch. Also, denn machen Sie et man jut, Buntzeln. Inne Paradiesstraße soll et übrijens Pilze jeben. Die janze Jahre jabs bloß drühm weiche. Da sehen Sie wieda mal, zu wat vor Methoden der Osten jreift - allet aus Propajanda!
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Lieber schlankwes 1 in1 den Westen ... 2
John Stave
llorsieAt Unlängst bekommt unser Opa auf einmal ein Paket. Wir sind erstaunt. Aber die Anschrift stimmt genau. Wrr öffnen also das Paket. Und was ist da alles drin? Sonneneiernudeln, ein Päckchen Krafts Scheibletten, Graupen, Margarine, Dr.-Oetker-Pudding und ein Brief. »Laß Dir alles gut schmecken, mein Junge«, steht in demselben. »Nie werde ich vergessen die schönen Stunden, die wir beide voriges Jahr in Berlin verbrachten. Nun trennt uns bekanntlich die Mauer, die uns allen ein Dom im Auge ist. Damit Du etwas von der Freiheit noch hast, sende ich Dir diese Leckereien. Laß Dir alles gut bekommen, und schicke mir noch ein paar Anschriften, damit ich diese auch erfreuen kann. Bleibe auch hübsch gesund. Ein frohes Weihnachtsfest ... « Wir lassen den Brief sinken und glotzen uns erstaunt an. Das ist ja wirklich nett von dem Mann aus Lüneburg. Unser Opa hat uns nie von ihm erzählt, von den schönen Stunden voriges Jahr. Aber das war ja auch schlecht möglich; denn Opa ist bereits im Jahre 1952 gestorben. Wrr haben noch ein bißchen überlegt und das Paket ein paarmal unschlüssig rumgedreht und beklopft. Dann haben wir das ominöse Paket zur Polizei getragen. Wir hatten das undufte Gefühl, der Dr. Oetker wollte uns vergiften ... Über die Polizei sind wir schließlich zum Zoll gekommen. Das ist ja sehr interessant dort. Die vom AZKW (zu deutsch: Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs) kennen schon ihre Pappenheimer. Der eine der Zollisten nimmt unser Paket, guckt sich die Schnur an, pfeift wie ein Kriminaler durch die Zähne und sagt uns, daß es sich bei diesem Paket um ein sogenanntes Organisations-Paket handle, das von der Beförderung durch die Post ausgeschlossen ist und der Beschlagnahme durch den Zoll verfallen muß (diese Maßnahme wird bei familiären Ge-
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und dann schreibt sie noch was vom Duft der großen weiten Welt.<< >>...
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Lieber schlankweg in den Westen ...
schenksendungen natürlich nicht angewandt, sofern sie den internationalen Zollbestimmungen entsprechen). Da gibt es nämlich in der Bundesrepublik Leute, die um jeden Preis Freude ins DDR-Haus bringen wollen. Sie trompeten in allen Bundesländern herum, daß die Menschen unter Ulbrichts Gewalt nichts zu essen haben, und deshalb immer in den einschlägigen Parkanlagen die Rinde von den Bäumen abknabbern müssen. Jedenfalls wird Geld zusammengetrommelt, und dann werden die Pakete gepackt. Oberflächlich könnte man diese Trommler für wahre Menschenfreunde halten. Aber sie haben nun mal das Bedürfnis, neben der leiblichen Kost auch für das geistige Wohl unserer bedauernswerten Bürger zu sorgen. Im Kl"KW Magdeburg betreten wir eine große Buchhandlung. Jedenfalls fühlt man sich in eine solche hineinversetzt, wenn man das Tausende von Bänden umfassende Literaturlager betrachtet. Alles Werke aus beschlagnahmten PakeDa muß man sich in der armen Ost- ten. Von der niedrigsten Pornographie bis zum Elzone revanchieren. binger Bildkalender, von der »Schlucht des Grauens« bis zu »Panzern, die Richtung Baku rollen«, ja bis zur offenen Anti-Sowjet-Hetzschrift reicht das Sortiment. Und für solche oder ähnliche Liebesgabensendungen zeichnen dann westdeutsche Heimatverbände als Absender oder - was uns besonders gefallen hat - die »Evangelische Bruderhilfe Bremen«. Aber sie bedienen sich auch privater Absender ohne deren Kenntnis. Andere Liebesgaben aus dem Westen sind noch konkreterer Natur. Es handelt sich um Zaster. Um solchen Zaster, der Republikflüchtigen nun nichts mehr nutzt. Sie lassen ihn in die alte Heimat zurückkehren. In Zigarettenschachteln versteckt, in Schokoladentafeln, in Bonbonpapier und so weiter. Seit dem 13. August sind im privaten Geldversand über 100 000 entdeckte DM über die Staatsgrenze gekommen. Da muß man sich natürlich revanchieren. Und dann geht aus der armen Ostzone so was nach drüben: in Kuchen eingebakkene goldene Eheringe, ganze Besteckkästen, Knackwürste, in »Anfeuerholz« versteckt, Puppen, die um den Leib Armbanduhren tragen, nagelneue Bettwäsche, Untertrikotagen und so weiter. An hochwertigen Textilien wurden auf diese Weise pro Jahr für viele Millionen DM Ware nach dem Westen verschenkt. Eine Frage zum Schluß: Können Sie uns sagen, weshalb beispielsweise Bettwäsche bei uns so knapp ist? Nee, nich?
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Lieber schlankwes in den Westen ...
Horst Beisse
»Sie, Schrödem, wissense schon von de Dahlienstraße?« »Nee, Frau Lemke, was isn da?« »Also, Schrödem, bei Meiern in de Dahlienstraße is wat unterwegs! Na, Se wissen schon, was ick meine. Man spricht ja heute nich so drüber ... « »Ach, wie mir des freut für die Leute, Frau Lemke! Ick weeß ja nischt, und ick kümmer mir ja nie drum, aber ... et is doch wohl det erste, wa? « »Nee, Schrödem, det dritte schon! Die jehören woll zu denen, die nie jenuch kriejen können. Die Tochter von Meiers hat ihret ja ooch schon lange haben wollen. Und überall hin habense jeschrieben, und nun wird et endlich ankommen. Mei-
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Lieber schlankweg in d~n Westen ...
ers Elli is jetzt wie ausjewechselt! Und die Oma freut sich ooch.« »Klar, Frau Lemke ! Hoffentlich wird det bei Elli nich so kleen. « »Det wolln wa wünschen, Schrödem. Is ja wat Wertvollet, nicht? Ooch wenn man Loofereien hat. « »Na ja, Frau Lemke, wenn de Jahre so verjehen, hat man immerhin ne kleene Hilfe, wa?« »Üogenblick mal, Schrödern! Da is eener an de Düre draußen. Ick jeh mal raus. - Sehn Se, nun is et da! Der Briefträger hat et mir eben erzählt. Bei Meiers is et schon anjekommen, Schrödern! « »Jotte, nee, Frau Lemke, was is et denn? Een Junge oder een Meechen?« »Quatsch! Ick hab et Ihnen doch anjedeutet ... een Westpaket!«
Man spürt es gleich am sanften Hub der Schritte, am Schal des Mannes und am Duft der Frau: Hier handelt's sich um eine Stippvisite der Bundesrepublik in Crimmitschau. Das mindeste: Die Dame ist Komtesse und er Besitzer einer Tuchfabrik. Sie haben Geld wie Heu und Auslandspässe, und ihre Fotos stehen in der »Quick«. Man würde beide schrecklich gern befragen. Doch geht man ganz behutsamn auf sie zu, hört man den Dünkel der Gesäße klagen: »Wir sind zu vornehm für ein Interview!«
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Nur der Hoteldirektor Heinrich Lehmann weiß, weil sie auf dem Meldezettel stehn: Es sind die Gerbersgattin Koch plus Eh'mann aus Hof, die schwänzelnd durch die Straßen gehn .
Hansgeorg Stengel
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Ottokar Domma
' HIS Meine Mutter sagte, daß sie eine dringende Fahrt nach Berlin machen möchte, weil doch die Italiener jetzt wieder so schön legen und das Pfingstfest vor der Tür steht. Darauf hab ich die Tür aufgemacht, wo aber kein Pfingstfest gestanden hat, sondern unser individueller Misthaufen. Der stank. Wie ich zurückgekommen bin in die gute Stube, hat mich meine Mutter ganz ernst angesehen, so wie damals bei den Masern, und gesagt, daß ich mit darf nach Berlin, wenn ich keinem Menschen etwas verrate. Ich hab ein ganz verschwiegenes Gesicht gemacht und geantwortet, daß so einer wie ich, der den langen Zahel Arthur glatt hinlegt, niemals nicht etwas verraten wird. Als es soweit war, hat meine Mutter einen Brief für die Klassenlehrerin geschrieben, daß sie mit mir ganz dringend zum Arzt muß. Die Lehrerin ist mir über den Kopf gestrichen und hat mir freigegeben. Da hat sich meine Mutter mächtig gefreut. Wie wir dann zum Bahnhof gegangen sind, war meine Mutter viel dicker als sonst. Im Zug hat mich meine Mutter gefragt, wo wir hinfahren. Ich habe gesagt, daß wir nach Berlin fahren, aber sie hat gesagt, daß wir nicht nach Berlin fahren, sondern nach Potsdam zu Tante Frieda, und ich soll mir das einprägen. Meine Mutter hat mich dann noch siebenundzwanzig mal gefragt, wo wir hinfahren, und ich hab dann siebenundzwanzigmal gesagt, nach Potsdam zu Tante Frieda. Ich wollte wissen, wer Tante Frieda ist und ob sie auch so geizig ist wie Tante Alma. Aber meine Mutter hat bloß ganz verzweifelt geguckt. Ich soll meinen Mund halten, hat sie gesagt, und daß sie es schon bereut, weil sie mich mitgenommen hat. Ich hab dann die Telegrafenstangen gezählt. Dann sind wir umgestiegen in einen Zug mit großen Fenstern und ohne Lokomotive. Wie wir gesessen haben, setzte sich ein sehr schönes Fräulein neben mich. Die hatte rote Lippen und reiche Eltern, weil sie so gut roch. Bei meiner Mutter saß ein dicker Mann. Der hat dauernd geschwitzt. Wie wir gefahren sind, wollte meine Mutter wieder wissen, wo wir hinfahren. Ich hab gesagt: Nach Potsdam zu Tante Frieda. Meine Mutter hat sich darüber sehr gefreut und die anderen angeschaut, ob sie sich auch freuen. Aber die haben sich nicht gefreut, weil der
Wer ist der größte Feldherr der Welt.. ? . .· . . . geschichte. . ,....:·•., .. „ Walter Ulbricht. .· . Er hat zwei Millio· nen Menschen fu die Flucht geschlagen und 17 Millioen gefangengenommen. --.
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Dicke immer noch schwitzte und das schöne Fräulein gelesen hat. Wie der Zug wieder hielt, hat meine Mutter auf einmal auch geschwitzt. Der Dicke hatte sie angesteckt. Dann kam ein Genosse Grenzer und hat mit seiner Hand gegrüßt. Er hat gesagt »Ausweijittee« und in die Büchlein geguckt; die ihm die Leute hinhielten. Das von meiner Mutter hat vor Freude gezittert, weil ich so schön sagen konnte, wo wir hinfahren. Aber der Genosse Grenzer hat das nicht gesehen, weil er immer zu dem schönen Fräulein schauen mußte. Als wir mitten in der Stadt waren, hat meine Mutter aufgehört zu schwitzen und geseufzt, daß sie Gott dankt. Dann sind wir ausgestiegen. Meine Mutter ist oft vor den Schaufenstern stehengeblieben, und sie hat mich gefragt, ob das schön ist. Ich hab gesagt, Potsdam ist schön und wann wir endlich bei Tante Frieda sind, denn ich hatte schon einen mächtigen Hunger. Dann ist meine Mutter in ein Geschäft rein, wo alles nur so blitzte und nach Käse stank. Die Frau hinterm Ladentisch hat laut aufgeschrien und zu meiner Mutter gesagt, wie sie sich freut. Ich dachte mir gleich, daß das Tante Frieda ist und eine eingebildete Stadtnudel, weil sie meine Mutter mit Sie angesprochen hat. Und ich hab gedacht, ich spiel ihr einen Schabernack. Dann hat Tante Frieda zu mir gesagt, daß sie jetzt schnell mit meiner Mutter ins Wohnzimmer muß, und ich soll im Laden aufpassen und sagen, daß sie gleich wieder da ist. Ich hab gesagt, ich paß schon auf, und ich hab in meinen Taschen gewühlt und einen dicken rostigen Nagel gefunden. Den hab ich in einen dreieckigen Käse gedrückt, bis er nicht mehr zu sehen war, und ich hab das Silberpapier wieder mit Spucke angeklebt. Und wie ich hörte, daß meine Mutter mit der Stadtnudel wieder zurückkommt, hab ich schnell noch ein paarmal in den Quark gespuckt, weil sie so geizig ist. Meine Mutter war jetzt viel dünner als vorher und hat immerzu gelacht und gesagt, daß ihr jetzt leichter ist. Tante Frieda schenkte meiner Mutter einen Käse und hat mit ihrer -·
> > Endlich, die gute Westmedizin. I eh freue mich auf meine Krankheit!<<
Lieber schlankweg in den Westen ...
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feuchten Hand über meinen Kopf gestrichen und gefragt, ob ich einen Kauboifilm ansehen will. Ich habe gesagt, daß ich Hunger hab, und ich hab ihr die Zunge gezeigt, aber nur von innen. Meine Mutter konnte jetzt viel schneller gehen als vorher und hat immerzu im Kopf gerechnet. Vor einer Bude hat sie mich gefragt, ob ich ein schönes buntes Heft zum Lesen will. Ich habe mir eins ausgesucht, wo ein Mörder einem Mann die Gurgel zudreht und seine Augen schon draußen waren. Der Verkäufer hat gesagt, das ist ganz spannend, und man liest es in einem Zuge. Ich habe gesagt, daß ich es lieber zu Hause lesen will und nicht im Zug, weil es dort so wackelt. Wie wir zu Hause angekommen sind, hat meine Mutter zum Vater gesagt, sie hat was Schönes mitgebracht, und sie hat in ihrer Tasche geraschelt. Wie sie ihm den Käse gegeben hat, hat Vater gleich das Papier abgewickelt und hineingebissen. Auf einmal hat er gelauscht und ganz dumm geguckt. Dann hat er seinen Mund wieder aufgemacht und blutige Käsebrocken ausgespuckt und ein Stück vom Zahn. Und er hat meiner Mutter das andere Stück Käse ins Gesicht geschmissen. Dabei fiel ein Nagel runter. Dies war mein schönstes Erlebnis.
'Do~tliel!a Zwei halbstarke Westberliner in Lederjacken und Niethosen schlendern - die Hände tief in den Taschen vergraben - auf den Kampfgruppenposten an der Bemauer Straße zu. »Wo möchten Sie hin?« fragt der Genosse Kämpfer. »Zu Hause!« sagt der längere der beiden recht lässig. Und mürrisch kommen sie der Aufforderung nach, ihre West• • ausweise vorzure1gen. »Die Strelitzer Straße«, sagt der Genosse Kämpfer, »ist gesperrt. Bitte benutzen Sie die Brunnenstraße als Übergang!« Der kurze Halbstarke räsoniert: »Jestem war noch uff. Wrr jehn schließlich immer hier durch!« »Sehn Sie«, sagt der Posten, »und nun nicht mehr!« »Dürfen wa det als amtliche Mitteilung uffassen?« »Klar«, sagt der Genosse Kämpfer, »diese Angabe erfolgte mit Gewehr!«
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In den 60er Jahren gab es eine Ausschreibung für den In- und Außenputz der Mauer. Fünf Mann bewarben sich für den . Innenputz und ," zehn Millionen für . den Außenputz. ~
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Erwin F. B. Albrecht
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Es war nicht ganz einfach gewesen, hinaufzukommen. Ein junger Elegant in Cut und gestreifter Hose, der so gar nichts mit dem alten Petrus gemein hatte, empfing mich. »Nennen Sie mich Mr. Peters«, sagte er, »ich bin ein Jünger von Old Petrus.« »Es hat sich hier wohl allerhand verändert?« »Kann man wohl sagen. Seitdem die Ostmenschen in das Weltall vordringen, haben wir uns in den Hinterhimmel verzogen. Man läßt sich schließlich nicht gern alle naselang von so einem Sputnik in die Fenster gucken, nicht wahr?« »Und Sie haben den Umzug, wie man hört, gleich zu einer durchgreifenden Renovierung benutzt?« »Genau«, bestätigte der junge Herr, »die Fassade ist zwar noch die alte, wegen der Werbung, mit Posaunenengeln und so, aber innen werden Sie staunen. Alles nach streng freiheitlichen Gesichtspunkten reorganisiert.« Er führte mich über einen Vorhof zu einem gewaltigen fünfekkigen Gebäudekomplex. Ich stutzte. »Nanu? Ein Pentagon?« »Die zweckmäßigste Form für den Bundeshimmel«, erklärte mein Begleiter. »Am besten werfen wir erst einmal einen Blick in das Innere. Bitteschön, sehen Sie selbst.« In einem umzäunten, mit der Überschrift »Soldatenhimmel« versehenen Sandkasten saßen Friedrich der Zwote, Bismarck, Wilhelm der Letzte und Hindenburg. Sie tranken französischen Burgunder, während im Hintergrund ein Ochse am Spieß briet. In zahllosen Hollywoodschaukeln ließen sich Millionärsdamen Austemcocktails, Sekt und kalten Fasan servieren, am Rande eines Swimming-Pools bewirtete Großadmiral v. Tirpitz in Vollbart und Badeanzug eine kreischende Gesellschaft von Starletts aus Marinefilmen mit Rheinsalm und Gebirgsforellen, während braun uniformierte Gestalten mit weißen Paradegamaschen an Lagerfeuern saßen, gebratene Hühner verschlangen, Whisky tranken und aus Colts schossen. Auch hier oben wollten die Millionäre und die Generale nicht auf die Besatzungsmacht verzichten. »Es wird leider schon wieder ein bißchen eng«, bedauerte Peters, »die Eingänge mehren sich rapide, denn statt dreihundert Millionären besitzt die Bundesrepublik jetzt bekanntlich über
Lieber schlankweg in den Weste;n ...
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achttausend, und ihre Ansprüche werden immer größer, nachdem ihr irdisches Aktienkapital von dreißig auf über siebzig Milliarden angestiegen ist.« »Und wo bleiben die kleinen Leute?« fragte ich. »Man sieht nicht einen einzigen einfachen Menschen.« »Sie Unschuldsengel«, lachte Peters, »woher sollen denn die kleinen Leute hier oben die Miete nehmen! Die können wir natürlich nur im Souterrajn unterbringen. Aber es geht ihnen da ganz gut, nachdem wir die Abteilung Kundendienst eingerichtet haben, die wir nun besichtigen wollen.« In einem Büro von der Größe eines Exerzierplatzes saßen Hunderte himmlischer Sekretärinnen, lauter Engel, mit Kopfhörern vor einer Art von Klappenschränken und machten Notizen. »Hier notieren wir schon bei Lebzeiten die Wünsche unserer Kunden, damit wir sie nach ihrem Eintreffen individuell belehren können, daß eine Erfüllung nicht möglich ist, daß sie sich vielmehr auf die Einrichtung der neuen Himmelssteuer einzustellen haben.« »Aha. Und warum können Sie die Wünsche der kleinen Leute nicht erfüllen?« »Lediglich aus Fürsorge. Viele von ihnen wünschen sich beispielsweise mehr Fleisch und Delikatessen. Sie übersehen, daß ihnen das üppige Leben nur schadet.« Ich sah einer der Damen über die Schulter »Hugo Meier, Rentner, 67, Duisburg«, notierte sie, »fleht um Erlaß weiterer Mieterhöhungen. Karola Schmitz, Hausfrau, 48, Köln, wünscht sich Stop der steigenden Lebensmittelpreise. Jupp Lindner, Arbeiter, 30, Essen, verflucht Mehrbelastung durch Sozialversicherung-« »Sie sehen«, meinte Peters, »daß die Leute Unmögliches verlangen. Als wenn sie noch nie was von himmelhohen Preisen gehört hätten!« »Aber warum gehen hier nur immer Wünsche von meinen Leuten ein?« fragte ich. »Weil die Großen in der Bundesrepublik naturgemäß den Himmel bereits auf Erden haben«, erwiderte Peters mit Bestimmtheit, »aber kommen Sie, meine Zeit ist knapp, ich habe den heutigen Eingang an Selbstmördern noch nicht abgefertigt.« »Einen Moment noch, Sir«, bat ich, »was ist das für ein Lärm über uns?« »Okay, kommen Sie mit.« Peters schob mich zum nächsten Paternoster. »Werfen Sie noch einen Blick in eine Sitzung unse-
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Lieber schlankweg in d, ~ry W~sten ..
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res Aufsichtsrates. Wie Sie vielleicht noch nicht wissen werden, haben im renovierten Bundeshimmel die Aufsichtsräte den Rang von Heiligen. Und wenn ich nicht irre, spricht gerade der heilige Dividendus, der auf Erden Stinnes hieß. Rechts von ihm werden Sie den alten Krupp erblicken, der bei uns der heilige Profitius heißt, links den alten Thyssen, jetzt der heilige Multimill genannt.« Ich blickte in eine Gesellschaft gut angezogener Schmerbäuche, Specknacken und Kahlköpfe. An ihren Jacketts schimmerte als Bruststern ein Heiligenschein. Die meisten tranken Karlsbader Brunnen. »Und so freue ich mich, meine Herren«,
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))Wzr sind eine seriöse Zuckerimportfirma, und Sie, meine Herren, arbeiten im Außendienst. ((
sagte der heilige Dividendus, »Ihnen mitteilen zu können, daß der Himmel nach der Renovierung und Einführung der KleinenLeute-Steuer endlich wieder einen Gewinn abwirft. Entsprechend unseren großen Vorbildern in der Bundesrepublik werden wir in diesem Jahr an unsere Herren Aktionäre elf Prozent Dividende ausschütten und den doppelten Gewinnbetrag als Rücklage verbuchen können.« Mir wurde übel, und wir gingen. Am Ausgang saß brabbelnd ein Bettler. Er trug ein Armesünderhemd, aber auf der Brust einen Ordensstern in Form eines Heiligenscheins. »Ein Verrückter«, erläuterte Mr. Peters, »er leidet an Hungerödemen, bildet sich seitdem ein, er gehöre zum Aufsichtsrat, und plädiert am Straßenrand für die Aufhebung der finanziellen Lasten.« »Einer aus dem Souterrajn «, sagte ich bedrückt. »Wir lassen ihn ruhig machen«, meinte der Empfangschef herablassend, »denn wir sind ja schließlich hier im Himmel der Freiheit.«
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Lothar Kusche
i4r11or, Aaltot dio Ostsoo sa-.Oor! Zu Beginn der Zeiten schuf Gott das Meer, »mit allem, was drin ist«. Seither: sind noch Unterseeboote hinzugekommen. A. Polgar Wenn der Sommer endlich da ist, drängt ja hierzulande alles zur Ostsee. Schon Heinrich Mann fand, Heringsdorf sei ein Vorort von Berlin. Ohne Ostsee kann sich ein rechter Bürger unseres Staates überhaupt nicht erholen, obwohl man nachweislich im Gebirge auch einen hübschen Sonnenbrand kriegen kann. Der Unterschied zwischen Ostsee und Gebirge besteht ja hauptsächlich darin, daß im Gebirge weniger Kurkonzert verübt wird. Schwedenland, du hast es besser! Um sich möglichst viel Ostseeküste zu verschaffen, haben die Schweden nämlich die sogenannten Schären erfunden oder zumindest vorgefunden: unzählige Inselchen, von denenjede ringsherum lauter Küste hat, und entsprechend viele Leute können da baden gehen. Natürlich haben wir auch schöne Inseln, kleine und große. Eine der kleinsten ist die Greifswalder Oje. Ihren Namen verdankt sie einem Manne, der vor langer, langer Zeit bei einem großen Wind in einem kleinen Boot an ihr vorüberfuhr. Als er seinen Kameraden gerade die Insel zeigen wollte, fühlte er sich plötzlich ganz hundeelend, und er sagte nichts weiter als immer nur: »Ü jeh! 0 jeh!« Unsere größte Insel aber heißt Rügen. Rügen ist so groß, daß das gesamte Störtebeker-Freilichttheater dort Platz hat und außerdem noch Zuschauer draufpassen. Vielleicht haben wir zuwenig Inseln oder aber zu viele Inselfreunde. Es wäre jedoch unrecht, dafür den Schriftsteller Herbert Nachbar verantwortlich zu machen, von dem das Buch »Die gestohlene Insel« stammt, denn er hat deswegen schon genug Vorwürfe hören müssen. Suchet, so werdet ihr finden auch Inseln. Es gibt sogar welche in unseren Binnenseen. Rings um Berlin heißen sie meistens »Liebes-Insel« und werden von großen Mückenvölkern bewohnt, so daß es mit der Liebe Essig ist. Auf Hiddensee beispielsweise ist das Verhältnis zwischen Mükken und Liebe umgekehrt proportional; dort wachsen in der wärmeren Jahreszeit viele hübsche Mädchen. Auch gibt es ein
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Lieber schlankweg in den Westen ...
großes Vogelschutzgebiet. Auf Hiddensee habe ich die sogenannte Inselkrankheit kennengelernt, von der manche Menschen befallen werden, wenn sie ringsumher nichts als Meer sehen. Zuerst spürt man ein angenehmes, berauschendes Gefühl, eine wahre Ostseeligkeit packt einen; doch schließlich ist es, als sei man in einen Strudel geraten und wird ohnmächtig. Es ist aber möglich, daß an der Inselkrankheit der Deutsche Wermut schuld war, den wir damals getrunken haben. Doch was ist schon ein Tropfen bitterer Wermut in dem großen Ostsee-Becher! Er ist gar nicht zu bemerken, was man von dem Hochhaus, welches in das schöne Badedorf Ahrenshoop
>>*is willst du denn mit den zehntausend Achtpfennigzigaretten?(< >>Die rauch ich, bis mir schwindelig wird, det ick jede Mark wieda mal vier sehe!<<
hineingebaut werden soll, nicht gerade sagen kann. Der Plan ist zweifellos originell. Um zu einem Ausgleich zu kommen, fordere ich hiermit, und zwar stürmisch: Her mit einigen Fischerkaten auf die Berliner Stalinallee! Man könnte natürlich in Ahrenshoop und Umgegend statt in die Höhe auch in die Breite gehen, also flach bauen, denn es ist ja nicht nur oben in der Luft genügend Platz vorhanden. Wie dem auch sei: es ist jedenfalls besser und begrüßenswerter, als in die Tiefe zu bauen, wie es geschieht, wenn NATO-U-Boot-Bunker angelegt werden. Herr Bundes-Admiral Ruge ist in dieser Beziehung sehr strebsam. Er möchte U-Boote in die Ostsee streuen wie andere Leute Salz in die Suppe; und seine Suppe müssen wir dem Manne versalzen. Es sind noch reichlich alte Minen in der Ostsee. Wer jetzt schon wieder neue bereithält, darf nicht erwarten, daß seine Nachbarn gute Miene zu den bösen Minen machen.
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C. U. Wiesner
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»]uri, du bist der erste Mensch, der der Welt beweist, daß ich meiner Zeit voraus war. <<
Nehmse Platz, Herr Jeheimrat! Was gibsn Neues aufm Bau? Wieder Nachtschicht gehabt? Macht nischt, nachts wachsen die Haare langsamer, da sparnse ne Masse Jeld. Fassongschnitt? Hamse denn heute nacht den Sputnik jesehn? Der soll ja mal wieder über Berlin rüberjondeln. Ick halt ja nich ville von den janzen Spuk: Früher - dis muß so inne Systemßeit jewesen sind, hab ick mir ja ooch ab un ßu den Kopp varenkt. Nachn Zeppelin, det lohnte sich wenijstens. Aber die Menschheit wird ja immer varückter! Immer höher wollnse hinaus. Erst steijense auf dem Himmaleia un belästijen die Schneemenschen - aber nein, dis jenügt nich: se müssen auch noch partuh bis uffn Mond, un dabei könnse den im Leben nich erreichen, weil er nämich nischt weiter is wie ne Luftspiejelung. Wat die überhaupt mitten in Himmel ßu suchen ham - als ob set nich erwarten könn. Mann, da komm wa doch alle noch beißeiten hin. Nehmse maln Kopp n bißken tiefer! Nu mach ich mir ja bei alles so meine eigenenJedanken. Harn Sie ßum Beispiel schon maljelesen, det die mit ihre Raketen auch nur eine Spur vom lieben Jott entdeckt ham? Is ja ooch keen Wunder. Ick sage Ihnen, den Mann hamse einfach vajrault. Auf die Dauer kann disja nichjutjehn. Am liebsten wollnse uns ja weismachen, det se een schön Tages mit ihre Weltraumdampfer auf die Milchstraße rumsejeln wie bei uns die Weiße Flotte. Aber ich laß ma doch nich for dumm verkaufen. Höher als zirka hundert Kilometer kann man die Dinger ja janich hochballem. Muß ick doch wissen, wo ick anno fünfzehn in Frankreich bei die schweren Mörser jestanden habe. Sehnse, dis warn damals die modernsten Steilfeuergeschütze, wo wir hatten. Passense auf: Ick bin der Mörser, un die Bürschte hier is dis Jeschoß. Jetz schieß ick bis anne Decke
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- pardong. Ihnen wollt ick nich treffen, Herr Jeheimrat. Aber hamse jesehn: Ick kann ma noch sone jroße Mühe jeben - dis Ding kommt immer wieder runter, un jenauso isses mit die Raketen. Rund um die Erde is doch der sojenannte Luftozean (hab ick mal inne »Jriine Post« jelesen, die war ja damals sehr auf Wissenschaft jeeicht), un dahinter is janischt mehr, da is die Welt mit Bretter vanagelt, wie ein großer Jelehrter sagt. Un nu kommt also dis Raumschiff, dringt bis anne Oberfläche vor un ßieht nu auf den Luftozean hurtig seine Kreise. Martha, setz doch mal Kaffeewasser auf, ich bedien bloß noch den ein Herrn. Dis geht natürlich nur so lange, als wie die Schiffsschraube Widerstand gejen die Schwerkraft findet. Nu hamse doch meistenteils n klein Köter als Piloten, was ja an sich ne Affenschande is, unsern Dackel früher is schon immer aufs Kettenkrussel schlecht jeworden. So, nu stellnse sich vor, dis Tier macht ein einzijen Fehler - bums! schon isset passiert, un da könnse den Hund vorher nich so jut ausjebildet ham. Aber lassense man, der Russe is unberechenbar. Eines Tages schicken die n lebendijen Menschen hoch, un denn klappt et, passense auf. Ick? Ob ick ma freiwillig daßu melden würde? Wo denkense denn hin! Komm ick nach drei Lichtjahre wieder auf der Erde - da is mein Herrensalong PeJeHa, un ick bin Neese.
Frage an den Sender I erewan: »Ist di~ückkeht JYOm Mond wirklich 'so gefährlich?« Antwort: »Im Rrin. zi~ein~ , Teonnisch ist das Problem gelöst, aber wie sollen iWir unsere-Kosniof äuten zur~.: ·.•' Rückkehr überreden?« ·;,-
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{)ol!tt 1tiel!tt Frau Lehmann, die kam in den Laden, es war wohl so zwanzig nach Vier'n: »Ich möchte den hübschen Bikini im Schaufenster schnell mal probier'n! « »Nicht möglich«, sprach da der Verkäufer, »ich hoffe, daß Sie das verstehn ... Sie müssen da schon, meine Dame, in unsre Kabine mal gehn! « Achim Fröhlich
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Weltniveau in Raumfahrt und Bademode.
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Rudi Strahl
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Ich habe ein paar Tage gesessen. Im Zeitungskiosk Nr. 308, gegenüber dem S-Bahnhof Berlin-Grünau, geöffnet täglich von sechs Uhr dreißig bis neunzehn Uhr dreißig (außer sonntagnachmittags), umschichtig betreut von Frau Zimmerling und Frau Grieger. Beiden ist der strenge Winter so unsympathisch wie ein heißer Sommer: Das kleine Heizgerät kämpft gegen die Kälte mit ebenso geringem Erfolg wie der winzige Ventilator gegen dreißig Grad plus. Aber schließlich kann ein Kiosk-Inneneinrichter nicht für gleichmäßig unaufdringliches Wetter mit milden Temperaturen sorgen. Oder? Ich fühle mich hinter den lichten, hohen Scheiben wie ein Ausstellungsstück. Aber zu früh habe ich mich auf die dummen Gesichter von Bekannten gefreut: Selbst wenn sie herantreten, um was zu kaufen, sehen sie mit leeren Blikken durch mich hindurch. Nur der dicke Gustav Müller von der »Distel« scheint den Nachbar Mensch auf der Straße zu beachten. Er stutzt, grient und sagt: »Endlich haben Sie sich einen vernünftigen Beruf gesucht, Herr Strahl ... « Je früher der Tag, desto eiliger die Kunden. Wo nicht, sind sie Restbestände des kargen Berliner Nachtlebens und wollen gar keine Zeitung, sondern ein letztes Bier. Die Eiligen greifen zum »Neuen Deutschland« oder zur »Berliner Zeitung«, knallen stumm ihre Münzen aufs Zahlbrett und stürmen zur S-Bahn hinüber. Die ganz Eiligen haben auch dafür keine Zeit. Sie werden jemandem über die Schulter gucken und mitlesen. Ein kluger Mann hat festgestellt: Wenn drei Deutsche zusammentreffen, gründen sie einen Verein. Es bliebe hinzuzufügen: Und dieser eine Zeitung. Nach gründlicher Umschau wüßte ich kein Gebiet aus der Vielzahl menschlicher Interessen mehr zu nennen, das nicht sein eigenes Organ hätte. Aber gefragt ist »Der Geflügelzüchter« wie »Der Kleingärtner«, »Der Briefmarkensammler« wie »Der Hund«. Und da ich selber Zeter und Mor-
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>>Nach dem Regen beißen sie am besten. <<
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dio schreien würde, fände ich nicht jeden Dienstag meine »Radsportwoche« im Angebot, wage ich auch dem abseitigsten Blatt nicht die Existenzberechtigung zu bestreiten. Wohl aber bestreite ich, daß die Vielfalt der Druckerzeugnisse das Auge besonders anspricht. Von einigen Illustrierten und Magazinen abgesehen: Was sich auf dem Auslagetisch an dürftiger, uniformer Aufmachung häuft, lockt nicht eben zum Kauf und schon gar nicht zum Lesen und Betrachten. Die Tageszeitungen haben Angst vor Schlagzeilen. Sensationen sind als solche verpönt. Fachschriften sehen grundsätzlich aus wie eingebundene Grabreden. Die Farben - so vorhanden - scheinen aus matter Limonade zusammengerührt. Die brav lächelnden Mädchen auf eventuellen Titelfotos verbergen ängstlich ihr kleinstes bißchen Sex-Appeal. Und das »Mosaik« ist leider nur für Kinder bestimmt. Autofahrer sind sicherlich keine schlechteren Menschen als Fußgänger. Wohl aber sind sie schlechtere Kunden. Erst der sechsundneunzigste Wagen hält an, sein Besitzer steigt aus und kauft eine Ansichtskarte vom Berliner Rathaus. Ich versuche, ihm einen Eulenspiegel anzudrehen. Doch er lügt schamlos: »Habe ich schon!« Und dabei lacht er über die Titelseite, die ich ihm hinhalte, aus vollem Halse. Bei aller Selbstachtung: Daß jemand gleich zweimal über unsere Witze lacht, glaube ich einfach nicht. Bei aller Selbstachtung. Gegen Mittag werden alle Menschen freundlicher, Menschenfreundlicher. Sie . sagen jetzt ziemlich oft »Guten Tag« und sogar »Danke schön«, auch wenn sie keinen Hundertmarkschein gewechselt haben wollen. Ein junger Bursche stellt fest, daß er eine Mark zuviel herausbekommen hat. Ein alter Herr legt stillschweigend einen Bonbon neben seinen Groschen. Die Toilettenfrau von nebenan bringt eine Tasse heißen Kaffee. Ein Akademiker pumpt sich fünfzig Pfennig, weil er seine Brieftasche vergessen hat und rasch in die Stadt muß. Ein Straßenbahner kauft einem fremden Knäblein einen »Bummi«. Und Frau Grieger kommt eine halbe Stunde früher zur Ablösung, weil Frau Zimmerling morgen Geburtstag hat. Ich laufe sonst jeden Tag über die kleine Verkehrsinsel. Aber •
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ich habe eigentlich noch nie gemerkt, daß sie soviel Platz für Freundlichkeit und nette Gesten hat. Mit Männern sind übrigens bessere Geschäfte zu machen als mit Frauen. Sie lassen sich viel leichter zu nicht vorgesehenen Käufen animieren. Und an Lohntagen nehmen sie alles, was nur im Kiosk zu haben ist: Spielkarten, Kriminalromane, Taschenkalender und Radiergummis. Einer wünscht sogar ein paar Einlegesohlen. Und regt sich auf, weil keine zu haben sind. Sicherlich beschwert er sich darüber bei der Postdirektion. Und vielleicht ... aber nein, das glaube ich nun doch nicht. Manche Leute tun, als sei die Zeitungsfrau auch für das verantwortlich, was in der Zeitung steht. Oder was nicht darinsteht. Doch ich wette: Meist bleibt ihr Zorn vor dem Kiosk '. liegen wie ein vergessenes Gepäckstück. Und manchmal ist das sehr, sehr schade. Andere .. . . .. . . lassen sich eine Illustrierte zeigen, blättern . -..-.......11 .. eine Viertelstunde darin herum (die Straßenbahn fährt nur alle zwanzig Minuten) und legen sie mit verächtlichem Achselzucken - -. wieder zurück. Andere denken, die »Urania« -.v~==-..·41 . • .sei was Unanständiges und wollen sie nach . . . . drei Tagen empört zurückgeben, weil ihre Erwartungen enttäuscht worden sind. Das Buchangebot besteht zumeist aus Ladenhütern, die vor •• Arger über ihre Unabsetzbarkeit schon ganz gelb angelaufen sind. Sie befinden sich auf der letzten Station ihres Weges in irgendeine Tombola, wo sie dann einem Pechvogel als Trostpreis zufallen werden. Ein schöner Trost! Die Taschenbücher hingegen florieren, nur die »Treffpunkt-Heute«-Reihe vegetiert im Schatten der übrigen Buntheit dahin. Ich kaufe aus Mitleid eins der Bändchen und lasse es später in der S-Bahn liegen. Aus Versehen. Der Feierabend entläßt die Leute aus der Stadt. Wer noch kein Fernsehgerät hat, deckt sich jetzt mit Lesestoff für den langen Winterabend ein. Man klagt über die Dünne vieler Wochenschriften - im Umfang, versteht sich. Ein Ausländer fragt nach einer Abendzeitung. Als er die »BZA« bekommt, sagt er irritiert: »Aber die habe ich doch schon heute mittag gelesen!« Er hat eben keine Ahnung vom Berliner Tempo. \.
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))Erwin, wir jehn erst eine halbe Stunde frü.hstücken. <<
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Achim Fröhlich
iH tra Es war eine unabänderliche Tatsache: Egon Zwecke würde sich in den folgenden drei Wochen selbst verpflegen müssen, seine Frau war verreist. Mit einem Einkaufsnetz am Arm betrat Egon am nächsten Tag bereits gegen sieben Uhr einen Laden. »Drei Schrippen, bitte«, sagte er kurz und legte fünfzehn Pfennig auf den Ladentisch. »Was, bitte?« fragte die Verkäuferin böse. Egon wiederholte seinen bescheidenen Wunsch. Das Fräulein hinter dem Ladentisch stemmte drohend ihre Arme in die Hüften. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, junger Mann?« »Durchaus nicht«, beeilte sich Egon erschreckt zu versichern, inzwischen durch den Fischgeruch im Laden etwas irritiert. »Wie Sie wohl zumindest RIECHEN werden, ist hier die HOFischwaren. Das HO-Backwaren-Geschäft befindet sich jetzt dort, wo bisher die HO für Damenstrümpfe drin war. Im bisherigen Fischladen gibts jetzt Regenschirme. Damenstrümpfe dagegen erhalten Sie im ehemaligen Milchgeschäft. Den neuen HO-Milchladen wiederum finden Sie in der bisherigen HO-Miederwaren, die seit vorgestern im ehemaligen Fleischwarengeschäft ... « Verwirrt über die Vielzahl der Umzugsmöglichkeiten, verließ Egon Zwecke die HO-Fischwaren- ohne Schrippen natürlich. Er bekam auch keine mehr; denn um diese Zeit waren derartige Backwaren im früheren HO-Geschäft für Damenstrümpfe aus Gründen des möglichen Risikos, um zehn Uhr keine Schrippen mehr loszuwerden, ausverkauft. Eine Woche später bekam Egon einen unwiderstehlichen Appetit auf Heringsfilet in Tomatensoße. Hoffnungsvoll wanderte er in denselben Laden wie in der Woche zuvor. »Heringsfilet? In Tomatensoße? In einem Süßwarengeschäft?« Die Verkäuferin konnte sich von ihrem Lachkrampf lange nicht erholen, so daß Egon schließlich von ihrer weniger unernsten Kollegin erfuhr, das HO-Fischgeschäft sei inzwischen in das ehemalige Miederwarengeschäft und jenes wiederum in den HO-Milchladen umgezogen. Milch gäbe es hinfort in der Ex-Verkaufsstelle für Damenstrümpfe ... Wie aus glaubwürdigen Quellen verlautet, soll Egon Zwecke bösartige Briefe an die Leitung des HO-Kreisbetriebes verfaßt haben, deren Beantwortung teilweise noch aussteht - oder verschiedentlich in der Feststellung gipfelte, daß der werte Bürger es wohl geeigneteren und qualifizierteren Kollegen überlassen sollte, die Investitionspläne zu erfüllen.
·Anfrage an den Sender Jerewan: »Gibt es bei uns mehr Humor als anders"„ "·,w · .o?« . ·· Antwort: )) Im Prinzip ja. Aber wir haoen ihn auch nötig.« "'·' ·· · ·.
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Peter Gauglitz
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Wrr besitzen fünf Räume: Wohn- und Schlafzimmer, Bad, Küche und Keller. Dazu einen kleinen Balkon. Eva, meine Frau, räumt schrecklich gerne um. Die armen Möbel. Von einem Zimmer ins andere. »Öfter mal umräumen erweitert den Wohnhorizont!« sagte Eva. Vorige Woche vertauschte sie Wohn- und Schlafzimmer miteinander. Das ging noch an. Als ich vor drei Tagen nach Hause kam, standen die Küchenmöbel im Schlafzimmer, das Wohnzimmer in der Küche und die Schlafzimmermöbel im Keller. »Schlafzimmer ist unmodern«, sagte Eva, »und zum Kochen brauch ich Morgensonne!« Die Eier briet sie auf einer Kochplatte in der alten Schlafstube. Auf dem Gasherd, der aus technischen Gründen im neuen Wohnzimmer verbleiben mußte, stand der Fernseher. Davor der Sessel. Wir hatten einen schönen Abend. Wer Hunger hatte, konnte ins gewesene Schlafzimmer zum Kühlschrank. Wer Durst hatte, drehte kurz den warmen Wasserhahn auf. Aus Platzmangel lag unser großer Teppich die halbe Küchenwand hoch. Bis zur Küchenuhr, die jetzt Wohnzimmeruhr war. Nachdem ich mir ein sauberes Nachthemd aus dem Kleiderschrank im Keller geholt hatte, wollte ich ins Schlafzimmer. »Willst wohl auf dem Küchentisch schlafen?« fragte Eva. Daran lag mir nichts. Verstimmt klemmte ich mich in einen Sessel. Packte die Beine auf den vielseitig verwendbaren Ausguß. Schlief drei Stunden kurz. Am nächsten Abend hatte Eva erneut umgeräumt. Das Wohnzimmer stand im Wohnzimmer. Todmüde trat ich in die Schlafstube und sah die Bescherung: zehn Kästen Brennholz, Kartoffelkisten, Erinnerungskisten, Regale mit Eingemachtem. »Jetzt brauchst du nicht mehr wegen jedem Fussel die elf Stufen in den Keller runter! « strahlte Eva. Nach Luft ringend, öffnete ich die Balkontür. »Die Nächte werden immer wärmer ... «, hörte ich Eva plärren, tat einen Schritt und fiel zwei Meter vierzig tief. Genau auf einen Matratzenstapel. Die tatkräftige Eva hatte die Betten in den Garten gestellt und die Badewanne in den Keller bugsiert. Alles nur, damit der kleine Balkon ins Badezimmer reinging!
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Zwei Frauen an der Straßenbahniiaitestelle tutterhaiten sich, »Weißt · du«, fragt die eine, »Warum die neue Straßenbahn •Parteisekretär. heißt?« Die andere verneint. Daraufhin die erste: »Das ist ganz einfach: Außen rot, innen holil, unä sie hat ilur zwef Anhänger." .
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Erich Hanko
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Hin und wieder treffe ich mit Frau Bramke zusammen. Manchmal bei den Backwaren, manchmal in der Wurstabteilung, zuweilen auch am Käsestand. Diesmal begegneten wir uns in der Kosmetik. Da noch einige Kunden vor uns dran waren, hatten wir Zeit, wieder eine unserer zeitgemäßen Unterhaltungen abzuhalten. »Sie haben ja einen neuen Regenmantel«, sagte Frau Bramke. »Gut beobachtet, Frau Bramke«, sagte ich. »Absolut wasserdicht! Aus Polyvinylchlorid hergestellt.« »Wie?« »Ich meine, der Mantel ist aus Polyvinylchlorid gemacht. Gewöhnlich sagt man ja nur PVC. Kennen Sie das nicht?« Ich hatte die Vokabel auch erst vor kurzem gelernt, aber das brauchte Frau Bramke ja nicht zu wissen. »Nie gehört. Was soll das sein?« »Aber, Frau Bramke! Polyvinylchlorid ist derbekannteste chemische Kunststoff. PVC wird im Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld hergestellt und ist einfach unverwüstlich. Meine Schuhsohlen sind auch aus PVC gemacht.« Ich zeigte Frau Bramke meine Schuhsohlen. Das heißt, natürlich nur eine. Die andere brauchte ich zum Stehen. Frau Bramke sah sich die Sohle mit herabgezogenen Mundwinkeln an. »Leder bleibt Leder«, meinte sie kurz. »Und außerdem stinkt es nicht.« »Polyvinylchlorid stinkt auch nicht«, erwiderte ich etwas beleidigt. »Und was die Haltbarkeit anbelangt, Frau Bramke, es ist wissenschaftlich festgestellt worden, daß man mit Ledersohlen achthundert Kilometer laufen kann, ehe sie kaputt sind. Mit PVC-Sohlen aber können Sie zweitausend Kilometer laufen! Sie würden damit von hier bis ... na, also ... ungefähr bis Konstantinopel kommen.« »Was soll ich denn in Konstantinopel?« fragte Frau Bramke be-
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fremdet. »Ich habe da keine Bekannten. Und wenn ich welche hätte, würde ich mit der Bahn fahren und nicht hinlaufen.« »Sie sollen ja auch gar nicht, Frau Bramke. Aber ... « »Das hätten sie damals in der Völkerwanderung erfinden sollen, wo die Leute alle noch laufen mußten. Aber wer läuft denn heute noch zweitausend Kilometer? Das haben wir doch bei unserer Technik nicht mehr nötig!« »Frau Bramke«, sagte ich und zwang mich gewaltsam zur Ruhe, »von dem technischen Fortschritt rede ich ja gerade! Sehen Sie, Polyvinylchlorid ist kein Ersatzstoff. Es ist ein vollwertiger neuer Werkstoff mit vielen Vorzügen. Er ist zum Beispiel unbrennbar ... « Frau Bramke lachte schallend auf. »Großartig! Dann können Ihre Schuhsohlen also nie in Brand geraten, wenn Sie mal schnell zur Bahn rennen. Ich persönlich brauche keine feuerfesten Sohlen. Ich gehe immer langsam.« Das stimmte. Frau Bramke konnte auch gar nicht schnell rennen, weil sie hundertfünfundachtzig Pfund wog. »Sie wünschen?« fragte der Verkäufer. Wir hatten bei unserer hitzigen Debatte gar nicht bemerkt, daß die übrigen Kunden schon bedient waren und wir allein vor dem Ladentisch standen. »Ich möchte eine Zahnbürste«, sagte Frau Bramke. »Aber eine gute!« »Bitte sehr, meine Dame. Hier ist die beste, die wir haben. « Frau Bramke untersuchte die Zahnbürste mit großer Genauigkeit. »Brechen die Borsten auch nicht ab?« »Ausgeschlossen, meine Dame. Die Bürste ist unverwüstlich. Sie ist aus Polyvinylchlorid hergestellt.« Ich konnte einen kleinen Hustenanfall nicht unterdrücken. Frau Bramke sah mich scharf an. Dann schob sie die Zahnbürste über den Tisch zurück. »Danke. Ich habe keine Lust, mir die Zähne mit Schuhsohlen zu putzen. Geben Sie mir eine Pakkung Pfefferminzpastillen. Heutzutage kann man sich ja überall anstecken.« Sie sah mich abermals scharf an, um festzustellen, ob ich die Spitze verstanden hatte. »Wie Sie wünschen, meine Dame. Bitte sehr! Sechzig Pfennig.« »Sind die nun wenigstens echt?«fragte Frau Bramke und suchte in ihrer Handtasche nach den sechzig Pfennig. »Unbedingt, meine Dame! Die Pastillen werden im VEB Jenapharm hergestellt, unserem bedeutendsten Werk für pharmazeutische Chemie.«
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»Ein Mann sitzt im Lokal. »Ober, einen Kaffee, bitte.« »Tut mir leid, momentan ist kein Kaffee da. « - »Was, kein Kaffee? Alles wegen dem einen ... einen Tee dann bitte.« - »Leider ist auch kein Tee da. « - »Auch kein Tee? Sauerei! Alles wegen dem einen!« Darauf steht ein Mann am Nebentisch auf, schlägt das Revers seines Mantels zurück: »Staatssicherheit, kommen Sie bitte mit!« Beim anschließenden Verhör mit dem StasiMajor: »Das sind ja starke Äußerungen. Wen meinen Sie denn mit dem einen?« - »Wen soll ich schon meinen? Den Adenauer natürlich, der hat doch das Interzonenhandelsabkommen gekündigt!« :-»Ach so, hm, hm, Adenauer. Gut, wir haben keine Fragen mehr. Sie können gehen. « Der Mann steht auf, geht zur Tür, dreht sich noch einmal um und fragt: »Ach, an wen hatten Sie eigentlich gedacht?«
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Hans-Joachim Preil
or 1iorarzt ' Sketch mit Herricht & Prell Preil redet auf Hemcht ein, der sich ein Haustier kaufen will: ... wenn man sich ein Tier anschaffen will ... Herricht aufmerksam lauschend: Jaaa ... das will ich! Preil: ... muß man ein bißchen Ahnung von Tieren haben. Herricht gibt zu: Das ist wahr ... Prell erklärt wichtig weiter: Und aus diesem Grunde habe ich mir dieses Tierbuch hier gekauft. Das ist klug, nicht wahr? Herricht mißversteht: Das Buch ... ? Prell: Nein! Ich meinte die Idee, sich ein Tierbuch zu kaufen! Da steht nämlich alles drin, was man über Tiere wissen muß. Zum Beispiel Tierzucht, Tierpflege, Tierkrankheiten usw. Herricht großartig: Ist ja klar! Prell: Und Sie wissen auch ... ich habe einen Vogel ... Herricht vorlaut: Ich glaube, das weiß wohl jeder. Prell: Bitte, nicht so! Ich meine doch einen richtigen. Herricht macht Rückzieher: Ja, und was für ei... Was haben Sie eigentlich für ein Vögelchen? Prell stolz: Ich habe einen Harzer Roller! Herricht stutzt: Einen Harzer Roll... Bitte, was haben Sie ... ? Preil betonter: Ich habe einen Harzer Roller! Herricht überlegt: Sprachen wir nicht eben von einem Vogel ... ? Prell: Sagen Sie mal, kennen Sie keinen Harzer Roller? Herricht: Ja, doch, doch ... Prell malt weiter aus: So klein und gelb ... Herricht: Trotzdem ... ich mag ihn nicht! Der riecht so! Prell verblüfft: Wie bitte? Der riecht doch nicht. Herricht: Ja, zugegeben, wenn er frisch ist, riecht er noch nicht. Prell eifrig: Das heißt nicht frisch, das heißt jung! Herricht gibt nach: Ich hab 's zwar noch nie gehört, aber wie Sie wollen! Der Käse ist nicht frisch - er ist jung! Prell erregt sich: Wer redet denn hier von einem Käse? Der Harzer Roller ist ein Kanarienvogel! Und wie der Name schon besagt, kommt er woher? Herricht selbstverständlich: Aus dem Harz! Preil betont: Nein! Von den Kanarischen Inseln! Dort fliegt er frei umher. Herricht verblüfft: Guck mal an! Prell fährt fort: Die Kanarischen Inseln heißen aber gar nicht Kanarische Inseln, sondern ... ?
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Herricht ohne zu überlegen: Sonder-Inseln. Preil: Quatsch! Hunde-Inseln!! Die heißen richtig Hunde-Inseln! Herrichthöchstverwundert: Achjaaa? Preil: Nun wissen Sie hoffentlich, was Harzer Roller sind?! Herrichtfreimütig: Ja ... fliegende Hunde! Preil böse: Blödsinn ... Das ist mit Ihnen wieder mal, um junge Hunde zu kriegen. Herricht: Sehen Sie, Herr Prell, nun kommen wir endlich zum Thema. Also, wie gesagt, ich will mir einen Hund anschaffen. Prell bremst ihn: Nun fangen Sie doch erst mal klein an. Herricht: Mit kleinen Hunden. Preil: Nein ... wir nehmen mal mein Buch. Und werden nachsehen, da wird ja was drinstehen. Was Passendes für Sie werden wir schon finden ... Herricht mit Begeisterung: Oooooohhhh! Preil hat eine Seite aufgeschlagen: Ja, hier ... Ah ja! Na sehen Sie ... aufgeschlagen, schon hab . h'S ... lC Herricht vorlaut: Eine Hundehütte! Prell verbessert: Was ist das? Herricht noch mal: Eine Hundehütte! Preil: Das ist ein Terrarium! Herricht sofort: Ach so ... ! Preil: Und was kommt da rein ... in das Terrarium? Herricht prompt: Ein Terrier ... !! Preil: Aber nein! Da kommt rein, zum Beispiel, ein Goldhamster! Herricht bewundernd: Aha, ein Goldharn ... Goldhamster? Preil bestätigt: Ein Goldhamster! Herricht zweifelnd: Die sind aber teuer? Preil: Ach was! Zwei bis drei Mark das Stück. Herricht zweifelnd: Jaaa, dann sind es aber keine echten! Preil unwirsch: Nun nehmen Sie mal das Buch hier und lesen Sie, was da über den Hamster steht. Herricht liest das Buch auf dem Kopf Taramschi buffinaze ... Preil richtet das Buch: Was ist denn jetzt los? Was lesen Sie denn da . . . Geben Sie her . . . Sooo . . . rum! Bitte! Herricht: Danke! Ich dachte, das wäre Lateinisch?! Preil zeigt auf die Stelle: Fangen Sie an: Der Hamster ... Herricht liest weiter: Der Hamster . . . ist bösartig und übellaunig . . . Sehen Sie mal an, Herr Preil, der auch! Preil verletzt: Bitte unterlassen Sie das. Sehen Sie sich erst mal den Hamster an. Gefällt er Ihnen ... ? Herricht gibt nach: Jaaa, gefällt mir gut. Preil beharrlich: Was fällt Ihnen da zum Beispiel am Kopf auf?
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&!frage an deJI Sende~ Jerewan: ~}mas ' .
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Sprott~?« ~twor.t:
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Herricht erstaunt: Am Kopf fällt mir nichts auf. Oh doch ... natürlich! Zwei Ohren fallen mir auf. Preil streng: Nein ... Herricht: Nein ... die Ohren fallen mir natürlich nicht auf. Preil belehrend: Ich meine doch die Hamstertaschen ... Herricht stutzt jetzt wirklich: Die Hamstertaschen . . . Bitte was? Preil erregt: Na, wo hat er denn die Hamstertaschen ... ? Herricht äfft nach: Na, wo hat er denn die Hamstertaschen ... Preil weist ihn zurecht: Na ... was soll das? Herricht: Vielleicht hat er sie vergessen ... oder irgendwo stehengelassen ... Was weiß ich, wo der einkaufen geht? Preil verzweifelt: Die hat er am Kopf. Und wie sagt man dazu? Herricht patzig: Der hat was am Kopf! Preil verbessert aggressiv: Ach was! Backentaschen! Herricht wiederholt: Backentaschen! Preil zornig: Und was trägt er in den Backentaschen? Herricht wird immer böser: Backwaren ... oder was weiß ich? Preil gibt fast auf Donnerwetter noch mal ... Und so was will sich einen Hund kaufen? Herricht aufatmend: Na endlich! Preil noch erregt: Ich möchte bloß wissen, was für einen? Herricht sofort: Das kann ich Ihnen sagen ... diesen hohen, dikken ... diesen langen ... wie heißen die ... warten Sie mal ... Achtpfundländer ... Preil entsetzt: Neufundländer! Herricht streitsüchtig: Na, auf ein Pfund mehr oder weniger kommt es doch wohl nicht an? Preil kommt zum Thema zurück: Kennen Sie sich überhaupt aus in Hunderassen? Herricht großspurig: Aber, lieber Herr Preil! Preil zufrieden: Na gut... also, wenn der Jäger auf die Jagd geht, nimmt er was mit? Herricht sofort: Eine Flinte! Preil bohrt weiter: Was denn noch? Herricht selbstverständlich: Noch 'ne Flinte. Preil: Wieso denn ... ? Herricht lakonisch: Vielleicht 'ne Doppel-Flinte!! Preil ungehalten: Den Dackel ... Herricht schnattert nach: 'ne Flinte für den Dackel ... Was? Preil giftig: Haben Sie schon mal einen Dackel schießen sehen? Herricht keß: Ganz selten, ganz selten, Herr Preil! Preil intensiv: Wenn der Jäger auf die Fuchsjagd geht ... Herricht aufpassend: Ach ... jaaa?! Preilfährt fort: Dann setzt er den Dackel auf die Fährte ...
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Herricht listig: Ach, und darauf reitet der Dackel hinterher ... Prell wütend: Nein, verdammt noch mal ... Ich sagte nicht Pferde ... ich sagte Fährte ... So, und nun passen Sie auf ... plötzlich knackt es im Unterholz ... Was macht der Fuchs? Na ... ? Was macht der Fuchs ... ? Herricht neugierig: Was macht der ... ? Prell fachmännisch: Er schnürt plötzlich davon ... Herricht erstaunt: Was macht der ... ? Preil wiederholt: Er schnürt plötzlich davon ... Herricht ungläubig: Ach ... ! Prell: Und was macht der Dackel ... ? Herricht: Der schnürt auch davon! Oder schnürt ein Päckchen. Ich weiß doch nicht, was die Tiere da im Walde treiben? Prell erklärt: Ihn packt das Jagdfieber ... Herricht entsetzt: Jetzt kriegt der auch noch Fieber. Da müssen wir mit ihm zum Arzt oder irgendwas ... ? Preil: Doch nicht zum Arzt ... ! Herricht bleibt dabei: Wenn er Fieber hat, ist er doch krank. Prell klärt Herricht auf: Das ist doch keine Krankheit. Eine richtige Tierkrankheit ist zum Beispiel die Tollwut! Herricht weiß Bescheid: Ja, die kenne ich. Tollwut kenne ich! Prell zweifelnd: Sie kennen immer alles. Woran erkennen Sie denn die Tollwut? Herricht überlegt krampfhaft: Ja, das ... also, nun das ist so ... Prell fährt fort: Stechender Blick ... Herricht: Ja! Prell: Gereiztheit Herricht: Ja! Prell: Wutanfälle! Herricht schnell: Immerzu ... ! Prell: Un
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))Unserer ist uns zugeflogen. <<
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»Können Sie ntir erklären, warum in der DDR alle Pferde abgeschafft wurden? »Das ist s·chnell gesagt: Die Gäule · . haben die DDR ver„ . äppelt.« J•
Herricht: Ist ja nicht so schlimm. Es gibt ja Tierärzte. Da geh ich zum Tierarzt und sage: »Guten Tag, Herr Tierarzt ... « Prell: Der arme Tierarzt! Waren Sie schon mal in einer TierarztPraxis? Herricht schüttelt den Kopf Nein, noch nie ... Aber wie ich Sie kenne, werden Sie es mir ja gleich erklären. Da lerne ich doch wieder so viel von Ihnen ... Prell schlägt das Buch wieder auf Ach, Sie wollen was lernen ... Also gut. Sie sind jetzt mal der Tierarzt ... und ich bin ... Herricht prompt: Der Hund! Preil wütend: Quatsch! Ich bin das »Herrchen«! Herricht verwundert: Das Herr . . . Bitte? Prell wiederholt: Das »Herrchen«! Was gibt's denn da zu lachen? Jeder Hund hat ein »Herrchen«! Herricht das Lachen verkneifend: Jeder ... hat ein »Herrchen«! Prell beginnt mit dem Spiel: So, und jetzt komme ich. Herricht unterbricht: Moment mal ... Herrchen! Prell: Was denn nun schon wieder? Herricht naiv: Hat denn das »Herrchen« ein Hundchen? Prell winkt ab: Das will ich ja gerade holen! Herricht erschrocken: Was denn, einen richtigen Hund? Prell: Unsinn, 'n richtigen Hund!? Einen Spielzeughund! Herricht beruhigt: Ach, dann ist' s ja gut! Prell holt einen weißen Arztkittel: So, und Sie ziehen sich inzwischen hier diesen Arztkittel an .. . Herricht erstaunt: Was mache ich ... ? Prell befiehlt: Sie ziehen sich den Kittel bitte an ... Herricht nimmt den Kittel: Ja, ja ... ich ziehe den Kittel an ... Preil erklärt weiter: Und dann rufen Sie mich herein. Herricht gefügig: Dann rufe ich herein ... Prell betonend: Sie rufen mich herein! Denn hier ist das Behandlungszimmer. Da hinten ist das Wartezimmer ... und da werde ich jetzt warten ... Herricht keß: Da können Sie lange warten! Prell: Na, na, na, na ... also, ich gehe jetzt. Herricht allein, versucht den Kittel anzuziehen. Das gelingt nur schlecht: Jetzt machen wir auch noch im Kostüm. Es wird immer schöner! Das sind so die Kittel, die Herr Preil besorgt. Preil ruft aus dem Wartezimmer: Dauert denn das noch lange ... ? Herricht schlagfertig: Hat da nicht eben ein Hund gebellt???? Prell kommt empört herein. Er hat im Ann einen kleinen Spielzeughund: Sagen Sie mal, ich hör wohl schlecht? Herricht schlagfertig: Sie hören schlecht? Da müssen Sie zum Ohrenarzt, der wohnt gleich um die Ecke!
Alles zum Wohle des Volkes
Prell berichtigt ihn: Das heißt: »Der Nächste bitte!« Herricht mißversteht und redet wie mit einem Schwerhörigen: Das ist der Nächste ... die anderen wohnen viel weiter ... Preil belehrt Herricht: Wenn Sie mich hereinrufen ... dann heißt das »Der Nächste bitte!« Und außerdem müssen wir beide uns erst einmal bekannt machen. Herricht verwundert: Aber, ich kenne Sie doch. Sie sind doch das »Herrchen-Freilehen«! Prell entnervt: Menschenskind ... das gehört doch zum Spiel! Herricht versteht: Aha ... ! Prell geduldig: Ich komme nun noch mal ... Herricht laut rufend: Der Nächste bitte ... noch mal! Preil stellt sich vor: Guten Tag! Prell! Herricht macht es genauso: Guten Tag! Herricht! Preilfährtfort: Mein Hund ist krank! Herricht: Ach, das ist nicht so schlimm ... Prell bemerkt den verkehrt angezogenen Kittel: Halt! Herricht zuckt zusammen: Was ist denn nun schon wieder? Prell erbost: Sagen Sie mal, was soll denn das? Warum haben Sie denn die Knöpfe hinten? Herricht: Entschuldigen Sie ... ich stehe verkehrt herum. Preil: Wollen Sie sich nicht mal vernünftig anziehen? Herricht tut ihm leid: Herr Preil, es war vorhin so eilig, und das Wartezimmer voller Hunde! Preil voller Ungeduld: Können wir denn nun endlich anfangen? Herricht bereitwillig: Wir könnten längst fertig sein ... Prell nervös: Also, zum dritten Mal ... Mein Hund ist krank! Herricht erzürnt: Zum dritten Mal ... ? Und da kommen Sie jetzt erst? Warum kommen Sie nicht beim ersten Mal ... ? Jetzt ist's zu spät! Preil giftig: Wollen Sie bitte endlich untersuchen? Herricht spielt jetzt Arzt: Bitte ... machen Sie sich frei! Preil: Der Hund ist krank! Herricht ungerührt: Machen Sie den Hund frei! Preil erbost: Also, bitte schön ... Sie müssen doch als Tierarzt alles erfragen. Erst einmal die Anamnese! Herricht mit Spätzündung: Natürlich ... bitte, was? Preil wiederholt: Die Anamnese! Herrichtjreundlich: Ach, der Hund heißt Anna? Prell: Wie kommen Sie denn darauf? Herricht: Sprachen Sie nicht von Annas Neese? Prell betonend: Anamnese heißt Krankengeschichte! Der Tierarzt muß alles wissen! Erst einmal: Das ist ein Zwergpudel! Woher stammt er?
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Alles zum Wohle des Volkes
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Herricht äfft nach: Von den Zwergen! Preil böse: Aus welchem Zwinger? Herricht: Aus welchem Zwing... Dresden ... Aus dem Dresdner Zwinger! Preil derangiert: Zum letzten Mal, der Hund fühlt sich elend ... Herricht: Ooooch ... hundeelend! Preil: Er kratzt sich hinter den Ohren. Herricht weise: Na, der denkt vielleicht über sein Elend nach? Preil: Außerdem hat er dauernd seinen Schwanz eingeklemmt! Herricht: Drum ist der auch so kurz! Preil böse: Unsinn ... Wenn ein Hund sich nicht wohl fühlt, dann klemmt er den Schwanz ein. Herricht erstaunt: Und das hilft? Preil wütend: Ach, Menschenskind ... Auf was schließen Sie bei einer belegten Zunge? Herricht kurz: Er fraß zuviel belegte Brötchen ... Preil schnauzt Herricht an: Quatsch!! Magenverstimmung! Und was machen Sie jetzt? Mein Gott ... nachsehen! Herricht er sieht dem Hund ins Hinterteil: Jawoll ... nachsehen! Preil reißt ihm den Hund weg: Mensch ... doch nicht hinten! Machen Sie doch mal die Schnauze auf! Herricht empört: Was mache ich? Preilfast unter Tränen: Beim Hund! Herricht lehnt ab: Na, schön dumm ... Nachher beißt der mich? Preilfassungslos: Der beißt doch nicht! Ein Tierarzt darf doch keine Angst haben! Menschenskind ... Geben Sie den Kittel her! Jetzt werde ich Ihnen zeigen, wie das ein Tierarzt macht. Sie sind jetzt der Hundebesitzer und ich bin der Tierarzt. Da muß nämlich jeder Handgriff sitzen! Herricht spielt den Begeisterten: Sie würden also einem Hund so richtig in die Schnauze fassen? Preil zieht dabei den Kittel an: Ein Tierarzt hat nämlich keine Angst. Herricht geht ab: Na, dann kann ich ja jetzt kommen! Ein Tierarzt hat wirklich keine Angst? Preil mit Größe: Löchern Sie mich nicht dauernd. Sie werden es ja gleich erleben. Wie ich das Tier richtig anpacke ... Richtig anpacke! Sie Angsthase! Aber sich einen Hund kaufen. So, ich bin soweit ... Bitte der Nächste ...
Herricht kommt mit einer großen Dogge auf die Bühne. Die Dogge bellt natürlich. Preil stößt einen unartikulierten Angstschrei aus und ist zur anderen Seite verschwunden.
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Ottokar Domma
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Ich gehe für mein Leben gern in die Schule, wenn der Unterricht ausfällt. Denn dann haben wir meistens Werken. Werken fällt niemals nicht aus, weil unser Herr Werklehrer Pankraz niemals einen Schnupfen hat und immer da ist. Wenn wir Herrn Pankraz nicht hätten; wäre ich kein so freudiger Schüler, und das kommt so: Unser Herr Werklehrer Pankraz hat eine große Liebe fürs Werken und eine verstümmelte Hand mit vier Fingern. Der fünfte ist in einer Maschine hängengeblieben, als Herr Pankraz noch Jung- und Tischlergeselle und darum in diesem Zustand unvorsichtig war. Aus dieser Zeit stammt auch sein Lebensspruch, mit welchem er uns immer beim Werken begleitet. Er heißt: Vorsicht ist die Mutter der Weisheit. Wenn Herr Pankraz sieht, wie wir den Fuchsschwanz am Schwanze fassen, ruft er immer ganz laut nach der Mutter der Weisheit. Einmal kam die Weisheitsmutter zu spät, als Pillenheini mit dem Hammer daneben haute. Erst war sein Daumen rot, dann blau wie eine Pflaume. Sein Vater kam am nächsten Tag gleich in die Schule gelaufen und hat unserem Herrn Pankraz mit schweren Strafen gedroht, wenn er den Daumen anzeigt. Herr Pankraz hat gesagt, daß er keine Angst hat und es ihm leid ist um den Daumen von Heini und daß er ihn mit essigsaurem Ton oder Erde einwickeln soll. Aber Pillenheinis Vater schrie immerfort, wie gut er weiß, wie man breitgeklopfte Daumen behandelt. Nach diesem Zerwürfnis ging Heinis Vater zunächst mal an seine Apotheke. Wenn Herr Pankraz nicht nach der Weisheitsmutter ruft, dann zeigt er uns, was man alles aus Holz machen kann. Zum Beispiel Frühstücksbretter für Wurst- und Käseschnitten. Man kann auch Zwiebel darauf schneiden und Grimassen, wenn man zu dicht mit den Augen rankommt. Ich habe schon viele Frühstücksbretter geschnitten, eins für Vater, eins für Mutter, eins für meine Geschwister und Gebrüder, eins für Oma und Opa, eins für Onkel Franz und Tante Paula und eins für das fromme Fräulein Beul, nämlich das mit dem Sprung. Als ich .es mit der Raspel behandelte, war es passiert und hatte einen Knacks weg. Seitdem ist Fräulein Beul immer so freundlich mit mir. Jetzt machen wir Schlüsselbretter. Aber so viele Schlüssel gibt es gar nicht, wie wir Bretter machen. Darum hat unser Herr
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Werklehrer Pankraz bei einer Hospitation zum Herrn Direktor Keiler gesagt, er möchte keine Schlüsselbretter mehr machen, weil sie ihm über sind. Herr Pankraz hat gesagt, daß er uns Kindern lieber was anderes beibringen will, zum Beispiel die leichten elektrischen Sachen und wie man ein Motorrad auseinandernimmt. Unser Herr Pankraz hat auch gesagt, wie er immer an Juri Gagarin denken muß und an die Schlüsselbretter, auf die man den Schlüssel zum Weltraum nicht aufhängen kann. Der Herr Direktor hat dann mit dem Finger geprüft, ob die Haken an den Schlüsselbrettern halten, und ist ganz ernst gewesen. Er sagte, daß unser Herr Pankraz ein wichtiges Problem gestellt hat, was so nicht in den Vorschriften steht. Wenn ein wichtiges Problem nicht genau vorgeschrieben ist, muß man es im Kollegium diskutieren. Wenn dort alle Ja gesagt haben, muß man es weitertragen in den Kreis. Wenn in dem Kreis dieses als wichtiges Problem erkannt wird, kommt es an die große Glocke. Aber das kann lange dauern, und man muß Geduld haben. Unser Herr Werklehrer Pankraz hat gesagt, daß er keine Geduld nicht hat und fuchtelte mit einer Zeitung in der Luft. Daraus will er vor allen Lehrern im Kreissaal vorlesen die Wörter vom Herrn Minister über die Rolle der Bedeutung des Werkunterrichts. 1 I Unser Herr Direktor hat jetzt immerfort mit dem Kopf auf und nieder gemacht und dann mit ganz hoher Stimme gesprochen, daß das Wichtigste die Rüben sind. Und der liebe Herr Pankraz soll lieber an Weihnachten denken, welches ein Fest der Versöhnung ist, wo man alle Menschen beschenken kann, zum Beispiel mit Schlüsselbrettern. Ich habe unsern Herrn Pankraz gern, weil er seit diesem wichtigen Gespräch mit dem Herrn Direktor uns noch schönere Sachen beibringt. Aber da darf niemand von wissen, weil das noch nicht vorgeschrieben ist. Wir haben zum Beispiel elektrische Stecker auseinander- und zusammengemacht, einen Kran aus Metallbaukästen gebaut, Stühle und Klobrillen repariert, wo die Scharniere schnell durchrosten, und bei der LPG einen Zaun gesetzt. Nächste Woche will Herr Pankraz mit unserer Hilfe den Wasserhahn im Zimmer vom Herrn Direktor heilmachen. Dieser ist schon ausgeleiert und tropft dauernd, sagt unser Herr Werklehrer Pankraz.
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>>Nicht einfach, so ein Aufsatz! Wen könnten wir denn noch um Hilfe bitten?<<
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Krause führt durch alle Hallen seines Werks zwei Mädchenklassen, die sich mit viel Wohlgefallen polytechnisch bilden lassen. Denn die Theorie alleine ist nur eine halbe Wahrheit Mit der Praxis im Vereine erst gewinnt man volle Klarheit.
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Kl.assenarbeit: ))... und beißen bei der Beschaf jung von Schulheften immer wieder auf Granit.<<
Erstens sehn sie zwanzig Posten an Millionen Schraubgewinden, die zwar ein Vermögen kosten, aber nie Verwendung finden. Dann zeigt Krause tausend Kühler und reibt fröhlich seine Hände; denn wer denkt als Oberschüler gleich an Überplanbestände ...
So ist Krause unbefangen mit den süßen kleinen Bienen stundenlang durchs Werk gegangen, ihrem Unterricht zu dienen. Ei, wie dankten ihm die Püppchen, als sie mittags heimwärts strebten und vereinzelt, wie in Grüppchen, das Geschaute nach erlebten! Ganz besonders dankte Klassenpate Bolle fürs Gezeigte. »Krause«, rief er, »kaum zu fassen!« während er sich stumm verneigte. Krause wirkte schrecklich heiter. Dann erfuhr er: Pate Bolle war im Hauptberufe Leiter einer Staatlichen Kontrolle.
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' OIHO »Was sagen Sie? Kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder, große Sorgen? Bei mir nich! Wenn meine auch schon dreizehn geworden is, ich habe meine in Zuch! Und da begreif ich eben nich, warum die Lehrer dauernd was mit ihr haben. Obwohl sie 'n hübsches Mädchen is. Aber isses nich so: wir ziehn sie groß, damit die andern drüber meckern können! Neulich zum Beispiel hatte sich das Mädel die Fingernägel anlackiert. Was soll ich Ihnen sagen, am nächsten Tag kommt von der Schule ein ellenlanger Brief. Und so geht das dauernd, als ob das Papier auf den Bäumen wächst. Wenn dem Klassenlehrer die roten Fingernägel nich gefallen, habe ich ihm geantwortet, hätte sie vielleicht lila nehmen sollen. Also komisch isses ja wirklich, was die Schule heutzutage für Wünsche hat. Das liegt einem ewig in den Ohren und auf dem Portemonnaie. Neulich hat einer verlangt, daß Monichen sich einen eigenen Tuschkasten kauft, und das, obwohl sie sich doch geAuf wen die Lehrer einen Rochus rade erst ihre teuren nahtlosen Perlonstrümpfe haben, der kommt auf keinen im Produktionstag zerrissen hat! Nein, nein, es grünen Zweig. is schon so, heute gönnt man der Jugend nich das harmloseste Vergnügen. Kam doch gestern der, Dingsda, na, Sie wissen schon, zu nem Elternbesuch, wie er meinte. Als er etwa ne Viertelstunde gesessen hatte, habe ich mal kurz gefragt, ob er sich bei uns einmieten will. Unsereins als Hausfrau hat doch noch etwas anderes zu tun. Da is man für so was gar nich aufgelegt. Wie sie sonst in der Schule steht? Ach. Sie wissen ja, auf wen die Lehrer einen Rochus haben, der kommt auf keinen grünen Zweig. Ich habe sie getröstet und gesagt, später interessieren niemanden die paar Fünfen aufm Zeugnis. Ich habe um meine Tochter keine Bange nich: Schließlich wird sie ja doch mal heiraten. Hat schon ab und zu einen kleinen Freund. Kein Wunder, wo sie nach Muttern kommt. Aber, habe ich sie gewarnt, daß du mir höchstens jeden Monat mit nem andern kommst, sonst isses unmoralisch! Und ich möchte auch nich, daß du dich abends nach zwölwe noch draußen rumtreibst, sonst setzt es was. Sehen Sie, und da versteh ich eben nich, wieso da zehn Jahre Schule notwendig sind, wo ich schon selbst auf alles bei ihr achte. Und was heißt größeres Wissen für die Zukunft? Für Monis Zukunft sehe ich nich schwarz. Zum Kinderkriegen braucht sie schließlich keine Algebra!«
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»Wie der Bursche in die 8. Klasse gekommen ist, wird mir ein ewiges Rätsel bleiben«, dachte der Lehrer Kluge und schüttelte sein kummergebeugtes Haupt. »Der Bursche beherrscht ja nicht einmal die Grundrechenarten.« Als sich das Unglück des Kollegen Kluge in der Schule herumsprach, fanden alle eine Geste des Mitleids. Kluge besorgte sich 21 Methodiken und vertiefte sich eifrig darin. Dieser Sorgenknabe Schmidtchen wurde der Mittelpunkt der Klasse. Keine Stunde verlief von nun an ohne freundliche Ermahnung, ohne besonderen Hinweis, ohne besonderen Tadel. Alle behandelten diesen Sproß mit größter Liebenswürdigkeit. Aber das Furchtbare ließ sich nicht verhindern. Schmidtchen stand haarscharf auf Fünf, als es auf Erteilung der Zeugnisse losging. Kluge alarmierte die Eltern, mietete sich dort ein und förderte den Jungen täglich zwei Stunden. Die Lernbrigade der Klasse arbeitete mit Hochdruck. Die Pionierorganisation organisierte einen Wettbe. . werb mit dem Motto »Fünf raus!« Der Patenbetrieb stellte einen hauptamtlichen Mentor, und der Direktor erlebte kummervolle Wochen. Kluge diskutierte, referierte, argumentierte. Trotz alledem, Schmidtchen ließ sich nicht erweichen. Die Grundrechenarten erwiesen sich als zu hart für seine verwöhnte Großhirnrinde. Rechtzeitig vor der Zeugniserteilung erschien der Direktor bei Kluge. »Na, wie schauts denn aus? Es wird doch eine Vier?« Als Kluge das bittende Gesicht des Direktors sah, hätte er beinahe Ja gesagt, aber seine Ehrlichkeit siegte. Er senkte beschämt und reuevoll sein Haupt. Doch da wurde die Stimme des Direktors fest. »Es wird eine 4. Sonst liegen wir mit einer Promille über dem Kreisdurchschnitt in der Sitzenbleiberquote - und diese Schande dürfen Sie unserer Schule nicht antun!« ~-
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))Ich laß ihn immer mal bei meinen Schularbeiten helfen. Er freut sich drüber!<<
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John Stave
Die Pioniere sind unterwegs zum Altstoffsammeln. Sie klingeln an einer Tür. Eine vornehme Dame öffnet. »Haben Sie alte Wein- oder Schnapsflaschen? « »Sehe ich etwa so aus, als ob ich Alkohol trinke?« »Das gerade nicht, aber Essigflaschen haben sie doch bestimmt.«
Vater: Nimm Platz, mein Junge. Willst du 'n Bier oder 'ne Zigarette? Sohn: Nein, danke, Vati. Ich rauche noch nicht. Und ich trinke auch nicht! Vater: Wie alt bist du eigentlich? Sohn: Elf. Elfeinhalb. Vater: Als ich elf - elfeinhalb - war, da habe ich - auch noch nicht geraucht. Aber ich wußte schon Bescheid, wie die Sache läuft. Sohn: Welche Sache, Vati? Vater: Diese Sache, über die wir heute kurz diskutieren wollen. Also Mutti ist jedenfalls der Meinung, daß also - daß darüber geredet werden muß, gewissermaßen, daß es an der Zeit sei und so weiter. Die Dinge des Lebens, der Ernst des Lebens - verstehst du? Sohn: Ja. Vater: Habt ihr - ä - habt ihr beispielsweise in der Schule, also bereits durchgenommen, wie die Kinder - also wie soll ich das sagen? Daß die Kinder - die Kinder - ä - fallen ja nicht vom Himmel, sie werden geboren, falls dir das was sagt? Sohn: Ja, Vati. Vater: Den Vorgang als solchen - diese Partnerschaft, die dazu gehört, die habt ihr also durchgenommen? Der Hahn, die Henne. Die Bienenkönigin. Der Pfau. Habt ihr den Pfau durchgenommen? Sohn: Den Pfau direkt nicht. Vater: Also, mein Junge. Da stoßen wir mal in eine Lücke. Der Pfau, dieser farbenprächtige gefiederte Freund, der bäumt sich auf. Er schlägt gewissermaßen ein Rad. Nicht, daß er sich überschlägt. Er macht das mit seinem Schweif, verstehst du? Er spreizt die Schweiffedem. Das sieht wundervoll aus. Es ist ein sogenanntes Imponiergehabe. Verstehst du, was ich meine? Sohn: Nein, Vati. Vater: Unterbrich mich nicht! Ich bin jetzt gerade so schön drin. Also der Pfau, der will damit zum Ausdruck bringen, daß er mit der Dame etwas anfangen will. Daß er Interesse hat. Wie soll ich das sagen? Das Liebesleben in der Natur. Jetzt
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ist es heraus. 0 je. Das Liebesleben. Das Werben. Die Erhaltung der ... wie sagt man da? - die Erhaltung eben. Die Erhaltung der Sippschaft. Die Erhaltung der Art - jetzt hab ich's! Sohn: Ist die Liebe die Erhaltung der Art? Vater: Bring mich jetzt nicht heraus! Die Liebe ist im Grunde eine Art Vorspiel, eine Willenserklärung. Jetzt ist es soweit, hör mal zu, wir beide, du und ich, also Mann und Frau - wie soll ich das sagen Sohn: Wir wollen die Art erhalten? Vater: Ja, genau. Nur mit völlig anderen Worten: Ich liebe dich - drei Worte nur. - Hier, sieh mal, da drüben, auf der Dachrinne, der Täuberich. Was macht er? Sohn: Er wackelt hin und her. Vater: NEIEN! Er tänzelt! Er sagt jetzt gerade zu der Taube, also zum Täubchen: »Hier bin ich. Liebst du mich? Ich begehre dich«, und so weiter. Er plustert sich auf. Er zeigt sich von seiner besten Seite. Wäre er ein Pfau, dann schlüge er jetzt ein Rad. Er bäumte sich auf. Dieses Imponiergehabe, das ich vorhin • . . . . .. . . • schon ausführte. Die Vögel sind da genauso wie die Menschen. Das Werben. Das ist genau dasselbe. Das Liebesleben in der Natur - das ist alles eine Schose. Sohn: Ist es bei dir und Mami genauso? Vater: Ja - es war ganz genauso. Anfangs schon. Die Tauben und so weiter. Ich sehe, du verstehst. Sohn: Die Tauben und die Menschen, die machen es genauso. Genau wie die Menschen? Vater: Endlich! Endlich hast du's begriffen! Ende der Debatte. Genau wie die Menschen! Glasklar. - Allerdings nicht auf der Dachrinne. '
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Unsere lieben Frauen sind gewiß keine knospenden Rosen im Silbertau. Unsere lieben Frauen haben anjeder Hand drei Kinder, über sich einen Mann, unter sich vier Rindviecher, zwei Schweine und eine ganze Geflügelarmee, im Kopf viele kluge und etliche weniger kluge Gedanken, im Herzen aber tragen sie eine große Fröhlichkeit. Sie sind überaus lebenslustig und von erstaunlicher Einigkeit gegen alles, was Mann ist. Sie müssen die Lebenslust wo.hl gleich mit der Muttermilch eingesogen haben, ·denn auch unsre Omas sind nicht von Pappe.Das klärt das Geheimnis ihres Frohsinns und ihrer auffallenden Einigkeit allerdings noch nicht völlig. Ein klitzekleiner Rest liegt, vertraulich verraten, im Dunklen. Im dunklen Keller der »Blauen Maus«: ein Lebenswässerchen, kühl, klar und vierzigprozentig, ein Helfer in allen LebenslaUnsere munteren Frauen springen von den Tischen und umgaukeln den gen. Lischt ein altes Leben aus oder kündigt ein neues sich an, unsre lieben Frauen schlucken Vorsitzenden wie Schmetterlinge. den ersten Schreck gemeinsam in der »Blauen Maus« hinunter. Ja, ich bin nicht einmal sicher, ob sie ein Feuer im Dorf nicht erst mal mit einem Lebenswässerchen begießen würden, bevor sie zum Löschwasser griffen. Selbstverständlich, daß unsre lieben Frauen rührig im LPG-Leben stehn. Ein kleines Schlückchen, und sie tüfteln dir Pläne aus, die unserm Männerverstand schon Selbstmordgedanken eingegeben haben. Der Vorstand, .zum Beispiel, erbittet Soldaten für die Getreideschlacht. Im Verein mit den fleißigen Frauen, so hofft er, wird das Schlachtfeld zum Abendrot leer sein. Die Soldaten fahren ins Unterdorf ein, unsre lustigen Frauen rodeln zum Oberdorf raus in die Heidelbeeren. · »Was willst du«, rechtfertigen sie sich beim Vorsitzenden, »wir hätten die armen Kasernenhelden nur von der Arbeit abgelenkt! Sieh doch unsre braunen Arme und Beine!« Sie lüpfen die Blusen, sie lüpfen sogar die Röcke ein wenig. Der Vorstand dreht ab. Er kommt ihnen bei Gelegenheit ökonomisch. Kein Rübenhakken in der Kolonne mehr, die Rüben werden morgenweis an die Frauen verteilt. Persönliche Pflege! Persönliche Verantwortung! »Ei, der Deibel!« lachen die Frauen. »Wollt uns gegeneinander ausspielen, he? Nicht mit uns! Und der ökonomische Hebel saust auf den Buckel des Vorstands zurück. Eines Tages kriegen wir einen neuen Vorsitzenden. Eines an-
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deren Tages steht uns übern kurzen Weg eine Forderung der Zeit und des Kreislandwirtschaftsrates ins Haus: Qualifizierung der Frauen. Facharbeiterlehrgang und Winterschule. »Du lieber Heiland!« murmeln die Brigadiere und kriegen trübe Augen. Unser neuer Vorsitzender, ein junger Mann mit einem Blick fürs große Ganze, sieht keine Schwierigkeit. »Den Heiland brauchen wir nicht. Wir müssen den Genossenschaftsbäuerinnen die Sache nur richtig erklären.« Frauenversammlungen erfreuen sich bei uns einer großen Beliebtheit. Sie gelten als legitimes Mittel, die Kinderbetten, den Abwasch und die Schweinekartoffeln für einen Abend dem geliebten Manne zu überlassen. Unser neuer Vorsitzender, der junge Mann mit dem Blick fürs große Ganze, sieht also die Frauen vollzählig vor sich. »Ihr braucht euch nicht so zu drängeln«, ruft er zufrieden, »es kommt jeder ran.« Er wähnt die Schlacht wohl schon gewonnen. Redet über die Bedeutung des Lehrgangs für die Frauen, die LPG, die Republik und so weiter. Die Frauen sehn ihm stillvergnügt in die blauen Augen. Was er sich denkt - Aufsätze schreiben. Bücher lesen. Prüfungen ablegen und weiß der Schinder, was noch! »Also«, sagt der Vorsitzende, »schreibt euch ein! Wer zuerst kommt, kriegt die besten Plätze.« Die Frauen schenken ihm ein dünnes Lächeln, ein Abschiedslächeln. Sie zupfen ihre Nylonblusen zurecht und marschieren, ohne auch nur einen Ton zu verlieren, aus der Versammlung und beehren die »Blaue Maus«. Was soll man auch sonst dazu sagen. Der Landwirtschaftsrat wettert: die einzige LPG ohne Frauenqualifizierung! Im August wird ein Fest gefeiert. LPG-Jubiläum, schuldenfrei, einen Haufen Geld auf der Kante, undenkbar ohne die jahrelange, fleißige Arbeit unsrer fröhlichen Frauen. Als die Kapelle vor Erschöpfung einschläft, hockt auch der Vorsitzende abgekämpft vor dem letzten f
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>>Wenns an die Qualifizierung geht, könntest du dich ruhig ein bißchen mehr beeilen, Mutti!<<
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»Pioniere, was ist ein.e Kollektivleistung beim Ler- , nen..?« fragt der Pio~~': . nierleiter beim Grnppennachmit.
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Freibier. Unsre muntren Frauen aber springen von den Tischen und umgaukeln ihn wie die Schmetterlinge. »Der arme Vorsitzende! Wie sieht er doch traurig aus! Kapelle! Einen Extratanz!« Der Vorsitzende rudert unsicher mit den Armen. »Haut bloß ab, ich kann euch nicht mehr sehn! Habt mich im Stich gelassen, Weibervolk!« »Nu hör einer den Dollen! Wenn er nicht soviel reden würde, lieber einen Schnaps mit uns trinken, da möchten wir schon zur Schule gehn, noch unsern Doktor machen auf die alten Tage!« »Unter Zeugen?« - »Großes Pionierehrenwort!« Die Frauen lachen Tränen, küssen den Vorsitzenden, dieses Jungchen, von vorne und hinten ab, und für sieben von ihnen findet sich im Durcheinander sogar noch ein Schnäpschen. Der Lehrgang soll steigen. Die sieben Kandidatinnen beraten sich. Ach, was ist schon dabei! Kostet ja nichts, und aufhören kann man immer. Man macht sich den Spaß. Amüsiert sich über die ersten Vorträge, praktische Sachen, seit Jahren an den Gummistiefeln abgelaufen. Amüsiert sich gemeinsam mit denen, die nicht ihr großes Pionierehrenwort geben konnten, weil sich gerade kein Lebenswässerchen finden ließ. Kein berauschender Anfang, gewiß. Doch mit der ersten Eins wird der Ehrgeiz lebendig. Später müssen die Sammeltassen den Ehrenplatz in der Vitrine räumen, wohin sonst mit den Büchern? Den anderen entgeht das im bunten Treiben des Alltags. »Wo ist denn Lydia heute?« - »Na, beim Lehrgang.« - »Ach ja, beim Lehrgang.« Ein Jux. Sie werden erst wieder mobil, als es heißt: Lehrgang beendet, heute abend wird stramm gefeiert. Vergnügt ziehen all unsere munteren Frauen die Nylonblusen an, stecken einen Notgroschen ein und marschieren zur »Blauen Maus«. Sie reißen die Tür auf, den fröhlichen Zuruf schon auf den Lippen, und sehen sich einer langen, weißgedeckten Tafel gegenüber. Blumensträuße, Urkunden, fremde Männer in tadellosen Anzügen: die Lehrer, der Tierarzt, ein Zeitungsmann und andere wichtige Leute, dazwischen ihre sieben Frauen, die Ohren rot, die Mienen feierlich. Befremdetes Schweigen bei den Versammelten, betretene Gesichter bei unseren lustigen Weiblein. »Könnt ihr nicht lesen?« fragt der Vorsitzende. »Entschuldigung«, murmeln sie, machen leise die Tür wieder zu und bemerken ein Schild: »Geschlossene Gesellschaft!« »Da sieht mans«, sagen sie, »bloß wer mit ihm säuft, den läßt er studieren!«
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Was des Volkes Hände schaffen
Hansjoachim Riegenring
01' Wrr sind alle nur Menschen und nicht mal die besten. Ich kann
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. der am Verteilen . war, schob er die -. Wolken. räber der .. · . „ DDR be.tse1te, sah · die kaputten Häuser und Straßen . und meil)te: »Oh, · hier wai~ich ja schon!<' · ~-
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deshalb ruhig zugeben, daß ich ihn nicht völlig unterdrücken konnte, den Neid, der in den Innereien meiner Seele wühlte, als ich Eduards Brief las. Ich kenne Leute, die seit Generationen von einer neuen Wohnung träumen wie andere von einem Fünfertreffer oder einer schönen Frau, die ihnen ganz allein gehört. Eduard bekam eine. Eine Wohnung. Ganz frisch von der Kelle in einem neugebauten Neubau. Genau das, was ich mir wünschte. Komisch, daß immer nur die andern Glück haben. Ich war geladen. Eingeladen. Zum Kaffee und zur Besichtigung des Wohnwunders. Ich nahm den Hut ab, bevor ich ehrfürchtig den verchromten Klingelknopf drückte. In der Sprechanlage knatterte es. Eine Staubwolke flog aus dem Lautsprecher. »Chchch--schschschpffffchrrr-plpsps? « Das schien Eduards Stimme zu sein. Vielleicht hatte man aus Versehen eine Dolmetscheranlage eingebaut. »Tag, Eduard«, hustete ich ins Mikrofon, »ich bin's.« »Krrrsptöööchrabööh.« Der Türöffner brummte. In einem modernen Haus gibt es zwei Möglichkeiten, in den vierten Stock zu gelangen: Treppe oder Fahrstuhl. Ich habe noch nie erlebt, daß das Schild »Außer Betrieb« an der Treppe hängt. »Herzlich willkommen«, begrüßte mich Eduard, »du kannst mir gleich helfen, die Tür wieder einzuhängen. Sie war etwas reichlich.« »Oder der Türrahmen zu klein«, gab ich zu bedenken. »Donnerwetter. Daran habe ich gar nicht gedacht. Na, egal. Ich habe unten zwei Zentimeter abgehobelt. Faß mal an.« Wir wuchteten die Tür in die Angeln. Die Tür klemmte oben. Dafür schien unten die Sonne in den Korridor. Wir hoben, hebelten, hobelten. Es war die reinste Türquälerei. Als ich mir den Mantel ausziehen wollte, hielt mich jemand von hinten fest. »Die Farbe an der Wand ist noch frisch«, entschuldigte sich Eduard. Mein Mantel blieb an der Wand hängen, ohne Garderobenhaken. Aus dem Bad wälzte sich eine mächtige Hitzewelle in den Korridor.
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Was des Volkes Hände schaffen
»Willst du mal unser Badezimmer sehen?« sagte Eduard. »Ruch«, machte Helga, als wir reinguckten, bedeckte die Sehenswürdigkeiten mit den Händen und verschwand bis ans Kinn unter Wasser. »Sehr schön«, lobte ich, »solch eine Badezimmereinrichtung wünsche ich mir auch.« »Die Handbrause funktioniert nicht«, schmollte Helga. »Und dabei hat sie das Gütezeichen«, wunderte sich Eduard. »Aber keine Löcher«, stellte ich fest. Mit einem Nagel klopften wir die nicht mitgelieferten Löcher hinein. Eine langweilige Arbeit, denn das Badewasser war mit einer Essenz gefärbt und undurchsichtig. Vor dem Kaffeetrinken mußten wir zwei Beine des Tisches verkürzen. Wegen der schrägen Dielen. Entweder war den Maurern die Wasserwaage eingefroren, oder der Polier schielte. Das Klavier stand so schief, daß es nur für schräge Musik zu gebrauchen war. ~ Nach dem ersten Schluck Kaffee fiel mir ein Stück Putz in die Tasse. »Putztausend«, sagte ich erstaunt. : .„. ------~ . . »Nein, wie putzig«, lachte Helga. »Genau dasselbe ist mir gestern passiert. Ob der Dingsda nicht sorgfältig gearbeitet hat, der ... der ... « - »Putzmacher«, half ich ihr. »Außerdem zieht es.« Ich schloß das Fenster. Den Griff behielt ich in der Hand. Die Scheibe fiel aus dem Rahmen und blieb zwischen den Tulpen vor dem Hause stekken. »Das liegt am Kitt«, meinte Eduard kummervoll, »oder am Glaser.« >>Er hat endlich moderne »Der gehört ins Kittchen«, schimpfte ich. »Aber warum zieht das Leuchten bekommen.« hier so? Habt ihr den Staubsauger nicht abgestellt?« Eduard deutete stumm nach oben. Ich wußte, daß zu einem Neubau Grundriß, Aufriß und Seitenriß gehören. Dieses Haus besaß außerdem einen Wandriß, der für die Luftzirkulation sorgte. »Nachbarin, euer Fläschchen«, seufzte ich. Eduard klomm zur Hausbar empor. »Du solltest dir Hausschuhe mit Nägeln anschaffen«, empfahl ich. Dann mußte ich aufstehen und fest auf die achte Diele von rechts treten, weil man sonst den Schrank nicht öffnen konnte. Nach dem dritten Schnaps fragte mich Eduard heimtückisch, ob ich einen Bilderhaken einschlagen würde. Wer kann den bittenden Augen eines Mannes widerstehen, der eine schöne Frau hat. Ich klopfte - nein, ich säuselte den Haken sanft in die Wand. Der letzte Schlag verschaffte mir einen interessanten Einblick in das Familienleben der Leute von nebenan. Der Nachbar kam gesträubten Schrittes auf mich zu. "
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»Herr«, schnarrte er. Das konnte ich nicht abstreiten. Ich nickte. »Sie haben einen Stein aus der Mauer geschlagen!« Ich nickte wieder. »Der Stein ist in unsere Suppenterrine gefallen, in unser Essen!!« »Na so was«, lächelte ich bedauernd. »Das tut mir leid. Ist aber nicht so schlimm. Wir wischen den Stein wieder ab.« Wir schoben einen Schrank vor das Loch. Als Schalldämpfer. Die nachbarliche Erregung klang nun nach eingemotteten Pelzen und alten Hosen. Beim Verschieben des Schrankes bogen sich die Balken. Ein dumpfes Stöhnen rieselte durch die Mauem, der Kalk lagerte sich am Fußboden ab. Die Bewohner der unteren Stockwerke flüchteten auf die Straße und schrien, es wäre eine Mißachtung der Menschenrechte, in einem bewohnten Neubau Möbel zu verrücken. Ich trat auf den Balkon, um meine vergrämten Bronchien mit neuem Sauerstoff zu beleben. Im letzten Moment konnte ich mich am Geländer festhalten. Sonst wäre es Der Müllschlucker verschluckte sich heruntergefallen. und spuckte eine stinkende Haus»Was machst du denn?« staunte Eduard. haltsabfallmischung in die Wohnung. »Das siehst du doch. Eine Geländerübung. « Er zog mich ins Zimmer. Von links rauschte ein Wasserfall von der Größe des Niagara. »Das ist nur die Wasserspülung«, beruhigte mich Eduard. »Eure?« - »Haha«, lachte er, »das ist mindestens zwei Häuser weiter. Du solltest mal hören, wenn bei uns einer ... « »Verstehe«, sagte ich, »ein Zug an der Kette, und das Haus fällt em. « Wir fegten den Putz zusammen, der durch unser lautes Sprechen von der Decke gefallen war, und nun lernte ich einen der größten Vorzüge einer Neubauwohnung kennen: den Müllschlucker. Er funktionierte wirklich. »Siehst du«, strahlte Eduard, »so bequem ist das. Ein Griff - weg ist der Dreck.« Er kippte den letzten Eimer Putz in den Schacht. Die Klappe klemmte, Eduard rüttelte. Der Müllschlucker verschluckte sich und spuckte eine stinkende Haushaltsabfallmischung in die Wohnung. Papier, Lumpen, Blechbüchsen, verwelkte Blumen, sogar eine Garnitur Unterwäsche. »Natürlich«, gab Eduard zu, »hat so eine neue Wohnung auch gewisse Mängel. Aber du mußt doch zugeben, daß es schön ist, eine Wohnung mit allem Komfort zu besitzen, mit allen Schikanen ... « »Eben«, sagte ich. Und kehrte in meine alte Bude zurück, die mich nicht mit Komfort verwöhnt. •
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Joachim Priewe
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>>Erst heißt es, die Jugend wächst nicht im Treibhaus auf, und dann verlangen sie das ganze Jahr über Gemüse! - Ist das etwa ein gesunder Widerspruch?«
Als Lehrer Hern1ann Schulz aufs Land ging, stand für ihn eins fest: Er wollte beweisen, daß die Behauptung, studierte Leute seien eingebildet, eine völlig unberechtigte Verallgemeinerung sei, jedenfalls was ihn betraf. Er hätte sich am ersten Abend im Dorfkrug auch allein an einen Tisch setzen können, aber im Zuge seiner Absicht rückte er an den Tisch eines Bauern. Eigentlich war er mehr für Wein, hatte auch nichts gegen Bier, aber alles gegen Schnaps. Also bestellte er zwei Pils, schob eins seinem Tischnachbarn hinüber und erhob sein Glas. »Auf gute Gemeinschaft!« sagte er und nach einer Weile: »Haben Sie mal Feuer für mich?« »Bitte«, sagte Bauer Korn. »Du bist also der neue Schullehrer.« Hermann Schulz nickte und hielt ihm sein Zigarettenetui hin: »Hier, nehmen S... nimm auch eine Zigarette.« »Danke«, sagte Korn, »aber du brauchst nicht zu denken, daß du was Besseres bist, weil du eine silberne Zigarettenschachtel hast. Wenn ich auch nicht studiert habe, ich merke doch, daß du aufs Dorf gekommen bist, um hier den klugen Mann zu spielen.« »Aber ich denke gar nicht daran, zu denken, daß ich etwas Besseres bin. Und studiert habe ich doch nur, damit ich mithelfen kann, daß aus deinen Kindern gute Bauern und Agronomen werden.« »Deshalb brauchst du dich mit deinem Studieren nicht wichtig zu machen.« »Will ich ja auch gar nicht.« »Du tust es aber doch«, widersprach Korn. Darauf wußte Schulz nichts zu sagen. Er sah die Notwendigkeit, Argumente ins Feld zu führen, die überzeugender als Worte sein konnten. Er überwand sich und bestellte zwei Schnäpse. Ein Schnaps gab schließlich den anderen. Endlich schien der Boden für die Verständigung genügend durchfeuchtet zu sein. Da sagte mitten in die erwartungsvolle Stille hinein LPG-Bauer Korn: »Wenn ich auch nicht studiert habe, brauchst du dir nicht einzubilden, wir Bauern sind dumm, weil wir nicht studiert haben.«
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»Das hat doch aber niemand behauptet«, versuchte Schulz ihn zu beruhigen. »Jeder von uns hat seinen Beruf und macht seine Arbeit, so gut er kann. Es geht doch nicht darum, ob einer studiert hat oder nicht, denke ich.« »Denke ich, denke ich! Wenn ich das schon höre! Du kommst dir wohl wie ein großer Denker vor? Wenn ich auch nicht studiert habe ... « Darauf bestellte Schullehrer Schulz rasch zwei Doppelte. Was sich aber nicht verdoppelte, war die Einsicht des Bauern Korn. Der wollte sich jedenfalls nicht nachsagen lassen, er könne sich das mit seinem unstudierten Gehalt nicht erlauben, und bestellte sechs Doppelte. Da beschloß Hermann zögernd die Demontage sämtlicher Dinge, die an Studium auch nur entfernt erinnern könnten. Er riß sich diskret den Schlips vom Hals und knöpfte das Hemd auf. Wenig später öffnete er die Schnürsenkel. Doch Korn schien es nicht zu bemerken: Schulz erinnerte sich an irgendeine Lautverschiebung, sprach das G von Gans ganz weich aus und wurde in Sprache und Ausdruck »volkstümlich«. Korn war nicht zu rühren: »Wenn ich auch nicht studiert habe, das heißt Gans und nicht Jans.« Als Schulz bemerkte, daß Korn seinen Zigarettenstummel auf die Erde fallen ließ und beiläufig mit dem Fuß austrat, betrachtete Schulz das als Aufforderung, auf den Fußboden zu spukken. Er spuckte so lange, bis es dem Wirt auffiel. Als auch das ohne Eindruck auf Korn blieb, versuchte er zwischendurch•• kräftig zu rülpsen, was ihm aber auf Grund mangelnder Ubung prächtig mißlang. Darauf nahm ihm Korn den soeben bestellten Doppelten wieder weg. Doch Schulz griff mit verzweifelter Fröhlichkeit nach dem Glase und ließ sich den Schnaps ins Hemd laufen, um Korn vielleicht auf humorvolle Art zu gewinnen. Dabei rief er jauchzend: »Hach, was sind wir Bauern heut wieder lustig!« und schlug Korn auf die Schulter, daß der sich verschluckte. Bauer Korn verhielt sich immer abweisender. Und so begann Schulz mit einem letzten Versuch, seinem Sprachschatz ein Dutzend urwüchsiger Kraftausdrücke zu entnehmen, von denen das Wort Scheißdreck noch das harmloseste war. Hoffnungsvoll sah Schulz auf Korn. Der aber stand plötzlich stocknüchtern auf und sagte mit aller Verachtung, deren er fähig war: »Pfui Teufel! Und so etwas hat nun auf unsere Kosten studiert!«
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Zwei LPG-Bauern schauen zum Himmel. »Eh nu, ein Flugzeug!« sagt der • eme. »Bestimmt die Regierung!« erwidert der andere. »Eh nu, eher unwahrscheinlich. Wenn 's die Regierung wäre, würden weiße Männer auf Motorrädern drum herum sein. «
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Günter Krone
'Dio Der VEB Prima war wegen seiner technischen Vollkommenheit weit und breit berühmt. Die Verwaltungsarbeit wurde durch elektronische Rechenmaschinen und andere komplizierte Apparate erleichtert. Sogar die Produktion war schon lange vollautomatisiert. Lediglich Sitzungen wurden noch wie in alten Zeiten durchgeführt, weil für sie eine Art Vernunft erforderlich ist, die Maschinen nicht haben. Kollege Schulze hatte als Leiter des Büros für Erfindungswesen an diesem bewunderswerten Stand der Technik erheblichen Anteil. Er war auch ein ganz ungewöhnlich begabter Mann. Aber eines Tages war der Kollege Schulze ratlos. Er saß vor einem als Verbesserungsvorschlag bezeichneten Schreiben der Kollegin Ranft, die als ReinemacheWenn Sie eintreten wollen, rufen Sie frau im Betrieb beschäftigt war, und wußte laut und deutlich: >Auf! Das Tor öffnet sich nicht zu helfen. Er suchte den technisich auf Zuruf. schen Leiter Schuster auf, um dessen Meinung einzuholen. Jedoch auch Kollege Schuster wußte nicht, was man mit dem Schreiben anfangen sollte. Zu der Stunde, da beide Kollegen über dem Schreiben der Kollegin Ranft ihre Köpfe schüttelten, saß ich beim Werkleiter Moosdorf im Zimmer. Der Werkleiter Moosdorf war mit dem Erreichten keineswegs zufrieden: »Gewiß«, sagte er, »unsere Produktion ist längst vollautomatisiert, und unsere Roboter sind kaum zu überbieten. Auch die Verwaltungsarbeit ist durch Denkmaschinen der verschiedensten Art zu einer reinen Freude geworden. Wir haben sogar kürzlich Wendeapparate eingesetzt, die unseren Kollegen beim Umblättern der Akten behilflich sind. Aber uns hat das Glück der Unzufriedenheit erfaßt. Die Entwicklung schreitet weiter. Gegenwärtig sind wir dabei, technische Vorgänge auf das sogenannte akustische Prinzip umzustellen.« Offenbar sah er meinem Gesicht an, daß ich mir darunter nichts vorstellen konnte. »Für den Laien gesprochen«, sagte er, »bedeutet das: Alle unsere Apparate werden eingeschaltet, indem man auf einen Knopf drückt oder einen Hebel bewegt. Bisher mußte man dazu seine Finger bewegen; da ging den Kollegen natürlich viel Kraft ganz überflüssig verloren. Jetzt werden wir die Kontakte einfach durch Geräusche auslösen lassen - des-
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halb akustisches Prinzip-, also etwa durch Räuspern oder Husten.« »Hoffentlich husten Ihnen die Kontakte nicht was«, sagte ich, aber in diesem Augenblick kamen die Kollegen Schuster und Schulze mit dem Schreiben der Kollegin Ranft ins Zimmer und trugen es dem Werkleiter vor. So verblüfft habe ich den Kollegen Moosdorf selten gesehen. Allerdings enthielt das Schreiben auch einen außerordentlich kühnen Gedankenflug, der mit alten Gewohnheiten völlig brach. Kollege Moosdorf dachte länger nach, als ich warten konnte. Deshalb verabschiedete ich mich, bevor er seine Entscheidung getroffen hatte. Ein Roboter trug mich aufs Dach, auf dem ich meinen Diensthubschrauber abgestellt hatte. Etwa ein halbes Jahr später hatte ich wieder im VEB Prima zu tun. Offensichtlich hatte man in dieser kurzen Zeit das akustische Prinzip schon weitgehend verwirklicht. Denn als ich vor dem Werktor aus dem Atomauto stieg, las ich auf einem Schild: »Wenn Sie eintreten wollen, rufen Sie laut und deutlich: >Auf!< Das Tor öffnet sich auf Zuruf.« Also rief ich laut und deutlich: »Auf!« und trat ein. Hinter dem Tor bestieg ich einen sogenannten »Luftikus«, auch eine Neuanschaffung des Betriebes. Ein »Luftikus» ist ein zwei Personen fassendes Gefährt, das nach dem akustischen Prinzip in Gang gesetzt wird und das sich auf Luftpolstern fortbewegt. In ihm schwebte ich über die Treppen und Gänge, zum Vorzimmer des Werkleiters. Dort war gerade die Kollegin Ranft bei der Arbeit. Sie bohnerte das Parkett, indem sie, auf den Knien liegend, das Bohnerwachs mit einem Lapp~n verrieb. Ihr Vorschlag, für die Büroreinigung eine Bohnermaschine anzuschaffen, schien also nicht verwirklicht worden zu sein.
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))Alles macht die Maschine automatisch endlich haben wir Arbeitskräfte fürs Verpakken frei!<<
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Was des Volkes Hände schaffen
Arwed Bouvier
»Ich sage dir«, sagte er mir, »man muß sich einen Beruf suchen, der so ausgefallen ist, daß man auf jeden Fall überall damit auffällt und alle Leute darauf hereinfallen. Ein Beruf muß das sein, den es noch nie gab, der absolut neu ist.« Und so setzten wir uns hin und gründeten die UVA, die Universal-Versicherungsanstalt. In den ersten Wochen erlebten wir eine unwahrscheinliche Konjunktur. Theodor erwies sich als ein Meister von Versicherungsagent und brachte jeden Tag von seinen Streifzügen Stapel von Verträgen mit nach Haus. Mit Hagel, Brand und Diebstahl freilich gaben wir uns nicht ab, unsere Ambitionen gingen tiefer und erfaßten alle Bereiche des öffentlichen Lebens. Die UVA versicherte die Kohlköpfe geschäftiger Kleingärtner nicht gegen Schädlingsbefall oder andersartige Vernichtung, sondern garantierte Im Winter erholten sich fünfzig Urlauber ihren Klienten mühelosen Absatz und höchauf unsere Kosten in Zakopane. sten Gewinn auf Grund der Voraussicht, daß der staatliche Handel auch in diesem Jahr kaum in der Lage sein würde, durch ein übergroßes Gemüseangebot die kleingärtnerischen Kohlköpfe zum Verfaulen zu verdammen. Cholerikern, die um ihre Zukunft bangten, versprach Theodor auch für die nächste Zeit ein reiches Betätidie Argungsfeld ihres Temperaments; er konnte das, weil er •• beitsweise gewisser Amter und Verwaltungen genauestens kannte. Wrr hatten in der ersten Zeit kein einziges Minusgeschäft zu beklagen, was sicherlich daran lag, daß Theodor nur solche Geschäfte abschloß, die absolut sicher waren. Er liebte es nicht, auch nur das geringste Risiko einzugehen, und er fand mit bewundernswert sicherer Hand solche hundertprozentigen Gelegenheiten heraus. Herrn Mäusemüller, der in unserer Straße als übler Saufbruder bekannt ist, gab Theodor es schriftlich, daß seine Stammkneipe, die jetzt von der HO übernommen wird, in zehn Jahren noch genauso dreckig und verqualmt sein wird wie bisher. Mit Fräulein Krause, die dreiundsiebzig ist und bei uns im Haus wohnt, schloß Theodor einen Vertrag, daß Herbert Roth, den Fräulein Krause über alles liebt, bis an ihr Lebensende im demokratischen Rundfunk zu hören sein wird; und das, obwohl Fräulein Krause sich bester Gesundheit erfreut und mindestens noch fünfzehn Jahre zu leben hat. Theo hatte eben ein untrüg-
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liches Organ für todsichere Geschäfte. So verlebten wir ein paar Wochen ungetrübten Glücks; Theodor schloß täglich neue Verträge ab, und ich besorgte die häusliche Buchführung. Es war die schönste Zeit meines Lebens. Aber wie das so mit meinem Bruder Theodor ist: Nach einiger Zeit begann der neue Job ihn zu langweilen, und er fing an, schludrig zu arbeiten. Ich bemerkte es zuerst, als er mit Herm Meier einen Vertrag aufsetzte, nach dem bei den nächsten Fußballweltmeisterschaften die DDR den Weltmeister zu stellen hätte. Anderenfalls würde Sportfreund Meier von uns zehntausend Mark zu erwarten haben. Obwohl ich von Fußball nichts verstehe, äußerte ich Theo gegenüber meine Bedenken. Aber er lachte mich nur aus und setzte seine fragwürdigen Methoden fort. Und so begann die Periode unseres geschäftlichen Niedergangs. Theodor, von allen guten Geistern verlassen, schloß Geschäfte ab, die zum Himmel schrien. Er versicherte einhundertfünfzig Besucher einer Veranstaltung der Konzert- und Gastspieldirektion, daß sie sich durchaus annehmbar amüsieren und unterhalten würden. Wir hatten eine geschlagene Woche zu tun, um die Gelder auszuzahlen. Eine Hausgemeinschaft, der Theodor vertraglich versprach, daß innerhalb von sechs Monaten der Klempner zu ihr käme, konnte sich von unserem Geld einen Fernsehapparat und eine Waschmaschine zulegen. Einern Wartburgbesitzer, der nach Ersatzteilen jammerte, konnte Theodor auf seine Weise zwar nicht zu diesen, wohl aber zu einem neuen Wagen verhelfen. Von solchen Lappalien wie die Versicherung von Reisenden auf die Pünktlichkeit der Deutschen Reichsbahn sowie von Rauchern auf die Genießbarkeit von Turf und Casino will ich gar nicht erst sprechen. Im Wmter erholten sich fünfzig Urlauber, denen Theo im Sommer nervenstärkende und strandhundfreie Ferien garantiert hatte, fünf Wochen lang für unser Geld in Zakopane. Als wir auf diese Weise kurz vor dem Bankrott standen, entschlossen wir uns zu einer Verzweiflungstat. Ich schrieb diese Geschichte, und Theodor schloß einen Vertrag mit dem Eulenspiegel, daß alle Leser etwas aus der Geschichte lernen würden. Wir erhoffen uns von diesem Geschäft Rettung und erneuten Auftrieb für unser Unternehmen. Aber nach allem, was wir bisher erlebt haben, erscheint mir unter uns gesagt - das Gelingen unseres Planes etwas zweifelhaft.
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10. Januar: Hatte heute Sprechtag. Mußte aber dienstlich zum
Kreis. Weil die auch Sprechtag hatten. Die regeln ihre Sachen mit dem Bezirk am Donnerstag. So ein kleiner Bürgermeister muß sich aber an die normalen Sprechtage halten. Bloß, nicht an die eigenen. Kann mich ja nicht zerreißen. 15. Januar: Sonntags müßte so ein Mistwetter verboten werden. Bin froh, daß der Offenstallumbau fertig ist. Der Kreis wollte ihn ja erst dies Jahr einplanen. Da hätt unsre Tbc-freie Herde im Winter aber dagestanden. Wir haben trotzdem gebaut. Auf eigene Kappe, versteht sich. 19. Januar: Muß morgen wieder zum .„ Kreis. Wegen der Schlachtgenehmigungen. Wenn man sie mit der Post schickt, kommen / sie ewig nicht zurück. Als ob das ein Bürgermeister nicht selbst entscheiden könnte! Dabei drückt bloß einer, der unser Dorf überhaupt nicht kennt, seinen Stempel drauf. Ordnung muß sein! 28. Januar: War wieder mal ne verrückte Woche. Bürgenneistertagung, Sprechtag, Gemeinderatssitzung, Kreistagssitzung und MTS-Stützpunktberatung. Dazu abends LPG-Versammlung und Elternbeirat. War die ganze Woche bloß vier Stunden im Amt, Post unterschreiben. Wenn die Aktion »Weg vom Schreibtisch« so aussieht ... 8. Februar: Der Kulturraum in der alten Schule ist fertig. Alles im NAW gemacht. Bloß, der Kreis ist stur. Will die 3000 Mark für Tische und Stühle nicht bewilligen. Mal sehn, wie wir das verbuchen. Werden das Kind schon schaukeln. 15. Februar: Spielte wieder mal Briefträger. Schlachtgenehmigungen, Rechnungen und Fragebogen verteilt. Steuern und Berichte eingeholt. .
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Die Komplexbrigade: >>Leite du ihn mal an, ich hab Komplexe, ich verstehe nichts von Landwirtschaft!«
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Gemeindebote ham wa nich: Stellenplan sieht nur Sekretärin und halbe Buchhalterin vor. Und den Bürgermeister natürlich. Wer sollte denn sonst Botengänge machen? 22. Februar: Unser RSJ09B78 ist unbezahlbar. Hat heut beide Ställe entmistet. Hätten wir ihm nicht auf eigene Faust die Garage gebaut, wär er im Wmter vergammelt. Wenn die einer vom Kreis sieht, gibts wieder Stunk. Doch er kann sie ja nicht mehr abreißen, höchstens wütend abreisen. 1. März: Mußte gestern mal ne Nachtschicht einlegen. Paar Berichte und Statistiken waren fällig. Ums der staunenden Nachwelt zu erhalten: Monatlich verlangt der Kreis 14 ausgefüllte Formblätter. Sekretärin müßte man sein, dann könnte man, wenns dicke kommt, einfach mal krank werden. Wie • meme. 3. März: Nehme alle Hintergedanken gegen meine Sekretärin mit Bedauern zurück. Hab selber noch Schreibkrampf. Müssen doch alles mit der Hand ausfüllen. Die breiten Bogen passen nicht in unsere GROMA. Muß mal sehn, ob ich nicht hintenrum so ne Langwagenmaschine ... Es sei denn, die Statistik ändert mal die Bogenformate. 20. März: Wollt mir heut ein Flächenverzeichnis machen. Hatte grad den ersten Strich gezogen, da kamen welche vom Kreis von wegen Kultur. Kaum warn die raus, klopften die Handelsfritzen. So ging das den ganzen Tag weiter. Abends packte ich meinen Strich - die Arbeit eines Tages - wieder in die Schublade. 13. April: Heut machte mich die Finanzkontrolle vom Kreis zur Schnecke. Hatte für die Maurer vom Patenbetrieb 12 Essen und fürs Richtefest einen Kasten Bier verbucht. Dafür gäbs keinen Fonds, meinten sie. Bezahlte das Maurerfest von meiner letzten Prämie. Krümelkacker die ... 17. April: Meine Frau hat mich im Verdacht. Weil ich jeden Morgen den Briefträger abpasse. Doch nischt is mit Liebesbrief. Warte täglich, daß uns der Kreis Produktions- und Finanzplan bestätigt zurückschickt. Als Weihnachtsgeschenk brauchen wir sie auch nicht mehr. Verflucht faule Aprilscherze. 26. April: Der Kindergarten ist prima geworden. Den alten Tanzsaal erkennt man nicht wieder. War vorgestern mit dem
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>>Mhm, das schmeckt gut!<< - Ernteversorgung auf den LPG-Feldem
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Auto vom LPG-Buchhalter noch schnell in Berlin. Bunten Fußbodenbelag organisieren. Am 1. Mai können wir dann singen: Ihr Kinderlein, komm et ... 10. Mai: Wurden vom Kreis endlich mal für Initiative gelobt. Aber nicht lange. Die Finanzkontrolle machte uns einen Tanz. Wegen des umgebauten Tanzsaals. Und der Kilometergelder für den Buchhalter. Krumme Touren nennen die das. Na, ich kam vielleicht auf Touren ... 23. Mai: Heut war mein erster Urlaubstag. Wollte früh runter ins Amt, mal nach dem Rechten sehn; kam aber nicht weit. Der alte Wendler, die dicke Emma, der Puteri-Hermann und der ABV quatschten mich an. Hatte drei Sprechstunden weg, als ich mittags ins Büro kam. Mußte gleich Post unterschreiben. Sah die Notwendigkeit ein. Wenn der Kreis nicht seine Protokolle zum Abheften kriegt, denken die immer gleich, sie tun nischt. Die Dorfbürgermeister. 1
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>>Durch Einsatz mondäner Baustoffe wird aus Opas Futterkrippe ein Wildversorgungszentrum. <<
N tteArieAtoH Gestern trafen sich an einem sicheren Ort führende Kfz-Schlosser, Installateure und Baufachmänner. Bei diesem Treffen wurden verschiedene, den Kunden nicht zu interessieren habende Probleme im Geiste gegenseitigen Einverständnisses erörtert. Die Diskussion verlief harmonisch und ohne größere Preisdifferenzen. Die Abschlußresolution sowie Schmiergelder wurden einstimmig angenommen. Von einem Wmtergewitter überrascht wurde kürzlich der 42jährige Genossenschaftsbauer Benno Wundertüter. Zum Glück schlug der Blitz nicht in ihn ein, sondern in die auf dem Feld stehende, leicht vergammelte dreijährige Dreschmaschine. Ein schönes Beispiel für die mitunter segensreiche Auswirkung einer gesunden Unordnung in der Genossenschaft.
Jochen Petersdorf
Was des Volkes Hände schaffen
John Stave
OSOH ltH Der Kurzgeschichtenschreiber soll ja -wie auch jeder richtige Schriftsteller - an die Basis gehen. Gewissermaßen seinem Leser Auge in Auge und Zahn um Zahn gegenübersitzen. Da das allgemein bekannt ist, hagelt es Einladungen am laufenden Band. Betriebe melden sich. Kulturbünde. Kleingartenvereine. Klubs der Werktätigen, solche der Intelligenz und andere Institutionen. Nun gibt es ja Kollegen, die richtig glücklich sind, wenn sie äffentlieh auftreten können. Die haben mittlerweile den Bogen so gut raus, daß man am Ende glaubt, sie seien direkt von der Konzert- und Gaststättendirektion. Ein Kollege hat sogar mal im Fernsehen play-back gesungen. Wochenlang hat er in der Kneipe hinterher noch davon gezehrt.
Aber wie gesagt, es gibt auch solche Kollegen, die aschgrau im Gesicht werden, wenn sie vor einem gewissen Kreis etwas vorlesen sollen. Na ja gut, mit Krankheit und Heiserkeit kann man sich schon eine ganze Weile herausreden. Auch mit Auslandsreisen geht es. Aber da ist schon wieder die Gefahr vorhanden, daß der betreffende Klub - oder wer gerade etwas vorgelesen bekommen haben möchte - sagt: »Das ist aber fein. Da können Sie ja nach der Lesung noch ein bißchen über Ihre Auslandserlebnisse plaudern, wenn Sie zurück sind ... « Jedenfalls eines Tages, da ist es dann soweit, und es gibt auch kein Entrinnen mehr. Sie fahren sogar mit dem Wagen vor, damit überhaupt nichts schiefgehen kann. Und so trifft man rechtzeitig an Ort und Stelle ein, von starkem Schüttelfrost befallen. Es handelt sich um einen Klub, in dem man bei anderen Gelegenheiten schon gewaltig gezecht hat und den man sowie-
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Was ist ein ULB? Die Energie, die benötigt wird, um vom Sessel aufzustehen und den Fernseher auszlllllachen, \Venn Walter Ulbricht eine Rede hält.
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so immer recht gemütlich fand. Heute hebt sich das Gebäude wie eine drohende Festung vom Abendhimmel ab. Mit weichen Knien betritt man die Vorhalle. Eine ladyartige Dame njmmt Mantel und Hut entgegen, aber dann wird man schon an den späteren Schicksalsort geleitet. Es sitzen erst ein paar Leute herum, fünf oder sechs, und man hofft im stillen, daß es nicht mehr werden oder daß die Veranstaltung durch einen puren Zufall nicht bekanntgemacht worden ist. Sie geben einem Bier, damit man etwas gelöster wird. »Unser Freund«, sagt der Klubleiter zu der inzwischen verdoppelten Anzahl von Besuchern, »ist ein ausgesprochener Biertrinker ... « »Ah, wie interessant«, wispert es von den Tischen herüber. Der Klubleiter gibt noch einen drauf: »An einem Abend hat er schon einmal vierundzwanzig halbe Liter getrunken ... « Man winkt ab, schwach, aber doch ein wenig stolz. »Wie bescheiden er ist«, wispert es von den Tischen herüber. Der Saal füllt sich. Gesprächsfetzen schwirren durch die Luft. »Ich hab ihn mir jünger vorgestellt ... Ich dachte, er sei gesetzter ... Die Krawatte paßt aber gar nicht zum Anzug ... Mich stört hauptsächlich die Brille ... Drei Bier hat er schon weg ... Jetzt könnte er anfangen ... « Der Klubleiter eröffnet. Man wird vorgestellt. Man wird gelobt, und zwar in solcher Weise, daß man sich selber darüber wundert, wieso man eigentlich immer noch keinen Nationalpreis erhalten hat oder wenigstens den Nobelpreis. Man erhält das Wort. »Meine erste Geschichte heißt: Warum spatzt der Piep - ä Warum pappt der - Warum spitzt - Warum piept der Spatz ... « Es wird gelacht. Die Leute meinen offenbar, es sei Absicht gewesen, dabei ist man plötzlich des Sprechens nicht mehr mächtig, man lispelt und stottert. Man liest sechs oder sieben oder gar acht Geschichten im Schweiße seines Angesichts. Man verhaspelt sich, legt Kunstpausen ein und sehnt das Ende der letzten Geschichte herbei. Beifall braust auf, und als der Klubleiter Dankesworte im Namen aller fallen läßt und betont, daß dies der beste, lustigste, interessanteste Leseabend seit Bestehen des Klubs gewesen sei und daß man um ein baldiges Wiederlesen bitte, steigen die Leute auf die Stühle und werfen ihre Hüte hoch. Man ist im Sessel zusammengesunken, praktischerweise kurzerhand gestorben, um allem aus dem Weg zu gehen. »Jetzt müssen sie immer alles alleine lesen«, mit diesem Gedanken war man sanft entschlummert. Beim Hinausgehen sagt eine j11nge Dame noch so zu ihrer Freundin: »Ich wette, er ist weit über fünfzig ... « Aber das hört man ja nicht mehr.
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Ulrich Speitel
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Es war schon Abend, als ich in der Stadt eintraf, und der Portier antwortete auf meine Frage nach einem Zimmer, sie hätten in der ganzen Stadt keins mehr frei, aber dafür hätten sie grade Festspiele. Festspiele gut und schön, aber ich wollte lieber in einem ganz kleinen Zimmer schlafen als in einem ganz großen Theater. »Wir haben aber kein Zimmer mehr frei.« »Auch keine Couch? Keine Luftmatratze? Keine Badewanne?« »Nein, nur noch ein Bett.« »Mann Gottes, ein Bett?« »In einem Vierbettzimmer«, sagte der Pförtner. Ich sagte mir, schlecht geschlafen ist besser als jede Mitropa, und nahm das Bett.
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> >Siehste - so sorgt unsere Reichsbahn dafü.r, daß unsere Werktätigen den Urlaub in vollen Zügen genießen können«
Meine drei Zimmergenossen waren bereits anwesend. Der eine, ein kleiner Dicker, putzte sich eben die Zähne, gurgelte dabei wie ein Wasserfall und schnaufte, daß er durchaus den Eindruck eines begabten Schnarchers machte, der für die Nacht das Schönste erwarten ließ. Der zweite war ein seriöser Herr. Leider hinderte ihn das nicht daran, dauernd zur Toilette zu laufen. Er entschuldigte sich jedesmal wegen seiner erkälteten Verdauung und errötete heftig und schamlos, was seinen Magen aber nicht weiter störte. Dazu erzählte der dritte schnell, aber laut - obwohl ich keineswegs prüde, sondern mit einem unserer bekannten Conferenciers weitläufig bekannt bin. »Ach«, sagte der Witzeerzähler, »das stört Sie, Männeken? Dann
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warten Sie mal ab, was ich erst im Schlaf alles von mir gebe. Ich habe mal mit einem geschlafen, der war hinterher drei Tage lang taub und von Beruf Ohrenarzt. Was sagen Sie nun?« Ich sagte, ich würde häufig von entsetzlichen Träumen geplagt. »Normalerweise gerate ich dreimal nächtlich in eine wilde Affenherde und steche dann lebensgefährlich um mich.« Dabei holte ich beiläufig mein Messer aus der Tasche, legte es auf den Nachtschrank und bemerkte seufzend: »Das bringt der Beruf eines Raubtierwärters so mit sich.« Der Witzeerzähler ging beleidigt aus dem Zimmer. Auch die andern beiden beendeten ihre Abendtoilette und entfernten sich nacheinander. Ich war allein, aber ich würde nicht lange allein bleiben. Nach ein, zwei Stunden waren alle drei gewiß wieder da, und es würde eine Nacht beginnen, vor der mir schon jetzt in den schrecklichsten Farben graute. Als ich meinen Widerwillen reichlich genährt hatte, schien mir eine durchbummelte Nacht weniger anstrengend, bestimmt ober amüsanter zu sein als der Aufenthalt unter drei schrecklichen Männern in einem einzigen Zimmer. Ich ging. Draußen herrsch. . . .. te ein emsiger Herbst und ließ das heruntertröpfeln, Wir s1~d ein kul.t1v1ertes Haus, welwas man auch in einer regen Stadt einen Landregen ches einen Schlips verlangen muß. nennt. Ich wartete auf die Straßenbahn, bis meine Grippe perfekt war. Dann gewann ich allmählich den Eindruck, die Kollegen von der Berliner Linie 74 müßten zur Hilfe in die Festspielstadt geschickt worden sein. Ich nahm ein Taxi. »Zum Elbeschlößchen, bitte.« Ich hatte einen tüchtigen Fahrer erwischt. Als wir anlangten, war er der Meinung, ich hätte vierzehn Mark zu bezahlen. »Für dieses Stückchen? Das ist ja unerhört!« Er entschuldigte sich, rechnete nach und hatte sich geirrt. Es machte siebzehn Mark. Ich sagte: »Streiten wir nicht, ein Trinkgeld haben sie jedenfalls verwirkt.« Das störte ihn aber nicht, weil er auf meine zwanzig Mark ohnehin nicht herausgeben konnte. Immerhin, man soll nicht geizen, wenn man die Nacht sonst mit einem schnarchenden, einem phantasierenden und einem dritten Mann verbringen müßte, dessen Verdauung erkältet ist. Der Herr, der im Elbeschlößchen den Einlaß besorgte, war sehr aufmerksam. Er entdeckte sofort, daß ich zwar ein solides Strickhemd, aber keinen Schlips trug, wogegen sein buntes Sporthemd mit einer gelben Krawatte dezent untermalt war. »Denn wir sind ein kultiviertes Haus, welches einen Schlips verlangen muß«, sagte er. »Wir leben ja nicht mehr im Jahre sechsundvierzig.«
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»Sandern im entfalteten Aufbau des Sozialismus«, sagte ich, »der nicht zu machen ist, wenn man in Tanzlokalen keinen Schlips umhat.« »So ist es. Ohne Schlips hat der Mensch keine Moral beim Tanzen.« Ab fünf Mark war der Herr langsam bereit, meine Moral zu stützen. Er kramte eine Krawatte hervor, die mich ausgezeichnet verschandelte, und ich sagte: »Danke.« »Es macht zehn Mark«, sagte er. Nein, ausleihen dürfe er Schlipse nicht, das wäre schon wegen der Hygiene in diesem kultivierten Haus ganz unmöglich. Angesichts der Schmutzflecke auf meinem neuen Schlips und eines geradezu hübschen Mädchens, das eben eintrat, gab ich ihm recht. Auf einen Geldschein kam es nun wirklich nicht mehr an, wenn ich die nächsten Stunden statt in jenem gräßlichen Zimmer angenehm in diesem kultivierten Hause verbringen durfte. Das geradezu hübsche Mädchen war übrigens auch dieser Ansicht, denn es trank am liebsten weißen BorGegen Morgen setzte mein Erinnedeaux oder Sekt. Sie tanzte gut, war verlobt und hatte anregende Beine, was sich vornehmrungsvermögen wieder ein. lich unter dem Tisch bemerkbar machte. Ihr Verlobter, sagte sie, sei Steuermann bei unserer Fischfangflotte. Er mußte sie häufig allein lassen. Das schmerzte sie, und wir einigten uns darauf, daß der geteilte Schmerz nur noch ein halber sei. Auch als ihr Verlobter seinen Fangplan vorfristig erfüllt hatte und kam, als wir gehen wollten, erwies sich diese Philosophie als richtig, denn er behandelte uns beide gleichermaßen rauh wie das Meer. Gegen Morgen setzte dann mein Erinnerungsvermögen wieder ein. Zu dieser Zeit wurde ich der Mitropa verwiesen, nicht weil ich die Leute mit unzüchtigen Witzen ermuntert hatte, die von einem Elefanten und einer Maus handelten, sondern weil es der Bahnpolizei nicht gefiel, daß ich ohne Fahrkarte in einem halbleeren Warteraum saß. Nach einer gewissen Wiederherstellungsperiode erinnerte ich mich unseres Vierbettzimmers und daß ich trotz allem noch froh sein konnte. Ich beschloß, mich im Hotel wenigstens noch zu waschen und zu rasieren und meine Sachen abzuholen. Als ich das Zimmer betrat, gähnten mich drei aschfahle, völlig übermüdete Gestalten an. Sie mußten wirklich eine schreckliche Nacht hinter sich haben. »Na, wohlgemht?« fragte ich. »Wohlgezecht«, sagten sie und wiesen wortlos auf die vier Betten, die sämtlich unbenutzt waren.
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Ralph Wiener
»So, Kollegen«, sagte der Reiseleiter, »heute brechen wir zeitig auf. Es geht zum Wackelstein!« »Zum Wackelstein?« fragte Ema Bloßfeld, die eine gewisse wissenschaftliche Neugierde niemals verbergen konnte. »Warum heißt der denn >Wackelstein« Reiseleiter Sehunke setzte seine würdigste Amtsmiene auf. »Aber Kollegen, das sagt doch schon der Name: Es ist ein Stein, der bei aller Größe, die er besitzt - auf ihm können nämlich zirka zwölf Personen stehen-, beständig wackelt.« »Den müssen wir sehen!« riefen begeistert die Touristen aus und standen fünf Stunden später vor dem seltsamen Naturdenkmal. Albert war der erste, der sich emporwagte. Das war nicht so einfach, denn es war frischer Schnee gefallen, und die steilen Steinflächen hatten durch vorhergegangenen Frost eine beachtliche Glätte gewonnen. Als Albert oben angelangt war, wackelte er selbst zwar sehr merklich; der Stein jedoch stand wie eine f Eiche. »Bei einem Mann Belastung wackelt er noch nicht!« erklärte sachkundig der Reiseleiter. »Da müssen schon mehrere hinauf!« Albert zog Ema nach oben. Fast. Denn kurz vor dem Ziel rutschte sie aus und landete zu Füßen ihrer Kollegen. Jetzt machten sich drei beherzte Männer an den Aufstieg. Sie stützten sich gegenseitig und standen schließlich neben Albert. Der Wackelstein rührte sich nicht. »Ihr müßt mal springen!« riet Reiseleiter Sehunke. Die Männer sprangen. Sie sprangen sogar gleichzeitig. Aber es half nichts. Der Reiseleiter atmete schwer. »Versucht' s mal auf der anderen Ecke!« Aber auch die andere Ecke zeigte kein Erbarmen. »Wrr sind zu wenig!« verteidigte Albert die Position seines Quartetts. »Die Belastung muß größer werden!« Wohl oder übel versuchten die übrigen Touristen, den Stein zu erklimmen.
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Nach einer halben Stunde hatten sie es geschafft. Nur Ema war wieder ausgerutscht. Resigniert blieb sie unten. »Alles hört auf mein Kommando! « schnarrte der Reiseleiter. »Wrr stellen uns auf die äußerste Kante und springen bei >drei< gemeinsam in die Höhe. Eins, zwei, drei!!« Die acht Leute sprangen, was die Beine hergaben. Fast gleichzeitig kamen sie auf. Der Wackelstein wackelte nicht. »Schweinerei!« fluchte Reiseleiter Sehunke. »So foppt man die Touristen!« »Ist das überhaupt der Wackelstein?« fragte Albert skeptisch. »Natürlich!« erwiderte der Reiseleiter. »Es steht deutlich auf der Karte. Und da unten ist ja auch ein Hinweisschild!« »Sonderbar«, murrten die Touristen und sprangen noch einmal in die Höhe. Plötzlich hörten sie von unten Ema Bloßfeld laut auflachen. »Was lachst du denn so dämlich?« rief Albert wütend hinunter. Aber Ema konnte sich nicht halten. Sie hatte am Wackelstein unter dem Schnee eine Inschrift entdeckt, welche lautete: Zum Gedenken an den Heimatforscher Friedrich August Wackel
1744-1812 Untersuchung vor dem Start: Im Mittelpunkt steht der Mensch! • '
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Erwin F. B. Albrecht
Die Sonne schien spätsommerlich warm, und die Luft roch nach Grummet, Wald und Bratkartoffeln, als Emmerich Krampe und Frau Hermine das Gartenlokal »Zum Heidereiter« betraten. Obwohl die Kirchturmuhr im nahen Dorf noch nicht zwölf geschlagen hatte, war der Zustrom der Ausflügler bereits erheblich, und nur mit Mühe ergatterte das ältliche Ehepaar noch einen freien Tisch im Schatten. In den Gängen tauchte bald hier, bald da eine weiße Jacke auf, in der ein beweglicher kleiner Mann von etwa fünfzig Jahren steckte. Schon jetzt perlte, während er große Tabletts mit Gläsern und Flaschen schleppte, Speisen servierte, Bestellungen entgegennahm und Auskünfte erteilte, Ich fliege schon, meine Dame, um der Schweiß auf der Stirn unter dem grauen Schei- Sie zufriedenzustellen. tel. Aber mit gleichbleibender Höflichkeit und einer anscheinend unerschöpflichen Geduld ausgestattet, bediente Kellner Ferdinand seine Gäste, trug auf, räumte ab, notierte, kassierte und half zwischendurch neuen Ankömmlingen aus dem Mantel oder einem hingefallenen Kind auf die Beine. Jetzt gewahrte er auch die Signale des Ehepaars Krampe an dem etwas abseits gelegenen Tisch Nr. 22. »Einen Augenblick bitte, meine Herrschaften, ich komme gleich.« Und er kam wirklich gleich. »Guten Tag, meine Herrschaften, willkommen im >Heidereiter<. Haben Sie schon gewählt? Oder darf ich etwas empfehlen, einen delikaten Entenbraten mit Rotkohl oder ein schönes Schnitzel mit Blumenkohl oder ne Bockwurst mit Salat?« »Essen nich«, erklärte Krampe, »wir wollen bloß was trinken.« »Aber bitte schön, mein Herr. Was darf es sein?« Nanu? Der Kellner blieb freundlich, obwohl man keine große Zeche machen wollte? Argwöhnisch blickte Krampe auf. »Was haben Sie denn zu trinken?« »Pilsner Bier, helles Bier, Malz, Brause, Selters? Oder vielleicht für die Dame einen Kaffee?« Er verwies einen also nicht mal auf die Getränkekarte, die neben der Speisekarte auf dem Tisch lag? »Also sagen wir mal zwei Helle«, entschied Krampe. »Und recht schön kühl«, ergänzte die Gattin. »Aber nicht zu kalt«, schränkte Krampe ein. Und noch immer blieb der Kellner ruhig, scherzte sogar: »Zwei Helle nach Maß, bitte sehr, bitte gern.«
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Krampe wurde unsicher. Und um sich wieder mehr Halt zu geben, meckerte er jetzt bewußt: »Aber bitte nich soviel Schaum!« Darauf der Kellner: »Aber nein, mein Herr, wir wissen ja, daß Sie sich damit nicht rasieren wollen.« Und jetzt, aus dem gleichen Gefühl wie der Gatte, meckerte auch Frau Hermine: »Und bitte recht schnell, wir haben großen Durst!« Und wieder der Kellner: »Ich fliege schon, meine Dame, um Sie zufriedenzustellen, obwohl dies, ehrlich gesagt, gar nicht mein Revier ist. Aber mein Kollege ist noch nicht angetreten.« Nicht sein Revier? Sprachlos, kopfschüttelnd, mit allen Anzeichen völliger Verständnislosigkeit sahen Mann und Frau sich an, bis Krampe sich entschloß: »Komm, Hermine, wir jehn. Der will uns uffn Arm nehmen.«
Laßt mich den Winterurlaub preisen: Der Mensch soll nicht nur sommers reisen! Wenn wir den Urlaub recht betrachten, so stelln wir unumwunden fest: Es ist durchaus nicht zu verachten, wenn man die andern reisen läßt.
Kein Reichsbahnstehplatz und auch keine Konzert- und Gastspieldirektion. Daheim jedoch hat man das eine: Die Ruhe als gerechten Lohn.
Kein schauerliches Regenwetter, •• kein Arger mit der Nacktkultur, kein liebestoller Seelenretter und auch vom Strandfunk keine Spur.
Hier hat er dies und das vergessen, dort hat er jenes nicht bestellt. Wer Urlaub hat, wird unterdessen daheim ein negativer Held.
Man kann, ist man daheim geblieben, mit wenig Mühe und Geduld fast alles auf den Urlaub schieben; denn wer in Urlaub ist, hat schuld.
Doch leider hat die Praxis Lücken. Die Nebel wehn, der Herbst ist nah. Jetzt kann man sich vor nichts mehr drücken; denn jetzt sind alle wieder da.
Drum soll man nicht nur sommers reisen. Ich lob euch Rodelsport und Schi, Laßt mich den Winterurlaub preisen! Ich selber aber reise nie. Ulrich Speitel
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Ein Schotte, ein Russe und ein DDR-Bürger werden gefragt, welches Getränk sie mit in die Sahara nehmen würden. Der Schotte sagt: »Eine Flasche Wbiksy.• Der Russe: »Eine Flasche Wodka.• Der DDR-Bürger sagt: »Eine Tasse Kaffee und eine Tageszeitung.« Alle wundem sich und verlangen eine Erklärung. Da sagte der DDR-Bürger: •Ich trinke einen Schluck Kaffee, lese den Leitartikel. da kommt mir der Kaffee wieder hoch ... «
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H. J. Stein
Es gibt in Berlin einen Bahnhof, da steht an einem einfachen Wasserbecken folgender emaillierter Hinweis: »Kein Trinkwasser! Jede Verunreinigung sowie, mißbräuchliche Benutzung der Wasserleitung ist verboten und wird bestraft!« Mich quält die weltbewegende Frage: Wie benutze ich eine Wasserleitung mißbräuchlich? Wasser, schön und gut, kann ich mißbräuchlich beispielsweise benutzen, um den Stationsvorsteher vollzuspritzen. Oder um Frau Habermann die Gummigaloschen vollzufüllen. Oder um soviel Wasser zu trinken obwohl das ja verboten ist -, bis ich platze und auf dem Bahnsteig liegenbleibe. Wasser, wie gesagt, kann ich andauernd »mißbräuchlich benutzen«. Aber die Leitung? Ich habe lange darüber nachgesonnen, wie man eine einfache, reichsbahneigene Wasserleitung aus Messing mißbräuchlich benutzen kann. Etwas Rechtes ist mir nicht eingefallen. Man könnte den Daumen auf der Leitung haben - aber das ist ja nichts Neues. Man könnte die Leitung auch einfach klauen, aber das wäre ja wieder kein Mißbrauch, sondern Diebstahl. Es ist schon ein Elend auf den deutschen Bahnhöfen mit diesen Hinweis-, Gebots- und Verbotsschildern. Lese ich doch unlängst: »Halt! Ende des Bahnsteiges!« Ja, zum Donnerwetter. welcher Mensch sieht denn nicht, daß der Bahnsteig an dieser Stelle zu Ende ist? Meistens stammen all diese Schilder noch aus der Zeit, da eine Königlich-Preußische Eisenbahndirektion einem Volk von Halbirren die Grundbegriffe des Reisens beizubringen gedachte. Da unsere Reichsbahn offenbar an der Tradition festhalten will, seien ihr noch einige Tips gegeben. Gut zum Beispiel wären an den Bahnsteigkanten Schilder: »Achtung! Bahnsteigkante! Ohren anlegen! Hier fährt der Zug ein!« Schön wären auch Schilder wie: »Das Bewandeln der Gleiskörper bei Einfahrt des Zuges ist bahnamtsärztlicherseits untersagt!« Oder: »Das unbefugte Betasten der Stromschienen sowie das Inhalieren der daraufhin erfolgenden elektrischen Schläge ist Zivilpersonen nicht erlaubt!« Oder: »Das Wegnehmen der Dienstmütze des Stationsvorstehers ist bei Strafe verboten!« Mein schönstes Erlebnis hatte ich auf einem kleinen norddeutschen Bahnhof. Auf der dortigen Station mahnte ein Schild in ehernen Lettern: »Nicht auf den Boden spucken!« Keiner tat es. Nur der Stationsvorsteher.
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John Stave
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Wrr Kleingärtner von der ehemaligen Kleingartenanlage »Frisch voran« vormals »Königin Luise«, erinnern uns heute noch gerne an unser letztes Erntefest, weil es damals einen sogenannten Zwischenfall gegeben hat. Die Angelegenheit betraf den Gartenfreund Eduard Frommholt sowie den Nicht-Gartenfreund Willi Schieske, obwohl die beiden zwar nicht direkt verwandt, aber eventuell etwas verschwägert waren! Ich muß jetzt allerdings ein bißchen weiter ausholen, damit der Kern des Zwischenfalls besser herausgearbeitet werden kann. Die Sache war die, daß unsere verehrte Gartenfreundin Emma Bullrich, die eigentlich aus Bad Salzun:„ gen stammte, ganz unerwartet ihre Augen schloß und auch nicht mehr aufmachte. Aber dieses Vorkommnis hatte sie offenbar nicht sonderlich überrascht, weil sie rein testamentmäßig Herrn Eduard Frommholt z11m Alleinerben ihrer Parzelle samt Laube und sonstigem Zubehör eingesetzt hatte. Eduard Frommholt, das war so ein .• Einzelgänger. Er war unverheiratet, • wohl auch schon Rentner, aber noch als Chefpförtner in der volkseigenen Gummifabrik beschäftigt. Hin und wieder, wenn ein besonders schöner Tag war, saßen Emma Bullrich und Eduard Frommholt Hand in Hand vor der grün angestrichenen Laube auf der Bank und sahen zu, wie die Tomaten rot wurden. Der Kollege Schieske war aus ganz anderem Holz geschnitzt. Er war, konnte man sagen, ein Berserker. Kreuz wie ein Kleiderschrank, von Beruf Kohlenträger, Vater von drei Kindern und leiblicher Neffe von Frau Emma Bullrich. Aber die Tante konnte den Neffen nicht ausstehen, weil der Wtlli immer nur zur Erntezeit aufkreuzte, und zwar mit seiner ganzen Blase, also mit den drei Kindern und seiner etwas dik•
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>>Aber Kollege Verkaufsstellenleiter! Die lagen doch übers Wochenende draußen auf'm Hänger!<<
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ken Frau, die in den schönen alten Korbstuhl von Tante Emma tadellos reinpaßte, jedoch nur schwer wieder herauszukriegen war. Dieser Willi Schieske machte im Garten der Tante keinen einzigen Finger krumm, im Gegenteil: Er trank sogar den letzten Sommer über eine ganze Gallone Rhabarberwein aus, den die Tante selbst angesetzt hatte! sehr eifrig im Garten. Sie Hingegen betätigten sich die Kinder •• zertraten die Beete, brachen Aste von den Obstbäumen und zertrümmerten einmal sogar das von Eduard Frommholt mit soviel Liebe errichtete Klosett! Wenn die Familie Schieske auf dem Grundstück von Emma Bullrich weilte, wurde Eduard Frommholt nie vorgezeigt. Erst nach Abzug der Schieskes stellte er sich wieder ein, beseitigte die Trümmer und harkte den Garten sauber. Doch Schieskes wußten, was hier gespielt wurde, zumal ihr mittleres Kind einmal beim Spielen unter dem Bett der Tante ein paar männliche Hosenträger entdeckt hatte ... Und Schieskes ahnten sogar, daß ihnen die Parzelle einmal, wenn es soweit war, durch die Lappen gehen würde. Möglich, daß sie deswegen wie die früheren Vandalen hausten, damit sie wel nigstens etwas von dem Grundstück haben konnten. Kurz und gut: Die Frau Bullrich war nun tot, und das Grundstück in unserer Kleingartenanlage »Frisch voran« vormals »Königin Luise« wurde von Eduard Frommholt sozusagen verwaltet. Ich komme jetzt gleich auf den sogenannten Zwischenfall, den ich zum Anfang nur kurz andeutete, zu sprechen. Die Sache war die, daß es eine alte Tradition gab, und zwar noch von »Königin Luise« her. Es handelte sich um den größten Kürbis der ganzen Kolonie, also Anlage. So eine Kleingartenanlage hat übrigens - das möchte ich bei der Gelegeneit einmal einfließen lassen - umweltfreundlichen Charakter und sollte deshalb erhalten bleiben, obwohl diese Einsicht für »Frisch voran« ein bißchen zu spät kommt! Leider. Jedenfalls war bei diesem Wettbewerb Emma Bullrich immer gut im Rennen gewesen. Dreimal hatte sie sogar die Siegestrophäe davangetragen. Einmal bekam sie ein Heizkissen, dann einen Sumatic-Wecker und ferner einen Zimmerspringbrunnen, der heute in der Stadtwohnung von Eduard Frommholt sprudelt.
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> >Du dumme kleine Uhr, gehst schon wieder zehn Gramm vor!<<
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Wenn wir im Vorstand über die Kürbisse im allgemeinen sprachen, da gab es stets die einhellige Meinung, daß Emma ihre am schönsten waren. Auch diese Tatsache war der Familie Schieske nicht verborgen geblieben! Nun war es klar, daß der Alleinerbe Frommholt die Erfolgsserie von Emma Bullrich fortsetzen wollte. Und so sah man, als es Mai wurde, den guten Eduard hinter dem Häuschen, also nicht hinter der Laube, wie er die Kürbiskerne sorgfältig in die Erde steckte. Er hatte sie vorher in Blumentöpfen etwas keimen lassen, weil Emma Bullrich es auch so gehalten hatte. Das war überhaupt die Grundlage ihrer Erfolge, daß s ie Pferdemist in zirka SO Zentimeter tiefe Löcher tat, mit einer etwa 20 Zentimeter dicken Schicht Mistbeeterde bedeckte, und darin die vorgekeimten Kerne versenkte. Aber so sehr sich Eduard Frommholt auch mühte: kein Kürbistrieb ließ sich blicken. Gartenfreund Frommholt überlegte lange, was er falsch gemacht haben könnte, doch er kam nicht dahinter. Erst nach einer ganzen Weile - es war schon Ende Juno, und in der Anlage hatten Hunderte von Kürbissen das Licht der Welt erblickt- kam Eduard Frommholt auf den Trichter. Dieser verdammte Bösewicht und Nicht-Gartenfreund Schieske hatte nachts die Kürbiskerne ausgegraben und in die vorschriftsmäßig gedüngten Löcher zusätzlich auch noch Unkraut-Ex gestreut! Das mit dem Unkraut-Ex kam erst später bei der Verhandlung zutage, als der Vorstand dem Kollegen Willi Schieske und seiner ganzen Sippschaft ein Anlagenverbot erteilte. Doch nun geschah das Wunder! Trotz der frevelhaften und verabscheuungswürdigen Tat dieses Kollegen Sch. steckte eines Tages an dem betreffenden Tatort ein kleiner Kürbis seinen Kopf aus dem Boden, und nach ein paar Tagen konnte man ihn mit bloßem Auge von der Straße aus hinter dem Häuschen rotgelb hervorlugen sehen! Das brachte Willi Schieske, der mit einem künstlichen Schnurrbart und einer ebensolchen Brille verkleidet an der Frommholtschen Parzelle vorbeischlich, völlig aus dem seelischen Gleichgewicht. Und so dachte er sich eine neuerliche Hundsgemeinheit aus .. . Ich will jetzt gleich zu dem sogenannten Zwischenfall kommen und deshalb nur kurz erwähnen, daß der Kürbis unseres Gartenfreundes Eduard Frommholt das größte und schönste Melonengewächs der ganzen Kleingartenanlage »Frisch voran« vormals »Königin Luise« wurde! Und dann kam der Tag des Erntefestes. Die Sonne schien, die
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Im Bahnhofsrestaurant: »Herr Ober, ich kaue schon 20 Minuten auf diesem Schnitzel herum.« »Sie können ruhig weiterkauen, mein Herr, Ihr Zug hat 40 Minuten Verspätung.«
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Spatzen tirilierten, die Parzellisten hatten ihre Sonntagsanzüge angezogen, und alle waren aus dem Häuschen. Hinter der Blaskapelle schritt der Vorstand. Es war eine schöne Tradition, daß der größte Kürbis der Anlage, in diesem Fall »Frisch voran«, an Ort und Stelle ausgezeichnet wurde. Die Kapelle wußte schon von ganz alleine, wo sie haltmachen mußte: bei Emma, Nachfolger Eduard. Von demselben war jedoch keine Spur zu sehen, aber die Gartenpforte stand weit offen. Ein mächtiger Kürbis lachte den Weg herunter, der von umgedrehten leeren Flaschen gesäumt wurde. Beinahe hatte man den Eindruck, der Kürbis sei über Nacht noch um beträchtliche Zentimeter gewachsen. Vor der offenen Pforte hielt die Blaskapelle an, und der Vorstand wartete, daß Gartenfreund Frommholt zur Begrüßung herauskommen sollte. Aber er ließ sich nicht blicken. Statt dessen trat der von mir schon lange ange, kündigte sogenannte Zwischenfall ein! Plötzlich teilte sich das Gebüsch, und eine dunkle Gestalt mit Schnurrbart und schwarzer Brille schoß heraus und drang in das Grundstück des Gartenfreundes Frommholt ein. Die Gestalt zog unter dem Umhang einen schweren eisernen Knüppel hervor und holte zu einem gewaltigen Hieb auf den Stolz der Kleingarten-Anlage aus. Den Zuschauern stockte der Atem. Einige hielten sich in Erwartung eines unangenehmen Geräusches die Ohren zu. Dann sauste der Knüppel nieder. Aber es war kein Bersten der Riesenfrucht zu hören. Es machte vielmehr »plong« oder »dang«. Der Knüppel wurde dem Attentäter aus der Hand geschlagen, und dieser stand einen Augenblick lang ganz verdutzt oder verdattert da. Dann heulte der Kollege Schieske wütend auf, stürzte sich auf die Spezialanfertigung aus der Gummifabrik und schleuderte den Ball von 1,20 Meter Durchmesser gegen den Vorstand und die Blaskapelle. Der Ball landete jedoch auf dem Stacheldraht des Gartenzaunes und zerplatzte. So denken wir noch heute gerne an diesen sogenannten Zwischenfall zurück, obwohl wir im Grunde selbst die Leidtragenden oder Hereingefallenen waren. Und es ist ja auch im Protokoll festgehalten, das von der betreffenden Verhandlung angefertigt wurde. Genau wie der Ausspruch unseres Vorsitzenden, des Gartenfreundes Siegfried Trautmann, der haargenau des Pudels Kern traf: »Der liebe Gott läßt die Kürbisse nicht in den Himmel wachsen!« Willi Schieske hieß er mit bürgerlichem Namen.
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Höher, schneller, weiter
Erwin F. B. Albrecht
»Wir begrüßen jedes Mitglied«, empfing mich der Trainer der »Gemeinschaft Deutscher Sportzecher«, Herr Gastwirt i. R. Christoph Glucker, »das unserem schönen Sport den nötigen Ernst entgegenbringt. Witzbolde, Trudelheinis und Suffköppe haben bei uns nichts zu suchen.« »Aber das Zechen«, wollte ich, stolz auf meine Kondition, ihn unterbrechen, »dient doch eigentlich auch der -« »Das Zechen zerfällt in drei Disziplinen«, belehrte der Trainer mich, »a) Flasche, b) Molle und Schnaps, c) Universal.« Ich leckte mir unwillkürlich die Lippen. »Der Kampf geht selbstverständlich immer blind vor sich«, fuhr der Experte fort, »da es unser sportliches Ziel ist, den Bierdekkel ohne Zuhilfenahme der Augen möglichst zentral zu treffen.« »Macht nichts», dachte ich, »es schmeckt auch blind.« »Der Turnierdeckel ist dann natürlich etwas kleiner als der •• Ubungsdeckel«, erklärte Glucker, »aber ehe Sie in die Meisterklasse kommen, wird ja noch einige Zeit vergeDer Vorstand blieb hart, bedrohte hen. Wir treffen uns sonnabends um 20 Uhr, der jeden renitenten Aktiven mit Beitrag beträgt monatlich zwei Mark. Wenn Sie sofortigem Ausschluß. also Lust haben ... « Natürlich hatte ich Lust, bei dem Beitrag! »Also dann auf morgen um acht in der Turnhalle«, sagte der Zechtrainer, »und in Sportkleidung.« Nachdem ich mir am nächsten Abend im »Anker« ein zünftiges Eisbein einverleibt hatte, war ich pünktlich zur Stelle, nahm unter etwa zwölf Sportfreunden Platz und ließ mir, berstend vor Spannung, zu einem Probetest die Augen verbinden. Vor mir lag der Bierdeckel, einer drückte mir ein Glas in die Hand, ich wollte ansetzen ... »Nicht so hastig«, rief mir jemand vom Vorstand zu, »es wird alles gewertet, Glasführung, Lippenansatz, Gesamthaltung, Schluckvolumen, Mundwischen mit der Hand bedeutet Disqualifikation. Und nun Achtung, auf >los< gehts los. Los!« Ich setzte an, trank ... und stellte das Glas entsetzt zurück, natürlich daneben. Es enthielt Wasser. Kohles, labriges Leitungswasser. War ich das Opfer eines Scherzes geworden? Aber nein, niemand lachte. Nur der Gerätewart ließ sich, während er mir die verrutschte Binde zurechtrückte, mahnend vernehmen: »Du hast doch hoffentlich nicht gedacht, daß hier gesoffen wird? Los, starte!« Ich hätte es nicht für möglich gehalten - mit der Zeit begann die Sache mir Spaß zu machen, ja, mein sportlicher Ehrgeiz er-
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wachte, und bei den bald darauf stattfindenden Vereinsmeisterschaften gelang es mir sogar, in der Flaschendisziplin mit dem Titelhalter punktmäßig gleichzuziehen. Aber mehr noch. Ich wurde ein Wasserfeinschmecker und riß meine Sportfreunde auf diesem Wege mit. Gegenseitig brachten wir uns Kostproben des heimischen Wassers, beurteilten sie nach ihrem Bouquet und der Süffigkeit und erfreuten uns bald einer Gesundheit, wie nur echter Sport sie verleiht. Da begannen sich in der Gemeinschaft erste Anzeichen einer Krise bemerkbar zu machen. Ein Vorstandsmitglied behauptete fest, er bemerke eine Umformung seines Kopfes in einen Wasserkopf, einem Sportfreund lief dauernd das ::;;;;„~--r:=:._-::=. :::: :::.:= _:::::= ._~ .- -~· -~ ·- ~-===~ Wasser im Mund zusammen, ein anderer wollte „.= · ==--.„... · ~ wiederholt ins Wasser gehen, und bei der Vereinssekretärin zogen auf einmal die Strümpfe Wasser. Unser Trainer behauptete, ihm wüchsen Schwimmhäute, und ich begann bei unseren Trainingsabenden zu tauchen, wenn auch nur unter den Tisch. Der Vorstand schritt zur Tat. »Wegen ·' - Übertrainierung«, beschloß er, »werden die Ver' sammlungen zwecks Ausgleichssport auf Kosten 1 --der Mitglieder in den >Anker< verlegt. Sportklei----- ·idung und Augenbinden kommen in Fortfall. Als , - - ·· I "'"' Ubungsgetränk dient Pilsner.« r - ~~ /' Wir Mitglieder wehrten uns mit Händen und 1 I I , 1 Füßen, wir baten um Pfefferminztee, wir schlu>>Nein, ich habe hier in gen Malzkaffee vor - vergebens. Der Vorstand blieb hart, bedrohte jeden renitenten Aktiven mit sofortigem der Nähe noch keinen Berg gesehen.<< Ausschluß und suchte uns durch die Ausschreibung eines Pilsnerzehnkampfes abzulenken. Seitdem können Sie uns jeden Sonnabend im »Anker« beim Ausgleichssport sehen. Hart wie wir sind, würgen wir in tadelloser Haltung das widerliche Bier hinab. Sport ist nun einmal kein Zuckerlecken, und zuweilen bringen wir sogar das Opfer, den Turniervorschriften entsprechend auch noch fröhlich »Ein Prosit der Gemütlichkeit« zu singen. Nach drei, manchmal auch vier Stunden härtesten Trainings erst, bisweilen sogar noch später, pflegt unser erster Vorsitzender das erlösende Wort zu sprechen: »Schlußpfiff, Freunde! Und weil ihr alle so gut in Form seid, gehen wir jetzt noch auf ein Stündchen in die Atlantikbar hinüber. Sie hat das beste Wasser.« Und darin hat unser Vorsitzender recht. Das Wasser ist dort von geradezu kristallener Klarheit und hat ein hocharomatisches Bouquet. Sie nennen es Kirschwasser. „ · -- -
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Der erfolglose Mittelstürmer der DDR-Nationalmannschaft steht im Himmel vor Petrus. Fragt der ihn ganz erstaunt: »Wie hast du denn das Tor gefunden?«
Am ersten Tag nach Saisonbeginn haben wir unsere erste diesjährige Niederlage, die eine sehr empfindliche ist, hinnehmen müssen. Unser Gegner war recht schwach. Wir konnten diese Niederlage nur erreichen, indem wir noch einen Zahn schwächer waren. Wir werden aus dem verlorengegangenen Spiel lernen und eine Auswertung vornehmen! Nach der ersten Niederlage haben wir nun die zweite an unsere Klubfahne heften müssen. Der einzige Trost ist, daß wir den gegnerischen Torsteher förmlich an den Rand des Einschlafens gebracht haben, was noch keiner Mannschaft vor uns gelungen ist. Trotzdem ist an dem empfindlichen Endresultat von 6:0 leider nichts zu ändern. Die von uns vorgesehene Auswertung wird bestimmt wertvoll sein! Das war ein Sonntag! Allein unsere Niederlage dem Dunst in der Halle in die Schuhe zu schieben wäre unfair. Vielleicht war die Umstellung nach der Halbzeit die Wurzel des 10:0Fiaskos. Die Aussprache vor dem Kollektiv wird uns weiterhelfen. Wir sind schon alle sehr gespannt. Heute war wohl der bisher dunkelste Sonntag für uns! 12:0 ist kein Pappenstiel! Die Brüder vom SC »Heimatklang« sollten sich aber nicht allzuviel einbilden! Immerhin haben wir ebenfalls zwei Treffer erzielt. Wenn auch ins eigene Netz. Auch dieses Spiel wird Thema unserer Aussprache sein. Gestern abend fand die mit Spannung erwartete Aussprache statt! Diese Auswertung wurde etwas vorgezogen, weil der Kreis nach dem letzten Spiel darauf drängte. (Da der Ball von der 59. Minute ab in der Zuschauerkulisse verschwunden war, ließen wir - das muß offen ausgesprochen werden - dem Gegner mal wieder keine Chance, seinen knappen 10:0-Vorsprung weiter auszubauen!) Die Kritik unseres Trainers Karl Matzke an den bisher gelieferten Spielen war aufschlußreich. Als beste Spieler unserer Hallenhandball-Mannschaft bezeichnete er die Sportfreunde Meier, Schulze, Lehmann, Krause, Ellrich, Sutter, Buttermann sowie die Auswechselspieler Veith, Sack, Utikal, Karbinkel, Rupps und Fliederbusch.
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Rudi Strahl
oroisto In den letzten Tagen des Jahres wurde mir eine große Ehre zuteil: Ich durfte den weitestgereisten Mann unseres Landes interviewen! Er hat in den vergangenen zwölf Monaten eine Strecke zurückgelegt, die etwa dreimal um den Äquator reichte; außerdem aber war er an verschiedene Punkte des Erdballs gelangt, die zur Zeit seines Aufenthalts gerade Brennpunkte des Weltgeschehens waren. »Wer also wäre berufener als Sie, verehrter Meister«, sagte ich, »unsern Lesern ein paar Worte über das zu sagen, was sich in Ihrer eigenen Rückschau - als das Wesentlichste des vergangenen Jahres erwiesen hat?« Er meinte schlicht, daß dazu wohl niemand kompetenter wäre. Und wo er, beispielsweise, beginnen sollte. »Nun«, sagte ich, »in Afrika beispielsweise, jenem Erdteil der ... « Ja, ja, sagte er, ,,ich weiß schon - in Afrika also. Also das war so: Ich wurde, wie immer, in die Nationalmannschaft berufen und flog ruhigen Herzens hin nach Afrika, denn ich hatte mich, wie immer auf meine Starts sorgfältig vorbereitet. Am Tage des ersten Wettkampfs jedoch ... « »Verzeihung, Meister«, sagte ich, »Ihre rein sportlichen Erlebnisse und Erfolge haben wir ja seinerzeit schon erfahren und gewürdigt. Das heißt ... «Er schien ein bißchen gekränkt, daß ich ihn unterbrochen hatte, denn er runzelte die Stirn und fragte: »Das heißt was?« »Das heißt«, sagte ich vorsichtig, »daß wir darüber eigentlich nicht mehr zu reden brauchten ... « Aber ich schien doch nicht vorsichtig genug gewesen zu sein. Seine Stirnfalten vertieften sich zusehends, und anklagend murmelte er: »Aha. Darüber brauchen wir nicht ... Ja, der Ruhm ist vergänglich! Aber damals, als ich gewonnen habe ... « »Und wie Sie gewonnen haben!« rief ich. »Glauben Sie mir, Genosse, die dankbare Nation wird es Ihnen nie vergessen! Ich meinte ja auch nur: Heute befrage ich Sie nicht als den Verdienten Meister des Sports, sondern als den weitestgereisten Mann unseres Landes. Verstehen Sie? Und als einen welterfahrenen Zeitgenossen schlechthin, denn wie schreiben doch alle Ihre Biographen?«
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»>Er ist nicht nur ein Sportler<«, zitierte er, rasch versöhnt und sogar aus dem Kopf, »>ein aktives Mitglied unserer Gesellschaft, ein Mensch, der mit offenen Augen durch die Welt geht ... Vivat!<, als ich vorbeikam. Und dann habe ich auch >Vivat!< gerufen - was etwas heißen will nach solchem anstrengenden Kampf und bei dem Staub dort unten. Da war nämlich gerade eine große Hitzewelle, wissen Sie ... « Sie wird ihm nicht bekommen sein, dachte ich. Und dann lenkte ich unser Gespräch auf die Tatsache, daß er wenig später nach Kuba gefahren sei. Wo ja gerade ... »Wo ja auch gerade allerhand los war«, sagte er. Und ich atmete auf. Kuba si - Yankee no! Jetzt hatte ich ihn dort, wo ich ihn haben wollte! »Ja«, sagte er nachdenklich, »ein gewaltiger Regen- es goß nur so vom Himmel herunter ... « »Was aber keinen besonderen Einfluß auf den Gang der Dinge hatte«, scherzte ich. Ich hätte es lieber sollen bleiben lassen, denn er fuhr in die Höhe und rief erzürnt: »Was? Keinen Einfluß? Die Aschenbahn war so aufgeweicht, daß ich barfuß laufen mußte! Sind Sie schon mal barfuß ein internationales Rennen gelaufen, Sie?«
»Im August 1961 haben sich über fünfzigtausend Bürger beim Leichtathletikverband angemeldet.« · »Tja, unsere Menschen sind eben sportbegeistert ...« »Sie wurden aber nicht aufgenommen.« »Warum denn · nicht?« ~>Sie wollten Stabhochsprung trainieren ... « •
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Tief beschämt gestand ich, daß ichs noch nie getan hätte. »Na also«, sagte er, »dann unterlassen Sie solch albernes Gefasel. Außerdem muß ich jetzt zum Training. Und Sie haben auch wohl genug, nicht?« Das hatte ich. Und dann ging ich, den zweitweitestgereisten Mann des Jahres•• interviewen: einen Konzert-Virtuosen, der zweimal um den Aquator gekommen war. Und von dem alle Biographen sagten, er sei nicht nur ein großer Musiker, sondern auch ein Mensch, der mit offenen Augen durch die Welt gehe. Er empfing mich auch gnädig, fragte, wo er beginnen solle, und begann: »Also, das war so: Ich wurde, wie immer, mit gewaltigem Beifall empfangen und ging ruhigen Herzens an den Start ... « Nicht doch! Er sagte: »In den Konzertsaal ... «
Woche des Waldes: > >In Anerkennung ausgezeichneten Wachstums befördere ich das gesamte Unterholz vom Jagen 512 zum Oberholz!<<
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Hansjoachim Riegenring
Ich habe sie entdeckt! Eine der schönsten Sportarten - die Jagd! Als Anfänger macht man natürlich Fehler und weiß auch nicht, wie man sich richtig verhält, wenn einen das Jagdfieber gepackt hat. Im Schaufenster waren Jagdausrüstungen ausgestellt. Kleidung - alles in Waldesgrün natürlich. Jagdtaschen, Jagdmesser und ein richtiges Jagdhorn. Ich stellte mir vor, wie ich drauf im Wald und auf der Heide »Im Wald und auf der Heide« blasen würde. Da kam sie. Sie schwebte vor das Schaufenster und betrachtete interessiert die ausgestellte Jägerlust. Ich pirschte mich einen halben Schritt näher. »Das Jagdhütchen würde Ihnen gut stehen«, begann ich vorsichtig, um sie nicht zu verschrecken. Sie sah und hörte mich anscheinend nicht. Wunderschöne große Mädchenaugen hatte sie, und eine Figur - bei diesem Anblick hätte selbst Hubertus einen Bleib anständig, sagte ich mir, du bist hier, wie der Weidmann sagt, auf Zwölfender schießen lassen. Von anderen. »Wenn ich Sie mir so in der grünen Jacke vorstel- dem Anstand. le«, ging ich einen Schritt weiter, »die braune Ledertasche an der einen Seite-«, und mich an der anderen, wollte ich eigentlich sagen, aber so weit waren wir wohl noch nicht. Sie sah mich nicht und hörte mich nicht. Ich hätte sie ja nun mit Diana vergleichen können oder ihr sagen, daß sie auch als Amazone phantastisch aussehen würde Ich verkniff mir das alles. Bleib anständig, sagte ich mir, du bist, wie der Weidmann sagt, hier auf dem Anstand. Vielleicht ist es eine Ausländerin, fiel mir ein, und versteht dich gar nicht. Ich lächelte sie in vier Sprachen an. Keine Reaktion. Sie guckte mit unbeweglichem Gesicht auf eine wunderbare Jagdtasche. Ich gebe zu, beinahe hätte ich die Jagd aufgegeben. Da entdeckte ich im Schaufenster ein Buch: »Ansprechen des Muffelwildes«. Genau das brauchte ich. Ich sagte: »Warten Sie einen Augenblick, ich bin gleich wieder da.« »Oh, Sie wollen mir die Jagdtasche kaufen, ja?« sagte sie da mit strahlenden Rehaugen. »Sie sind aber nett!« So einfach ist das. Halali.
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John Stave
War wird 1~1JOa8811taistar 1962 Lichtenberg zeichnet sich dadurch aus, daß es ein Stadtteil von Berlin ist. Vor allem, daß es die, wenn auch nicht immer objektivsten, so doch sachverständigsten Fußballzuschauer besitzt; ihr Stammlokal ist die Budike »Zu eisernen Schienbein«. Wir blenden uns ein: »Ick wer euch ma wat sagn. Wenn se damals Lichtenberch 4711 als Auswahl von unse Republik gejen Wehls und die Schee-Es-Er hättn spieln gelassen ... « »Diß stimmt! Unse Jungs, die wärn bestimmt nach Schweden gefahm.« »Man hätt se ja nbißken verstärkn können«, meint nun Experte Ossi, »durch Trögern, Moppel Schröter und die beeden Wolfs. Ick wette ... « »Momang ma«, unterbricht Egon, »den Wirbel haste noch vergessn, überhaupt die vom ASK. Denn soo schlecht is der Meyer janich. Und uff Spickenagel kannsta ooch verlassn. « »Und Manni Kaiserwie :finntan den?« »Kla, den noch und Herbert Schoen! « »Na, dann bin ick ooch für Buschner und Binges Müller.« »Mann, wat wär Lichtenberch 4711 dann für ne dufte Mannschaft! « »Nu is doch aber jakeener mehr von unse Jungs dabei.« »Macht nüscht, Ottochen! Dafür hätten wa unsan Schiedsrichter mitgenommen - und mit dem wärn wa bestimmt Weltmeister geworden!« »Na, was nich is, kann ja noch werdn! Herr Wirt, drei doppelte Klare -uff den Weltmeista von 1962: uff Lichtenberch 4711!«
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Peter Gauglitz
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Der Frost hatte sich verdrückt. Die Berliner Luft, die die Passanten sonst nur hastig geschnappt hatten, wurde von ihnen genießerisch inhaliert. »Ah«, sagten sie, »Vorfrühlingsluft!« Das Straßenbild wies helle Flecken auf: winterlich bleiche Glatzen, die sich das erste Mal unbekleidet der Sonne entgegen reckten. »Üh«, sagten ihre Inhaber, »Vorfrühlingssonne!« Sebastian, ein junger Mann, der soviel Vorfrühlingsluft geatmet hatte, daß er beschloß, ein kleines Inserat aufzugeben, schritt beschwingt zur Inseratenannahme. Hinter zwei dicken Mauem, neben dem Schild »Wir beraten Sie in allen Inseratenfragen «, saß Beate, ein inseratenkundiges Mädchen, und fröstelte. Da trat Sebastian vor sie hin. »Ich möchte ein Inserat aufgeben!« sagte er. »Ein Kauf-, Verkauf-, Tiermarkt- oder Suchinserat?« erkundigte sich Beate. »Ein Suchinserat«, entgegnete Sebastian furchtlos, »ich suche nämlich eine Freundin!« »Wo ist Ihnen die junge Dame denn abhanden gekommen?« »Verstehen Sie mich richtig«, stammelte Sebastian, »ich suche eine neue, eine, die ich noch gar nicht kenne!« »Ein Heiratsinserat also«, bestimmte Beate und ergriff ihren Bleistift. »Ein Freundin-Suchinserat nur«, erklärte Sebastian und überreichte Beate den Text desselben. »Lese ich richtig«, fragte diese, »soll das hier >Amor lebt< heißen?« »Sicher«, erwiderte Sebastian, »warum sollte er nicht mehr leben?« »Und das wollen Sie als Titelzeile haben?« wunderte sich die inseratensachverständige Beate, »SO was hatten wir noch nie. •
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Viel werbewirksamer wäre statt dessen ein Wort, das Ihren Beruf anzeigt, oder haben Sie keinen zugkräftigen?« »Ingenieur bin ich«, sagte Sebastian, »doch ist mir Amor wichtiger!« »Schreiben wir doch lieber: >Ingenieur; amourös ... <, forderte Beate. »Lassen Sie den Amor leben«, bat, bleich geworden, Sebastian. »Fettdruck, mein Herr?« »Vollfett, bitte!« »Dann weiter im Text«, murmelte Beate und las halblaut: »Junger Mann, Sebastian ... « »Sie heißen selbst Sebastian?« fragte Beate. »Ja doch!« »>Ledig<«, las Beate, »>einsachtundsiebzig, Mittzwanziger, Bratschist aus Neigung ... <, da sind Sie also eine Art Kücheningenieur?« »Nein«, erwiderte Sebastian gequält, »Bratsche spiele ich zu meinem Vergnügen!« »Und das hier soll wohl >voll LebensgefühlSuche intelligent-sportlich-mondäne, platinblonde Zwanzigerin mit Eigenheim, Vermögen und Segelflugzeug< brachte dem Inserenten allein hunderteinundneunzig Zuschriften begeisterter intelligent - sportlich - mondäner
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Anfrage an den Sender Jerewan: : »Darf im Komm11.·. irismus der Chef · ·mit seiner Sekretärin ins Bett gehen?« .,Antwort: »Im Prin~~zip ·nein. Aber .. " . · wenn er es tut, sind das noch Überbleibsel der alten -sozialistischen , Moral.«
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Zwanzigerinnen, die sowohl über platinene Haare als auch über Segelflugzeuge, Eigenheim und Barvermögen verfügten!« »Wenn ich aber ein einfaches Mädchen suche«, wagte Sebastian einzuwenden. »Die es in unseren Inseraten schon lange nicht mehr gibt, mein Herr. Sie sollten sich wenigstens für eine kunst- und naturliebende, allinteressierte, solid-moderne, blauschwarze Zwanzigerin mit Motorboot entscheiden.« »Gut«, sagte Sebastian, der bemerkte, wie die junge Dame hinter ihm bereits an ihrem Inseratentext herumänderte, »lassen Sie wenigstens das Motorboot weg, ich mags nicht!« »Sie gehen an Ihrem Glück vorbei«, prophezeite die sachkundige Beate, »wer wenig verlangt, bekommt auch nicht viel!« Der Dame hinter Sebastian schien dieser Ausspruch so zu gefallen, daß sie ihren Text wiederum änderte. »Kein Motorboot!« rief Sebastian. »Da nehmen wir am besten auch den Amor raus, um dafür Ihrem Auto eine fette Zeile zu geben«, riet Beate. Da aber Sebastian keinesfalls gewillt war, das Leben Amors einer raffinierten Werbetechnik aufzuopfern, sagte er zu Beate: »Soll ich Ihnen beweisen, daß Amor lebt?« Die regsame Beate, die auch nur ein Fräulein war, errötete. Und die Dame, die immer noch hinter Sebastian stand, kicherte erwartungsvoll. Beate kürzte wortlos den Inseratentext. »Achtunddreißig fünfzig und den Personalausweis!<< bat sie sodann mit schwacher Stimme. »Mit dem größten Vergnügen!« sagte Sebastian und reichte ihr beides. Dann trat er hinaus in den Vorfrühlingstag und stellte fest, daß eine ganz leise Musik in der Berliner Luft lag. »Lebt Amor wirklich?« fragte in diesem Augenblick die junge Dame, die solange hinter Sebastian gestanden hatte und nun dran war. »Er lebt«, erwiderte Beate schlicht, »ich habe mich soeben davon überzeugen können!« Am Sonntag erschien dann Sebastians Inserat. Es lautete: »INGENIEUR, Sebastian, Mittzwanz., 178/led., eig. Wagen, Fernseh., Boot, Bratsche u. Waschmasch. vorh. Sucht: Kunst- u. natlbd., allinteress., solidmodern, blauschw. Zwanziger. kennenzul. AMOR LEBT!«
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Meier zu Krause: »Da hat neulich der Genosse Schulze seine Frau mit einem anderen im Bett überrascht. Er reichte die Scheidung ein. Das Gericht sprach ihn schuldig.« Entsetzt fragt Krause: »Wieso denn das? Kann ich nicht verstehen!«- »Na, versteh mal«, sagt Meier, »hätte Genosse Schulze das Parteilehrjahr nicht eine Stunde vorzeitig verlassen, hätte es auf keiner Seite irgendwelche Probleme gegeben.«
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· .Seitdem ich mit der Kortoffelschölmoschine arbeite, kommt das Fleisch erst so richtig zur Geltungr
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Joachim Priewe
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)>Na hören Sie, ich kann doch meinen echten Schmuck nicht so offen herum-tragen!<<
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Frauen untereinander haben, falls sie sich nicht gerade zanken, Geheimnisse. Zu diesem Schluß kam Herr Jemine, als er eines Tages im Papierkorb seiner Frau, in welchem er eigentlich nichts zu suchen hatte, den Fetzen eines Briefes fand. Er wäre ihm nicht weiter aufgefallen, wenn er über das Wort »Hausfreund« nicht augenblicklich gestolpert wäre. Welche aufschlußreiche Unvorsichtigkeit seiner Frau! Beim näheren Betrachten las er: »... und werde Dir einen Hausfreund besorgen ••• « Mehr war nicht zu entziffern. Was er da soeben gelesen hatte, war ihm kaum faßbar, was er faßte, ihm nicht klar. Klar war, daß das, was er gelesen hatte, mehr als eine Frechheit war. Er beschloß, vorläufig nichts zu sagen, vielmehr seine Frau mit vielsagendem Nichtssagen zu beobachten. Zweifel beschlichen sein Herz, ob Beobachtungen allein hinreichend sein konnten, den Ränken einer listenreichen Frau entgegenzuwirken. Zweifellos nicht! Von nun an ging er täglich einkaufen, um seiner Frau jede Möglichkeit eines heimlichen Zusammentreffens mit l ihm zu nehmen. Zum Erstaunen seiner Frau übernahm er überhaupt /· und freiwillig den gesamten Außendienst der Wirtschaft. Der Hausfreund beschäftigte ihn Tag und Nacht. Herr Jemine war unermüdlich im Erfinden neuer Grausamkeiten, die er den beiden Ehebrechern zudachte: Doch im Grunde seines Wesens war er ein gutmütiger Mensch und begann nach weniger blutigen Lösungen zu suchen. Es gab Augenblicke, in denen er sogar mit dem Gedanken spielte, seiner Frau den Hausfreund einfach vorzuenthalten und wegzunehmen. Er dachte an Schachspielen, an den dritten Mann zum Skat oder daran, ihn zu gemeinsamen Radtouren zu überreden, um so mit ihm das Weite zu suchen, ehe der in der Nähe seiner Frau ... Aber bald wurde ihm wieder so recht klar, daß es sich nicht um seinen Hausfreund handelte, sondern um den seiner Frau. Und dann überkam ihn wieder das zur leidigen Gewohnheit gewordene Gefühl der Hilflosigkeit, das ihm den kalten Schweiß in Perlen auf die Stirn trieb. Mit Schrecken wurde er sich der gebotenen Gelegenheit bewußt, die der Hausfreund nur zu ergreifen brauch-
Unter vier Ausen
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te, während er am nächsten Tage seiner Arbeit nachging! Nun hatte sich sein gesundheitlicher Zustand durch ständiges Kopfzerbrechen und fortwährende Grübelei so verschlechtert, daß ein mehrtägiger Aufenthalt im Bett nahezu unumgänglich wurde und ihn - welch glückliches Zusammentreffen - in die Lage versetzte, den seiner Frau zugedachten Freund womöglich selbst in Empfang zu nehmen. Das Bett mußte, keine Widerrede half, im Korridor neben der Wohnungstür aufgestellt werden. So verband Herr Jemine das Unangenehme seiner Lage mit dem Nützlichen. Den Tag füllte er damit aus, daß er die ungeklingelte Zeit apathisch verstreichen ließ und als geheime Rache an seiner Frau hin und wieder ein Fieberthermometer zerbrach. Hier empfing er auch die Besuche seiner Bekannten, denen er ob ihres Erstaunens erzählen mußte, daß seine Frau verreist sei und er genötigt wäre, auf diese Weise und so weiter ... Es versteht sich von selbst, daß er seiner Frau verboten hatte, beim Klingeln nach der Wohnungstür zu blicken, beziehungsweise sich blicken zu lassen. Mitleidig versorgte man ihn mit allen erwünschten Lebensmitteln. Er aß für zwei. Das heißt, seine Frau wurde von dem Mitgebrachten durch Herrn Jemine gnädig mitemährt, was in den Augen der nichtsahnenden Bekannten auf Grund des so gesteigerten Appetits zu der Annahme führte, er sei der gesündeste Mensch der Welt, nur etwas beängstigend gefräßig. Briefsendungen empfing er durch den Schlitz der Tür direkt im Bett. Die Post ahnte nicht, wie zuvorkommend sie die Aufträge erfüllte. Es kamen Rechnungen. Es kamen Zeitungen. Es kam der Vertreter einer Lebensversicherung. Es kam - kein Hausfreund. Irgendwann mußte doch endlich das lange Warten von Erfolg sein. Als es am fünften Tage klingelte, waren seine Erwartungen aufs äußerste gespannt, zumal er den ganzen langen Tag ohne jeden Besuch, ohne das belebende Geräusch der Klingel auf der Lauer gelegen hat, ein Tag, der in seinem Ablauf einer verstopften Sanduhr glich. Mit jeder Faser seines erwartungsvollen Herzens hingen seine Augen, die er beide weit öffnete, an der Tür, um zu sehen, woran er sei. Doch es war nur der Postbote, der ihm ein Paket überreichte. Seelisch verbraucht verkroch sich Herr Jemine wieder in seinem Bett. Er fand kaum die Kraft, die Schnur des Paketes zu entknoten. Auch das Papier setzte ihm einigen Widerstand entgegen. Und da - lag vor ihm der Hausfreund - ein Teppichbesen aus Suhl, Marke »Hausfreund« .
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Herbert Seifert
Od'1H OH ' IH OIHOHt '1tltoH Zi11t11tor Der Tag war heiß, als ich dich kennenlernte: Du lagst am Strand und nahmst ein Sonnenbad. Wie schnell die Zeit vergeht: Das war zur Ernte, und jetzt sind draußen minus neunzehn Grad! •
Am Abend schworen wir uns tausend Eide.
Wir küßten uns und träumten Hand in Hand. Die Liebe überflutete uns beide und füllte unsre Herzen bis zum Rand .
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Der Strandkorb schützte uns vor fremden Nasen. Sein Stoff war an den Seiten leicht zerfetzt. Es roch nach Meer. Hier riechts nach Kohlengasen . Der Ofen wird im Frühjahr umgesetzt.
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Wie gerne ließ ich mich von dir betören! Mein Grips flog zwitschernd in die Nacht hinaus. Der Wind sang damals zärtlich in den Föhren, und heute jault er wie ein Hund ums Haus! Es war nur jammerschade, daß uns später der Strandkorbwächter in die Szene lief. Der Mann verlangte unter Mordsgezeter für das Im-Strandkorb-Sitzen Nachttarif. Ständ jetzt der Strandkorb hier in meiner Diele, ich schlüge ihn zu Brennholz. Kurz und klein. Man sieht daran: Bei winterlicher Kühle gefrieren selbst die innigsten Gefühle wie frostbefallne Wasserrohre ein.
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John Stave
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Nun sitze ich also hier und schreibe eine Abhandlung über die Frau, ihre Gleichberechtigung, Förderung und so weiter. Morgen muß ich dieselbe in meiner Gewerkschaftsgruppe halten. Es ist ein sehr kompliziertes Thema, ich gebe es zu. Aber es wird durchgezogen. Viele Männer gibt es, werde ich anfangen, deren Leitspruch lautet: Frauen gehören an den Kochtopf! Kollegen, dieser Zopf ist ab. »Irene! Mach mir doch mal einen Topp Kaffee!« Dieser Zopf ist also ab. Und jetzt packe ich die Kollegen von hinten: »Wie sagt doch der Dichtermund so schön? Er sagt: Ganz ohne Weiber geht die Schose nicht! Dieser Dichter, Kollegen - man kann es auch singen, jawoll -, ist ein Burschoas. Er ist dennoch etwas auf den Trichter gekommen! « »Irene ! Wo bleibt der Kaffee? Mit Milch!« Auf den Trichter gekommen! Aber heute gibt es noch Kollegen, denen die Frauen arbeitsmäßig ein Dom im Auge sind. Diese Kollegen vergessen zum Beispiel, daß bereits kein Geringerer als Friedrich Engels gesagt hat - ich kann es nicht genau wortgemäß wiedergeben, aber sinnbildlich: Die Frau und der Sozialismus ... »Irene! Kochts Wasser noch nicht? Zucker auch!<< Der Sozialismus, Kollegen, kennt keinen geschlechtlichen Unterschied. Arbeitsmäßig gesehen! Schließlich kommt es beim Arbeiten auf den Kopf und die Hände an. Figur und so weiter sind bei der Arbeit Schall und Rauch. Manche Männer nun binden ihre Frauen zu Hause fest. Bildmäßig. Und es dauert gar nicht lange, da sagen sie, meine Frau kann mir nicht mehr folgen; dieselbe ist stehengeblieben und so weiter. »lrene! Jetzt platzt mir aber bald der Kragen! (Pfiff) Kaffee mit Milch und Zucker!« Wo war ich stehengeblieben? Ach ja: Kollegen - die alte wird abgeschoben und eine neue Frau herangezogen und an den verwaisten Kochtopf gestellt. Sie ist etwas besser entwickelt als
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>>Von seiner Laube konnte sich mein Mann nicht trennen. <<
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die alte. Gesellschaftsmäßig gesehen! Weil sie noch in der FDJ ist! »Irene! Wenn ich jetzt mal um den Kaffee bitten dürfteeeee!« Noch in der FDJ. Und die Betriebe gucken dumm aus der Wäsche, wenn unsere Mädels alle herausgeheiratet werden. Ehe sie sich einmal umgesehen haben, sind zwei, drei Kinderchen da. Und der Staat kann sich nicht im gleichen Atemzuge soviel Kinderkrippen machen lassen! Und die Qualifizierung ist in die Binsen gegangen! »Irene! Irene! « (Pfiff) Sind doch alles Binsenweisheiten im Grunde. Der Frauenförderungsplan unseres Betriebes, liebe KolleDas arme kleine Frauchen ist zur Abend- gen, schiebt allem einen Riegel vor. Es muß schule gegangen 1 Erleichterungen für die Frau geben, so daß · sie die betriebliche Flinte nicht immer gleich ins Korn werfen muß, wenn irgend so ein Casanova kommt oder Kinder unterwegs sind. »Ireeeeeeneeee !« Da soll doch gleich ein Donnerwetter losgehn! Was ist denn das für eine Art? In der Küche ist sie auch nicht? Sieh an! Der Vogel ist ausgeflogen, aber den Zettel im Schnabel hat er auf dem Küchentisch liegengelassen! Irene! Wo ist meine Brille? Ach so: »Liebes kleines Hutzelmännchen! Dein armes kleines Frauchen ist zur Abendschule gegangen. Arbeite nicht mehr so lange!« Was die Frau sich immer so einbildet! Bezieht alles auf sich! Man redet natürlich hier und da über Frauenprobleme. Aber es ist doch mehr allgemein, nicht wahr. Nicht so direkt personengebunden! Dabei fällt mir ein: Morgen ist ja gar kein Frauenthema dran! Morgen soll ich ja über den Abschluß von Patenverträgen mit der Lehrwerkstatt sprechen! Ich Ochse! Ich Hornochse! Und das meine ich jetzt wirklich mal direkt personengebunden.
An seine Braut schrieb Fritz N.: »Mein Entschluß
ist unumstößlich. Die kleinbürgerlichen Floskeln am Briefende werden gestrichen. Mit sozialistischem Kuß!«
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Peter Ga ug 1itz
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~sso »Bitte, nein!« hauchte Karin, als mein erregter Mund ihr den ersten gemeinsamen Kuß antrug. Bitte und Verneinung! Ratlos verharrte mein Mund. Karin hob ihre Lider und warf, an mir vorbeizielend, einen langen Blick ins Wasser. »Lassen wir das!« sagte sie. »Ich habe doch gar nicht ... « »Darum ja gerade«, sagte sie. Still ruhte der Campingplatz. Der Nachtbademeister maß die Temperatur des vom Badebetrieb erhitzten Sees. Auch ich beschloß, aktiv zu werden, stoßseufzte dreimal, ging mit meinem Mund auf Karin los und küßte den ihren mit Nachdruck. »Was hast du getan?« fragte das Mädchen und rannte in ihr Zelt. Rasch trat ich auch in meines hinein, wo ich als erstes mit dem Barfuß in 0 meine Campingmausefalle geriet. Wie war die eingeschnappt! Leicht blutend hinkte ich zum Kuß-Tatort zurück. Dort saß bereits Karin, die in einem dicken Wälzer blätterte. »Es tut mir leid, Karin«, sagte ich, und meine Stimme schwankte zwischen kleinlaut und unhörbar, »daß ich vorhin links tief abgekommen bin, es soll nicht wieder vorkommen.« »Ein Kuß ist unhygienisch«, sprach das Mädchen meiner Kußwahl, »stell dir vor, bei einem einzigen werden zehn Millionen Bakterien übertragen!« »Es war man nur ein Campingkuß«, beruhigte ich Karin, ein beunruhigendes Kribbeln in der Höhle meines Mundes verspürend. »Der Kuß ist von seinem Entstehungsart unabhängig«, belehrte mich Karin, »schon der gemeine Wald- und Wiesenkuß ist eine ziemlich bakteriologische Angelegenheit.« Karin deutete auf ihren gedruckten Ratgeber, der sich »Hygiene im Alltag« betitelte. Mit vereinten Kräften schlugen wir das Kapitel »cussis temporale« auf. »Siehst du«, sagte Karin, »... die Kußhygiene ist ein schwerwiegender Gesundheitsfaktor, der besonders im Sommer, der
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))Um Gottes willen, was soll denn das?<< ))Ich trainiere nur fü.r Camping.<<
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Kußhochkonjunktur, von allen Ausübenden strengste Selbstdisziplin verlangt!« »Kußrationierung also?« vermutete ich. Das hygienische Buch gab aber gerade über diese Frage keine Auskunft. Es bezog sich vielmehr auf den Ausspruch eines Kußexperten, des Chefhygienikers des Referats für Kußangelegenheiten, H. H. Niekuß, der gesagt hatte: »Kein Operateur entschließt sich mit unsterilen Instrumenten zur Herzoperation. Pflegen Sie Ihre Kußwerkzeuge gründlich, wenn Sie eine solche vorhaben!« »Wie küßt man hygienisch?« fragte mich Karin. »Es wird sterile Lippenoblaten geben«, vermutete ich drauflos, »Kußdämpfer, Bakterienzügler, Kußneurosen, Kußquarantäne ... « »Genug!« stöhnte Karin. Im Schilf sang ein unbekannter Ochsenfrosch eine Schnulze. Da wagten wir es noch einmal ohne sterile Schutzvorrichtungen. Nach dieser unhygienischen Tat taten wir rasch noch was für unsere Kuß-Allgemeinbildung. Schlugen das Kapitel »Kußkapazitäten« auf. »Hier steht was über den Kuß im Wandel der Zeiten«, bemerkte Karin, »wie lehrreich!« Wir erfuhren, daß a) der Kuß bei Verliebten ein Mittel zum Zweck, b) bei jung Verheirateten Attribut ersten Zusammenlebens und c) bei abgehärteten Ehepaaren die Macht der Gewohnheit sei. Daß femer die Kußquote mit der Zeit ansteige. »Hätte ich nie geglaubt«, freute sich Karin. Auch ich hatte nie gedacht, daß der »gedankenlose Kuß« (routinemäßiger Abschieds- und Ankunftskuß bei Altehepaaren) eine nutzlose bakterielle Dauergefahr darstelle. »Der Kuß wird auf diese Weise entwürdigt!« entrüstete sich Karir1, worauf ich schwor, es nie soweit kommen zu lassen und lieber nicht zu heiraten. Karin sah nach dieser Mitteilung stumm aufs Wasser. Der Ochsenfrosch hatte sich verschluckt. Mitleiderregend hallte sein Gehuste über den stillen See. »Liebling«, sprach ich, »wir werden mit den Bakterien schon fertigwerden!« Karin wollte nicht. Leise las ich: »Unter anderem erfüllt der Kuß als Gehilfe der Geburtenstatistik eine nicht zu übersehende Rolle im ... « Wütend entriß mir Karin die alltägliche Hygiene. Unser Kußduett schien verklungen zu sein. Karin nahm auf dem wissenschaftlichen Werk Platz, ich schälte ihr mit dem Taschenmes-
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ser einen Kienapfel. Dicke Verlegenheit hatte uns eingehüllt, jeden extra selbstverständlich! »Da!« sagte Karin endlich, »das ist der absolut sterile Kuß!« Erstaunt schaute ich auf ein Riesen-X, das sie mit ihrer größten Zehe in den Sand gezeichnet hatte. »Das briefliche Kuß-Kurzzeichen! « erläuterte mir Karin die neue Kußtechnik. Sogleich eignete ich sie mir an. Kratzte Kußserien in den Mutterboden, zeichnete eine blendende Kuß-Perspektive zu Karins Füßen: Riesenküsse, lange Küsse, Küsse, die sich gegenseitig küßten. Nachdem ich rund um uns herum die Erdoberfläche mit Küssen bedeckt hatte, zeigte Karin mir den Viertelmond, der mit einer Sichelspitze ein Wölkchen berührte. »Er küßt es!«jubelte Karin. Das taten wir ihm sofort nach. Die Bakterien frohlockten. Wechselten die Wohnsitze. Wozu wir ihnen genügend Zeit ließen. - Camping, Karin und hundertachtzig Millionen Kußbakterien. Hundertachtzig Millionen waren es vorgestern. Zur Stunde müssen es schon eine halbe Milliarde sein. Wir fürchten sie nicht mehr. Derweil Karin, die wißbegierige Bibliothe-Karin, verschämt und antibakteriell gurgelte, habe ich alter Bastler meine Campingmausefalle enorm verfeinert, das Schwungrad der Falltür beschleunigt und eine solide Infrarotheizung eingebaut. Mit Mann und Maus gehen die Bakterien in diese Falle, und nachts, wenn sie schlafen, ersäufen wir sie unbemerkt im allgemeinen Badewasser!
HHOt Wandergretel, laß dich grüßen! Morgensonne lacht wie nie. Und du trabst auf deinen Füßen froh zur Krippe, juppheidi!
Papa würde gerne schieben. Denn der Papa ist nicht schlapp. Aber jeden Tag um sieben holt der Fahrer Papa ab.
Wo die Berge mächtig steigen, wird das Kind im Wagen schwer, Wollt ihr zwei es auch nicht zeigen, fehlt der Papa dennoch sehr.
Denn der Papa, völlig richtig, nimmt die Pünktlichkeit genau. Seine Tätigkeit ist wichtig: Referent für »Glück der Frau«.
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Renate Holland-Moritz
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und warum liebst du mich nicht mehr, wenn ich fragen darf?<< >>...
Wrr saßen beim Abendbrot. »Liebst du mich?« fragte sie. »Ich liebe dich«, antwortete er, »es gibt nichts anderes mehr für mich, als dich zu lieben.« · Ich goß meinem Mann Tee ein, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden. Das Fernsehliebespaar begab sich zu vorübergehender Ruhe auf die Couch. Mein Mann stippte seine Bockwurst mit traumwandlerischer Sicherheit in den Mostrich. Das küssende Pärchen verlor er nicht eine Zehntelsekunde aus den Augen. Plötzlich schnorrte es im Apparat. Die Röhren knisterten und spuckten sich gegenseitig an. Es blitzte noch einmal verheißungsvoll auf, dann war es still. Der Bildschirm war so schwarz wie ein verdunkelter Kohlenkeller. Mit fahrigen polytechnischen Gesten klopfte mein Mann an dem Apparat herum. Er versuchte es mit Schocktherapie. Nichts. Der Kasten war unwiderruflich kaputt. »Er ist kaputt«, sagte mein Mann überflüssigerweise. »Ja«, sagte ich, »das mußte ja mal so kommen. « Dann schwiegen wir, obwohl uns nun auch das Liebespaar nichts mehr zu sagen hatte. Wir beendeten unser Abendbrot · schweigend, denn seit wir den Fernsehapparat besitzen, haben wir immer brav den pädagogischen Grundsatz befolgt: »Beim Essen spricht man nicht.« Auch an so was kann man sich gewöhnen. Ich räumte den Tisch ab und setzte mich wieder in meinen Sessel. Die Sessel stehen einander nicht vis-a-vis, weil man sonst nicht fernsehen kann. Aber nun war der Apparat ja kaputt. »Wrr könnten die Sessel umdrehen«, sagte ich, »ich meine, wenn wir ohnehin nichts sehen ... « »Gewiß«, sagte mein Mann und setzte sich in meine Blickrichtung. Dann schwiegen wir wieder. Es war halb neun, entschieden zu früh zum Schlafengehen. Normalerweise hätten wir noch anderthalb Stunden femgesehen. Mir fiel ein, daß ich Wäsche waschen müßte. Aber wenn man gewöhnt ist, ab acht Uhr
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Unter vier Augen
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))Endlich ein Programm, bei dem du nicht meckerst. <<
abends stillzusitzen, kann man sich nicht zum Wäschewaschen entschließen. »Wir könnten etwas lesen«, sagte mein Mann gegen dreiviertel neun. Beide dachten wir angestrengt nach. Aber es fiel uns nichts Passendes ein. Genauer gesagt: Wir waren des Lesens entwöhnt. Schließlich, etwa um neun, fragte mein Mann: »Gabs was Neues mit der Kleinen?« »Nein«, sagte ich, »wie immer. Sie kam aus dem Kindergarten, ging aufs Töpfchen und wusch sich die Hände. Dann sah sie sich die Sandmännchen an. « »Das Sandmännchen«, sagte mein Mann. Er ist Lehrer. »Nein, die Sandmännchen«, sagte ich. »Beide.« »So«, sagte er. Gegen halb zehn fragte mich mein Mann, ob es angängig wäre, jetzt noch den Fernsehreparaturmann anzurufen. »Tus lieber nicht«, riet ich ihm, »er sieht doch gerade das schöne Fernsehspiel.« »Natürlich«, brummte mein Mann gehässig, »son Handwerker, der hats gut. Der repariert sich seinen Apparat in fünf Minuten. Der muß auf nichts verzichten. « Wir schwiegen bis zehn. Dann stand ich auf. »Zeit zum Schlafengehen«, sagte ich. »Auch gut«, sagte mein Mann und gähnte gehorsam. Ich konnte nicht einschlafen. Sanft streichelte ich meinem Mann über den Kopf und fragte leise: »Was mögen die beiden wohl auf der Couch gemacht haben?« »Das weiß ich doch nicht«, sagte er mürrisch, »der Apparat ging ja kaputt. «
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Unter vier Augen
Ralph Wiener
3 ela 1Jio6o 31t1106or11 Heute habe ich Ingeborg kennengelernt. Sie ist zwanzig Jahre alt, dunkelhaarig und gehört einer Ballettgruppe an. Wir verstanden uns gleich prima. Ich glaube, sie ist die Frau fürs Leben. Wenn sie lächelt, geht einem richtig das Herz auf. Und wenn sie spricht, ist es, als höre man die Callas singen. Ingeborg ist die erste Frau, bei der ich wünsche, daß es die letzte sein möge. Sie ist - ehrlich gesagt - meine große Liebe. Mußte mir ausgerechnet heute Karin über den Weg laufen! Ich hatte sie schon ziemlich vergessen, weil wir uns seit drei Tagen nicht mehr gesehen hatten. Aber das Wetter war so herrlich, die Parkanlagen so grün, und Karins Kostüm einfach entzükkend. Trotzdem habe ich immer an Ingeborg denken müssen. »Hast du schon gehört? Karl Eduard von Schnitzler ist tot.« »Nein, und so plötzlich ... ?« »Ja, er ist im schwarzen Kanal ertn1nken. «
Die HO müßte ihren Kosmetik-Verkäuferinnen jede Unterhaltung mit männlichen Kunden verbieten! Da habe ich mich doch schon wieder von so einer Seifenpuppe bezirpsen lassen. Sie hieß Ursula und wollte partout immer Ulla genannt werden. •• Uberhaupt, wenn ich es richtig bedenke: Küssen konnte diese Ulla gar nicht. Blutige Anfängerin! Heute hat mir Ingeborg einen Brief geschrieben. Leider bin ich nicht in der richtigen Stimmung. Dorothea hat mich aus dem Chemischen Laboratorium angerufen: Sie hat Nachtdienst und erwartet mich im Bereitschaftszimmer. Daß die Krankenhausverwaltung so etwas gestattet! Lilo ist immer noch so wie vor zwei Jahren. Vorher ist sie etwas kapriziös, aber danach kann man sich mit ihr ganz vernünftig unterhalten. Sie schwärmt neuerdings für Baudelaire und hat mir drei seiner Gedichte vorgelesen. Der Mann konnte gut Französisch. Lilo auch. Trotz allem ist mir Ingeborg lieber. Es ist eben doch die große Liebe. Heute ist mein Geburtstag. Annemarie hat mir ein blödes Telegramm geschickt: »Herzli_chen Glückwunsch stop muß leider schließen stop Telegramm wird sonst zu teuer stop man muß überall sparen stop entschuldige bitte stop deine Annemarie.« Vor Wut habe ich Erika angerufen. Wir gehen ins Kabarett. Es ist alles aus! Vorhin habe ich Ingeborg überraschend besucht. Sie hatte einen fremden Herrn zu Besuch. Natürlich habe ich ihr sofort den Laufpaß gegeben. So etwas kann man sich doch als Mann nicht bieten lassen!
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C. U. Wiesner
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Nehmse Platz, Herr Jeheimrat! Was gibsn Neues aufm Bau? Wieder Nachtschicht gehabt? Werd ick in mein Betrieb auch bald einführen müssen. Ick komm ja in diese Tage jar nich mehr allein durch mit meine Kundschaft, wo doch nu mal der Sommer der reinste Hochkonjunktiv für uns Haarkünstler is. Sehnse, in die grimmige Wmterszeit trägt der Mensch Hüte und Mützen, und in diesen Falle merken die Vorüberjehenden jar nich, wie ungeflegt er über der Straße lauft. Wenn nu aber die liebe Sonne scheint, denn juckt es auf die Kopfhaut, und der Mensch emfindet dis wie eine Alarmklingel. Und wenn die reden könnte, würde sie sagen: Höchste Zeit, deß de mal wieder bei Vater Kleinekorten gehst. Denn ein geflegter Haarschnitt is nu mal der Anfang von einen neuen Menschen. Diesen komplessierten Begriff erklär ick Ihnen gleich noch. Und grade wie nu mein Salong in diese Beziehung mithelfen soll, mehr neue Menschen in der Welt von heute und morgen zu setzen, laßt mir Herr Kafforke aufsitzen. Dabei hab ick dem Manne sone dolle Schangse jeboten. Wie ick mit Muttern verreist bin, hab ich ihm gesagt: Herr Kafforke, hab ich gesagt, ich ernenne Ihnen zum Entwicklungskater, und Sie dürfen in meine Abwesenheitjanz von alleine im Betrieb schalten und walten. Nehmse mal den Kopp n bißken tiefer! Und wie hat ers mir jedankt? Indem er alle Stammkunden erzählt hat, ick richte ihm mit meine Mennitschermanieren zujrunde, und noch mehr solche Schlechtigkeiten. Nu war ick ja auf achtzig und hab ihm zur Rede jestellt, wie er sich son Quatsch aus seine ollen Wurschtfinger polken kann. Sagt der doch, er hat inne Zeitungjelesen, jeder Werktätige soll sich eigne Jedanken um seinen Betrieb und die Zukunft machen. Aber da könnense wieder mal sehn, wohin dis führt, wenn sone Perlen von jute Jedanken so wahllos unter die Leute jeworfen werden. Da hat der Staatsrat einfach nich bedacht, deß Herr Kafforke überhaupt kein neuer Mensch is und daher sone Anregungen völlig in falschen Hals kriegt. Und denn meckert er wahllos über seinen erfahrenen Meister. Aber den hab ick vor alle Kunden Bescheidjestoßen, mit sone richtigjehende Steintorstimme, wo ick immer kriege, wenn ick mächtig wütend bin. Herr Kafforke, hab ich ihm ins Gesicht geschleudert, jemand wie Sie und ich sind wie Feuer und Wasser, wobei ick natürlich dis Feuer
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bin, und schließlich machen wir in mein Salong keine westliche Konferenztheorie, dis hab ichjesagt; weil auch welche mits Parteiabzeichen im Laden saßen. Aber die ham so ulkig jegrient. Darum schoß ick mein stärkstes Jeschütz ab und sage: Aus Ihnen wird nie ein neuer Mensch, aber ick mach Ihnen noch dazu, darauf könnense Jift nehmen. Und wie reaschiert der Kerrel? Bums - läßt er sich am andern Tag krank schreiben. Angeblich wegen Heuschnuppen. Hamse für son boshaften Racheakt noch Töne? Haatschiii! Tschuldigense! Anjestochen hat er mir auch noch mit sein dusseliges Rumjeniese. Und da soll man nu in Ruhe über den neuen Menschen und so nachdenken. Der spukt ja schon jeraume Zeit über der Fernsehröhre und den Blätterwald, soweit ick diesen halte. Und ins Berliner Angzambel soll der Mann von die Frau Flinz sojar ein Theaterdrama darüber verfaßt ham. Ick beschäftige mir in letzte Zeit viel mit sone filosofische Probleme, und dis mit den neuen Menschen find ick inwiesofern interessant, weil es nich so pullitisch is, und kann sich jeder auf seine Weise ausmalen. Außerdem hab ick Angst, ick bin eines Tages nich mehr aufm laufenden und kann mir denn mit die Kundschaft bloß noch über Koppschuppen und so unterhalten. Anjefangen hats mit Robert Köppen vonne Bezirksleitung. Mit den kenn ick mir ja nu schon so lange, deß er mir manchmal anvertraut, worüber man sich in die höchsten Kreise momentan so seine Jedanken macht. Sagt er zu mir - die Kotletten wieder grade? -, wir brauchen neue Menschen. Jut, sag ick, dis seh ick ein, weil wir nämlich mit die, wo wir ham, sowieso nich reichen. Beispielsweise die Verkäuferinnen ins Jemüsejeschäft oder die Arbeitskräfte bei meinen Sohn in Buna. Nu klärt mir aber Robert auf, man dürf dis nich so zahlenmäßig sehn. Wrr müssen vielmehr aus die alten Menschen neue Menschen machen. Da wurd ick erst mal ärgerlich und sagte, immer wollt ihr die alten Leute ändern, wo wir in unser Leben schon jenug durchjemacht ham. Vielleicht fangt ihr lieber mal bei die Jüngeren so bis sechzig an. Anjefangen, sagt Robert daraufhin, ham wir schon vor Stücker zwanzig Jahre, und sogar son oller Meckerkopp wie du is nich mehr janz der alte, und ick soll mir man nich dusseliger anstellen, als wie ick bin. Von einen andern würd ick mir so was jar nich bieten lassen, aber Roberten läßt sich auch mal von mir Kontra geben. Da stell ich ihn beispielsweise eine Fangfrage: Wie soll denn euer neuer Mensch nu in Wirklichkeit aus sehn? Na, sagt er, überleg dir mal selber, Wtllem! Und wenn ick nächstens wiederkom-
An einer öffentli-
. chen Toilette hängt ein Schild mit dem · Hinweis: »Schlüssel beim Pförtner ~ des Rates der ·_ Stadt.« _Am nächsten Tag . steht darunter: »In dringenden Fällen an den Rat des Bezirkes wenden!« .
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))Unser Campingmodell: Kritiker aus Gummi vollelastisch, piekt nicht und stößt nirgends hart an. <<
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me, machste mir deine Vorschläge. Also da könnense doch wieder ••mal sehn, wie die von janz oben sogar auf meine wertvollen Uberlegungen anjewiesen sind. Nu berede ick mir schon mit allen Kunden über diese Frage, aber Muttern is, glaub ick, aufn richtigsten Dampfer. Vatern, meintse jestern, der neue Mensch hat ne jesunde und mäßige Lebensweise, is ziemlich jebildet und macht sich um alles Jedanken, vor allem über den neuen Menschen. Wennse Muttern kennen, waren da natürlich 'n paar dicke Spitzen gejen mir selber drinne. Oder jehts Ihnen etwa nich so, desse viel zuville Jeld füm juten Schluck und besonders schnuddlige Sachen inne Läden tragen? In diese Beziehung kommt mir die Rejierung wie die himmlischen Mächte vor: Erst führt sie uns mit die janzen Schmackazien in Versuchung, und denn erwartetse, deß wir ihr widerstehn und janz jesund essen. Nu kukkense bloß nich auf den kleinen Mollenfriedhof, wo ick mir in letzter Zeit zujelegt habe. Da bin ick man noch 'n janz schwacher neuer Mensch, weil ick mir so was in mein früheres Leben alles nich hab leisten können. Der Züchologe, der hier manchmal kommt, teiltja nu wieder die Menschen janz anders ein: in Lesbiosomen, Schützofremde, mehr so Melankolische und sone Picknicker wie mir, die Essen und Trinken schmeckt. Aber dafür hab icks mit die Bildung wieder ville leichter, weil ick da schon von jeher ne Art neuer Mensch war und mir immer leicht an dis anpassen konnte, was jrade modern war. Oder denkense, ick pöble noch die jungen Burschen an, weil se langes Haar tragen? Ins Gegenteil: Ick frag ihnen bloß, ob se unter ihre Mähne schon wenigstens n Stück neuer Mensch sind! Denn es soll ja noch welche geben, die akkern tagsüber fleißig aufm Bau rum, womit ich Ihnen mal ausnehmen will, und nach Feierabend verschiebense ne janze Ladung Kies für Zahnarzt Stippekohl sein Wochenendjrundstück. Und so betrachtet, hat natürlich Robert Köppen jar nich mal unrecht, wenn er sagt, die Haare aufm Kopf wachsen ebent schneller als wie der neue Mensch. Und nu mach ick den Laden für heute dichte und jeh aufn Schnäpperken in Blauen Affen. Wenn ick denn so n paar kleine Kurze intus habe, fühl ick mir vorüberjehend wie ein janz und jar neuer Mensch. Bloß Muttern kommt denn mit sone Bejriffe nich mehr janz klar und nennt mir auf janz rückständige Weise ne alte Schnapsdrossel.
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Eine Oma geht unbekümmert auf die Mauer zu. Der Grenzer; »Oma, hier darf man nicht langgehen.« Die Oma setzt ihren Weg unbeirrt fort. Der Grenzer schreit; »Oma, hau ab, hier ist die Grenze!«Sagt die Oma: »Na was denkst du denn, was ich vorhabe?"
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John Stave
••• die vor Aufbauprojekten stehenden Sichttafeln immer aus Latten zusammengesetzt sind
»Hast du schon gehört? Die DDR wird umbenannt in DGR.« »Was soll denn das heißen?« »Deutsche Gebirgsrepublik - ein Engpaß am anderen.<< .• :··
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Als Bewohner einer im Krieg schwer mitgenommen Stadt erfreut es einen besonders, wenn irgendwo etwas Neues aufgebaut wird. Die Stadt als Bauherr vergrößert einem die Freude noch, indem sie vor den Aufbauprojekten (man kann auch sagen: Baustellen) große Sichttafeln aufstellt, die dem Betrachter optimistisch verkünden: »Berlin baut auf! « und ihm gleichzeitig Kontrollmöglichkeiten geben. Ich begrüße diese Tafeln. Es kann gar nicht genug von ihnen geben. Eine Frage indessen hat mir keine Ruhe gelassen: Weshalb sind diese Tafeln eigentlich immer aus Latten zusammengesetzt? Ich bin jetzt dahintergekommen. Wir lesen, wer auf so einer Tafel alles aufgeführt wird: Oberbrett: Berlin baut auf! 1. Latte: Name des Objekts 2. Latte: Projektant 3. Latte: Architekt 4. Latte: Planträger 5. Latte: Bauleitung 6.-9. Latte: Ausführende Betriebe 10. Latte: Baubeginn und Fertigstellung Ende der Latten. Eines Tages nun sagte die 5. zur 4. Latte: »Gottverdammich noch mal, wir können den Termin der Fertigstellung nicht einhalten!«- »Scheiße!« sagte die 4. Latte (die Sache spielt ja auf dem Bau, da fällt hin und wieder mal ein treffend es Wort). Die Bauleitung geht zum Polier Schulze und sagt: »Gottverdammich, Karl, wir können den Termin nicht einhalten.« - »Okay«, sagt Karl Schulze, »ick werde das Notwendige veranlasen.« Nach Feierabend geht Schulze an der Tafel vorbei, öffnet seine Aktentasche, holt einen Holzhammer heraus und donnert zong, zong - zweimal gegen die 10. Latte. Sie fliegt herunter, er bricht sie übers Knie und hat abends eine warme Badestube. Deshalb sind die vor Aufbauprojekten stehenden Sichttafeln immer aus Latten zusammengesetzt. '
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Wo wir sind, ist vorn
Ulrich Speitel
Was dor Sitz11ngen: Gäbe es keine Sitzungen, dann hätte unsere Abteilung Landwirtschaft mehr Zeit, dann könnte sie sich mehr ihrer Arbeit widmen. Könnte sie sich mehr ihrer Arbeit widmen, dann würde sie mehr Berichte schreiben. In ihren Berichten wird aber jetzt schon genügend geschummelt. Also muß es mehr Sitzungen geben. Gifte: Gäbe es keine Gifte, dann nähmen die Schädlinge überhand, dann würden sie auch den Wald vernichten. Gäbe es keinen Wald, dann fehlte es uns an Holz. Hätten wir kein Holz, dann hätte unser Bürgermeister keinen Schreibtisch, dann könnte er auch nichts verbuddeln. Wir haben aber nun mal einen Jugendförderungsplan. Also muß es auch Gifte geben.
Papier: Gäbe es kein Papier, dann könnte unsere Kreisverwalt11ng keins vollschreiben. Könnte unsere Kreisverwaltung kein Papier vollschreiben, dann würde sie viel Geld sparen. Würde sie viel Geld sparen, dann könnte sie sich mehr Kraftfahrzeuge kaufen. Hätte unsere Kreisverwaltung mehr Kraftfahrzeuge, dann würden ihre Instrukteure die Genossenschaften noch öfter anleiten. Unsre LPG-Vorsitzenden sollen aber arbeiten. Also muß es auch Papier geben.
Dor 1od dos SeAlla9worts Ein Wort kommt munter und keck oder ernsthaft und schwer aus seinem Wortschatzversteck und stelzt als Schlagwort umher.
Ein jeglicher nimmt's in den Mund, meist gegen den Sinn der Verfasser, und daraus erwächst der Befund: Das Schlagwort wird bleicher und blasser.
Es lebt dann noch still einen Tag und klopft an verschlossene Ohren. Dann stirbt es, wie jedes, am Schlag. Und schon wird ein neues geboren.
Nils Uiemer
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Wo wir sind, ist vorn
Lothar Kusche
Ich stand schon ungefähr eine halbe Stunde vor dem Hauptbahnhof in Bolzenhajn und wartete auf ein Taxi. Das heißt, ich lag im Bett und wartete auf ein Taxi. Genauer gesagt, ich lag im Bett und träumte, ich stünde vor dem Hauptbahnhof in Bolzenhain. Obwohl Träume in der Regel auf verwirrende Weise unlogisch sind, hatte dieser doch realistische Züge. Es kam nämlich kein Taxi. Der Hauptbahnhof in Bolzenhain heißt Bolzenhajn-Hauptbahnhof, damit ihn jedermann von dem Bahnhof Balzenhain-West· unterscheiden kann, der vor etwa siebzehn Jahren stillgelegt worden ist. Statt dessen erschien ein Mann. Der nagelte am Der Genosse hat ausgefallene Ideen. Bahnhofs-Klosett ein Schild an mit der Aufschrift Sonst wär er ja auch nicht Minister WEGEN INVENTUR GESCHLOSSEN. geworden. Ich fragte diesen Mann: »Gibt es hier nur das Schild TAXI-HALTESTELLE? Oder existiert auch ein dazugehöriges Kraftfahrzeug?« Der Mann sagte: »Ja. Aber dieses befindet sich derzeit im Urlaub.« »Wie bitte?« »Also, der Taxifahrer ist mit seinem Taxi im Urlaub. Aber er kommt in acht Tagen zurück.« So lange wollte ich nicht warten. Nun drehte ich mich im Bett auf die andere Seite, und genau in diesem Moment hielt plötzlich und unerwartet direkt vor mir eine schätzungsweise neun Meter lange Luxus-Limousine vom 'fyp OMO 7000, doppelt weiß lackiert, importiert aus dem mit uns befreundeten Grönland. Lautlos öffnete sich eine der vollautomatisch bedienten Türen, und mit elastischem Schritt und seinem bekannten CHLORODONT-007-Lächeln stieg mein alter Freund Rolf-Bob aus seinem total klimatisierten 80-Megawatt-Auto. »Alter Junge!« sagte er kameradschaftlich. »Wohin darf ich dich fahren?« »Rolfi!« staunte ich. »Wie kommst denn du zu diesem TRAUMBOOT DER LANDSTRASSEN?« Rolf-Bob scherzte: »Durch ehrliche Arbeit natürlich! Aber dein Nappaleder-Koffer ist ja auch nicht ohne ... «
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»Das ist kein Nappaleder«, klärte ich ihn auf, »sondern nur ein synthetisch verchromter Pappkarton mit dem international anerkannten Wäscheleinen-Sicherheitsverschluß. « »Na gib mal her«, sagte Rolfi, »ich weiß doch, daß dir vom vielen Reden die Arme immer so weh tun. « Mit diesen Worten ließ er mein bescheidenes Gepäckstück in dem von einer Lichtorgel illuminierten 6-Kubikmeter-Kofferraum verschwinden. Dann glitt der sogenannte ROLLER DER GROSSEN WELT fast lautlos mit uns dahin. Ehe mir noch Rolf-Bob die Vorzüge der quarzgesteuerten Schwungbackenbremsung (mit Datumsanzeige) so richtig erklärte, waren wir beim INTUS-HOTEL INTERSCHRECK angekommen. Zwei Pförtner begrüßten uns sehr, sehr höf- r·~-~z==-~~ lieh; und ein dritter bat fast auf Knien darum, mein Gepäck aufs Zimmer befördern zu dürfen. Mein Freund Rolf-Bob erklärte diesem Pförtner kurzerhand: »Das mache ich lieber selbst.« , Ein vierter Vertreter der entwickelten Einrichtung INTERSCHRECK, ein Mensch im offen.• • sichtlich frisch gebügelten und relativ dunklen Anzug, überreichte mir einen großen Blumenstrauß und sprach: »Herzlich willkommen, Herr Minister! Ich wünsche Ihnen im Namen aller Mitarbeiter einen angenehmen Aufenthalt sowie ein ständig sich steigerndes persönliches Wohlergehen! Haben Sie irgendeinen besonderen Wunsch?« »Sie müssen mich verwechseln«, unterbrach ich ihn, »ich bin kein Minister, ich bin bloß ein simpler Bürger ... « »Ich verstehe, Herr Minister«, murmelte er diskret, »Sie wünschen kein Aufsehen und so weiter. Wir werden das selbstverständlich berücksichtigen.« Und dann bewillkommnete er RolfBob -wie er zu sagen beliebte - als »meinen engsten und wichtigsten Mitarbeiter« und führte uns durch das frisch gebohnerte Foyer zum Direktions-Fahrstuhl und aus diesem in ein Spezial-Appartement mit gekacheltem Fichtennadel-Bad, therapeutischem Schlafzimmer, drei Balkons, Farbfernseher für sämtliche erreichbare Programme, Klimaanlage und üppigem Blumenschmuck. »Möchten Sie auf dem Zimmer speisen?« fragte er. »Unser r
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Vor dem Staatsratsgebäude in Berlin langweilen sich eine Schnecke und eine Ziege. Sie be~ schließen, einen ·Wettlauf zu machen. Die Ziege ist eindeutig schneller. Aber da kommt die Schnecke aus dem ·Staatsrat und trägt eine Verdienstmedaille. »Wieso du? Ich war doch viel schneller«, sagt die Ziege. Darauf die Schnekke: »Darfst nicht meckern. Mußt kriechen.<<
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Oberkellner steht vor der Tür auf dem Gang bereit. Oder wollen Sie sich erst mal ein bißchen frisch machen? Getränke befinden sich im Kühlschrank. « »Besten Dank«, sagte Rolf-Bob, »wir wollen uns erst mal die Hände waschen. Seife haben wir mit.« »Aber ich bitte Sie!« protestierte der Empfangschef. »Im Bad ist doch alles vorbereitet! Darf ich Wasser einlassen?« »Nein!« ordnete Rolf-Bob an. »Wir lassen selbst ein.« »Es ist recht«, sagte der dienstleistungswillige Herr und zog sich zurück. Ich versank in einem der Bolzenhainer Ministersessel und stöhnte: »Sind die hier alle übergeschnappt?« »Laß sie doch, wenn's ihnen Spaß macht«, kicherte mein Freund. Dann holte er aus dem Kühlschrank eine Pikkolo-Flasche Sekt (Marke Graf Koks) für mich und eine Pepsi-Cola für sich und goß ein. »Prost, Ministerehen! Haste Hunger? Dann gehn wir runter und bestellen uns ein doppeltes INTER-Omelett! « »Und der Oberkellner? Der steht doch vor der Tür?« »Von mir aus«, sagte Rolf-Bob, »kann er da stehn bleiben, bis er Rente kriegt.« Der Ober kam aber mit in den Speisesaal. Dort gab er sofort dem amtierenden Leiter des Goldregen-Quintetts ein Zeichen. Die Musiker unterbrachen schlagartig die Toselli-Serenade, an der sie gerade gearbeitet hatten, um die Verdauung der Gäste zu fördern. Unverzüglich intonierten sie das zu Herzen gehende Volkslied der DDR »Auf die Bäume, ihr Affen, der Wald wird gefegt«. Und der Oberkellner raunte mir schmunzelnd zu: »Auch hier in Bolzenhain, Genosse Minister, hat man von Ihrem goldigen Humor Wind erhalten.« Dann nahmen wir an einem reservierten Tisch Platz - obwohl man uns gar nicht vorschriftsmäßig plaziert hatte! »Ich bin kein Minister!« flüsterte ich energisch. Der Ober entschuldigte sich wegen seiner Indiskretion und empfahl dann einige Spezialitäten der berühmten INTERSCHRECK-Küche: »Wie wär's mit Pökelsprotten am eloxierten Räuber-Spieß? Oder vielleicht Bolzenhainer Wachteleierkuchen auf pikantem Makkaroni-Haschee? Sehr beliebt ist auch unser flambiertes Flammeri mit den drei gegrillten Johannisbeeren?« »Der Herr«, erklärte Rolf-Bob leise, aber bestimmt, »wünscht eine Terrine Löffelerbsen mit Speck!« Der Oberkellner erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde, doch dann klatschte er in
Wo wir sind, ist vorn
die Hände, rief: »Köstlich! Köstlich!« und hüpfte zur Küche, wo wir ihn verkünden hörten: »Der Genosse hat ausgefallene Ideen - das muß man ihm lassen. Na, sonst wäre er ja auch nicht Minister geworden. Nun seht mal zu, wo ihr Löffelerbsen herkriegt, ihr Idioten! Los, los! Marsch, marsch! « Nachdem wir die aus der nächsten Eckkneipe importierte Mahlzeit mit Appetit verzehrt hatten, wurde mir der Spaß doch ein bißchen unheimlich. Ich bat Rolfi, unauffällig meinen Pappkoffer zu holen, und erwartete ihn am Portal des INTER-Hotels INTERSCHRECK. Da klingelte der Wecker. Ich stellte ihn ab und träumte weiter. Nachdem ich der diensthabenden Kalten Mamsell und dem ersten Stellvertreter des Leitenden Toilettenmannes je ein Autogramm gegeben hatte, bremste ein Motorrad vor dem Hotel. Der in Leder gekleidete Fahrer nahm seinen Sturzhelm ab und die dicke Aktenmappe zur Hand, und ich bemerkte, daß er eine •• verblüffende Ahnlichkeit mit mir hatte. »Was wollen Sie hier?« schnauzte ihn der rangälteste Portier an. Der Motorradfahrer sagte: »Für mich ist hier ein Zimmer bestellt. Ich bin Minister Korzubeck. « »Und wissen Sie, wer ich bin?« höhnte der Türwächter. »Ich bin Willi Schwabe, hähä! - Außerdem würde ich Sie in diese Aufmachung hier ja nich reinlassen. Sie ham ja nich ma einen Schlips um, Mensch! Da radeln Se bessa zum Bahnhofs-Hotel.« Der Minister Korzubeck sah den INTERSCHRECK-Zerberus grimmig an und sagte: »Wenn ich's nicht so eilig hätte, mein Lieber ... !« Dann startete er in Richtung Bahnhof. Noch während ich endgültig erwachte, glaubte ich zu hören, wie der Portier zu seinen Kameraden sagte: »Habt ihr dis jesehen? Ein Minister aufs Motorrad!! Höhöhö. Wo gibt's denn so watt??« Sein Licht sollte man nicht über den Scheffel stellen.
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))Bei mir ist jede Stunde besetzt!((
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1961
1961 1. Januar 8. Januar 7. Februar 19. Februar 24. Februar 1. März 7. März
Hans Bentzien
Schulung in der LPG. »Die Sowjets · fliegen schon zum Mond!« ruft der Par. teiredner. Hoffnungsvoll fragt ein Bauer: »Alle?«
16.-19. März
1. April 12. April 12. April
14. April 19. April
23. April
Anfrage an den Sender Jerewan. »Warum haben so viel Staatsmänner Glatzen?« Antwort: Auf politische Fragen antworten wir nicht.
24. April
28. April
Die vorbeugende Impfung gegen Diphtherie und Wundstarrkrampf wird Pflicht. Zum dritten Mal gewinnt Helmut Recknagel die internationale Vierschanzentournee. Kommunique des Politbüros über die Rolle der Jugend. Erste Sendung der Reihe >>Fernseh-Akademie<<. Hans Bentzien wird zum Kulturminister berufen. Eröffnung des >>Ersten sozialistischen Armeemuseums<< in Potsdam im Marmorpalais. Mit Musik von Dimitri Schostakowitsch hat die DEFACo-Produktion mit der UdSSR >>Fünf Tage - Fünf Nächte<< Premiere; mit Annekathrin Bürger, Heinz-Dieter Knaup, Wilhelm Koch-Hooge. Das Zentralkomitee der SED beschließt den >>Plan Neue Technik<<, um die Kollektivierung der Landwirtschaft und die Entwicklung der Industrie voranzutreiben. Stiftung der Friedrich-Ludwig-Jahn-Medaille als höchste Auszeichnung des DTSB. Juri Gagarin fliegt als erster Mensch ins Weltall und umkreist in der Raumkapsel >> Wostok 1<< die Erde. Das Arbeitsgesetzbuch wird von der Volkskammer angenommen und tritt am 1. Juli in Kraft. Alle Werktätigen erhalten das Recht auf einen Arbeitsplatz entsprechend ihren Fähigkeiten sowie auf eine Bezahlung gemäß ihrer geleisteten Arbeit. Der Empfang Juri Gagarins in Moskau ist die erste Fernseh-Direktübertragung aus der Sowjetunion. Protest des Ministerrats gegen den imperialistischen Überfall auf das kubanische Volk (Invasion in der Schweinebucht). Einweihung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen mit einer Plastik-Gruppe von Waldemar Grzimek. Das Standbild von Scharnhorst wird als erstes der Denkmäler von Heerführern der Befreiungskriege neben der Staatsoper Unter den Linden aufgestellt. Die 1. Internationale Gartenbauausstellung wird in Erfurt eröffnet.
Wie heißt das blumenreichste Land der Erde? - Die DDR! 17 Millionen Mauerblümchen und eine Bartnelke.
Ze ittafel 1961 1. Mai 8. Mai 17. Mai 25.-27. Mai 30. Mai 3./4. Juni
3.-5. Juni
10.-18. Juni
14. Juni 15. Juni
23. Juni 4. Juli 6. Juli 13. Juli 25. Juli 29. Juli 3.-5. August
6./7. August 9. August
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Jungfernfahrt der >>Fritz Heckert<<, des ersten in der DDR gebauten Urlauberschiffes des FDGB. Uraufführung der Komödie >>Frau Flinz<< von Helmut Baierl am Berliner Ensemble; Hauptrolle Helene Weigel. DEFA-Filmpremiere >>Professor Mamlock<< nach Friedrich Wolf in der Regie von Konrad Wolf. V. Schriftstellerkongreß; Wiederwahl von Anna Seghers zur Vorsitzenden. Die UdSSR gewährt der DDR einen Kredit über 2 Milliarden Mark. Chruschtschow und Kennedy treffen in Wien zusammen. Chruschtschow überreicht Kennedy das sogenannte Berlin-Memorandum. West-Berlin soll eine neutrale, entmilitarisierte Stadt werden. Adenauer lehnt eine Entmilitarisierung ab; auch die drei Westmächte zeigen eine ablehnende Haltung. Ein separater Friedensvertrag Sowjetunion/ DDR wird angekündigt. VI. Pädagogischer Kongreß. Ansprache von Walter Ulbricht: Unsere Schule prägt das Gesicht der Menschen von morgen. 3. Arbeiterfestspiele im Bezirk Magdeburg unter Teilnahme von 20000 Laienkünstlern. Preis für künstlerisches Volksschaffen an das Dorftheater Ebersdorf, das Ensemble des VEB Maxhütte und das Lehrersinfonieorchester. Willi Stoph räumt im >>Neuen Deutschland<< ein, daß es Versorgungsprobleme bei Fleisch und Milch gibt. Walter Ulbricht erklärt auf einer internationalen Pressekonferenz zu innerdeutschen Absperrmaßnahmen: >>Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.<< Hildrun Claus erzielt in Berlin Weltrekord im Weitsprung. Am Schwerin er Theater wird Max Frischs >>Biedermann und die Brandstifter<< erstaufgeführt. Deutscher Friedensplan der Volkskammer zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen zur BRD. DEFA-Kinderfilmpremiere >>Die goldene Jurte<< (Co-Produktion DDR/Mongolei). US-Präsident Kennedy erklärt in einer Rundfunkrede, Westberlin notfalls auch atomar zu verteidigen. Einführung des >>Haushaltstages<< für berufstätige Frauen. Beratung der Mitgliedsstaaten des Warschauer Vertrages in Moskau über >>Maßnahmen zur Sicherung des Friedens<<. Sie geben ihre unveröffentlichte Zustimmung zur Abriegelung West-Berlins. Das sowjetische Raumschiff >>Wostok 2<< mit German Titow an Bord umrundet 25mal die Erde. In Ost-Berlin werden die Grenzgänger, die im Westteil der Stadt arbeiten, registriert.
Helmut Baierl
»Warum kostet denn die >Prawda< nur 10 Pfennige, daß,, !~~tte Deutschland( ab~r 15 Pfennige?1Neuen Deutschland< kommen noch die Übersetzungskosten hinzu.<< ->i'.
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»Die russischen Kosmonauten haben aber ein Pech gehabt! « - »Wieso?« »Da flie,gen sj~ ttm, . 1
die ganZ'e Erde::uµtf
landen ausgereehllet wieder in der · , · SoVJjetunion! «
Zeittafel 1961
122 11. August
13. August 14. August
16. August 24. August
28. August
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Winfried Junge
Die Volkskammer beauftragt den Ministerrat, die auf der Tagung der Warschauer Vertragsstaaten beschlossenen Maßnahmen zur Grenzsicherung in und um Berlin >>vorzubereiten und durchzuführen<<. Schließung der Grenzübergänge nach West-Berlin. Der Mauerbau beginnt. Das Brandenburger Tor wird seitens der DDR zum Westen hin geschlossen. Die Telefonverbindungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR werden vorübergehend unterbrochen. Für alle Bewohner der DDR und Ost-Berlins wird die Grenze zur Bundesrepublik Deutschland gesperrt. Zwei DEFA-Filmpremieren >>Der Fall Gleiwitz<< und >>Der Traum des Hauptmann Loy<<.
Regisseur Winfried Junge beginnt mit den Dreharbeiten für >>Die Kinder von Golzow<<. Es wird der längste Dokumentarfilm der Filmgeschichte. 28. August Der ZRA 1 von Carl Zeiss Jena, der erste serienmäßig produzierte Rechenautomat, wird in Betrieb genommen. 4. September Die FDJ ruft zu ihrer Aktion >>Blitz kontra Nato-Sender<< auf, die sich gegen das Hören von Westsendern richtet. 5.-14. September >>Gewissen in Aufruhr<< mit Erwin Geschonneck wird gesendet, ein Fünfteiler nach den Aufzeichnungen von Rudolf Petershagen. 7. September Ost-Berlin wird als Hauptstadt der DDR zum 15. Bezirk der DDR erklärt. 15. September Die bisherige Deutsche Grenzpolizei wird Kommando der Grenztruppen und eine Teilstreitkraft der NVA. 20. September Die Volkskammer beschließt das Gesetz zur Verteidigung der DDR. 28. September Verordnung über Pflege und Schutz der Denkmale. 30. September Heiner Müllers >>Die Umsiedlerin<< an der Studentenbühne der Berliner HfÖ wird als >>reaktionäres Machwerk<< abgesetzt. 32 Parteistrafen für Beteiligte. Müller wird aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. 4. Oktober Manfred Preußger stellt in Magdeburg im Stabhochsprung mit 4, 70 m einen neuen Europarekord auf. 5. Oktober Die Technische Hochschule in Dresden wird Technische Universität. 8. Oktober DDR-Erstaufführung der Oper >>Krieg und Frieden<< von Sergej Prokofjew in Leipzig. 10./11. Oktober Auf der Wirtschaftskonferenz des Zentralkomitees der SED und des Ministerrates werden Maßnahmen zur >> Störfreimachung << der Wirtschaft beraten.
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Zeittafel 1961
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13. Oktober
Erstmals erscheint das knollige DDR-Ampelmännchen in einer Berliner Verkehrsampel. 17.-31. Oktober Eine Delegation mit Walter Ulbricht reist zum XXII . Parteitag der KPdSU. Die Abrechnung mit dem Stalinismus geht weiter. Stalins Leichnam wird aus dem Mausoleum entfernt. Differenzen mit China; die chinesische Delegation reist vorfristig ab. 25. Oktober Am Checkpoint Charlie stehen sich amerikanische und sowjetische Panzer gegenüber. DDR-Grenzer hatten Angehörigen der US-Militärmission den Zugang nach Ostberlin verweigert. 29. Oktober Im Fernsehen startet die Sendereihe >>Erlesenes<<. 3. November DEFA-Kinderfilmpremiere >>Küßchen und der General<<. 5. November Auf der 6. Bezirkskunstausstellung in Leipzig werden Werke von Heisig, Tübke und Mattheuer präsentiert. 13. November Stalinstadt heißt nun Eisenhüttenstadt. Die Ostberliner Stalinallee wird umbenannt, das Stalindenkmal abgebaut. 30. November In einem Brief schlägt Ministerpräsident Grotewohl Bundeskanzler Adenauer Schritte zur Normalisierung der Beziehungen vor. Das Bundeskanzleramt verweigert die Annahme des Briefes. 2. Dezember Fidel Castro erklärt Kuba zur sozialistischen Republik. 12. Dezember Grundsteinlegung für das >>Haus des Lehrers<< am Alexanderplatz. 15. Dezember Gründung der Liga für Völkerfreundschaft, die alle DDRFreundschaftsgesel lschaften umfaßt. 16. Dezember Das Politbüro beschließt das Kommunique >>Die Frau der Frieden und der Sozialismus<<. 30. Dezember In einem Interview mit der Prawda beziffert Walter Ulbricht die durch Abwerbung und Flucht entstandenen Schäden mit rund 30 Milliarden Mark.
Wolfgang Mattheuer
Oberliga-Plazierung 1961
Nachdem nach sowjetischem Vorb:ild 1956 die Fußballsaison dem Kalenderjahr angeglichen worden war, · kehrtdie Oberliga wieder zum HerbstFrühjahr-Rhythmus ZlJrück. Da die vorhe. rige Saison im De. zember 1960 endete, . beginnt die neue ~. ·. · Spielzeit im Frühjahr · 1961 und endet nach drei Runden im Sommer 1962. .
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Von Jahresanfang bis zum Mauerbau verlassen 159730 DDR-Bürger das Land .
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Sportler des Jahres:
neue Bücher:
Gustav-Adolf Schur (Radrennen)
Franz Fühmann >>Kabelkran und blauer Peter<<
Ute Starke (Turnen) Fußballmannschaft des SC Empor Rostock
Karl-Heinz Jakobs >>Beschreibung eines Sommers<< Erik Neutsch >> Bitterfelder Geschichten<<
Eduard Claudius >>Die Nacht des Käuzchens<<
große Hits:
Christa Wolf >>Moskauer Novelle<<
>>Reserviert für Pierre<< lrmgard Hase
Anna Seghers >>Das Licht auf dem Galgen<<<<
Denk daran<< Fanny Daal
>>Sari<< Fred Frohberg
>>Weiße Wolken, blaues Meer und du<< Jenny Petra
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Zeittafel 1962
1962 1. Januar
Die vorbeugende Impfung gegen Keuchhusten wird als Pflichtimpfung eingeführt.
4. Januar
>>Astronautisches Studio<< hat Fernsehpremiere. .
Ulbricht steht an der Mole in Rostock und sieht beim Beladen der Schiffe zu. Er fragt die Seeleute: »Wo fahrt ihr hin?« »Nach Kuba.« »Was bringt ihr hin?« »Maschinen und Fahrzeuge.« »Womit kommt ihr zurück?« »Mit Apfelsinen.« Er fragt die Seeleute eines zweiten Schiffes: »Wo fahrt ihr hin?« »Nach Afrika.« »Was bringt ihr hin?« »Maschinen und Fahrzeuge.« »Womit kommt ihr zurück?« »Mit Bananen.« Und die eines dritten Schiffes: »Wo fahrt ihr hin?« »In die Sowjetunion.« »Was bringt ihr hin?« »Apfelsinen und Bananen.« »Womit kommt ihr zurück?« »Mit dem Zug.«
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Anfrage an den Sender Jei.ewan: »Stimmt es~ daß dem Kosmonauten Gagarin auf dem Roten Platz ein rotes Auto übetreiclit worden ist?« Antwort: »Im Prinzip ja. Nur handelte es sich nicht um den Kosmonauten Gagarin, sondern um einen Arbeiter gleichen Namens. Und es geschah nicht in Moskau, sondern in Kiew~ Es war auch kein Auto, sondern ein Fahrrad, und es wurde ihm nicht überreicht, sondern gestohlen.« 4. Januar
DEFA-Filmpremiere >>Auf der Sonnenseite<< mit Marita Böhme und Manfred Krug.
5./6. Januar
Auf der Frauenkonferenz des Zentralkomitees der SED wird beschlossen, die Mitarbeit von Frauen in Staat und Wirtschaft zu verstärken. Bisher sind 46°/o aller Beschäftigten in der DDR Frauen.
6. Januar
Die Bauarbeiten am Rostocker Hafenbecken werden abgeschlossen.
16. Januar
In Berlin wird das >>Bulgarische Kulturzentrum eröffnet<<.
24. Januar
Die Volkskammer beschließt das >>Gesetz über die allgemeine Wehrpflicht<< in der DDR und in Ost-Berlin.
5. Februar
Frankreich verweigert der DDR-Mannschaft die Einreise zu den Skiweltmeisterschaften in Chamonix.
10.-11. Februar llse Geisler und Thomas Köhler erringen bei der Rennschlitten-WM in Krynica (Polen) die Weltmeistertitel im Einsitzer. 22. Februar
DEFA-Filmpremiere >>Die aus der 12b<<.
24.-25. Februar Beim Skispringen auf der Großen Schanze in Zakopane wird Helmut Recknagel Weltmeister. 9.-11. März
In Magdeburg tagt der VII. Bauernkongreß unter der Losung >>Für gute genossenschaftliche Arbeit in jeder LPG - für Frieden und Sozialismus!<<
13. März
Die DDR erklärt in einem Schreiben an den UNO-Generalsekretär den Verzicht auf Erwerb, Herstellung und Stationierung atomarer Waffen.
15. März
Die DDR-Regierung stiftet den Ehrentitel >>Kollektiv der sozialistischen Arbeit<<.
22. März
Die DDR-Regierung führt Visa für Bundesbürger ein, die in die DDR einreisen wollen.
Ze ittafel 1962 28. März
Als Antwort auf ein bereits von der Bundesrepublik eingeführtes Zollgesetz verabschiedet die Volkskammer ein eigenes Zollgesetz, das Westberlin als nicht zum Hoheitsgebiet der BRD gehörend einstuft.
8. April
DEFA-Kinderfilmpremiere >>Christine und die Störche<<.
24. Mai
Zwischen der DDR und dem Irak wird die Einrichtung eines Generalkonsulates der DDR in der irakischen Stadt Bagdad beschlossen.
1. Juni
Gründung der ersten Schulsportgemeinschaft (SSG) für körperbehinderte Kinder und Jugendliche in Magdeburg.
16./17. Juni
Der >>Nationalkongreß der Nationalen Front<< verabschiedet ein >>Nationales Dokument<<, das unter anderem die Koexistenz beider deutschen Staaten und eine Konföderation vorsieht. Der Beschluß basiert auf der Forderung der SED nach völkerrechtlicher Anerkennung beider deutscher Staaten.
18. Juni
Der neunzehnjährige Grenzsoldat Reinhold Huhn wird von einem Fluchthelfer an der Mauer erschossen.
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Warum nimmt Walter Ulbricht Lotte immer mit·auf Reisen? Damit er sie zum Abschied und zur Begrüßung nicht küssen muß.
1. Juli - 31. August Hans-Grundig-Ausstellung in der Berliner Nationalgalerie. 6.-12.Juli
Erstmalige Durchführung der Sommerfilmtage der DDR in den Bezirken Dresden, Rostock, Gera, Berlin. Eröffnung in Berlin mit dem DEFA-Film >>Das verhexte Fischerdorf<<.
10. Juli
Eine DEFA-Literaturverfilmung nach Wilhelm Raabe kommt in die Kinos: >>Die schwarze Galeere<<.
12. Juli
Ankündigung, daß die Arbeiter- und Bauern-Fakultäten, die jungen Werktätigen den Weg zur Hochschulreife ermöglichten, 1963 ihre Arbeit einstellen.
13. Juli
Ein neuer Märchenfilm hat Premiere: >>Rotkäppchen<<, mit Blanche Kommerell.
13.- 14. Juli
1. Schlagerfestival der Ostseeländer in Rostock. Fred Frohberg und Bärbel Wachholz gewinnen den Wettbewerb.
14. August
Ein spannender Kinderfilm nach einer Erzählung von Max Zimmering läuft an: >>Die Jagd nach dem Stiefel<<.
17. August
Bei einem Fluchtversuch stirbt der achtzehnjährige Peter Fechter an der Berliner Mauer.
22. August
Die sowjetische Kommandantur in Berlin wird aufgehoben. Ein >>Stadtkommandant für die Hauptstadt der DDR<< wird eingesetzt.
6. September
Der Komponist Hanns Eisler stirbt vierundsechzigjährig in Ost-Berlin.
8. September
Walter Ulbricht bezeichnet die Mauer als >>antifaschistischen Schutzwall<<.
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Fred Frohberg
,,J Hanns Eisler
Zeittafel 1962
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12. September Mit der Gründung des >>Rates für Industrieform<< reagiert die DDR auf den steigenden Konsum technischer Gebrauchsgüter in den Privathaushalten. 1964 wird die >>ästhetische Prüfpflicht<< für Konsumprodukte in der DDR eingeführt. 12.-16. September Manfred Matuschewski wird als erster DDR-Sportler Europameister über 800 m bei der Leichtathletik-EM in Belgrad. 21.-23. September 1. Gehörlosen-Spartakiade des Deutschen Verbandes für Versehrtensport (DVFV) in Leipzig. 1
Alfred Kurella
22. September - 3. Juni 1963 V. DDR-Kunstausstellung im Albertinum in Dresden mit insgesamt 210 000 Besuchern. 30. September In allen Betrieben, Verwaltungen, Hoch- und Fachschulen werden Reservisten-Kollektive gebildet . .
»Genosse«, sagt der Parteisekretär, »ich kann dir die erfreu~·- . liehe Mitteilung ma- . chen, daß du ·nach . Kuba delegiert wirst, um den Sieg des Sozialismus in Lateinamerika voranzutreiben! « Drauf der Genosse: »Ach nein, bitte, ich möchte nicht ...!« Der Parteisekretär: .· »Aber es ist eine große Ehre und eine verantwortungsvolle· Aufgabe! « »Ach weißt du, Genosse Parteisekretär, ich hab ja schon vieles mitgemacht: Unter Stalin sind wir stalinisiert worden, unter Chruschtschow . , chruschtschowisiert, und nun soll · ich zu Castro gehen?«
Ein Hauptmann begrüßt die jungen Soldaten. »Woher kommen . .Sie denn?« fragt er einen ~~nling. »Aus Gera, Herr Kol!lBjan~~~li~f. (<. „ . >?Sagen.Si~ lieb.er ße,li~~~:~l~l~~~n zu, tnU-. «· .· ·>5Jawohl, lieoer Geness.e ' Haup,:fmann.~' . .
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3. Oktober
Auf der 17. Tagung des Zentralkomitees der SED heißt es, daß die >>Aufgaben der Übergangsperiode<< vom Kapitalismus zum Sozialismus >>im wesentlichen gelöst<< seien. Alfred Kurella zur Kulturpolitik: >>Wir schaffen die sozialistische Kultur für die ganze Nation.<<
12. Oktober
DEFA-Filmpremiere >>Menschen und Tiere<< (eine Co-Produktion DDR/ UdSSR).
14. Oktober
Premierenapplaus von 45 Minuten bekommt die Uraufführung von Hacks >>Der Frieden<< (nach Aristophanes) am Deutschen Theater.
16. Oktober
Beschluß zur Bildung von Kommissionen zur sozialistischen Wehrerziehung.
17. Oktober
Gründung der Frederic-Chopin-Gesellschaft in Leipzig.
23. Oktober
Die Werktätigen aus dem VEB Büromaschinenwerk Sömmerda rufen zum sozialistischen Massenwettbewerb auf: >>Gründlich denken, ehrlich arbeiten, wirtschaftlich rechnen, wissenschaftlich forschen, froh und kulturvoll leben.<<
25. Oktober
250000 Berliner demonstrieren gegen die Kuba-Politik der USA.
28. Oktober
Chruschtschow kündigt den Abbau sowjetischer Raketen in Kuba an.
Zeittafel 1962 28. Oktober
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Die bundesdeutsche Schriftstellervereinigung Gruppe 47 verleiht ihren diesjährigen Preis dem Schriftsteller Johannes Bobrowski aus der DDR.
3.-5. November Die ersten Telemann-Festtage finden in Magdeburg statt. 9.-18. November V. Internationale Dokumentar- und Kurzfilmwoche in Leipzig. Der Große Preis geht an den kubanischen Film >>Geschichte eines Balletts<<. 10. November
Die Berliner Zeitung fragt erstmals nach den >>Fernsehlieblingen<<, die sie in ihrer Ausgabe vom 16. Dezember veröffentlicht.
11. Dezember
Als Leiter der Sektion Lyrik der Akademie der Künste hatte Stephan Hermlin zur Einsendung unveröffentlichter Gedichte aufgerufen, die auf einer Veranstaltung vorgetragen werden. Wolf Biermann ist unter den Autoren.
14. Dezember
Die Intershop-Handelsorganisation wird gegründet. Einkaufen dürfen nur Ausländer mit konvertierbarer Währung.
15. Dezember
Im Friedrichstadtpalast findet eine Gala zum zehnjährigen Bestehen des Fernsehens statt - Walter Ulbricht wird begrüßt.
15. Dezember
In Zwickau beginnt die Produktion des Trabant P 60. Bis 1965 werden 106 628 Stück gebaut.
19. Dezember
Der Ministerrat beschließt ein Wohnungsbauprogramm.
23. Dezember
Veröffentlichung des Entwurfs eines neuen Parteiprogramms der SED.
1962 verlassen 21 356 DDR-Bürger das Land.
Oberliga-Plazierung 1962 1. ASK Vorwärts Berlin 2. SC Empor Rostock 3. SC Dynamo Berlin 4. SC Motor Jena 5. Motor Zwickau 6. SC Lok Leipzig 7. SC Wismut KarlMarx-Stadt 8. SC Rotation ·Leipzig 9. SC Aufbau Magdeburg 10. SC Turbine Erfurt (N) 11. SC Chemie Halle 12. SC Aktivist BrieskeSenftenberg 13. SC Einheit Dresden (A) 14. Lok Stendal (N, A)
Sportler des Jahres:
Fernsehlieblinge:
neue Bücher:
große Hits:
Helmut Recknagel (Skispringen)
Rolf Herricht
Franz Fühmann >>Das Judenauto<<
>>Frühlingsfest auf Kuba<< Rica Deus
Ingrid Krämer (Wasserspringen) Die 4 x 100 m-Lagenstaffel der Frauen
Torschützenkönig der Oberliga: Arthur Bialas vom SC Empor Rostock mit 23 Treffern
Willi Schwabe Margot Ebert Heinz Florian Oertel Heinz Quermann das Sandmännchen lnge Keller Eberhard Cohrs Prof. Ullrich Bärbel Wachholz
Hermann Kant >>Ein bißchen Südsee<< Max Walter Schulz >>Wir sind nicht Staub im Wind<<
>>Treu sein<< Bärbel Wachholz >>Das Wunder der Nacht<< Petra Böttcher
Anna Seghers >>Karibische Geschichten<<
>>Für dich und für mich<< Helga Brauer
Joachim Wohlgemuth >>Egon und das achte Weltwunder<<
>>Einmal weht der Südwind wieder<< Rica Deus
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Nachweise Die Karikaturen stammen von Heinz Behling: 51, 64, 66, 90, 112 Henry Büttner: 43, 73, 85, 92, 98 Peter Dittrich: 61, 77, 112 Karl Holtz: 57, 119 Heinz Jankofsky: 30 Kurt Klamann: 31, 58 Harald Kretzschmar: 120, 121, 122, 123, 125, 126 Lothar Otto: 107 Harri Parschau: 11, 16, 21, 39 Kurt Poltiniak: 13 Louis Rauwolf: 22, 32, 37, 79, 80, 87, 97 u. Wtlmar Riegenring: 45 o. Horst Schrade: 8, 44, 78, 103 Karl Schrader: 42, 45 u., 47, 49, 94, 97 o., 106, 100, 110 Carl Sturtzkopf: 20, 74 Georg Wtlke: 26, 28, 55, 67, 70, 88, 101, 117 Fotos: Manfred Uhlenhut: 35 Archiv Zentralkonsum e. G.: 65 Für die freundliche Genehmigung z11m Abdruck danken wir den Autoren, Zeichnern und Erben. Nicht in allen Fällen ist es uns gelungen, Rechteinhaber und Rechtsnachfolger zu ermitteln. Berechtigte Honoraransprüche bleiben gewahrt.
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Lieber schlankweg in den Westen als dicke da im Osten
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