. on • e1
•
•
er o e un1on ernen, • sie en ernen
...
„
•
'
Die Jahre 1949-1950: Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen
• 1949 1950
on
er
ow·etunion ernen, ei t sie en ernen
Weltbild
4
. vPl"I '" „ ... ......... ,,.....,........... ,""*"' ,... .• "91, .....,,..... „„,.... PM4"-.-i,...... • 1u 1 -..r&11n ·~.,,,„,„"
l .... 4 ........
, 'f
• •~•
··- - -r-- -..--
t•
'"9 ...-.r-1
...
---
1.,1"\-.._ rn
„ ...„ ......,,_ _ _„,.._..., __ ._._._.
·~f!P._
••• lt--
_. . . . . . .
-
-«
-
--~
H.-W. Tzschichhold: Etwas älter und ein bißchen weise
7
1. Kapitel: Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen
9
Lothar Kusche Wie streng sind denn im Sowjetland die Bräuche? 10 Dietrich Zietemann So war das! 14 Fritz Bernhard Gedanken über Kritik und Selbstkritik 14 Henricus Hermann 15 Paul Poerschke Fräulein Wachtmeister 18 Verrechnet 18 Paul Blank Die bösen Wörter mit Kri ... 19 Bernd Wollenberg April - schaurige Episode 21 Hansgeorg Stengel 22 Neujahrsauftakt 2. Kapitel: Alles zum Wohle des Volkes Humorvolles aus dem Alltag
Bernd Waltenberg Fortschritt Erich Hanko Leda mit dem Schwan Lothar Kusche Bahnhof Savignyplatz Ersatz Jan Peter Lemail Die Raucherbewegung Hansgeorg Stengel Am dreizehnten Tage Fritz Bernhard Der Presto Erich Hanko Ende 11nd Anfang der B-Wurst Henricus Der Leuchtglobus Hermann Wtlke Der Mann vom Wohnungsamt
23 24 26
27 28 29
30 32
38 39 42
5
Inhalt
3. Kapitel: Lernen, lernen, nochmals lernen Als wir Schüler und Pioniere waren
43
Erich Hanko 44 46
Ferienheim Sonnenblick In der Dorfschule
Erwin F. B. Albrecht
48
Hirsekorns Knabe
HansgeorgH St-engel Kinder
.. -
51
Jo Schulz Vaterstolz
51
Lothar Kusche Ostzonale Miniaturen 4. Kapitel: Was des Volkes Hände schaffen Wir Werktätigen in Stadt und Land
52 53
Erich Hanko Damals, als ich ...
54
Max Albert Das Testament
56
Lothar Kusche Der generöse Generator
58
Jo Schulz Der Lumpensammler kommt
60
Hansgeorg Stengel Der letzte Schrei
62
Richard Drews Kleines Kolleg über Kollegen
64
Bernd Waltenberg Schwerarbeit
66
Hansgeorg Stengel Die Hauptsache 5. Kapitel: Heißer Sommer Von Ostseestrand, Datsche und Jugendclubs ...
68 69
Erwin F. B. Albrecht Es war ein Sonntag, hell und klar ...
70
Fritz Bernhard 0 Mortadella
74
Erich Hanko Sommerreise
78
Lothar Kusche Komm mit mir auf den Wannsee
80
Jo Schulz Gesunder Ausgleich
82
Inhalt
6
6. Kapitel: Höher, schneller, weiter! Sportlich sportlich
•
Erich Hanko Sport treiben - aber richtig Jo Hanns Rößler Das königliche Spiel Günter Gregor Gut Holz Hansgeorg Stengel Die Rache des Meisterläufers Richard Drews Endspurt zum Verfassen von Frühlingsgedichten 7. Kapitel: Unter vier Augen Über Verliebte und Verheiratete
Jo Schulz Ein Blumenstrauß Erich Hanko Osterhütchen Jo Schulz Die Prüfung Willi Drescher Das große Abenteuer Ehestandsgeschichten Ralph Wiener Geist und Materie Paul Blank •• Uber die Nachtigall Jo Schulz Gleichberechtigung Ralph Wiener Die Wiederholung 8. Kapitel: Wo wir sind, ist vorn! Es geht seinen sozialistischen Gang
Fritz Bernhard Die Eingabenschleuder Lothar Kusche Rede nach deutscher Art Bernd Waltenberg Haben Sie einen Ausweis? Fritz Bernhard Dichter und Richter
83 84
86 87
89 91 93 94
98 99 101 103 104 106 107 108 109 110 114 116
Zeittafel
118 120
Rechtliches
128
Fr i sc h e r W i n d u n d Eu 1e n s p i e.g e 1e i e n
etwas iißter ~Hd eiH OilJel!ceH weise 1949 - ein Jahr des Um- und des Aufschwungs. Auch in meinem Leben. Als ausgelernter Radiomechaniker begann ich in einem kleinen Rundfunkgerätewerk namens »Elbia« in Schönebeck meine Arbeit. Da wir mehrere Lehrlinge und Jungfacharbeiter waren, dachte ich mir, die Gründung einer FDJ-Gruppe könne von Vorteil sein. Also passierte es. Nun war ich zu dieser Zeit auch schon Volkskorrespondent der Schönebecker Tageszeitung und Jugendkorrespondent der »Jungen Welt«. Es verging nur eine kurze Zeit, da war ich schon ein ahnungsloser »Agit/Prop.«-Sekretär der Kreisleitung. Die Folge: Man delegierte mich in das Vorbereitungskomitee der Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1951 nach Berlin. Also fuhr ich los in die Möllendorffstraße in Lichtenberg und mußte dort auf einem Strohsack schlafen, was meine Begeisterung in ungeahnte Höhen trieb. Trotzdem versuchte ich, das Beste draus zu machen. Ich lernte auf einer Pressekonferenz den Chefredakteur meiner seit Jahren abonnierten H11mor- und Satirezeitschrift »Frischer Wind<<, Walter Heynowski, kennen. Ein kurzes Gespräch unter vier Augen mit diesem imposanten Menschen, und selbiger schlug mir vor, ich solle ab 1. Juli 1951 in seiner Redaktion arbeiten. Als zu kurzfristig lehnte ich das Angebot ab, er aber bezeichnete gerade das als Eignungstest. Mein Sehrippengeber, der Landesvorstand der FDJ in Halle, versuchte mir klarzumachen, als Mitglied der FDJ hätte ich einen Verbandsauftrag. Ich beendete die Diskussion, indem ich mein FDJ-Mitgliedsbuch übergab mit den Worten: Dann war ich eben Mitglied der FDJ - und begann meine redaktionelle Arbeit beim »Frischen Wmd«. Schnell wuchs ich dort mit meinen Aufgaben, anfangs unter den helfenden Händen von Lothar Kusche und Carl Andrießen. So ging es dann weiter durch alle die Jahre beim »Eulenspiegel«. 1965 war ich beteiligt, den Amateurfilmwettbewerb »Eulenspiegeleien« ins Leben zu rufen, der als »Internationales Filmfestival für Humor und Satire« 2009 z11m 35. Mal stattfindet. Auch nach meinem gesetzlichen Abgang im 65. Lebensjahr 1991 konnte ich vom »Eulenspiegel« nicht lassen. Da versteht es sich, daß ich mich über die »Eulenspiegeleien«, die für dieses Buch gesammelt wurden, freue und sie den Lesern als Rück- und Einblicke in bewegte Zeiten ans Herz lege.
Hans-Werner Tzschichhold
7
8
•
7__
.,. L
.. 1
1
) ~
\
Q
~
~
1'~
1
\~ b
1
\
(
~
~
~
(J-'
-
),
0
•
•
j
•
~
.i ~
.•,
„
10
Von der Sowjetunion lernen ...
Lothar Kusche
io stro1t ow;otlla1t
Die Sowjetunion · ,. · bringt 4 Bücher · über den Elefanten heraus: 1. Der Elefant im zaristischen Rußland 2. Der Elefant in, ~· der Großen Sozial{~ . ,„ stischen Oktolieft.e: , volution " ,.· 3. Der Elefant im Großen Vaterländischen Krieg 4. Der Elefant beim Aufbau des Kom• mumsmus. Die DDR bringt 6 Bände heraus: ..··· 4 Bände Überset-.."' .zung aus de111 · ~~s;;;~'.. · sischen 5. Band: Der Ele- . fant, der treueste· . Freund der Sowjet• umon 6. Band: Vom Sowjetelefanten lernen, heißt siegen lernen. o•
•
'•C
'ff!
c
.
~.:
'
' SIH ' 10
' Oltlt IHt rit~e/!co'I-
Schlafen auch die Bewohner der Städte noch auf dem Ofen? Nein. Erstens fehlt es den Bewohnern der Städte an Öfen. Zweitens liegt man auf Zentralheizungen sehr unbequem; die Form der Heizkörper würde einem lauter Rillen in den Rücken drücken. Wonach schmeckt kalter Stör? Am besten nach Wodka. Doch können Sie die Reihenfolge auch vertauschen, denn Wodka schmeckt auch nach kaltem Stör sehr gut. Wird in der Sowjetunion auch nur mit Wasser gekocht? Manchmal dachte ich: Da wird bloß mit Fett gekocht. Wo läßt ein Spaziergänger in Moskau seinen Zigarettenstummel? Als Ausländer würde man den Zigarettenstummel am liebsten herunterschlucken, denn man traut sich nicht, ihn auf den Fußweg fallen zu lassen - so rein ist da das Pflaster. Die Bahnhöfe Moskaus zum Beispiel werden behütet und mit einem Respekt betreten, als handle es sich um Museen. Von den blankgescheuerten Perrons, mit großen Topfpflanzen verziert, könnte man essen; aber keinem Menschen würde es einfallen, weil er dabei ja den Bahnsteig fettig machen könnte; und niemand würde Papier oder Speisereste fortwerfen. »Moskau ist geradezu langweilig sauber«, hatte ein Bekannter in Berlin gewitzelt, aber als ich nach Moskau kam, fand ich eine so saubere Stadt ganz erfreulich, sozusagen der Abwechslung halber. Es stehen allenthalben unzählige Behälter für Abfall, und die Zahl derjenigen, welche die Straßen fegen, die Kehrichttonnen leeren und mit Spezialfahrzeugen den Asphalt waschen, muß Legion sein. Damit dürfte der Umstand, daß die Moskauer Bevölkerung auch geradezu langweilig gesund ist, in gewissem Zusammenhang stehen. Die Sowjetbürger, die sich den kollektiven Luxus schaffen, respektieren ihn auch; wenn jemand einer Unsauberkeit fähig ist, dann ganz sicher eher in seiner Wohnung als in der Öffentlichkeit. Was das anlangt, so benimmt man sich da interessanterweise genau umgekehrt wie in den Staaten, deren herrschende Klasse dem Prinzip des individuellen Luxus für wenige huldigt. •
Von der Sowjetunion lernen _...
11
Wieso fehlt es dort eigentlich noch an Wohnungen? Ja-wieso eigentlich? Wo doch die Zaren außerordentlich viel für den Arbeiterwohnungsbau getan haben, nicht wahr? Und Hitler auch, nicht wahr? Wie kam der Zuckerguß in die Sowjetarchitektur? Die Häuser sind prächtig. Über den Geschmack läßt sich nicht streiten oder läßt sich streiten, je nachdem, ob man Lust hat. Immerhin sind es die Häuser der Moskauer oder Leningrader oder Taschkenter, und immerhin war es ihr Geschmack; und wie die Bauten auch aussehen, ihre Erbauer wollten, daß sie schön aussehen sollten, sie waren ganz fest entschlossen, sie dem Auge angenehm zu bauen und nicht bloß den zivilisatorischen Ansprüchen der Mieter zu genügen. Es sind keine Wohnmaschinen, weil man solche im Sowjetland dürftig, ärmlich, häßlich fände. Die Bürger fühlen sich weder gezwungen noch veranlaßt, die Ausstattung ihrer Wohnhäuser und öffentliehen Einrichtungen auf lf l'tPOlf das lediglich funktionell bedingte Maß zu beschränken. Die Wohnbauten sind großenteils so prächtig wie die Theater, Ferienheime, Hotels oder Sanatorien: Teppiche, Portieren, Parkett, Polster, reiche Foyers, Blumen, Ornamente, Mosaiken, Wand- und Deckenmalereien. Wohl haben die sowjetischen Architekten vor Jahren öfter den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verletzt und ihre Ansicht von Baumethoden und -grundsätzen später revidiert, doch bauen sie auch heutzutage nicht karg und dürftig (und sie tun dies unterm Beifall der Öffentlichkeit). Es ist selbstverständlich,
/
~
„.'fPl',11,0BOH 'lf.-'IOUt:K 14'~'BC:TßVf.T CE6ß ) H.~C CBOliO~Hbl~1 f\>Ami(AHHHOM CBOEH C'l'PAlfhl, t80El'O PO;•A Oitlll}:CTUEltfflilM .$iITF..1t~. l::C;1H OH P-\ I>OT\fT '\:OPOUIO H .:tAEl' 061.l(t:t;TßY TO. qTo ~OmET .].,\fb-OH TP)Jl.\.08 OBF.JJH C'. IABOH. # Cr.\JHH
12
Welcher Nationalität waren Adam und Eva? Sowjetbürger. Wieso? Sie kamen arm auf die Welt, hatten nichts anzuziehen und glaubten sich im Paradies.
-
Von der Sowjetunion lernen ...
daß diejenigen, welche aus den Hütten gekommen sind, sich und der Welt zu zeigen wünschen, daß die Zeit angebrochen ist, da sie in Palästen leben. Sowjetarchitektur will auch mit soziologischem Maßstab gemessen werden. Gibt es in der UdSSR genügend Säulen? Ja. Gibt es in den Großstädten viele Radfahrer, und sind diese auch an allem schuld? In den großen Städten sieht man kaum einen Radfahrer, denn die großen Städte sind dort einfach zu groß. An allem schuld scheint mir im Sowjetland, wenn überhaupt jemand, der Fuß•• • ganger zu sein. Nehmen die Fußgänger Rücksicht auf die übrigen Verkehrsteilnehmer? Nein. Sie zeigen weder vor Lastzügen noch vor Rennwagen Respekt, weder vor Verkehrsampeln noch vor Milizionären. Grassiert dort die Transparentitis? Das kann der böswilligste Beobachter nicht behaupten. Es mag sein, daß in der Sowjetunion genauso viele Transparente hängen wie in der DDR. Jedoch muß man bedenken, daß die Sowjetunion etwas größer ist als die DDR. Sind die Taxifahrer dort genauso liebenswürdig wie die bei uns? Ja. Genauso. Kann man sich auch verständigen, wenn man kein Wort Russisch kann? Mir ist es im allgemeinen ganz gut gelungen. Unglaublich viele Leute dort sprechen Französisch oder Englisch. Am besten konnte ich mich mit Menschen unterhalten, deren EnglischKenntnisse den meinen entsprachen, also ähnlich dürftig waren. Man plaudert so ungehemmt, nachdem man einmal herausgefunden hat, daß es der andere auch nicht richtig kann. Als ich eines Abends mit einem sowjetischen Kollegen im Restaurant eine besonders schwungvolle englische Diskussion hatte, kam ein Mann vorüber, dessen Gesicht gleichsam mit einer Maske ungläubigen Staunens bedeckt zu sein schien und der sich noch lange mit weit geöffneten Augen nach uns umsah. Er war Engländer. Wie beurteilen Sie das Programm des Moskauer Rundfunks? Da kann ich wahrhaftig kein Urteil abgeben, denn ich spreche leider nicht russisch. Und es wird ziemlich viel gesprochen im Moskauer Rundfunk.
Von der Sowjetunion lernen ....
Sind die Erwachsenen tatsächlich große Kinder, wie man immer hört? Ja, natürlich. Selbst die ältesten Opas haben immer Bonbons im Mund und kurze Hosen an und kichern den ganzen Tag und fahren immerzu Roller.
Sind die Kinder tatsächlich kleine Erwachsene, wie man immer .. t? hor. Ja, natürlich. Selbst die kleinsten Kinder haben schon Brillen auf der Nase und lange Hosen an und ziehen den ganzen Tag die ernstesten Mienen und lesen immerzu wissenschaftliche Bücher.
Tragen alle Russinnen Zöpfe, oder benutzen sie auch Kaltwelle? Die ganz kleinen Russinnen tragen oft Zöpfe. Die nicht mehr ganz so kleinen Russinnen ordnen ihr Haar nicht selten in der auch hierzulande wohlbekannten sogenannten Pferdeschwanz-Form. Die russischen Frauen tragen's mal so, mal so - aber ob da Kaltwelle im Spiel ist, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich muß Ihnen diesbezüglich etwas gestehen. Ich weiß nämlich gar nicht, was Kaltwelle ist.
Sind sowjetische Frauen prüde? Erlauben Sie mir eine Gegenfrage: Was hätten Sie getan, um das herauszufinden?
Gibt es tatsächlich Körperseife mit Himbeergeschmack? Das kann ich nicht sagen, denn ich habe noch niemals Seife gegessen, auch nicht in der Sowjetunion. Aber es gibt dort eine Seife mit Himbeerduft, das ist wahr; der Duft ist geradezu umwerfend und gewiß so penetrant, wie ihn originale Himbeeren niemals hervorbringen könnten.
13
Von der Sowjetunion lernen ...
14
Dietrich Zietemann
o war
.
, .
~
. ,,;r
'Jl
. •,.~.,..,
',.Ein-Sowjet-Soldat : •·.. "" kommt,zumUhrma~· · , eher. -und .legt eine ··. ', · Sprungdeckeluhr ~..•· ·. . · auf:tlen Ladentiscn.· ·.· »Bitte Reparatur~~< · . , Der Nhrmacher öff: ·. . · net die Uhr. · Sie.ist ·. : voll~t~dig ver~ · .? . dreckt. Mit einer ': . ,· · Pilizette ,entninlmt' . ·.• .
•
,i
•
..
.
•
.~
.~
. .
.
.
''. '
~
.··
.
.
' .
~
.
asl
•
Im Dritten Reich war es immer wie auf der Straßenbahn. Vom stand der Führer. Hinter dem Führer stand das Volk, Was nicht stand, das saß. Dauernd lief einer rum und kassierte. An die Oberleitung durfte niemand ran . Die stand immer unter Spannung. Die Anhänger immer hinterher. Ab und zu sprang einer ab. An der Endstelle stieg alles schnell aus und warf die Fahrscheine weg. Die, die gesessen hatten, standen auf. Die alten Anhänger wurden abgehängt.
··~.
·,.er
die Uhr. •. ' ·· ,· . ,·. ·.. . · ,Barauf de.r .Sowjet~ „ ·, ·~ .·soldat: >>Ah,'Nerste~ ··.•. ·lie'· Maschihist ka: .·• · '
,.
'
'
.'
'
.
'
'
''
,.
:1Ju.tt.« .•. ·...' ' ..·. · • . ' '. .
.. .
.
: .. _
J
"
.-·-.
Kritik ist wie Salz. Man kann es nicht entbehren, aber es kommt auf die richtige Dosierung an. Wer einem anderen die Suppe nur versalzen will, hat das Maß der gesunden Kritik schon überschritten. Kritik ist um so wertvoller, je durchdachter sie ist. Sie ist um so durchdachter, je mehr man aus ihr lernen kann. Der beste Kritiker dringt in die Tiefe, um zur Höhe zu fahren. Die häßlichste Kritik ist die gehässige. Sie ist billig wie ein Wespenstich und gefährlich wie ein Schlangenbiß. Fast immer entsteht sie am Schreibtisch, oft am Telefon, fast nie Aug' in Auge. Man sollte jede Kritik für die Pupille schreiben. Wenn unsere Selbstkritik die Schärfe unserer Kritik an anderen und unsere Kritik an anderen das Wohlwollen unserer Selbstkritik aufweist, sind beide richtig. Kritik und Selbstkritik sind nicht zu verwechseln mit Seife, Streusand, Chlor, Imi, Ata oder Fewa. Kritik und Selbstkritik sind mehr als Reinigungsmittel. Sie sind Methoden unserer Arbeit. Man kann sie daher nicht von der Arbeit loslösen und etwa nur morgens aus der Tube drücken. Oder nur sonntags mit ins Badewasser krümeln. Wer einen Tag keine Selbstkritik geübt hat, bietet Anlaß zu Kritik, und umgekehrt.
Fritz Bernhard
Von der Sowjetunion lernen , ..
7
Henricus
Was, Sie kennen Hermann nicht? Da haben Sie aber Glück! Das heißt, soviel Glück haben Sie nun auch wieder nicht: Denn Hermann kennt Sie bestimmt. Hermann kennt alle, Hermann weiß alles, Hermann setzt alles durch; wo etwas zu holen ist, hält Hermann die Hand auf, wo etwas zu sehen ist, sperrt Hermann die Augen auf. Es gibt kein Schlüsselloch, durch das Hermann nicht sieht, es gibt keine Türritze, durch die Hermann nicht hört, es gibt keinen + Topf, in den Hermann nicht seine „ • Nase hereinsteckt. Hermann steht mit allen auf Du und Du, und doch kann keiner Hermann leiden. Das kann man Hermann zeigen, man kann es ihm sagen, ja, man kann es ihm schriftlich geben, Hermann ist das egal, Hermann bemerkt das gar nicht! Hermann kennt nicht nur Ihren Namen, weiß nicht nur, wieviel DEUTSCHLAND Sie heute und wieviel Sie vor zehn Jahren verdient haben, Hermann weiß auch, wie groß Ihre Wohnung und wie hoch Ihre Miete ist, Hermann kennt den Mädchennamen der Großmutter Ihres Untermieters und weiß, mit wem die >>Deutschland zum Frau Ihres Gemüsehändlers etwas gehabt hat und wer mit ihr ersten, zum zweiten, gerne etwas gehabt hätte. Das weiß Hermann nicht nur, er zum ... !« erzählt es auch - Ihnen und allen, die es hören wollen, und denen, die es nicht hören wollen, erzählt er es auch. Hermann ist bei einer Behörde angestellt. Eine Viertelstunde vor Dienstbeginn steht Hermann auf der gegenüberliegenden Straßenseite und paßt auf, wer zu früh und wer zu spät und wer mit wem kommt. Nach Dienstschluß steht Hermann wieder da und beobachtet, wer mit wem, wer in anderer Richtung als gewöhnlich und
15
16
Von der Sowjetunion lernen ...
wer später fortgeht. Hermann bemerkt, in welchen Zimmern noch Licht brennt und in welchen Zimmern kein Licht brennt, obwohl dort noch Licht brennen sollte. Hermann hat scharfe Augen und ein gutes Gedächtnis. Hermann braucht sich nichts ins Notizbuch zu schreiben, er behält alles. Hermann kennt alle Telefonnummern und alle Geburtstage auswendig. Hermann ist sehr beliebt bei seinen Kollegen! Sieht Hermann einen Vorgesetzten, dann stürzt er auf ihn zu, packt dessen herunterhängende Hand, schüttelt sie krampfhaft und sagt mit bedeutendem Augenrollen: »Morgen, Paul oder Fritz oder Walter oder wie er gerade heißen mag, wie geht es, wie geht es deiner Frau?« Hermann sagt aber nicht »deiner Frau«, Hermann sagt »Anni« oder »Lottchen« oder »Mietze«, und zwar sagt das Hermann sehr laut und möglichst auf dem Korridor, denn es müssen ja möglichst viele Kollegen hören, in welchen nahen Beziehungen Hermann zu seinen Vorgesetzten steht. Ja, Hermann ist auch bei seinen VorgesetzZu der Partei, die nach seiner Meinung ten sehr beliebt. ausschlaggebend ist, unterhält Hermann Begegnet Hermann aber ein Kollege aus die besten Beziehungen. einer niedrigeren Gehaltsgruppe, dann dankt Hermann dem ihm gebotenen Gruß mit einem leutseligen Kopfnicken und sagt »Morgen, Krause!« In einer Partei ist Hermann natürlich nicht, aber zu der Partei, die nach seiner Ansicht ausschlaggebend ist, unterhält Hermann die besten Beziehungen; das hindert ihn aber keineswegs daran, Angehörigen anderer Parteien durch die Blume und unter der Hand zu verstehen zu geben, daß er im Innern sehr stark mit dieser Partei sympathisiere und nur durch die Verhältnisse gezwungen sei usw. usw. Ist irgendwo ein Knopf, Hermann muß an ihm drehen, ist irgendwo eine Klingel, Hermann muß mit ihr läuten, ist irgendwo ein Haken, Hermann hängt seinen Hut daran. Es ist auch schon mal schiefgegangen, aber Hermann ist mit einem blauen Auge davongekommen, es konnte ihm nicht ganz nachgewiesen werden. Aber darüber spricht Hermann nicht gern, Hermann sagt nicht einmal, daß ihm bitteres Unrecht geschehen sei, Hermann kann auch schweigsam sein. Hermann ist jedenfalls wieder obenauf und in Amt und Würden. Und Sie wollen mir erzählen, Sie kennen Hermann nicht? Natürlich kennen Sie Hermann. Na, sehen Sie!
Von der Sowjet u n=i=o·=~= I e=r=n=e="= "' ·=·= = - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -1-7 -~···~· .
,-·~·„
·-··-"·~·
-·„~-.-..
Umfangreiche Kohlevorkommen in Berlin entdeckt
Kolossal. kolossal!
Na langsam wirds ja
70 Grad im Schatten
'.
Nu aber ran!
Glückauf!
. '
„Hilfe! ! l"
„Gott sei Dank, der Ofen ist kalt. Es war nur ein Traum."
18
Von der Sowjetunion lernen ...
Paul Poerschke
»Eben hat mir ein Ausländer meine Uhr gestohlen«, meldet ein Mann auf einer Ostberliner Polizei-Wache. Der Polizist zuckt die Achseln. »Ein Ausländer? Ein Amerikaner wohl?« »Nein, ein Amerikaner war's nicht.« »Na, dann ein Tommy?« »Nein, auch nicht.« »Also ein Franzose?« »Nein, auch nicht.« »Na, was für ein Ausländer soll es dann gewesen sein?« »Ich glaube, ein Finne! « >>Quatsch, Finnen haben wir hier gar nicht, Sie meinen wohl, ein Russe?« »Stimmt, aber das haben Sie gesagt!«
Fräulein Lizzi Müller, wie wir sehen, geht in fescher Schupouniform auf Patrouille durch die Straßen, und die Wirkung ist enorm. Alle M~ner, die vorüberkommen, stoppen und seh'n sie verwundert an, denn ein Schupo, der dazu noch weiblich, fesselt gleich den Blick von jedermann. Etwas schief die Mütze auf dem Kopfe, unter der die Lockenfülle quillt, geht sie strengen Blickes grad vorüber und beherrscht das bunte Straßenbild. Ja, wer möchte nicht in solchem Falle auch mal im Verkehr ein Sünder sein, denn von Lizzi inhaftiert zu werden, ach, wär' das entzückend, wär' das fein!
»Mich kriegen sie im Leben nicht weg«, sagte der Schuttberg. »Mich erst recht nicht«, sagte der Schrotthaufen. Da mischte sich die Ruine ins Gespräch und meinte: »An mir werden sie sich die Zähne ausbeißen.« Dann kamen ein paar handfeste Frauen und fußfeste Männer und gingen ans Aufräumen. Als Schuttberg, Schrotthaufen und Ruine abgetragen waren, merkten sie, daß sie zu dick aufgetragen hatten. »Na, ja«, meinten sie kleinlaut, »mit Aktivisten haben wir natürlich nicht gerechnet.«
Von der Sowjetunion lernen ...~
19
Paul Blank
••
OSOH
' ''· ..
Als wir eines Morgens beim Frühstück saßen, fühlte sich meine Frau verpflichtet, ein Gespräch zu beginnen. Sie sagte: »Die Kri ... « »Um Gottes willen«, stöhnte ich, »hör auf! Dauernd dieses Gerede vom Krieg!« Sie lächelte über meine kindliche Angst. »Diesmal meine ich etwas anderes. Sie kommt! Nämlich die Krise!« »Was verstehst du darunter?« fragte ich. Ich liebe klare Begriffe. »Sehr einfach: In einer Krise hat niemand mehr Geld, aber alle haben Schulden.« Höchste Zeit, sich über die Gefahr genauer zu orientieren. Ich suchte daher kurz entschlossen einen maßgebenden Wirtschaftspolitiker auf. Er ist 80 Jahre alt und studiert seit frühester Kindheit Wirtschaftsfragen. »Wie entsteht eine Krise?« fragte ich, nach- Wörter, die mit Kri ... anfangen, sollte dem er mich zuvorkommend in einen Sessel man aus den Wörterbüchern verbannen. gedrückt hatte. »Durch Absatzstockungen«, erwiderte er prompt. »Und warum stockt der Absatz?« fragte ich, stockend vor Erwartung. Der Professor dachte angestrengt nach. Dann begann er: »Es ist furchtbar schwer, einfachen Leuten so etwas richtig klar zu machen. Aber ich werde es versuchen: Nehmen wir als Beispiel einen politisch neutralen, ganz unverfänglichen Industriezweig, die Büstenhalterkonfektion. Auch Büstenhalter waren nach dem Kriege ziemlich knapp. Weniger im Sitz als im Angebot. Nachdem jetzt aber alle Menschen, soweit sie Büsten haben, mit Haltern ausgerüstet sind, bis hinauf zu den Eskimos, tritt eine Stockung in der Produktion ein, da niemand mehr Halter kauft. Die Krise ist da. Der Büstenhaltermarkt ist gesättigt.« Der Professor holte tief Luft, während ich durch ein teilnahmsvolles Schweigen mein Interesse bekundete. Dann fuhr er fort: »Nun muß man so lange warten, bis die in Umlauf befindlichen Halter durch intensive Abnutzung so stark verbraucht sind, daß neue gekauft werden müssen. Von diesem • Augenblick an beginnt wieder die Konjunktur, und die Krise ist vorbei. Das ist der Kreislauf, der auch für alle übrigen
Von der Sowjetunion lernen ...
20
• •
• •
•
. . . •
•
.
'
•
. .
. •
• •
•
.
•
•
•
• •
• •
•
•
•
•
•
• •
•
•
•
•
•
.. .
•
. • •
. . • •
••
•
.
.•
. . .
•
•
'
•
„
•
•
•
Branchen gilt. Wenigstens in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung.« Der Professor holte inzwischen abermals tief Luft und begann mit neuer Kraft: »Unangenehm ist an dem ganzen Vor•• gang nur die Wartezeit, in der kein Bedarf vorliegt. Ahnlich liegt die Sache auch auf dem Kanonenmarkt, wo ebenfalls bald Absatzschwierigkeiten auftreten werden. Hier hat die Pariser Konferenz viel Schaden angerichtet, da sie die Aussichten auf einen baldigen Krieg verringert hat. Aus diesem Grunde fallen in den USA die • Stahlpreise, und die Kanonenindustrie ' . und ähnliche Branchen schliddern in die Krise, wie die Büstenhalter.« »Kann man gegen diese Absatzstockungen denn gar nichts tun?« fragte ich bedrückt. »Natürlich gibt es Mittel. Man kann zum Beispiel die Fabriken abreißen oder demontieren, wie man es jetzt im Westen tut, um sie vielleicht später bei neu auftretendem Bedarf wiederaufzubauen. Dabei beschäftigt man gleichzeitig die Arbeitslosen und bewahrt sie vor der Gefahr, faul zu werden.« »Ein gutes Mittel«, sagte ich: »Kann man es mit den Kanonen nicht auch so machen? Ich meine, ohne wieder neue kaufen zu müssen?« »Kanonen und ähnliche Gegenstände werden ausschließlich in Staaten zerstört, die einen Krieg verloren haben. In anderen nicht. Die Konjunktur auf diesem Gebiete kann nur durch eine glaubwürdige Kriegsgefahr wieder angekurbelt werden. Am besten natürlich durch einen wirklichen, soliden Krieg.« »Und warum tut man das nicht?« fragte ich, anscheinend etwas naiv, denn der Professor lächelte nachsichtig. »Maßgebende Kreise bemühen sich darum. Aber man muß Geduld haben und mit dem Unverstand der Völker rechnen. Sie haben noch keine rechte Lust dazu. Sie sind noch nicht reif genug, um die segensreichen Auswirkungen eines Krie ... « Hier brach ich das Gespräch ab. Erstens, weil mir der Kopf doch etwas wirr geworden war. Und zweitens, weil ich Wörter, die mit Kri... anfangen, nicht mehr hören kann. Man sollte sie aus den Wörterbüchern verbannen. •
•
•
•
Von der Sowjetunion lernen ..~.
21
Bernd Wollenberg
- seAa1a1i
I
I
' p1so
So wahr ich lüge: das ist mir am 1. April auf der Berliner S-Bahn passiert! Etwas müde und trübsinnig schleucht sich die zügige Schlange die Schienen entlang, bockt dann kurz, es zischt und prustet aus allen Rohren und Ventilen, und dann steht das Züglein. Irgendwo auf der Strecke. Die Passagiere legen ihr Gesicht in die gewohnten Kummerfalten und harren hinter der Zeitung verborgen der Dinge, die geschehen werden. Das Licht geht aus. Ein paar seufzen und legen ihre Lektüre in die Aktentasche. Die Optimisten warten ab und siehe, siebehalten recht, das Licht geht auch wieder an. Dann zischt es wieder. Einer pfeift, nicht zum Spaß im Abteil, sondern vorne im Führerstand. Es klingt wie ein Hilfeschrei und ist sicher auch einer. Dann gibt es wieder einen Ruck, und der Zug fährt an. Bleibt aber gleich wieder stehen. Einer murmelt jetzt etwas Böses, zwei andere werden schon munterer: >>Sauerei das«, schmettert der Tapferste, »geht alles vom Feierabend ab.« •• Der nächste will sich nicht lumpen lassen: »Uberhaupt, eine Wirtschaft«, räsoniert er. Da fährt der Zug schon wieder an und trudelt wie eine müde Schnecke in den nächsten Bahnsteig, allwo er sanft entschläft. Um so munterer werden die Passagiere. Sie schimpfen, auf die Eisenbahn als Verkehrsmittel an sich; auf die Reichsbahndirektion, auf den Zugführer, die Schaffner, auf die Regierung; auf Gott und die Welt. Da geschieht das Wunder: Eine Lautsprecherstimme ertönt und erklärt: »Achtung, Achtung, Saboteure haben die Weiche zwischen den Stationen X und Y blockiert. Wir sind dabei, den Schaden zu alles klar. Achtung, beheben. In etwa 15 Minuten ist wieder •• Achtung, denkt daran, wem Ihr Euren Arger verdankt!« Donnerwetter, das war eine gute Idee. Was kostet sie? Etwas Beamteninitiative, ein paar Worte und Schwachstrom, für die Lautsprecheranlage, dessen Wert auszurechnen ich zu schwach bin, weil es sich um Bruchteile von Pfennigen handelt. Hei, waren die Fahrgäste verwandelt. Sie schimpften wie die Rohrspatzen, nicht auf die Eisenbahn als Verkehrsmittel an sich, nicht auf die Reichsbahndirektion, den Zugführer, den
22
-
Von der Sowjetunion lernen ...
Schaffner, die Regierung und Gott weiß wen; sie tobten und verfluchten: die Richtigen! Aber, es war wie gesagt, am 1. April, und da geschehen keine Wunder. Worüber sich zu wundem vor, am und nach dem 1. April erlaubt ist. Mit eigener Kraft voraus! Karikatur aus dem >>Frischen Wind(< anläßlich der Gründung der DDR. Präsident Wilhelm Pieck winkt Bundeskanzler Konrad Adenauer ein Ahoi zu.
Wer hat noch einen Brandweinrest in seinem Glas von gestern? Rückt eng zusammen - laßt uns fest und fröhlich nachsilvestem. Symbolisch tilgt ein Neujahrsschluck verschimmelte Epochen! Ein neuer Schwung, ein neuer Ruck geht uns durch Mark und Knochen. Prost 49! Wiegenkind! Laß dich nicht unnütz feiern: mach Frieden, Einheit, frischen Wind in Deutschland (auch in Bayern). Ein letzter Schluck - der Morgen naht. Jetzt heißt es Ziegel schleppen! Wir bauen einen neuen Staat - doch ohne Hintertreppen!
Hansgeorg Stengel •
24
Alles zum Wohle des Volkes
Bernd Waltenberg
ritt
»Kohlen, Mensch, Kohlen! haben wir ein Glück!<<
»Den kenne ich doch«, denke ich, als ich einen Mann vorsichtig aus dem Keller einer Ruine herausschleichen sehe. Er äugt nach allen Seiten, sichert, greift dann schnell einen Sack, aus dessen grobem Gewebe ein paar Holzsplitter hervorragen, wirft ihn mit einem Ruck auf die Schulter und will verschwinden. Ich hinterher. »Erich«, sage ich vorwurfsvoll, »machst du auch schon krumme Sachen?« Der Mann zuckt zusammen, • • ,,..r dreht den Kopf, atmet auf, als er mich erkennt, und lächelt dünn: »Ach du, Mensch, habe ich mich erschreckt. Komm schnell weg hier, mit um die Ecke. Erkläre dir alles.« Und nach ein paar hastigen Schritten: »Ich habe einen Fund gemacht, einen ganz großartigen Fund und eine Entdeckung ... !« »Was«, flüstere ich, »Geldschrank?« »Quatsch«, sagt er mit tiefer Verachtung. »Geldschrank, was soll denn da heutzutage schon drin sein. Ungültige Geldscheine, wertlose Aktien, dreimal verscheuerte Patente. Nein, mein Guter, hier« - und seine Hand streichelt liebevoll den prallen Sack, »hier, aber komm erst, nach Hause, erkläre dir alles. Bedingung: tiefes Schweigen, man kann gar nicht vorsichtig genug sein.« Ich nicke stumm. Weiter durch die neblige Nacht, der Mond hat einen violetten Hof, ein paar Wasserlachen grinsen blöde. »Rein hier«, murmelt Erich, »bin zu Hause.« Ich stolpere hinterher. Im Flur schüttet er den Sack aus, greift mit großer Geste ein Stück Holz heraus und reicht es mir gönnerhaft. >>Riech mal dran!«
25
Alles zum Wohle des Volkes
Ich rieche. »Kien«, sage ich sachverständig. »Eben«, nickt er überlegen, »und nun rein in die Stube, jetzt zeige ich dir meine Erfindung!« Erich war schon immer hochbegabt, in der Physikstunde war er der Beste. »Hast du'n entdeckt?« fragte ich beeindruckt, »Atom?« »Quatsch«, lächelte er schon wieder leicht überlegen, »doch längst überholt. Gib mal ein Streichholz her, zünde die Kerze da an. Primitiv, diese Kerze! So. Da, sieh mal, in der Wand ... « Aus der schwärzlich berußten Ecke ragt armlang eine massive Eisenstange mit einem soliden Ring am Ende. Erich steckt die Hände in die Hosentaschen und mustert mich stolz: »War nicht so einfach zu beschaffen. Weißt ja, Engpaß Stahl - Hat 7,50 D-Mark gekostet, eine Dekade Brotmarken, die letzte Zigarettenzuteilung und den Abschnitt C der Seifenkarte. Aber prima Arbeit.« »Schön«, sage ich, »willst du dich aufhängen?« »Quatsch«, höhnt er, »mit meiner Entdeckung!« Und dann andächtig: »Jetzt nehme ich mein Messer ... « - klappt einengewaltigen Hirschfänger auf, so daß ich unwillkürlich drei Schritte rückwärts mache, - »zwei, drei fachmännische Schnitte, damit der Kienspan sitzt, so, oben ein paar Luftschnitte, so, rein in den Ring, gib die Kerze her, zünde an! Na, was sagst du nun, Mann. Das ist die Erfindung des Jahrhunderts. Die Licht- und Wärmequelle gleichzeitig. Das war noch nicht da!« Der Kienspan im handgeschmiedeten Ring brennt flackernd und malt gespenstische Kringel auf die gekalkten Wände. Erich steht in feierlicher Pose davor und reibt sich die Hände. »Aber, um Gottes willen, keinem Menschen verraten. Wollte die Sache ja schon längst zum Patent anmelden, aber man liest doch jeden Tag, wie man mit unseren Patenten umgeht. Muß noch ein bißchen warten, bis wir einen Friedensvertrag haben. Kann doch nicht mehr lange dauern.« Der Kienspan brennt rußend, knisternd und knackend. Im zukkenden Licht entdecke ich jetzt auch Erichs Frau und seine drei Kinder auf dem Sofa. Sie starren hingerissen mit großen runden Augen. Ich nicke kurz hinüber, und mein Blick streift die Gardine, die schwarz vor dem Fenster hängt. Erichs Frau hat mich gleich verstanden. »Ach«, sagt sie milde. »Das ist kein Fehler. Alle Männer rauchen heute Pfeife ... «
..
Ein Kunde betritt ·,
.
'
.
:~
.
einen Fleischerladen. »Haben Sie Rouladen?« · · »Harn wa nich. « »Haben Sie Schweineschdiftel? « · : · »Harn wa nich. « »Haben Sie Kalb· fleisch? {( .>>Harn wa nich. << ·»Haben Sie Bock-. · wurst?« - »Harn wa nich. « .Der Kunde verläßt enttäuscht den Laden. Sagt dß,r eine Merkäuferzum andern:. »Mensch, hat der eia.;gutes Gedächtnis!« o,
Tu,
.
:/
.
-r
'
'
'
.
:,'
·-;>;; .
-
'
J
·•
•
26
Alles zum Wohle des Volkes
Erich Hanko
a 11tit
Auf der Parteiversammlung wird diskutiert, wie die · christlichen Bürger besser für den Sozialismus gewonnen werden kön- . nen. Lange wird geredet. Schließlich hat ein Genosse den richtigen Einfall. Im Kommu'· nistischen Manifest muß es heißen: »Proletarier aller Länder, in Gottes Namen, vereinigt euch.« ..
"·1
»Buntmetalle?« sagte Frau Schulze. »Ausjeschlossen! Harn wa nich mehr! - Allet wech! « Drei Stunden später, um neun Uhr abends, fiel Herm Schulze plötzlich der alte Spazierstock von Onkel Otto ein, der mit der Messingkrücke. Natürlich, unten im Keller! Ganz hinten in der Ecke! Als ihr Mann im Keller danach suchte, nahm Frau Schulze in der Küche deutlich einige Erdstöße wahr, denen ein dumpfes unterirdisches Grollen folgte. Nach fünf Minuten erschien in der Küchentür ein völlig verstaubter Mensch mit blutendem Daumen, einer Beule auf der Stirn und verschiedenen seltsamen Geräten in den Händen. Bei genauerer Betrachtung erkannte sie ihren Mann. »Wilhelm, wie siehst du aus?« fragte sie mißbilligend. »Haste übrichens det Erdbeben bemerkt?« »Erdbeben? - Det war ick«, sagte Schulze. »Da unten hat natürlich wieda mal die Birne nich jebrannt! Und wie ick da nu so im Dustem rumgrabbele, da knallt mit eenmal wat. Det war die olle Rattenfalle, die uns Tante Emma vaerbt hat. Hier! Prima Buntmetall! - Bloß mein Daumen war zwischenjeraten. Mensch, det ha ick jemerkt! - Da fiel ma in, det da irjendwo noch san olla Leuchta stehen muß mitn Licht! Und wie ick so suche, da vaheddere ick ma doch mit de Beene in irjend wat und haue lang hin! - Det warn mindestens 30 Meter olle Antennenlitze! Hier isse ! Reinet Kupfer! Ick habe det allet aba erst •• hintaher jemerkt, wie es wieda helle war. Ubrijens jing ick nich alleene zu Boden. Uff mir ruff fiel nämlich det olle Rejal, wo ick ma dran festehalten wollte. Und da oben muß die Leda mitn Schwanjestanden ham! Weeßte? Die Bronzejruppe von Tante Lenchens Vertiko! Die klatscht ma uffn Kopp! - Na, ich ahol ma erst ne Weile, befreie ma von det Rejal, finde ooch jlücklich den Leuchta und die Streichhölza, mache Licht ... und wat soll ick da sachen? - Hier, bitte, der Leuchta! Janz aus Zinn! Prima, wat?« Als der Daumen verbunden war und die Beule mit einem Plätteisen gekühlt wurde, fragte Frau Schulze: »Na und? Onkel Ottos Spazierstock? Haste den nich mitjebracht?« »Konnt ick nich«, sagte Wilhelm Schulze. »Jrade wie ick unta det Rejal lag, da fiel ma in, det wa den ja schon bei de vorje Sammlung abjejeben ham!«
Alles zum Wohle des Volkes
27
Lothar Kusche
'
""' Vorige Woche sagte Lucie: »Ich habe eine prima Idee, wie wir zu Geld kommen. « - Jetzt sind wir ganz pleite. Das kam so: Wir wollten schieben, und das ging schief. (Nicht etwa wegen der Polizei. Mein Gott, die sind ja auch nicht so.) Lucie besorgte Schokolade. Ich ließ die erst mal zu Hause und ging zum Bahnhof. Wollte mal sehen, wie die da so schieben und wie hoch die Preise sind. An dem Bahnhof war es ziemlich voll. Es standen da: zweiundsiebzig Schieber, sechzehn Bahnbeamte und ein Polizist. Erst wunderte ich mich, weil gar kein Fahrgast da war. War aber doch einer da: Der Polizist. Der war nämlich außer Dienst. Ab und zu kam ein Zug. Dann riefen die Bahnbeamten: »Zaah Winniplatz!« Mit jedem Zug kamen ungefähr dreißig neue / Schieber an. Die stellten sich zu den schon vorhandenen und murmelten mit: »Schoklade r ' 0 ham wa noch. Hundekopp ham wa noch. ''1 .. 1 • 0 Amis ham wa noch.« \ 1 . .. .• .... 11 •, Ich fragte, was die Schokolade kostet. Die ' • 1\ • 1. nannten den Preis. Ich stand wieder auf und ging nach Hause, meine Ware holen. Da sagte Lucie: »Ich hab die Schokolade aufgegessen. Ich konnte mich nicht beherrschen.« In dem Moment wurde sie auch schon ganz grün. Ich L__~,_ ......::::::::::.....__ _ _ _ _ _ __J rannte schnell zu Bernhard. Der meinte, vielleicht hatte er der Glückliche Zeit Lucie aus Versehen einen Karton Seife gegeben, und gab mir für Raucher ein Brechmittel. Bernhard sagte: »Wie könnt ihr Idioten auch immer gleich alles selber fressen?!« Ich nahm einen neuen Karton Schokolade mit. Lucie beschäftigte sich ein bißchen mit dem Brechmittel. Dann begleitete sie mich zum Bahnhof. Da hatten sich inzwischen dermaßen viel Schieber versammelt, daß wir gar nicht mehr in die Halle rein konnten. Vielleicht machten sie eine Art Parteitag oder so was, ich weiß nicht, jedenfalls mußten wir uns draußen hinstellen. Lucie sagte immer »Schokolade« und ich »hamanoch«. Plötzlich fing es an zu regnen. Als unser Karton naß wurde, begann er zu brausen. Ach, dachte ich, es ist Brausepulver. Lucie betete. Ein durchdringender, saurer Geruch strömte aus {
'
•
----
1 •
'
•
•••••
28 .
,
,
-
-
~
"
-.
-
~
-
.. -
Der Fahrdienstleiter des Leipziger Hauptbahnhofs ist verhaftet worden. Er hat bei der Ankunft von Walter Ulbrichts Sonderzug gerufen: »Zurücktreten! Bitte sofort zurücktreten!«
~
-
-
• ~
-
.
..
Alles zum Wohle des Volkes . .
-
-
-
--
.-
-
unserem Kasten. Die Schieber flüchteten. Das gab eine hübsche Panik. Kein Wunder bei dem Geruch. »Ein Glück, daß wir dem Bernhard die Schokolade noch nicht bezahlt haben«, sagte Lucie. Ich schmiß den brausenden Karton weg, der ganze Bahnhof drohte sauer zu werden. Dann rasten wir nach Hause. Auf der Treppe saß Bernhard mit einer Kiste Schokolade. Ich trat ihm spontan vor den Magen. »Na, na«, sagte er gutmütig, und ich brüllte: »Erst drehst du uns Seife an, das war arg genug! Aber jetzt, dieses grüne, saure Gift! Mach dich weg, du alter Schieber!« Bernhard sagte: »Ihr riecht so sauer. Habt ihr vielleicht schon meine neuen Trockenessigextrakttafelchen probiert? Die sind nämlich ganz prima.« Da schlug ich ihn nieder. Lucie nahm seine Schlüssel und holte richtige Schokolade aus seiner Wohnung. Die schmeckte wirklich gut. Daher aßen wir sie sofort auf. Aber nun hatten wir nichts mehr zum Schieben. Na, ich schob ein bißchen mit Eiern. Aber da hatte ich mit Eiern gehandelt. Deshalb sind wir pleite. Am besten schon, man bleibt bei den Zigarettchen ...
Brs" tz
111111
»Hallo!« ruft Klecks seinen Freund Pinsel an, »lange nicht gesehen! Wie geht's?« »Schlecht«, murmelt Pinsel mit jämmerlicher Miene, »sehr schlecht. Dieser ewige Ersatz ist mein Verderb. Zum Frühstück Kaffee-Ersatz mit Honigersatz, zum Mittag Fleischbrühersatz mit Ei-Ersatz oder Kartoffelersatz mit Soßenersatz, zum Abend Aufstrichersatz und zwischendurch Tabakersatz, der aber nicht zum Brennen kommt, weil der Benzinersatz im Dochtersatz des Feuerzeugs nicht zündet. Und da ich das nicht mehr aushalte, habe ich mir gestern abend das Leben genommen ... « »Bist du verrückt, Pinsel?« erschrickt Klecks. »Nein, nein, du kannst mir glauben - ich habe mir einen Strick gekauft und mich aufgehängt«, stiert Pinsel vor sich hin. »Du stehst doch aber gesund und munter vor mir, Mensch!« schreit Klecks. »Das ist es ja eben«, brummt Pinsel. »Der Strick war auch Ersatz ... «
Alles zum Wohle des Volkes
Jan Peter Lemail
Das einzige, um das wir uns heute keine Sorgen zu machen brauchen, sind die Sorgen. Denn wer keine hat, der macht sich eben welche. Es gibt große und kleine Sorgen. Zu den großen kleinen Sorgen gehören die Rauchersorgen. Wir wollen uns keinen blauen Dunst vormachen: blauer Dunst wird nicht mehr vor-, sondern nachgemacht. Und da der Ersatz nicht reichlich, sondern reichlich knapp ist, rauchen wir Ersatzersatz. Wrr paffen Tee, wir smoken Laub, wir qualmen Seegras, Kuchengewürz und Fichtennadelfußbadesalz-Ersatzmischung. Dies mußte noch einmal gesagt werden, um eine Versammlung verständlich zu machen, die vor wenigen Tagen in der gar nicht so weiten Umgebung Berlins stattgefunden hat. »Gründungsversammlung der Liga für Raucherrechte« stand auf der Einladung. Als Einberufer zeichnete ein ehemaliger Zigarettenfabrikant, Herr Toni Wurzelkoch. Wurzelkoch war Kleinst-Parteigenosse und somit jetzt glühender Neoantifaschist. »Meine Volksgenossen und-genossinnen!« führte HerrW. etwa aus, »die Zeiten des Bonbons sind vorüber und kommen auch nicht wieder. Wir brauchen also mehr zu rauchen (Beifall!). Es ist mein unerschüttlicher Entschluß, mit der heute zu gründenden >Liga für Raucherrechte< eine Bewegung der deutschen demokratischen Raucherschaft ins Leben zu rufen. (Heil!) Um eine unerträglich fühlbare Lücke zu schließen, wird die Liga zunächste eine neue Zeitung herausgeben, die den verpflichtenden Titel >Deutscher Rauch< führen wird. (Bravorufe.) Vorgesehen ist ferner die Gründung einer eigenen politischen Partei, der >Deutsch-Demokratischen Raucher- und NichtraucherPartei<, abgekürzt D. D. R. N. P.! (Stürmische Bravo- und Heilrufe!) Zum Führer der jungen Bewegung schlage ich als alter Zigarren- und Zigarettenfachmann mich selber vor. (Sehr richtig! Beifall, Zuruf: Wrr danken unserem Führer!) Mein Kampf (Heilrufe) wird geführt für die Autarkie der deutschen Tabakrohstoffversorgung! (Bravorufe.) Schon jetzt ist dem rastlosen deutschen Erfindergeist gelungen, eine völlig neue Tabakpflanze namens Carotta nicotinosa zu züchten, die äußerlich einer Mohrrübe gleicht und sofort nach der Ernte rauchfertig ist. (Orkanartige Bravorufe.) Das ist aber noch nicht alles, meine
29
30
Alles zum Wohle des Volkes
Volksgenossen und -genossinen! Die Pflanze, die man aus einer sinnreich konstruierten Spitze raucht, wird nie alle! Sie brennt oben, wird in der Mitte gegossen und wächst während des Rauchens unten nach ... « Diese Worte entfesselten einen nicht endenwollenden Beifallssturm, die Mehrzahl der anwesenden Volksmenge von mindestens vier Mann sprang spontan von den Stühlen und rief: »Führer, befiehl, wir rauchen!« In diesem Augenblick erwachte ich. Schweißgebadet. Der Arzt stellte schlicht einen typischen Fall komatöser Zustände mit Reizung des Labyrinths und der vestibularen Bahnen infolge einer exogenen Intoxikation fest - falls es•• sich nicht um einen anderen Fall handle. Mögliche Ursache: Ubermäßiger Genuß selbstgedrehter Zigaretten, die ich versuchshalber mit etwas Migränetee gestreckt hatte. Fortan werde ich im Rauchen vorsichtiger sein. Zu Besorgnissen besteht übrigens kein Anlaß. Die Mohrrübenzigarre war wirklich nur eine visionäre Harmlosigkeit. Von der Raucherbewegung allerdings will ich das nicht so fest behaupten, nachdem wir unter anderen Schönheitsfehlern ja auch wieder eine Königspartei haben (wer keine Sorgen hat, macht sich welche, siehe oben).
"''
·- --41~
-
1
Lump und Sabine, das Hundepaar, erblickten am vierten Januar zum ersten Mal und völlig ohne Brille das Licht der sowjetischen Zone. Wenn auch das große Ereignis schon eher erwartet - laut Lexikon wie gesagt: eher erwartet wurde, gab es doch keinen, der deshalb murrte. Vielmehr herrschte heute durchaus frohe Stimmung im ganzen Haus. In Augen-Blicken von kleinen Hunden hat jeder für sich einen Lichtblick gefunden.
Hansgeorg Stengel
•
•
l
\\ \\
Mann im Mond: >>Böse Zungen werden sagen ' ich habe den Rest verschoben.<<
'
>>Bei dem Geschäft bin ich dick und rund geworden, jetzt muß ich mich . . "t d .. h " aber beizeI en Uillle mac en. << ·
1m HO„Möbelhaus: Hamise denn gar nichts Ver·. (< nünftiges für•n Leerzimmer mit Kochgelegen.heat. .
-,
r w ' U 1
p t ! ., „.,.,.
ilf
1
zt?ld&+
\'!)•
.
„~
'-~.,,.
Kommt ein Mann in den Laden: »Bitte eine Rolle Klopapier.« - »Ham wa nich. Fragen Sie morgen nochmal nach!<< - >>Tut mir leid<<, sagt der Kunde, >>so lange kann ich nicht warten.« ·
. -Gürte\
32
Alles zum Wohle des Volkes
Fritz Bernhard
or Prosto Mit Rapünzchen fing es an. Horst Kubinke, Ingenieur und Junggeselle, war rechtzeitig aufgestanden, hatte ausgiebig gefrühstückt, und jetzt ging er ohne Hast zur Straßenbahn. Da fiel sein Blick auf die schwarze Tafel vorm Konsum, die heute von einem einzigen Angebot beherrscht wurde: »Frische Rapünzchen!« Es folgte, sehr niedrig, der Preis. »Rapünzchen, Rapünzchen?« überlegte Horst flüchtig, »ist das nicht irgend so'n Grünfutter?« Dann schweiften die Gedanken wieder ab. Doch da rief es schon wieder, diesmal von der Schaufensterscheibe des Kaufmanns an der Ecke: »Soeben eingetroffen, prima Rapünzchen!« Und ein paar Schritte weiter bauten die netten Haubenmädchen vor dem HO-Laden einen Verkaufsstand aus leeren Kisten mit einer Wiege schale drauf, und an der Seite lehnte ein provisorisch bemaltes Brett, das verkündete: »Heute Sonderangebot in erstklassigen, frischen Tafelrapünzchen !« Von der plötzlichen Rapünzchenschwemme ein wenig belustigt, bestieg Horst Kubinke seine Straßenbahn, erhielt seinen gewohnten Eckplatz und begann, soweit das nicht schon beim Frühstück geschehen war, die Morgenzeitung zu lesen. Auf der fünften Seite fiel ein Artikel des ärztlichen Mitarbeiters Dr. Bleibgesund und die Überschrift »Die Rapunzel- Jungbrunnen unserer Tage« auf: »Noch viel zu wenig ist in der breiteren Öffentlichkeit bekannt, einen wie segensreichen Helfer die Natur unserem Organismus in Form der unscheinbaren Rapunzel, besser Rapünzchen (Valerianella) genannt, geschaffen hat. Das Rapünzchen enthält nicht nur zahlreiche Aufbaustoffe, die unserem Körper in der heißen Jahreszeit als erfrischende Salate usw. hoch willkommen sind, sondern auch ebensoviel Abbaustoffe, welche den Magen-Darmkanal zu entschlacken und damit unser Blut zu reinigen imstande sind. Das Rapünzchen ist deshalb, regelmäßig genossen, durchaus geeignet, eine verjüngende Wirkung auszuüben. Dabei ist sein Geschmack von angenehmer Zartheit, und auch größere Mengen dieses leicht verdaulichen Krautes werden im allgemeinen ohne weiteres gut vertragen.
Alles zum Wohle des Volkes
33
,
•
Ein Aufguß von Rapünzchen ergibt einen nicht übel schmekkenden, leichten Tee, der besonders unserer Männerwelt an Stelle eines überreichlichen, abendlichen Biergenusses zu empfehlen ist. Auch die Durchführung einer Rapunzelkur kann in bestimmten Fällen von guter Wirkung sein, doch sollte man hierüber von Fall zu Fall den Arzt befragen.« Horst Kubinke wendete das Blatt um. Da stand an Stelle der Gerichtsreportage, die Horst so gern las, unter dem Titel »Tante Josefines Schmackeduzien« eine Reihe von Rezepten, die sich ausschließlich mit Rapünzchen befaßten: »Rapünzchensalat«, »Rapünzchen in Remoulade«, »Gedämpftes Rapünzchengemüse« und »Rapünzchen mit Birnen«. Im Verlauf des Tages mußte der Ingenieur Horst Kubinke seine jüngeren Mitarbeiter im Zeichensaal mehrmals zu größerer Ruhe ermahnen, weil sie über die Kalorienwerte von Rapünzchen diskutierten. Und abends, als Horst nach arbeitsreichem Tage zu Hause das Radio einschaltete, sagte eine freundliche Frauenstimme aus dem Lautsprecher: »Verehrte Hörerinnen und Hörer, wir geben Ihnen eine Programmänderung bekannt. An Stelle der im Programm vorgesehenen Volksweisen hören Sie einen Vortrag von Herrn Professor Dr. Heinrich Siebenschläfer, Jena, über das Thema >Rapunzel oder Rapünzchen eine Tafeldelikatesse im Lichte der Etymologie<.« Drei Tage hämmerte das Rapünzchen akustisch und optisch auf Horst Kubinke ein, dann sagte er zu seiner Wirtin: »Nun machen Sie uns doch bloß schon mal Rapünzchen, Frau Kökkeritz, damit man mitreden kann.« Das war Sonnabend nach Geschäftsschluß. Als Frau Köckeritz am Montag früh gemeinsam mit Kubinke aus dem Haus ging, gab es weit und breit kein Rapünzchen mehr zu kaufen. Dafür rief, lockte, girrte von Schaufenstern, Tafeln und Plakaten eine neue Weise: »Achtung! Achtung! Soeben eingetroffen: Prima frische Seerochen!« - »Ein Versuch überzeugt auch Sie! Heute die Ia delikaten Rochenfilets!« »Wer probt, der lobt! Sonderangebot! Erstklassige Tafel-Rochen-Fischkoteletts!« »Also kaufen Sie Rochen!« rief Horst seiner Wirtin zu, bevor er in die Straßenbahn stieg und in einer Art heiterer Spannung die Beiblätter der Sonntagszeitung aufschlug, zu denen er tags zuvor nicht mehr gekommen war. Zunächst fiel ihm ein Artikel des Wirtschaftsredakteurs Dr. Hirsekorn unter der Überschrift »Unser Seefischimport als
Lebensmittelkontrolle beim Flei- . scher. »Stimmt es, daß Sie für Ihre Kaninchenwurst auch Pferdefleisch verarbeitet haben?« - »Nun ja, ein bißchen. Man.will ja seine Kundschaft auch versorgen.« »Unä wie ist das Mischungsverhält.· nis ?<( - }>Eins zu eins. Ein Pferd · ein Kaninchen.« '
34
Alles zum Wohle des Volkes
Wirtschaftsfaktor« ins Auge: »Wie bereits gemeldet, konnten von den zuständigen Stellen vor einiger Zeit günstige Abschlüsse getätigt werden, die für längere Zeit eine ausreichende Versorgung des Marktes mit einem neuen Volksnahrungsmittel, dem Rochenfleisch, sicherstellen.« Da die Straßenbahn in diesem Augenblick scharf bremste, weil ein Lieferwagen mit der Aufschrift »Rochen ist gesund!« auf die Schienen gefahren war, verlor Horst Kubinke den Faden und blätterte um. Ah, da war er ja, der bereits mit leichtem Schmunzeln erwartete Artikel von Herrn Dr. Bleibgesund! »Rochen gibt Nerven«, lautete die Überschrift, darunter aber wies der Doktor spielend nach, daß Rochen, richtig zubereitet, dem Kreislauf dienlich sei, den Stoffwechsel fördere, blutbildend wirke und als ein hervorragendes Mittel zur Erreichung eines hohen Alters zu betrachten sei. Besonders gute Erfahrungen aber habe man mit Rochenfleisch gemacht, wo dem Körper durch eine einseitige Ernährungsweise, zum Beispiel mit Rapünzchen, wesentliche Wirkstoffe vorenthalten worden seien. Natürlich müsse man in ernsteren Fällen den Arzt zu Rate ziehen. Gleich daneben waren die neuesten Schmackeduzien von Tante Josefine zu lesen: »Rochen-Eintopf«, »Rochen in G~lee«, »Rochen in Bier«, »Rochen blau«, »Rochen grün«, »Rochen gelb« und »Rochen nach Müllerin-Art mit gehackten Saucis'chen«. Von dem vielen Rochen ein wenig ermüdet, lenkte Kubinke den Blick unter den Strich, um die Kurzgeschichte zu lesen. Der Titel hieß: »Wie ich meinen ersten Rochen fing, Erinnerungen eines alten Seemannes.« Zu Mittag in der Kantine gab es Rochen, gebraten, mit Kartoffelsalat, und abends servierte Frau Köckeritz Rochen mit Meerrettichsoße. »Sie können sich dick und duhne essen, Herr Kubinke«, sagte sie dabei, »ick hab jleich für acht Tage Rochen jekauft.« Nach dem dritten Tag begann Kubinke in der Arbeit nachzulassen. Hinter seinem Reißbrett glotzte ständig ein Rochen hervor, aus den Schüben seines Schreibtisches sah er ganze Schwärme von Rochen quellen, und zuweilen hörte er ein eigenartiges Schwirren: fliegende Rochen segelten durch die Luft. Da beschloß Horst Kubinke, das Tauschangebot eines Kollegen anzunehmen und auf der Stelle seinen.Urlaub anzutreten. Im Zuge saß Horst ein älterer Herr mit strengen Augen gegen-
Alles zum Wohle des Volkes
über, der nach einiger Zeit aus einer geräumigen Aluminiumbüchse seltsame Fleischröllchen zu wickeln begann, die er mit Behagen verspeiste. Auch Kubinke begann zu frühstücken. Dabei kamen sie ins Gespräch. »Also Ingenieur sind Sie und wollen nach Greifenstadt in die Ferien?« sagte der Fremde. »Ja.« - »FDGB?« - »Nein. Zu einem Freund und früheren Kollegen.« - »Was heißt Kollegen?« »Er hat früher ebenfalls Motorräder konstruiert.« - »Also konstruieren Sie Motorräder?« - »Ja.« Eine Pause trat ein. Dann sagte der Fremde: »Ich will auch nach Greifenstadt.« - »In Urlaub?«fragte Horst Kubinke höflich. »Nein, dienstlich. Ich bin Presto. « - »Aha«, sagte Horst mit nicht sehr geistreichem Gesicht, »Staatsoper?«Der Strenge schüttelte den Kopf. »Unsinn, junger Mann. >Presto
Propaganda-Experte für Stoßgeschäfte<. Ich organisiere die Werbung für den Absatz von plötzlichen Warenstaus, verstehen Sie?« Ach du liebe Tüte, dachte Kubinke und fühlte ein gewisses, nach Rochen schmeckendes Unbehagen in sich auftreten. »Wenn man fragen darf, was für ein Stoßgeschäft wollen Sie in Greifenstadt ... « »Ich will nicht, ich habe bereits«, erklärte der Presto. »Greifenstadt ist mein Experimentierfeld Nummer 1, denn dort reagieren die Leute am besten auf meine Werbewinke und werden darum auch bevorzugt mit meinen Stoßlieferungen bedacht.« - »Und was ist Ihr nächster - Stoß, wenn man fragen darf?« wiederholte Horst seine Frage mit wachsender Besorgnis. »Erst kosten«, erklärte der Presto und hielt Kubinke die Aluminiumdose hin. Die Röllchen schmeckten nach Fett und Pfeffer. »Köstliche Delikatesse, was?« meinte der Strenge, und nach einer kleinen Spannungspause fügte er hinzu: »Känguruhschwanzrouladen auf Zigeunerart. Es ist uns gelungen, einige Schiffsladungen Känguruhschwänze zu importieren, und bald werden Sie etwas erleben, mein Lieber, was Ihnen nicht alle Tage geboten wird. Meine Propaganda läuft in Greifenstadt bereits seit drei Tagen. In Berlin geht es erst heute los. «
35
Der Konsum hat einen Ballen Stoff bekommen
Alles zum Wohle des Volkes
36
Der Zug rollte in die Halle des Greifenstädter Hauptbahnhofs ..•'
•
ein .
»Viel besser als der Schwanz der Kuh / Schmeckt uns der Schwanz vom Känguruh!« Die Empfangsfeierlichkeiten für den Presto dauerten längere Zeit. Der Greifenstädter Männergesangverein brachte vierstimmig ein Lied seines Dirigenten zu Gehör: »Die Himmel rühmen des Känguruhs Ende«. Darauf hielt der Bürgermeister eine Ansprache, und sein fünfjähriges Töchterchen sagte, bevor der Gesangverein die dritte Strophe sang, ein kurzes vielbelachtes Scherzgedicht auf: »Du lieber, guter Onkel du, Beschertest uns das Känguruh, Drum sollst du stets, was wir auch tun, In unsern Herzen känguruhn! « Nur mit Mühe gewann Horst Kubinke das Freie. Die Straßen hingen voller Transparente, auch da, wo man es nicht erwartet hätte. So hieß es in der Auslage eines Friseurs: »Den dünnsten Haarwuchs stärkt im Nu Der Schwanz (in Dill) vom Känguruh!« Ein Musikalienhändler wieder meinte: »Die Panne im Trompetenrohr, Die kommt jetzt mehr als früher vor, Weil Känguruh im eignen Saft 'ne unerhörte Puste schafft!« Vor der Geschäftsstelle der »Greifenstädter Zeitung«, wo Kubinke einen Augenblick verweilte, um die neuesten Nachrichten zu überfliegen, machte er eine interessante Entdeckung. Dr. Bleibgesund hieß hier Dr. Werdniekrank, aber sein Stil sah dem des Kollegen Dr. Bleibgesund ziemlich ähnlich. Vor allem fleisch in allen Fällen von Magenverstimempfahl er Kän mungen, hervorgerufen durch übermäßigen Genuß von Rochenfleisch, ferner gegen Husten und Heiserkeit, Rachitis, offene Beine, Hautjucken und Paradentose. In ernsteren Fällen sei jedoch der Arzt zu befragen. Daneben waren die Rezepte abgedruckt, die diesmal von »Küchenmeister Lukullus« stammten. Sie empfahlen »Paprikakänguruh«, »Känguruh im Reisrand«, »Falscher Hase von Känguruh« und als besondere Delikatesse »Känguruhschwanz a la Madame Pompadour«. Kubinke ging weiter. Die Tanzbar »Blaue Maus« kündigte »allabendliche Ausscheidungskämpfe im Känguruhtanz« an, und im Greifenstädter Stadttheater war »Romeo und Julia« abge-
Alles zum Wohle des Volkes
37
.
setzt worden, um einem Schwank des Heimatdichters August Leberkas Platz zu machen: »Onkel Otto und das Beuteltier«. Schon spürte Kubinke den Rochen wieder auf sich zukommen, nur diesmal in Gestalt eines Känguruhs, als er gegen ein Seil lief, das quer über die Straße gespannt war. »Können Sie denn nicht sehen, Herr?« fuhr ihn ein Mann im grauen Kittel an, »hier wird gefilmt.« »Was denn gefilmt?« fragte Kubinke und gewahrte erst jetzt die Apparaturen, die Jupiterlampen, die geschminkten Menschen. »Kulturfilm der DEFA«, sagte der Mann im Kittel, »Ein Schwanz kam aus Australien!«
"
•
l/c.eac.r.rr •• „"• " • •
• •„ „
•
__, PEN 4RH1:;v
••
•
•
l/./JK4RZ/./4il1Jt . __.. NIC#T.
. ....,,
•
•
• •
•
•
•
• •
•
•
'
Schwer atmend stand Kubinke endlich vor dem Haus des Freundes. Im Vorgefühl der Wiedersehensfreude stieg er die knarrende Treppe hinauf. Eine alte Frau öffnete und ließ Kubinke gar nicht erst zu Worte kommen. »Falls Sie zu Herrn Inschenör Zempe wollen, der is verreist. Ich bin die Nachbarin und kucke bloß mal nach seine Kanarienvögel. Und vorläufig kommt Herr Zempe auch nicht wieder, er ist heute früh zu seinen Freund jemacht, einen Herrn Kubinka oder Kabunke oder so ähnlich, nach Berlin. Dem Herrn Inschenör is wohl der Rummel ein bißchen auf die Nerven gegangen, den sie seit 'n paar Tagen hier mit das Känguruhfleisch machen. « Mit nicht ganz sicheren Beinen kletterte Horst Kubinke die
Alles zum Wohle des Volkes
38
Treppe wieder hinunter. Vor der Haustür hieb ihm jemand auf die Schulter. Horst zuckte zusammen: Der Presto! »Gut, daß ich Sie wiedergefunden habe!« rief der Mann mit den strengen Augen. »Soeben erreicht mich nämlich die Nachricht, daß die Zufuhr diesmal länger anhält, weil wir neue, günstige Abschlüsse tätigen konnten. Und da wollte ich mal fragen, ob Sie Ihre Neukonstruktion - Sie waren doch der Mann, der ein neues Motorrad konstruiert?« - »Allerdings ... « - »Ein kleines oder 'n großes?« - »Ein kleines.« - »Schön, mein Freund. Ich hoffe, Sie werden Ihre Maschine im Interesse unserer Volksernährung >Känguruhschwänzchen< nennen. Und einen Vers für den Wimpel habe ich auch schon: Verpflegt mit Känguruh sie ihn,/ Spart er bedeutend an Benzin!«
•
•
•
•
•
•••
>>Das sieht so schön fett aus. Bringen Se mir bitte 'ne Portion davon.«
Immer, wenn ich Bockwurst esse, beschleicht mich ein unheimliches Gefühl. Weil ich nämlich nie genau weiß, was hinten und was vorne ist. Ehe ich den ersten Biß tue, überlege ich ganz scharf, welches wohl das vordere Ende sein könnte. Ich fange ungern hinten an. Aber wenn ich mich dann entschlossen habe und biß - Verzeihung! - bis an das zweite Ende gekommen bin, dann stellt sich meistens heraus, daß es doch wieder verkehrt war und die Bockwurst rückwärts durch meine Speiseröhre gerutscht ist. Dann ist es natürlich zu spät. Neulich war ich wieder unschlüssig. Die niedliche HO-Dame bemerkte es und fragte zuvorkommend: »Fehlt noch etwas, mein Herr?« Ich sah sie schüchtern an und flüsterte ihr ins Ohr: »Liebes Fräulein, zeigen Sie mir doch mal genau das Vorderteil und das Hinterteil. Bitte, bitte!« Leider bekam ich nicht die gewünschte Auskunft, sondern einen gehäuften Löffel Senf ins Gesicht. Obwohl ich gewöhnlich Bockwurst ohne Senf esse. Am besten wäre es, wenn Bockwürste nur ein Ende hätten. Dann brauchte man keine Gewissensqualen auszustehen. Am allerbesten aber wäre es, wenn Bockwürste gar kein Ende hätten.
Erich Hanko
Alles zum Wohle des Volkes
39
Henricus
oder: Menschen, die uns Freude machen
Ort: Buchhandlung in der Friedrichstraße zu Berlin Zeit: Sonnabendnachmittag im Jahre 1949 Personen: Der Verkäufer Das junge Mädchen Kunden und Straßenpassanten Der Verkäufer steht am Ladentisch und spricht mit einem Kunden. Etwa 6 bis 8 Kunden stehen an Tischen und Regalen und blättern oder lesen in den ausliegenden Büchern. Straßenpassanten stehen am Schaufenster oder gehen vorüber. Das junge Mädchen (betritt den Laden): Guten Tag. Der Verkäufer (unterbricht sein Gespräch mit dem Kunden): Guten Tag, womit kann ich dienen? M: Ich möchte einen Leuchtglobus haben. V: Einen Leuchtglobus habe ich leider nicht. Vielleicht versuchen Sie es mal in der nächsten Bei~ 9 „ Buchhandlung - hier 100 Meter weiter herun~~~~~schein · ter. • -- „„ „ „, M:Wo? V: Hier auf derselben Seite, 100 Meter weiter. (Zeigt in die angegebene Richtung und wendet sich wieder dem Kunden zu) »l eh habe es satt! 14 M: Da habe ich aber gar keinen gesehen. Tage lang bin ich nach V: (sich wieder unterbrechend) Das ist möglich. Aber ich weiß, einer Badehose rumgedaß dort einer zum Verkauf war. Versuchen Sie es mal! (wenlaufen. << det sich wieder zum Kunden) M: Ja, aber da war doch gar keiner zu sehen. Die Kunden werden auf die Unterhaltung aufmerksam. V: (beginnt einzusehen, daß er nicht ohne eine langere Erklärung davonkommt) Sehen Sie, liebes Fräulein, hier stehen die Globen auch nicht offen im Laden, und doch habe ich welche. Die stehen dort oben auf dem Regal und im Lagerraum. Sie sind verpackt; wenn jemand einen Globus verlangt, hole und zeige ich ihn. Das kommt nicht so oft vor. Wenn ich die ' 1
1
,-
40
Alles zum Wohle des Volkes
•
•
•
•
KOMM f SS 1 ON
FAHNEN· DE8AT TE
WEGEN MATERIAL-MANGEL
VERTAGT
.i.--..
............
Globen ausgepackt stehen lassen würde, würden sie einstauben und mit der Zeit unansehnlich werden. Darum ... M: (unterbricht ihn) Wenn Sie einen haben, dann geben Sie mir doch einen! Die Kunden sind den freundlich belehrenden Worten gefolgt und beobachten mit Spannung die Entwicklung. V: Das sind keine Leuchtgloben, sondern andere. Wollen Sie so einen nehmen? M: Ich möchte einen Leuchtglobus! Die Kunden werden - je nach Temperament - unruhig oder lachen. V: (betont geduldig) Den habe ich nicht. Versuchen Sie es doch dort, wo ich Ihnen gesagt habe. Ich glaube, Sie werden da einen bekommen. M: Wo ist denn das? V: (wie vorher) Ich sagte doch schon, in der nächsten Buchhandlung 100 Meter weiter herunter. M: Ach so, aber da habe ich doch keinen gesehen. Die Kunden werden unruhig, einige beginnen drohend zu knurren. V: (mit etwas unsicherer, leicht zitternder Stimme) Haben Sie denn gefragt? M: (leicht beleidigt) Natürlich nicht, ich war doch gar nicht drin, weil ich keinen gesehen habe. Jetzt sind alle Kunden unruhig und knurren. V: (mit erhobener Stimme) Hier haben Sie doch auch keinen gesehen und haben doch gefragt! M: Ich dachte eben, Sie hatten einen. V: (abschließend) Ich habe aber keinen. Versuchen Sie doch mal dort! M: Wenn die aber auch keinen haben! Die Kunden fangen an, die Bücher aus den Regalen auf die Erde zu werfen, manche fletschen mit den Zähnen - je nach Temperament. V: (macht heftige Anstrengungen, sich zu beherrschen) Dann weiß man dort vielleicht, wo Sie einen bekommen können und schickt Sie dahin! M: Das hat ja keinen Zweck. V: (verständnis- und fassungslos) Wieso?
41
Alles zum Wohle des Volkes
M: (beleidigt) Sie haben doch eben selbst gesagt, die schicken mich dann weiter, um mich los zu werden. V: Aber das habe ich doch nicht gesagt. M: Doch, die haben ja keinen, ich habe keinen gesehen. V: (an der Grenze der Beherrschung) Liebes Fräulein, bei mir sehen Sie doch auch nicht alles, was ich habe. M: (mit neuer Hoffnung) Na, haben Sie denn einen? V: Was für einen? M: (beleidigt) Einen Leuchtglobus will ich, das habe ich aber schon mehrmals gesagt! V: (schreiend) Nein! Nein!! Nein!!! M: (wie vorher) Schreien Sie mich doch nicht so an! Ich kann doch nichts dafür, wenn Sie mir keinen Leuchtglobus verkaufen wollen. Ich kann doch nur höflich fragen. Die Kunden haben jetzt den größten Teil der Bücher auf die Erde geworfen und nähern sich dem jungen Mädchen drohend. Auf der Straße sammeln sich die Passanten. Die Straßenpassanten: Unerhört, wie der seine Kunden behandelt! Wenn da einer fragt, wird er angebrüllt! Wie der Laden überhaupt aussieht! Skandal so etwas. V: (immer noch schreiend) Was Sie machen sollen, habe ich Ihnen X mal gesagt, Sie sollen in das nächste Geschäft gehen und mich nicht verrückt machen mit Ihrem dämlichen Globus! M: (sehr beleidigt) Guten Tag! (geht aus dem Laden, aber in der verkehrten Richtung) Die Kunden beruhigen sich und zittern nur noch leicht. Der Verkäufer stöhnt und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Er hat sich noch nicht im Laden umgesehen, da kommt das junge Mädchen zurück. Man hört dazwischen die Stimmen der Passanten: Das würde ich mir von dem Kerl da drin nicht bieten lassen! So ein Lümmel! M: (noch immer beleidigt) Können Sie mir dann wenigstens sagen, wo ich einen Leuchtglobus bekommen kann? Der Verkäufer macht einen Satz auf den Ladentisch und versucht vergeblich, die Deckenbeleuchtung herunterzureißen. Die Kunden wälzen sich hüllend auf der Erde. Die Straßenpassanten werfen die Schaufensterscheiben ein. Das junge Mädchen sieht unschuldig und erschreckt auf das Chaos. Vorhang 21/11/1949
„.
Ein hmerikanei sieht zur Messezeit in Leipzig eine lange Schlange .vor einem Lebensmittelladen. »Bei uns kann man ohne weiteres alles kaufen«, ·sagt er. Da · wendet sich ein Mann um und sagt: »Das „war früher,.bei uns auch so. Da· sehen Sie mal, wie weit die USA zurückgeblieben ist~« .'.
' :!: .
42
Alles zum Wohle des Volkes
Hermann Wilke
Dor
1 '•
1 •
~
~
t
~
1
~
~
„~
>>Ich möchte die Regentage nicht mehr im Schrank verbringen müssen!<<
Ganz ohne Absicht kam ich in die Lage, den Mann vom Wohnungsamt zu spielen, und das kam so: Als Ersatz für mein ausgebombtes Atelier wurde ich vom Wohnungsamt in ein Atelier eingewiesen, das über meiner Privatwohnung gelegen und lange Jahre nicht benutzt worden war. Gegen die Einweisung erhob jedoch die frühere Inhaberin Einspruch und war erst zum Verzicht bereit, wenn ihr ein anderer gleichwertiger Raum nachgewiesen würde. Ich bekam also vom Wohnungsamt den Auftrag, einen Ersatzraum zu suchen. Schon am nächsten Tage hatte ich Glück. Ganz in der Nähe meines Hau' ses fand ich das Atelier. Die Portier- -frau, die zunächst wenig zugänglich -l war, wurde plötzlich sehr lebendig, als ' ich ihr sagte, ich käme vom Woha nungsamt. Sofort erklärte sie sich bereit, das Atelier zu zeigen. Beim Hinaufgehn öffneten sich fast alle Türen des Treppenhauses! Es hatte sich schon herumgesprochen, daß ich ein Mann vom Wohnungsamt sei. Plötzlich war ich die wichtigste Person im Hause! Man ließ mich zwar noch das Atelier besichtigen, aber dann stürmten alle auf mich ein mit ihren Wünschen. Hier war das Dach undicht, dort eine eingedrückte Wand und Türen, die sich nicht schließen ließen. Da ich mit Bezug auf das gefundene Atelier schon geäußert hatte, daß kleine Schäden vordringlich behandelt würden, bestürmte man mich von allen Seiten, doch ihre kleinen Schäden gleich mit machen zu lassen. Ich murmelte etwas von mal sehn, was ich tun könnte, und hörte noch im Weggehen die Worte: »Endlich mal einer vom Wohnungsamt!« Auf dem Heimwege bemerkte ich zu meiner angenehmen Überraschung, daß man mir meine Jackentaschen unbemerkt mit allerhand Rauchwaren gefüllt hatte. Acht Zigaretten, zwei Zigarren und vier Zigarillos betrug die »Sonderzuteilung«!
'
r'
44
Lernen, lernen, nochmals lernen
Erich Hanko
orioHAai11t OHHOH
' 1e
In diesem Sommer hatte das Ferien-Kinderheim des Betriebes zum ersten Male seine Pforten geöffnet. Alle warteten gespannt auf das Ergebnis des Experiments. Es war in der Tat überraschend. Niemand hätte bei Herrn Direktor Krause, dem Junggesellen, so viel Kinderliebe vermutet. Gleich bei seinem ersten Besuch im Heim »Sonnenblick« blieb er acht Tage dort, um nach dem Rechten zu sehen. Seine Sekretärin, Fräulein Müller, half ihm dabei. Zwischen 10 und 11 Uhr morgens spielten beide mit den Kleinsten Kreisspiele, zum Beispiel >>Zeigt her eure Füßchen, zeigt her eure Schuh ... « Alle Kinder freuten sich, wenn auch Herr Krause und Fräulein Müller ihre Füßchen herzeigten. Gegen 12 Uhr rief Direktor Krause gewöhnlich im Werk an, ob etwas los wäre. Wenn etwas los war, ermahnte er die Verantwortlichen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die man natürlich nur an Ort und Stelle richtig beurteilen Alle Herren von der Direktion waren konnte. Er selbst, Krause, würde sofort zuschön braun gebrannt und mit dem rückkommen, wenn seine Anwesenheit im FeErgebnis der Kindererholung zufrieden. rienheim »Sonnenblick« nicht mehr erforderlich wäre. Aber vorläufig wäre sie eben noch erforderlich. Nachmittags gingen Herr Krause und Fräulein Müller gern in den Wald, um für die Kinder Brombeeren zu suchen. Meist fanden sie jedoch keine und kamen ziemlich spät, müde und zerkratzt, aber immer gut gelaunt zurück. Wenn die Kinder dann schon im Bett lagen, versäumte der Herr Direktor nie, danach zu fragen, ob alle da wären und keines von ihnen auf Abwege geraten sei. So vergingen die Tage mit fröhlichem Spiel und steter Sorge um die Kleinen, bis schließlich auch für Herrn Direktor Krause und Fräulein Müller die Stunde schlug, da sie abreisen mußten, weil ihr regulärer Urlaub vor der Tür stand. Ka11m waren sie im Werk angekommen, da traf aus dem Ferienheim die Nachricht ein, daß die Kuh eines benachbarten Bauern, die für ihre Zerstreutheit bekannt war, sich während der Mittagspause auf den Kinderspielplatz verirrt, drei Buddeleimer aus Blech zertreten und einer Zelluloidpuppe den Kopf zerquetscht hatte. »Da haben wir's«, sagte Direktor Krause traurig. »Kaum wendet man den Rücken, da passiert was! Aber ich habe ja schließlich auch noch andere Pflichten!«
Lernen, lernen, nochmals lernen
Sofort sprang ein anderer für ihn in die Bresche. Magazinverwalter Schultze erklärte sich bereit, einige Tage seiner Arbeitszeit zu opfern und nach dem Ferienheim »Sonnenblick« zu fahren, um die dort entstandenen Materialverluste wieder auszugleichen. Außer drei neuen Blecheimern und einer Puppe nahm er seine junge Frau mit, die sich ruhig ansehen sollte, wie man mit Kindern umgeht, für den Fall, daß sie selbst mal welche haben würde. Als Gegengewicht gegen die Kuh nahm Schultze seine Schwiegerelten mit, die vom Lande stammten und daher wußten, wie man sich diesen Tieren gegenüber verhält. So war der betriebseigene PKW voll ausgelastet, und niemand konnte über Leerlauf klagen. Die Beziehungen zwischen Kinderheim und Werk wurder immer inniger. »Unsere Kinder sind unsere Zukunft!« pflegte Direktor Krause zu sagen, wenn er wieder hinfuhr, um mit Fräulein Müller nach dem Rechten zu sehen. Oft waren mehrere leitende Persönlichkeiten des Werkes gleichzeitig anwesend. Es ergaben sich zwanglose Skatpartien und zuweilen auch kleine Tänzchen. Aber das natürlich immer erst, wenn die Kinder schon schliefen. Die Raumfrage machte keine großen Schwierigkeiten. Wenn die Kinder etwas zusammenrückten, konnten selbst so umfangreiche Persönlichkeiten wie Abteilungsleiter Maus von der Abteilung Planung unterkommen. Ein großer Mangel allerdings blieb auf die Dauer nicht verborgen. Man hatte die Garage zu klein gebaut. Nicht einmal die Hälfte der werkseigenen Personenwagen ließ sich darin unterbringen. Das machte sich besonders störend bemerkbar, wenn die Direktion eine größere Arbeitstagung über das Wochenende nach dem Ferienheim »Sonnenblick« einberief. Da mußten verschiedene Wagen Nächte hindurch im Freien stehen, schutzlos den Unbilden der Witterung preisgegeben. Außerdem malten die Kinder Männchen und kleine Tiere, die nicht immer sehr künstlerisch wirkten, an die Wagenwände. Als zum Beispiel Abteilungsleiter Maus einmal beim Wegfahren auf dem linken vorderen Kotflügel eine Zeichnung entdeckte, die anscheinend eine Maus darstellen sollte, in Wrrklichkeit aber mehr einer Ratte ähnelte, wurde er sehr böse,
45
46
Lernen, lernen, nochmals lernen
so daß er die mit der Beaufsichtigung der Wagen betraute Kindergärtnerin beinahe für die fristlose Entlassung vorgeschlagen hätte. Aber das waren nur kleine Schattenseiten des Ferien-Kinderheimes »Sonnenblick«. Im allgemeinen war die Betriebsleitung mit dem Ergebnis des ersten Feriensommers durchaus zufrieden, wie sich bei dem Rechenschaftsbericht im Herbst herausstellte. Besondere Beachtung fand der Vorschlag des Kollegen Stülpke, die Aufenthaltsräume und Spielplätze für die Kinder im nächsten Jahr etwas abseits vom eigentlichen Heim anzulegen, damit der Lärm nicht mehr so zu hören sei. Aber sonst, wie gesagt, waren alle Herren von der Direktion schön braun gebrannt und mit dem Erfolg der Kindererholung zufrieden. Einiges Befremden erregte allerdings die Interessenlosigkeit des Ingenieurs Schmitt, der dem Heim nur einen kurzen Besuch abgestattet und nicht einmal dort übernachtet hatte. Und dabei war er selbst Vater von drei Kindern! »Unsere Kinder sind unsere Zukunft!« sagte Direktor Krause betont .und sah den Ingenieur Schmitt von der Seite an. »Man sollte ihnen einige Wochen ungestörte Erholung gönnen!« .»Das sollte man wirklich«, sagte Schmitt trocken. »Und warum tun wir es eigentlich nicht?«
Lehrer zum Schüler: »Paul, nenne mir mal das menschliche Geschmacksorgan.« Paul hüllt sich in Schweigen. »Paul, was hast du im Munde?« - »Nichts, Herr Lehrer.« - »Doch, Paul, du hast etwas im Munde.« - »Nein Herr Lehrer, ich habe wirklich nichts im Munde.« - »Nun gut, Paul, nehmen wir mal deinen Vater, was hat der wohl im Mund?« - »Mein Vater ist doch tot.« »Ach so. Was hat dein Großvater im Munde?« - »Einen Zahn, Großmutter sagt immer: das ist der Kuchenzahn.« - »Außer dem Zahn hat er aber noch etwas im Munde.« - »Ja, meistens 'n Priem.« - »Paul, du verstehst mich nicht. Lassen wir mal den Priem weg, was hat dein Großvater sonst noch im Munde?« »Wenn er den Priem nicht drin hat, hat er die Tabakspfeife drin.« - »Paul, das mein ich alles nicht. Nun paß mal genau auf: Wenn du heute nach Hause kommst, stellst du dich vor den Spiegel, machst den Mund weit auf und schaust hinein, dann ... « - »Herr Lehrer, das geht nicht.« - »Warum denn nicht?« - »Wir haben gar keinen Spiegel.« - »Setz dich, Paul.«
•
..~
.M..nsch, jetzt um 9 Uhr kann
wa noch nidt na?t Hau!e, lcri~en wo BackJ?feifen, werJ et ~t is. · Komm n wo oba ,1J Uhr, do schenken se u.ns n~
Gott,~';!:'~!'!:
lk"
Preudef
„.Eta
beim Bleaea•o mmertag d ullee•• •• Nat•r •• testgebundeoe
~ s
t>~~!8 l-10j4brtgeMf Bilderbücber Votetn&endQD9RM Geg. Btfurt 276 ~r. 8fostscbo"'•oa·:a Pfennig mebr._ Nacbnabme W.l•ar t„. 2 fetnsumlge
Gebr. Knall• K •.Q.,
_
Der Lehrer fragt nach dem Namen und BenrfsWUnsch.
i
t• bst du deine
,.Nee -
Der erste: "Ich heiße Egon." - »Was möchtest du mal werden?. - »Weiß ich nich.• Der zweite: »Ich heiße Max.• - »Was möchtest du mal werden?" - »Weiß ich nich.• - »Wer von euch weiß eh ester Frilzchen ?" denn, was er mal werden möchte?. Einer in der t du dodt!!u letzten Reihe meldet sich: »Ich möchte Polizist . werden.« - »Sehr schön, sehr gut", sagt der Lehrer, »und Wie heißt du?" - »Weiß ich nich." .
48
lernen, lernen, nochmals lernen
Erwin F. B. Albrecht
p ß d0 h ff E. k0
ka
Ich gehe nicht gerade häufig zu Hirsekorns, gerade mal so zum Geburtstag oder in Hausangelegenheiten oder so. Es ist mir, ehrlich gesagt, immer ein wenig zu steif und förmlich bei Hirsekorns. Er, Hirsekorn, gehtja noch an. Er war mein Schulfreund, und man darf sagen, daß er manchmal eine gewisse Art von Nonchalance hat. Aber sie! Herrschaften, es ist nicht zuviel gesagt, wenn ich behaupte, daß sie eine aufgeblasene Pute ist, die sich einzubilden scheint, sie sei die Künderin der Vornehmheit. Und Detlef, das Söhnchen, ist ihr Produkt. So was von Wohlerzogenheit habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Beispielsweise, als ich das letzte Mal bei Hirsekorns zum Essen eingeladen war, es ist schon längere Zeit her, aß ich die Gulaschsuppe wohl etwas zu genießerisch. Wissen Sie, was das wohlerzogene Detleffelchen da für eine Schote 1D h t
~ ~ 'die~ ~~- u a~
losließ? »Das Schmatzen und das Schlürfen nur die
eenhe eiseM, u bas_ nKen at us1,e- Schweinchen dürfen«, sagte der Bengel. »Nicht wahr, wac senen ara u 1m ar on. M ? amma. « Und die Mammi lobte ihn noch: »Ganz recht, mein Kind, du bist ein braver Junge.« Und der brave Junge benahm sich weiterhin geziert wie eine Ballettschülerin und redete eine Sprache wie ein Tonband für den Deutschunterricht. Ein paar Tage später traf ich den Knaben Detlef in einer Seitenstraße beim Spiel mit anderen Kindern. Plötzlich horchte ich auf. Was hatte der brave Junge da soeben geschrien? »Paß doch uff, Eierkopp! Zertrampelst ja die ganze Hopse!« Und nach einer Weile, während das Spiel etwas ruhiger weitergegangen war, mit doppelter Lautstärke: »Kannste denn nich kieken, Blödheini? Trampelst ja schon wieder uff de Linien rum!« Ich trat näher, um mich zu überzeugen, daß der Schreihals wirklich mit dem braven Detleffelchen identisch war! Er war's! Eben brüllte er seinen Spielgefährten aufs neue an: »Määnsch. laß dir krankschreiben, bei dir piept's! Du hast keene Meise, du hastn ausjewachsenen Marabut im Karton!« Und jetzt zeigte er dem anderen Jungen einen Vogel und krönte sein· Geschimpfe: »Vollidiot!« Und wieder einmal besuchte ich die Familie, um eine Hausan-
Lernen, lernen, nochmals lernen
49
gelegenheit zu regeln. Ich konnte mir nicht verkneifen, die Frau des Hauses zu fragen: »Nun, Frau Hirsekorn, sind Sie weiter mit dem braven Detlef zufrieden, ich meine besonders mit seiner Umgangssprache?« »Aber selbstverständlich«, sagte die Dame mit gespitztem Mund. »Unser Sohni bringt nur oder fast nur lauter Einsen aus der Schule nach Hause. Und neulich hat er sogar ein neues Verslein über das gute Benehmen beim Essen gemacht: >Beim Löffeln darf man nie was hören, weil wir damit die Mahlzeit stören!< Ist das nicht süß?« Vielleicht merkte Vater Hirsekorn, daß die Anzüglichkeit mir galt. Er sagte etwas verbindlicher: »Gott, na ja, so nen Vers verbricht auch der Gescheiteste mal, ha, ha, ha.« Und um mich vollends zu versöhnen: »Im übrigen fahr ich dich nachher mit unserem F 8 nach Hause, ich muß sowieso in die Richtung.« Dankend nahm ich den Vorschlag an, und wenig später fuhren wir los. »Hat dein Junge also wirklich so gute Erfolge in der Schule?« sagte ich unterwegs, um was zu sagen. \ »Doch, doch«, bestätigte Hirsekorn, -<-»er ist schon tüchtig, und zum Lohn nehme ich ihn jetzt immer im Wagen mit zur Schule. Da kommt er auch unterwegs nicht erst auf ))Verkehrsunfall?<< ))Nee, een pädagogischer dumme Gedanken. Du weißt doch, als wir so alt waren ... « Unfall. Ich wollte meiDa ... wir sind an einer Ecke ... Bremsen quietschen, oder nem jungen eine runtersind's die Reifen? Menschen schreien auf ... wir haben die Vorhauen, da kam jrade fahrt, aber der andere, ein neuer F 9, scheint noch nicht sehr Stromsperre und die sicher zu sein im Fahren oder in den Verkehrsregeln. Nur ein Backpfeife ging an die paar Zentimeter trennen seine Bugspitze von unserm Auto. Wand. << Blitzartig kurbelt Hirsekorn die Scheibe runter und brüllt: »Paß doch uff, Eierkopp! Kannste denn nich kieken, Blödheini? Laß dich krank schreiben. Määnsch, bei dir piept's! Du hast keene Meise, du hastn ausjewachsenen Marabut im Karton!« Und dann zeigt er dem anderen, noch sehr jungen Fahrer einen Vogel und krönt, bevor er wieder zum Schalthebel greift, seine Ausführungen: »Vollidiot! «
Lernen, lernen, nochmals lernen
50 ••
;- .>
-
.
•
... '
.
,.
. -· ..
.
.
.
Lernen, lernen, nochmals lernen
51
Hansgeorg Stengel
Kinder, grade erst geboren, sind noch winzig klein, haben aber schon zwei Ohren, linkes Bein, rechtes Bein. Können atmen schon und schlucken, fange langsam an, staunend ihre Hände zu begucken, dann weinen Kinder allererste Tränen, haben Magenknurren, Weh und Ach, schlafen viel und werden mit den Hähnen und viel früher als die Muttis wach. Später, wenn die ersten Zähnchen sprießen, ist der Tag nicht fern, da die Kinder Purzelbäume schießen, stundenlang und gern. Vieles können Kinder nun schon machen, spielen mit Papier und Sand und Holz. Und am schönsten ist: Sie können lachen. Na, die sind die Eltern aber stolz.
Vatorstoßz Der alte Pinkpank aus der Sonnenallee trifft einen ehemaligen Verehrer seiner Jüngsten und berichtet ihm freudestrahlend: »Scheen' Dank for Ihre höfliche Nachfrage von wejen mein wertes Frollein Tochter; glücklich verheirat' isse, zwei Kinder hamse - und sojar im >Telegraf< hatse schon jestanden: einmal mit'm kleen' Wohnungsbrand und einmal als Verkehrsunfall.«
]o Schulz
In der Mathematikstunde wird eine Textaufgabe ge;. stellt. Zwei Brigaden asphaltieren eine drei Kilometer lange Straße. Brigade A beginnt am Ende a und arbeitet um 20 Prozent schneller als Brigade B, die an Punkt b beginnt. Die Lehrerin fragt nun: »Wo treffen sich beide Brigaden?« Fritzchen meldet sich als erster. »Na, Fritzchen, wo?« »In der Kneipe.«
Lernen, lernen, nochmals lernen
52
Lothar Kusche
War mal eine Schule in Waltersdorf. Kinder sind hungrig. Der Teltower Kreisausschuß für den freien Markt dachte sich also: Wir werden eine schöne Schulspeisung arrangieren. Und gab •• dem Schulleiter eine Anweisung. Uber 15 000 g Fleisch, 10 000 g Butter und 5000 g Öl. Oh, sagte Herr P. (der Schulleiter), recht schönen Dank auch. Er hatte einen weiten Weg zu gehen mit der schönen Anweisung. Als er am Ziele war, hatte er zwar nicht den Gutschein, wohl aber die hungrigen Kinder vergessen. Donnerwetter, dachte er, für wen ist bloß dieser Gutschein bestimmt? Ach! Und weh! Er konnte und konnte sich nicht erinnern. Na. Da verteilte er die Lebensmittel eben an die Herren Kollegen. Und jeder Lehrer in Waltersdorf bekam 3000 g Fleisch, 2000 g •• Butter und 1000 g 01. Ungefähr soviel jedenfalls. Und die Kinder bekamen gar nichts. Genau abgewogen: Gar nichts! Da konnten sie sich wenigstens nicht den Magen verderben. Die lieben Pauker also ließen's sich schmecken. - Gesegnete Mahlzeit wünschten dann allerdings die Gemeindevertreter. Die erzählten die Geschichte nämlich der Staatsanwaltschaft. Hoffentlich gibt es ein mildes Urteil. Sonst könnten die Lehrer böse werden. Das aber hätten die Kinder auszubaden. (Der Ärger von Pädagogen pflegt sich immer recht deutlich den Schülern mitzuteilen.) Oder - aber das fällt mir nur so ganz nebenbei ein - oder man versucht's mal mit einem anderen Schulleiter. Der ein besseres Gedächtnis hat. Wissen Sie, ich meine ein Gedächtnis für Kinder, die Hunger haben.
• • '•
•
))Mensch, du hast dem ja een Ziegelstein als Neese gemacht!« ))Na denkste vielleicht, ick koofe dem 'ne Mohrrübe uffm Schwarzmarkt?<<
54
Was des Volkes Hände schaffen
Erich Hanko
••• Am 23. Februar fing es an. Das war der Tag, an dem Karl seine Norm mit 134 Prozent übererfüllte. An demselben Tage hörte er auf, normal zu sein. Die 134 Prozent waren ihm gar nicht so schwer gefallen. Aber das, was hinterherkam, überwältigte ihn: die öffentliche Belobigung in der Betriebsversammlung, die Prämie, das Händeschütteln und die Gratulationen der Kollegen. Den Rest gab ihm der begeisterte Bericht in der Bezirkszeitung über seine vorbildlichen Leistungen. Solch ein tüchtiger Kerl war er also! Karl wurde von einem tiefen Mitleid mit sich selbst ergriffen. Wie hatte man das so lange übersehen können? Warum hatte man seine überragenden Qualitäten bisher so ängstlich verschwiegen und sie erst jetzt anerkannt, als sie sich nicht länger verheimlichen ließen? Jeder klardenkende Mensch hätte sie doch schon längst bemerken müssen! ... ZugegeWenn von Verbesserung des Arbeits- ben, er selbst war nicht ganz schuldlos. Auch er gangs gesprochen wurde, zuckte hatte seine Bedeutung bisher nicht genügend geKarl die Achseln. würdigt. Insofern hatte er an sich selbst viel gutzumachen. Aber die andern auch! Und da Verdienste nicht nur leicht übersehen, sondern noch leichter vergessen werden, beschloß er, die Welt und sich selbst in gewissen Zeitabständen, die nicht zu lang bemessen sein durften, immer wieder daran • zu ennnern. Wenn zum Beispiel in der Arbeitspause über das nächste Fußballspiel gesprochen wurde, sagte Karl: »Könnt ihr euch noch auf das Spiel im Februar besinnen? Es muß so kurz nach dem 23. gewesen sein, als ich meine Norm mit 134 Prozent übererfüllt habe ... « Wenn von einer Verbesserung des Arbeitsgangs gesprochen wurde, dann zuckte Karl die Achseln und sagte: »Ja, wenn wir daran schon im Februar gedacht hätten, damals, als ich meine Norm ... « Oder beim Mittagessen in der Kantine, wenn es Nudeln gab: »Erinnert ihr euch noch? Am 23. Februar gab es auch Nudeln! Damals, als ich meine Norm mit 134 ... « Diese intensive Beschäftigung mit dem 23. Februar erforderte natürlich Nerven, und so kam es, daß Karl sich nicht mehr so auf seine Arbeit konzentrieren konnte wie früher. Oft stand er geistesabwesend an seiner Maschine und dachte angestrengt
55
Was des Volkes Hände schaffen
an jenen glorreichen Tag im Monat Februar, den ihm niemand mehr rauben konnte. Auch Kurt nicht, obwohl er im April Karls geliebte 134 Prozent um 10 Prozent verbesserte, und auch Paul nicht, der Anfang Mai noch 8 Prozent draufsetzte. Karl nahm das zur Kenntnis, aber übel nahm er es ihnen nicht. Schließlich war er es ja gewesen, Karl, der die Grundlagen für ihre Leistungen gelegt hatte, damals am 23. Februrar, als er ... Schlimmer war schon, daß Kurt und Paul ihn jetzt häufig in seinen Erinnerungen unterbrachen und ihrerseits an gewisse Daten im April und Mai erinnerten, als sie ihre Norm ... Und dabei grinsten sie so merkwürdig! Die anderen übrigens auch. Karl fand das ziemlich albern. Noch etwas anderes fiel ihm auf. Die Menschen, mit denen er sprach, gähnten in letzter Zeit auffallend häufig. Meist sogar dann, wenn er im Begriff war, auf den Februar zu sprechen zu kommen. Das konnte nicht allein mit der Frühjahrsmüdigkeit zusammenhängen. »Wie soll das Haar geschnitten werden?« fragte der Friseur. »Fassonschnitt«, sagte Karl. »Wie damals im Februar, als ich meine Norm ... « »Uuuäääh ... «, machte der Friseur und riß die Hand vor den Mund, wobei er sich mit der Schere fast das Leben genommen hätte. Viele Leute schliefen bereits ein, wenn Karl nur den Mund aufmachte. Das fiel ihm zwar auf, aber er fand keine Erklärung dafür. Die kam eines Abends von weiblicher Seite. »Wie schön der Mond heute scheint«, sagte Karl zu Inge, als sie beide vor der Haustür standen. »Genauso wie damals im Februar, als ich meine Norm mit 134 Prozent ... « - »Ja«, sagte Inge und gähnte unter erheblichem Temperaturrückgang. »Damals nahm der Mond aber zu. Heute nimmt er ab . . . Gute Nacht.«
»Pfui Teufel, Sie riechen ja nach Schweiß«, sagte der Hut, der es mit der Vornehmheit hatte, zur schmierigen Mütze, die neben ihm hing, und rückte von ihr ab, zwei Garderobenhaken weiter. »Sie scheinen ja ein stinkefeiner Hut zu sein«, sagte die Mütze, die keine Schlafmütze war und nicht auf den Kopf gefallen war, auf dem sie gesessen hatte. Und dann erzählte sie von Zweijahrplan. Da nahm der Hut den Hut ab und entschuldigte sich.
L~ »Kollegen,
wa$ ·
Emacht ihr daü· · '?~
.
-
: da?« - )>Wrr reißen die Zie. gelei ab.« ~ ·>>Aber wir braicllen .
~
~
~--
-
.
-
56
••
Was des Volkes Hände schaffen
Max Albert
..
.
· Kind: »Vati, gestern ·hatte der. Mond · · doch einen so gro.; ßen Hof und .heute · ·hat er keinen melit?«. -
Vater: »Ja, das . · liegt an der Booen- . iefarm~ «
· .
Der Kalkhofbauer liegt im Bett und über dem Land strahlender Märzsonnenschein. In den achtzig Jahren seines Lebens ist es wohl das erste Mal, daß die .Mittagssonne den Zacharias Kalkhof im Bett sieht. Wie hätte er auch sonst seinen Hof so herauswirtschaften können. Daß es ans Sterben geht, daran zweifelt der Zacharias nicht. Er weiß, daß ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, seine letzten Dinge auf dieser Welt zu ordnen. »Gotthart«, hat er deshalb in der Frühe zum Sohn gesagt, »spann die Schimmel an und hol den Advokaten aus der Stadt!« »Eigentlich könnt er schon hier sein«, murmelt er vor sich hin. Zacharias Kalkhof ist ungeduldig. Die Pferde werden draußen gebraucht. »Er wird sicher bald hier sein«, tröstet die magere Bäuerin ihren Mann. Als sie das Zimmer gerade wieder verlassen will, rollt der Wagen durch das Hoftor. Der alte, weißhaarige Advokat betritt die Krankenstube. Er kennt den Kalkhofbauer seit vielen Jahren und weiß, daß er hier nicht um die Sache herumreden muß. Hier lebt man und stirbt, ohne viel Aufhebens davon zu machen. Nach einem kurzen Gruß hat der Advokat sich an den Tisch gesetzt und nimmt das Schreibzeug aus der Aktentasche. Mutter Martha fährt noch einmal mit dem Schürzenzipfel über die Tischplatte. Dann nimmt sie neugierig im Hintergrund Aufstellung. »Tja - den Hof kriegt der Gotthart und die fünfzig Morgen Acker, die Wiesen und den Wald hinter dem Galgenberg«, gibt Zacharias seinen letzten Willen kund, nachdem der Advokat den Kopf des Testaments geschrieben hat. Die Feder fährt kratzend über das Papier. »Dafür muß er für die Mutter sorgen und für die Schwester bis zu ihrer Verheiratung. Zwanzig Morgen Acker und die Weiden am Bach soll die Anne ... « »Bloß zwanzig Morgen und das bißchen Weideland«, unterbricht Martha Kalkhof ihren Mann jetzt scharf. Die Anne hat zwar bereits eine anständige Aussteuer - aber sie ist ihre Lieblingstochter. Zacharias Kalkhof richtet sich in seinem Bett auf. Er runzelt die Stirn zornig. Widerspruch - das hat gerade noch gefehlt. »Stirbst du - oder sterbe ich«, faucht er endlich seine bessere Hälfte an.
•
---*-
•
- E ER NEUEN ZEIT _,
Bei einer Betriebsversammlung schlägt ein Kollege vor, daß künftig nur noch montags gearbeitet wird. Nachdem sich der brausende Beifall gelegt hat, ruft einer nach vorn: »Etwa jeden Montag?<<
58
Was des Volkes Hände schaffen
Lothar Kusche
„.
OHOtOSO
>>Kommt mal alle her! Der letzte Hamsterer!<<
OHOttttor
Vorige Woche kam mein Chef und sagte: »Sie müssen morgen 20 Päckchen in die Stadt bringen. Ich habe bei der Fahrbereitschaft ein Auto bestellt. Es kommt früh um 8 Uhr.« Um 8 Uhr wartete ich in unserem Büro. Gegen Abend kam ein Mann und sagte: »Das Auto ist da! Schnell runterkommen!« Es war ein sehr großes Auto. Der Chauffeur sagte: »Es ist ein 5-Tonnen-Generator. «Da ~ · mußte ich ihn mit meinen 20 Päckchen enttäuschen. Sein Auto hatte bequem 20 000 Päckchen gefaßt. Ich entschuldigte mich. Aber er sagte: »Das ist gut, so wenig aufzuladen, da fährt der Wagen flotter.« Wir fuhren aber noch nicht gleich. Der Mann mußte nämlich erst ein bißchen in dem Generator-Ofen stukem. Mir wurde ganz schwarz vor Augen und überall. Ich hörte, wie der Chauffeur sagte: »Und nun muß ich noch das Wasser aus dem Ofen herauslassen, weil das Holz, das wir verheizen, ganz feucht ist.« Ich sah ihn im Nebel eine mehrere Meter große Klappe losdrehen. Es zischte und dampfte wie bei Dante. Als sich der Qualm verzogen hatte, war der Chauffeur weg. Nanu? dachte ich und ging ihn suchen. Nach einer Weile fand ich ihn am anderen Ende der Straße. Er war dort angeschwemmt worden. »Holla«, rief er, »das Wasser hätten wir raus. Nun rasch gestartet.« Er berichtete mir, daß der Wagen schwer zu starten sei. Deshalb waren hinten noch etwa 9 große Überbatterien zusätzlich aufmontiert. »Die helfen uns an sich sehr«, sagte er, »bloß sie sind zu schwer, als daß wir damit fahren könnten. Deshalb werden Sie die Batterien sofort runterschmeißen, wenn der Motor angesprungen ist. Wir lassen sie dann hier liegen.«
Was des Volkes Hände schaffe.n
Da stellte ich mich hinten rauf neben den Ofen. Der stank. Der Chauffeur fummelte vom am Motor. Es bubberte und krachte. Er schrie: »Nu los! « Da fuhren wir ab. Ich turnte auf den Sitz neben dem Fahrer. Es ging ziemlich schnell, ohne Rücksicht auf Bäume und Fußgänger. Der Chauffeur hielt die Hände in den Taschen und sagte: »Lenken hat hier gar keinen Zweck. Das Steuerrad ist sowieso ganz verbogen.« Wir rammten etliche Trambahnen und überfuhren 4 Männer (davon 2 Schupos und 2 Schieber), 1 Frau, 5 Kinder sowie Verschiedenes. Nach einer halben Stunde erblickte ich mein Ziel. Der Motor lärmte wie Musik von Gustav Mahler. Ich machte dem Fahrer ein Zeichen. »Nö! « schrie er, »halten kann ich jetzt nicht. Ich bin zufrieden, daß der Wagen einmal in Gang ist! Habe nicht umsonst seit heute früh 3 Uhr angeheizt. Wenn die Karre jetzt stehen bleibt, ist es aus. Außerdem hab ich auch gar keine Bremse dranne!« Das ließ ich mir nicht gefallen, daß der Dussel nicht halten wollte. Da prügelten wir uns. Er packte mich am Kragen und warf mich aus dem Seitenfenster. Im Fallen sah ich mit schadenfrohem Lächeln, wie der Generator platzte. Na, ich hatte ja die 20 Päckchen in der Tasche. So konnte ich sie noch zu Fuß an Ort und Stelle bringen.
»Was stellt ihr denn her?« fragte der Arbeiter den anderen Arbeiter. »Betriebsgeheimnis«, sagte der. »Schrauben? Schraubenzieher? Knöpfe? Feuerzeuge?« »Betriebsgeheimnis«, sagte der andere. »Nägel? Kuchenbleche? Aschenbecher? Oder gar Turbinen?« »Betriebsgeheimnis«, sagte der andere. »Na, nun sag schon endlich.« »Wir haben uns umgestellt«, sagte der andere. »Na, also, was ist es? Taschenlampen? Radioapparate?« »Qualität!« sagte der andere.
59
»Schon gehört? Paule hat 'ne Arbeit angenommen.« »Jaj a, für Geld macht der alles.«
60
Was des Volkes Hände schaffen
Jo Schulz
(Mit einem halbgefüllten Sack über der Schulter und einer heftig betätigten Kuhglocke tritt er in den Hinterhof und ruft zu den Fenstern empor): Lumpen! Knochen! Papiiiiier! Flaschen kaufen wiiiiir! Im Zuge von eine zügije Erstellung von Lumpen, Knochen, altes und neues Papier, sowie Buntmetall, wo nicht jeklaut is, erfolgt hiermit durch meine persönliche behördlich zujelassene Person een patriotischer Aufruf von alle feierliche Kräfte ... Wat sag ick ... een feierlicher Aufruf von alle patriotischen Kräfte unter die Losung: Rrrrraus mit die Lumpen! Nischt for unjut, Herrschaften - is doch nich persönlich jemeint. (Er setzt den Sack ab und sich darauf) Janz schön schwer, die ollen Klamotten. Det heeßt: Wenn ick mir jenau ·t d. E h„ h . ausquetschen tue, denn sind dis nich bloß olle BI oß m1 1e r o ung von meine . . . ·t · kt .. t„t h · k p bl Klamotten, sondern SOJar >stille Reserven<; wir 1 Arbe1 sproJe 1v1 a se 1c ro eme. . hli ßli h · ht · f h , s hn wo11n Ja sc e c msc verem ac en. e Se, wat ick bin: Ick bin ja nun ooch nich mehr von Jestern; jestern war ick man bloß een janz kleener Lumpensammler, aber heute bin ick sozusagen eene amtliche Intuition - een staatlichet Orjan - als Altstofferfasser! Damit is det janze Lumpenzeuch, mit dem ick mir befassen tu, jewissermaßen uffn anderet Niwauh jehoben. Na, und det vapflichtet natürlich. Sehn Se, wenn ick z11m Beispiel früher mit mein Lumpensack von Tür zu Tür jezogen bin, denn bleib ick heute nach meine Bimmelei stur uffm Hof sitzen und warte, bis von die verschiedenen Hausjemeinschaften die Klamotten an mir heranjetragen werden. Selbst uff die Jefahr hin, dis mir einij e Kunden sitzenlassen und ihm Schamott völlig unqualifiziert an die Jungen Pioniere verhökern - bloß weil die näher an die Massen heranjehen. Da kann ick als Fachmann nur eens sagen: Det is simpler Praktizismus! Wo bleibt denn da dis Neue? Sehn Se, bei mir kommt et janich so sehr drauf an, det der Werktätige sein Altmaterial abjibt - sondern: Wenn er et abjibt, wie er et abjibt. Ob er't mit Bewußtsein abjibt oder ohne Bewußtsein. Ick jeh an de Klamotten erst ma mit Theorie ran, und deshalb sag ick: Man muß die Lumpen immer im Zusammenhang sehen! Lump is nich einfach Lump, sondern, sehn Se ... und deshalb forder ick: Man muß auch bei den Menschen immer den Lumpen sehn ... Verzeihung, det war eene unwis•
Was des Volkes Hände schaffen
senschaftliche Formulierung - ick formuliere neu: Man muß auch bei den Lumpen immer den Menschen sehn. Wo kommt der Lump her? frag ick mir; (er nimmt eine Unterhose aus dem Sack) aus wat for'ne Umgebung? (er fördert einen Büstenhalter zu Tage) Hat sich eener um ihn jekümmert? Sehn Se ma ick als sozusagen öffentliehe Anstalt kann ooch diese Fragen (Er hält eine Windel hoch) nich ausm Weje jehn ... Also im Vertraun ... jetzt bin ick ja een Mann in de besten Jahre, aber wenn ick noch in meine juten Jahre wäre, bei die Kinderzulagen könnte ick mir glatt zur Ruhe setzen und von meine Jöm leben. (Er hält einen weißen Berufsmantel hoch) Den kann keiner reinwaschen . . . for Arbeiterjroschen studieren und denn flitzen ... (ein zerschlissenes Stück Gardine betrachtend) janz schön jerissen ... nischt mehr zu verschleiern! (Zieht ein Paar lange Samthandschuhe aus dem Sack) Und soo lange Samthandschuhe! (Er breitet eine blankgescheuerte Hose auseinander und verbeugt sich ironisch vor ihr) Kiek an, Kollege Kiekebusch, zehn Jahre am Schreibtisch- eene wahre Jlanzleistung! (Die Hosen drehend und wendend) Nich weiter inreißen lassen, nach unten versetzen ... und mal ordentlich unter Dampf, denn kann wieder wat draus werden. Et kommt immer uff die richtige Behandlung an. Und uff det jute Vorbild! Ick bin ja nu eenjanz vorbildlicher Betrieb ... denn ick loofe niemals leer ... Kunststück - ick hab ja och keen Wasserkopp über mir. Rentabel bin ick selbstmurmelnd, denn wat ick rinstecke, hol ick unter Jarantie wieder raus. Bloß mit die Erhöhung von meine Arbeitsprojektivität sehe ick duster: Wie soll ick mehr Lumpen von die Leute kriegen, wenn die Stoffe besser wem? Det muß ick mal klar aussprechen. Sehn Se, det is eben der jroße Vorteil von die Dia ... Dia ... na, Sie wissen schon, also wo wir Theoretiker sagen ... Dia ... und ooch schon inne Urjemeinschaft wie ja sojar Bebel ... oder Hegel?Also: die Dia - det is, wenn et nich bloß im Kreise jeht, sondern imma mitm Wuppdich ... und der Vorteil von diese Dia ... Dia ... Na, lassen Se man, ick wer' mir populär ausdrücken Fremdwörter sind nichjedermanns Sache, also, der Vorteil von die Wissenschaftlichkeit, der is, det wa die Lumpen unterscheiden lernen injroße und in kleene Lumpen und det wa se rechtzeitig erkenn'. Wenn et mir nach jeht, denn könn' sich die jroßen Lumpen jratulieren: ick laß ma von die nich 'n drittet Mal inwickeln, diesmal sorg ick mit dafür, det se injesteckt wem! (Nach längerem Überlegen) ... Aba wo nehm ick so ville Säcke her?
61
-weg!«~~
Was des Volkes Hände schaffen
62
Hansgeorg Stengel
atzta ••
In der kleinen Stadt gibt es drei Arzte: einen Zahnarzt, einen Ohrenarzt und einen praktischen, der mit dieser Erzählung nicht das geringste zu tun hat, da er soeben wieder die Tür zum Wartezimmer öffnet und ausruft: »Der Nächste bitte ... « Anders der Zahnarzt. Anders der Ohrenarzt. Der Zahnarzt hat Ohrenschmerzen, unterbricht seine Sprechstunde, hängt an der Vorsaaltür ein Pappschild auf (»,Bin gleich zurück! «) und geht zum Ohrenarzt. Der Ohrenarzt hat Zahnschmerzen, unterbricht seine Sprechstunde, hängt an der Vorsaaltür ein Pappschild auf (»Bin gleich zurück!«) und geht zum Zahnarzt. Der Zahnarzt nimmt im Wartezimmer des Ohrenarztes, der Ohrenarzt im Wartezimmer des Zahnarztes Platz, denn der Zahnarzt hat Ohren- und der Ohrenarzt Zahnschmerzen. Und jetzt: Die Patienten im Warte....- ,,.-.-,..; zimmer des Zahnarztes, darunter der Ohrenarzt, werden unruhig. Die Patienten im Wartezimmer des Ohrenarztes, darunter der Zahnarzt, werden unruhig. Nach zwei Stunden vergeblichen Wartens fängt einer im Wartezim))Sie, das werden wir mer des Zahnarztes an zu meckern: »Schlamperei heute wieIhnen abgewöhnen, der! Stundenlang rumsitzen! Dabei hat man doch keine Zeit. durch Plakatieren unser Und man hat Zahnschmerzen und schließlich ein menschliches schönes Straßenbild zu Recht und einen Krankenschein, daß man drankommt ... !«Die verschandeln!<< anderen Patienten nicken mit den Köpfen (mit den eigenen). Eine alte Frau sagt: »Und beim Ohrenarzt, wo ich eben mit meinen Ohren gewesen bin, sitzen sie auch herum und schimpfen, weil keiner reinkommt und man nicht drankommt ... !« Das ist nun wirklich eine tolle Geschichte! Beim Ohrenarzt passiert nämlich zufällig zu gleicher Zeit das entsprechende. Ja -wenn jemand von den Patienten den Zahnarzt und den Oh-
...
t
,.
63
Was des Volkes Hände schaffen
renarzt persönlich gekannt h~tte! Es wäre alles anders gekommen, weil die alten Frauen (die eine mit den Ohren und die andere mit den Zähnen) schon vor einer Stunde zum Ohrenarzt bzw. Zahnarzt gesagt hätten: »Ach, da sitzen Sie ja, Herr Doktor! Deshalb also! « Wie die Schimpferei immer mehr auf Touren kommt, werden der Ohrenarzt und der Zahnarzt stutzig, und es geht ihnen ein Licht auf, weil sie akademisch gebildet sind. Sie stehlen sich auf leisen Sohlen aus den Wartezimmern und stürmen in Richtung ihrer jeweiligen eigenen Praxis. Nun könnte es man so machen wie Jo Hanns Rößler in seiner Geschichte mit dem Fahrstuhl und die beiden Ärzte bis zum Einbruch der Dämmerung hartnäckig an sich vorüberlaufen lassen. Wem wäre aber damit gedient? Dem Zahnarzt mit den Ohrenschmerzen? Dem Ohrenarzt mit den Zahnschmerzen? Den wartenden Patienten? Zahnarzt und Ohrenarzt laufen also mitnichten an sich vorüber, sondern treffen sich genau auf halber Strecke. So ist es recht, und so trägt es sich in Wirklichkeit zu, und es bleibt nur die große Frage: Wer geht zuerst mit zu wem?
»Sollen mich alle! « dachte der Bauer, der sein Soll erfüllen sollte. »Erst komme ich und dann die anderen.« »Sollen mich alle! « dachte der Arbeiter, der sein Soll erfüllen sollte. »Ich lege mich lieber hin. « Und keiner erreichte sein Soll. Der Arbeiter bekam nichts zu essen und der Bauer keine Maschinen. »Sollte das mit dem Soll zusammenhängen?« dachten sie, nachdenklich geworden. Da kamen beide zu demselben Schluß und machten einen Anfang.
.
Eine Dresdner Straßenbahnschaffnerih beginnt mit der Fahrscheinkontrolle. Eine Frau sucht aufgeregt in ihrer Tasche. »Was suchen Sie denn?« fragt die Schaffnerin;;' »Meine Fleischzuteilung. Wissen Sie ich hatte die in meinen Straßen.bahnfahrschefu eingewickelt, und nun muß sie doch durch das Knip.sloch gefallen sein.« .
.
-~-
-
1
.
-
.
I
64
Was des Volkes Hände schaffen
Richard Drews
Kollegen, sagte mir der Kollege Klinger, sind Glückssache. Genau wie Bräute. Man kann furchtbares Pech haben. Es gibt reizende Kollegen, aber es gibt auch Widerlinge. Es gibt Kollegen, die nicht nur den Arbeitsraum, die auch die Brötchen mit einem teilen. Und Freud und Leid. Aber es gibt Kollegen, die alles für sich behalten. Sogar ihre Meinung. Es gibt, so sagte mir Kollege Klinger, indem er in seiner Zerstreutheit eines meiner Brötchen verzehrte, ohne daß ich's ihm angeboten hatte, es gibt Kollegen, die alles hinnehmen, und andere, die gar nichts hergeben. Die Hinnehmer nehmen die Welt, den Chef, das Büro hin wie Einrichtungen, an denen Hach, man hat zu tun; die ganze man nichts ändern kann; sie sind stille Dulder, ledig Arbeit bleibt wieder liegen. jedes aktivistischen Geistes. Ich, sagte Klinger, nehme lange nicht alles hin; vorige Woche habe ich erst wieder über Sparsamkeit am falschen Ort gemeckert und Büroklammern angefordert, an denen wir besonders klamm sind. Krach habe ich geschlagen. Übrigens brauchen wir Leim. Man kann aber, sagte Klinger, indem er seine Stimme auf volle Lautstärke einstellte, sie aber sofort dämpfte, als sich der Chef hinter der Glastür zeigte, die Kollegen auch in Lautsprecher und Leisetreter einteilen. Leisetreter tragen Sohlen, die sich bei jedem Schritt entschuldigen, daß sie überhaupt vorhanden sind. Die Lautsprecher sind beinahe noch unangenehmer. Es gibt, sagte Klinger, indem er seinen Redebach zu einem Redefluß erweiterte, schwatzhafte und schweigsame Kollegen. Die Schwatzhaften sind einfach unangenehm. Sie erzählen einem unaufgefordert ihre Lebensgeschichte auf Stottern, als ob es sich um einen spannenden Fortsetzungsroman handelte. Sie erzählen von ihrer Frau, ihrer Freundin, ihrem Paddelboot, ihren Lieblingszigarren, ihrem Kriegsdienst, ihrem Regenschirm und wie man Rotweinflecke aus weißen Tischdecken entfemt. Man kennt ihren Kohlenvorrat, ihre Abneigung gegen Himbeersoße, ihre Zuneigung zu Tischtennis. Die Schweigsamen, zu denen ich mich zähle, sprechen selten, und wenn sie sprechen, sehen sie nicht von ihrer Arbeit auf. Sie arbeiten ihr Pensum herunter und machen mitunter mehr als ihr Pensum. Sie sind die geborenen Aktivisten; das wenige, was sie sagen, ist fortschrittlichen Geistes und dient der
65
Was des Volkes Hände schaffen
>>Du, Otto, ick gloobe, wir haben die falsche Fassade abgerissen!<<
Weiterentwicklung des Betriebes. Ekelhaft sind dagegen, sagte Klinger, indem er aufstand und ein von ihm vorbereitetes Schild mit der Aufschrift »Bitte herein, wenn Sie nicht hinauswollen!« an der Tür befestigte, ekelhaft sind die ewig Betriebsamen, die vor lauter Betriebsamkeit nicht zum Arbeiten kommen. Ubrigens, sagte Klinger, ich muß mal eben zum Bürochef; er hat mir Kohlen versprochen; ich gehe anschließend dann gleich zu Fräulein Lapsky; sie soll sich verlobt haben. Ich kann wohl in Ihrem Namen gleich gratulieren, wie? Ja, und um eins bin ich bei Stempelmann; ich brauche eine Anweisung für Schreibpapier. Anschließend muß ich mir Theaterkarten besorgen. Und dann auf einen Sprung zu Liebenau hinüber; Frau Liebenau hat einen Jungen bekommen. Sie sind so gut und achten inzwischen aufs Telefon? Rach, hat man zu tun; die ganze andere Arbeit bleibt wieder liegen. Na, Mahlzeit, helf er sich! ••
Was des Volkes Hände schaffen
66
Bernd Waltenberg
e worar oit »Steh auf und geh ins Büro, es ist sieben Uhr«, sagte meine Frau. Draußen graute es, und mir graute drinnen. Ich zog schnell die Decke wieder über den Kopf und maulte: »Nein, heute nicht, laßt mich zufrieden.« Nun packte sie den einen Zipfel, aber ein bißchen kräftiger bin ich ja nun doch. So ging es also nicht. Ich hörte sie aus meinem Kissenunterstand heraus noch etwas Kräftiges murmeln, dann die Tür hart zuschlagen, und es war wieder ganz still. Nicht lange allerdings, dann kam der Nachbar von links, der etwas schwerhörige ehemalige Bankpräsident, und der von rechts, der ehemalige Versicherungsdirektor, und der von geraderüber, der ehemalige Angestellte aus dem Luftfahrtministerium. Alle noch im Schlafanzug, einen dicken Schal Wir zwangen den Vorsteher, unsere um den Hals geschlungen und den Mantel eng um Resolution vom Vormittag aus dem die Taille gewickelt. Ihre Stimmung war sehr Papierkorb zu suchen. schlecht. Sie setzten sich um mein Bett herum und betrachteten mich böse, denn ich war mit einem Auge herausgekrochen und hatte sie begrüßt. »Wrr haben einen Ausschuß gebildet zwecks Untersuchung, ob Sie wirklich berechtigt sind, im Bett liegenbleiben zu dürfen. Sie sind der einzige hier in der Straße, der noch vital genug ist, um die Strapazen eines normalen Werktages zu überleben«, näselte der Direktor. »Also los, gehen Sie an die Arbeit, Sie können doch nicht die ganze Gegend blamieren.« Ich schüttelte zwar noch ostentativ den Kopf, aber sie stimmten schon ab. Da ich mich eisern meiner Stimme enthielt, beschlossen sie einstimmig, daß ich mich auf den Weg zu machen habe. Was blieb mir als Demokraten anderes übrig. Ich stand auf, machte mich fertig und verschwand. Ohne einen Ton zu sagen. In der Tür hörte ich nur noch den Schwerhörigen laut fragen: »Was hat er wieder gemeckert?« Es war acht Uhr, als ich am Bahnhof landete. Eine ganze Traube von Menschen stand am Fahrkartenschalter. »Nein«, sagte ich mir, »so geht das ja nun nicht«, und überredete vier, die hinter mir standen, dazu, einen Untersuchungsausschuß zu gründen, um zu ermitteln, warum es so viel waren. Um zehn hatten wir es heraus. Es lag an der hohen Zahl derer, die fahren wollten. Aber inzwischen war der Zug vondannen gerauscht, und wir warteten auf den nächsten. Es begann lieblich zu reg-
Was des Volkes Hände scha f.fen
nen, das Dach des Bahnhofs war recht undicht, meine Schuhe auch, und so wurde ich von unten und von oben gleichzeitig eingeweicht. Darum machte ich mich hart und schimpfte auf die tollen Zustände. Gleich waren sechs, sieben Mann meiner Meinung, und da wir doch warten mußten, entsandten wir eine Delegation an den Bahnhofsvorsteher, diese schandbaren Zustände sofort abzustellen. Wobei wir offen ließen, ob mit den »Zuständen« die durchlöcherten Sohlen, das Bahnhofsdach oder der Regen an sich gemeint war. So wurde es zwölf Uhr. Der Bahnhofsvorsteher sagte uns in verbindlicher Form Abstellung sämtlicher Mängel in kürzester Zeit zu, wenn sämtliche Materialien zur Behebung der Schäden in noch kürzerer Zeit herangekommen sein würden, nahm unsere Resolution entgegen und schüttelte uns allen die Hände. Dann verstaute er uns in den eben einfahrenden Zug. Der ruckte kurz an, schüttelte sich ein paarmal wie ein krankes Roß, stieß zweimal kurz nach vom wie ein Bock und blieb stehen. Das alte Mütterchen neben mir hatte seinen Schirm zugeklappt und hielt ihn so geschickt, daß kein Tropfen des ablaufenden Wassers auf den Boden, sondern alles von oben in meine Stiefel lief. Das war entschieden eine ganz neue Nuance. Aber nach zweieinhalb Stunden im Regen gab das Wagendach ein wenig nach, so daß das liebe alte Mütterchen seinen Schirm lieber wieder aufspannte. Nun lief mir das Wasser in den Halskragen hinein und meine Geduld über. Um drei Uhr waren wir halb ersäuft wieder beim Bahnhofsvorsteher und bildeten einen Sicherheitsrat. Es ging recht stürmisch her und wir tagten bis gegen vier Uhr. Dann zwangen wir den Vorsteher, unsere Resolution vom Vormittag wieder aus dem Papierkorb hervorzusuchen, und auf der Rückseite schilderten wir in krassen Farben die Mißstände, die beseitigen zu lassen er gleichfalls versprach. Nun unterschrieben wir alle eine feierliche Protestnote an die Reichsbahndirektion, das heißt, die anderen unterschrieben. Ich konnte nicht, weil mir jemand im Gedränge meinen Füllfederhalter und meinen Drehbleistift gestohlen hatte. Dafür fand ich aber einen Zettel in der Tasche mit der Aufschrift: »Stecken Sie sich ein andermal gefälligst eine Brieftasche ein, Sie Gauner.« Nun war ich aber froh, denn auf dem Wisch waren ja bestimmt Fingerabdrücke, und vielleicht konnten die Graphologen auch durch Schriftdeutung den Dieb ermitteln. Schnurstracks eilte ich, den Zug im Stich lassend, zur Polizei. Als ich spät abends nach Hause kam, hatte ich einen recht anstrengenden Arbeitstag hinter mir.
67
68
•
Was des Volkes Hände schaffen
Hansgeorg Stengel
Es war einmal ein Inseratenbaum
Wissen Sie, was die Hauptsache ist? Nein? Dann erzählen Sie mal einem guten Bekannten auf der Straße, im HO-Kaufhaus oder sonstwo irgend etwas über Ihren Gesundheitszustand. Der gute Bekannte wird Ihnen selbstverständlich sagen, was die Hauptsache ist. Bei mir war das so: 24. April 1949. Ich: »Mir geht es blendend! Ich strotze vor Gesundheit! Könnte Bäume ausreißen!« Der Bekannte: »Na, das ist ja die Hauptsache! « 9. Mai 1949. Ich: »Ich kann nicht klagen. Die Beine wollen nicht mehr recht. Aber sonst geht es mir gesundheitlich toi, toi, toi! « Der Bekannte: »Na, das ist ja die Hauptsache!« 13. Juni 1949. Ich: »Na ja, man muß zufrieden sein! Die Beine machen mir halt Kummer, und die Galle spuckt seit vorgestern auch, na ja. Sonst geht es mir leidlich!« Der Bekannte: »Na, das ist ja die Hauptsache!« 21. Juli 1949. Ich: »Man ist so eine geplagte Kreatur! Die Beine, die Galle, das Herz! Meinen Humor habe ich wenigstens noch!« Der Bekannte: »Na, das ist ja die Hauptsache!« 14. August 1949. Ich: »Mit mir ist es Essig! Meine Krankheiten kann ich gar nicht mehr aufzählen! Die Beine, die Galle, das Herz, der Magen, die Leber, die Zähne, der Schnupfen usw. Wie? Nein, Haarausfall noch nicht!« Der Bekannte: »Na, das ist ja die Hauptsache!« 30. September 1949: Ich: »Morgen muß ich ins Krankenhaus! Schwere Operation, hat der Arzt gesagt! Ja, mein lieber, kann mir das Leben kosten! Ein Glück, daß ich keine Familie habe!« Der Bekannte: »Na, das ist ja die Hauptsache!« Oktober 1949. Meine Beerdigung fand heute früh auf dem Nordfriedhof statt. Es war sehr würdig. Mein Bekannter konnte wegen einer Sitzung selbst nicht zugegen sein. Da ich keine Hinterbliebenen zurücklasse, vermachte ich mein Grundstück mit Garten und Mobiliar sowie 211,80 DM in bar meinem Bekannten. Der Bekannte: »Na, das ist ja die Hauptsache!«
70
•
Heißer Sommer
Erwin F. B. Albrecht
s war oi1t 01t1tta llar """ o ~H Behaglich reckte sich der Redakteur Paul Klaffke im Liegestuhl. »Ist diese Ruhe nicht wunderbar, Lottemaus? « »Himmlisch«, sagte Lottemaus aus dem Nebenstuhl. »Sollst mal sehen, Paulematz, wie das deine Nerven beruhigt.« »Merke ich jetzt schon«, meinte der Gatte. »Es war wirklich ein herrlicher Gedanke von dir, uns hier am Stadtrand 'ne Laube zu pachten. Man ist nicht so weit von Hause weg und doch in der freien Natur. Ich merke schon fast nichts mehr von meiner •• Uberarbeitung. Könnte glatt 'ne lyrische Lokalspitze schreiben, >Einkehr am ersten Feriensonntag< oder so ... « Er begann zu deklamieren: »Herrliche Lust der verdienten Entspannung, Wenn wir, entrückt dem Giganten Berlin Und dem zermalmenden Großstadtgetriebe, Friedlich verweilen bei dir, Mutter Grün! Köstliche Stunden erfrischender Ruhe -« »Huhu!« rief eine weibliche Stimme, die rasch näher kam, und abermals: »Huhn!« Dann tauchte hinter der Gartentür ein gelber Kapotthut mit einer Garnierung aus mehreren Portionen Kirschkompott auf - seit etwa zwanzig Jahren das besondere Kennzeichen Tante Annas, der gesprächigsten aller Tanten, die aus Pauls Verwandtschaft stammte. »Na, Kinder«, rief sie freudestrahlend, »ist das 'ne Überraschung? Ich hab mir schon gedacht, Paulchen, daß du vor Freude kein Wort herausbekommen würdest, hihihi, aber schön habt ihr's hier, Kinder, so mitten im Wald und in dieser himmlischen Ruhe, na, da werden wir uns mal so richtig ausplauschen können, ach, ich muß euch ja soviel erzählen, wir haben doch unseren Hauswirt verklagt, alle achtzehn Mieter zusammen, weil der Kerl nichts machen läßt.« Während Tante Anna Platz nahm und die Wohnungsschäden bei den einzelnen Mietern, zunächst im Vorderhaus, aufzuzählen begann, jagte auf der Straße unter rasendem Gekläff eine Art Besen auf Beinen heran, hinter dem nach einer Weile Oma und Opa Biedermann auftauchten, die Großeltern, die Lottemaus mit in die Ehe gebracht hatte. »Wir mußten uns doch mal ein
Heißer Sommer
71
bißchen um euch kümmern«, meinte Opa, und Oma fügte hinzu: »Und ein paar Radieschen wollten wir uns mitnehmen, die sind doch so gesund für Opan, und vielleicht 'n bißchen Schnittlauch.« Inzwischen schien der kläffende Besen die Radieschen bereits entdeckt zu haben. Mit einem frenetischen Freudengeheul jagte er um die Wohnlaube herum, so daß Tante Anna, die gerade bei den ersten Mietern des Seitenflügels angelangt war, ganz erschrocken aus dem Konzept kam. Frau Lotte kochte Kaffee, und der Hausherr holte Zigaretten und - mit einem kleinen Seufzer - die Kognakflasche herbei, da erschien vor dem Tor ein neuer Gast. »Ach herrje«, rief Tante Anna, »ist das nicht Onkel Arthur? Und anscheinend schon wieder angesäuselt?« Er war es. Unter dem Arm einige Weinflaschen, sang er mit markiger Stimme, wie immer in diesem Stadium, sein Lieblingslied: »Es war ein Sonntag hell und klar, als meine Tante mich gebar ... « Gleichzeitig näherte sich von der anderen Seite her eine Kapelle. »Um Gottes willen«, stöhnte Paul, der Redakteur, »wat denn nu noch!« Rasch kam die Erklärung: Der MusikzirOnkel Arthur sang die übrigen einkel aus Pauls Redaktion - 4 Gitarren, 8 Mandolihundertfünfzig Strophen seines nen und 2 Harmonikas - hatte es sich nicht nehLiedes, die wie die erste lauteten. men lassen, dem beliebten Kollegen an diesem ersten Feriensonntag einen kleinen Besuch abzustatten. Da sie mit ihren Instrumenten am Tisch keinen Platz mehr fanden, richteten sie sich auf der frisch gemähten Rasenfläche häuslich ein, und da sie wirklich sehr musikliebend waren, sorgte in den Spielpausen ein Koffergrammophon für die nötigen Tan• zwe1sen. Während der Redakteur, von zunehmender Nervosität befallen, in immer kürzeren Abständen nach der Uhr sah, schien es den Gästen ausgezeichnet zu gefallen. Ihre Lautstärke wuchs stündlich. Die Laienkünstler hatten eine neue Note entdeckt: sie spielten jetzt gemeinsam mit dem Koffergrammophon. Onkel Arthur lag in der Hängematte, trank Johannisbeerwein und sang die übrigen einhundertfünfzig Strophen seines Lieblingsliedes, die wie die erste lauteten. Tante Anna hatte den Faden wiedergefunden, war beim ersten Termin gegen den Hauswirt angelangt und sprach die Gerichtsszene hoch dramatisch mit verteilten Rollen. Am schweigsamsten verhielten sich noch Oma und Opa, die nach restloser Aberntung der Radieschen und des Schnittlauchs Sorge hatten, wie sie die vorhan-
72
Heißer Sommer
Die lieben Verwandten •
-
1
" .::, ' „.
~,~1~11 ~. . ,. ,~ ,.,: „„
~
~
.. .'. ...
,,..'•. .„ •. „ " • „.. ' . • ••. ./
\ \'
• • •
\
•\
,,„
'~
)
~'
'
„
~,··
~,,..,,-
__;; ....:::;--=--~Ä~ /F/,__
~~ ,~ ~ 1
t\~\\
'"
\
~
• 1
\
' '
Heißer Sommer
·
73
denen Bestände an Kopfsalat und grünen Stachelbeeren im Rucksack verstauen sollten. Der Hund Ajax dagegen ersetzte mit seinem Gekläff gut und gern den Lärm einer ganzen Meute. »Er spielt Mäuschen«, sagte Opa und sah von Zeit zu Zeit schmunzelnd zu, wie Ajax unter wütendem Gebell ganze Fuchshöhlen in die Blumenrabatten grub. Erst kurz vor Abgang des letzten Zuges, nachdem Lottemaus ihren Gästen den letzten Wurstzipfel und Paulematz die letzte Flasche Bier dargebracht hatten, brach das heitere Völkchen auf, freilich nicht ohne sich vorher mit dem vorhandenen Flieder geschmückt zu haben. Als letzte ging Tante Anna. »Na dann also auf Wiedersehen am nächsten Sonntag!« rief sie noch von weitem, und alle, alle stimmten ein: »Nächsten Sonntag, ihr Lieben! Nächsten Sonntag!« »Habt ihr euch gedacht«, knurrte Paulematz leise, »heute in acht Tagen fahre ich mit meiner Frau nach Berlin. Ich will sonntags meine Ruhe haben!« Dieses Vorhaben indessen sollte ein Vorhaben Keine Sorge, im Wanderzelt hast du bleiben, denn soeben bog aus der entgegengeset- mit deinem Frauchen bequem Platz. zen Richtung ein Auto um die Ecke. Auf dem Verdeck waren Koffer und ein riesiger Bettsack angeschnallt, am Heck des Wagens hing ein mehrsitziger Kinderwagen. Die Freude war groß, wenigstens auf Seiten der Ankömmlinge. »Gott sei Dank«, sagte Theodor, Pauls Studienfreund aus Rostock, während er seiner Frau und einer munteren Kinderschar aus dem Wagen half, »wir hatten nämlich 'ne Panne, sonst wären wir schon früher hier gewesen. Aber dafür sollt ihr uns auch volle vierzehn Tage haben, Paulus! Wenn schon, denn schon, was, alter Junge?« »Es wird nicht ganz einfach sein, euch alle unterzubringen«, wandte Paul mit unverhohlener Ironie ein, nachdem das Auto entladen und ein Überblick über die Kopfzahl der Familie möglich war. »Nur keine Sorge, lieber Junge«, beschwichtigte Theodor, »wir haben an alles gedacht, mein Alter, tim euch während unserer Ferien nicht zur Last zu fallen. Unter den Betten liegt unser Wanderzelt, da hast du mit deinem Frauchen bequem Platz drin! (( Der fassungslose Hausherr wurde einer Antwort durch neues Geschehen enthoben: Das Musikkorps an der Spitze, kamen Oma, Opa, Onkel Arthur, Tante Anna und der kläffende Besen Ajax vom Bahnhof zurück. Sie hatten den letzten Zug verpaßt.
74
Heißer Sommer
Fritz Bernhard
orta
al
»Vor allen Dingen werde ich mich in diesen vierzehn Tagen über nischt, aber auch über jar nischt ärjern«, hatte Brigadier Plüschke - auf dem Bau nur »Täve« genannt, weil er mit dem Vornamen Gustav hieß - hatte also Täve Plüschke laut verkündet, als er mit Mariechen in Flundershagen aus dem Bäderzug stieg. »Na wollen mal sehen«, hatte die kleine blonde Frau diplomatisch erwidert. Sie kannte das leicht entzündliche Temperament ihres Gatten. Aber einstweilen schien es wirklich, als •• solle es in den beiden Urlaubswochen ohne jeden Arger abgehen, der bei Täve schon fast zu einer lieben Gewohnheit geworden war. Die Sonne strahlte fast pausenlos, die Ostsee schien geheizt, die Unterkunft im einstigen Lustschlößchen einer Fürstenmätresse war tadellos und der Seeblick geWir werden der Kurverwaltung auf die radezu fürstlich. Nie wurden Plüschkes von Bude rücken. Der Mensch ist doch den so verbreiteten Strandkorbnassauern belästigt, und die Verpflegung war so gut und reichkeine Mortadellapelle ! lich, daß der in Magenfragen sehr kritische Kollege Plüschke des Lobes voll war. Wenigstens in den ersten drei Tagen. Am vierten Abend runzelte Täve vor der Aufschnittplatte ein wenig die Stirn, sagte aber noch nichts. Am fünften Abend meinte er beiläufig: »Sage mal, Mariechen - ob unser Heimleiter vielleicht 'n kleenen Komplex hat? Eenen Mortadellakomplex? Wenn ick nich irre, kriejen wir heute zum fünftenmal Mortadella vorjesetzt.« Er hatte recht gesehen. Auch heute wieder prangten die großen, rosaroten Scheiben mit den weißen Speckquadratchen in der Mitte der appetitlich angerichteten Platte. »Laß die Mortadella mir und iß den Käse«, sagte Mariechen. »Morgen hole ich dir ein bißchen harte Salami aus der HO.« »Det wäre wohl nichjanz im Sinne des Erfinders«, brummte Täve. »Wenn ick in Pension bin, bin ick in Pension.« Da die Kollegen, mit denen sie am Tisch saßen, seine Meinung teilten, rückte Plüschke noch am gleichen Abend dem Heimleiter aufs Büro. »Ihre Beanstandung ist nicht die erste, lieber Kollege«, nickte der Heimleiter trübsinnig, »aber machen Sie was, wenn die Schlächter von Flundershagen nichts anderes liefern! Da müßte die Kurverwaltung mal ein Machtwort sprechen. Ich kann ja noch mal telefonieren.«
Heißer Sommer
Die Kurverwaltung war schon geschlossen. Der Widerwille der Badegäste aber gegen die unvermeidliche Mortadella wuchs jetzt fast lawinenartig, denn es stellte sich heraus, daß auch die Nachbarheime und deren Nachbarheime von der Mortadellaplage befallen waren. Bald sprach man am Strand nur noch von der Einheitswurst, für die Täve Plüschke wegen ihres gleichbleibend wabbeligen Zustandes den Ausdruck »Feriensülze« geprägt hatte. Ein neuer Ausdruck bürgerte sich ein: »Haben Sie heute schon gemortadellat?« Ein Arzt begann nachts von einer neuen Krankheit zu phantasieren, der Mortadellatitis. Ein Musiker komponierte einen spanischen Marsch im Sechsachteltakt, frei nach »Am Manzanares«, mit dem Text: »Ü Mortadella, wer dich jeden Abend speist, der stirbt schnella.« Täve und Mariechen feierten ihr Bergfest, als in sämtlichen Häusern von Flundershagen die Heimleiter vor dem Abendessen überraschend kleine, humorgewürzte Ansprachen hielten, in denen sie mit Stolz darauf hinwiesen, daß die berechtigte Kritik der Badegäste soeben einen schönen Erfolg gezeitigt habe. Und wirklich, auf den Platten glänzte heute eine neue Wurstsorte, in kleineren, dafür zahlreicheren Scheiben. Täve langte zu, kaute und stutzte. »Nanu? Detistjajenau derselbe Geschmack, Mariechen!« »Jagdwurst«, nickte Mariechen bekümmert, »das is nämlich Mortadella mit Knoblauch. Ich werde dir morgen von der HO ... « »Kommt jar nich in Frage«, fuhr der Gatte ihr so laut in die Rede, daß der ganze Saal aufhorchte. »Wir werden der Kurverwaltung auf die Bude rücken, zum Donnerwetter nich nochmal! Der Mensch ist doch keene Mortadellapelle! Kollegen! Ich schlage vor, daß wir uns nachher im Lesezimmer mal überlej en, was wir in Sachen Feriensülze unternehmen wollen!« Am nächsten Vormittag begab sich ein Sprechchor in Bademänteln unter Führung von Täve vor die Kurverwaltung. »Der Knoblauch ändert nichts an dem Begehr - Wir wollen keine Mortadella mehr!« So erscholl es im Takt, bis der Leiter der Kurverwaltung auf dem Balkon erschien und lärmend Abhilfe versprach. Die Kurverwaltung tagte in Permanenz. Zweimal vierundzwanzig Stunden war das Gebäude für jeden Publikumsverkehr geschlossen. Am dritten Tag erging an die fleischverarbeitenden Betriebe von Flundershagen folgende Verfügung: » 1. Aufgrund wiederholter, berechtigter Beschwerden unserer Badegäste sind die bisherigen Wurstsorten >Mortadella< und >Jagdwurst< ab sofort nur noch in beschränktem Umfang her-
75
Genosse Schulze macht seine erste Seereise. Aus Sorge vor der Seekrankheit fragt er den Kapitän: »Was nimmt man denn bei hohem Seegang zu sich?« Der alte Seebär knurrt: »Was Billiges!«
76
Heißer Sommer
zustellen. Stattdessen ist die bisherige Sorte >JagdwurstGefüllten Schinken< bzw. >BierschinkenGefüllter Schinken
•
•
»Tahiti«, erzählt der Reisende, »ist der glücklichste Wmkel der Erde: unverändert schönes Wetter, und die Menschen dort haben nicht die geringsten Nahrungssorgen.« Da meint Tante Erna: »Das muß schrecklich sein in Tahiti, wenn man weder vom Wetter noch vom Essen reden kann.«
lERIT LAND UND IEllTE DER UNS BEFREUNDETll VÖLKER
KENNEN
• •
•
" .
•
.
'
.f---------<
>>Auf m · einen Sch I schon seit J h u tern hat m . a ren keenen Plat ein Badeanzug z mehr.<<
F::::;:--
0 n-.:-
K u·· 1l·Q , "
n:cht e i· n füllst D u ,,Gl}1 santin•• h=n A:n' l lY.t.• Sofort l ~ efc.rbar.
.u"Clill
..,
"""'-""~
f r!<') „~"" v.a.
L
it,
1
I
f
Otto Kirschmann K ....G. Hdlle (Saale), Rudoli·flaym-Straße 3.f. T elefon· • ? ~I\ 9"
~~~~~:.:.::·:.:.: · ~·
c.'GE~JIJ.... ,#17... "'
---"'" --
) I
=::::r:;r:::::
...., u V
,,.).
•
. ·
•
• •
• •
•
....~~ .. ·, •
•• •
•
•
•
•
• •
In der Ausflugsgaststätte: >>Herr Ober, was macht mein Bier, auf das ich schon 'ne halbe Stunde warte?<<>>Fünfzig Pfennig, mein Herr.<<
•
Heißer Sommer
78
Erich Hanko
•
'
Wie es in der Sächsischen Schweiz aussieht, ist allgemein bekannt. Ich will mich daher auf intime und rein persönliche Erlebnisse beschränken. DRESDEN: Gegen halb 12 Uhr mittags wurde ich vor dem Hauptpostamt von einem ziemlich großen Hund gebissen, und zwar ohne triftigen Grund. Anschließend wurden wir beide der Hund und ich - auf Tollwut untersucht. Bei dem Hund wurde keine festgestellt. Bei mir selbst war sich der Arzt nicht ganz im klaren. Er riet mir aber dringend, vier Wochen lang einen \ f "' Maulkorb zu tragen, da die Krankheit noch nach längerer Zeit ganz unvermittelt ausbrechen kann. Dadurch wurde meine Ferienstirn• mung etwas beeinträchtigt und das Zähneputzen ziemlich umständlich. BASTEI: Als ich oben war, fiel ich wieder runter, weil das Schutzgeländer, auf das ich mich stützte, brach. Ich mußte den ganzen Aufstieg noch einmal machen. Die Folge war ein Zeitverlust von zwei Stunden. Außerdem hatte ich auch Kreuzschmerzen. SCHANDAU: Beim Baden in der Elbe geriet ich mit dem Kopf in das Antriebsrad eines Dampfers, das dadurch beschädigt wurde. Der Kapitän drohte mir mit einer gerichtlichen Klage, da ich keinen Ersatz leisten konnte. In keinem der HO-Geschäfte Schandaus waren Räder für Elbdampfer aufzutreiben. Das kann ein teurer Spaß werden! Abends stolperte ich dann auch noch in dem dunklen Hotelgang über einen gefüllten Mülleimer und verlor dabei vier Zähne, das Bewußtsein und meinen Füllfederhalter. Wirklich etwas viel für einen Urlaubstag.
Heißer Sommer
79
KÖNIGSTEIN: Bei der Besichtigung fiel mir meine Armbanduhr in den großen Brunnen. Ich sprang natürlich sofort hinterher, da man ja auf der Urlaubsreise unbedingt eine Uhr braucht, hatte aber nicht daran gedacht, daß der Brunnen sehr tief ist (152 Meter). Das war auch der Grund dafür, daß ich nur teilweise wieder rausgeangelt werden konnte. Einige nicht unwichtige Körperteile blieben unten, darunter auch der Kopf. Aber den Maulkorb wurde ich bei dieser Gelegenheit zum Glück ebenfalls los. MEISSEN: Auch hier hatte ich Pech. Nach der Besichtigung der Porzellanmanufaktur aß ich Klöße, die sehr gut schmeckten, aber außerordentlich fest waren. Jedenfalls trat eine Verstopfung im Dannkanal auf, die nur durch einen operativen Eingriff beseitigt werden konnte. Da ich meinen Ausweis 1 h 1. fd C h df von der SVK nicht bei mir hatte, die Rechnung c. iege au . e~ ouc un reue ht 1 · h b ahl k t b hi lt mich, daß mir die Strapazen erspart · aber auch mc g eic ez en onn e, e e bl' b das Krankenhaus als Sicherheit meine Leber und ie en. Galle zurück, so daß ich mich über mein Mißgeschick nicht einmal ärgern konnte. Als ich nach Hause kam, kannten mich meine Verwandten und Bekannten gar nicht wieder, so gut hatte ich mich erholt. NACHTRAG: Verschiedene Leser werden sich darüber wundem, daß ich nach diesen Erlebnissen noch in der Lage bin, einen Reisebericht zu schreiben. Ihr Erstaunen ist vollkommen berechtigt, aber ich werde die Sache sofort klären. In der Eile habe ich nämlich vergessen, von meinem ersten Reiseerlebnis zu berichten, das ich gleich nach der Abfahrt hatte. Ich war knapp 20 Meter von meiner Wohnung weg, da riß die Kette meines Motorrades. Auch der Motor hatte keine Lust, in die Sächsische Schweiz zu fahren. Und als ich beim Reparieren aus Versehen das Getriebe berührte, fiel es auseinander. Angesichts dieser Ereignisse beschloß ich, ebenfalls zu Hause zu bleiben. Jetzt liege ich auf der Couch und freue mich, daß mjr die oben geschilderten Strapazen erspart blieben. Wenn ich mir vorstelle, wie ich heute aussehen würde, falls ich wirklich gefahren wäre, wird mir direkt schlecht. Mein Motorrad gebe ich bei der nächsten Schrottsammlung ab. Ich werde es aber immer in gutem Andenken behalten, weil es mich vor großem Ärger bewahrt hat und ich in diesen Tagen endlich dazu gekommen bin, meine kaputte Klingelleitung zu reparieren und die Türklinken zu ölen. Sie quietschten nämlich • immer.
80
Heißer Sommer
Lothar Kusche
OH Vorige Woche war endlich schönes Wetter, der Himmel war ganz blau; aber das wissen Sie ja selbst, daß der Himmel blau ist. Also ich ging mit Lucie paddeln. Um 10 Uhr früh- früh ist gut, wie? - waren wir draußen; wir holten das Boot aus dem Schuppen und stellten es auf zwei hölzerne Böcke. Das Boot ist auch aus Holz und ziemlich schwer. Ein Mann fragte, aus welchem Holz das Boot sei. Ich sagte: »Es ist aus Lavendelholz. « Da waren wir ihn los. Um halb zwölf waren wir mit dem Einpacken fertig. Das Boot enthielt nun: 1 Kokosmatte, 3 Decken, 4 Kissen, 1 Koffergrammophon, 4 kleinere Gläser mit Pudding, 1 großes Glas mit Kartoffelsalat, 1 Korb mit schwarzen Brötchen, 5 Bücher, davon zwei in Din-A-4Format, 1 leere Büchse zum Wasserschöpfen, 3 Lappen, 1 Bademantel, 1 Tasche mit Ausweisen, Papier, Bleistift und Geld, 2 Paddeln, 1 Igelitbeutel mit Hautkrem, Seife, Bürste und Kosmetika, 1 Spiegel, 1 Zeltbahn für den Fall 0 eines Regenschauers, 2 warme Trainingsanzüge für die Abendküh0 le, 2 Päckchen Knäckebrot, 1 rotledernen Picknick-Koffer mit je 2 Teelöffeln, Tellern, Tassen, Untertassen und Brotaufstrichdöslein aus grünem Bakelite (unlängst wollte mir jemand erzählen, Bakelite würde aus Käse hergestellt - aber wer soll denn das glauben), 1 Thermosflasche mit Pfefferminztee, 4 Flaschen Brause (2 Waldmeister, 1 Himbeer und eine gelbe mit nicht genau zu klassifizierendem Aroma). •
I I I
t
I
' , •
l l
t 1
•'
•
'
Heißer Sommer
Da war das Boot ziemlich schwer. Wir schoben es über den Rasen ins Wasser, was nicht ohne kleine Beschädigungen sowohl des Rasens wie auch des Bootes abging. Indessen blieb das Wasser unversehrt. Als Lucie sich dann hineingesetzt hatte, war für mich kein Platz mehr da; sie stieg aus, ich setzte mich hinein, da war für sie kein Platz. Schließlich mußte ich sie auf den Schoß nehmen. Hilfreiche Leute gaben dem Boot einen Schubs, und wir trieben auf den See hinaus. Nun paddeln Sie mal, wenn Sie die Arme nicht bewegen können. Lucie umklammerte mich teils liebevoll, teils furchtsam. Ich schwitzte wahnsinnig, ich konnte mir doch die Jacke nicht ausziehen. Um halb eins kam mir die Idee, daß wir erst mal alles aufessen müßten, damit wir Platz bekämen. Gegen drei Uhr war alles verzehrt. Ich war beim Essen ein paarmal ins Wasser gefallen. Na. Als Lucie dann endlich vor mir statt auf mir saß, sagte sie: »So. Und jetzt spielen wir Grammophon!« - »Äm«, sagte ich scheinheilig, »ich habe die Grammophonnadeln vergessen.« Es war ein Trick von mir. Ich kann Koffergrammophone nicht ertragen. Die Hölle, das sind die andern - sagt Sartre. Ich bin eigentlich der Meinung, daß die Koffergrammophone auf dem Wannsee die Hölle sind. »Na«, sagte Lucie, »wenn du die Nadeln vergessen hast, dann singe ich eben!« Hätte ich das nur geahnt! Sie kann doch nicht singen, die Gute. Es war ein Triumph des Willens, als sie sang. Gegen Abend merkte ich, daß wir beim Draufsetzen die Paddeln zerbrochen hatten. Lucie sang immer noch. Es war grauenhaft. »Wir müssen nach Hause«, sagte ich. »Erst müssen wir noch den Kartoffelsalat aufessen«, sagte sie. Mein Gott, es war immer noch Kartoffelsalat in dem großen Glas, sieben Liter etwa, schätzte ich. Was sollte ich schon machen? Ich sprang ins Wasser und schwamm nach Hause. Vermutlich ist Lucie noch auf dem Wannsee. Sie ist ja so geduldig. Zudem kann sie sich von dem Teufelssalat noch wochenlang mit Leichtigkeit ernähren.
81
82
Heißer Sommer
Jo Schulz
Das Wandern ist Herm Müllers Lust aus Gründen der Entschlackung wie quillt der Bauch, wie schwillt die Brust in bayrischer Verpackung. Am Sonntagmorgen zieht er aus zu seines Leibes Rettung und meidet jedes Speisehaus im Zuge der Entfettung. >>Ich habe Ihnen eine Zeitung dagelassen ... <<
\
„
„
Stolz strampelt er acht Stunden lang mit Braut und praller Bürde im liebgewohnten Trampelgang, strammheiter, doch mit Würde. Am Sonntagabend sehen wir den Wandrer heimwärts hinken; stark abgenommen hat das Bier im Rucksack, auch der Schinken.
Beim Wandern denkt Herr Müller froh: Der schönste Tag ist Montag! Ab Montag sitzt er im Büro und macht sechs Tage Schontag.
I
Höher, schneller, weiter
84
Erich Hanko
OHDer Sport ist eine verhältnismäßig junge Bewegung. Adam hat noch keinen Sport getrieben. Er hat nur ein bißchen mit Äpfeln gespielt, und das ist ihm gar nicht gut bekommen. Eva übrigens auch nicht. Von einem bewußten und planmäßigen Sportbetrieb konnte jedenfalls noch nicht die Rede sem. Auch von anderen bekannten Persönlichkeiten der Weltgeschichte ist wenig Sportliches zu berichten. Julius Cäsar hat in seiner dienstfreien Zeit nie Ping-Pong gespielt, und Napoleon war nachweislich nie Mitglied eines Kegelklubs, obwohl das für die Weltgeschichte vielleicht besser gewesen wäre. Unsere Großmütter haben noch nicht gehulahupt, und das war sehr vernünftig von ihnen, weil Großmütter für diese Sportart doch schon etwas zu gesetzt sind. Großväter natürlich auch. Aber Skat haben sie gespielt, und Sechsundsechist ja auch schon etwas. Manche zig, und das Hat man zu kurze Beine, muß man lehnen es allerdings ab, Kartenspiele als KörLaufsport betreiben und so lange persport zu betrachten. rennen, bis die Beine die gewünschte Aber wenn man einmal erlebt hat, mit welcher Länge erreicht haben. Muskelkraft die entscheidenden Trümpfe auf den Tisch geknallt werden, dann sieht man ein, wie falsch dieser Standpunkt ist. Zweck jeder sportlichen Betätigung ist es, die körperliche Leistungsfähigkeit zu steigern. Ehe man mit dem Sport anfängt, sollte man daher seine Körperteile genau betrachten und feststellen, welcher Teil die meiste Betätigung braucht. Leidet zum Beispiel jemand an sehr dünnen Armen, dann muß er eben Gewichte heben oder Kugeln stoßen. Je dünner die Arme sind, um so schwerer müssen die Gewichte sein, damit der richtige Ausgleich erzielt wird. Sind die Arme dann dikker geworden, so kann man mit dem Heben ruhig etwas nachlassen, bis man zuletzt nur noch hin und wieder einen hebt. Hat man zu kurze Beine, muß man Laufsport betreiben und so lange rennen, bis die Beine die gewünschte Länge erreicht haben. Aber nicht länger, sonst sieht es unschön aus. Daher kommt auch der Ausdruck »jemandem Beine machen«. Wer ein schwaches Gehirn hat, soll Denksport treiben. Aber auch hierin sollte man Maß halten und im richtigen Moment wieder aufhören, sonst wird das Gehirn zu groß und unför-
85
Höher, schneller, weiter
Spitzensportler beim Ausgleichssporl
„; •_.;
~ -
•
•• •
•
.
•
. ·r
.
. ...__ ,; . . ../
I
•
•
•. •
•
„
'
• ••
•
••
• • •
-
.- .
'
. ·--' - - ...
..........
..... -
-·
....
•
....
•
;
•
mig. So muß jeder mit großer Sorgfalt die Sportart auswählen, die er gerade braucht. Besonders beliebt ist in letzter Zeit der Radrennsport geworden, und wir besinnen uns plötzlich darauf, daß ja auch in unserem Schuppen in irgendeiner Ecke das Veloziped aus der Erbschaft von Onkel Otto stehen muß, das man durchaus mal wieder in Bewegung setzen könnte. Hier ist Vorsicht geboten. Das Modell darf nicht so bejahrt sein, daß sich andere Verkehrsteilnehmer oder Tiere davor erschrecken. Dann sollte man auch unbedingt darauf achten, daß man immer die nötigen Ersatzteile bei sich hat, also in erster Linie drei oder vier Luftpumpen. Eine genügt nicht, denn auch Luftpumpen können versagen. Noch wichtiger sind Ersatzbirnen. Nicht nur für den Fall, daß man mit dem Kopf auf das harte Pflaster knallt. Wenn die Dunkelheit hereinbricht, müssen Fahrräder nämlich beleuchtet sein, sonst wird man von der Verkehrspolizei aufgeschrieben. Oder man muß das Rad schieben. Und das ist dann kein Sport mehr. Das schaffen ja sogar Leute, die gar nicht radfahren können.
Höher, schneller, weiter
86 Jo Hanns Rösler
'IH
»Mein Vater war sehr froh, als er herausfand, daß du Schachspieler bist.« »Wirklich?« »Ja, als nämlich mein letzter Verehrer mir einen Heiratsantrag machte und mein Vater ihn hinausbefördern · wollte, stellte sich heraus, daß er Boxer war!«
' OHI "•
' p10
Helene machte einen letzten Versuch. »Jeden Abend?« »Jeden Abend, Helene!« »Mußt du so oft schachspielen, Eduard?« »Es ist ein königliches Spiel!« »Wo wir erst drei Wochen verlobt sind, Eduard!« Er legte seinen Arm um sie. »Du mußt mit eine Zerstreuung gönnen, Helene!« »Du hast doch mich!« »Wir können uns nicht immer küssen« »Wir können uns unterhalten.« »Dann haben wir uns bald nichts mehr zu sagen.« Helene kam gegen seine Leidenschaft nicht auf. »Was soll ich nur tun, Liebster?« »Lern auch schachspielen! « Was tut ein junges Mädchen nicht alles aus Liebe? Helene trat einem Schachklub bei. Man gab ihr einen reizenden Partner. »Wollen Sie eröffnen?« fragte der Partner. Helene eröffnete. Nach drei Zügen ... »Schach der Dame!« »Zu dumm!« »Schach dem König!« rief Helene. »Matt?« »Es sieht so aus«, sagte Helene Der reizende Partner raufte sich das volle Haar. »Ich werde dieses dumme Spiel nie erlernen!« »Warum spielen Sie es denn?« Der reizende Partner gestand verlegen: »Ich bin verlobt.« »Und?« »Meine Braut ist eine leidenschaftliche Schachspielerin.« Helene lächelte: »Genau wie bei mir. Ich bin auch verlobt. Mit einem Schachspieler.« »Ein Narr! Wenn ich an seiner Stelle wäre ... « »Nun?« »Ich würde an ganz andere Dinge denken.« Er errötete. Helene nicht minder. Aber sie sagte noch schnell: »Wenn ich Ihre Braut wäre, würde ich auch an ganz andere Dinge denken ... «
87
Höher, schneller, weiter
Sie hätte es nicht sagen sollen! Aber kann man gegen das Schicksal? Als sie sich nach langem Küssen trennten, fragte Helene: »Wie soll ich es meinem Verlobten sagen?« »Daß du dich von ihm trennst?« »Ja.« Er nahm aus seiner Tasche eine Karte. »Gib ihm dies!« »Was ist das?« »Die Adresse meiner Braut.<< »Was soll er mit ihr?« Er zog sie in seine Arme. »Schachspielen, während wir heiraten!«
I
I
I
Der bekannte Schachmeister gedachte seine langjährige Hausdame zu heiraten und machte ihr seinen Antrag mit den Worten: »Ich sage Ihnen persönlich >gardez<. Wollen Sie sich opfem oder wegziehen?« .
ein herrliches Spiel, und bestimmt bedauern Sie es, nicht selbst hier als Zuschauer zu sitzen!<< >>. • •
J
t;~t
Hol!z
Ein Hoch auf die Vereinsstandarte der Knöselbacher Kegelsparte. Und sind auch schon die Motten drin, wir geben alles für sie hin! Wir sind auf sie besonders stolz! Gut Holz! Günter Gregor
.
11-otz BSG sind wir die alten, die immer noch die Stange halten. Wrr saufen fröhlich, fromm und frisch noch jeden Gegner untern Tisch, und das ist unser größter Stolz! Gut Holz!
Höher, schneller, weiter
88
Hansgeorg Stengel
Dia Raelca das Ein Beitrag zur Rettung der deutschen Sprache Schon häufig hatte der bekannte Meisterläufer nach seinen in aller Welt Bewunderung und Aufsehen erregenden Erfolgen Sportzeitungsartikel gelesen, in denen er »sich selbst übertroffen« hatte. Sich selbst übertroffen - das war die Grenze menschlicher Leistungsfähigkeit, die Krönung sportlichen Ehrgeizes, das Hohelied spartanischer Körperbeherrschung und der Bankrott aller Bemühungen zur Pflege des deutschen Sprachschatzes. Der Meisterläufer versank in seinen Klubsessel und in Da geschah das Unerhört, das ein tiefes Grübeln. Seine Blicke durchkreuzten das unUnfaßliche, das Unheimliche: geheizte (wir haben Sommer) Wohnzimmer, dessen Der Meisterläufer überholte Wände mit Lorbeerkränzen, sportlichen Urkunden und sich selbst. anerkennenden Schreiben tapeziert waren. Marksteine unvergleichlichen Ruhms! Der Meisterläufer, wie gesagt, grübelte. Wie oft eigentlich schon hatte er sich selbst übertroffen? Es war ein harter, dornenvoller Weg: Sich treffen, sich selbst treffen, sich übertreffen, sich selbst übertreffen - vier Etappen einer gegipfelten Erfolgsbilanz! Und der Gipfel sollte gleichsam der Schlußakkord der Rhapsodie seiner sportlichen Laufbahn sein? Der Meisterläufer fuhr in die Höhe. Nein - höher ging's nimmer. Er hatte sich selbst übertroffen. Aus. Aus? Als die Frau des Meisterläufers das Wohnzimmer betrat, um ihn an seinen auf 15 Uhr festgesetzten Start im 800-MeterLauf zu erinnern, sah sie ihren Mann mit verklärtem Antlitz auf der Dampfheizung hocken. Hatte der Meisterläufer eine Idee? Er hatte eine ... Das siebenköpfige Feld der 800-Meter-Läufer, darunter der Meisterläufer, startete pünktlich um 15 Uhr in der Nordkurve der Aschenbahn des buntbewimpelten Albin-Krause-Stadions. Zwei Runden waren zu laufen. Eine nicht zu überbietende Spannung bemächtigte sich der 168 419 Zuschauer, als die Läufer mit dem Startschuß wie Blitze aus den Lächern fegten und gleich einer Meute gehetzter Hunde in die erste Runde gingen. Kaum zweihundert Meter waren zurückgelegt, als sich der Meisterläufer mit raumgreifenden Schritten an die Spitze
89
Höher, schneller, weiter
der Hunde - nein: an die Spitze des Feldes setzte und ohne dort sitzenzubleiben, die Konkurrenten Meter um Meter distanzierte. Immer größer wurde der Führungsabstand des Meisterläufers, und immer mehr beschleunigte er sein Tempo. Die erste Runde war gelaufen - noch vierhundert Meter, noch dreihundertfünfzig, noch dreihundert ... Der Meisterläufer raste, wirbelte, flog dahin - und da geschah das Unerhörte, das Unfaßliche, das Unheimliche: Der Meisterläufer überholte sich selbst! Wie er der Abstand zwischen sich selbst Zug um Zug, Bein um Bein, Brustbreite um Brustbreite verringerte, sich allmählich von der rechten Seite aus an sich selbst heranpirschte und unter dem tosenden Jubel des Stadions schließlich mühelos an sich vorJ überbrauste - das war das unglaublichste und wunderbarste Ereignis in der Geschichte der deutschen Leichtathletik! Und nicht genug damit! Der Meisterläufer deklassierte sich selbst im Endspurt in einer Weise, die dem um wenigstens hundert Meter zurückliegenden Feld sowohl den Atem als auch die Lust am Weiterlaufen nahm. Ohne eine Spur von Erschöpfung zerschnitt der Meisterläufer mit dreißig Meter Abstand vor sich selbst das Zielband, um die Huldigungen seiner begeisterten Anhänger entgegenzunehmen. Auch er selbst wurde nach seinem Eintreffen am Ziel mit Glückwünschen buchstäblich überschüttet. Die Sportzeitungen fanden die phänomenale Begebenheit des Sonntags zu surrealistisch, um auch nur mit einer Silbe dazu Stellung zu nehmen, dieselben Sportzeitungen, die es seit je für realistisch hielten, wenn sich der Meisterläufer »selbst übertroffen« hatte. •
•
••
••
•
>>Na, ein ganz schöner Erfolg schon, was?«
•
INM.AGDEBUR GIAM 23+24JULI AK · FALTBOOT UND CAN SONNA&END DEN
',, ,. ' \ , ..
'2~
1 L
»Was macht denn Ihr Ältester, der sich im vorigen Jaht beim Fußballspielen das Bein gebrochen hat?« - »Er arbeitet in einer Leimfabrik.« - »Und, hält's denn jetzt?«
',, •
',
Höher, schneller, weiter
-
Richard Drews
oder: Auf die Plätze, fertig, los! 10 000 Lyriker rüsten zum Generalangriff auf die Redaktionen. Stichtag war der 21. März. Die Terminkalender liegen bereit, Füllhalter werden gereinigt, die Schreibmaschinengewehre in Stellung gebracht. Die Papierkörbe der Redaktionen werden vorsorglich durch größere ersetzt, aber das kann keinen braven Mann schrecken. Es muß etwas geschehen. Es geschieht auch etwas. 9 000 Lyriker haben dem Frühling ein Lied abgelauscht, in 8 000 Fällen wird es so oder ähnlich beginnen: Es lenzelt schon. Die Knospen schwellen, Die Stare üben allbereits ihr Lied, Um unsre Herzen aufzuhellen, Die Sonne warm hemiedersieht. 500 versuchen dasselbe Thema auf »erotisch«. Das sieht dann so aus: Es lenzelt schon. Die Säfte steigen, Das Herz schwillt wonniglich vor Lust! Ich möchte mich zu dir hemiedemeigen Und sinken dir an deine Brust. 500 versuchen dasselbe Thema auf »witzig«: Es lenzelt schon. Es lenzelt wieder. Wer hätte da nicht Lust zu tänzeln, Sich eine Elle, Kitty oder Friede Teils anzulachen und teils anzulenzeln. Ja, meine Herren, und dann gehen die Pakete mit Ihren Rohprodukten an die Redaktionen. Und dann kommen die Pakete mit Ihren Rohproduktionen in die dazu vorgesehenen, diensteifrig lächelnden Papierkörbe. Und dann, meine Herren, wun-
91
92
Höher, schneller, weiter
dem Sie sich. Worüber eigentlich? Daß man das 4 798 621. Frühlingsgedicht nicht druckt, weil man es nicht als eine Bereicherung der Weltliteratur ansieht? Dichten will eben gelernt sein. Seit Jahrzehnten plane ich einen Leitfaden für werdende Lyriker. Frühlingslyrik soll darin in einem besonderen Abschnitt behandelt werden. Hier sind ein paar Richtlinien für die manuelle Herstellung von Frühlingsgedichten. Vermeide, Lyriker, wenn du Porto sparen willst, Vokabeln wie: Lenz, Frühling, Sonne, Wonne, Brust, Schmerz und mindestens drei Dutzend ähnliche. Es hat keinen Sinn; das Übersoll ist längst übererfüllt. Sage statt Brust auch nicht: die süße Wölbung, so wenig wie du noch von Alabasterschenkeln sprechen darfst. Es ist aus damit. Es wäre zudem, o Lyriker, überhaupt recht vorteilhaft, wenn man dem nicht genannt sein wollenden Fr.... ein paar neue Seiten abgewinnen würde. Aufsteigende Säfte und frisch gestrichene Bänke mögen recht kennzeichnend für den Obenerwähnten sein, aber Säfte und Bänke wurden schon so häufig zitiert, daß sie den Reiz der Neuheit verloren haben. Ich fürchte, viele Leser bekommen Sodbrennen, wenn man sie zwingt, das zu sich zu nehmen, was Lyriker von sich geben. Auch die Beobachtung, daß als spröde bekannte Mädchen im Frühling geneigter sind, dem Liebeswerben nachzugeben, wurde schon von vielen Lyrikern gemacht. Wie überhaupt unzählige ähnlicher Beobachtungen. Also auch damit ist es nichts. Es hat auch keinen Zweck zu stammeln. Das Stammeln haben schon die Expressionisten hinreichend besorgt. Mir, Himmel, dies? 0 Wolke, samten und ekstatisch! Aufglitzert Quell und Knospe, ah! Entbirst dir Grün. Und Blau, aristokratisch! Ha! Vogel! Wirklich Vogel? Ja! So geht das auch nicht mehr. Wie's geht, davon ein andermal. Es gäbe noch Möglichkeiten für Gedichte mit durchschlagendem Erfolg. Bis dahin muß sich eben jeder so durchschlagen . •• (Ubrigens, Lyriker: immer einen Durchschlag zu Hause behalten, es gibt Redaktionen, die Frühlingsgedichte grundsätzlich nicht veröffentlichen. Aber auch grundsätzlich nicht zurückschicken.)
94
Unter vier Augen
Jo Schulz
' IH Es waren keine gewöhnlichen Blumen, sondern Rosen, langstielig und prunkhaft. Es war auch kein gewöhnlicher Blumenstrauß, sondern ein Bukett, wie Männer es einer Geliebten schenken, wenn noch ein anderer Mann im Spiele ist, der es nicht billiger tut. Er war eine Symphonie in Purpur, Rosa und Himbeereis, dieser üppige Armvoll, komponiert von Franz Lehar, betextet von der Hedwig Courths-Mahler und gesungen von Vico Torriani - soo schön war der Strauß, der mit mir durch die Straßen ging und viel Aufsehen um mich machte. Ein solcher Strauß in Männerhand bewirkt Revolutionen, Kriegserklärungen, Blitzausbrüche jahrzehntelang schlummernder Vulkane, er ist Waffe, in den Promenadenfrieden geschleuderte Brandfackel, ein Giftpfeil, der unfehlbar trifft und verwundet. Nicht die Empfängerin- die anderen. Neiderinnen, Hoffende und Hoffnungslose, Ehefrauen und solche, die es werden wollen . . . »Mir schenkst du nie Rosen!«, »Schau doch diesen häßlichen Knoten, als ob er ein Ren~ dezvous mit der Lollobrigida hätte!«, »Ich würde ~ ~~~~~~ ~ sie ihm vor die Füße werfen!«, »Pfui, der Verfüh-, """~ rer! « Dies alles hörte ich natürlich nicht, denn mein Gewissen war rein. Der Strauß sollte wirk„ Annäherung: ))Atsch, lich nur eine kleine Aufmerksamkeit für die Frau des Freunich habe einen Garten!<< des sein, eine Geste meines Magens für erwiesene Speisen. »In diesem Fall tun's ein paar Blümchen«, hatte Tante Else geraten, denn sie weiß noch von früher, was sich heute gehört. Ich nahm trotzdem die Rosen. Kurz vor Ladenschluß und dem Verwelken bekam ich sie für den Preis der »paar Blümchen«. Ich freute mich auf die verdutzten Freundesgesichter. Eine so große Vase besaßen sie nicht. Ich wußte es genau. Endlich waren wir am Ziel. Ich reckte den Strauß, dann mich und klingelte. Zweimal, dreimal. Niemand öffnete. Was nun? Was tun mit einem sinnlos gewordenen Rosenstrauß? Ins Kino? Unmöglich. Zu meiner Freundin Klementine? Ausgeschlossen. Sie würde mich hinterrücks heiraten oder hin-
--·
......
"">
<::::..
'-----~~~~~~---'-~~ ~~~----'
95
Unter vier Augen
auswerfen. Und das mit Recht, denn ein Mann mit solchem Bukett verrät Absichten. Und was für Absichten! Höchst ehrenwerte oder höchst durchtriebene. Jetzt hörte ich, was die Straße sprach, von mir dachte, wie sie mich lobte, schmähte, tadelte, erhob. Ich war ihr preisgegeben, schutzlos - ein Mann mit unangebrachtem Blumenstrauß, lächerlich und erhaben in einem. Trutzig wie ein mißverstandener positiver Held warf ich mich meinem Publikum in den Rachen. Aber ach, bald fühlte ich mich nur noch wie ein Taschendieb kurz vor der Festnahme. Ich rettete mich in einen Hausflur, atmete auf. Das Dämmerlicht im Treppenhaus beruhigte. Da kam ein Etwas - ich spürte: ein gefahrbringendes Etwas - die Stufen herabgehastet, ein TausendUnd so was wagt sich in unsere Festärmler, ein Polyp, der mich zu umklammern demonstration zum Empfang der suchte. Ein weiblicher Bierbaß dröhnte: »Herz- b 1 . h R „ ht D 1 t' 1 · li b J . h h b u gar1sc en osenzuc ere ega 1on. lich willkommen, mem e er unge, 1c a e dich gleich erkannt - auf den ersten Blick, an deinen herrlichen Rosen - Elviralein hat mir alles von euch erzählt - du darfst Mutti sagen, Schwiegersöhnchen!« Der Kuß explodierte in der Luft. Ich war entwichen, noch einmal davongekommen. »Haltet ihn, haltet ihn«, posaunte es hinter mir her, »der Lump hat dem Mädel die Ehe verspro ... « Aus. Weg. Vom Wmde verweht, die Töne der Tuba. Ich lief und lief, mitten auf der Fahrbahn, meinen Strauß wie eine Fahne schwenkend, mir den Weg bahnend durch Autos, Straßenbahnen, Pferde. »Hierher, Kollege, hierher ... reihe dich ein ... !« Eine Demonstration. Noch nie hatte ich einen Umzug so von Herzen begrüßt wie diesen. Ich sprang in irgendeine Lücke, trat irgend jemandem auf den Fuß, glücklich dem Alleinsein entronnen. Ich marschierte - hehe! Wer sollte mir jetzt noch etwas anhaben. Was für eine Demonstration! Alle Teilnehmer trugen Rosensträuße - genau wie ich. Eine Zusammenrottung verhinderter Heiratskandidaten? Rebellion der Junggesellen? Das Transparent, hoch über unseren Köpfen, gab Auskunft: Wrr sagen's durch die Blume züchte mer, sonst bist du der Dume! Kleingartenverein Neuland. Scheeläugig musterte der Nebenmann mein Rosenbündel. »Alle Achtung, Jartenfreund«, brummte er mißgünstig, »sieht aus wie Jroßherzogin Henriette, aber nach Mitsehurin veredelt. •
96
Unter vier Augen
Na, nu mal Hand uffs alte Züchterherz. Sportskamerad, haste die ooch wirklich mit Ehre und Jewissen selber jezogen?« Ich gestand. »Selber getragen - von Blumen-Müller bis hierher!« »Und so wat wagt sich in unsere Festdemonstration zum Empfang von die bulgarische Rosenzüchter-Delikation. Betrügaaa! « Ich bibberte, bat: »Kollege, verstoßen Sie mich nicht!« Gekränkter Züchterstolz kochte über: »lck bin nich Ihr Kollege, Sie lächerlicher Laie, Hochstapler, Sie Nicht-Mitglied!« Ich verlor die Nerven, schrie: »Zum Teufel mit allen Rosen der Welt! « Wie auf Kommando erhoben sich Hunderte Rosenarme, fuchtelten vor meiner Nase herum, und der Gartennachbar an meiner Seite rief drohend: »Freunde des Rosensports, laßt euch nicht proffizieren, er ist eine von die bezahlten Aljmente des Gegners, pfui ... « Ich floh. Tonsäulen am Straßenrand heulten auf: Schenk deiner Frau mal hin und wieder Rosen . . . oder so ähnlich ... Das war die Rettung. Den Strauß verschenken. Einer Frau. Irgendeiner Frau? Einer geliebten Frau. Ich mußte mich verlieben. Auf der Stelle. In wen? Ganz einfach - in sie, drei Handbreit vor mir auf dem Gehsteig. Blond. Wogendes Kornfeld auf hohem Absatz. Ich fasse den Strauß fester. »Bitte, verzeihen Sie ... « Sie lächelt. Als mein Großvater meine Großmutter zum ersten Male sah, schenkte er ihr Rosen. Dieses Mädchen ist keine Großmutter, und ich bin nicht ihr Großvater. Eine moderne Frau ist sie, gleichberechtigt, in ihrer Einkaufstasche steckt die »Frau von heute«. Sie lächelt. Gleich wird sie lachen, mich auslachen - weil ich ihr Rosen schenke wie mein Großvater. Kleinbürger, Spießer und sonstwas wird sie mich nennen, zumindest in Gedanken. Sie gefällt mir. Ich bin zum Äußersten entschlossen. Ihr zuliebe. In hohem Bogen werfe ich alles Alte, Überlebte mit diesem Rosenbukett von mir. Es zerflattert in Blätter und Strünke. Ich bin sehr stolz auf mich. »Glauben Sie mir, ich bin keiner dieser Ewiggestrigen, keiner dieser altmodischen Rosenkavaliere ... « »Schade«, sagte sie, machte auf dem Absatzpfennig kehrt und verschwand.
•
•
.
.
~
7
.
'
.
"
-,
.
'
[
J? 4
... .
'
•
.;
i Fs •
' -
.•,~• .-
'.·
r
.
>>Madame Ulbricht<<, sagt die Hausangestellte. Lotte unterbricht: >>Aber, wie redest.du mich
an?« Die Hausangestellte korrigiert sich: >>Genossin llibricht„ Ich habe heute meinen freien Abend, da gehe ich in die Oper und sehe" mir >Genossin Butterfly< an.<<
~. ~ .
.
,·
·-··.
auf fure Mllarheitlcommt es an 1: ·.
Tretet nodl heute ein in den .;: ·
. >>Meine ~äsche ist bei der Plättfrau, mein Anzu . ~ur Reiotg~ng ~nd meine Schuhe beim Schuster~ . . a mußte •eh Sie schon bitten zu m1'r ..... k ,
...... ommen. <<
' _.
'
.~
'.
'
.
. . . -><
98
Unter vier Augen
Erich Hanko
OH
,
>>Wozu der Eierbecher?<< >>Für den doppelten Genuß. Das sind Eierpflaumen!<<
Es ist ganz erstaunlich, wie viele Dinge mit Ostern in Beziehung stehen. Von Ostereiern und Osterhasen will ich gar nicht reden. Daran hat man sich bereits gewöhnt. Aber was meine Frau in den letzten beiden Wochen vor dem Fest an österlichen Gebrauchsgegenständen entdeckt, ist wirklich kaum zu glauben. Osterarmbanduhren, Osterhalsketten, Ostermäntel, Osterhandschuhe . . . sie besitzt für Osterartikel einen scharfen Blick. Mir selbst waren sie noch gar nicht aufgefallen. Ich fing nun auch an, die Auslagen etwas genauer zu betrachten, und entdeckte eine Flasche Osterweinbrand und eine große Kiste Osterzigarren. Aber das lehnte meine Frau ab und konnte absolut nicht begreifen, was diese Konsumgüter mit dem Osterfest zu tun haben sollten. Und außerdem, wie schnell ist eine Flasche Weinbrand leer, und von den Zigarren bleibt auch nur die Asche übrig, eventuell sogar noch auf dem Teppich. Dagegen ... »Ah, sieh nur, das charmante Osterhütchen!« unterbrach sie sich plötzlich selbst in ihren Ausführungen und blieb vor einem Schaufenster stehen. »Ist es nicht wundervoll?« »Hütchen, ja«, sagte ich. »Aber wieso Osterhütchen?« »Jeder vernünftige Mensch sieht, daß es ein ausgesprochenes Osterhütchen ist. Und genau meine Größe!« »Ich habe mich von den finanziellen Auswirkungen deines bezaubernden Weihnachtshütchens noch nicht erholt«, sagte ich. »Außerdem ist auch bald Pfingsten. Ich vermute beinahe, daß es auch für dieses Fest reizende Spezialhütchen geben wird.« »Aber bis dahin sind es noch sieben Wochen«, meinte sie ausweichend, ließ ihren Blick in die Büstenhalterabteilung gleiten und stieß einen Schrei der Bewunderung aus. »Sieh nur den süßen Oster- ... << - »... -Sockenhalter«, sagte ich geistesgegenwärtig und zog sie mit Gewalt zum nächsten Schaufenster, wo diese Artikel ausgestellt waren. »Üb ich mir zum Fest ein Paar kaufe? Meine jetzigen sind schon seit sieben Jahren ununterbrochen in Betrieb und brauchen dringend Erholung.«
99
Unter vier Augen
Sie war überraschend schnell damit einverstanden, daß ich ein Paar bekommen sollte, weil wir ja sowieso in das Geschäft gehen wollten - nicht wahr? - des Osterhütchens wegen. Vorsichtshalber kaufte ich die Ostersockenhalter zuerst, da ich befürchtete, nachher nicht mehr die nötigen Geldmittel dafür aufbringen zu können. »Die kann ich doch auch zu Weihnachten tragen?« fragte ich die Verkäuferin. Sie sah mich einen Augenblick forschend an. »Selbstverständlich, mein Herr, zu jeder Jahreszeit!« Am Hutstand raffte ich mich zu der Frage auf: »Fräulein, haben Sie vielleicht einen kombinierten Oster-, Pfingst-, WeihnachtsDamenhut am Lager?« Die Verkäuferin und meine Frau überlegten zuerst, ob sie in Ohnmacht fallen sollten. Dann besannen sie sich aber eines Besseren und fielen gemeinsam über mich her, um mir gründlich den Kopf zu waschen. Aber nicht mit Osterwasser.
Untern1ieter zur Wirtin: »Bitte hei-
zen Sie mein Zirn.~ mer und brühen,Sie · mir einen hei~~eu,; , , Tee. Ich habe ilii~ · eine nette Angiria mitgebracht.« · »Kommt nicht in Frage, bei mir gibt es keine Damenbesuche!« ' .
.
··"'
. .,;..
Trauerspiel (ohne Akt) Ort: Couch Mitwirkende: Heinrich, Johanna, eine asthmatische Couch Heinrich: Du! Johanna: (schweigt) Couch: (ächzt) Heinrich: (versucht f ohanna zu küssen) Johanna: (weicht aus) Couch: (ergibt sich) Heinrich: (stärkeres Geschütz auffahrend) Kleene, ick hab dir so lieb ... Johanna: (un -) Couch: (tief beeindruckt) Heinrich: (entschlossen) Et jibt nischt, wo ick dir zuliebe nich tun täte! For dir marschier ick durch Wassa und Feua! Johanna: (realistisch) Gieß doch ma Tee uff, dis Wassa kocht sich ja dußlig ... Heinrich: (ebenso) Det mach ma lieba selber, sonst vabrüh ick mir bloß noch die Finga! Couch: (atmet erleichtert auf}
fo Schulz
-
;
.•
Unter vier Au 9 en
100
.•• und Frau,
Gleichberechtigt Mann
••. im eignen Bau.
leider nicht
Gibt$ für s i e nur Lcngewet1e'
Pftegt e r Kinder wirklich schlecht t
'
Weg die alten Vorurteile. dann et lt hobt
ihr gleichet Recht.
}
~
101
Unter vier Augen
Willi Drescher
oHto~or Der kleine Handelsreisende war wieder einmal in der großen Stadt, hat da ein nettes Mädel kennengelernt, ist mit ihr im Park spazierengegangen, und auf einer Bank hat er ihr seine erste Liebeserklärung gemacht. Sie hat ihm ihren ersten Kuß gegeben - er hat aber darauf gedrängt, daß das liebe Mädel ihn mit beiden Händen an den Ohren festhalte. Wie sie nachher irgendwo beim Alkolat sitzen, sagt sie zu ihm: »Das war aber himmlisch, du bist wirklich ein lieber Kerl. Aber sag, warum hab ich dich andauernd bei den Ohren halten müssen?« »Ja, liebes Kind, da muß ich dir die Geschichte meines großen Abenteuers erzählen. Es war nahe meiner Stadt, nicht weit von hier, und es war stockfinster. Man sah nicht die eigene Hand vor den Augen. Ich tastete mich langsam einen Waldpfad entlang. Das ist ja eine nette Geschichte. Also für Hätte nie gedacht, daß es in einem Wald so so eine hast du mich gehalten? dunkel werden könnte, sonst hätte ich nicht die Straße verlassen, nur um ein Stück Weges abzuschneiden. Da hörte ich vor mir einen erstickten Aufschrei, ein Rascheln von Seide. Jemand umklammerte meinen Hals. Ich holte aus zum Kinnhaken, aber es war nicht nötig. Was mich umklammerte, waren die Arme eines Mädchens, das mich obendrein küßte und sagte: >Oh, Liebling, warum kamst du nicht früher? Seit einer Stunde warte ich auf unserer Bank auf dich. Es wurde immer dunkler, oh, wie dunkel es wurde, ich starb vor Angst.< - >Liebling<, sagte es, >küß mich, sprich nicht, du brauchst nichts zu sagen, du brauchst dich nicht zu entschuldigen, es ist alles gleichgültig, was gewesen ist, meine Angst ist vorbei und jetzt ist alles gut, denn du bist da.< Ich tat, wie sie wünschte, sprach nichts, sagte nichts, entschuldigte mich nicht, denn sie liebte mich ja oder jedenfalls den, den ich vertrat und, verzeihe mir, ich liebte sie auch ... Wir tasteten uns Arm in Arm gemeinsam durch den Wald, stolperten über Wurzeln, rannten Bäume an, fielen miteinander in Brombeerhecken und hatten keine Eile, den Wald zu verlassen. Endlich sahen wir die Straße durch die Bäume schimmern. Die Augen hatten sich jetzt an die Dunkelheit gewöhnt und meine Begleiterin, bisher nur ein Schatten, jedenfalls für die
102
Unter vier Augen
•
'~.
Augen, wurde sichtbar. Auf der Straße hupte ein Auto. Ein Lastkraftwagen ratterte. Es war sehr schön. Dann sah sie mich, soweit es möglich war, an. Fassungslos war sie, dann entsetzt, dann empört. >Mein Herr<, stammelte sie unsicher und trat zurück. >Mein Fräulein<, sagt ich sanft, >nicht ich küßte Sie, Sie küßten mich.< - >Sie haben mich hintergangen<, schrie sie zombebend. >Sie haben mich getäuscht. Wagen Sie es nicht, mir zu folgen, ich schreie um Hilfe.< Niedergeschlagen sah ich ihr nach, wie sie mit langen Beinen über den Waldboden stieg, der Straße zu. Auch ich schlug diesen Weg ein. Dort sah ich sie wieder. Sie stand zwischen zwei Kerlen, die sie anschrieen und in einen Wagen zerren wollten. Ich durch0 schaute die Lage sofort. Nicht genug, daß der Bursche, mit dem sie sich verabredet io hatte, sie warten ließ, jetzt schrie er sie "o auch noch an und wollte sie mit roher Ge" 0 () walt in sein Auto packen. „ Ich lief auf die Gruppe zu, warf den einen Mann zu Boden, stürzte mich auf den an„, •• deren, der aber ging in Deckung, und während wir kämpften, kam ihm der erste zu Hilfe. Nach einer Weile lag ich unten, einer oben und der andere hielt das Mädchen fest. >Gehören Sie zu der Dame?<, wurde ich gefragt. >Natürlich!<, zischte ich wütend. >Von Berufs wegen oder aus wirklicher Liebe? Die Dame betreibt die Liebe nämlich nur aus Beruf.< >Hören Sie auf<, schrie ich und kämpfte zappelnd um meine Freiheit. Der Mann, der auf mir kniete, gab sie mir von selbst, hielt mir seinen Ausweis vor die Nase und sagte: >Kriminalpolizei!< Dann fragte er, ob auch ich mich ausweisen könne. >Selbstverständlich<, sagte ich verständnislos und suchte meine Brieftasche. Sie war fort. >Ist das Ihre Brieftasche?< fragte der Mann, der das Mädchen festhielt und holte sie aus ihrer Handtasche. Sie war es.« Da hat das liebe Mädel den kleinen Handelsreisenden groß angesehen und empört gesagt: »Das ist ja eine nette Geschichte. Also für so eine hast du mich gehalten? Darum mußte ich dir die Ohren festhalten, weil du befürchtet hast, ich würde dir deine ... «
-
\
•
.
~
'I
!&
>>Mein Mann ist so lebhaft, er hat ein Glas Wein getrunken. (( >>Sicherlich war es wilder Wein.«
Unter vier Augen
Aber er hat sie schnell wieder beruhigt und nur ein leiser Argwohn über sein Vertrauen zu ihr beschlich sie, als sie rückblickend von dem grünen Vorhang im Hintergrund des Lokals, hinter dem sie bald darauf verschwand, sah, daß er schnell in die Gegend seines Rockes griff, wo jeder Mann seine Brieftaschen aufzubewahren pflegt. Als sie wiederkam, war alles leer. Der Stuhl, auf dem er gesessen hatte und auch ihre Handtasche auf ihrem Platz, wie sie gleich feststellen konnte. »Ober!« rief sie schreckensbleich, »wo ist ... ?« »Ihr Mann? Ich soll ihn entschuldigen, er käme gleich wieder.« »Mein Mann!« hat da das kleine Mädel gerufen. »Mein Mann!« und ist dem Ober schwach in die Arme gesunken.
Vor der Himmelstür wartete ein kleiner Schutzengel. Da naht ein neuer Seliger. Der kleine Schutzengel läuft sofort auf ihn zu. »Hugo, da bin ich!« - »Wer bist du?« - » Erkennst du mich nicht?« - »Nein.« - »Ich war doch auf Erden dein Schutzengel.« Der neue Selige trat einen Schritt zurück und betrachtete seinen Schutzengel mißtrauisch: »Und wo warst du am 3. März 1930, als ich meine Frau kennenlernte?« Vier Männer saßen um den Tisch. Jeder lobte seine Frau. Wie Männer schon loben! Einer seufzte tief auf. »Meine Frau ist mir zu ordentlich!« stöhnte er. »Zu ordentlich?« »Sie räumt jeden Abend meinen Anzug in den Schrank, spannt meine Schuhe ein, hängt meinen Hut an den Nagel.« »Wenn du heimkommst?« »Nein, wenn ich ausgehen will.« Paul und Otto unterhalten sich über das Heiraten. »Weißt du«, sagt Otto, »so'ne Frau kostet doch eigentlich 'ne Menge Geld.« »Da hast du recht«, meint Paul, »aber dafür hast du sie ja auch 'ne ganze Weile.«
103
»Ich habe schon so viele Nächte lang von Rosinen geträumt!« »Komisch, ich träume schon ein paar Nächte lang von blütenweißem Kuchenmehl!« »Laß uns doch mal zusammen schlafen, vielleicht kriegen wir einen Kuchen zusammen!«
104
Unter vier Augen
Ralph Wiener
oist 14H Seit Meta Physik studiert, kommt Max mit ihr überhaupt nicht mehr klar. Er schwärmt zwar für Meta, aber nicht für Physik. Sein Hobby ist Metaphysik. »Ideologisch bist du eine Null«, hatte Meta neulich gesagt und ihm vertrauensvoll eine Broschüre über dialektischen Materialismus in die Hand gedrückt. Nun saß sie mit ihm in der Laube und erlaubte ihm, sein transzendental-subjektiv-idealistisches Herz auszuschütten. »Ich habe die Broschüre gelesen«, sagte er, indem er zärtlich ihre Hand streichelte, »aber überzeugt bin ich nicht.« Meta zog ihre Hand zurück. »Dann ist alles aus!« »Warum?« fragte er erschrocken. Sie sah starr vor sich hin und flüsterte: »Einen Idealisten kann ich nicht lieben.« »Aber Meta, mach doch keine Späße! Wenn ich auch Kant in mehreren Auflagen studiert habe, bin ich trotzdem ein Mensch aus Fleisch und Blut. Und ich sage dir ... « »Du bist aus Fleisch und Blut«, unterbrach ihn Meta, »aber mich hältst du für ein Produkt deiner Vorstellung, gelt?« Max wurde etwas unsicher. »Du verstehst das alles falsch, Meta. Wenn ich sage, daß der Geist das Ursprüngliche und einzig Reale ist ... « »... dann behauptest du, daß mein Körper Luft ist«, ergänzte Meta und sah ihn wütend an. »Wir wollen uns doch nicht streiten«, versuchte Max sie zu beschwichtigen. »Kant lehrt zwar, daß alle Materie nur in der Vorstellung existiert, aber er versteht darunter natürlich auch seinen eigenen Körper.« »Ich will dir mal was sagen«, brauste Meta auf, »wenn du dich mit deinem Kant für Luft hältst, dann bin ich das noch lange nicht!« »Die weibliche Eitelkeit kennt keine Grenzen«, flüsterte Max vor sich hin. Dann wandte er sich wieder an Meta: »Der dialektische Materialismus betont viel zu sehr das Körperliche.« Bei diesen Worten legte er seinen Arm um ihre Hüfte. »Merkwürdig«, meinte Meta lächelnd, »was für ein Interesse du an Luft hast.«
Unter vier Augen
105
t
Und ostentativ löste sie sich aus seiner Umklammerung. Max seufzte. »Du bist heute unausstehlich, Meta!« »Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus«, gab sie zurück. Eine halbe Stunde verging, ohne daß Max seinem ersehnten Ziele etwas näher gekommen wäre. »Weißt du«, sagte er schließlich kleinlaut, »vielleicht kannst du mir die Broschüre noch mal mitgeben. Ich werde die Sache erneut überprüfen.« »Fräulein Grete, darf ich Sie nachher bei Stromsperre besuchen? Ich graule mich im Dunkeln so!<<
0
Meta gab sie ihm. Eine Woche später saßen sie wieder in der Laube. »Ich habe mich überzeugen lassen«, sagte Max und gab ihr das Heft zurück. »Urgrund aller Dinge ist die Materie!« Als er Meta jedoch umarmen wollte, gab sie ihm eine schallende Ohrfeige. »Geistloser Wüstling!« fuhr sie ihn an. »Meinst du, der Sinn der Liebe liegt im Körperlichen?« Und schon hatte sie die Laube verlassen. Max blieb sinnend zurück und rieb sich die Wange. »Nur gut«, flüsterte er vor sich hin, »daß nach Kant auch eine Ohrfeige nur in unserer Vorstellung existiert - sonst würde mir die Backe jetzt furchtbar weh tun.«
•
10 6
Unter vier Augen
Paul Blank
••
' 10
Jetzt kommen wieder die gefährlichen Nächte, in denen die Nachtigall singt. Warum sie das gerade nachts tut, ist noch nicht genau geklärt. Aber sie wird schon ihre Gründe dafür haben. (Ich nehme an, daß es ihr am Tage zu laut ist. Mir geht es auch so. Unter den vielen disharmonischen Geräuschen des Tages, verursacht durch Autos, Hunde, Katzen, Menschen, Gänse, Straßenbahnen, Sirenen usw., würden ihre Melodien nicht so recht zur Geltung kommen.) An sich ist die Nachtigall ein harmloser Vogel, soweit sie nicht in Gedichten vorkommt. Dort richtet sie allerdings Unheil an. Es ist so ähnlich wie mit den Hühnern, die auch nützlich sind, solange sie keinen Zutritt zu Bl11menbeeten haben. . . „ In der Literatur wird die Nachtigall hauptWen n die Nachtigall wußte, welche Verant.. hli h d b tzt 'Tr. li bt d 1 tz h h ·h · d. h' b „ d sac c azu enu , ver e en en e wortung man 1 r 1n 1e 5c u e sc 1e t, wur e . ten Stoß zu geben. Und ausnahmsweise · b t. t ·t d K f h"tt 1 1 sie es 1mm m1 em op sc u e n. t· t . d. p kt d. p · ·t s 1mm 1n 1esem un 1e oes1e mi der Wirklichkeit überein. Die Sache geht so vor sich: Er wandelt mit ihr - oder sie mit ihm, ganz wie Sie wollen nachts durch einen Park. Vielleicht sogar bei Mondschein. Im Sommer natürlich, denn im Winter sind die Nachtigallen woanders. Vielleicht sind sie gerade aus dem Kino gekommen nicht die Nachtigallen, sondern er und sie - und noch romantisch angehaucht, was schon gefährlich ist. Aber er - oder sie - hat trotzdem noch so viel Vernunft gerettet, um zu überlegen, ob es nicht möglicherweise doch ein Irrtum wäre, und ob man es nicht eventuell später bereuen würde, wenn man sich jetzt in dieser verführerischen Stunde hinreißen ließe ... Sie kennen bestimmt die Situation. Die duftige Sommernacht ist verfänglich. Immerhin, man schwankt noch. Man hält sich noch mühsam an einem realistischen Strohhalm fest. In diesem psychologisch entscheidenden Moment tritt die Nachtigall in Funktion. Sie fängt unvermittelt an zu jauchzen oder zu schluchzen, je nachdem, wie sie gerade aufgelegt ist. Dann ist es vorbei mit der Logik. Er und sie versinken unrettbar in den Wellen der Liebe und gehen Verbindlichkeiten ein, die Ihnen später vielleicht Seufzer entlocken. Deshalb sind die Nachtigallen bei manchen Menschen so verhaßt. Die Nachtigall •
•
Unter vier Augen
ahnt von dem, was sie anrichtet, nicht das geringste. Wenn sie wüßte, welche Verantwortung man ihr in die Schuhe schiebt, würde sie bestimmt den Kopf schütteln. Sie hat keineswegs die Absicht, Liebestragödien zu verursachen, wenn sie nachts ein bißchen Musik macht. Sie ist ganz mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt. Es ist nicht ihre Schuld, wenn die Menschen gerade bei ihren Kompositionen in Verzückung geraten und Dummheiten machen, während sie bei dem Gackern von Hühnern und dem Meckern von Ziegen vollkommen kalt bleiben, obwohl diese Laute letzten Endes Ähnliches ausdrücken, nur in etwas anderer Modulation. Das Ganze ist eben eine menschliche Marotte, eine Art Mißverständnis, dessen Folgen man geduldig tragen sollte, ohne einen ahnungslosen Vogel dafür verantwortlich zu machen. Und deshalb bin ich dafür, daß Nachtigallen auch weiterhin unter Naturschutz bleiben. Trotz alledem. -.
Am Straßenrand. Ein Handwagen. Auf dem Handwagen ein Sack Kartoffein. An dem Sack Kartoffeln ein Frauchen, faltig wie ein verschrumpelter Apfel. Neben der Haustür ein Mann, mürrisch, breit, mißbilligend. Das Frauchen zerrt an dem Sack Kartoffeln. Er rührt sich nicht. Das Frauchen versucht es wieder. Auch der Mann rührt sich nicht. Das Frauchen stemmt sich haltsuchend mit dem Rücken an einen Laternenpfahl und zieht mit aller Kraft. Der Sack rührt sich doch. Der Mann steht wie eine Säule. Das Frauchen zwingt den Sack bis in Kniehöhe, tappert vorwärts, keucht, schnauft. Zwei, drei Kartoffeln purzeln oben heraus. Der Mann mißbilligt schweigend. Noch zwei Schritte, drei Schritte ... der Sack neigt sich, sinkt, leert sich halb; das Frauchen grapscht nach den wegrollenden Kartoffeln. Dem Mann läßt es keine Ruhe mehr, kopfschüttelnd sagt er: »Ick versteh dir nich, Mutter, warumjehste denn nichzweemal!«
fo Schulz
107
108
Unter vier Augen
Ralph Wiener
»Zebras werden 40 Jahre alt«, sagte Otto zu seiner Cousine Anita, als sie sich anläßlich seines Besuchs zu einer Tasse Kaffee niedergelassen hatten. »Interessant«, erwiderte Anita und stellte das Radio an, womit bewiesen war, daß sich ihr Interesse an Zebras offensichtlich erschöpft hatte. »Mal sehen«, s·agte sie, »vielleicht bringen sie gerade Schlager.« Otto seinerseits ließ sich hiervon nicht beeindrucken. »Zebras werden vierzig Jahre alt«, stellte er lakonisch fest. »Das habe ich schon gehört«, quittierte Anita und hatte endlich Schlagermusik gefunden. »Rauchst du?« fragte sie, indem sie ihrem Vetter die Packung anbot. Otto winkte ab. »Zebras werden vierzig Jahre alt. « - »Dreimal brauchst du mir das nicht zu sagen!« entgegnete Anita etwas schroff und zündete sich eine Zigarette an. Dann überreichte sie ihrem Vetter ein Buch Willi hat dauernd denselben Satz »Was hältst du von Hemingway?« Otto warf wiederholt. Er hat ihn sogar sechse~ne~ kurzen Blick darauf: »Zebras werden unddreißigmal gesagt' vierzig Jahre alt«, kommentierte er. »Sag mal, · bist du übergeschnappt?« rief Anita aus. Mit unruhigen Augen blickte Otto auf seine Cousine. »Zebras werden vierzig Jahre alt!« keuchte er. Jetzt wurde es Anita unheimlich. »Otto«, zitterte sie, »du bist doch nicht etwa krank?« Leise beugte sich der Vetter vor und flüsterte: »Zebras werden vierzig Jahre alt!« - »Hilfe! « schrie Anita in höchster Angst, sprang auf und eilte zum Telefon. »Was willst du tun?« fragte Otto, indem er ihr mit raschem Griff den Hörer aus der Hand nahm. »Eine Anstalt anrufen!« antwortete Anita. »Warum?« Anita sah ihn fassungslos an. »Du mußt doch verrückt sein«, bemerkte sie. »Weshalb wiederholst du immer denselben Satz?« - »Gefällt dir das nicht?« - »So ein Blödsinn«, stellte Anita unwillig fest. »Ich kann mir nichts Alberneres vorstellen, als dauernd denselben Satz herzusagen. Derartige Wiederholungen sind geradezu läche.rlich!« - »Komisch«, raunte Otto, »vorige Woche, als Willi hier war, hast du dich gefreut, daß er dauernd denselben Satz wiederholte. Er hat ihn sogar sechsunddreißigmal gesagt, und genau in derselben Weise wie ich.« - »Welchen Satz?« fragte Anita ungläubig. Otto lächelte. »Ich liebe dich.«
110
Wo wir sind, ist vorn
Fritz Bernhard
Vor der Parteikontrollkommission muß sich der Genosse Lehmann ·. verantworten. Er·.;,'. habe sich vor Versammlungen gedrückt und abfällige Bemerkungen über die Partei ge- · .· macht. Ausführlich führt ihm der Vorsitzende der Kontrollkommission seine Verfehlungen vor Augen, lenkt .· , . aber schließlich und sagt: »Weil du ein guter Arbeiter bist, sprechen wir nur einen Verweis . aus. ·Du darfst we1'.' · · terhin Genosse unserer Sozialistischen Einheitspartei bleiben.« »Ist gut«, sagt Len~ . m.ann, »ich nehme . die Strafe an.« .
.
;
ein
..
Seit der ehemalige Amtsvorsteher Reginald Wippel die Wanze an der Tapete seines Landhauses erschlagen hatte, mochten acht Tage vergangen sein. Wippel saß vor seiner alten Schreibmaschine und schrieb: »An den Herrn Stellvertreter des Ministerpräsidenten Berlin Hochverehrter Herr Ministerpräsident! Ein Vorfall in meiner Wohnung gibt mir Veranlassung zu folgender Eingabe ... « Das Telefon läutete, und Wippel griff zum Hörer. »Hier ist die Freiwillige Feuerwehr«, meldete sich eine rauhe Männerstimme. »Ick soll Ihnen man bloß bestellen, daß wir Ihre Eingabe wejen die Wanze jekriegt haben. Wir können aber deswejen nich kommen und haben die Sache an den Kreistierarzt weitergeleitet.« Mit einem undeutlichen Brummen legte Reginald Wippel den Hörer auf, als seine Frau mit einem geöffneten Brief ins Zimmer trat. »Denk dir nur, Männe, das Sekretariat vom HygieneMuseum in Dresden schreibt auf deine Eingabe wegen der Wanze. Sie haben den Vorgang zuständigkeitshalber an das Gesundheitsministerium geschickt.« Ein triumphierendes Lächeln trat in die scharfen Züge Reginalds. »Ha«, knurrte er, »sie werden mir schon kommen!« Er hatte noch nicht ausgeknurrt, als das Telefon und die Hausglocke gleichzeitig schrillten. Während die Gattin öffnen ging, griff Reginald abermals zum Hörer. »Hier spricht die Ortsgruppe vom Demokratischen Frauenbund«, sagte eine mütterliche Stimme. »Sie haben uns geschrieben, Herr Wippel, daß der Demokratische Frauenbund seine Verantwortung für den deutschen Hausstand völlig verkenne, wenn er nicht umgehend etwas gegen die Ungezieferplage in Ihrem von der Gemeinde gemieteten Hause unternehme. Wir sehen unsere Aufgaben zwar ein wenig anders, aber wir werden uns dennoch in unserer nächsten Vorstandssitzung eingehend mit Ihrer Beschwerde beschäftigen.« Während Reginald eine Antwort brummte, schaltete sich ein neuer Gesprächspartner ein. Das Postamt gab ein soeben eingegangenes Telegramm durch: »erhielten ihre telegraphische eingabe stop ihre aufforderung, wegen ihrer wanze sofort pres-
Wo wir sind, ist vorn
111
,
•
Der Stempel
2J
„
ii NÄGH.tTi TÜR.
•
13
1
(IHCIANO
0
Gf.SlHLOSSEN
IC~INf
ASFERTIGllH$
!.
I
I
sekampagne zu starten, zur zeit leider undurchführbar stop leiten eingabe weiter an presseverband stop deutscher schriftstellerverband. « Inzwischen war Frau Wippel mit einem Besucher eingetreten, der sich im Hause auszukennen schien. Er hieß Otto Puhlmann und leitete beim Rat der Gemeinde das Wohnungsamt. Während er sich dem Heck an der Wand zuwandte, bemerkte er ziemlich erregt: »Du bist wohl nicht mehr ganz bei Troste, was, Wippel? Nich genug, daß du uns täglich wegen deiner Wanze
Wo wir sind, ist vorn
112
.
.
·-
c.
· Was ist der Unter.. scfüed zwischen .. · · .tle-f.1eipziger ·•. . · Messe unä dem · . . Schwarzmarkt? · ,·· :· Auf der Leipziger · .· .. '•
'
..
-
.
~· Messe
k"ann man ·. · ·
.· alles seilen, aBer · ' , , . '
.
-
'
··.niclits lfailfen~ · ·... .
. ..
. Auf ·aein Schwarz~ · .
· markt kann man· ~ .· ·. ·. .zwarnichts sehen, . .
-
.
.
-
;
.
· aber•däfür alles .
·. kaufen. .
· \. ·.
.
anrufst, haben wir in drei Tagen vier Aufforderungen gekriegt, die Ungezieferplage in deinem Hause abzustellen, nämlich vom Kleingärtnerverein, vom Rat des Bezirkes, von der Zentralverwaltung der Sozialversicherung und vom Minister für Kultur! Über je vier bis sechs Instanzen, und alles auf Grund deiner Eingaben!« »Erlaube mal, ja?« verwahrte sich Reginald Wippel. »Ach was«, brummte Puhlmann und zog eine Lupe aus der Tasche, »deine Beschwerden sind doch kleine Fische, alter Mekkerfranz !« »So? Das wollen wir erst mal sehen!« rief Reginald Wippel empört und hieb in die Schreibmaschine: »In einer Zeit großer politischer Entscheidungen kommt es besonders darauf an, daß sich Behörden gegenüber der Bevölkerung eines höflichen, zuvorkommenden Tones befleißigen. Ich bitte daher Sie, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, um eine Stellungnahme, ob die durch den Leiter des hiesigen Wohnungsamtes erfolgte Äußerung, daß eine in meinem Hause festgestellte Wanze ein kleiner Fisch sei, erlaubt ist, oder ob ich befugt bin, mich dagegen zur Wehr zu setzen, gegebenenfalls im Wege einer Beleidigungsklage. Mit vorzüglicher Hochachtung Reginald Wippel Verteiler: Stellvertreter des Ministerpräsidenten Museum für Meereskunde Verein ehemaliger Amtsvorsteher Verwaltung des Zirkus Barlay Fischereifabrik Saßnitz Arbeitsgemeinschaft der volkseigenen Ungeziefervertilgungsbetriebe Kommando der Seepolizei Nationalrat der Nationalen Front.« Während Wippel den Bogen ausspannte, meinte Puhlmann von der Wand her: »So, mein Lieber, die Untersuchung können wir abschließen. Du hast keine Wanzen im Hause, sondern einen Marienkäfer ums Leben gebracht. Schade, was? Nun kannst du deine neueste Eingabe in den Papierkorb schmeißen.« »Das macht nichts«, entgegnete Wippel giftig, »dann werde ich . mich eben über den >Meckerfranz< beschweren.«
•
•
Einern Mann ist der Papagei entflogen. Der Besitzer läuft sofort zur Stasi: »Ich möchte Ihnen nur mitteilen, daß ich die politischen Ansichten meines Papageis nicht teile r«
Die Durlhlührung des Planes - das heißl Friede. Besseres leben. Die Kullurslhälze dem Volke! .aj§AieJ9@
!!'[email protected] 4J!; •• #
4
!JIJ(4'
;:;4
UJI •
4
;vw t
A
„
t
Ä
'
'
Interzonen-Transporte voo und nach alten Orten Deut·Sf:h· lands ~n ~tten Zonen für. tndt1~.trte:
.. -
P1üchtlings9ut so...,-vie Mohel tr~nsporte sif"het. schnell und 4ZUverlässig. RICHARD flEM~1lNG. l e t p z 1 g • N 21·. Oelitucher Strai.\e 80. S P e d i t t o n s v e r t ' 9 t u n q.
gut.
. en.
))Du, t . VJ1tz. ({ - )) ütischen 1 ,„ ei. ({ - ))Ja, yo . der po11z . ic · h erz 1a,
...
. .
~ · - .
.
„ ... ZU DEM FAHRPLANMKSSIGEN AB·ZUG IN RICHTUNG HEIMAT: TUREH SCHUESSEH, Blm NIEMAND
ZURUCKBlEIBEH~-f1le.l
Wo wir sind, ist vorn
114
Lothar Kusche
Sehr frei nach Karl Kraus Hochverehrte Gäste. Teure Gäste. Werte Bundesfreundinnen und Bundesfreunde. Liebe Vertreter der Organisationen und Vereinigungen. Verehrte Gefährtinnen und Gefährte. Hm, Gefährten. Geschätzte Hörer und Hörerinnen an den Lautsprechern des In- und Auslands. Geschätzte Kopfhörer. Liebe Freundinnen und Freunde, Anwesende, Kollegen und Kolleginnen. Liebes Publikum! Ich konstatiere in diesem Saal das Vorhandensein eines reichen Erscheinens breiter werktätiger Hörermassen. Haben es die Massen genügend verstanden, die Bedeutung entsprechend ihrer kulturellen Bedeutung in schöpferischer Weise einzu· .t d A h d f k schätzen? Jawohl, sie haben es verstan. . . . . M1 em nwac sen er 8r1e mar e zum . k ·t· h . h den. Sie sind leidenschaftlich an diese Kulturgut en t st an d d1e r1 1sc -samm 1er1sc e k.. . Frage herangegangen. Was onnen wir Betrac htung derse lb en. daraus zie · h en.? Daraus k..onnen wir · d en Schluß ziehen, daß wir es mit einem gehobenen Bewußtsein zu tun haben. Erfüllt uns das mit etwas? Ja, es erfüllt uns mit Genugtuung und siegreicher Freude, und diese treibt mir das Blut bis in ... bis in den hintersten Grund meiner Seele. Ich freue mich, daß Sie hier sind. Es geht ums Briefmarkensammeln. Unser zentrales Anliegen ist hier, volkstümlich ausgedrückt, die Akkumulation von Postwertzeichen. Stellen wir zunächst die Frage nach dem Mitteilungsbedürfnis der Urmenschen und nach den sich hieraus ergebenden Problemen. Die Urmenschen haben es noch nicht genügend verstanden, die Erfindung des Papiers voranzutreiben, welches einen schöpferischen postalischen Verkehr erst voll zur Entfaltung bringen kann. Davon ausgehend, haben es die Urmenschen nicht in genügender Breite verstanden, die Gummierung des Papiers, welches sie noch nicht erfunden hatten, voll zu aktivieren. Ein solches Spezialpapier, mit Wertzeichen bedruckt,die zum Transport der gesamten Sendung durch hierzu vom Staat ernannte und bezahlte Werktätige mit besonderer Ausbildung berechtigt, kann demzufolge von uns in der Urgesellschaft nur als noch
115
Wo wir sind, ist vorn
nicht aufgefunden bezeichnet werden, selbst bei schärfstem Herangehen nicht.
In der Urzeit gab es noch keine Briefmarken. Mit dem Hineintreten der Menschheit in eine immer dichter werdende Phase der Geschichte kam es zwangsläufig zur steigenden Befriedigung des menschlichen Mitteilungsbedürfnisses mittels Zuhilfenahme der heute noch in Benutzung befindlichen Form der sogenannten Postwertzeichen.
Schließlich kam die Briefmarke auf, wie wir sie heute noch haben. Die Briefmarke verdient es erst dann, eine wirklich schöpferische solche genannt zu werden, wenn sie in ein enges, unzertrennliches und leidenschaftliches Klebeverhältnis zu der eigentlichen postalischen Sendung, das heißt also zu Postkarte, Drucksache, Brief, Päckchen, Paket, Einschreibpostkarte, Einschreibedrucksache, Einschreibebrief, Einschreibepäckchen, Einschreibepaket, Einschreibedoppelbrief, Einschreibeeilbrief, Einschreibeeilrohrpostbrief, Einschreiberohrpostdoppelbrief und so weiter - um nur einiges herauszugreifen - getreten ist. Zur Herstellung eines derartigen Klebeverhältnisses, wie ich es weiter oben erwähnt habe, ist es im allgemeinen üblich, daß die frankierenden Personen, in der Regel also der Absender, mit Hilfe seiner Zunge, die Rückseite der Briefmarke, welche spä- 9 ter auf die Postsache aufgepreßt wird, zur Anfeuchtung gelangen läßt.
Ohne Spucke klebt keine Briefmarke. Mit dem Anwachsen der Briefmarke zum Kulturfaktor entstand die kritisch-sammlerische Betrachtung derselben durch Putzung der Lupen und Hindurchguckung durch diese. Es gab auch Abirrungen ins Sammlertum, und wir wollen uns in leidenschaftlicher Weise abkehren von den Tendenzen des Sammlertums und der Sammlertümler. Aber bei konkreter Fragestellung bleibt der internationale und stürmisch dem Frieden dienende Charakter der Akkumulaticn der Briefmarken zu nichtpostalischen Zwecken unübersehbar. Und daher ist ein stürmisches Beitreten in uns notwendig.
Treten Sie unserer Sammlersparte bei!
•
l
. .
MÄRZ 'fq
•
»Aha, MM, Matthäus Müller. Nun gibt's bald wieder Sekt.<<
Wo wir sind, ist vorn
116
Bernhard Waltenberg
swois'I Wir waren nicht gerade sehr viele in der guten Stube des Polizeireviers. Sechs oder sieben Mann vor mir; kein Grund also zum Verzweifeln, wenn auch der Beamte ein bißchen langsam war. Es war ja auch schon warm in der Polizeistube, träge summte eine Mücke ihr sonores Lied in das Kratzen des Federhalters, als ein dicklicher Herr aufgeregt herein- und sofort an die Spitze unserer Schlange stürzte. Das ist nun eines von den Dingen im Leben, die ich gar nicht vertragen kann. »Sie, hör'n Se mal«, tippte ich ihm auf die Schulter. Seine Brillengläser funkelten mich böse an. »Hinten ran«, sagte ich energisch. »So«, meinte er höhnisch, »ich habe einen Ausweis, einen Ausweis, mein Herr!« Hätten nun die anderen nicht so lammfromm und ergeben dreingeschaut, hätte die nette Blondine vor mir nicht so mokant gelächelt, hätte ich das ja geschluckt. Denn ein AusDie Polizei ist eine staatliche Institu- weis, du lieber Gott, das ist doch bei uns eine getion, ist die Inkarnation des Staates, waltige Sache. Ein Blick noch auf die Blondine, niemals eine simple Behörde. viel war ja nicht zu sehen, weil sie mir ostentativ ihre Kehrseite zuwandte, aber sie hatte schöne Nylon- oder Perlonstrümpfe. Ich räusperte mich. »So«, sagte ich nonchalant, »einen Ausweis haben Sie. Dann zeigen Sie das Ding mal her.« »Bitte sehr«, schmetterte der Vorkömmling gereizt und hielt mir einen reizend zellophanierten dunkelroten Ausweis vor die Nase. »Zufrieden, wie?« näselte er. »Nein«, sagte ich fest. »Hier steht: Ausweis berechtigt zur bevorzugten Abfertigung bei Behörden. Dies hier ist aber keine Behörde, dies ist ein Polizeirevier!« »Machen Sie keine albernen Witze«, wollte mich der Dicke abtun, aber nun kam ich in Fahrt: »Von Witz ist hier gar keine Rede, Herr! - Herr Wachtmeister!« Der fuhr hoch. »Sind Sie ein Behördenangestellter, ja oder nein?« »Ich bin Oberwachtmeister Müller«, sagte er mit viel Festigkeit in seiner Stimme. »Herr Oberwachtmeister«, beschwor der Ausweisbesitzer den Beamten, »fertigen Sie mich jetzt sofort ab. Eine Polizei ist eine Behörde!«
Wo wir sind, ist vorn
-
»Ha«, grollte ich mit tiefster Verachtung in der Stimme, »eine Polizei eine Behörde! Daß ich nicht kichere. Die Polizei ist eine staatliche Institution, ist die Inkarnation des Staates, niemals aber eine simple Behörde. Herr Oberwachtmeister, lassen Sie sich das nicht gefallen. Ich protestiere energisch, ich protestiere energisch, ich protestiere!« »Geben Se mal her Ihren Ausweis«, murmelte der Oberwachtmeister und ging mit ihm zu seinen Kollegen. Es entspann sich ein eifriger Disput. Jetzt oder nie, dachte ich. »Nehmen Sie ihm den Ausweis ab«, sagte ich streng, »damit nicht Unfug damit gemacht werden kann. Ich verlange sofortige Feststellung dieses Mannes. Wo ist der Reviervorsteher? « »Der ist gerade dienstlich weg«, entschuldigte sich der Oberwachtmeister. Und ich: »Das ist eine faule Ausrede. Die Sache muß geklärt werden, und wenn ich bis zum Polizeipräsidenten persönlich gehen muß. Wenn Sie den Mann vor mir abfertigen ... « »Aber, das ist doch ... «, murmelte der Ausweisbesitzer schwach. »Ich nehme den Ausweis in Verwahrung«, entschied salomonisch der Polizist. »Kommen Sie heute abend gegen 5 Uhr wieder vorbei. Wir werden den Fall prüfen. Und wehe Ihnen, wenn!« Sehr milde mischte ich mich ein: »Na, nun geben Sie dem Mann schon seinen Ausweis wieder. Es wird ihm hoffentlieh eine Lehre sein. Ehrlich währt's am längsten.« »Aber, das ist doch ... «, röchelte der Ausweisbesitzer. Dann nahm er ihn, den ominösen Ausweis, aber schnell zurück und verschwand zerknirscht im Ausgang. »Der Nächste bitte«, sagte der Oberwachtmeister. Als ich nach einer halben Stunde das Revier verließ, kam mit glasigen Augen mein Ausweisbesitzer aus der gegenüberliegenden Destille. »Ist die Polizei eine Behörde, ja oder nein?« lallte er, ohne mich wiederzuerkennen. »Natürlich«, sagte ich. Da fiel er lang hin. Ich habe dann die Rettungswache geholt. Man muß immer ein gutes Herz haben.
117
118
Wo wir sind, ist vorn
Fritz Bernhard
iellator ~H
Ein Haus ist zusammengebrochen. Die Einzelteile werden verhört. Die Ziegel: »Wir waren es nicht, wir sind komplett rot.« Der Sand: »Ich war's nicht, ich bin durch und durch gesiebt.« Der Zement: »Und ich war nicht dabei.«
Der Blitzdichter stand vor Gericht. »Sie geben also zu, Angeklagter«, funkelte der Rat in der roten Robe das Männlein an, das mit hängenden Schultern ängstlich zum hohen Richtertisch emporäugte, »Sie geben also zu, das Ofenrohr von der Trümmerstätte entwendet zu haben?« Der Armesünder schien ein wenig aus sich herauszuwachsen. Er schüttelte heftig den Kopf und reckte pathetisch die Hand. »Entwendet, Herr Richter, entwendet? 0 nein! Das würde ein großer Justizirrtum sein! Wohl hab ich das Ofenrohr fortgenommen, doch nur, um beschwingter nach Hause zu kommen.« Der Unmutschatten im Gesicht des Vorsitzenden vertiefte sich zur Zomesfalte. »Unterlassen Sie gefälligst Ihre dämlichen Reimereien, Angeklagter! Sie sind hier nicht in Ihrem Kabarett. Was also wollten Sie mit dem Ofenrohr?« Der Angeklagte hob zitternd die Schultern. »Ich nahm es von dem verunzierten Rasen, um darauf Saxophon zu blasen. Und habe es später, wie Sie schon wissen, auch richtig wieder fortgeschmissen. Es war eine Laune, nicht mehr, Herr Richter, weil an dem Abend mein Auftritt als Dichter wie schon erwähnt, in der Bulldog-Bar! -von einem Erfolg ohnegleichen war. Als Gast eines Gastes, der ziemlich begütert, hatt' ich mir drauf einen angetütert. « Die Zomesfalte wurde zur Gletscherspalte. »Sie sollen Ihre ungebührlichen Reimereien unterlassen, Herr«, brüllte der Richter, »oder ich nehme Sie in eine Ordnungsstrafe!« Der Blitzdichter knickte wieder zusammen und meinte bekümmert: »Aber verzeihen Sie gütigst, Herr Richter, ich spreche doch hier nicht als Kabarettdichter! Ich reime auch nicht aus Respektmangelsgründen, ich kann nur kein Wort mehr in Prosa finden, dieweil ich bis abends von morgens um viere nur immer trainiere, nur immer trainiere ... « Schon hieb die Faust des hohen Rates auf den Tisch. Sein Blick flammte Blitze, seine Stimme rollte Donner. »Ich werde Ihnen beibringen, daß das Sitzungszimmer kein Trainingssaal und keine Probebühne ist! Wegen ungebührlichen Verhaltens vor Gericht nehme ich Sie in eine Ordnungsstrafe von 100 Mark. Haben Sie noch etwas zu Ihrer Verteidigung zu bemerken?«
Wo wir sind, ist vorn
•
Noch einmal reckte sich der Blitzdichter empor, schlug an seine Brust und sprach: »Ich beuge mich gerne dem hohen Gericht, doch- anders reden, das kann ich nicht. Der eine macht Särge, der andere baut Küchen, der dritte ernährt sich mit Urteilssprüchen, ich aber versteh' nichts von solchen Sachen, ich bin halt ein Meister im Versemachen! Mein Amt als Dichter, das Schicksal schuf es. Ich bin wohl ein Opfer meines Berufes ... « Damit knickte er abermals zusammen, diesmal endgültig. Der Landgerichtsdirektor aber schüttelte stumm den Kopf, immerzu ... Nach langer Beratung kam das Gericht in das Sitzungszimmer zurück. Der Vorsitzende fuhr sich nervös über die Stirn, wieder und wieder, als wolle er eine lästige Vorstellung fortwischen. Endlich setzte er das rote Barett (_• • auf und sagte, stockend und unter einem sichtbaren Zwang: »Urteilsverkündung. Obwohl das Verhalten des Angeklagten äh, nicht in allen Punkten gutzuheißen - kann sich das Gericht dem hier Gesagten - äh, doch nicht in allen Punkten verschleißen. Dem Angeklagten ist nahezulegen, in Zukunft dem Alkohol äh, zu entsegen - und nachts nicht, geleitet von falschen Gefühlen auf Rohren Saxophon äh, zu spülen. Es wird ihm ferner zur Pflicht gemacht, nie mehr vor Behörden, ganz gleich welcher Acht, sein seltsames Dichtertalent zu entwickeln und ständig in Versen sich äh, auszudrickeln. Im übrigen hat äh, aus mehrfachem Grund, das hohe Gericht auf äh, Freispruch erkunnt. Die Kosten - ich sage das völlig bewußt - sie fallen der Staatskasse äh, zur Lust - und mangels direkter Beweise an Schuld - wird das Verfahren äh, eingestullt. «
119
0
0 \..
0
0
/~o >>Warum haben Sie denn den Mann geschlagen? Er hat Sie doch mit keinem Wort beleidigt!'' >>Stimmt, jesagt, hat er nischt, aber ich kann doch lesen, hoher ]erichtshof ''
120
1949
•
1949 ...
~-·-
.
,..
.
•
. .t
'
·: Truppenparaüe.auf ~
·
1. Januar 7. Januar
Aufnahme des FDGB in den Weltgewerkschaftsbund. Der FDJ-Zentralrat beantragt, alle Jugendherbergen des ehemaligen Jugendherbergsverbandes der FDJ zu über• eignen.
, äe.m Roten Platz. . Stalin Iaat drei Rot-. , ··armist~n·; ·sich:,' die _ ~- an-dei Scfilachi: um · 11.Januar Mit seinem 1939 entstandenen Stück >>Mutter Courage und ihre Kinder<< eröffnet Bertolt Brecht das Berliner En' · Berlin ~· teilgelJ.omm~µ semble; Spielstätte ist vorerst das Deutsche Theater. ~„nahen: >>Nun, mein . . Sohn' welthe Mei.: . . 25. Januar In Warschau gründen die Sowjetunion, CSSR, Polen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien den >>Rat für gegenseitige '.. nung-hast a"L;l· von ·:' .. Wirtschaftshilfe<<. ' Deutschland?!< -- »Väterchen. Stalin, ein ~ . 25.-28. Januar Die 1. Parteikonferenz der SED berät weitere Maßnahmen zur Festigung des antifaschistisch-demokratischen Auf.schönes Land..Von· baus; die Entwicklung der SED zur >>Partei neuen Typus<< aen.Kriegsschäden wird beschlossen. m,al abgesehen~ ist 6. Februar Erste Berliner Meisterschaften im Eisschnellauf auf dem alles sauber urid zivi~ Karpfenteich im Treptower Park. lisiert! u ~ Stalins . · Miene ~erlinsterf . . 8. Februar Die >>Universität Berlin<< erhält den Namen Humboldt;. ~ich, . et~ gibtBerija ·.·' Universität. · eiil Zeichen: »Ins · ·· · 11.-13. Februar Erste Wintersport-Zonenmeisterschaften in Oberhof. · ·LagerVäterchen,.dann .· . möchte ich nach · ; 12. Mai Ende der Blockade Westberlins. Die Westalliierten führen IDeutscliland.« die Luftbrücke noch bis September fort . .
-
'""
-:·_.
.
-
..
'··
. ' . ··_
-
. -. ,.,.- :
' .
'
.;_
t·
. ~
-
· ..·
- -~
-
-:,
-
.
'·
„.!
zu
.
\•;; ., -
<.
.
:;
~
.
.
.
..
.
' -
„_
.
..
-
f
.
.
. ·.
.
'
-
.
~
'•• .
„.,
.
.
-.
.
.
-
~
:.:
!;
.
„..
.
..,
"""
.
.
.
.
.
.
.
.
.
~
.
.
.
.
:.
.
-·--. ~.· ,"
!
•
-
••••
•
•
•• •. , ,.
. , ...,,..,...,. -
, ••~• .,,,,...,,...
· -,"1'-1
1
·' : · :
.
.
~
.
.
!
•
„' . -
·.:
,.
.
..•. .
.
.
'
"•!)
•
• "
• • ••• , • ~
. .-": ..
.
-
.
';·
,.
-
.
.'
,_
• 11
. .•,
•
•
•
;
•
.
•
••
.
„_,
•
.
•
•
•
.
'}:,
••
•
.
1.
•
„.-
•
•
„
-
'•
•
'• ·.· ··.·1:'- ./
„„,
' "i·.
~:..
; ' ••
~-
'
-;i •. ·'
,,.,,,_
:·
-.
:.:;
':-
.;#l
••
•
•• •
••
•
!
•
121
Zeittafel 1949 15./16. Mai 18. Mai 21. Mai •
Erstmalig Wahlen in der SBZ zum III. Deutschen Volkskongreß nach einer Einheitsliste des Demokratischen Blocks. Das Nationaltheater Weimar zeigt die deutsche Erstaufführung von Arthur Millers >>Alle meine Söhne<<. Die Zwickauer Horch-Werke liefern den ersten Traktor vom Typ >>Pionier<< (40 PS).
23. Mai Das >>Grundgesetz<< tritt in den Westzonen in Kraft. 23. Mai - 20. Juni Auf der letzten Konferenz des Rates der Außenminister der Alliierten wird lediglich Übereinkunft darin erzielt, den lnterzonenhandel wieder aufzunehmen. Erste Zonenmeisterschaften im Tischtennis, bei den Män23. Mai nern gewinnt die Mannschaft der BSG Carl Zeiss Jena, bei den Frauen die BSG Post Magdeburg. 27. Mai DEFA-Filmpremiere >>Quartett zu fünft<<, ein heiterer Film über den >>Männermangel<< nach dem Krieg. 29./30. Mai Der 111. Volkskongreß bestätigt den Verfassungsentwurf vom 19. März. 31. Mai Eröffnung der Ausstellung >>Mensch und Arbeit<< im Großen Saal des Berliner Stadtkontors.
Ein Berliner aus dem amerikanischen Sektor und einer aus dem sowjetischen treffen sich. Beide haben blaugefrorene Nasen. Fragt der erste: »Na, wie ist es bei euch im Sektor?« - »Kalt, eine Hundekälte haben wir!« Sagt der andere: »Na endlich mal etwas, das gerecht verteilt ist.«
»Wer war der erste Mensch, Fritz?« fragt der Lehrer. »Unser geliebter Stalin, Herr Lehrer«, brüllt Fritzchen. »Nein, so war es nicht gemeint«, erklärt der Lehrer, »der erste Mensch war Adam .« »Jaaa«, antwortet Fritzchen erstaunt, »wenn Sie die Kapitalisten mitrechnen!« 18. Juni 26. Juni 29. Juni 3. Juli 8. Juli 23. Juli 24. Juli 1. August 14. August 25. August
Wiedereröffnung der Nationalgalerie in Berlin. In der Fußball-Zonenmeisterschaft schlägt die Zentrale Sportgemeinschaft Halle Fortuna Erfurt mit 4:1. Einweihung der Landessportschule Thüringen in Bad Blankenburg. Im Potsdamer Lustgarten wird das Ernst-Thälmann-Stadion eingeweiht. DEFA-Filmpremiere >> Die Buntkarierten << von Kurt Maetzig, die Geschichte einer Berliner Arbeiterfrau. Das erste Zentrale Pionierlager >>Georgi Dimitroff <
Thomas Mann
Heinrich Mann
Zeittafel 1949
122 28. August
Erstmalige Vergabe des FDGB-Pokals an BSG Waggonbau Dessau-Nord im Spiel gegen die BSG Gera-Süd (1 :0).
28. August
Erstes Bergringrennen für Motorräder nach dem Krieg in Teterow.
2. September 7. September
Gründung des Kulturfonds. Konstituierende Sitzungen von Bundestag und Bundesrat in Bonn. Am 15.9. wird Konrad Adenauer Bundeskanzler. 9.-18. September Hunderttausende Zuschauer beim ersten Deutschen Amateuretappenrennen der Radsportler seit 1928 über 1186 km in sieben Etappen.
Konrad Adenauer •
Wolfgang Staudte
10. September Eröffnung der 2. Deutschen Kunstausstellung in der Dresdner Nordhalle mit rund 680 Exponaten aus allen vier Zonen Deutschlands. 10. September Der erste lnterzonenzug fährt von Berlin aus nach Hamburg, München und Frankfurt am Main. 16. September Der DEFA-Film >>Rotation<< von Wolfgang Staudte kommt in die Kinos. 25. September Paul Greifzu gewinnt das erste Nachkriegsrennen für Motorräder und Sportwagen auf dem Sachsenring. 1. Oktober An der Humboldt-Universität werden die ersten Studenten der Arbeiter- und-Bauern-Fakultät immatrikuliert. 7. Oktober Gründung der Deutschen Demokratischen Republik. Der Deutsche Volksrat konstituiert sich als Provisorische Volkskammer, setzt die Verfassung in Kraft und bestimmt Ost-Berlin zur Hauptstadt. 7. Oktober
Die Regierung Adenauer protestiert gegen die Gründung der DDR.
In einem Gefängnis sind die Häftlinge z11m Appell angetreten. »Mal herhören«, verkündet der Wärter. »Morgen kommt unser Präsident Wilhelm Pieck. « »Siehst du«, flüstert ein Häftling dem anderen zu, »ich habe immer gesagt, daß es mit dem kein gutes Ende nimmt.«
»Warum hat denn die für gestern angekündigte Versammlung nicht stattgefunden?« »Sie ist verschoben worden.« »Na hoffentlieh kriegen sie den Kerl.«
8. Oktober
Abkommen mit der BRD über den innerdeutschen Handel.
9. Oktober
Der erste internationale Sportwettkampf der DDR ist ein Fußballspiel zwischen einer ungarischen Auswahl der Gewerkschaften gegen eine Sachsen-Auswahl (2:1 ). Auflösung der SMAD und Gründung der Sowjetischen Kontrollkommission. Die Verwaltungsfunktionen werden der Provisorischen Regierung der DDR übertragen. Die Provisorische Volkskammer und die Provisorische Länderkammer wählen einstimmig den SED-Vorsitzenden Wilhelm Pieck zum Präsidenten der DDR.
10. Oktober
11. Oktober
11. Oktober
Erich Honecker überreicht Wilhelm Pieck das >>Gelöbnis der deutschen Jugend<< ~
123
Zeittafel 1949
12. Oktober
15. Oktober
Die Provisorische Volkskammer bestätigt die Provisorische Regierung der DDR aus Vertretern der SED, LDP, CDU, NDPD und DBD unter Leitung von Otto Grotewohl. Die Sowjetunion nimmt als erster Staat diplomatische Beziehungen zur DDR auf, bis zum 25. Oktober wird die DDR von Albanien, Bulgarien, China, Nordkorea, Polen, Rumänien, der Tschechoslowakei und Ungarn anerkannt. ..
.. .
. .
Im Zug nach Sibirien sitzen drei Männer. Fragt der eine sein Gegenüber: »Brüderchen, was hast du bekommen?« - »Fünf Jahre.<< »Und was hast·-du gemacht?« - »Ich war gegen Popow. Und du, Brüderchen, was hast du bekommen?« - »Auch fünf Jahre.« »Und was hast du gemacht?« - »Ich war für Popow«, antwortet der und wendet sich an den Dritten. »Brüderchen, was hast.du bekommen?«- »Auch fünf Jahre.« - »Und was hast du gemacht?« »Nichts habe ich gemacht. Ich bin Popow.«
Slatan Dudow
15. Oktober
Erstes internationales Abkommen der DDR: Handelsabkommen mit Finnland. 16. Oktober Dr. Marcellus Markus (Leipzig) erzielt mit 44,82 m im Hammerwerfen den ersten DDR-Rekord in Pirna. 7. November Die Nationalhymne der DDR, zwei Tage vorher durch den Ministerat beschlossen, wird erstmals vom Zentralen Orchester des Ministeriums des Innern auf dem Berliner August-Bebel-Platz öffentlich vorgetragen. 9. November Slatan Dudwos DEFA-Film >>Unser täglich Brot<< hat Pre• m1ere. 12. November Das Berliner Ensemble eröffnet an seiner vorläufigen Spielstätte im Deutschen Theater mit der Erstaufführung von Brechts >>Herr Puntila und sein Knecht Matti<<. Erwin Geschonneck als Matti. 21. November Die Berliner Frankfurter Allee wird in Stalinallee umbenannt. 1. Dezember Erstmals wird das FDJ-Abzeichen >>Für gutes Wissen<< verliehen. 8. Dezember Beschluß zur Errichtung des Obersten Gerichtshofes und der Generalstaatsanwaltschaft der DDR.
1949 verlassen 129 245 Menschen die SBZ bzw. die DDR. neue Bücher: Willi Bredel >>Die Söhne<<
Anna Seghers >>Die Toten bleiben • JUng<<
Elfriede Brüning >>Damit du weiterlebst<<
Stephan Hermlin >>Die Zeit der Gemeinsamkeit<<
Bodo Uhse >>Die heilige Kunigunde im Schnee<<
Anna Seghers >>Die Hochzeit von Haiti<<
Der >>Deutsche Sportausschuß<< ermittelt 1949/50 die besten Mannschaften der Vorsaison aus den ostdeutschen Ländern Brandenburg (2), Mecklenburg-Vorpommern (2), Sachsen (4), Sachsen-Anhalt (3) und Thüringen (3) in der sogenannten DSLiga einen Ostdeutschen Fußballmeister. Berliner Mannschaften dürfen sich wegen des Viermächte-Status · nicht beteiligen. Da während der Saison die DDR gegründet wird, geht der Gewinner dieser Meisterschaftsrunde, die ZSG Horch Zwickau, 1950 als erster DDR-Fußballmeister in die Geschichte ein.
124
Zeittafel 1950
1950 Vor einem Uhrengeschäft steht eine lange Schlange. Ein Passant fragt nach dem Grund. Man antwortet ihm: »Der Laden hat gerade eine Sendung Uhren aus Rußland bekommen.« - »Dann . stelle ich mich an. Vielleicht ist meine auch dabei.«
1. Januar 1. Januar
1.Januar 20. Januar 21. Januar 24. Januar 8. Februar
Als Hersteller für Medikamente wird der Betrieb >> VEB Jenapharm<< in Jena gegründet. Alle bisherigen Preissubventionen werden aufgehoben. Dadurch erhöhen sich die Preise für Lebensmittel, Genußmittel, Haushaltswaren sowie für industrielle und handwerkliche Produkte um 15°/o bis 30°/o. Auflösung der Internierungslager für ehemalige Naziaktivisten. Gesetz über den Volkswirtschaftsplan 1950. Die Mannschaft vom SC Berlin-Weißensee gewinnt die 1. DDR-Meisterschaft im Hallenhandball der Männer. Gründung der Zollverwaltung als >>Amt für Kontrolle des Warenverkehrs<<. Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS).
Werbeanzeige der Stasi: »Kommen Sie zu uns, bevor wir zu Ihnen kommen!« 8. Februar 15. Februar 17. Februar 1.-9. März
Arnold Zweig
2. März 19. März 24. März 27. März 30. März
Ein Volkspolizist fragt seinen Kalle• • gen, wie er zu seinem Staat steht. »Genauso wie du«, antwortet der vorsichtig. »Da muß ich dich leider verhaften.«
4. April 8. April
15.April 15.April
Das erste Jugendgesetz der DDR wird verabschiedet und regelt unter anderem die Förderung des Sports. Grundsteinlegung für den Wiederaufbau des Stahl- und Walzwerks Brandenburg (Havel). Das musikalische Lustspiel >>Der Kahn der fröhlichen Leute<< kommt in die Kinos. Erste DDR-Meisterschaften in Wintersportdisziplinen in Schierke, SG Frankenhausen wird DDR-Meister im Eishockey. Die erste Briefmarke, auf der >>DDR<< steht, erscheint. Bach-Ehrung der Jugend in Weimar, vier Tage vorher erklärt die DDR-Regierung das Jahr 1950 zum Bach-Jahr. Gründung der >>Deutschen Akademie der Künste<<, Präsident Arnold Zweig. Die Preise für Lebensmittel werden um 28°/o, die für Fertigwaren um 32°/o gesenkt. Das Ministerium für Volksbildung ordnet die Aufnahme des Sport- und Schwimmunterrichts in den Schulen an. Das Ministerium für Volksbildung verbietet das Abspielen von anglo-amerikanischer Tanzmusik in der Öffentlichkeit. Prozeß gegen die Gladow-Bande - der Al Capone von Berlin wollte Werner Gladow werden. Zwei Morde, fünfzehn Mordversuche und 34 schwere Überfälle werden von der Volkspolizei aufgeklärt. Mit 20 Jahren stirbt Gladow unter dem Fallbeil. Ab sofort wird täglich eine warme Mahlzeit an den Schulen ausgegeben. Premiere >>Der Hofmeister<< am Berliner Ensemble.
Zeittafel 1950 ZSG Horch-Zwickau gewinnt die 1. DDR-Meisterschaft im Fußball gegen SG Dresden Friedrichstadt mit 5:1. 19.April Das >>Gesetz der Arbeit<< wird verabschiedet und garantiert das Recht auf Arbeit. 21. April Der 8.5. als >>Tag der Befreiung vom Faschismus<< und der 7.10. als >>Tag der Staatsgründung<< werden Staatsfeiertage. 30. April - 9. Mai Erstmalige Teilnahme einer DDR-Mannschaft an der Friedensfahrt Warschau-Prag, 8. Platz in der Mannschaftswertung. 12. Mai DEFA-Filmpremiere >>Der Rat der Götter<< von Kurt Maetzig mit Herwart Grosse. 15. Mai Die Sowjetunion erläßt der DDR die Hälfte der noch zu zahlenden Reparationsleistungen. 17. Mai Herabsetzung der Volljährigkeit von 21 auf 18 Jahre. 22. Mai Uraufführung der >>Neuen Deutschen Volkslieder<< von Brecht/Eisler. 24. Mai Eröffnung des Pionierparks >>Ernst Thälmann << in der Wuhlheide in Berlin. 27.-30. Mai Erstes Deutschlandtreffen der Jugend in Berlin mit 700 000 Teilnehmern. Das Walter-Ulbricht-Stadion, später Stadion der Weltjugend, wird eingeweiht. 1. Juni Die erste Kindereisenbahn der DDR wird in Dresden eröffnet, ab 1.5.1951 als >> Pioniereisenbahn <<. 1. Juni Erster internationale Kindertag in der DDR. 2. Juni Kinopremiere >>Semmelweis, Retter der Mütter<<. 6. Juni Polen und die DDR erklären in Warschau die Oder-NeißeLinie zur endgültigen deutsch-polnischen Grenze. 7. Juni Die SED ordnet an einen neunmonatigen Abendkurs Marxismus-Leninismus für alle Parteimitglieder an, um gegen ideologische Angriffe der anglo-US-amerikanischen Kriegshetzer gewappnet zu sein. 11. Juni Erster Spatenstich für den Bau des Fernsehzentrums in Berlin-Adlershof. 24./25. Juni 1. DDR-Meisterschaften im Judo in Dresden. 29. Juni 350000 Berliner demonstrieren gegen die USA-Aggression und für Nordkorea. 4.-6. Juli II. Deutschen Schriftstellerkongreß und Gründung des Schriftstellerverbandes; Vorsitzender: Bodo Uhse. Das Finanzministerium ordnet an, alles Westgeld inner5.5. Juli halb drei Tage bei der deutschen Notenbank abzugeben, Ausnahme: Ostberliner, die in Westberlin arbeiten. 9. Juli In Mecklenburg findet erstmals ein >>Sporttag der Landjugend<< statt. Der Schachverband der DDR ist der erste, der in einen in12. Juli ternationalen Verband aufgenommen wird. 14.Juli Das Reiterstandbild Friedrichs II. Unter den Linden wird abgebaut und im Park von Sanssouci aufgestellt.
125
16. April
,
J
1
./
Herwart Grosse
Vor dem Gemüseladen steht ein lange Schlange. Endlich ist der pensionierte Studienrat dran. »Was kriegen Sie?« fragt die Händlerin. »Nichts, liebe Frau, ich wollte nur sagen, daß Sellerie mit zwei >l < geschrieben wird. cc
Bodo Uhse
Zeittafel 1950
126 20. Juli 21. Juli 20.-24. Juli 22./23. Juli
23. Juli 24. Juli
Louis Fümberg
27. Juli 28. Juli
Ein altes Mütterchen in Ostberlin steht vor einem riesigen Stalin-Plakat. »Wer ist das?« fragt es einen Passanten. »Das ist unser Befreier!« - »Sehr gut, ob der uns wohl auch von den Russen befreien kann?«
Stephan Herrn/in
1. August 4. -7. August 17. August
Das Stahl- und Walzwerk Brandenburg liefert den ersten Stahl. Eröffnung des Zoologischen Gartens in Magdeburg. Auf dem III. Parteitag wird in einem Fünfjahrplan der >>planmäßige Aufbau des Sozialismus<< beschlossen. Erste DDR-Meisterschaften in der Leichtathletik in Halberstadt, im Bahnradsport (Männer) in Zwickau und im Kanurennsport in Pirna. Die Deutsche Bachfeier beginnt in Leipzig unter der Ehrenpräsidentschaft von Albert Schweitzer. Erstmals erklingt Louis Fürnbergs >>Die Partei, die Partei, die hat immer recht ... << Die >> 16 Grundsätze des Städtebaus<< werden veröffentlicht: >>national in der Form, sozialistisch im Inhalt<<. Die Gebeine von Johann Sebastian Bach werden anläßlich seines 200 Todestages in der Leipziger Thomaskirche beigesetzt. Gründung des Progreß-Film-Vertriebs. Erste DDR-Meisterschaften im Schwimmen und Wasserspringen in Pirna. Die Regierung der DDR verabschiedet den Ersten Fünfjahrplan, der eine zentrale staatliche Planwirtschaft zur Verdoppelung der Industrieproduktion und Steigerung der Arbeitsproduktivität vorsieht.
Eine Kundin beschwert sich: »Gestern habe ich zwei Dosen Fisch gekauft. In der einen war nur Tomatensoße, in der anderen der Fisch. Wie geht denn das?« ", ·'·< »Sein Se froh, daß Se nicht die dritte erwischt haben, in der müssen wohl die Gräten gewesen sein.« Beginn des Aufbaus des >>Eisenhüttenkombinats Ost<<. 18. August 25./26. August 1. Deutscher Nationalkongreß der >>Nationalen Front<< in Berlin. Wilhelm Pieck erklärt den Nationalen Widerstand gegen die Besatzungsmächte in der BRD. 31. August Die >>Zeugen Jehovas<< werden aus der Liste der zugelassenen Religionsgemeinschaften gestrichen. 2. September Uraufführung des >>Mansfelder Oratoriums<<, Text Stephan Hermlin, Musik Ernst Hermann Meyer. 3. September Das Planetarium in Jena wird wiedereröffnet. 6. September Gesetz über die Errichtung des Patentamtes der DDR. 7. September Sprengung der Ruinen des Berliner Stadtschlosses. 15. September Wilhelm Pieck eröffnet die 1. Landwirtschaftsausstellung in Markkleeberg. 27. September Gesetz zum Schutz von Mutter und Kind und der Rechte der Frau. 29. September Die DDR wird Mitglied im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe.
Zeittafel 1950 1. Oktober 5. Oktober 7. Oktober 10. Oktober
15. Oktober
15. Oktober 22. Oktober
29. Oktober 1. November 8. November 16. November 19. November 20. November 30. November
8. Dezember
15. Dezember 20. Dezember
127
Eröffnung der Hochschule für Musik >>Hanns Eisler<< in Berlin. Der amerikanische Sänger Paul Robeson tritt in Berlin auf. Der Nationalpreis für Kunst und Literatur wird verliehen, u. a. an Arnold Zweig. Am Potsdamer Platz in Berlin (West) werden auf einer großen Leuchtschrifttafel Nachrichten in den Ostteil der Stadt übermittelt. Aus Berlin (Ost) wird die Propagandaaktion mit lautstarker Musik, u. a. mit dem Lied >>Ami, go home<<, beantwortet. Wahlen zur 1. Volkskammer, zu den Landtagen, Kreistagen und Gemeindevertretungen; gewählt werden die Kandidaten der Einheitsliste der Nationalen Front. In Berlin, Französische Straße, eröffnet das >>Cafe Praha<<. Gründung der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig mit 10 Lehrkräften; 96 Studenten nehmen ihr Studium auf. Erste DDR-Meisterschaft im Billard. Das erste >>Parteilehrjahr<< findet statt, rund eine Million SED-Mitglieder und Kandidaten nehmen daran teil. FDJ-Funktionärskonferenz unter der Losung >>Stürmt die Festung Wissenschaft<<. Eröffnung des Theaters der Freundschaft Berlin. In der neuerbauten Werner-Seelenbinder-Halle in Berlin wird die erste Winterbahn für Amateure im Radsport eröffnet. Die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe wird gebildet. ' Der Ministerpräsident Otto Grotewohl schlägt der Bundesregierung die Bildung eines >>Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates<< vor. DEFA-Kinderfilmpremiere >>Das kalte Herz<< von Paul Verhoeven mit einer Paraderolle Erwin Geschonnecks als Holländer-Michel; erster Farb- und Märchenfilm der DEFA. Die Volkskammer beschließt das >>Gesetz zum Schutz des Friedens<<. Nach Protesten und passivem Widerstand der Arbeiter werden in der DDR die kurz zuvor abgeschafften Weihnachtsgratifikationen vorerst wieder ausgezahlt.
1950 verlassen 197 788 DDR-Bürger das Land.
Torschützenkönig der Oberliga: Heinz Satrapa von der ZSG Horch Zwickau mit 23 Treffern
neue Bücher:
Stefan Heym >>Kreuzfahrer von F. C. Weiskopf >>Abschied vom Frieden<< heute<< Erich Loest Eduard Claudius >>Jungen, die übrig>>Vom schweren Anblieben<< fang<<
Paul Robeson
Oberliga-Plazierung 1950 1. ZSG Horch Zwickau 2. SG Friedrichstadt 3. BSG Waggonbau Dessau 4. BSG KWU Erfurt 5. ZSG Union Halle 6. BSG Franz Mehring Marga 7. BSG Märkische Volksstimme Babelsberg 8. ZSG Industrie Leipzig 9. BSG Einheit Meerane 10. BSG Hans Wedler Stendal 11. SG Gera Süd . 12. ZSG Altenburg 13. ZSG Anker Wismar 14. BSG Vorwärts Schwerin
Rechtliches
128
Nachweise •
Die Karikaturen stammen von Ferdinand Barlog: 13, 49, 65, 90 u., 105, 119 Gerhart Bergmann: 35 Herluf Bidstrup: SO, 72, 111 Hans Bradtke: 20, 68, 77 o., 78, 98, 113, 115 Harald Kretzschmar: 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127 Erwin Kutz: 24 Horst von Möllendorff: 52, 58 Mrawek: 37 Hansgeorg Myr: 31 u., 47 u., 57 o., 62, 77 u., 82, 87, 89, 971., Pinguin: 31 o., 39, 42, 94, 97 r. Karl Schrader: 85 Elizabeth Shaw: 22, 30, 40, 100 Günther Strupp: 17 Georg Wilke: 15, 27, 80, 102 Hermann Wilke: 31 m., 38, 90 o. Für die freundliche Genehmigung zum Abdruck danken wir den Autoren, Zeichnern, Erben, VG Bild (Bidstrup, Shaw). Zahlreiche Beiträge stammen aus den Zeitschriften »Frischer Wind« und »Ulenspiegel«; außerdem haben wir zeitgenössische Plakate abgedruckt. Nicht in allen Fällen ist es uns gelungen, Rechteinhaber und Rechtsnachfolger zu ermitteln. Berechtigte Honoraransprüche bleiben gewahrt.
Impressum Besuchen Sie uns im Internet www.sammelwerk.de Genehmigte Ausgabe für Sammler-Editionen in der Verlagsgruppe Weltbild, Steinerne Furt, D-86167 Augsburg Copyright © Eulenspiegel . Das Neue Berlin Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Berlin Umschlaggestaltung: Peperoni Werbeagentur GmbH, Berlin Umschlagmotiv: akg-images Druck und Bindung: Offizin Andersen Nexö Leizig, GmbH, Zwenkau Printed in the EU
ii&Wb '""'
i!
ßWFPF&
ICIF*KK
m
xt
=
ex
11
lA
1i
"
Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen "
• •
•
c: Q) c: 0
•
•
„
•
··1 '
„
-c
1 1 1
"-
Q)
06 52 234 015
E E
rc
V>
-c • .c ...., G.J 4 026411 190754