Regelungstechnik 2 für EIT Teil 2: Grundlagen der Signalabtastung
Version 1.0 Prof. Dr. David Zogg Institut für Automation IA Hochschule für Technik Fachhochschule Nordwestschweiz Windisch, Januar 2012
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David Zogg
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1.
Zweck
4
2.
Referenzen
4
3.
Symbol- und Abkürzungsverzeichnis
4
4.
Einführung
6
4.1.
Lernziele
6
4.2.
Praxisbeispiel „Prüfstand mit vertikaler Linearachse“
6
4.3.
Vom zeitdiskreten Regelkreis zum Abtast-/Halteglied
8
4.4.
Zeitdiskreter PID-Regler
10
4.5.
Rekursive Form des zeitdiskreten PID-Reglers
11
4.6.
Anwendung auf Bandwebmaschine
12
4.7.
Zusammenfassung
17
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1.
Zweck
Das vorliegende Skript dient als Grundlage für das Modul „Regelungstechnik 2“ (rt2) im 6. Semester des Studiengangs Elektro- und Informationstechnik (EIT). Im Modul „Regelungstechnik 1“ (rt1) des 5. Semesters wurde die Auslegung von zeitkontinuierlichen PID- und Zustandsreglern behandelt. Das vorliegende Modul „Regelungstechnik 2“ (rt2) befasst sich nun mit der zeitdiskreten Darstellung. Im vorliegenden zweiten Teil werden die Grundlagen der Signalabtastung vermittelt.
2.
Referenzen
[ 1 ] H. Mann, H. Schiffelgen, R. Froriep: Einführung in die Regelungstechnik, 11. Auflage, Hanser Verlag, München 2009 [ 2 ] M. Reuter, S. Zacher: Regelungstechnik für Ingenieure, 12. Auflage, Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden 2008 [ 3 ] H. Gassmann: Theorie der Regelungstechnink, 2. Auflage, Verlag Harri Deutsch, Rapperswil/Frankfurt 2003 [ 4 ] H.P. Geering: Regelungstechnik, 3. Auflage, Springer Verlag, Zürich/Berlin 1994
3.
Symbol- und Abkürzungsverzeichnis
A
Aktuator
A/D
Analog-Digital-Wandler
CAN
Controller Area Network (Realtime-Bussystem)
D/A
Digital-Analog-Wandler
e
Regelfehler
FOH
First Order Hold (Abtastung erster Ordnung)
G
Strecke (Übertragungsfunktion)
K
Regler (Übertragungsfunktion)
KP
Verstärkung P-Anteil
KI
Verstärkung I-Anteil
KD
Verstärkung D-Anteil
MU
Messumformer
PWM
Pulse Width Modulation (Pulsbreitenmodulation)
S
Sensor
s
Laplace-Operator
TA
Abtastzeit
TT
Totzeit
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TN
Nachstellzeit (I-Anteil)
TV
Vorhaltezeit (D-Anteil)
u
Eingangsgrösse (Stellgrösse, Steuergrösse)
w
Führungsgrösse (Sollwert)
x
Zustandsgrösse
y
Ausgangsgrösse (Messgrösse, Istwert)
ZOH
Zero Order Hold (Abtastung nullter Ordnung)
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4.
Einführung
4.1. Lernziele Lernziel Wesentliche Schritte der Signalabtastung im diskreten Regelkreis begreifen Gleichungen des zeitdiskreten PID-Reglers verstehen Zeitdiskreten PID-Regler implementieren können
Taxonomiestufe (Bloom) Verständnis Verständnis Anwendung
4.2. Praxisbeispiel „Prüfstand mit vertikaler Linearachse“ Zur Qualitätsprüfung in der industriellen Produktion werden häufig voll oder halb automatisierte Prüfstände verwendet. Im vorliegenden Beispiel handelt es sich um einen Prüfstand, welcher die Qualität von Bohrschrauben testet (Abbildung 1). Dazu wurde ein zweiachsiger Aufbau mit x- und y-Achse realisiert. Hier wird insbesondere die y-Achse (vertikal) betrachtet, welche durch einen Linearmotor angetrieben wird. Der Linearmotor kann sowohl im Kraft- wie auch im Positioniermodus gefahren werden.
Abbildung 1: Aufbau des Prüfstandes
Das Bedienpanel ist in Form eines Touch-Screens mit Tastatur realisiert (im Bild rechts). Auf dem Panel erscheinen die Anweisungen für das Bedienpersonal und die Auswertung der Messdaten. Die Software dazu ist in LabVIEW® realisiert.
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Die Maschinenrichtlinie schreibt vor, dass Massnahmen zum Schutz des Bedienpersonals getroffen werden. Deshalb wurde ein Lichtvorhang sowie ein Not-Aus-Knopf in Reichweite des Bedienpersonals implementiert. Diese Vorrichtungen müssen hardwaremässig alle Antriebe der Achsen blockieren. Somit ist ein sicherer halbautomatischer Betrieb gewährleistet. Der Schaltschrank ist Abbildung 2 gezeigt. Rechts ist der Controller der vertikalen Linearachse angeordnet, welcher das PWM-Signal für die Ansteuerung des Linearmotors erzeugt (PWM = pulse-width-modulated bzw. pulsbreitenmoduliert). Links daneben befindet sich der Sicherheits-Controller, welcher nach vorgegebenem Sicherheitslevel die Signale des Lichtvorhanges und des Not-Aus-Knopfs verarbeitet. Die I/O-Karte dient zur Ein- und Ausgabe der restlichen Steuer- und Messsignale. Als Spezialität ist hier noch ein zusätzlicher Realtime-Controller integriert, welcher als übergeordneter Regler funktioniert. Alle Komponenten sind per CAN-Bus miteinander verbunden und ein Industrie-PC übernimmt die Ablaufsteuerung sowie Bedienfunktionen.
Abbildung 2: Schaltschrank
Der Regelkreis für die vertikale Linearachse ist in Abbildung 3 dargestellt. Wie bei solchen Antrieben üblich, ist eine Kaskade von innerem Stromregler und äusserem Positionsregler realisiert. Der Controller der Linearachse übernimmt die Funktion des Stromreglers und gibt ein entsprechendes PWM-Signal an die Achse. Der übegeordnete Realtime-Controller übernimmt die Funktion des Positionsreglers. Als Alternative kann die Kraft auch direkt vorgegeben werden (Kraftmodus). Die Kraft ist proportional zum Strom. Der Sicherheitscontroller reagiert direkt auf die Signale von Lichtvorhang und Not-Aus und stellt die Achsen ab bzw. betätigt die Bremse. Die Bremse dient auch zum stromlosen Halten der vertikalen Achse mit Eigengewicht.
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Abbildung 3: Regelkreis für vertikale Linearachse (Signalflussbild)
Es muss nun zwischen der „analogen“ und „digitalen Welt“ unterschieden werden: • •
Die orangen Blöcke im Signalflussbild entsprechen der realen Regelstrecke mit Sensoren und Messumformer (MU), befinden sich also in der „analogen Welt“. Die blauen Blöcke sind digital realisiert. Dazu gehören der A/D-Wandler (A/D = Analog-Digital), die Regler (Controller) sowie die Erzeugung des PWM-Signals.
4.3. Vom zeitdiskreten Regelkreis zum Abtast-/Halteglied Die allgemeine Form des zeitdiskreten (digitalen) Regelkreises wurde im Skript Teil 1 bereits erwähnt und sei hier nochmals dargestellt (Abbildung 4). Im Vergleich zur Abbildung 3 wird hier der Regelkreis etwas vereinfacht und nur der äussere Positionsregler mit der Kraft als Stellgrösse (u) betrachtet. Demnach ist die Messgrösse (y) die Position, welche durch einen Encoder erfasst wird (abgetastete Werte yk).
Abbildung 4: Zeitdiskreter (digitaler) Regelkreis, allgemeine Form aus Skript Teil 1
Bei der Abtastung (A/D-Wandler) ist eine gewisse Signal-Auflösung vorgegeben, typischerweise 16 bit oder 12 bit. Bei einer Auflösung von 16 bit wird der gesamte Signalbereich in 215 Einheiten unterteilt, was Quantisierung genannt wird. Bei einem Signalbereich von 10 V (Volt) wäre die kleinste Einheit beispielsweise 10 V / 215 = 0.305 mV.
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In einem weiteren Schritt wird der zeitdiskrete Regelkreis nun vereinfacht durch das Abtast-/Halteglied beschrieben (Abbildung 5). Dieses beschreibt im Wesentlichen das Verhalten des A/D-Wandlers. Das Signal wird mit einer Abtastzeit T A abgetastet (Pulse yk*) und anschliessend während der Abtastzeit T A stückweise konstant gehalten (Treppenkurve yk).
Abbildung 5: Abtast-/Halteglied
Aus der Treppenkurve yk ist nun sofort ersichtlich, dass das resultierende Signal (gestrichelt) um eine gewisse Totzeit zum Original-Signal (durchgezogen) verschoben ist (Trick: Treppenkurve mit „zugekniffenem Auge“ anschauen). Die Totzeit entspricht gerade der halben Abtastzeit:
TT = (1)
TA 2
Das Totzeitelement kann mit dem Laplace-Operator s wie folgt dargestellt werden:
(2)
e − sTT
Abgetastete Systeme können also vereinfacht durch ein Totzeit-Element beschrieben werden. Dies führt auch zur vereinfachten Darstellung des zeitdiskreten Regelkreises in Abbildung 6. In dieser „quasi-kontinuierlichen“ Darstellung sind alle Elemente inkl. Regler K zeitkontinuierlich, und es wird nur ein Totzeitelement hinzugefügt.
Abbildung 6: Vereinfachter zeitdiskreter Regelkreis mit Totzeitelement (quasi-kontinuierlich)
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4.4. Zeitdiskreter PID-Regler In diesem Abschnitt soll nun ein zeitdiskreter Regler K am Beispiel des PID-Reglers näher betrachtet werden. Dazu wird der Regler K aus dem Regelkreis in Abbildung 4 ausgeschnitten und hat den abgetasteten Regelfehler ek als Eingang sowie die abgetastete Stellgrösse uk als Ausgang (Abbildung 7).
Abbildung 7: Zeitdiskreter Regler K
Es werden nun die einzelnen Anteile (P, I, D) des Reglers direkt in zeitdiskreter Schreibweise entwickelt. Der P-Anteil ist gleich wie im zeitkontinuierlichen Bereich definiert: (3)
uP ,k = K p ⋅ ek
Für den I-Anteil muss die Fläche unter der Kurve e integriert werden, was im zeitdiskreten Bereich einem Aufsummieren von Teilflächen entspricht. Die Teilflächen können nach verschiedenen Regeln berechnet werden. Nach der Rechteckregel (Abbildung 8 links) wird der aktuelle Wert ei mit der Abtastzeit TA multipliziert. Nach der Trapezregel (Abbildung 8 rechts) wird die Teilfläche des Trapezes mit dem letzten Wert ei-1 und dem aktuellen Wert ei berechnet.
Abbildung 8: Integration im zeitdiskreten Bereich nach Rechteck- und Trapezregel
Der I-Anteil nach Rechteckregel ist demnach die Summe aller Rechteck-Teilflächen: k
(4)
u I ,k = K I ⋅ T A ⋅
∑e
i
i =0
…und nach der Trapezregel die Summe aller Trapez-Teilflächen: k
(5)
u I ,k = K I ⋅ T A ⋅
∑ i =0
ei−1 + ei 2
Die Rechteckregel wird auch mit Integration nach Euler oder Zero-Order-Hold (ZOH) beschrieben. Der Begriff ZOH kommt von „Halten nullter Ordnung“, also konstant halten zwischen den Abtastzeitpunkten. Die Trapezregel kann auch als First-Order-Hold (FOH) bezeichnet werden. FOH kommt von „Halten erster Ordnung“, also lineare Interpolation mit konstanter Steigung zwischen den Abtastzeitpunkten.
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Nun bleibt noch der D-Anteil, bei welchem anstelle der Ableitung de/dt der Differenzenquotient gebildet wird: (6)
u D ,k =
KD ⋅ (ek − ek −1 ) TA
Die Steigung wird also durch die Differenz des aktuellen minus letzten Wertes ek – ek-1, dividiert durch die Abtastzeit TA berechnet. Alle drei Anteile werden noch mit den entsprechenden Verstärkungs-Konstanten KP, KI, KD multipliziert. Es wird auch sofort ersichtlich, wie die Abtastzeit TA in den Gleichungen für I- und D-Anteil eine wesentliche Rolle spielt. Zusammengefasst kann der PID-Regler nach Rechteckregel wie folgt dargestellt werden (geschlossene Form): k
u k = K p ⋅ ek + K I ⋅ TA ⋅
KD
∑e + T i
i =0
(7)
⋅ (ek − ek −1 )
A
…und nach Trapezregel (geschlossene Form): k
(8)
u k = K p ⋅ ek + K I ⋅ TA ⋅
∑ i =0
ei −1 + ei K D + ⋅ (ek − ek −1 ) 2 TA
4.5. Rekursive Form des zeitdiskreten PID-Reglers Für die Programmierung in einem Mikrokontroller ist statt der Summenbildung eine rekursive Schreibweise erforderlich, welche aus dem alten Wert von uk und den Werten von ek den neuen Wert von uk berechnet. Der P-Anteil bleibt auch rekursiv in der Form ( 3 ). Für den I-Anteil nach Rechteckregel lautet die rekursive Form: (9)
u I ,k = u I ,k −1 + K I ⋅ TA ⋅ ek
Für den D-Anteil lautet die rekursive Form:
u D,k = ( 10 )
KD ⋅ (ek − ek −1 ) TA
Die Form ( 9 ) wird auch „Linksregel“ genannt, da die Differenz zwischen aktuellem Wert ek und früherem Wert ek-1 „links“ davon gebildet wird. Für den PID-Regler wird bei jedem Zeitschritt k die Summe aus den rekursiven Anteilen gebildet: ( 11 )
uk = uP ,k + u I ,k + u D,k
Anstelle der einzelnen Berechung der P-, I-, und D-Anteile mit anschliessender Summation ( 10 ) ist es auch möglich, den vollständigen PID-Regler in rekursiver Form darzustellen.
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Dazu wird zunächst die geschlossene Form für den PID-Regler für den Zeitschritt k angegeben (Rechteckregel): k
u k = K p ⋅ ek + K I ⋅ T A ⋅
KD
∑e + T i
i =0
( 12 )
⋅ (ek − ek −1 )
A
…und zum Zeitschritt k-1: k −1
( 13 )
u k −1 = K p ⋅ ek −1 + K I ⋅ TA ⋅
∑e i =0
i
+
KD ⋅ (ek −1 − ek − 2 ) TA
Durch Bildung der Differenz von ( 12 ) - ( 13 ) und umformen kann der vollständige PID-Regler wie folgt rekursiv angegeben werden (Rechteckregel): ( 14 )
u k = u k −1 + b0 ⋅ ek + b1 ⋅ ek −1 + b2 ⋅ ek − 2
mit den Koeffizienten: ( 15 ) b0 = K P + K I TA +
KD TA
b1 = − K P − 2
KD TA
b2 =
KD TA
Übung: Berechnen Sie die Differenz ( 12 ) - ( 13 ) und verifizieren Sie das Resultat. Wird anstelle von ( 12 ) und ( 13 ) die Trapezregel verwendet, so folgt: k
( 16 )
u k = K p ⋅ ek + K I ⋅ T A ⋅
∑ i =0
ei + ei −1 K D + ⋅ (ek − ek −1 ) 2 TA k −1
( 17 ) ( 18 ) ( 19 )
ei + ei −1 K D + ⋅ (ek −1 − ek − 2 ) 2 TA i =0 u k = u k −1 + b0 ⋅ ek + b1 ⋅ ek −1 + b2 ⋅ ek − 2 T K T K b0 = K P + K I A + D b1 = − K P + K I A − 2 D 2 TA 2 TA u k −1 = K p ⋅ ek −1 + K I ⋅ TA ⋅
∑
b2 =
KD TA
Buch [ 1 ], Seite 247, Bild 6.12 gibt eine tabellarische Übersicht zu den digitalen PID-Regelalgorithmen für Rechteck- und Trapezregel.
4.6. Anwendung auf Bandwebmaschine In diesem Abschnitt sollen nun die zeitdiskreten PID-Regler auf ein reales Beispiel aus der Industrie angewandt werden. Moderne Bandwebmaschinen führen die Schäfte nicht mehr rein mechanisch über Nockenwellen-Hebel-Mechanismen, sondern über einen elektromechanischen Schaftantrieb basierend auf dem Prinzip des Linearmotors. Jeder Schaft führt einen oder mehrere Kettfäden, welche in Auf- und Abwärtsbewegung ein vorgegebenes Webmuster ergeben. Eine Webmaschine enthält mehrere Schaftantriebe. Das Prinzipbild eines Schaftantriebes ist in Abbildung 9 gegeben. Der Linearmotor ist durch eine stromdurchflossene Spule realisiert, welche sich in einem permanenten Magnetfeld bewegt. Zudem ist die bewegte Masse gefedert, damit ein Teil der Bewegungsenergie aus der Schwingungsenergie des Feder-Masse-Systems gewonnen werden kann.
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Abbildung 9: Prinzipbild eines Schaftantriebes mit Spule und Feder-Masse-Schwinger
Das mechanische Modell ist durch die Bewegungsgleichung ( 20 ) des Feder-MasseSchwingers gegeben. ( 20 )
F = k M* ⋅ i
m&x& + k R x& + k F x = F
mit m als bewegte Masse, kR als Reibungskoeffizient, kF als Federkonstante und kM* als Motorkonstante. F ist die Antriebskraft des Linearmotors, x der Verschiebungsweg und i die Stromstärke, welche durch die Spule fliesst. Das elektronische Modell ist durch die Gleichung der bewegten Spule ( 21 ) gegeben. ( 21 ) U = v ⋅ k M + i ⋅ R + L ⋅
di dt
v = x&
mit kM als Koeffizient der Gegeninduktion, R als Widerstand und L als Induktivität der Spule. U ist die vorgegebene Spannung, v die Geschwindigkeit, mit welcher sich die Spule im Magnetfeld bewegt und i die Stromstärke. Damit ist die Regelstrecke bereits modelliert. Die beiden Gleichungen ( 20 ) und ( 21 ) sind über die Stromstärke i und die Geschwindigkeit v gekoppelt, während die Spannung U als Stellgrösse vorgegeben wird. Die Werte der Parameter sind im File RT2_Lektion2_Bandwebmaschine_Init.m gespeichert, während das Modell inklusive Regelung im Simulink-File RT2_Lektion2_Bandwebmaschine.mdl ist (Abbildung 10).
Abbildung 10: Simulink-Modell mit Regelstrecke und Regler (oberste Schicht)
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Hier interessiert nun der Regler-Block in Abbildung 11. Analog zu Abbildung 3 (vertikaler Linearmotor für Prüfstand) ist hier eine Kaskade mit übergeordnetem Positionsregler (Position PID Controller) und untergeordnetem Stromregler (Current PID Controller) realisiert. Zudem ist eine Positions-Vorsteuerung (Position Feedforward) vorgesehen, um vorgegebene Trajektorien schneller fahren zu können und den restlichen Regelkreis zu entlasten. Die zeitliche Abtastung des Positionssignales s_ist und des Stromsignales i_ist ist durch Zero-Order-Hold-Blöcke realisiert. Für die beiden Regler werden ebenfalls zeitdiskrete PID-Regler-Blöcke verwendet. Beim Stromregler wird die Stellgrösse durch einen zusätzlichen PWM-Block in ein pulsbreitenmoduliertes Spannungs-Signal U_Stell gewandelt, wie dies in der Realität durch eine H-Brücke geschieht. Die Abtastzeit des inneren Stromreglers ist wesentlich schneller gewählt als diejenige des äusseren Positionsreglers. Der Stromregler ist hier als reiner P-Regler parametriert, während der Positionsregler als vollständiger PID-Regler parametriert ist. Als Integrationsmethode wird „Trapezoidal“ gewählt, um höchstmögliche Genauigkeit zu haben.
Abbildung 11: Regler-Block mit Kaskade (Positions- und Stromregler)
Die Antwort des Systems auf eine vorgegebene Positions-Trajektorie ist in Abbildung 12 dargestellt. Bei dieser Trajektorie wird der Schaft zunächst in eine obere Startposition gefahren, um nachher mehrere Sinus-Schwingungen für den Webzyklus auszuführen.
Abbildung 12: Positions-Sollwert (s_soll gelb) und Istwert (s_ist magenta) bei vorgegebener Trajektorie. Bis t = 0.5 sec Hochfahren auf Startposition mit Nachfolgenden Sinus-Schwingern.
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Die Sinus-Schwingungen sind in der Nähe der Eigenfrequenz des Masse-FederSchwingers gewählt, so dass fast eine freie Schwingung mit minimalem Stromverbrauch entsteht. Trotzdem wird auch während dieser Phase geregelt. Abbildung 13 zeigt den Strom-Sollwert und Istwert für den untergeordneten Stromregler. Der Strom-Sollwert kommt aus dem übergeordneten Positionsregler. In der Vergrösserung (rechts) sind deutlich die Treppenstufen im Signal zu erkennen aufgrund der Signalabtastung (gelbe Kurve). Die „Sägezahnkurve“ im Strom-Istwert (magenta Kurve) ist als Antwort auf das PWM-Signal zu deuten, welches noch schneller getaktet ist.
Abbildung 13: Strom-Sollwert (i_soll gelb) und Istwert (i_ist magenta). Rechts: Ausschnitt aus Signalverlauf mit Treppenstufen in i_soll (Abtastung) und „Sägezahnkurve“ in i_ist (Antwort auf PWM)
Abbildung 14 zeigt nun das PWM-Spannungs-Signal (gelb, sehr hohe Taktung), welches als Stellgrösse auf die Regelstrecke wirkt. Das resultierende Stromsignal (magenta) ist „sägezahnförmig“ (rechts) mit Anstiegen bei PWM=hoch und Abfällen bei PWM=null. Genau genommen sind es exponentielle Verläufe aufgrund der Induktion L in der Spule, in dieser kurzen Anstiegs- und Abfallzeit aber als „Sägezahn“ erkennbar.
Abbildung 14: Stellgrösse Spannung (U_stell gelb) und resultierender Strom-Istwert (i_ist magenta). Rechts: Ausschnitt aus Signalverlauf mit „Sägezahnkurve“ in i_ist (Antwort auf PWM in Spannung, gelbe vertikale Linien)
Bei eingeschalteter Positions-Vorsteuerung (Feedforward) kann der Positions-Regler entlastet werden, was in Abbildung 15 deutlich zu erkennen ist. Die Vorsteuerung (gelbe Kurve) übernimmt das Hochfahren in die Startposition fast vollständig, der Regler (magenta Kurve) muss nur noch schwach eingreifen (er kann auch ganz ausgeschaltet wer-
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den). Nach dem Hochfahren wird die Vorsteuerung ausgeschaltet und es herrscht wieder (fast) freie Schwingung vor. In dieser Phase sind ebenfalls nur relativ kleine Korrekturen des Reglers notwendig, um den vorgegebenen Sinus einzuhalten.
Abbildung 15: Wirkung der Positions-Vorsteuerung (Feedforward). Strom-Sollwert aus Vorsteuerung (i_soll_FF gelb), Strom-Sollwert aus Positionsregler (i_soll_Contr magenta). Vorsteuerung wird bei t = 0.5 sec ausgeschaltet.
Die hier gewählte Lösung mit kaskadiertem Positions- und Stromregler sowie nachgeschalteter Pulsbreitenmodulation PWM kann als Standardlösung sowohl für lineare wie auch rotative Antriebssysteme angeschaut werden. In speziellen Fällen kann eine zusätzliche Kaskade mit Geschwindigkeitsregler implementiert werden. Die Vorsteuerung ist eine wichtige Methode, um die Regler bei vorgegebenen Sollwertverläufen zu entlasten (Folgeregelung, Bahnregelung). Es wurde auch klar ersichtlich, dass die reale Welt „digital“ ist, d.h. es wurden zeitdiskrete PID-Regler mit Signalabtastung verwendet und das Stellsignal ist in Form eines PWM-Signals sowieso „digital“ (binär). Übungen:
•
•
•
Analog/Digital. Sie können im Regler-Block auf analoge Regelung „umschalten“, indem Sie die beiden PID-Regler auf „Continuous-Time“ schalten (Doppelklick auf Block zeigt Parameter an). Sie müssen die beiden Zero-Order-HoldBlöcke entfernen und im PWM-Block den Schalter umstellen (deaktiviert PWM). So können Sie das System mit analogen Reglern simulieren und mit dem digitalen Reglern vergleichen. Regelparameter optimieren. Im analogen oder digitalen System können Sie die Regelparameter von Hand optimieren (Doppelklick auf PID-Block zeigt P-, Iund D-Parameter an). Vergleichen Sie, wie weit Sie die Reglerparameter für den analogen und digitalen Fall verändern können. Versuchen Sie dazu, die Abtastzeiten und Integrationsmethoden zu variieren (Parameter „Sample time“). Wann bleiben die Regler noch robust? Mit/ohne Vorsteuerung. Schalten Sie die Vorsteuerung (Feedforward) aus (Schalter im Regler-Block). Wie genau können Sie dem Positions-Sollwert noch folgen? Optimieren Sie die Regelparameter, damit Sie auch ohne Vorsteuerung einigermassen folgen können (Tipp: Erhöhen Sie P- und I-Anteil, sowie ev. den D-Anteil). Beachten Sie dabei, was die Stellgrösse (Stromwert) macht! Was ist zur Robustheit zu sagen?
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4.7. Zusammenfassung Gelerntes Der wesentlichen Schritte der Signalabtastung wurden verstanden: Der A/D-Wandler kann als Abtast-/Halteglied vereinfacht werden, was in einer Totzeit resultiert. Diese ist gleich der halben Abtastzeit. Die Gleichungen des zeitdiskreten PID-Reglers wurden verstanden: Der P-Anteil ist gleich wie im zeitkontinuierlichen Fall Der I-Anteil kann nach der Rechteck- oder Trapezregel gebildet werden Für den D-Anteil muss der Differenzenquotient gebildet werden (z.B. Linksregel) In den I- und D-Anteilen spielt die Abtastzeit eine Rolle! Für die Programmierung wird die rekursive Form verwendet. Die zeitdiskreten PID-Regler können implementiert werden. Anhand eines realen Beispieles (Bandwebmaschine) wurde eine typische Implementation vorgenommen (auf Simulationsbasis). Die Kaskadierung von zeitdiskreten Positions- und Stromreglern mit PWM ist Standard in der Antriebstechnik. Vorsteuerungen entlasten die Regelkreise! In der Realität müssten nun die zeitdiskreten PIDAlgorithmen auf der Hardware programmiert werden (rekursive Form).
Lernziel erreicht? ☺☺☺
☺☺☺
☺☺
Ausblick Wir wissen nun, wie ein PID-Regler funktioniert und dass das Verstellen der Parameter einen Einfluss hat auf die Robustheit. Aber wie ist dieser Einfluss genau? Wie sieht der Frequenzgang und die Phasenreserve für abgetastete Systeme aus? Wie muss ich die Abtastzeit (Abtastrate) wählen? Genau diesen Fragen wollen wir im nächsten Teil auf den Grund gehen.
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