4 0 0 2 / 2 t f e H Zeitschrift für historische Bildung
Militärgeschichte
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Militärgeschichte im Bild: Truppenfahnen für die Bundeswehr
Widerstand in Uniform Festung Wülzburg Kampf um Tsingtau Tsingtau 1914
Militärgeschichtlichess Forschungsamt Militärgeschichtliche
MGFA
IMPRESSUM
Militärgeschichte Zeitschrift für historische Bildung Herausgegeben
Editorial
vom Militärgeschichtlichen Forschungsam Forschungsamtt durch Kapitän z.S. Dr. Jörg Duppler und Oberst i.G. Dr. Hans Ehlert (V.i.S.d.P.) Produktionsredakteur der aktuellen Ausgabe:
Major Heiner Bröckermann M.A. Redaktion:
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Redaktion »Militärgeschichte« Militärgeschichtliches Forschungsamt Postfach 60 11 22, 14411 Potsdam Telefon: (03 31) 97 14 -569 Telefax: (03 31) 97 14 -507 Homepage: www. mgfa.de Technische Technisc he Herstellung:
MGFA, Schriftleitung
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as nützt uns die Tradition Tradition des 20. Juli J uli 1944? Müssen wir sie heute noch pegen, wo doch aktuelle Krisen unsere Aufmerksamkeit in andere Regionen lenken? Der erste Bundespräsident Theodor Heuss hatte 1954 anlässlich des 10. Jahrestages des Staatsstreichs von 1944 in seiner Rede »Dank und Bekenntnis« mahnend festgestellt: »Das Vermächtnis ist noch in Wirksamkeit, die Verpichtung noch nicht eingelöst.« Im Fußball war man damals gerade Weltmeister geworden, im Bewältigen der Vergangenheit tat man sich schwerer. Die vielfältigen Lasten von Wiederaufbau, Vertreibung und Besatzung lenkten das Interesse der Bevölkerung lange Zeit verstärkt auf das eigene Schicksal und Leiden hin. Die Mehrheit der Gesellschaft hatte bekanntlich keinen Widerstand geleistet. Und die Angst stand im Raum, durch die Pege einer Tradition des 20. Juli 1944 die Erinnerung an den »ehrenvoll kämpfenden Soldaten« abwertend in den Hintergrund zu rücken. Bundespräsident Heuss schaffte die Gratwanderung und verband auch mit Blick auf seine eigene Biograe die damals scheinbar unvereinbaren Seiten. Die weitere Geschichte der Bundesrepublik bewies, dass man tatsächlich den festen Willen hatte, aus der Vergangenheit zu lernen und deren Fehler in einer modernen Demokratie nicht zu wiederho wiederholen. len.
Manuskripte für die Militärgeschichte werden an diese Anschrift erbeten. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird nicht gehaftet. Durch Annahme eines Manuskriptes erwirkt der Herausgeber auch das Recht zur Veröffentlichung, Übersetzung usw usw.. Honorarabrechnung erfolgt jeweils nach Veröffentlichung. Die Redaktion behält sich Kürzungen eingereichter Beiträge vor. Nachdrucke, auch auszugsweise, fotomechanische Wiedergabe und Übersetzung sind nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung durch die Redaktion und mit Quellenangaben erlaubt. Dies gilt auch für die Aufnahme in elektronische Datenbanken und Vervielfältigungen vielfältigunge n auf CD-ROM. CD- ROM. Die Redaktion hat keinerlei Einuss auf die Gestaltung und die Inhalte derjenigen Seiten, auf die in dieser Zeitschrift durch Angabe eines Link verwiesen wird. Deshalb übernimmt die Redaktion keine Verantwortung für die Inhalte aller durch Angabe einer Linkadresse in dieser Zeitschrift genannten Seiten und deren Unterseiten. Dieses gilt für alle ausgewählten und angebotenen Links und für alle Seiteninhalte, zu denen Links oder Banner führen.
Das Beispiel des Widerstandes vom 20. Juli 1944 hält für uns kein Patentrezept zur Bekämpfung von Terrorismus Terrorismus und gegen internationale Krisen parat. Es bietet uns jedoch eine Orientierung, Orientierung, die in einem Feldlager in AfghanisAfghanistan ebenso gültig ist wie in einer Kaserne in Deutschland. Denn unser soldatischer Gehorsam ist an das Recht, die Menschenwür Menschenwürde de und das persönliche Gewissen gebunden. Wer Freiheit verteidigt, muss auch in Freiheit dienen können. Als Bürger und Soldat Zivilcourage zu zeigen, heißt schließlich, seine eigene Meinung auch in Anbetracht persönlicher Nachteile zu vertreten und damit die Konsequenzen seines Handelns zu tragen.
© 2004 für alle Beiträge beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA)
Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen
Insofern sind Stauffenberg, Tresckow und andere Widerstandskämpfer keine fernen Helden, sondern Vorbilder Vorbilder für unser heutiges rechtsstaatliches Denken und Handeln in Uniform, dem Vermächtnis des deutschen Widerstandes. Ein Symbol dieser Rechtstaatlichkeit in den Streitkräften ist auch unsere TrupTruppenfahne, die unsere aktuelle Zeitschrift als Titelbild und Schlussartikel quasi einrahmt. Diese Ausgabe der Militärgeschichte zeigt Facetten des Widerstandes in Uniform an Personen wie Caesar von Hofacker und den Brüdern von Boeselager auf. Der geplante Artikel zur Atombewaffnung Atombewaffnung ist zugunsten eines Beitrages zur Festungsgeschichte entfallen und wird später nachgeholt. Unsere Serie zum Ersten Weltkrieg setzen wir mit einem Artikel zum Kampf um Tsingtau 1914 fort.
Sollten nicht in allen Fällen die Rechteinhaber ermittelt worden sein, bitten wir ggf. um Mitteilung.
Druck:
SKN Druck und Verlag GmbH & Co., Norden ISSN 0940-4163
Heiner Bröckermann M.A.
Major
4 4 9 1 « e z n a h c s s f l o W » r e d o t o F d n u l e d o M , A F G M : o t o F
D i e
A u t o r e n
Inhalt • Soldaten für den Staatsstreich Die Heeresgruppe Mitte und der 20. Juli 1944
Thomas Reuther M.A., geboren 1973 in Mannheim, Oberleutnant und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am MGFA, Potsdam
• Caesar von von Hofacker und der militärische Widerstand • Die Festung Wülzburg
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• Auf verlorenem Posten Der Kampf um das deutsche Pachtgebiet Kiautschou im Ersten Weltkrieg Weltkrieg Dr. Eberhard Birk , Dr. Eberhard geboren 1967 in Heilbronn, Dozent für Militärgeschichte an der Ofzierschule der Luftwaffe, Fürstenfeldbruck
Dr. Dorothee Reimann, Reimann, geboren 1947 in Jena, Redakteurin bei MONUMENTE, dem Förderermagazin der Deutschen Stiftung Denkmalschutz
Lars Nebelung M.A., geboren 1971 in Bonn-Bad Godesberg, Archivreferendar beim Landesarchiv Berlin
• Service
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Das historische Stichwort: Vor 60 Jahren: Die alliierte Invasion in der Normandie am 6. Juni 1944
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Medien online / digital
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Lesetipp
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Ausstellungen
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Geschichte kompakt
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• Militärgesch Militärgeschichte ichte im Bild Truppenfahnen für die Bundeswehr
Fahnenübergabe am 7. Januar 1965 an das Wachbatallion Wa chbatallion durch Bundespräsident Heinrich Lübke. Foto: bpa/Ludwig Wegmann
Weitere Mitarbeiter Mitarbeiter dieser dieser Ausgabe: Oberstleutnant Dr. D r. Gerhard P. Groß, MGFA; Oberst Dr. Winfried Heinemann, MGFA; Hauptmann
Clemens Heitmann M.A., MGFA; Oberstleutnant Dr. Burkhard Köster, BMVg Bonn; Fregattenkapitän Herbert Kraus M.A., MHM Dresden; Dr. Andreas Kunz M.A., Bundesarchiv/Außenstelle Ludwigsburg; Dr. Gerhard Wiechmann, Oldenburg
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Widerstand in Uniform
Soldaten für den Staatsstreich Die Heeresgruppe Mitte und der 20. Ju Julili 1944
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berst i.G. (im Generals Generalstab) tab) Henning von Tresckow arbeitete im Spätsommer 1943 zusammen mit Oberstleutnant i.G. Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Major i.G. Hans-Ulrich von Oertzen die Pläne für den Sturz des NS-Regimes aus. Zwei Phasen lassen sich unterscheiden: Zunächst sollte das Militär zeitgleich mit der Verhaftung von Gestapobeamten und Parteifunktionären die vollziehende Gewalt übernehmen. Unabdingbare Voraussetzung und somit Auftakt der gesamten Erhebung war die Tötung Hitlers durch ein Attentat. Zuverlässige Truppen mit gewachsenem Zusammenhalt, die unter der Führung eingeweihter Ofziere eingesetzt werden konnten, gab es im Großraum Berlin nicht. Die Planung des Staatsstreiches beruhte auf der möglichst lange aufrecht zu erhaltenden Fiktion eines Putsches von SS und Parteikreisen, Parteikreis en, den es niederzuschlagen galt. In der zweiten Phase sollte eine neue politische Führung die Regierungsgeschäfte übernehmen. Dabei sollte Tresckow als neuer »Chef der Deutschen Polizei« den Staatsstreich mit vollenden und die neue Regierung absichern. Abgesehen vom Scheitern sahen die Verschwörer in einem Bürgerkrieg gegen regimetreue Truppen oder im Zusammenbruch von Frontabschnitten im Osten die größten Gefahren des Unternehmens. Als designierter »Chef der deutschen Polizei« und seit dem 1. Dezember als Generalstabschef der 2. Armee sah sich Tresckow im Falle des Staatsstreiches mit beiden Gefahren konfrontier konfrontiert.t. Die 2. Armee gehörte zur Heeresgruppe Mitte, in deren Stab Tresckow bereits 4
1941 als 1. Generalstabsofzier einen Verschwörerkreis um sich gebildet hatte. Im Februar 1943 hatte er zudem die Organisation der Aufstellung des »Reiterverbandes Boeselager«, dem späteren Kavallerieregiment Mitte unter der Führung von Oberstleutnant Georg Freiherr von Boeselager, übernommen. Die Schwadronen [Kompanien Juli 1944 der Handlungsrahmen des der Kavallerie] dieser Neuaufstellung zum Generalmajor beförderten Treswaren einsatzerfahren, und ein kleiner ckow bei der 2. Armee, der seine Teil des Ofzierkorps wurde in die Maßnahmen im Sinne der VerschwöVerschwörung eingeweiht. Aber noch rung grundsätzlich mit militärfachliim selben Jahr verlor die Verschwö- chen Argumenten verschleiern musste. rung innerhalb der Heeresgruppe Mitte Am 14. Juni hatte er Stauffenberg durch Personalveränderungen ihre seinen dringenden Rat zum Staatsaktive Rolle im Widerstand. Im Stab streich übermitteln lassen. Am 1. Juli der 2. Armee A rmee hatte h atte Tresckow geringere geringere erhielt er eine Antwort des frisch beförWirkungsmöglichkeiten für den d en Wider- derten Oberst i.G., die baldiges Hanstand als im Stab der Heeresgruppe. deln ankündigte. Unabhängig davon Als Vertrauter war dort anfangs nur entsandte Tresckow Georg von BoeOberleutnant der Reserve Fabian von selager nach Paris, um den Sturz des Schlabrendorff. Es gelang Tresckow NS-Regimes möglicherweise möglicherweise durch ein aber, dass die durch Kämpfe aufgerie- Zusammenwirken mit den Westalli bene Kavallerie bei der 2. Armee neu ierten zu erreichen. Boeselager fand und in größerem Umfang aufgestellt jedoch am 7. Juli beim Oberbefehlshawurde. Aus dem Kavallerieregiment ber West, Generalfeldmar Generalfeldmarschall schall GünMitte wurde so die 3. Kavalleriebri- ther von Kluge, keine Bereitschaft zum gade, die mit neuer Bewaffnung und Handeln und kehrte an die Ostfront einer Stärke von 16348 Mann zum zurück. Am 8. Juli ließ Tresckow Oert1. Juli 1944 ihre Einsatzbereitschaft zen von der Front holen. Mit einem meldete. Tresckow holte außerdem Flugzeug wurde er nach Warschau zwei enge Vertraute und Freunde zu geogen, um von dort in einem Nachtsich, Oertzen und Georg von Boesela- zug nach Berlin zu fahren. Ab dem ger. Letzterer war verwundet worden folgenden Tag stand er der Verschwöund befand sich ohne Kommando im rung dort zur Verfügung. Tresckow Armeestab. Es war beabsichtigt, ihn informierte zudem die Verschwörer später mit der Führung der 3. Kav.- in seinem Umfeld über den bevorBrigade zu beauftragen. stehenden Staatsstreich, so zum Beispiel den Generalstabschef der südlich Ab dem 22. Juni 1944 zerschlugen die benachbarten 4. Panzerarmee, Oberst sowjetischen Streitkräfte drei der vier i.G. Georg Schulze-Büttger, am 10. Juli. Armeen der Heeresgruppe Mitte. Die Ein Anruf aus Berlin am 12. Juli orien2. Armee war nicht angegriffen worden. tierte ihn über das unmittelbare BevorSie musste eine neue Front aufbauen, stehen des Attentats. Zu dieser Zeit an der sie verlustreich nach Westen teilte er auch Major Philipp Freiherr gedrängt wurde. Die Armeeführung von Boeselager bei einem Frontbesuch befand sich dabei in einem sich zuspit- mit: »Passen Sie auf sich auf! Wir brauzenden Gegensatz zur Heeresgrup- chen Sie bald!« Dem Abteilungskompenführung, die möglichst bald eine mandeur in der 3. Kav.Brigade war klar, Haltelinie gegen den weit überlege- was gemeint war, denn sein Bruder nen Angreifer erzwingen wollte. Der Georg hatte ihn Wochen zuvor über Gestaltungsraum des Armeeoberkom Armeeoberkom-- den beabsichtigen Einsatz von Frontmandos wurde eingeengt. Dies war im einheiten in Berlin informiert.
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Der militärische Widerstand
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ar es ein »Aufstand des Gewissens« oder ein Militärputsch? Oberst i.G. Claus Graf von Stauffenberg war einer der brillantesten brillan testen Generalstabsofziere seiner Generation – können es da nur ethisch-moralische Antriebe gewesen sein, die ihn dazu trieben, den Umsturz des NS-Regimes zu planen?
Henning von Tresckow
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Ludwig Beck
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Am Anfang des militärischen Widerstandes, schon 1938, standen durchaus militärisch- der Deutschen Armee, in Sonderheit des fachliche Überlegungen. General Ludwig Deutschen Ofzierkorps betrachtet.« – verBeck, der Chef des Generalstabs des Heeres, letzt war vor allem die »Ehre« ! lehnte Hitlers Kriegspolitik nicht etwa deshalb ab, weil ihm Krieg an sich zuwider war, Aber zunehmend zunehmend wurde wurde solchen traditionell, sondern weil nach seiner Lagebeurteilung ein auch streng religiös erzogenen Ofzieren die Krieg gegen die Tschechoslowakei ein Ein- moralische Dimension ihres Tuns bewusst; greifen Frankreichs und damit unausweich- Hauptmann Axel von dem Bussche etwa lich die deutsche Niederlage nach sich ziehen schloss sich der Opposition an, nachdem musste. In diesen Zusammenhang gehören er Zeuge eines Massakers in der Ukraine seine Sätze: »Es stehen hier letzte Entschei- geworden war. Generalmajor Helmuth Stieff dungen für den Bestand der Nation auf dem schrieb an seine Frau: »Wir alle haben so viel Spiel; die Geschichte wird diese Führer mit Schuld auf uns geladen – denn wir sind ja einer Blutschuld belasten, wenn sie nicht mitverantwortlich –, daß ich in diesem angenach ihrem fachlichen und staatspolitischen henden Strafgericht nur eine gerechte Sühne Wissen und Gewissen handeln. Ihr soldati- für alle die Schandtaten sehe, die wir Deutscher Gehorsam hat dort eine Grenze, wo schen in den letzten Jahren begangen bzw. ihr Wissen, ihr Gewissen und ihre Verant- geduldet haben.« wortung die Ausführung eines Befehls verbietet.« Als Hitler nicht einlenkte, einlenkte, zog Beck Der Major i.G. Claus Graf von Stauffenberg die letzte ihm damals denkbar erscheinende von der Organisationsabteilung des OberKonsequenz – er trat zurück. kommandos des Heeres pegte Vorträge über die Kriegsspitzengliederung des Reiches mit Die Widerstandsgruppe an der Ostfront, die der Bemerkung einzuleiten: »die Kriegsspitsich im Kern bereits 1941 gebildet hatte, zengliederung der deutschen Wehrmacht sei bezog ihre Motivation vor allem aus den noch blöder, als die befähigsten Generalvielen Verbrechen, Verbrechen, deren Zeuge die Ofziere stabsofziere sie ernden könnten, wenn geworden waren. Das zentrale Verbrechen sie den Auftrag bekämen, die unsinnigste aber beging für sie Hitler an der Wehrmacht, Kriegsspitz Kriegsspitzengliederung engliederung zu ernden« . Hinter vor allem am Heer: Die dilettantische Krieg- dieser apsigen Formulierung steckte durchführung, etwa die unsinnige Aufsplitterung aus Sprengstoff, ging es doch darum, dass der Angriffsrichtung 1941, oder, ebenfalls im Hitler zugleich Staatsoberhaupt, Regierungs Winter 1941/42, der Transport Transport der europäi- chef, Oberbefehlshaber der Wehrmacht und schen Juden in Ghettos im Bereich der Hee- seit 1941 auch Oberbefehlshaber des Heeres resgruppe Mitte statt der dringend benötig- war, ohne vom Geschäft des militärischen ten Munition an die Front: das alles kostete Führers Ahnung zu haben. Hitlers wahnwitin den Augen dieser Ofziere unnötig deut- zige, unverantwortliche Führung kritisierten sche Menschenleben. Dass Hitler verboten auch andere. Sarkastisch beginnt das letzte hatte, jenen Russen entgegen zu kommen, Flugblatt der Münchener Studenten, die sich die in den Deutschen zunächst die Befreier unter dem Namen »Weiße Rose« zusamvom Bolschewismus gesehen hatte, trieb die mengefunden hatten: »DreihundertdreißigMenschen in den verwüsteten Landschaften tausend deutsche Männer hat die geniale ohne Not den Partisanen in die Arme – Strategie des Weltkriegsgefreiten sinn- und auch hierin sahen der Kopf der Verschwö- verantwortungslos in Tod und Verderben gerer, Oberst i.G. Henning von Tresckow, und hetzt. Führer, wir danken dir!« andere ein Verbrechen. Der Feindlageofzier schrieb ins Kriegstagebuch: »Die Erschie- Und der Kopf des zivilen Widerstands, Carl ßungen werden als eine Verletzung Verletzung der Ehre Goerdeler Goerdeler,, hatte sich für f ür seinen ersten Aufruf
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Claus Schenk Graf von Stauffenberg
– fast wortgleich – notiert: »Wer einen Stiefel besohlen will, muß es gelernt haben. Wer ein Millionenheer führen will, muß die Fähigkeit dazu auf den verschiedenen Stufenleitern harten militärischen Dienstes erlernt und bewiesen haben. [...] Hunderttausende braver Soldaten büßten für Vermessenheit und Eitelkeit eines einzelnen mit Leben, Gesundheit oder Verlust der Freiheit.« Das Ziel militärischen Widerstandes war es, diesem sinnlosen Morden ein Ende zu setzen und den aussichtslos gewordenen Krieg zu beenden. Je mehr aber mit dem Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte und dem bevorstehenden Ausbruch der Westalliierten aus den Brückenköpfen in der Normandie die vollständige deutsche Niederlage unaus weichlich schien, je geringer der Spielraum für eine Umsturzregierung wurde, um so deutlicher trat die grundsätzlich moralische Begründung für den Aufstand hervor. In diese Zeit fällt der Satz Tresckows: »Das Attentat auf Hitler muß erfolgen, coûte que coûte [koste es, was es wolle]. Sollte es nicht gelingen, so muß trotzdem der Staatsstreich versucht werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, daß die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte unter Einsatz des Lebens den entscheidenden Wurf W urf gewagt hat. Alles andere ist daneben gleichgültig.« Und, ebenfalls kurz vor dem 20. Juli, Berthold Graf von Stauffenberg, der Bruder des Attentäters: »Das Furchtbarste ist, zu wissen, daß es nicht gelingen kann und daß man es dennoch für unser Land und unsere Kinder tun muß.« Der 20. Juli 1944 ist zunächst der Aufstand des militärischen Sachverstandes gegen den verbrecherischen verbrecherisch en Wahnsinn Wahnsinn des nationalsozialistischen Krieges. Dahinter aber wird jener Aufstand des Gewissens sichtbar, der auch dann noch zum Handeln anspornte, als konkrete Vorteile Vorteile kaum mehr zu erwarten waren. Winfried Heinemann
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Widerstand in Uniform
Im südlichen Teil der Armeefront, im Raum Pinsk, war im Rahmen des XX. Armeekorps die 3. Kav.Brigade eingesetzt. Es war Tresckow darauf angekommen, eine Abgabe oder einen frühzeitigen Einsatz gegen die vorrückenden sowjetischen sowje tischen Verbände zu verhindern. Dies war gelungen. Dem XX. Armeekorps hatte er bereits am 6. Juli den beabsichtigten Einsatz mitgeteilt: »Die Kav.Brigade soll vorn verzögern und dann durch die Front nach hinten durchgezogen werden.« Dort sollte sie, ihrer Eignung als bewegliche Reserve entsprechend, der Armee unmittelbar unterstellt werden, was aber zugleich auch die Verfügbarkeit für den Staatsstreich sicherstellte. Am 11. Juli begannen im Raum Pinsk die sowjetischen Angriffe. Die Ausweichbewegung des XX. Armeekorps wurde hauptsächlich durch die 3. Kav.Brigade gedeckt. Georg von Boeselager erkundete am 15. Juli an der mittleren Armeefront den voraussichtlichen Einsatzraum der Kav.Brigade. Wie sich sein Bruder erinnert, eröffnete Georg ihm kurz zuvor den Auftrag für den Staatsstreich. Da das Attentat unmittelbar bevorstünde, sollte Philipp aus dem Reiterregiment 31 sechs Schwadronen mit etwa 1200 Mann zu einem Sammelpunkt führen. Die Soldaten sollten von dort nach gelungenem Attentat per Lkw zu einem Feldugplatz transportiert und anschließend nach Berlin geogen werden. Am Flughafen Berlin-Tempelhof wollte Georg mit anderen eingeogenen Einheiten warten, um die Führung zu übernehmen. Philipp von Boeselager erhielt Karten von Berlin, auf denen 6
die ersten Ziele eingezeichnet waren. Falls er seinen Bruder mit dessen Truppen in Berlin nicht antraf, sollte er selbständig mit seinen Einheiten zwei Standorte des Reichssicher Reichssicherheitshauptheitshauptamtes und das Propagandaministerium besetzen und Propagandaminister Joseph Goebbels sowie Pressechef Otto Dietrich verhaften. Weitere Informationen, etwa über eine Verbindungsaufnahme mit den Berliner Verschwörern, erhielt er nicht. Am 15. Juli zog er bereits eine Schwadron aus dem unmittelbarenn Kampfgeschehen. unmittelbare Es lässt sich nicht mehr feststellen, ob Stauffenberg über all dies nähere Informationen durch Oertzen erhalten hatte oder ob er diesen Einsatz in Berlin einplante. Es ist allerdings anzunehmen, dass Tresckow als neuer »Chef der Deutschen Polizei« mit dem Einsatz dieser Soldaten in der Reichshauptstadt gerechnet hat. Eine offene Frage ist dabei, wie er sich die Bereitstellung des Transportraums vorstellte. Im Normalfall wäre die Anforderung der Transportmaschinen durch die Heeresgruppe Mitte erfolgt. Eine Aussage darüber, ob dieser Hintergrund bei Tresckows Absicht, am 13. und am 20. Juli zur Heeresgruppe zu iegen, eine Rolle spielte, ist nicht möglich. Transportkapazität war jedenfalls vorhanden. Allein die Luftotte 6 verfügte am 20. Juli J uli über 77 einsatzbereite Transportmaschinen. Unter den gege benen Umständen war mit einem Lufttransport frühestens in der zweiten Phase des Staatsstreiches zu rechnen – also etwa 24 Stunden nach dem Attentat.
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Am 17. Juli ließ Oertzen in Berlin Tresckow informieren, dass nach zwei Versuchen (11. und 15. Juli) ein dritter Anlauf zum Attentat vorgesehen sei; einen Tag nannte er nicht. Am selben Tage besprach Tresckow mit dem XX. Armeekorps die Aufnahme der Kav.Brigade für den 18. Juli in der »C«Linie, in der zeitlich begrenzt verteidigt werden sollte. Der Armeeoberbefehlshaber Generaloberst Walter Weiß hatte dem Korps bereits am Tage zuvor die Abgabe der Brigade angekündigt. Deren Aufnahme und Marsch Mars ch zum Verfügungsraum südlich Kobryn erfolgten planmäßig am 18. Juli. Trotz erster Anzeichen von Erschöpfung begann noch am selben Tage die Vorbereitung für den Folgeauftrag. Ein gegnerischer Durchbruch bot Tresckow die Gelegenheit, der 3. Kav.Brigade einen Auftrag westlich von Brest-Litovsk zu erteilen, der gleichermaßen für die Gefechtsführung und die Verschwörung zweckmäßig erschien. Die Brigade wurde dem Festungskommandanten von Brest unterstellt, obwohl der künftige Einsatzraum mit Masse außerhalb des Festungsbereiches lag. Diese Unterstellung bedeutete, dass die Kav Kav.Brigade .Brigade mit Eintreffen im Einsatzraum am 20. Juli auf sich allein gestellt war, ohne jedoch im Sinne einer Armeereserve Armeereserve für die übergeordnete Führung verfügbar zu sein. Je nach Gesprächspartner in seinem militärischen Umfeld stellte Tresckow den Sachverhalt unterschieduntersch iedlich dar. Damit wurden die Rahmenbedingungen für die Verfügbarkeit von Teilen der 3. Kav.Brigade für den Staatsstreich geschaffen.
Philipp von Boeselager verfügte weder ritt Hidding auf eine von Partisanen über das eben skizzierte Lagebild, noch verlegte Mine und war auf der Stelle kannte er die von Tresckow und ver- tot. Philipp von Boeselager konnte dem mutlich auch seinem Bruder geschaffe- befreundeten Rittmeister noch rechtnen Rahmenbedingungen. Aus seiner zeitig vor Entdeckung die Karte von Sicht fand die beabsichtigte Marschbe- Berlin abnehmen. Die ersten Schwadwegung der sechs Schwadronen – weg ronen erreichten am 20. Juli früh den von der Front nach Westen – außerhalb Verfügungsraum. Die restlichen Teile der militärischen Normalität als Teil trafen dort im Verlauf des Tages ein. In des Staatsstreiches Staatsstreiches statt. Er weihte nur Vorbereitung auf den Lkw-Transport die Rittmeister d.R. Wilhelm König, wurden die Pferde gesammelt, und die Chef der 1. Schwadron, und Jan Hid- Soldaten erwarteten mit persönlicher ding, Chef der 3. Schwadron, ein. Ausrüstung und Handwaffen das WeiBeide erhielten jeweils eine Berlin-Karte tere. mit Einzeichnungen. Die Schwadronen waren unter dem Gesichtspunkt der Am 19. Juli hatte Tresckow Major i.G. Befähigung der Chefs und des Zusam- Joachim Kuhn, Ku hn, 1. Generalstabsofzier menhaltes ausgewählt. Bei der Aus- einer Division an der schwer angegabe des Marschbefehls begründete schlagenen nördlichen Armeefront, als Philipp von Boeselager die Bewegung Letzten der Verschwörer informiert. An mit einem dringenden Einsatz gegen der Front sollte auf das Ergebnis des Partisanen. Das Marschziel befand sich Attentats und un d auf neue Befehle Befeh le der VerVerauf halber Strecke zwischen den Feld- schwörer aus Berlin gewartet werden. ughäfen Biała-Podlaska und Terespol. Am 19. Juli hatte er auch für den folAm 19. Juli rückten die sechs Schwad- genden Tag einen Flug zur Heeresronen nach Westen ab. Die übrigen übrig en Teile gruppe geplant. Der Gegensatz zur der Brigade marschierten am selben Heeresgruppenführung über die Art Tage ebenfalls westlich zum Einsatz- der Gefechtsführung hatte sich weiter raum am Bug. zugespitzt. Nach einem Gespräch mit seinem Oberbefehlshaber wurde das Bei der Marschüberwachung der in Vorhaben jedoch bis auf weiteres zwei Marschgruppen weit auseinan- zurückgestellt. Tresckow schickte am dergezogenen sechs Schwadronen war 20. Juli Schlabrendo Schlabrendorff rff als Überbringer Philipp von Boeselager auf sich allein einer militärischen Lagebeurteilung zur gestellt. Bei Brest, das als Festung unbe- Heeresgr Heeresgruppenführung. uppenführung. Jener tauschte dingt zu verteidigen war, rechnete er sich mit den dortigen Verschwörern mit dem Versuch, Versuch, die Schwadronen Schwa dronen zur aus, ohne etwas von der Bereitschaft Verteidigung festzuhalten. Aufgrund der sechs Schwadronen zu wissen. der genannten Rahmenbedingungen gab es aber keinen derartigen Versuch, Am Nachmittag des 20. Juli befand und Georg von Boeselager kontrollierte sich Schlabrendorff wieder bei der dort die Marschbewegung. Hinter Brest 2. Armee, als Oberst i.G. Albrecht Ritter
Mertz von Quirnheim aus Berlin bei den Verschwörern im Stab der Heeresgruppe anrief. Er teilte mit, das Attentat auf Hitler sei geglückt und Schlabrendorfff solle unverzüglich nach Berlin rendorf kommen – wohl in seiner Eigenschaft als Ordonnanzofzier Tresckows. Bald danach, um 17:42 Uhr, gab der Rundfunk bekannt, auf Hitler sei ein Attentat verübt worden, er sei aber nur leicht verletzt. Georg von Boeselager schickte daraufhin einen Melder zu seinem Bruder. Die Worte »Alles in die alten Löcher« galten als Nachricht für »Attentat nicht ausgeführt«. Alle Maßnahmen im Verfügungsraum wurden rückgängig gemacht, und Philipp von Boeselager führte die sechs Schwadronen in der Nacht zum Einsatzraum der 3. Kav.Brigade. Georg und Philipp von Boeselager rechneten nach dem 20. Juli mit ihrer Verhaftung, blieben jedoch unentdeckt. Am 21. Juli wurde die 3. Kav.Brigade wieder dem XX. Armeekorps unterstellt. Am Vormittag desselben Tages fuhr Tresckow abermals zu Kuhn an die Front. In Erwartung seiner Verhaftung durch die Gestapo wollte er sich dort selbst das Leben nehmen, und Kuhn sollte den Tod als Folge eines eine s Partisanenüberfalls darstellen. Tresckow tötete sich mit einer Gewehrgranate, genau wie Oertzen einen Tag später in Berlin. Georg von Boeselager el am 27. August 1944 als Kommandeur der 3. Kav.Brigade an der Ostfront. Sein Bruder Philipp war bei Kriegsende Kommandeur des Reiterregi Reiterregimenmentes 31. Er lebt heute im Ahrtal. n Thomas Reuther
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Widerstand in Uniform
»Ein gefährlicher Staatsfein Staatsfeind, d, aber ein ganzer Kerl«
Caesar von Hofacker und der militärische Widerstand
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inige Ofziere des Attentats auf Hitler war es unbedingt Hitler vom 20. Juli 1944, wie notwendig geworden, den Oberst Claus Graf von Stauffen- Diktator zu beseitigen, um berg, Generaloberst Generaloberst Ludwig Beck oder das NS-Regime insgesamt Generalmajor Henning von Tresckow, zu stürzen. Der Erfolg des sind jedem militärgeschichtlich Inte- zum Staatsstreich umgear5 ressierten wohl bekannt. Selbst die beiteten »Walküre«-Pl »Walküre«-Plans, ans, Mehrzahl der zivilen Widerstands- der die Übernahme der Staatsgewalt Caesar von Hofacker kreise in allen ihren Facetten (Weiße durch die Wehrmacht vorsah, hing (1896–1944) Rose, Kreisauer Kreis, Goerdeler-Kreis entscheidend hiervon ab. Andererseits u.a.) können auf einen großen Grad erschien den Befürwortern des militäan Bekanntheit verweisen, was Per- rischen Widerstandes, der sich bereits Nach Abitur und Studienaufenthalten sonen, Motive und Taten anbelangt. lange vor dem 20. Juli 1944 formiert in Frankreich und Großbritan Großbritannien nien melMerkwürdig ausgegrenzt – da nahezu hatte, ein Attentat auf Hitler ohne einen dete sich Hofacker im August 1914 freiunbekannt – bleibt Caesar von Hof- darauf folgenden Staatsstreich sowohl willig zum Militärdienst beim württemacker, der im Zusammenhang mit sinnlos als auch unmoralisch. bergischen Ulanen-Regiment Nr Nr.. 20, in Stauffenberg genannt und als dessen dem sein Vater Kommandeur gewesen »Mann in Paris« tituliert wird. Wenn auch in diesem Jahr zum 60. Jah- war. Seine ersten Feldverwendungen restag des Attentats auf Hitler wieder waren die Durchführung von SpähSo wie der NS-Staat und der Zweite die herausragenden zivilen und militä- trupps und Kampfeinsätzen an der Weltkrieg ohne die Wehrmacht un- rischen Repräsentanten des Widerstan- Westfront, wo sein Bruder Alfred am denkbar sind, so war umgekehrt kein des geehrt werden, gilt es den Blick 10. März 1917 vor Verdun el. Nach Erfolg der Gesamtheit des deutschen auch auf die oft zu Unrecht in die der Beförderung zum Reserveofzier Widerstandes gegen Hitler und das NS- zweite Reihe geratenen Personen des im März 1916 und Dienst in einem Regime ohne militärischen Widerstand Widerstandes zu richten. Divisionsstab Divisions stab meldete sich Caesar von möglich. Auch wenn die WiderstandsHofacker aufgrund eingeschränkter Verkämpfer aufgrund ihrer unterschied- Caesar von Hofacker wurde am 11. wendungs- und Einsatzmöglichkeiten lichen gesellschaftlichen und berui- März 1896 in Ludwigsburg geboren. der Kavallerie zur Fliegertruppe, wo chen Hintergründe verschiedene Ziele Sein Vater war der württembergische er ab Mai 1916 als Flugzeugführer u.a. verfolgten, stimmten die militärischen Generalleutnant Eberhard von Hof- auch in Mazedonien in Aufklärungsund zivilen Verschwörer des 20. Juli acker – Rommel hatte unter ihm im und Jagdstaffeln eingesetzt war. Nach 1944 im Sturz der verbrecherischen Ersten Weltkrieg gedient. Caesar von kurzer Verwendung beim Ulanen-RegiHitler-Diktatur, der Beendigung des Hofackers Mutter war eine geborene ment König Wilhelm I. (2. WürttemKrieges, der Ermöglichung von Politik Grän von Üxküll-Gyllenband – eine bergisches) Nr Nr.. 20 erfolgte noch im und der »Wiederherstellung der Majes- Urenkelin des preußischen Heeresrefor- Juni 1918 eine Versetzung Versetzung zur Fliegertät des Rechts« überein. mers August Neidhardt von Gneise- truppe der deutschen Militärmission nau; genauso wie ihre Schwester, die im Osmanischen Reich. Ende Oktober Durch die Erfahrungen des »Röhm- 1904 den württembergis württembergischen chen Hofmar- 1918 geriet Hofacker in Bulgarien in Putsches« (1934), den damit zusam- schall Graf von Stauffenberg heiratete: französische Gefangenschaft, aus der menhängenden Aufstieg der SS, vor Caesar von Hofacker und Claus Graf er erst am 14. März 1920 entlassen allem aber durch die Vereidigung der von Stauffenberg waren Cousins und wurde, als in Berlin der Kapp-LüttSoldaten der Wehrmacht auf Adolf Nachkommen Gneisenaus. witz-Putsch an den Grundfesten der 8
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Attentat auf Hitler
Messerschmitt Me 110 über Paris, Foto, um 1940.
einigten Stahlwerken lag es nahe, ihn mit der Führung des Referates »Eisenschaffende Industrie und Gießereien« s e zu betrauen.
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neuen, von großen Teilen der Reichswehr abgelehnten Republik rüttelte.
Während seiner Studentenzeit hatte Hofacker zu den Gründern des Deutschen Hochschulrings gehört, unter dessen Dach sich verschiedene nationalkonservative und völkische Organisationen verbanden. In seinen ersten Reden als Studentenführer konzentrierte er sich auf die damals aktuellen innenpolitischen Themenfelder. Wie so viele kam er mit der Niederlage des Kaiserreiches und deren politischen Folgen nicht zurecht. Auch antisemitische Reexe waren in einer Rede Ende April 1921 an der österreichischen Universität Graz unüberhörbar unüberhörbar..
Viele Angehörige des nationalkonservativen Widerstands konnten sich nur schwer dazu durchringen, dass der Umsturz, eben die Wiedererri Wiedererrichtung chtung der »Majestät »Majestätss des Rechts«, mit einem »Mord« beginnen sollte. Lange favorisierte etwa Carl Goerdeler, der zivile Kopf des Widerstands, die Verhaftung und Aburteilung Hitlers statt eines Attentats.
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Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Porträt um 1930
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Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft nahm Hofacker sein juristisches und staatswissenscha staatswissenschaftliftliches Studium auf, das ihn an die Universitäten Tübingen und Göttingen führte; 1924 beendete er sein Studium mit der Promotion. Sein Einstieg in Bei realistischer Betrachtung, und Staufdas Berufsleben nahm allerdings eine fenberg, Tresckow und Hofacker waren andere Richtung. Nach Tätigkeiten bei Realisten, musste aber deutlich werden, der Handelskammer Reutlingen und dass ein Vorgehe Vorgehenn des Heeres gegen einen beim Verein Deutscher Seidenwebelebenden Hitler nicht zu erwarten war. reien in Krefeld wechselte er 1927 Hofacker war in jenen Jahren ein bekenZu sehr würden sich Ofziere und Solzu den Vereinigten Stahlwerken, dem nender Gegner der Weimarer Republik. daten durch den auf die Person des »Fühgrößten Montan-Konzern Europas in Sie verstand er als eine feindliche Herrrers« geleisteten Eid gebunden fühlen. der Zwischenkriegszeit, in dem er schaftsform, deren angeblich formalZu lange waren vor allem die jüngeren bis zum Prokuriste Prokuristenn aufstieg. Den- demokratische Verfassung er genauso Ofziere im Führerkult erzogen worden. noch war Hofacker kein »Wirtschafts- ablehnte wie eine Anlehnung an die Ein militärischer Umsturz setzte zwinMann«, im Gegenteil: Er interessierte Bewegungen und Parteien der politigend das erfolgreiche Attentat voraus – sich mehr für das öffentliche Leben schen Rechten. das Attentat wiederum ließ sich nur aus und die Außenpolitik. Mehrmals unterdieser Notwendigkeit heraus moralisch nahm er den Versuch, in diplomati- Von seinen innenpolitischen innenpolitisc hen Ordnungsrechtfertigen. Wie sehr Stauffenberg und sche Dienste zu gelangen, was jedoch vorstellungen der frühen 20er Jahre seine Mitverschworenen mit dieser Einabgelehnt wurde. Seine Bindung an die verabschiedete er sich nach und nach. schätzung Recht hatten, erwies sich dann Streitkräfte verlor er hingegen nicht. Außenpolitische Erwägungen drängam 20. Juli 1944 selbst – Hitler war Von 1934 bis 1938 absolvierte Hof- ten die emotionsgeladenen Reden der nicht tot, und das Heer folgte ihm weiacker mehrere Wehrübungen bei Flie- Studentenzeit ins Abseits. Bereits im terhin. Nichts sagt es drastischer als gerschulen und Aufklärungstruppen Juni 1929 plädierte Hofacker in einem Kluges zitierter Ausspruch: »Ja, wenn das und wurde 1937 zum Hauptmann der Brief an einen Pariser Professor für Schwein tot wäre. Aber so...« Reserve befördert. einen Nationalismus der »weisen MäßiWinfried Heinemann gung« – dabei lag er auf der Linie Bei Kriegsbeginn 1939 wurde Hofacker des deutschen Außenministers Gustav deshalb als erfahrener Flieger reakti- Stresemann (1923–1929). viert und im Polen-Feldzug als Fliegergabe in der Militärverwaltung war es, Verbindungsofzier eingesetzt. Wäh- Hofackers Motivation zum Widerstand die französische industrielle Leistungsrend des »Sitzkrieges« im Westen Westen gegen entwickelte sich wie bei vielen Ver- kraft der deutschen Kriegführung nutzFrankreich, dem »drôle de guerre«, von tretern der Militäropposition sukzes- bar zu machen. Aufgrund eigener SymOktober 1939 bis Mitte Februar 1940, sive von einer die Realitäten der Besat- pathien für Frankreich wollte er diesem war Hofacker Staffelkapitän, und nach zung in Kauf nehmenden Mitarbeit, Land durchaus eigene Entwicklungsdem Erfolg des »Blitzkrieges« im Juni wenn auch aus einer anderen Pers- möglichkeite möglichkeitenn einräumen, um es unter 1940 kam er zum Stab des Militärbe- pektive, über die systemimmanenten Umständen als möglichen Verbündefehlshaberss von Frankreich, der in Paris Handlungsoptionen der Verweigerung ten zu gewinnen. Mit diesem Ansatz fehlshaber im Hotel Majestic residierte. Aufgrund und Umsteuerung hin zu einem sys- geriet er von Beginn an in Widerspruch seiner leitenden Funktion in den Ver- temsprengen temsprengenden den Bestreben. Seine Auf- zur ofziellen Politik. Dieser Gegensatz Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2004
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Widerstand in Uniform
d l i b n i e t s l l u
d n a t s r e d i W r e h c s t u e D e t t ä t s k n e d e G
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General der Infanterie, Carl-Heinrich von Stülpnagel (1886–1944), Militärbefehlshaber in Frankreich 1942–1944 3
Die NS-Justiz praktizierte mit den Verschwörern des 20. Juli 1944 die so genannte Sippenhaft. Ausgehend von biologistischen Rechtstheorien sollte die ganze »Sippe« für die Taten des Familienoberhauptes büßen (Hausarrest, Gefängnis, auch Androhung der Todesstrafe). Das Foto zeigt ze igt die Familie Hofacker in glücklicheren Tagen.
verschärfte sich, als Rüstungsminister Mit seinem Cousin Stauffenberg verSpeer Hofacker im September 1942 die band Hofacker trotz gelegentlicher »Außenstelle zentrale Planung« über- Meinungsverschiedenheiten »das Getrug. Nach einem Jahr ließ Hofacker fühl einer gemeinsamen Verschworensich von diesem Dienstposten entbin- heit«, wie er später bei seinen Gestapoden und war fortan Stabsofzier z.b.V. Verhören bekannte. Deshalb lag die im Stab des Militärbefehlshabers in Gestapo mit ihrem Bericht vom 28. Juli Frankreich, General der Infanterie Carl- 1944 vollkommen richtig, in dem HofaHeinrich von Stülpnagel. Es besteht cker als »Kopf der am 20. Juli 1944 kein Zweifel daran, dass Hofacker in Paris abgelaufenen Putschmaßnah bei Stülpnagel und dessen Stab jenen men« bezeichnet wurde. Rückhalt besaß, der ihm die Handlungsspielräume öffnete, die er für sein Wenige Tage vor dem Attentat schrieb Vorhaben, die Vorbereitung und u nd Durch- Hofacker in einem Brief an seine Frau: führung des Staatsstreichs in Paris, be- »Heute wäre jedes unnütze Verstreinötigte. chenlassen auch nur weniger Stunden eine Sünde wider den Heiligen Geist.« Spätestens 1941 hatte sich ihm der Das ständige Warten auf den »psyverbrecherische Charakter des NS- chologisch richtigen Zeitpunkt« – ein Regimes offenbart. Aus den Briefen an Argument, mit dem sich viele Ofseine Frau Ilse-Lotte wird deutlich, dass ziere ihrer Verantwortung entzogen – er in der Lage war, französische Geiseln konnte nicht immer beliebig weitergevor der Hinrichtung zu retten, und dass hen. Nach der Alarmierung am Nacher die nationalsozial nationalsozialistische istische Judenver- mittag gegen 14 Uhr gelang es den folgung anprangerte: »Morgen werden Widerständlern in Paris bis zum späten wieder 100 Geiseln erschossen und Abend des 20. Juli ungefähr 1200 Mann 1500 Juden nach Osten deportiert [...] von SS und SD, insbesondere deren Es ist zum Verzweifeln.« In Hofacker Führungspersonal, festzusetzen. Kurz reifte der Entschluss zum aktiven bevor die Stoßtrupps gegen 23 Uhr Widerstand, der auch vor dem Tyran- zur Verhaftung schritten, obwohl die nenmord nicht zurückschreckte. Ohne Nachricht vom Überleben Hitlers dass ein exakter Zeitpunkt dafür xiert schon längst bekannt geworden war, werden kann, wird man seinen Ent- traf Stülpnagel mit Generalfeldmarschluss zu »Systemwechsel und Füh- schall von Kluge, dem Oberbefehlsrerbeseitigung« spätestens für Ende haber West, zusammen. Stülpnagel 1942 mit der heraufziehenden Nieder- erteilte gleich zu Beginn der Unterlage von Stalingrad datieren dürfen. redung Hofacker das Wort, der den 10
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Generalfeldmarschall eindringlich beGeneralfeldmarschall schwor, die begonnene Aktion selbst nach dem Scheitern des Attentats weiterlaufen zu lassen. Kluge indes ordnete die Aufhebung der VerhaftungsVerhaftungs befehle an und enthob Stülpnagel seines Kommandos. Als Hofacker und Stülpnagel zuletzt noch einmal auf Kluge einredeten, meinte dieser resigniert: »Ja, wenn das Schwein tot wäre!« Stülpnagel hob die Verhaftung jedoch noch nicht auf. Mit Hofacker und Oberst Finckh besprach er die Möglichkeit einer raschen Exekution der Gefangenen SS- und SD-Führer um Kluge in den Umsturzplan hineinzuzwingen. Die Erschießungen waren bereits im Hof der École Militair Militairee vorbereitet, vorberei tet, Juristen hatten die Anklagepunkte formuliert : Judendeportationen, Sprengung der Pariser Synagogen und die Aneignung »reichsfeind »reichsfeind-lichen Vermögens«. Letztlich verwarf Stülpnagel jedoch diese Option und ordnete die Freilassung der Gefangenen an. In der Nacht zum 21. Juli wurde zwischen Wehrmacht, SS und SD eine »Sprachregelung« ausgearbeitet, die auf die Anregung des Generals Günther Blumentritt, Chef des Stabes beim Oberbefehlshaber Oberbefehlshaber West, West, zurückging und von »Irrtum« und »Alarmübung« sprach. Insbesondere SS und SD hatten ein Interesse daran, ihre
Überrumpelung durch Wehrmachtseinheiten zu überspielen. So scheiterte aufgrund der Ereignisse im Reich und des gescheiterten Attentats auf Hitler der Umsturzversuch, obwohl in Paris die Operation »Walküre« erfolgreich durchgeführt worden war. Hofacker wurde am 25. Juli in Paris verhaftet – Flucht oder Untertauchen schloss er aus, zu offensichtlich war seine Beteiligung am Wide Widerstand. rstand. Hofackers Bekenntnis zum Widerstand und zur Beteiligung am Staatsstreich führte dazu, dass ihn Hermann Göring am 11. August 1944 aus der Luftwaffe ausstieß. Der Ausschluss aus den Streitkräften, und damit die Verhinderung der Anwendung der Militärgerichtsbarkeit, war die Voraussetzung für die Überführung der Verschwörer an den sogenannten Volksgerichtshof Freislers. Am 29. August 1944 war der Tag der Verhandlung gegen Hofacker. Er blieb trotz aller Einschüchterungsversuche standhaft und hielt Freisler entgegen, dass er es bedauere, nicht selbst als Attentäter bestimmt gewesen zu sein; ein Scheitern wäre dann aus seiner Sicht unmöglich gewesen. Auf die regelmäßigen Unterbrechungen Freislers hin el Hofacker diesem ins Wort und rief ihm entgegen: »Sie schweigen jetzt, Herr Freisler! Denn heute geht es um meinen Kopf. In einem Jahr geht es um Ihren Kopf!« Am Tag Tag darauf wurde Hofacker zusamzusa mmen mit General Carl-Heinrich von Stülpnagel, Oberst Hans-Otfried von Linstow und Oberst Eberhard Finckh zum Tode verurteilt. Im Gegensatz zu so vielen am Umsturzversuch Beteiligten wurde Hofacker jedoch nicht sofort exekutiert. Dies deutet darauf hin, dass er, wie aus den geheimen Akten des Reichsicherheitshauptamtes hervorgeht, als die »treibende Kraft des Widerstandes« in Paris eingestuft wurde. Von ihm erhoffte man sich die Preisgabe weiterer Zusammenhänge und die Nennung von weiteren Mitwissern und Beteiligten. Am 20. Dezember 1944 wurde Caesar von Hofacker in der Haftanstalt Berlin-Plötzensee hingerichtet. Seine Familie befand sich zu diesem Zeitpunkt schon längst in »Sippenhaft«.
Nach Ansicht des mitverschworenen Chef des Stabes der Heeresgruppe B, Generalleutnant Dr. Hans Speidel, war Hofacker »ein ausgesprochen politischer Kopf, eine schwungvolle Persönlichkeit von starker Überzeugungskraft.« Speidel war es auch, der die letzten Informationen über Hofacker vor dessen Hinrichtung zu überliefern wusste: »In ungebeugter Haltung begegnete er mir das letzte Mal am 19. Dezember auf dem Flur des GestapoKellers der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin. Nur mit den Augen konnten wir uns grüßen.« Für die durchweg positive Würdigung Hofackers durch Speidel mag auch ausschlaggebend gewesen sein, dass er, bei einer mehrstündigen Gegenüberstellung mit dem bereits zum Tode verur verurteilten teilten Hofacker, von jenem – wahrheitswidrig – als von den Staatsstreichplänen nicht informiert bezeichnet wurde. Dies rettete Speidel ohne Frage das Leben. Aber auch nach Aussagen anderer wurde Hofacker ähnlich wie sein Cousin Stauffenberg Stauffenberg als eine fasziniefaszinierende Persönlichkeit beschrieben, die durch mitreißende Energie, schwungvollen Elan und feste Überzeugungen Personen für sich sowie für den Widerstand gewinnen konnte. Dabei war seine Biographie, wie bei fast allen Beteiligten aus dem militärischen und konservativen Widerstand, keineswegs ohne Brüche. Hofacker hatte wie viele militärische Widerstandskämpfer Widerstandskämpfer nach und nach den Weg von nationalkonservativen, zu Teilen gar völkischen Denkmustern zu einem politisch und ethisch-moralisch begründeten Widerstand gefunden. Eine Würdigung, die er selbst aus den Worten seines ersten Vernehmenden, des Höheren SS- und Polizeiführers in Paris, SS-Obergruppenführer Oberg, erfuhr, charakterisiert ihn – berücksichtigt man die Perspektive – wohl am besten: »Ein gefährlicher Staatsfeind, aber ein ganzer Kerl.« Als eigenständiger politischer Kopf, wenn auch in früherer Zeit zeitbedingten Strömungen huldigend, erkannte Hofacker schließlich die politische und moralische Verpichtung zu einem aktiven Widerstand der Tat; er wurde zum Widerstandskämpfer aus Passion und opferte dafür sein Leben.
Volksgerichtshof V olksgerichtshof Nachdem Hitler das Attentat Stauffenbergs vom 20. Juli 1944 nur leicht verletzt überlebt hatte, wollte er mit seinen Gegnern sogleich »kurzen Prozess« machen – sie sollten »sofort hängen, ohne jedes Erbarmen«. Der Prozess sollte den Ofzieren daher nicht durch Militärgerichte, sondern durch den so genannten Volksgerichtshof gemacht werden. Dieser war von den nationalsozialistischen Machthabern eingerichtet worden und ab 1934 für Fälle des Hoch- und Landesverrates zuständig. Nach dem 20. Juli 1944 wurde die Zuständigkeit dahingehend ausgedehnt, dass der Volksgerichtshof nun für alle politischen Straftaten, auch von Soldaten, zuständig war. wa r. s e g a m i g k a
Seit August 1942 war Roland Freisler (1893–1945) Präsident des Volksgerichtshofes (Foto). Ihm übertrug Adolf Hitler die Aufgabe, beschleunigte Prozesse gegen die Verschwörer durchzuführen. So sollten schnell abschreckende Todesurteile erreicht werden. Bei den Verfahren handelte es sich nicht um ordentliche Gerichtsverfahren, da die Urteile zumeist schon vor der Verhandlung feststanden, und den Angeklagten keine Wahlverteidiger zur Seite standen – die Pichtverteidiger arbeiteten der Anklage eindeutig eindeutig zu. Freislers Mordprozesse dienten von Anfang an der Vernichtung der Gegner Hitlers und nicht der Rechtsndung. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit begannen am 7. August 1944 die Prozesse. Der große Saal des Kammergerichtsgebäudes in Berlin war mit einer Hitlerbüste und Hakenkreuzfahnen dekoriert. Bei den »Vernehmungen« wurden die Angeklagten dauernd unterbrochen und ihre Ausführungen mit Hohn und beißendem Spott kommentiert. Freisler beschimpfte die Angeklagten in herabwürdigender Form. Die meisten Angeklagten trugen Spuren von Haft und Misshandlungen, hinzu kamen seelische Erniedrigungen. Die Hinrichtungen erfolgten auf Verfügung Hitlers durch Erhängen statt durch Erschießen. Hierdurch sollte den »V »Verurteilten« erurteilten« noch im Moment des Todes die Ehre genommen werden. Im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Attentat vom 20. Juli wurden fast 200 Menschen Menschen ermordet.
n Eberhard Birk
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Festung Wülzburg
Die Festung
Wülzburg »Arme Zitadellen – sie haben lange ausgedient! Arme Besitzer von Zitadellen – was machen sie mit ihrer kostspieligen Bausubstanz? Glückliche Freunde von Zitadellen, die Freude haben an dieser wertvollen Bausubstanz.« Prof. Dr.-Ing. Bernd Hillemeier, Hil lemeier, Technische Universität Berlin, 2001 5
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eit es Menschen gibt, schützen Festungen ausgebaut – anschauliche Blick von der Bastion Jungfrau zum Renaissie sich und die ihren vor Natur- Beispiele sind Nürnberg und Dömitz sance-Portal der Festung. Der Graben um die Wallmauer wurde tief in den Felsen getriegewalten und vor Eindringlin- an der Elbe. ben und hat eine Breite bis 29 Meter. gen, die ihr Leben oder ihr Hab und Gut bedrohen. Höhlen, Zäune, Palisaden, Die Bauweise der Festungen blieb bis aber auch Pfahlbauten boten ersten ins 19. Jahrhundert hinein ähnlich, wurden sie der modernen Kriegstechwirksamen Schutz. Später sicherte man doch zog jede Innovation auf der Seite nik angepasst – wie die Festung RosenSiedlungen und Herrschaftsbereiche der Waffen eine Antwort im Festungs- berg über Kronach und die Festung durch Wälle und Wassergräben, errich- bau nach sich. Wobei Wobei sich das Gewicht Gewicht Königstein bei Dresden. Anderenorts tete Mauern, erfand Tore und Zug- der Kräfte meist zugunsten der Feuer- bildeten die Zitadellen Zitadellen den Kern einer brücken. Befestigte Städte und Burgen waffen verschob, da der Wehrbau in befestigte befestigtenn Stadt – wie in Jülich – und waren gleichzeitig Wehr- und Wohn- seiner Schwerfälligkeit mit den artille- dienten so auch als Rückzugsort für die bauten. Doch diese Anstrengungen ristischen und pyrotechnischen Neue- Bevölkerung. Die Zitadelle in Berlingenügten nur bis zur Einführung des rungen nicht Schritt halten konnte. Ab Spandau dagegen ist von Wasser umPulvergeschützes. Pulvergeschüt zes. Strategie und Taktik, Taktik, der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geben wie ehedem die Wasserburgen. Angriff und Verteidigung mussten da- wurden zunehmend die neuen Materinach völlig neu deniert werden. alien Beton und Stahlbeton eingesetzt. Die Wülzburg, auf der mit 630 Metern Westwall und Atlantikwall stehen im höchsten Erhebung der südlichen FranDeshalb begann man ab etwa 1500 20. Jahrhundert für die letzten Versu- kenalb gelegen, sollte – ähnlich wie mit dem Bau von Festungen. Grund- che, sich mit Hilfe von Festungsbauten früher eine Burg – das Territorium des risse und Prole solcher Wehrbauten zu verteidigen. Landesherrn sichern und seine Macht waren so angelegt, dass die Kugeln der repräsentieren. repräsentie ren. Markgraf Georg FriedAngreifer ihnen nichts anhaben und Ein Beispiel einer frühen neuzeitli- rich d. Ä. von Brandenburg-Ansbach die Verteidiger mit ihren Geschützen chen Festung aus der Zeit um 1600 ist und Kulmbach ließ die gewaltige Zitaund Handfeuerwaffen den Außenbe- die Wülzburg, die sich über dem mit- delle 1588–1610 errichten. Zuvor hatte reich vollständig abdecken konnten, telfränkischen Weißenburg erhebt. Sie es hier oben lediglich ein Benediktineralso keine toten Winkel entstanden. zeichnet sich auch durch eine weitere kloster gegeben, das nach der SäkulaFestungen dienten vorwiegend der Besonderh Besonderheit eit aus, ist sie doch eine der risation 1537 in markgräichen Besitz militärischen Nutzung. In ihnen waren ganz wenigen Bauten aus der Frühen übergegangen war. Kasernen, Arsenale, Speicher für Neuzeit, die auf einem Berg neu errichLebensmittel und andere a ndere für die VersorVersor- tet wurden. Denn die meisten der bis In der Freien Reichsstadt Weißenburg gung der Besatzung notwendige Ein- ins frühe 19. Jahrhundert entstandenen am Fuße der Wülzburg herrschte richtungen untergebracht. Aber auch Festungen haben als Kern eine mit- wegen des Festungsbaus große AufreStädte wurden in dieser Zeit häug den telalterliche Burg. Mit vorgelagerten gung. Bei einem Probeschießen 1595 neuen Anforderungen entsprechend zu Bastionen und Wallmauern verstärkt, gingen die Geschosse in den Obstgär12
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Bastion Jungfrau Bastion Krebs Bastion Rossmühle Bastion Kaltes Eck Bastion Hauptwache Schloss Burgschänke Ludwigszisterne Kurtine Flanke Kavalier Scharwachthäuschen großer Waffenplatz (unvollendeter Ravelin) 14 Gedeckter Weg Weg um den Graben 15 Glacis
Im Luftbild ist die riesige ries ige Anlage mit einem Umfang von 970 Metern gut zu erkennen: Von den von Lynar geplanten fünf Schlossügeln entlang der Mauer n wurden nur der Westügel und ein Teil des Südügels realisiert. Beim Südügel bendet sich auch der Eingang zur Festung. Die drei Bastionen im Vordergrund – Jungfrau, Krebs und Rossmühle genannt (v. l. n. r.) – sind stärker ausgebaut als das »Kalte Eck« und die »Hauptwache« oberhalb des Steilhanges.
ten vor der Stadt nieder, eines schlug sogar mitten in der Stadt neben einer tanzenden Hochzeitsgesellschaft ein. Auch die anderen Nachbarn Weißen burgs fühlten fühlten sich sich durch den FestungsFestungs bau bedroht: das katholische Fürstbistum Eichstätt ebenso wie die protestantische Grafschaft Pappenheim und der Deutsche Orden mit Sitz in Ellingen. Doch die Klagen beim Reichskammergericht blieben erfolglos. Baumeister der Festung war zunächst Blasius Berwart d. Ä., der auch für den Wiederaufbau der Kulmbacher Plassenburg und den Umbau des Ans bacher Schlosses verantwortli verantwortlich ch war war.. Nach dessen Tod 1589 entwickelte der im kurbrandenburgischen Dienst stehende italienische Militärbaumeister Rochus Guerini Graf zu Lynar das Festungskonzept weiter. Lynar war gleichzeitig mit der Vollendung der Spandauer Zitadelle und anderer brandenburgischer Bauten beschäftigt. Zu seiner Zeit erhielten die Bastionen aufwändige Flankenstellungen auf drei Ebenen, die für je zwei Kanonen angelegt waren. Nach seinem Tod 1596
Kavaliere, Kurtinen und Kasematten Mit den neuzeitlichen Festungen fanden einige Fremdwörter italienischen oder französischen Ursprungs Eingang in die deutsche Sprache. Mit Zitadelle – von italienisch »cittadella« für »kleine Stadt« oder »Stadtfestung« – bezeichnet man den inneren Teil einer Befestigungsanlage, der oft ein regelmäßiges Vieleck bildet. Am gebräuchlichsten sind Quadrate wie bei den Zitadellen Jülich und Berlin-Spandau sowie Fünfecke, wie wir sie bei der Zitadelle Dömitz und auch bei der Wülzburg nahezu perfekt vornden. Die Ecken einer Zitadelle werden von Bastionen gebildet, die meist eigene Namen haben und die als kräftige Bollwerke zur Aufstellung der Geschütze dienen. Zum Feind hin bilden die Bastionen Stirnseiten oder Facen, zu den eigenen Mauern hin Flanken. Auch in den Flanken wurden Geschütze postiert, welche die Mauern sichern, d.h. ankieren sollten. Die Gewölbe in den Bastionen – Kasematten genannt – dienten als Schutzräume, aber auch als Lagerplatz für Geschütze und Munition. Häug wurden hier auch Gefangene untergebracht. Auf den Bastionsplattformen wurden so genannte Kavaliere errichtet – erhöhte Plätze, die eine weite Schussbahn ermöglichen. Scharwachthäuschen auf der vorderen Spitze der Bastionen dienten zur Beobachtung des Geländes. Die Mauern zwischen den Bastionen werden Kurtinen – aus dem Französischen für »Zwischenfassaden« – oder Wallmauern genannt. Nach außen hin ist die Zitadelle meist von einem Graben umgeben. Diesem vorgelagert sind dreieckige Vorschanzen Vorschanzen oder Ravelins, die zum Schutz der Mauern oder auch als Waffenplatz dienten. Jenseits des Grabens verläuft ein sogenannter Gedeckter Weg, vor feindlichem Feuer geschützt durch einen Wall, der durch die Aufschüttung des umgebenden Geländes entstanden ist. Dieses eingeebnete und von Wald befreite Gelände (genannt Glacis) sollte dem Feind die Annäherung erschweren und freies Schussfeld bieten.
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Festung Wülzburg
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Blick auf das Schloss im Innenhof der Festung. Davor die klassizistische Ludwigszisterne mit einem Fassungsvermögen von 1,35 Millionen Litern.
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Das Renaissance-Portal der Festung. Über dem Eingang links das Wappen des Bauherrn, Markgraf Georg Friedrich, rechts das seiner zweiten Gemahlin, Sophie von BraunschweigLüneburg.
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Die eingebrochenen Gewölbe der Bastion Krebs. Im Vordergrund eine Kanonenrampe, auf der die Geschütze auf die Plattform geschoben wurden. Die Tritte dienten dazu, dass die Soldaten nicht wegrutschten.
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übernahm der Sohn des ersten Baumeisters, Blasius Berwart d. J., die Bauleitung. Auf den Rat des böhmischen Zeug- und Baumeisters Albrecht Albrecht von Haberland hin wurden die bereits fertig gestellten Bastionen verändert, um sie gegen Angriffe widerstandsfähiger zu machen. Die Flankenstellungen wurden zugemauert, die Kavaliere mit Erdaufschüttungen verdeckt. Auch das von Lynar vorgesehene Schlosskonzept wurde nicht verwirklicht – man errichtete nur zwei der geplanten fünf Flügel entlang der Wallmauern.
fränkischen Territorien an das Königreich Bayern abzutreten. Da die bayerische Landesfestung Ingolstadt Ingolst adt in TrümTrümmern lag, kam der Wülzburg nun größere Bedeutung zu. Das führte dazu, dass die Festung nicht nur renoviert wurde, sondern dass man sich vor allem der Wasserversorgung annahm. Denn der Tiefe Brunnen im Westügel des Schlosses – mit einst etwa 150 Metern einer der tiefsten Mitteleuropas – reichte für eine größere Besatzung nicht aus. Deshalb errichtete man ein ganzes System von unterirdischen Wasserspeichern, Zisternen, deren größte – die Ludwigszisterne – sich noch heute im Innenhof bendet.
Um 1600 entsprach die Festung mit den fünf mächtigen Bastionen den modernsten Anforderungen der Verteidigungskunst, doch hat sie ihren Doch die Kriegstechnik schritt im 19. Zweck eigentlich niemals erfüllt. Und Jahrhundert derart voran, dass viele man kann allein wegen ihrer Lage auf Festungen bedeutungslos wurden. Die einem an sich schwer einnehmbarem Entwicklung der Artillerie hatte zur Berg annehmen, dass der Markgraf mit Folge, dass die kleinen Festungen dem Bau der Zitadelle eher auf Reprä- nicht mehr gegen Beschuss zu sichern sentation aus war als auf notwendige waren. Im Krieg um die d ie Vorherrschaft Vorherrschaft Verteidigung. Die weitere Geschichte in Deutschland von 1866 wurde die der Wülzburg mag dieser Vermutung Wülzburg letztmalig in den Kriegszurecht geben. stand versetzt. Ironie der Geschichte: Die Verschlüsse der gerade gelieferten Ohne Kampf wurde sie 1631 im Drei- hochmodernen Geschütze trafen erst ßigjährigen Krieg an den kaiserlichen nach Friedensschluss ein. 1867 wurde Feldherrn Tzerklas Tzerk las Graf von Tilly über- die Wülzburg dann endgültig aufgegegeben, nachdem dieser gedroht hatte, ben. Ihre Zukunft war ungewiss; wie anderenfalls die Residenzstadt Ans- viele andere Festungen drohte sie als bach niederzubren niederzubrennen. nen. Danach ver- Steinbruch zu enden. suchten die Schweden zwar die Festung einzunehmen, vermieden aber Doch ausgerechnet die Stadt Weißeneine Belagerung, Belagerun g, da sie zu viel an Trup- burg, die seinerzeit seinerzeit so vehement gegen pen und Material gebunden hätte. den Bau eingetreten war, verhinderte die Zerstörung und erwarb die riesige Zu den einzigen Zerstörungen in der Immobilie 1882 für 20000 Reichsmark – Festung kam es 1634 – aber nicht durch nur ein Flügel des Schlosses ist bis heute Beschuss, sondern durch ein Feuer im Besitz des Freistaates Bayern. Im in der Küche, das beide Schlossügel Innenhof wurden zahlreiche Gebäude in Schutt und Asche legte. Doch die abgerissen, Bäume wurden gepanzt, Kasematten in den Bastionen und die auf dem Berg wuchs immer im mer mehr Wald. Räume in den Kurtinen boten weiter- Die Weißenburger nutzen ihn bis heute hin ausreichend Raum für die Besat- für ihre Sonntagsausüge. zung der Festung. 1870/71 und in den beiden WeltkrieNach dem Dreißigjährigen Krieg wie- gen diente die Festung als Gefangeder in ansbachischem Besitz, verlor die nen- und Internierungslager. Der wohl Festung an militärischer Bedeutung. berühmteste Gefangene war 1918 der Sie diente fortan als Kaserne und als junge französische Ofzier und späStaatsgefängnis. tere Staatspräsident Charles de Gaulle, der nach einem Fluchtversuch erst im Mit dem Ende der ansbachischen Linie Zug zwischen Würzburg und Aschafder Hohenzollern 1791 el die Mark- fenburg aufgegriffen wurde. Nach dem grafschaft an den preußischen König. Zweiten Weltkrieg waren für einige 1806 zwang Napoleon Preußen, alle Jahre Flüchtlinge auf der Wülzburg
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Deutsche Stiftung Denkmalschutz – »Damit Vergangenheit Zukunft hat« Mit der Idee, in Deutschland eine private Institution für die Bewahrung und Pege des
kulturellen Erbes zu etablieren, nahm 1985 die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) ihre Arbeit auf. Unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten ist sie inzwischen zu einer der größten Bürgerinitiativen für den Denkmalschutz geworden. Mehr als 3000 Denkmale wurden von der Stiftung bisher mit über 310 Millionen Euro unterstützt. Dazu zählen Stadt- und Dorfkirchen, Schlösser und Burgen, Bürgerhäuser, öffentliche Bauten, Bauerngehöfte und Industriedenkmale ebenso wie Parks, Friedhöfe, Stadttore Stadttore und Stadtmauern oder archäologische Grabungen. Ermöglicht wird die Arbeit der Stiftung aus Mitteln der Lotterie GlücksSpirale, zeit weisen öffentlichen Zuschüssen und durch private Spenden. Um eine noch breitere Unterstützung für den Denkmalschutz zu nden, koordiniert die Stiftung seit 1993 in Deutschland den »Tag des offenen Denkmals«. Durch ihre Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und die Zeitschrift M ONUMENTE informiert die Stiftung über ihre Arbeit und allgemeine Denkmalschutzthemen. Denkmalschutzthemen. Mit Mit Ausstellungen, Ausstellungen, Vorträgen, Reisen und Publikationen fördert die Stiftung das Wissen um das bauliche Erbe. Denkmalpege bedeutet neben der akuten Rettungsarbeit insbesondere auch kontinuierliche Pege. Daher sucht die DSD Stifter, die für ein Denkmal ihrer Wahl ein Stiftungskapital für die notwendige Pege und Erhaltung dieses Kulturgutes zur Verfügung zu stellen. stelle n. Wohl eine Million Einzeldenkmale bedürfen der Restaurierung und konstanten Pege, um die Zeugnisse der Vergangenheit Vergangenheit weiterhin als Quelle des Verständnisses der Gegenwart und damit für f ür die Gestaltung der Zukunft zu nutzen.
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Blick ins Land von der Bastion Kaltes Eck
Wenn Sie mehr über die Arbeit der Deutschen Stiftung Wenn Stiftung Denkmalschutz wissen wollen, wenden Sie sich an: Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Koblenzer Str. Str. 75, 53177 Bonn Tel.: 0228 – 95 73 80 4www.denkmalschutz.de
untergebracht. Heute wird das Schloss Die früh-neuzeitliche Festung Wülzvon den Rummelsberger Rummel sberger Anstalten e.V. burg, die denen in Jülich und Berlingenutzt, die hier junge Leute in Alten- Spandau in nichts nachsteht, ist immer und Kinderpegeberufen ausbilden. noch ein Geheimtipp. Deshalb gibt es hier – mitten in Franken – für FestungsÜber die Jahrhunderte haben Bastionen freunde noch viel zu entdecken! und Wallmauern der bis heute volln Dorothee Reimann ständig erhaltenen Festung sehr gelitten. Teilweise ist Wasser Wasser eingedrungen, eingedru ngen, Führungen: 1. Mai bis Mitte Oktober: Gewölbe sind eingebrochen. Seit den Sa. 13.00 bis 17.00 Uhr, 1960er Jahren bemüht sich die Stadt So. und feiertags 11.00 bis 17.00 Uhr. Weißenburg, die Wülzburg instand zu Während der Pngst- und setzen und so das gesamte Ausmaß Sommerferien in Bayern zusätzlich dieser Renaissance-Zitadelle für die Mo. – Fr. 13.00 bis 17.00 Uhr. Öffentlichkeit erlebbar zu machen. Letzte Führung jeweils 16.00 Uhr. Unterstützung für das als Denkmal von nationalem Rang eingestufte Pro- Alle Fotos des Beitrages © DSD/M.L. Preiss jekt gab es vom Bund, vom Freistaat Bayern, vom Regierungsbezi Regierungsbezirk rk Mittel- Literaturtipp: franken und vom Kreis Weißenburg- Daniel Burger, Weißenburg in Bayern – Gunzenhausen. Vor ein paar Jahren hat Festung Wülzburg (= Burgen, Schlösser und sich der Bund aus der Finanzierung Wehrbauten, Bd. 10), Regensburg 2002. zurückgezogen, deshalb hilft die Deut- ISBN 3-7954-1475-X; 64 S., 6,50 sche Stiftung Denkmalschutz seit 2001 Hartwig Neumann, Festungsbau-Kunst und echnik. Deutsche D eutsche Wehrbauarchitektur vom mit bisher rund 270 000 Euro bei der -T-Technik. XV.. bis XX. Jahrhundert, J ahrhundert, Koblenz 1988. Sanierung der am meisten zerstörten XV ISBN 3-7637-5839-9; ca. 40,00 Bastion Krebs.
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Blick in den Festungsgraben zur Bastion Jungfrau, rechts im Vordergrund die Mauer der Bastion Krebs
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Kasematten der Bastion Krebs
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Kampf um Tsingtau 1914
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k i w r ü M e l u h c s e n i r a M
roße Unruhe kam bei der deutschen Bevölkerung Tsingtaus nicht auf, als die Nachricht vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges am 3. August 1914 in der Hafenstadt am Gelben Meer eintraf. Zu weit entfernt wähnte man sich im von China gepachteten deutschen Gebiet Kiautschou von den Kampfhandlungen in der fernen Heimat. Zudem fühlte man sich in Tsingtau gut gerüstet: Seit 1898 war die Küstenlinie der Stadt durch eine Reihe von Geschützbatterien befestigt worden, die stark genug waren, um einer Beschießung durch Schiffsartillerie Schiffsartiller ie oder einem Landungsversuch standzuhalten. Insgesamt verteilten sich 21 Geschütze mit Kalibern zwischen 8,8 und 28 cm auf fünf verschiedene Küstenbatterien, die die äußere Kiautschou-Bucht und die Einfahrt zum Hafen sicherten.
Auf A uf verlorenem verlorenem Posten Posten
Der Kampf um das deutsche Pachtgebiet Kiautschou im Ersten Weltkrieg
Ein Angriff von der Landseite her ßen aber zum Teil wesentlich kleiner zu lesen gewesen. Als allerdings die wurde hingegen aufgrund des unweg- waren als die der Küstenartilleri Küstenartillerie. e. britischen Verbündeten anfragten, ob samen Geländes im einige Kilometer mit japanischer Hilfe gegen Deutschhinter der Stadt aufragenden Lauschan- Das unmittelbar angrenzende China land zu rechnen sei, sah man in Tokio Gebirge von vornherein für wenig hatte indessen ohnehin schon kurz eine günstige Gelegenheit gekommen, wahrscheinlich gehalten. Dafür wären nach Kriegsausbruch seine Neutralität die eigene Macht in Ostasien auszuweigroße Truppenkon Truppenkontingente tingente nötig gewe- erklärt. So war der deutsche Gou- ten. Mit einem Krieg gegen Deutschsen, die nach deutscher Einschätzung verneur des Pachtgebietes Kiautschou, land bot sich immerhin nicht nur die keine der feindlichen europäischen Kapitän zur See Alfred Meyer-Wal- Chance, den deutschen Konkurrenten Mächte in Ostasien aufbieten konnte. deck, zuversichtlich, den möglichen in China ein für alle Mal auszuschalSo waren nach dem Boxeraufstand im Angriff eines europäischen Feindes so ten, sondern auch dessen Besitzungen Jahr 1900 zum Schutz vor weiteren lange abwehren zu können, bis die auf dem chinesischen Festland und im chinesischen Unruhen lediglich fünf Kriegsentscheidung in Europa gefal- Pazik zu übernehmen. Folgerichtig leichte Befestigungsanlagen im Hinter- len sein würde. Nach den Kalkula- wurde dem deutschen Botschafter in land Tsingtaus angelegt worden, die tionen aus der Vorkriegszeit wurde Tokio am 16. August 1914 ein japamit vier bis zehn Maschinengewehren diese innerhalb von wenigen Monaten nisches Ultimatum überreicht, in dem sowie einer Anzahl von Minenwer- erwartet. die Entfernung oder Abrüstung aller fern ausgestattet waren. In Verbindung im Tsingtauer Hafen und in Ostasien mit einem durchgehenden, 15 Meter Bald trat jedoch ein Gegner auf den bendlichen deutschen Kriegsschiffe tiefen Stacheldrahthindernis mit Gra- Plan, den die deutsche Seite zunächst sowie die Übergabe des Kiautschouge benansatz und Mauer sicherten diese nicht in die Überlegungen einbezogen biets bis zum 15. September gefordert so genannten Infanteriewerke den an hatte: Japan. Noch in den ersten Tagen wurden. Eine Antwort wurde bis zum dieser Stelle 5 Kilometer breiten Zu- des Monats August hatte der japa- 23. August erwartet, ansonsten werde gang zur Stadt, die auf einer Halbinsel nische Außenminister Kato mehrfach die japanische Kriegserklärung erfollag. Zusätzlich bestand zur Landseite öffentlich die Absicht seines Landes gen. hin eine Reihe von mehr oder weniger erklärt, neutral zu bleiben, und in gegen feindlichen Beschuss gesicherte japanischen Zeitungen waren Freund- Im deutschen Pachtgebiet dachte man Geschützstellungen, deren Kalibergrö Kalibergrö-- schaftsbekundungen an Deutschland hingegen nicht an Aufgabe. Bereits seit 16
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Öffentliche Aushänge informierten die deutsche Bevölkerung von Tsingtau Foto: Marineschule Mürwik 3
Bismarckberg, Japanische Soldaten vor von der deutschen Geschützbedienung gesprengter Panzerkuppel einer 28-cm-Haubitze
Anfang August waren deutsche Reservisten aus allen Teilen Ostasiens nach Tsingtau einberufen worden. Zusammen mit zahlreichen Freiwilligen sowie dem aus rund 500 Marineinfanteristen bestehenden Ostasiatischen Marinedetachement, das zuvor die deutschen Handelsniederlassungen Handelsniederlassung en in Peking und Tientsin geschützt hatte, erhöhte sich die Stärke der Tsingtauer Garnison, die sich im Frieden aus Soldaten des Cuxhavener III. Seebataillons sowie der Matrosenar Matrosenartillerieabtei tillerieabteilung lung Kiautschou zusammensetzte, von ursprünglich 2625 schließlich auf ungefähr 4700 Mann. Auf der Werft bemühte man sich derweil, die im Hafen ankernden Handelsschiffe zu Hilfskriegsschiffen umzurüsten und einige im Dock liegende Kriegsschiffe so schnell wie möglich wieder einsatzfähig zu machen. Von den in Tsingtau bendlichen Schiffen konnten letztlich aber nur drei, das Kanonenboot »Jaguar«, das Torpedo boot »S 90« und der österreich österreichische ische Kreuzer »Kaiserin Elisabeth«, an den
späteren Kämpfen teilnehmen. Bereits und führte einige Monate lang, ganz am 31. Juli war der Kleine Kreuzer auf sich allein gestellt, den Kreuzer»Emden« aus dem Tsingtauer Hafen, krieg im Indischen Ozean, in dessen der auch als Kohlenstation für das Ost- Verlauf sie bis zu ihrer eigenen Zerasiatische Kreuzergeschwader diente, störung am 9. November 1914 rund in Richtung Japanisches Meer ausge- 70000 Bruttoregistertonnen an feindlilaufen und eine Woche später mit chem Schiffsraum versenkte. dem in der Koreastraße gekaperten russischen Dampfer »Rjazan« zurück- Die Landbefestigungen des Pachtgegekehrt. Kurz darauf verließ die bietes wurden inzwisc inzwischen hen durch zu»Emden« erneut die Kiautschou-Bucht sätzliche Schützengräben und DrahtMilitärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2004
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Kampf um Tsingtau 1914
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Gouvernementsgebäude, Sitz der deutschen Kolonialverwaltung, mit Geschosstreffer
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ten japanischen Truppen die deutschen Bergwerke und Eisenbahnlini Eisenbahnlinien en in Schantung, was heftige, aber wirkungslose Proteste der Chinesen zur k i w r Folge hatte. ü M e l u h c s e n i r a M
Die Deutschen hatten nach dem Bekanntwerden Bekanntwerd en der Landung der Japaner damit begonnen, die Eisenbahnverbindung Tsingtaus mit dem Hinterland durch Zerstörung von Brücken und Weichen sowie durch die Aufnahme von Schienen unbrauchbar zu machen, um den japanischen Vormarsch zu erschweren. Viel mehr wurde dieser allerdings gehemmt durch die seit Ende August immer stärker wütenden Unwetter, die die unbefestigten Wege im Hinterland morastig gemacht und die sonst seichten Flüsse in reißende Ströme verwandelt hatten. Auch die zusätzlichen deutschen Landbefestigungen vor Tsingtau, die seit Kriegsausbruch angelegt worden waren, hatten unter den heftigen Regenfällen zu leiden. Erst am 12. September wurde das Wetter wieder besser. An diesem Tag begannen auch die Aufklärungsüge des einzigen einsatzfähigen deutschen Flugzeuges in der Stadt zur Beobachtung des japanischen Vormarsches auf das Kiautschougebiet.
verhaue verstärkt, während die Hafen- beschädigt beschädigt und zum Abdr Abdrehen ehen gezwu gezwunneinfahrt mit zahlreichen Minensperren Minensperren gen worden war. Am 27. August gegen feindliche Schiffe gesichert wur- erschien ein japanisches Geschwader de. Zusätzlich versahen »Jaguar« und vor Tsingtau, das aus neun Kriegs»S 90« einen regelmäßigen PatrouillenPatrouillen- schiffen bestand und die Seeblockade dienst in der Kiautschou-Bucht. der Stadt eröffnete. Schon nach drei Tagen lief jedoch einer der japanischen Schon beim Bekanntwerden des Kriegs- Zerstörer in einem Sturm auf Grund ausbruchs war es in Tsingtau zu einer und wurde durch das Kanonenboot regelrechten Panik unter der chinesi- »Jaguar« endgültig versenkt. Anfang schen Bevölkerung des Pachtgebiets September stieß noch der britische Zergekommen. Nachdem jedoch ein sofor- störer »Triumph« zur Blockadeotte, tiger Angriff ausgeblieben war und der fortan von der chinesischen Bedie Löhne aufgrund der verstärkten völkerung Tsingtaus »Kuliaufseher« Armierungsarbeiten Armierungsarbei ten deutlich angestie- genannt wurde, wobei mit »Kulis« zu gen waren, kehrten viele zunächst ge- dieser Zeit im Allgemeinen Asiaten üchtete Chinesen nach Tsingtau zu- gemeint waren. In der Folgezeit waren rück. Nach der Veröffentlichung des die Kriegsschiffe hauptsächlich mit japanischen Ultimatums Ultimatums verließen verließen nun Minenräumungen beschäftigt, was aber vor allem wohlhabendere Chinesen durch das stürmische Wetter stark beund hohe chinesische Beamte die Stadt. hindert wurde. Seit Anfang September Die meisten deutschen Frauen und erfolgten zudem fast tägliche AufkläKinder wurden per Dampfer und rungsüge japanischer MilitärugzeuEisenbahn evakuiert. Die letzten japa- ge, die bisweilen auch einzelne Bomben nischen Einwohner Tsingtaus hinge- auf die Stadt warfen, ohne dabei aller- Die Japaner kamen nun besser voran gen wurden am 20. August von der dings größeren Schaden anzurichten. und lieferten sich bald die ersten kleinedeutschen Verwaltung ausgewiesen. ren Gefechte mit deutschen Patrouillen. Diese Maßnahmen von der Seeseite her Nach und nach wurden BelagerungsNachdem die kaiserliche Reichsregie- dienten jedoch nur zur Vorbereitung artillerie und weitere Truppenverstärrung die Aufforderung Japans nach eines anderen, weit größeren Vorha- kungen herangeführt, unter anderem Übergabe des Kiautschougebietes un- bens: Am 2. September landeten landeten starke auch 1200 britische und indische Solda beantwortet gelassen hatte, erfolgte japanische Truppenverbände mit 26 ten. Zu diesem Zweck war in der Laudie japanische Kriegserklärung am Transportschiffen, die von 36 Kriegs- schan-Bucht unweit der Grenzen des 23. August 1914. Kurz vorher hatte schiffen geschützt wurden, im Norden deutschen Pachtgebietes eine Nachder deutsche Gouverneur in Tsingtau der Halbinsel Schantung, etwa 180 schubbasis für den bevorstehenden bevorstehende n Anseiner Haltung zu den bevorstehend bevorstehenden en Kilometer vom deutschen Pachtgebiet griff eingerichtet worden, die ständig Ereignissen in einem knappen Tele- Kiautschou entfernt. Das chinesische von See her versorgt wurde. Die deutgramm an Kaiser Wilhelm II. Ausdruck Einverständn Einverständnis is dazu hatten die Japaner schen Truppen zogen sich indessen allverliehen: »Einstehe für Pichterfül- vorausgesetzt, und tatsächlich blieb der mählich kämpfend auf ihre vorbereilung bis zum äußersten.« chinesischen Regierung nur übrig, die teten Verteidigungsstellungen zurück. geschaffenen Fakten anzuerkennen und Dabei griffen die in der KiautschouZu ersten Kampfhandlungen war es den östlichen Teil der Provinz Schan- Bucht liegenden deutschen Kriegs bereits am 22. August gekommen, tung einen Tag Tag später zur »Kriegszone« »Kriegsz one« schiffe mit ihren Bordgeschützen in die als der britische Zerstörer »Kennet« zu erklären, da dort die chinesische Landgefechte ein und behinderten das vor der Kiautschou-Bucht von dem Neutralität nicht gewährleistet werden japanische Vorrücken Vorrücken zum Teil erhebdeutschen Torpedoboot »S 90« schwer könne. Innerhalb kurzer Zeit besetz- lich. 18
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Der Druck auf die deutsche Festung nahm dennoch unaufhaltsam zu. Während die Japaner bis in den Oktober hinein mehr und mehr Truppen sowie Artilleriegeschütze für den Sturm auf Tsingtau herbeischafften, wurde die Beschießung der Stadt und der deutschen Geschützstellungen an der Küste durch die Blockadeotte immer stärker. Auch die japanischen Fliegerangriffe häuften sich. Die deutschen Verteidiger bemühten bemüh ten sich, durch Erwiderung des Feuers vor allem die Aufstellung der feindlichen Artillerie auf der Landseite zu stören, wobei das einzige Flugzeug Tsingtaus als Beobachter fungierte. Die vollständige Einschließung der Stadt am 28. September war jedoch nicht zu verhindern. Am 2. Oktober unternahm das Ostasiatische Marinedetachement noch einmal einen Ausfall aus der Festung, um den Japanern die ungebrochene Verteidigungsfähigkeit der deutschen Besatzung Tsingtaus zu demonstrieren und sie von einer vor den deutschen Befestigungen gelegenen Höhe zu vertrei ben, was unter einigen Verlusten Verlusten auch gelang. Nun begannen die Deutschen allmählich damit, die für die Verteidigung nicht benötigten Schiffe in der Bucht zu versenken, um sie nicht dem Feind in die Hände fallen zu lassen. Die Hafeneinfahrt wurde auf diese Weise mit drei großen Dampfern versperrt. Das Torpedoboot »S 90« unternahm hingegen am 17. Oktober einen wagemutigen Angriff auf das kräftemäßig weit überlegene Blockadegeschwader. Dabei versenkte versenkt e es durch drei TorpedoTorpedotreffer den japanischen Kreuzer »Takachiho« mit 284 Mann Besatzung, von denen lediglich 13 den Angriff überlebten. Da »S 90« wegen seiner zu geringen Geschwindigkeit den feindlichen Schiffen, die sofort die Verfolgung aufnahmen, nicht entkommen konnte, wurde es südlich von Tsingtau auf Grund gesetzt und von seiner Besatzung gesprengt. Die Mannschaft konnte sich ins Landesinnere retten und wurde schließlich von den Chinesen bis zum Kriegsende in Nanking interniert. Schon wenige Tage zuvor war die Blockadeotte empndlich geschwächt worden, als der britische Kreuzer »Triumph« durch einen Volltreffer der deutschen Küstenbatterien
Das deutsche Schutzgebiet Kiautschou Die Ermordung von zwei deutschen Missionaren am 1. November 1897 in der chinesischen Provinz Schantung gab dem Deutschen Reich den Anlass, dort als »Sühnemaßnahme« eine bereits einige Jahre vorher vom Oberkommando der Marine ins Auge gefasste Meeresbucht mit dem dazugehörigen Küstenstreifen am 14. November 1897 durch deutsche Marinetruppen kampos zu besetzen. Durch einen am 6. März 1898 unter deutschem Druck abgeschlossenen deutsch-chinesischen Vertrag pachtete Deutschland das nach einer in der Nähe gelegenen Stadt »Kiautschougebiet« genannte Territorium für eine Dauer von 99 Jahren. Außerdem wurde eine daran angrenzende, 50 Kilometer tiefe neutrale Zone eingerichtet und dem Deutschen Reich der Betrieb von Bergwerken und Eisenbahnen in der chinesischen Provinz Schantung gestattet. Das deutsche Pachtgebiet unterschied sich in mehrfacher Hinsicht von den übrigen deutschen Kolonien: Da es von Anfang an nicht als Rohstofieferant oder Siedlungskolonie, sondern als Marine- und Handelsstützpu Handelsstützpunkt nkt gedacht war, wurde es dem Reichsmarineamt und nicht wie die übrigen Kolonien der Kolonialabteilung im Auswärtigen Amt, k p b
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Werftanlage in Tsingtau, Fotopostkarte um 1910
dem späteren Reichskolonialamt, unterstellt. Mit der Verwaltung des Gebietes waren folglich keine kaiserlichen Beamten, sondern Marineofziere betraut. Innerhalb von einem Jahrzehnt wurde die Stadt Tsingtau gebaut, die in ein europäisches und ein chinesisches Wohnviertel unterteilt war. Das Wohngebiet für die Europäer war ganz nach deutschen Vorbildern errichtet worden und bot alle aus Deutschland gewohnten Annehmlichkeiten, Annehmlichk eiten, unter anderem auch ein Seebad, einen Stadtpa Stadtpark rk und eine Pferderen Pferderennnbahn. Neben zahlreichen Handelsrmen und Industriebetrieben verfügte Tsingtau über umfangreiche Hafenanlagen, die auch für die damals größten Schiffe ausreichten, und war durch die neu gebaute »Schantung-E »Schantung-Eisenbahn« isenbahn« mit dem chinesische chinesischenn Hinterlan Hinterlandd verbunden. Es gab mehrere Schulen, eine deutsch-chinesische Universität und ein Krankenhaus. 1914 wohnten etwa 195 000 Menschen im Kiautschougebiet, die meisten in der Stadt Tsingtau. Jedoch waren nur etwa 5000 Europäer darunter, einschließlich der rund 2600 Mann starken deutschen Garnison. Heute hat Tsingtau (Qingdao) etwa 1,3 Millionen Einwohner. Es wird 2008 einer der Austragungsorte der Olympischen Spiele sein.
so schwer beschädigt wurde, dass er nach Japan zur Reparatur gebracht werden musste. Diese Erfolge hatten die Stimmung in der eingeschlossenen Stadt enorm verbessert, ebenso wie die zur gleichen Zeit über Funk empfangene Nachricht von der Eroberung AntwerAntwerpens durch deutsche Truppen. Nachdem das Unterseekabel nach Schang-
hai Mitte August von dem britischen Kabeldampfer »Patrol« unterbrochen worden war, stellte der Funk die letzte Verbindung des Kiautschougebietes zur Außenwelt dar. Obwohl bereits am 12. August zwei britische Kreuzer die Funkstation auf der deutschen Südseeinsel Jap durch Artilleriebeschuss zerstört hatten, konnte der Funkverkehr durch den in Schanghai liegenden deutschen Dampfer »Sikiang« sicher-
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Kampf um Tsingtau 1914 k p b 3
»Die Helden von Tsingtau im japanischen Gefangenenlager«, Propaganda-Postkarte um 1917
Besetzung der Innenstadt und der Wohngebiete durch die japanischen Truppen verhindern wollte, wurde um 6 Uhr 30 am Morgen des 7. November 1914 die weiße Fahne gehisst.
gestellt werden, der die aus Tsingtau feindliche Bombardement zerstört oder herausgehenden Funksprüche aufng nach dem Verschuss der letzten Muniund weiterleitete. Auf umgekehrtem tion gesprengt worden. Der Sturm Wege erreichte Ende Oktober auch ein auf die Stadt stand nun unmittelbar Telegramm Kaiser Wilhelms II. II . die Ver- bevor. bevor. In dieser Situation erhielt der teidiger, das mit großer Begeisterung Pilot des deutschen Beobachtungsugaufgenommen wurde: »Mit Mir blickt zeuges, Oberleutnant zur See Gunter das gesamte deutsche Vaterland mit Plüschow, den Befehl zum Flug nach Stolz auf die Helden von Tsingtau, die China, da für ihn in der Festung keine getreu dem Worte ihres Gouverneurs Verwendung mehr bestand. ihre Picht erfüllen. Seien Sie alle Meines Dankes gewiss. Wilhelm I. R.« Schon seit Anfang des Monats waren immer wieder japanische SturmanNichtsdestoweniger wurde die Lage griffe abgewehrt worden, doch als am für die Eingeschlossenen immer aus- 6. November erneut heftiges Artillewegloser: Seit dem 26. Oktober ver- riefeuer eine massive japanische Attastärkte sich die Beschießung von der cke auf die Verteidigungsstellungen Seeseite her noch einmal merklich, und begleitete, hatten die wenigen verblieseit dem 31. Oktober, dem Geburtstag benen deutschen Geschütze mit ihren des japanischen Kaisers, belegte auch zur Neige gehenden Munitionsvorrädie Belagerungsartillerie die deutsche ten nicht mehr viel entgegenzusetzen. Festung mit heftigem und lang anhal- Nach erbitterten Kämpfen gelang der tendem Feuer. Der Beschuss hatte japanischen Infanterie in der Nacht nachhaltige Folgen. Die deutschen Ge- der Durchbruch durch die deutschen schützstellungen und Infanteriebefes- Linien; zahlreiche deutsche Soldaten tigungen wurden mehr und mehr in wurden gefangen genommen. Da die Mitleidenschaft gezogen, und auch Lage nun aussichtslos geworden war, bei der deutschen Besatzung zeigten wurden die letzten Artilleriebatterien sich durch das andauernde Artillerie- und Verteidigungsanlagen durch die feuer erste Zermürbungserscheinun- Deutschen gesprengt. Die Funkstation gen. Über der Stadt lagen jetzt die von Tsingtau, die nach der Zerstörung Rauchsäulen der brennenden Petro- des Elektrizitätswerks der Stadt am leumtanks am Hafen. 3. November ohnehin nicht mehr senden konnte, sondern lediglich noch die In der Nacht vom 1. auf den 2. Novem- eingehenden Funksprüche des Damp ber wurde der österreichische österreichische Kreuzer fers »Sikiang« aus Schanghai abgehört »Kaiserin Elisabeth«, auf dem die Muni- hatte, wurde in Brand gesetzt. Die tion ausgegangen war, von seiner Mann- Besatzung des Kanonenboo Kanonenboots ts »Jaguar«, schaft an einer tiefen Stelle der Kiaut- das sich bis zuletzt an den Kämpfen schou-Bucht versenkt. Auch mehrere beteiligt hatte, versenkte ihr Schiff deutsche Artilleriestellungen Artilleriestellungen waren in in der Kiautschou-Bucht. Auf Befehl den ersten Novembertagen durch das des Gouverneurs, der die gewaltsame 20
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In den Tagen nach der Kapitulation vollzog sich die Übergabe der Verwaltung und der militärischen Einrichtungen an die Sieger. Bei den Verhandlungen wurde den Deutschen von den Japanern große Achtung für ihre militärischen Leistungen entgegengebracht. Am 9. November fand eine Trauerfeier für die bei den letzten Gefechten um Tsingtau gefallenen Deutschen Deutsch en statt, die für die Beteiligten zugleich den Charakter einer Abschiedsfeier vom deutschen Pachtgebiet hatte. Am nächsten Tag begann der Abtransport Abtranspor t der Kriegsgefangenen nach Japan; nur wenige deutsche Männer durften in der Stadt bleiben. Am 16. November zogen die siegreichen japanischen Truppen mit einer Parade in Tsingtau ein. Bei der Belagerung der Stadt hatten sich sehr ungleiche Kräfte gegenübergestanden. Während die deutsche Festungs besatzung aus ungefähr 4700 Mann bestanden hatte, liegen die Angaben zur Gesamtstärke des japanischen Belagerungsheeres zwischen 20000 und 63 000 Mann, wobei teilweise die BesatBesatzungstruppen in Schantung mit eingerechnet wurden. Die deutschen Verluste beliefen sich auf 224 Gefallene und rund 400 Verwundete; für die japanische Seite gibt es sehr widersprüchliche Zahlen. Die amtlichen japanischen Berichte verzeichneten 1303 Tote, andere Quellen schätzen die Verluste auf bis zu 12000 Gefallene und Verwundete. Letztlich zahlten sich diese Opfer für Japan nur für kurze Zeit aus. Zwar wurde im Versailler Vertrag von 1919 der gesamte ehemals deutsche Staatsund Privatbesitz im Kiautschougebiet und in der chinesischen Provinz Provinz Schantung an Japan übertragen. Die japanische Regierung plante nun, Tsingtau als Ausgangsbasis für eine weitere Expansion ins chinesische Hinterland zu nutzen. Aber die weltpolitische Lage
hatte sich verändert: China nahm die permanenten Versuche ausländischer Einussnahme nicht mehr ohne weiteres hin, und auch Großbritannien und die USA wollten dem japanischen Vordringen in Ostasien Einhalt gebieten. So drängten sie Japan Ende 1921 zu Verhandlungen mit China, an deren Ende die Rückgabe des Kiautschouge bietes und der Schantung-Eisenbahnlinie an China gegen eine Entschädigung stand. In Deutschland hatte der ungleiche Kampf um Tsingtau zumindest zu Beginn des Krieges für großes Aufsehen gesorgt. In vielen Zeitungen und zahlreichen Büchern wurde der »deutsche Heldenkampf« ausgiebig geschildert und gloriziert. Besonders der Erlebnisbericht von Gunter Plüschow, des sogenannten »Fliegers von Tsingtau«, dem nicht nur der Flug aus der belagerten Stadt, sondern auch die Rückkehr nach Deutschland gelungen war, fand reißenden Absatz. Das Buch, in dem Plüschow seine abenteuerliche Flucht durch China, Amerika und das feindliche England beschreibt, erschien noch während des Krieges und wurde bis in die 1940er Jahre in millionenfacher Auage nachgedruckt. Die Vorkriegsüberlegungen der deutschen Marine zu Tsingtau waren im Verlauf der Kämpfe eindrucksvoll bestätigt worden. Das Reichsmarineamt hatte sich beim militärischen Ausbau des Kiautschougebietes seit 1898 vor allem ein Ziel gesetzt: es für so lange verteidigungsfähig zu machen, bis ein möglicher Krieg zwischen den europäischen Mächten in Europa entschieden sein würde, laut der vor 1914 weitverbreiteten weitverbrei teten Meinung von Militärexperten nach drei Monaten. Und tatsächlich waren, ganz im Sinne dieser Kalkulation, überall in Europa im Oktober 1914, drei Monate nach Kriegsausbruch, die Munitionsvorräte der Vorkriegszeit Vorkriegszeit verschossen. So war auch die Zuversicht des deutschen Gouverneurs des Kiautschougebiets, Kapitän zur See Meyer-Waldeck, aus den frühen Tagen des August 1914 nicht unbegründet gewesen, das Pachtgebiet bis zum vermeintlichen Kriegsende halten zu können. Die Verteidiger der Stadt Tsingtau hatten sich sogar noch bis in den November der feind-
lichen Streitmacht erwehren können. Insofern waren die militärischen Planungen für das Kiautschougebiet voll aufgegangen. An anderer Stelle hatten sich die Strategen jedoch gründlich verschätzt: Der Krieg in Europa sollte entgegen der
Vorkriegskalkulationen noch weitere vier Jahre andauern. An seinem Ende stand die Niederlage des Deutschen Reiches und seiner Verbündeten und nicht zuletzt der Verlust aller deutschen kolonialen Besitzungen in Übersee. n Lars Nebelung
Das deutsche Kolonialreich
t t a t s a R m u e s u M s e h c i l t h c i h c s e g r h e W
Nach dem Sieg im deutsch-französischen Krieg 1870/71 und der Schaffung eines einheitlichen deutschen Nationalstaates mit der Gründung des Deutschen Reiches wurde von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in Deutschland auch die Erwerbung von Kolonien gefordert. Diese sollten vor allem als Absatzmärkte für deutsche Waren, als Rohstofflieferanten und als Siedlungsgebiete für deutsche Auswanderer dienen. Außerdem wollte man mit dem Besitz von Kolonien die gestiegene Macht und Bedeutung Deutschlands in der Welt zum Ausdruck bringen. Vor allem Großbritannien und Frankreich, aber auch Portugal, Spanien und andere Staaten hatten jedoch die meisten Gebiete der Welt W elt schon unter sich aufgeteilt, sodass 5 nur noch einige wenige Landstriche Erinnerungsbild des Gefreiten Albert Kist übrig geblieben waren. Bismarck sträubte zu seiner Dienstzeit bei der 1. Kompanie/ sich zudem lange gegen den Erwerb III. Seebataillon 1908–1911. Das von Kolonien, weil er dadurch politi- Flaggenmotiv ist auf die internationale sche Schwierigkeiten mit anderen euro- Bekämpfung des Boxeraufstands 1900/01 päischen Mächten befürchtete. Private zurückzuführen. Initiativen führten dennoch seit 1884 dazu, dass einige Gebiete in Afrika und in der Südsee unter den politischen und militärischen Schutz des Deutschen Reiches gestellt wurden. Zu diesen »Schutzgebieten« zählten zunächst Togo, Kamerun, Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) und DeutschOstafrika (heute Tansania, Tansania, Ruanda und Burundi) sowie Deutsch-Neuguinea und mehrere Inselgruppen im Pazischen Ozean. Die ursprüngliche Absicht Bismarcks, die Verwaltung dieser Territorien nach Möglichkeit privaten Handelsgesellschaften zu überlassen, musste unter anderem wegen deren schlechter nanzieller Ausstattung allerdings schnell revidiert werden. Schon bald wurden die Schutzgebiete in unmittelbare Reichsverwaltung überführt. Um die Jahrhundertwende vergrößerte Deutschland noch einmal seinen überseeischen Besitz, getragen von einer in allen europäischen Mächten dominierenden imperialistischen Großmachtpolitik: Das Kiautschougebiet in China, weitere Inselgruppen in der Südsee und ein Teil Teil von Samoa kamen hinzu. Die notwendige wirtschaftliche Erschließung der Kolonien durch den Bau von Siedlungen, Straßen und Eisenbahnlinien machte sie allerdings zu einem Zuschussgeschäft für das Reich. Erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg konnten in einigen Kolonien wir tschaftliche Überschüsse durch die Lieferung von Rohstoffen erzielt werden. Abgesichert wurde die deutsche Kolonialherrschaft in den meisten Gebieten durch die Aufstellung von militärischen »Schutztruppen« oder Polizeieinheiten, die zum Teil aus Einheimischen bestanden und wiederholt gegen Aufstände der alteingesessenen Bevölkerung eingesetzt werden mussten. Im Ersten Weltkrieg W eltkrieg wurde die Mehrzahl Mehrzahl der der deutschen deutschen Kolonialge Kolonialgebiete biete rasch von den den zahlenmäßig zahlenmäßig überlegenen feindlichen Truppen erobert. Nur in Deutsch-Ostafrika konnten sich die deutschen Verteidiger unter dem Befehl von Paul von Lettow-Vorbeck bis 1917 halten, danach in Mozambik und Rhodesien bis zum Kriegsende 1918. Im Versailler Vertrag von 1919 musste das Deutsche Reich auf seine Kolonien verzichten, die als so genannte Mandatsgebiete des Völkerbundes unter den Siegermächten aufgeteilt wurden.
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Service
Das historische Stichwort 3
US-Truppen beim Verlassen eines Landungsbootes, 6. Juni 1944
Vor 60 Jahren: Vor Jahren: Die alliierte Invasion in der Normandie am 6. Juni 1944
S
eit sich Roosevelt und Churchill auf der Washingtoner Konferenz 1941/42 auf die militärische Niederringung Deutschlands als vorrangiges gemeinsames strategisches Ziel geeinigt hatten, nahm die Landung an der französischen Kanalküste in den englisch-amerikanischen Überlegungen einen zentralen Platz ein. Allerdings sollte die Errichtung der Zweiten Front noch länger auf sich warten lassen. Das im Januar 1943 in Casa blanca verkünd verkündete ete Kriegsziel der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands war auch an den sowjetischen Kriegspartner gerichtet, der, von der Wehrmacht hart bedrängt, Entlastung forderte. In den frühen Morgenstunden des 6. Juni 1944 gingen gi ngen schließlich die ver bündeten amerika amerikanischen, nischen, britischen und kanadischen Streitkräfte unter dem von Eisenhower geführten alliierten Oberkommando in der französischen Normandie an Land. In der Nacht waren unbemerkt von der Kriegsmarine Minengassen für die alliierte Armada von über 4000 Landungs booten und mehr als 1000 Kriegsschiffen aller Art geräumt worden. Parallel 22
dazu sollten Luftlandeoperatio Luftlandeoperationen nen die Flanken des Landungsraums sichern. Eine überwältigende Luftstreitmacht und das Feuer von Schiffsartillerie Schiffsartillerie und Raketenbooten zerstörten viele der Küstenhindernisse und schalteten die deutschen Stellungen, darunter auch die Küstenbatterien, aus. Bis zum Ende des Tages gelang es den Alliierten, in jedem der fünf Landungsabschnitte Fuß zu fassen und die Verbindung zu den Luftlandetruppen herzustellen. Eine ernsthafte Krise entwickelte sich nur im amerikanischen Landungsabschnitt »Omaha«, wo eine deutsche Infanteriedivision, die von der alliierten Aufklärung kurz zuvor noch im Landesinneren lokalisiert worden war, ausgerechnet zum Zeitpunkt der Landung eine küstennahe Übung begonnen hatte, ohne dass dies von den Alliierten bemerkt worden war.. Das eigentliche Ta war Tagesziel, gesziel, die EinEi nnahme von Caen, wurde gleichwohl nicht erreicht; der Zugang zum panzergünstigen Gelände südlich der Stadt blieb damit zunäc zunächst hst versperrt. Der fehlende Angriffsschwung des vom Briten Montgomery geführten linken Flügels erlaubte es den Verteidigern in
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den Nachmittagsstunden, Teile einer nahegelegenen Panzerdivision in den Kampf zu werfen. Dieser einzige bedeutendere Gegenangriff des Tages drang zunächst bis zum Meer durch, musste aber bald zur Verteidigung übergehen. Alle sonst vorhandenen taktischen Reserven der Deutschen erwiesen sich als zu schwach. Und größere motorisierte Verbände lagen zu weit im Landesinneren, um zu einem früheren Zeitpunkt eingreifen s e zu können. g
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Den Alliierten gelang der taktische Überraschungserfolg. Nicht zuletzt wegen der Erschütterungen des militärischen Nachrichtennetzes war sich die deutsche Seite erst am Abend sicher, dass man es in der Normandie mit der eigentlichen Invasion und nicht mit einem Ablenkungsmanöver zu tun hatte. Insgesamt war das Ereignis seit langem erwartet worden. Mit seiner Weisung Nr. 51 vom November 1943 hatte sich Hitler zur Defensive im Osten durchgerungen und die Verhinderung einer alliierten Landung im Westen zur kriegsentscheidenden Sache erklärt. Schon im August 1942 hatte Hitler den Bau des ›Atlantikwalls‹ angeordnet. Von der Propaganda zum waffenstarrenden Bollwerk stilisiert, handelt es sich dabei um ein militärisches Hindernis von bestenfalls zeitlich begrenzter Wirkung. Monatelang war in der deutschen Führung über den operativen Ansatz der Verteidigung diskutiert worden. Das Ergebnis sah vor, dass, nachdem der eigentliche Angriffsschwerpunkt der Alliierten festgestellt würde, die im Landesinneren stehenden motorisierten Verbände heranzuführen seien, um die Angreifer ins Meer zurückzuwerfen. Bis dahin sollten die vor Ort bendlichen Verbände im Schutz der Küstenbefestigungen die Alliierten daran hindern, aus dem Brückenkopf auszubrechen. Ein Drittel der insgesamt 60 deutschen Divisionen, die Anfang Juni 1944 in Westeuropa disloziert waren, bestand aus weitgehend unbeweglichen Infanteriedivisionen. Gering war die Zahl kampfkräftiger Panzer- und motorisierter Divisionen.
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Blick aus einer deutschen Geschützstellung auf alliierte Kriegsschiffe, Juni 1944
Eine ausreichende Reservenbildung war angesichts des Kräfteverschleißes auf den anderen Kriegsschauplätzen nicht möglich. Zu Jahresbeginn 1944 schätzte die Wehrmacht die Stärke des Ostheeres auf weniger als die Hälfte der an der o r a c sowjetischen Europafront c a V eingesetzten oder in Reser- y n o ve gehaltenen Kräfte der T / e Roten Armee. Das Besat- s g a m zungsregime auf dem Bal- i g k kan, in Skandinavien und a die Rückzugskämpfe in Italien banden weitere Kräfte. Die wenigen an der Kanalküste eingesetzten Einheiten der Kriegsmarine vermochten angesichts der absoluten alliierten Luftherrschaft kaum tagsüber ihre von Flak geschützten Häfen zu verlassen. Auch die im Invasionsraum stehenden deutschen Luftstreitkräfte fielen praktisch nicht ins Gewicht. Verstärkungen blieben aus, weil der im Frühjahr 1944 erheblich gesteigerte strategische Luftkrieg gegen das kriegswirtschaftliche Rückgrat des »Dritten Reichs« die Kräfte der Luftwaffe förmlich zerrieb. Luftwaffe und Kriegsmarine konnten nicht verhindern, dass der alliierte Brückenkopf pausenlos verstärkt wurde, während sich die deutschen Kräfte allmählich abnutzten. Angesichts der bis weit in das französische Hinterland reichenden Luftbedrohung waren Truppenverlegungen nur in der Dunkelheit möglich, überdies behindert durch systematische systematische Zerstörungen des Verkehrsnetzes. Den Alliierten gelang es, ungeachtet der Reibungsverluste einer multinational zusammengesetzten Streitmacht, alle drei Teilstreitkräfte wirkungsvoll in die Kampfführung zu integriere integrieren. n. Das Feuer der alliierten Schiffsgeschütze, Flugzeuge und Artillerie verursachte einen Großteil der deutschen Verluste. Herangeführte Verbände mussten bereits auf dem Weg zur Front mehr oder minder starke Verluste hinnehmen. Im Kampfraum angekommen,
wurden sie oft verzettelt eingesetzt, Im Baltikum wurde die Heeresgr Heeresgruppe uppe um die gerade entstandenen Krisen- Nord abgeschnitten. In den Monaten situationen zu bereinigen. Allerdings Juni bis August starben fast 750 000 begünstigten das Wetter Wetter und die bewe- deutsche Soldaten. gungshemmende Knick- und Heckenlandschaft der Normandie den deut- Trotz des nun unmittelbar das Reichsschen Widerstand. Dieser konnte indes gebiet bedrohenden Zweifrontenkrienicht verhindern, dass die Alliierten ges, den das »Dritte Reich« aufgrund die Verbindung Verbindung zwischen zwisc hen den Brücken- der ihm zur Verfügung stehenden straköpfen herstellten und den Landungs- tegischen Kräftepotentiale nicht länger raum ausdehnten. Der Druck zweier erfolgreich durchstehen konnte, zog parallel laufender Angriffsopera Angriffsoperationen tionen die Spitze des NS-Regimes keine Konwurde schließlich zu stark: In den letz- sequenzen. Einzig die für den westten Julitagen gab der linke deutsche lichen Kriegsschauplatz verantwortFlügel nach und erlaubte den Ameri- lichen Feldmarschälle Rommel und kanern den Durchbruch. Bereits vier Kluge forderten Hitler Mitte August in Wochen später überschritten die Ver- Briefen dazu auf, den Krieg zu been bündeten die Seine und drangen in den. Kein verantwortlicher Militär griff Paris ein. Zu diesem Zeitpunkt musste dem Steuermann Hitler auf seinem die deutsche Führung ihr Augenmerk zielstreb zielstrebigen igen Kurs in den nationalstaatallerdings auf den östlichen Kriegs- lichen Untergang ins Ruder. Die Ereigschauplatz richten. Am 22. Juni, dem nisse desillusionierten zunächst auch dritten Jahrestag des deutschen Über- diejenigen Angehörigen der nationalfalls auf die Sowjetunion, zertrüm- konservativen Opposition, die noch merte die Sommeroffensive gegen die 1944 gehofft hatten, durch einen UmHeeresgruppe Heeresgr uppe Mitte die deutsche Ost- sturz die Substanz des Deutschen Reifront. Die Ereignisse wuchsen sich aus ches wenigstens in Teilen erhalten zu zur größten Niederlage in der deut- können. In dieser Situation überzeugte schen Militärgeschichte. Zu Dutzen- Generalmajor Henning von Tresckow den wurden Divisionen vernichtet oder die zum Widerstand Bereiten, dass mussten aufgelöst werden. Die Offen- ein Attentat um seiner selbst willen sive öffnete der Roten Armee den Weg geschehen und damit ein Zeichen vor sowohl zur Rigaer Bucht und nach Ost- der Welt und der Geschichte gesetzt preußen als auch zur mittleren Weich- werden müsse. Der Diktator überlebte sel und nach Warschau. Anschlussof- das Attentat vom 20. Juli 1944, der Umfensiven führten zum Zusammenbruch sturz scheiterte. der Heeresgruppe Süd-Ukraine und leiteten das Ausscheiden von Rumä Andreas Kunz nien und Bulgarien aus dem Krieg ein. Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2004
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Medien online/digital
Bombenkrieg
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m Abend des 13. Februar läuten jedes Jahr in Dresden die Glocken. Zum Gedenken an die Luftangriffe vor 60 Jahren und als Mahnung zum Frieden zugleich. 2005 werden auch die Glocken der wieder errichteten Frauenkirche akustisch an die Ereignisse von 1945 erinnern. Während der Begriff »Bombe« zu den ältesten Wörtern der Militärgeschichte gehört, verbinden wir mit dem Wort »Bombenkrieg« heute den Luftkrieg seit dem Ersten Weltkrieg und dessen zunehmende Bedeutung in militärischen Konikten.
Im Angesicht aktueller Ereignisse scheint die Verbindung des Bombenkrieges vor allem mit dem Zweiten Weltkrieg in Frage gestellt zu sein. Mit den bevorstehende bevorstehendenn Gedenktagen anlässlich der Angriffe auf deutsche Großstädte in der Endphase des Zweiten Weltkrieges wird jedoch erneut unser Interesse auf die alliierten strategischen Bomberoffensiven Bomberoffensiven gegen das Deutsche Reich und seine Bevölkerung gelenkt. Essen, Stuttgart, Ham burg, Berlin, Nürnberg und Dresden stehen dabei als Beispiele der zerstörerischen Entwicklung des Luftkrieges vor der Einführung der Atombombe. Das Internet bietet verschiedene Möglichkeiten, sich über den Bombenkrieg zu informieren. Aber oft ist das Thema nur Inhalt von allgemein gehaltenen Seiten über den Zweiten Weltkrieg. Durch die Veröffentlichung des Buches »Der Brand« von Jörg Friedrich (siehe Lesetipp in Militärgeschichte 1/2003) rückte die Beschäftigung mit dem Bombenkrieg und seinen Opfern vor kurzem verstärkt in die historischen Debatten. Um dem Fachpublikum, aber auch dem historisch interessierten Leser ein Forum zu diesem Thema zu bieten, hat der Historiker Ralf Blank vom Historischen Centrum Hagen im Netzwerk historicum.net ein thematisches 24
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Zeichnung des zwölfjährigen Wilhelm Bloß, Schüler der Volksschule Fürther Straße 352– 354. Entstanden Ende 1946. Quelle: Stadtarchiv Nürnberg
20. Juli 1944
Portal zum Bombenkrieg eingerichtet. Die Seite unter der Adresse 4www. Stauffenberg nicht nur als Spiellm, bombenkrieg.historicum.net wird sondern auch auf der Bühne. Zum 60. durchaus den gestellten Zielen gerecht Jahrestag des Attentats wurde unter und »bietet mit ausgewählten Beiträ- der Schirmherrschaft des ver.di-Vorsitgen, Materialien und Dokumentatio- zenden Frank Bsirske ein Theaterpronen einen Überblick über den aktuellen jekt mit dem Titel »Stauffenberg – Die Stand der Forschung und Diskussion. Tragödie des 20. Juli 1944« nach der Dabei gilt der Blick nicht nur den alliier- Vorlage von David Sternbach Sternba ch ins Leben ten Bombardierungen deutscher Städte, gerufen. Das Stück, das vor allem die sondern auch den deutschen Luftan- innere Auseinandersetzung Stauffengriffen und ihren Auswirkungen.« bergs mit »Gut und Böse, Gott und hb Teufel« zeigt, hatte am 30. Mai dieses Jahres im Berline Berlinerr Schille Schiller-Theat r-Theater er seine Dass die Beschäftigung mit der Ge- Uraufführung. Die künftigen Auffühschichte des Bombenkrieges vor allem rungen nden auch an historischen aus Sicht der Bevölkerung noch nicht Schauplätzen des »Dritten Reiches«, wie abgeschlossen ist, zeigen zahlreiche Aufrufe von örtlichen Archiven und Zeitungen anlässlich der kommenden Gedenktage. Das Stadtarchiv Nürn berg ruft zur Mitarbei Mitarbeitt an seinem Forschungspro jekt »Luftkrieg in Nürn berg 1942–1945« unter www.stadtarchiv. nuernberg.de/Luftkrieg. htm auf und zeigt mit 4
der Abbildung der Zeichnung eines Kindes von 1946 die traumatisierenden Wirkungen des Krieges auf einen zweifellos unschuldigen unschuldig en Teil Teil der deutschen Bevölkerung. Das was unsere Kinder heute nach »Erleben« im Fernsehen zeichnen oder die Kinder in den Einsatzgebieten der Bundeswehr im Ausland malen, die Parallelen werden in der historischen Betrachtung klar.
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www. stauffenberg-heute.de/index2.htm
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der »Wolfsschanze« in Polen statt. Wer Wer sich über das Projekt, die Reaktionen und Hintergründe informieren will, dem steht unter 4www.stauffenbergheute.de eine ausführliche ausführlic he Webseite Webseite zur Verfügung. hb
Detlef Michelers,
Claus Graf von Stauffenberg – Widerstand in Uniform. Uniform. Hamburg 2004. 55 Min.; ISBN 3-455-32022-8; 17,90 €
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as fast einstündige Feature, eine Produktion von NDR/ Radio Bremen und Deutschlandradio Berlin beschränkt sich nicht nur auf die Darstellung der Rolle des bekannten Hitler Hitler-Attentäter -Attentäters. s. Christian Brückner erzählt erzäh lt den Werdegang Werdegang Stauffenbergs. Dabei wird die Geschichte des militärischen Widerstandes im Kontext der Zeitumstände mit Originaltonaufnahmen, Nacherzählungen und Erinnerungen von Zeitzeugen wieder lebendig gemacht. So kommen in einer sehr dichten Darstellung neben Angehörigen der Familie Stauffenberg auch mitverschworene und unbeteiligte Zeitzeugen zu Wort. Auch wenn man sich doch etwas mehr Zeit bei der Beschreibung einzelner Lebensabschnitte und vereinzelt genauere Angaben zu den Zeitzeugen und ihren Funktionen gewünscht hätte, kann das Hörbuch insgesamt als eine gelungene Geschichtsstunde empfohlen werden.
Philipp von Boeselager, ehemaliger Ofzier der Wehrmacht und ebenso wie sein 1944 gefallener Bruder Georg Mitverschwörer des Kreises um Generalmajor von Tresckow, beschreibt in einem fast zweistündigen Gespräch mit dem Programmbereichsleiter im Hessischen Rundfunk Hans Sarkowicz bemerkenswert detailgetreu seine Sicht des Widerstandes, besonders aus der Perspektive seiner Dienststellung als Ordonnanzofzier in der Heeresgruppe Mitte. Fragt man nach Motiven Philipp von Boeselagers und seines Bruders Georg für den Widerstand, so bietet der Blick auf die Kindheit der Brüder und ihre Erziehung in der Familie schon einige Antworten. Die katholische Schule, die besonders enge Bindung der Brüder, die schulische und militärische Ausbildung werden genauso lebendig geschildert wie spätere Kriegserinnerungen aus dem Zweiten Weltkrieg.
digita hb
Philipp Freiherr von Boeselager,
Der 20. Juli 1944.
Gespräch mit Hans Sarkowicz
Freiburg i.Br. 2004. 2 CD, 103 Min.; ISBN 3-89964-046-2; 22,90
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eitzeugen, die unmittelbar am Staatsstreich des 20. Juli 1944 beteiligt waren, sind heute rar. In einer Zeit, in der die Obergefreiten des Zweiten Weltkrieges schon allenthalben als wertvolle Zeugen bemüht und zum Teil zur Erklärung historischer Sachverhalte überstrapaziert werden, fällt diese Hörbuch-Produktion des Hessischen Rundfunks besonders positiv auf. Man gewinnt schnell den Eindruck, so etwas hätte man doch schon längst machen müssen.
Aus seiner genauen Sicht als Ordonnanzofzier des Generalfeldmarschallss von Kluge ralfeldmarschall schildert Boeselager auch Ursachen für das angeblich fehlende Durchsetzungsve Durchsetzungsverrmögen der Generale gegenüber Hitler, die besondere Rolle des Widerstandskämpfers Henning von Tresckow und die Wahrnehmung der Verbrechen der deutschen Besatzungsmacht in Russland. »Und hier habe ich plötzlich gemerkt, das ich einem Regime diene, was Verbrechen begeht, hinter meinem Rücken Verbrechen; was eine schreckliche Situation war.«
Ein großer Teil der Darstellung Darstellun g widmet sich dem Widerstand in der Heeresgruppe Mitte und den besonderen Begleitumständen des Staatsstreichs vom 20. Juli 1944 im Osten, die auch als der »Boeselager-Ritt« bekannt geworden sind. Nach seinen Erinnerungen an die Zeit des Attentates und das Ende des »Dritten Reiches«, geht Boeselager
zum Schluss in einer sehr persönlichen Schilderung auch auf den Aufbau der Bundeswehr und ihre Rolle im wiedervereinigten Deutschland ein. Im Februar 2004 ernannte der französische Staatspräsident Jacques Chirac Philipp von Boeselager zum Ofzier der französischen Ehrenlegion. Eine persönliche Ehrung für den 86-Jährigen, aber sicher auch Ausdruck der Anerkennung der deutschen Widerstandsbewegung zum 60. Jahrestag des Attentates vom 20. Juli 1944. Die CD-Produktion hat das Verdienst, die Erinnerung an eine besondere Persönlichkeit unserer Geschichte zu bewahren.
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Lesetipp
Der Erste Weltkrieg
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Jahre nach Kriegsausbruch des Ersten Weltkriegs haben viele in- und ausländische Historiker Publikationen zur »Urkata »Urkatastrophe strophe des zwanzigsten Jahrhunderts« vorgelegt, die sich jedoch mit Masse an die Fachwissenschaft richten. Das vorzustellende Buch ist anders. Entstanden als Begleitband zu einer Fernsehserie des BBC richtet es sich bewusst an den historisch interessierten Leser. Hew Strachan, einer der ausgewiesensten britischen Kenner des Ersten Weltkrieges, versteht es dabei anschaulich, durch diesen weltumspannenden Konikt zu führen. Er bricht die hierzulande immer noch anzutreffende anzutref fende Verengung Verengung auf den deutschen Krieg auf und u nd erweitert den Blick auf den ersten industrialisierten, globalen und totalen Krieg des letzten Jahrhunderts. Die Kriegführung aller Beteiligten wird unter Einbindung des Kriegsalltages in der Heimat und an der Front ausführlich dargestellt, ohne die Ursachen des Weltkrieges und die Friedensschlüsse mit ihren Auswirkungen auf die zukünftige Entwicklung auszublenden. Ausgewogen im Urteil lässt uns Strachan, in seinem sei nem reich bebilderten Buch – erstmals mit bisher unbekannten Farbaufnahmen – so einen Blick auf einen wichtigen Zeitabschnitt des »Zeitalters »Zei talters der We Weltkriege« ltkriege« werfen. Zu kritisieren ist einzig die Kartenausstattung, die die geograsche Einordnung des Kriegsgeschehens nur schwer ermöglicht.
Hew Strachan,
Der Erste Weltkrieg. Eine neue illustrierte Geschichte, München 2004. ISBN 3-570-00777-4; 448 S., 24,90 €
Zu empfehlen bleibt damit ein Buch, welches dem militärgesch militärgeschichtlich ichtlich Interessierten einen sehr guten Überblick über Ursachen, Verlauf und Folgen des Ersten Weltkrieges bietet. Gerhard P. Groß
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Österreich zur See
dänisc he Flotte dänische Flotte während des DeutschDänischen Krieges. Hinzu kommt ein Komplex, den man heute mit Österm 31. Oktober 1918 verschwand reich wohl am wenigsten verbindet: die kaiserliche und königliche Übersee. Denn die Korvetten, Fregatösterreichisch-ungarische Flagge von ten, Kreuzer und Kanonenboote Kaiser den Meeren, doch bildet dies im heuFranz Josephs I. operierten rund um tigen Binnenland Österreich kein Hinden Globus, und nicht immer ohne dernis für eine breite ForschungsRisiko. Am 10. August 1896 wurden und Publikationstätigkeit, die mit dievier Matrosen und ein Kadett des sem Standardwerk einen Höhepunkt Kanonenboots S.M.S. »Albatros« zuerreicht hat. sammen mit dem Chefgeologen der Kaiserlichen Akademie der WissenWladimir Aichelburg, schaften auf der Südseeinsel GuadalcaRegister der k.(u.)k. nal während einer wissenschaftlichen Kriegsschiffe. Von Expedition von Eingeborenen überAbbondanza fallen und niedergemetzelt; die Leibis Zrinyi, chen konnten nicht geborgen werden. Wien/Graz 2002. Und in China elen zehn Mann des ISBN 3-7083-0052-1; Kreuzers »Kaiserin Elisabeth« bei der 736 S., 98 € Verteidigung der deutschen Festung Tsingtau im Herbst 1914; der Kreuzer wurde am 2. November 1914 vor dem Der ausgewiesene Marinehistoriker Hafen von Tsingtau selbst versenkt, Wladimir Aichelburg hat ein Werk vorvor- als der Sturm der Japaner auf die deutgelegt, das, bis auf mangelndes Karten- sche Kolonie absehbar war. material, keinen Wunsch offen lässt. Auf 544 Textseiten und einem geson- So gibt Aichelburg anhand von Schiffsderten Bildteil mit 384 zum Teil gesto- geschichten einen umfassenden Überchen scharfen Abbildungen (Fotos, blick über die politische, diplomatiGemälden, Skizzen und Zeichnungen) sche und militärische Geschichte vorwird die k.u.k. Marinegeschichte von zugsweise des Mittelmeerraumes im der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 19. Jahrhundert. Gerhard Wiechmann 1918 en détail anhand ihrer Schiffseinheiten dargestellt. Und nicht nur das: der Umfang des Buches resultiert auch daraus, dass nicht nur Schiffe, sondern auch schwimmende Einheiten wie Docks und Kohlenprähme erfasst rofessor Dr. Guido Knopp hat sind. Unabhängig von dieser Detailwieder eine Fernsehserie produverliebtheit bietet das Werk nicht nur ziert und dazu einen Begleitband vorfür österreichische, sondern auch für gelegt. Sein Verlag C. Bertelsmann deutsche Leser eine Fülle von politi- führt von ihm zur Zeit 16 Titel, die schen, militärischen und marinespe- meisten über die Zeit des »Dritten Reizischen Details: Von den Befreiungs- ches«. Die neueste Serie aus der ZDFkriegen 1813 über die Revolution von Redaktion Zeitgeschichte wurde im 1848 bis zu gemeinsamen Operationen Zuge eines »Wettrennens« mit dem der deutschen Kaiserlichen und der ARD-Spiellm »Stauffenberg« schon österreichisch-ungarischen Marine im im Frühjahr 2004 ausgestrahlt und Ersten Weltkrieg. erreichte mit jeweils 3,5 Millionen Zuschauern ein großes Publikum. Dass Dass eine Korvette (Baujahr 1869 1869)) und Knopp dabei längst nicht nur Geein sogenannter Rapidkreuzer (Bau- schichte für Deutsche darstellt, beweist jahrr 1914) den reic jah reichlic hlichh norddeut- der internationale Verkauf der Serie schen Namen »Helgoland« trugen, »Hitlers Helfer« in 42 Länder. kommt auch nicht von ungefähr, sondern resultiert aus dem gemeinsamen Das Begleitbuch kann aber auch ohne Kampf österreichischer und preußi- die Serie bestehen. Gut aufgemacht, scher Einheiten in der Seeschlacht vor lädt es durch viele Abbildungen und Helgoland am 9. Mai 1864 gegen die herausgehobene Zitate zunächst zum
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langen Arm des MfS. 1976 erschoss ein Stasi-Sonderkommando den aus der DDR-Haft freigekauften Michael Gartenschläger, als dieser an der Grenze einen Selbstschussautomaten demontieren wollte. wollte. Weitere Attentatsversuche (z.B. auf den saarländischen Ministerpräsidenten Minister präsidenten im Jahre 1955), ungeklärte Todesfälle (z.B. der des ge-
Guido Knopp in Zusammenarbeit mit Alexander Berkel, Anja Greulich, Sönke Neitzel und Annette Tewes,
Sie wollten Hitler töten, München 2004. ISBN 3-570-00664-6; 350 S., 24,90 €
Jens Gieseke,
Mielke-Konzern. Die Geschichte der Stasi 1945–1990, Stuttgart/ München 2001 2001.. ISBN 3-421-05481-9; 287 S., 18,90 €
Blättern ein. Sein Schwerpunkt ist eindeutig der militärische Widerstand. Nur der erste Abschnitt »Der einsame Held«« über den Attentäter Georg Elser Held scheint da nicht zu passen. Bei näherer Betrachtung ist aber der hervorragend bebilderte Beitrag über den Einzeltäter gerade im Kontrast zum generalstabsmäßigen Widerstand und der dabei geschilderten Person Stauffen bergs eine wertvolle Ergänzung. Wohl bedingt durch die Vorgabe der Fernsehserie wirken die einzelnen Kapitel etwas zusammenhanglos. Trotzdem ist es ein Buch, das sich »gut liest« l iest«.. Wer sich über die bloße Beschreibung hinaus mit dem Widerstand weiter vertiefend befassen will, dem bieten die knappen Literaturhinweise zu den Kapiteln auch brauchbare Orientierung in einem inzwischen unüberschaubaren Literaturangebot. hb
Die Stasi
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rich Mielke und Markus Wolf, der Kanzleramtsspion Günther Guillaume und u nd der NATO-Mitarbeiter Rainer Rupp (alias »Topas«), hunderttausend »Informelle Mitarbeiter« (IM) und das (un-)heimliche Firmennetz des Obersten Schalck-Golodkowski – sie alle stehen heute sinnbildlich für die »Staatssicherheit« der DDR. Diese war wohl einer der am meisten gefürchteten Geheimdienste der Welt. Doch was an diesem Urteil ist Legende und was Wirklichkeit? Tatsächlich war das Geschäft der Staatssicherheit todernst. Oppositionelle im eigenen Land wurden nicht nur überwacht, drangsaliert und inhaftiert, sondern bisweilen sogar umgebracht oder in den Tod getrieben. Und auch im Westen waren Regimegegner nicht sicher vor dem
üchteten DDR-Profußballers Lutz Eigendorf 1983) oder die Unterstützung der RAF-Terroristen RAF-Terroristen belegen dies. d ies. Im Kriegsfall gar sollten Stasikommandos hinter der Front eingesetzt werden, wozu Waffen versteckt und Partisanen ausgebildet wurden und die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) in der Bundesrepublik Unterstützung leistete. Um diese Pläne vor westlichen Geheimdiensten geheim zu halten, machte die Stasi mit Verrätern aus den eigenen Reihen kurzen Prozess: Noch im Jahr Jah r 1981 starb der StasiOfzier Werner Teske durch einen Schuss in den Hinterkopf. Jens Gieseke erzählt auf knappen zweihundert Seiten die Geschichte des ostdeutschen Geheimdienstes, beschreibt, wieso das MfS teilweise beachtliche Erfolge hatte, letztlich aber doch nur begrenzt Einuss nehmen konnte. Das Buch liest sich wie ein Spionagethriller, ist aber nüchterne deutsch-deutsche Geschichte. Clemens Heitmann
Terrorismus
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ie Welt Welt hat sich verändert seit dem 11.. September 2001: Bundeswehr11 Einsatz in Afghanistan; Sicherung der Schiffahrtswege am Horn von Afrika und in der Meerenge von Gibraltar durch die Deutsche Marine; Diskussionen innerhalb der NATO über ein
mögliches Engagement des Bündnisses im Irak; politische Verstimmungen und Irritationen in der über ein halbes Jahrhundert gewachsenen transatlantischen Partner- und Freundschaft; gesellschaftspolitische Diskussionen über die Reichweite staatlicher Prävention gegenüber terroristischen Bedrohungen. Ausgangspunkt dieser Entwicklung war jener spätsommerliche Tag mit seinem strahlend blauen Himmel an der Ostküste der Vereinigten Staaten, an dem religiös motivierter Terror sich zum Massenmord an 3000 Menschen steigerte und der zivilisierten Welt Welt den Krieg erklärte. erklä rte.
Stefan Aust und Cordt Schnibben (Hrsg.),
11. September. Geschichte eines Terrorang Terrorangriffs, riffs, München 2003. ISBN 3-423-34026-6; 288 S., 12,50 €
Es wird, so ist zu vermuten, noch lange dauern bis das in den Archiven verwahrte Material zu diesem Ereignis für Historiker und Interessierte zugänglich sein wird. Derweil sprießen Spekulationen, Legenden und obskure Verschwörungstheorien in die Luft. Davon hebt sich dieses Buch deutlich ab. In bester Manier des investigativen Journalismus hat mehr als ein Dutzend Reporter des Nachrichtenmagazins »Der Spiegel« in aufwendiger Recherche die zugänglichen Fakten zu sammengetragen. Entstanden ist daraus eine spannende und zugleich aufwühlende Geschichte dieses bisher Aufsehen erregendsten Terroraktes in der Geschichte, die das Schicksalsgeecht des 11. September 2001 entwirrt und von Tätern und Opfern, von Rettern und Geretteten erzählt. Andreas Kunz
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Berlin
Blockade Leningrads 1941–1944. Dossiers
Ausstellun Aus stellungen gen •
Höchstädt/ Donau
Die Schlacht von Höchstädt – Brennpunkt Europas 1704
Deutsch-Russisches Museum Zwieseler Straße 4 / Ecke Rheinsteinstra Rheinsteinstraße ße 10318 Berlin Telefon: (0 30) 50 15 08 10 e-mail:
[email protected] www.museum-karlshorst.de
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr Eintritt frei. 15. Mai bis 5. September 2004 Verkehrsanbindungen: S-Bahn: S3 bis S-Bahnhof »Karlshorst«; U-Bahnlinie 5: Station »Tierpark«, im Anschluss Bus 396
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Celle
Deutsche Jüdische Soldaten. Von der Epoche der Emanzipation bis zum Zeitalter der Weltkriege
Alte Exerzierhall Exerzierhallee Helmuth-Hörstmann-Weg 1 29221 Celle Telefon: (0 51 41) 9 36 00 11 Täglich von 10.00 bis 12.00 Uhr und 13.00 bis 16.00 Uhr 16. Juli bis 29. August 2004
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Fürstenfeldbruck
Aufstand des Gewissens. Militärischer Widerstand gegen das NS-Regime 1933–1945
Ofzierschule der Luftwaffe Udetstr. 351–354 82242 Fürstenfeldbruck Telefon: (0 81 41) 53 60 12 11 Täglich von 8.00 bis 16.00 Uhr 28. Juli bis 14. September 2004
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Schloss Höchstädt an der Donau Herzogin-Anna-Straße Herzogin-Anna-Str aße 52 89420 Höchstädt/Do Höchstädt/Donau nau Telefon: (0 90 74) 9 58 57 00 Telefax: (0 90 74) 9 58 57 91 www.europa1704.de
Dienstag bis Sonntag 9.00 bis 18.00 Uhr Eintritt: 6,00 € ermäßigt: 5,00 € 1. Juli bis 7. November 2004 Verkehrsverbindungen: Anfahrt über die B 16. In der Umgebung des Schlosses stehen Pkw-Parkplätze in ausreichender Zahl zur Verfügung
Nächstgelegene Bushaltestellen: »Roßmühlstraße/ Paradeplatz« oder »Rathausplatz«
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Kappeln
Germania auf dem Meere – Deutsche Marinegeschichte
Ingolstadt
Das Bayerische 17. Reiterregiment und seine Beziehungen zum militärischen Widerstand
Dienstag bis Sonntag 8.45 bis 16.30 Uhr ð
Köln
Namibia – Deutschland: eine geteilte Geschichte. »Widerstand – Gewalt – Erinnerung«
www.bayerischesarmeemuseum.de e-mail: sekretariat@ba
[email protected]
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4. bis 9. August 2004 Verkehrsverbindung: Von Eckernförde auf B 203, Richtung Stützpunkt Olpenitz, auf rechter Seite gelegen
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Reduit Tilly Paradestraße 4 85049 Ingolstadt Telefon: (08 41) 9 37 70 Telefax: (08 41) 9 37 72 00
20. Juli 2004 bis 6. Januar 2005 Verkehrsverbindungen:
24376 Kappeln Telefon: (0 46 42) 1 71 28 90 Täglich von 11.00 bis 20.00 Uhr
Marinestützpunkt Olpenitz Soldatenheim der ev. Militärseelsorge Albatros ð Hafenstraße 1
Rautenstrauch - Joest Museum für Völkerkunde Ubierring 45 50678 Köln Telefon: (02 21) 3 36 94 13 Telefax: (02 21) 3 36 94 10 Eintritt: 2,60 € ð ermäßigt: 1,30 €
Dienstag bis Freitag 10.00 bis 16.00 Uhr Samstag und Sonntag 11.00 bis 16.00 Uhr 7. März bis 3. Oktober 2004 Verkehrsanbindungen: Ab Hauptbahnhof mit U 16 bis Haltestelle »Ubierring«
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Königstein bei Dresden
Dienstag, Mittwoch und Freitag 9.00 bis 17.00 Uhr Donnerstag 9.00 bis 20.00 Uhr Samstag und Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr Eintritt: 3,00 €
Am Hochkamp 20 45731 Waltrop Telefon: (0 23 09) 7 42 21
23. April bis 3. Oktober 2004 Verkehrsanbindungen: Vom Hauptbahnhof mit der U-Bahn bis zur Haltestelle »Charlottenplatz«
29. April bis 12. September 2004 Verkehrsanbindungen: unweit des Bahnhofs gelegen
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Torgau
Glaube & Macht – Sachsen im Europa der Reformationszeit
e-mail:
[email protected]
Rottenburg– Baisingen •
Die sächsische Bastille Das Staatsgefängnis auf der Festung Königstein von 1591 bis 1922
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 12.00 Uhr und 15.00 bis 18.00 Uhr Samstag 15.00 bis 18.00 Uhr
Deutsche Jüdische Soldaten
Museum Festung Königsstein / Torhaus 01824 Königstein Telefon: (03 50 21) 6 46 07 Telefax: (03 50 21) 6 46 09
Gedenkstätte Synagoge Obere Gasse 12 72108 Rottenburg am Neckar Telefon: (0 74 72) 16 53 10
www.festung-koenigstein.de e-mail:
[email protected]
e-mail:
[email protected] 6. September bis 4. Oktober 2004
Täglich von 9.00 bis 20.00 Uhr (April – September) 10.00 bis 17.00 Uhr (Oktober – März) Eintritt: 5,00 € ermäßigt: 3,00 €
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1. April 2004 bis 02. Januar 2005 Verkehrsanbindungen: PKW: B 172 Richtung Bad Schandau; S-Bahn: Linie 241.1 (Dresden-Königstein-Schöna); Bus: Linie 241 Richtung Pirna-Königstein (Haltestelle Abzweig »Festung« oder »Thürmsdorf/Vogelstein«)
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Stuttgart
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Schloß Hartenfels Schloßstraße 27 04860 Torgau Telefon: (0 18 05) 15 47 00
Zerreißprobe Frieden – Baden-Württemberg und der NA NATO-DoppelTO-Doppelbeschluss
Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg – Augusteum Elisabethstraße 1 26135 Oldenburg Telefon: (04 41) 2 20 73 00 Telefax: (04 41) 2 20 73 09 e-mail:
[email protected]
Das Eiserne Kreuz – Zur Geschichte einer Auszeichnung
Täglich von 10.00 bis 18.00 Uhr Eintritt: 5,00 € ermäßigt: 4,00 €
Haus der Geschichte Baden-Württemberg Konrad-Adenauer-Straße Konrad-Adenauer -Straße 16 70173 Stuttgart Telefon: (07 11) 2 12 39 89
24. Mai bis 10. Oktober 2004 Verkehrsanbindungen: A 14 Ausfahrt Mutzschen Richtung Torgau Torgau / Parkplätze direkt im Stadtzentrum an der B 87 (Straße der Jugend)
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Waltrop
e-mail: orlopp@hdgbw. or
[email protected] de
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Wilhelmshaven
www.Landesaustellung.sachsen.de e-mail:
[email protected]
Oldenburg
Heinrich Vogeler im Krieg. Arbeiten 1914–1918
22. September bis 24. Oktober 2004 Verkehrsanbindungen: Abfahrt A 2 Dortmund Dortmund Mengede, direkt im Krankenhaus St. Lorenzius Stift
Täglich (außer Montag) 10.00 bis 18.00 Uhr Donnerstag 10.00 bis 21.00 Uhr Eintritt: 2,50 € ermäßigt: 1,50 €
www.marinemuseum.de e-mail:
[email protected]
Aufstand des Gewissens. Militärischer Widerstand gegen das NS-Regime 1933–1945 ð
Kulturforum – Kapelle Waltrop
Stiftung Deutsches Marinemuseum Südstrand 125 26382 Wilhelmshaven Telefon: (0 44 21) 4 10 61 Telefax: (0 44 21) 4 10 63
Täglich von 9.30 bis 18.30 Uhr ð
23. April bis 31. Oktober 2004
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Service
13. August 1994
Geschichte kompakt Tod von NATO-Generalsekretär Manfred Wörner
n e d s e r D , M H M
Manfred Wörner verstarb im Alter von 59 Jahren nach schwerer Krankheit. Als 30-Jähriger in den Bundestag gewählt, hatte er rasch über sein erstes parlamentarisches Betätigungsfeld, die Entwicklungspolitik, einen Zugang zu dem Gebiet gefunden, das seinen Interessen und Begabungen besonders lag: die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Seit 1976 1976 Vorsitzender des Verteidigun erteidigungsausschusse gsausschusses, s, erwarb sich der Reserveofzier und Jet-Pilot international den Ruf eines kompetenten Sicherheitspolitikers und überzeugten Transatlantikers. Als Verteidigungsminister hatte er ab 1982 harte Auseinandersetzungen unter den Vorzeichen Vorzeichen des Ost-W Ost-West-Konikte est-Koniktess zu bestehen. Sie betrafen die Durchsetzung des NATO-Doppelbeschlusses NATO-Doppelbeschlusses mit der Stationierung und Modernisierung von Nuklearwaffen, aber auch die Verhandlungen Verhandlungen zur Rüstungskontrolle und Abrüstung zwischen NATO und Warschauer Pakt. Personalstärkegesetz und die Diskussion um die Wehrdienstdauer sind Schlagwörter, die für seine weiteren politischen Themenfelder stehen. Überschattet wurde Wörners Amtszeit 1984 von der Affäre um die falschen Vorwürfe Vorwürfe gegen General Günter Kießling. 1988 wechselte Manfred Wörner Wörner nach Brüssel, Brüssel, um als erster Deutscher Deutscher und zugleich jüngster Amtsinhaber Amtsinhaber das Amt des des NATO-Generalsekret NATO-Generalsekretärs ärs zu übernehmen. Schon kurze Zeit später stand er vor der Aufgabe, das erfolgreiche Bündnis einer völlig veränderten Zeit anzupassen. Mit Energie und Weitsicht stellte er die Weichen für die Entscheidung der NATO, NA TO, den ehemaligen Gegnern aus den Ländern Mittel- und Osteuropas Freundschaft und Zusammenarbeit anzubieten. Den Stabilitätstransfer gestaltete er durch das Angebot auf Mitgliedschaft im »NATO-Kooperationsrat« sowie das Programm »Partnerschaft für den Frieden« (PfP), dessen Gelingen er noch kurz vor seinem Tod Tod mit der Aufnahme von 22 Mitgliedsstaaten erleben durfte. In der Rückschau ebnete PfP für viele dieser Länder den Weg in die NATO. Der von Wörner selbst als Präzedenzfall bezeichnete Einsatz der NATO außerhalb des Bündnisgebietes im ehemaligen Jugoslawien beantwortete für ihn die Frage, ob die neue NATO die Kraft aufbringen würde, einen Aggressor wirksam abzuschrecken. Dass die NATO diese Kraft aufbrachte und sich damit gleichzeitig auch zu einem Verteidigungsund Interventionsbündnis wandelte, war das entscheidende Verdienst Verdienst Manfred Wörners.
Burkhard Köster
30. August 1954
Das Scheitern der EVG
s e s m d l e f r b u m w E t n G E / V E A F n e G h c M s t u e d
Es war ausgerechnet die französische Idee einer supranationalen Europa-Armee von 1950, deren Verwirklichung Ende August 1954 vom französischen Parlament zunichte gemacht wurde. Der nach dem Vorbild Vorbild der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl entworfene Plan des Ministerpräsidenten René Pleven vom Oktober 1950 zielte gegen die angloamerikanischen Pläne, ein nationales westdeutsches Kontingent der NATO aufzustellen. Stattdessen sollten deutsche Streitkräfte bereits auf Bataillonsebene in eine multinationale europäische Streitkraft integriert werden. So sollte der Beitritt der Bundesrepublik zur NATO vermieden und ein unkontrolliertes Anwachsen einer neuen deutschen Armee verhindert verhindert werden. Die Verhandl erhandlungen ungen bis zur Unterzeic Unterzeichnung hnung des EVG-V EVG-Vertra ertrages ges zogen sich hin. Dabei konnte die Bundesregierung allerdings die Integration erst auf der Divisionsebene, ein westdeutsches Verteidigungsministerium und die nationale Rekrutierung durchsetzen. Aber nach Unterzeich Unterzeichnung nung des EVG-V EVG-Vertrages ertrages am 27. Mai 1952 wurde deutlich, dass die französische Öffentlichkeit den Plan ablehnte und die Nationalversammlung immer weniger zur Ratizierung des Abkommens bereit war, da Großbritannien der EVG fern blieb, die eigene Souveränität gefährdet schien und die verbindliche Zusage Washingtons Washingtons zur dauerhaften Stationierung von US-T US-Truppen ruppen in Europa nicht erreicht werden konnte. Es war dann ein sehr unspektakulärer unspektakulärer Akt, der sich damals in der französischen französischen Nationalversammlung abspielte. Der Abgeordnete Herriot beantragte am 30. August 1954 die Absetzung des Themas EVG von der Tagesordnung. Tagesordnung. Mit 319 Ja- gegen 264 Nein-Stimmen wurden so eine Debatte und Abstimmung über die EVG verhindert und danach nie wieder aufgenommen. Die deutsche Enttäuschung wich schnell, denn die Ablehnung vom 30. August machte den Weg frei zum Beitritt zu Westeuropäischer Union (WEU) und NATO. hb
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Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2004
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Militärgeschichte
Vorschau orschau Ü V Wenn neue Waffensysteme entstehen sollen, spie Wenn len politische Gründe eine gewichtige Rolle. Vor allem wenn es sich um Rüstungsgüter für ein Land handelt, das von seinen Nachbarn so misstrauisch beobachtet wird, wie die junge Bundesrepublik Deutschland Anfang der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Jahrhunderts. In der Entstehungszeit der Bundeswehr galt es von einem demilitarisierten Land nur zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges hohe Anstrengungen einer Wiederaufrüstung zu verlangen. Hierbei e h c s a r g n o e t o d F s / e r n n D o B M , b H a M t S - g P n I u , l g m V m M a B S
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Schützenpanzer HS 30
wurde von der Bundesregierung erstmals der europäische Weg beschritten und versucht über nationale Grenzen hinaus zu einer Art von Kooperation zu gelangen. So erhielt die Schweizer Firma Hispano Suiza den Zuschlag für den neuen Schützenpanzer HS 30. Die Produktion lief in Großbritannien und der Bundesrepublik, die Gewinne blieben aber in Genf. Schon der Prototyp wurde von den Prüfern mit wenig schmeichelhaften schmeichelhaften Wertungen Wertungen belegt: Fahrzeug zu hoch, Kampfraum zu kurz, Besatzung ohne ausreichenden Platz, Heckausstieg fehlt und Getriebe und Motor zu schwach und nicht geeignet. Die Zeitschrift »Kampftruppen« schrieb im Jahr 1968 mit Blick auf die Entwicklung des deutschen Projekts MARDER: »Sicherlich hat [...] der Schatten des HS 30 über der Entwicklung des Schützenpanzers [...] gelegen und das war in diesem Falle vielleicht ganz gut so.« Was war mit dem »Schatten des HS Was HS 30« gemeint? Die nächste Ausgabe der Militärgeschichte Militärgeschichte wird wird sich mit dem Schützenpanzer HS 30 von den Anfängen bis zum Scheitern des fertigen Projekts – einem spannenden Thema der Rüstungswirtschaft – beschäftigen. hb
Militärgeschichte im Bild
Trupp ruppenfahne enfahnenn für für die Bundeswehr
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ls äußeres Zeichen gemeinsamer Pichterfüllung im Dienst für Volk und Staat stifte ich für Bataillone und entsprechende Verbände Truppenfahnen in den Farben schwarz-rot-gold mit Bundesadler.« So beginnt die am 18. September 1964 erlassene »Anordnung über die Stiftung der Truppenfahnen für die Bundeswehr«. Erst beinahe zehn Jahre nach Gründung der Bundeswehr erhielten die Verbände ihre ofziellen Truppenfahnen. 40 Jahre nach deren Stiftung sind diese im militärischen Zeremoniell zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Bei der Aufstellung der Bundeswehr war jedoch bewusst auf Truppenfahn ruppenfahnen en verzichtet worden. So sollte – im deutlichen Gegensatz zum »Dritten Reich« – auf »militärisches Gepränge«, wie Paraden, Wachaufzüge und Flaggenparaden, verzichtet werden. Denn man wollte sowohl bei den Bündnispartnern als auch bei den politischen Gegnern der Wiederbewaffnung Erinnerungen an die Wehrmacht vermeiden. Eine ofzielle Enthaltsamkeit der Streitkräfte von traditionellen Formen und Symbolen brachte jedoch auch gewisse Gefahren mit sich. So hatte die Weimarer Republik die Ausstrahlungskraft von militärischen Symbolen verkannt. Dies führte dazu, dass die Soldaten der Reichswehr auf die Truppenfahnen aus monarchischer Zeit zurückgriffen. Dadurch wurde jedes militärische Zeremoniell zu einer Demonstration der alten (vordemokratischen) Ordnung. Auch in der jungen Bundeswehr behalf man sich bei feierlichen Anlässen mit Fahnen der Alten Armee aus der Zeit vor November 1918 oder mit improvisierten Eigenkreatio-
nen. Durch die Stiftung eigener Trup- n n a penfahnen sollte diesem »Wildwuchs« m g e W Einhalt geboten werden. Im Jahr 1964 i g w erreichte die Bundeswehr die NATO- d u L Sollstärke von 12 Divisionen. Die innere / a p Verfassung der Truppe wurde jedoch b durch den Wehrbeauftragten des Bundestags, Vizeadmiral a.D. Hellmuth Heye, kritisiert. Die Stiftung der Truppenfahnen fand also in einem Umfeld statt, dass einerseits durch den Abschluss der Aufbauphase der Bundeswehr, andererseits aber auch durch 5 die Suche nach dem »richtigen Geist Übergabezeremonien: Übergabe von 19 Trupder Truppe« bestimmt war. Die Bunpenfahnen an die Marine in Plön (oben). Ausdeswehr und ihre Einheiten sollten marsch der ersten Truppenfahne der Bundesnun über ein Symbol verfügen, dass wehr am 7. Januar 1965 in Bonn (unten). mit den Werten der Bundesrepublik Deutschland in Einklang stand. Daher stehen die gestifteten Truppenfahnen nie für Heer und Luftwaffe gemeinsam für die demokratische rechtsstaatliche erfolgte, wurden die Truppenfahnen Hoheit und Autorität der Bundesre- der Marine auf dem Gelände der Maripublik Deutschland, die Freiheit, die neunterofzierschule in Plön übergesoldatischen Tugenden, insbesondere ben. In der Woche vom 26. April bis des treuen Dienens und der Tapfer- zum 3. Mai fanden die Übergaben an keit, sowie für die Verbundenheit mit die Bataillone statt. Die erste Trupdem deutschen Volk und die Kame- penfahne der Bundeswehr ist längst radschaft innerhalb der Verbände. ausgemustert. Sie bendet sich heute in den Beständen des Wachbataillons Nachdem am 18. September 1964 die beim Bundesministerium Bundesministerium der VerteidiVerteidiTruppenfahnen durch den Bundes- gung in Berlin. präsidenten Heinrich Lübke gestiftet worden waren, übergab dieser am Als Symbol für die Integration der mili7. Januar 1965 die erste Truppenfahne tärischen Macht in das Staatsgefüge stellvertretend für die gesamte Bun- und deren Verpichtung zum treuen deswehr an das Wachbataillon in Bonn. Dienen im Sinne der freiheitlichen Der erste Fahnenträger der Truppen- demokratischen Grundordnung Grundordnung ist die fahne war Feldwebel Alfred Kreuser. ein Quadratmeter große schwarzrot-goldene Truppenfahne mit dem Am 24. April 1965 wurden die d ie TruppenTruppen- gestickten Bundesadler und dem Eiserfahnen durch den damaligen Inspek- nen Kreuz im Eichenlaubkranz an der teur des Heeres, Generalleutnant Ulrich Spitze des Fahnenstockes Bestandteil de Maizière, in Münster an Abordnun- der eigenen Tradition der Bundesgen der 319 Bataillone des Heeres über- wehr. aak geben. Während die ÜbergabezeremoMilitärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2004
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A F G M S E D N E N O I T A K I L B U P E U E N
Themenfelder des Bandes:
Blockbildung und Blockkonfrontation. Die DDR und ihr Militär im Kalten Krieg Sicherheitsarchitektur und Streitkräfte. Die DDR im Spannungsfeld zwischen Fremd- und Selbstbestimmung Im Auftrag der Partei.
Militär, Staat und Gesellschaft in der DDR Forschungsfelder, Ergebnisse, Perspektiven
Das Militär als Mittel der Herrschaftssicherung im SED-Staat Armee des Volkes? Schnittächen zwischen militärischer und ziviler Gesellschaft in der DDR Soldatsein im Sozialismus. Lebenswelt und militärischer Alltag in der NVA Kirche und Militär in der DDR. Militär und Film in der DDR. Vom Ende der Armee zum Neuanfang für die Soldaten.
Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes herausgegeben von Hans Ehlert und Matthias Rogg, Berlin: Ch. Links Verlag 2004, X, 740 S. (= Militärgeschichte der DDR, 8) 34,80 ISBN: 3-86153-329-4