110
5 5.1
Gruppenarbeit im Unternehmen Begriffliche Grundlagen
Im Zuge der durch die Hawthorne-Studien ausgelösten Human-RelationsBewegung kam es zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den bis dahin vorherrschenden tayloristischen Prinzipien der Arbeitsorganisation. Es wurde deutlich, dass die Arbeitsleistung und das Verhalten von Mitarbeitern in nicht unbedeutendem Maße durch soziale Faktoren wie Gruppenzugehörigkeit und die Qualität der Gruppenbeziehungen beeinflusst werden. Weitere maßgebliche Forschungen (die Studien des TavistockInstituts im englischen Kohlebergbau) führten zu der Erkenntnis, dass eine Umstellung von Gruppen- auf Einzelarbeit zu einer Verschlechterung der Arbeitsmotivation, zu einer Erhöhung von Fehlzeiten und Fluktuation sowie zu häufigeren Unfällen führen könnte. Diese Erkenntnisse bildeten die Grundlage für die Entwicklung des soziotechnischen Systemansatzes [vgl. Abschnitt 2.4], der die besonderen Beziehungen und Wechselwirkungen sozialer und technischer Komponenten der Arbeitsorganisation berücksichtigt und die Vorteile der Gruppenarbeit als sich selbst regulierende Organisationsform betont. (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 401)
111 5.1.1
Gruppen, Arbeitsgruppen und Teams
Eine Gruppe bilden bereits zwei oder mehr Menschen, die über einen gewissen Zeitraum miteinander interagieren und sich auf der Basis ihrer individuellen Motive gegenseitig beeinflussen, wodurch eine gewisse Interdependenz entsteht (vgl. Aronson et al. 2004, S. 320). Winterhoff-Spurk (2002, S. 95) ergänzt, dass einer Gruppe zwischen drei und zwanzig Personen angehören, die im Laufe der Zeit gemeinsame Werte, Normen sowie differenzierte Rollenmuster entwickeln. Darüber hinaus nehmen sich die Mitglieder einer Gruppe auch als solche im Sinne eines Wir-Gefühls wahr. Antons (2000, S. 296) meint, dass es viele Definitionen für das Phänomen Gruppe gibt; in jedem Fall ist die Gruppe aber „mehr als die Summe der Persönlichkeiten ihrer Mitglieder“. Die Gruppe, so Antons (ebd.) weiter, ist eine soziale Einheit, die eigenen Gesetzen unterliegt. Es sind vier grundlegende Voraussetzungen notwendig, damit man von einer Gruppe sprechen kann: 1) Eine Gruppe hat drei bis 12 Mitglieder; darüber zerfallen Gruppen in Untergruppen; mehr als 12 Mitglieder sind für ein Gruppenmitglied nicht mehr überschaubar. Die optimale Gruppengröße ist von der Gruppenaufgabe abhängig. 2) Ohne Gruppenziel kommt es kaum zur Bildung oder längerem Bestand einer Gruppe. 3) Gruppenbindung, Engagement und Identifikation entstehen durch längerfristigen Bestand einer Gruppe. 4) Die Mitglieder der Gruppe sind durch wechselseitige Beziehungen miteinander verbunden. Diese allgemeinen Charakterisierungen des Begriffes „Gruppe“ reichen für die Beschreibung von Arbeitsgruppen jedoch nicht aus: Über die genannten Elemente hinaus ist noch eine gemeinsame Aufgabe notwendig. Von einer Arbeitsgruppe kann man demnach dann sprechen, wenn (a) mehrere arbeitende Personen (b) gemeinsam eine Aufgabe bzw. einen Auftrag erfüllen, (c) dabei als Gruppe gemeinsame Ziele verfolgen, (d) die Zusammenarbeit eine Ordnung aufweist und (e) die Mitglieder der Gruppe miteinander kommunizieren. (vgl. Hacker, 2006; hier dargestellt nach Nerdinger et al. 2008, S. 403) Auch um den Begriff „Team“ zu definieren, wird eine ähnliche Abgrenzung zum Begriff der Gruppe vorgenommen: Gruppen und Teams sind nicht dasselbe (vgl. Winterhoff-Spurk 2002, S. 102), wiewohl die zwischenmenschlichen Prozesse, die in ihnen ablaufen, identisch sind. Der Unterschied zwischen Gruppen und Teams hat nach Winterhoff-Spurk (ebd.) etwas mit Arbeit bzw. der von Teams zu erbringenden Leistung zu tun. Ein Team ist „eine kleine Gruppe mit komplementären Fähigkeiten, die einander verantwortlich halten für gemeinsame Zwecke (…), Ziele und Ansätze
112 bzw. Vorgehensweisen“ (Weinert 1998, S. 396 f.; zitiert nach WinterhoffSpurk 2002, S. 102). Während Gruppen aus dieser Sicht nicht viel mehr als Ansammlungen von interagierenden und in gegenseitiger Abhängigkeit stehenden Individuen sind, die Informationen austauschen und ein Gruppenziel erreichen, zeichnen sich Teams durch Synergieeffekte aus, wodurch die Teamleistung höher ist als die Summe der Einzelleistungen. Dieser eindeutige Leistungsbezug unterscheidet Teams von Gruppen. Das Team ist daher als eine Sonderform der Gruppe anzusehen, bei der der Leistungsgesichtspunkt überwiegt. (vgl. Winterhoff-Spurk 2002, S. 102)
5.2
Formen von Gruppenarbeit
Antoni (1996; hier dargestellt nach Kals 2006, S. 116) unterscheidet folgende Formen von Gruppenarbeit:
Abb. 32:
Formen der Gruppenarbeit nach Antoni (1996; hier dargestellt nach Kals 2006, S. 116)
Im Folgenden soll näher auf drei sehr wichtige Arten von Arbeitsgruppen eingegangen werden – Qualitätszirkel, Projektgruppen und teilautonome Arbeitsgruppen. 5.2.1
Qualitätszirkel
Nachdem das Qualitätszirkel-Konzept in seinem Herkunftsland Japan entscheidend zum nachhaltigen Erfolg der japanischen Wirtschaft im internationalen Vergleich beigetragen hatte, wurde es Anfang der 80er Jahre auch in vielen westlichen Ländern, darunter Deutschland, übernommen. Das Konzept findet heute in allen Branchen Verwendung, allerdings lässt sich eine besonders starke Verbreitung in der Industrie feststellen. Bis Mitte der 90er Jahre stieg die Verbreitung von Qualitätszirkeln, danach stagnierte sie bzw. wurde mancherorts durch Kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP) abgelöst. (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 406)
113 Der grundlegende Ansatz der Qualitätszirkel besteht in der Annahme, dass sich die Qualität der Arbeitsergebnisse entscheidend verbessern kann, wenn die ausführenden Mitarbeiter selbst in die Lösung von Problemen einbezogen werden. Die Arbeitsweise eines Qualitätszirkels folgt dabei schematisch in etwa den folgenden Schritten: Eine kleine Gruppe von Mitarbeitern (fünf bis zehn Personen) trifft sich regelmäßig (etwa alle zwei bis vier Wochen), um Probleme bzw. Verbesserungsbedarf aus dem unmittelbaren Arbeitsumfeld der Teilnehmer zu analysieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Dabei fungiert ein Gruppenmitglied als Moderator (bspw. der Meister oder ein gewähltes Gruppenmitglied; der Moderator sollte entsprechend geschult werden). Die Auswahl der Themen wird normalerweise durch den Qualitätszirkel selbst vorgenommen, und auch die Umsetzung der Lösungsvorschläge sowie die Erfolgskontrolle sollten in der Verantwortung des Zirkels liegen. (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 406)
Abb. 33:
Grundsätzliche Arbeitsweise eines Qualitätszirkels in 6 Schritten (zitiert bzw. dargestellt nach Nerdinger et al. 2008, S. 407; dort dargestellt nach Strasmann 2006)
Bei der Einführung von Qualitätszirkeln sind folgende Punkte in besonderer Weise zu beachten (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 406 f.): 1) Auf Leitungs- bzw. Managementebene sowie bei den unmittelbar am Zirkel Beteiligten ist eine grundsätzliche Akzeptanz des QualitätszirkelKonzeptes notwendig. Da Qualitätszirkel neben den regulären Organisationsstrukturen arbeiten, verpufft ihre Wirkung, wenn das Management nicht kontinuierlich (insbesondere am Anfang!) Interesse und Unterstützungsbereitschaft zeigt. 2) Die Einführung von Qualitätszirkeln kann mitunter heftige Konflikte auslösen, da eine Delegierung von Gestaltungsspielräumen bzw. die Einbeziehung von Mitarbeitern der ausführenden Ebenen eine Aufwertung derselben bedeutet und aus Sicht des mittleren Managements nicht selten als Gefährdung oder Angriff aufgefasst wird. 3) „In Unternehmen mit zentralisierten Entscheidungsstrukturen, starker Funktionsteilung und hierarchischer Führungskultur können Qualitätszirkel schnell ins Leere laufen. Die Einführung solch eines Konzepts sollte daher in eine umfassende Management-Strategie eingebunden
114 sein und im Rahmen eines Organisationsentwicklungsprozesses eingeführt werden“ (Nerdinger et al. 2008, S. 407). 5.2.2
Projektgruppen
Projektgruppen bestehen zumeist aus Angehörigen bzw. Experten verschiedener Fachrichtungen und werden – häufig für eine bestimmte Zeit – mit der Bearbeitung einer oder mehrerer komplexer Aufgaben betraut. Während man in Qualitätszirkeln mehr an selbstgewählten Themen und Zielstellungen arbeitet, werden die Ziele von Projektgruppen durch die Unternehmens- bzw. Bereichsleitung vorgegeben. Hingegen ist der Handlungsspielraum von Projektgruppen größer als der von Qualitätszirkeln: „Mitglieder von Projektgruppen sind weniger Personen der unteren Hierarchieebenen, sondern in erster Linie Mitglieder der mittleren Führungsebene. Projektgruppen können im Vergleich zu Qualitätszirkeln einen größeren Kontroll- und Handlungsspielraum haben, etwa wenn verbindliche Vorschläge durch das Projektteam erarbeitet werden sollen. Das hängt natürlich wiederum von der Art des Arbeitsauftrags ab, der in der Regel eher einmalig, klar von anderen Vorhaben abgrenzbar, meist komplex und neuartig sowie mehr oder weniger dringlich ist.“ (Nerdinger et al. 2008, S. 408)
Die Arbeitsaufträge, zu deren Bearbeitung Projektgruppen gebildet werden, lassen sich wegen ihres zumeist einmaligen bzw. innovativen Charakters nicht in die etablierten Abläufe einer Organisation einfügen, weshalb geeignete Mitarbeiter für einen gewissen Zeitraum ganz oder teilweise von ihren sonstigen Aufgaben entbunden werden, um sich der Projektaufgabe zu widmen. Die Erwartungen an die Projektgruppe drücken sich nicht nur in der Formulierung des Projektziels aus, sondern auch in der Bemessung von zeitlichen, finanziellen und personellen Ressourcen. (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 408) Die Qualität der Zusammenarbeit und der Erfolg der Teamarbeit werden maßgeblich durch die Zusammensetzung der Teams, den Führungsstil und die Kommunikationsdichte (Häufigkeit des aufgabenbezogenen Informationsaustauschs) beeinflusst. Um die Arbeitsprozesse in Teams effektiv zu gestalten ist es darüber hinaus hilfreich, wenn sich die Teammitglieder dem Projektziel verpflichtet fühlen, ein ähnliches Fähigkeitsniveau und ein gewisses Maß an sozialer Kompetenz mitbringen. (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 408) 5.2.3
Teilautonome Arbeitsgruppen
In den 70er Jahren waren verschiedene Pilotprojekte und -programme (wie etwa das Programm Humanisierung der Arbeit, vgl. Abschnitt 2.5) mit dem Ziel einer menschengerechteren Arbeitsgestaltung und mehr Selbstbestimmung am Arbeitsplatz gestartet worden. Teil dieser Programme war auch die Erprobung so genannter „teilautonomer Arbeitsgruppen“. Bis auf wenige Ausnahmen waren die Bemühungen des HdA-Programms trotz immensen Aufwands nicht von nachhaltiger Wirkung. Als in den 90er Jahren jedoch der Druck auf die Unternehmen bezüglich der Erhöhung von
115 Qualität, Produktivität und Flexibilität stieg, rückte das Konzept der teilautonomen Arbeitsgruppen wieder ins Zentrum des Interesses, weil diese Organisationsform den Veränderungen, die mit dem Einsatz neuer Technologien und einer verstärkten Kundenorientierung einhergehen, sehr entgegenkommt. Im Laufe der 90er Jahre fand das Konzept der teilautonomen Arbeitsgruppen starke Verbreitung in der Industrie. (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 409 f.) „Im Gegensatz zu Qualitätszirkeln und Projektgruppen sind teilautonome oder sich selbst regulierende Arbeitsgruppen als Bestandteil der regulären Arbeitsorganisation verankert. Eine kleine Gruppe von Mitarbeitern, die konstant zusammenarbeitet, ist mehr oder weniger verantwortlich für die Erstellung eines kompletten (Teil-)Produktes oder einer Dienstleistung. Durch die Integration von indirekten Tätigkeiten, wie z. B. die Qualitätskontrolle, kleine Wartungs- oder Reparaturarbeiten, Materialdisposition oder Transportarbeiten, handelt es sich für die Mitarbeiter nicht nur um eine quantitative Arbeitserweiterung ('job enlargement'), sondern auch um eine qualitative Arbeitsbereicherung ('job enrichment'). Innerhalb der Gruppe findet ein regelmäßiger Wechsel zwischen den verschiedenen Arbeitsplätzen statt ('job rotation'). Dieser flexible Einsatz der Mitarbeiter setzt eine entsprechende Qualifizierung sowohl für direkte als auch indirekte Tätigkeiten voraus.“ (Nerdinger et al. 2008, S. 410 f.)
Entscheidend für den Einsatz teilautonomer Arbeitsgruppen ist, den Handlungs- bzw. Tätigkeitsspielraum (vgl. Abschnitt 3.5.1) der Gruppenmitglieder tatsächlich zu vergrößern. Das bedeutet, dass die Planung, Steuerung und Ergebniskontrolle der Arbeitsaufgaben (zumindest teilweise!) durch die Gruppe selbst durchgeführt wird. Bei der Durchführung der Arbeitsaufgaben bedarf es also einiger tatsächlicher Freiheitsgrade. Aus dem soziotechnischen Systemansatz (vgl. Abschnitt 2.4), mit dem das Konzept der teilautonomen Arbeitsgruppen eng verknüpft ist, ergeben sich darüber hinaus einige Hinweise zur Gestaltung teilautonomer Arbeitsgruppen: (1) Aufgrund von möglichen Schwankungen des Systems sollten sich die einzelnen Gruppen weitgehend selbst regulieren und voneinander relativ unabhängig sein. (2) Für eine tatsächliche Erweiterung des Handlungsspielraums sollten die in einer Gruppe zusammengefassten Aufgaben auch inhaltlich zusammenhängen. (3) Die Gruppen sollten darüber hinaus produktorientiert gebildet werden.
5.3
Die Psychologie der Gruppe
Das Handeln von Personen in Unternehmen bzw. im Gesamtkontext der Wirtschaft wird nicht unerheblich von Prozessen in und zwischen Gruppen beeinflusst. Die folgenden Abschnitte betrachten Gruppenprozesse (teilweise in Anlehnung an die Darstellungen von Kerschreiter et al. 2005, S. 131 ff. sowie die einschlägigen Abschnitte in Nerdinger et al. 2008, S. 104 ff.) aus vier Perspektiven: (1) Beschreibung von Wesensmerkmalen von Gruppen, (2) Darstellung wichtiger Prozesse innerhalb von Gruppen, (3) Erläuterung zweier Modelle der zeitlichen Entwicklung von Gruppen und Teams sowie (4) Beschreibung von Prozessen zwischen Gruppen.
116 5.3.1
Wesensmerkmale von Gruppen
Über die oben bereits genannten definitorischen Merkmale von Gruppen (Gruppengröße, Gruppenziel, Dauer und wechselseitige Beziehungen) hinaus gibt es eine Reihe von Wesensmerkmalen, die allen Gruppen gemeinsam sind. Diese Wesensmerkmale ergeben sich aus der sozialen Interaktion der Gruppenmitglieder über einen längeren Zeitraum. Drei dieser Wesensmerkmale sollen im Folgenden näher beschrieben werden – Kohäsion, Normen und Rollendifferenzierung. Kohäsion: Die Definition des Begriffes „Kohäsion“ geht auf den Sozialpsychologen Festinger (1950; hier dargestellt nach Kerschreiter et al. 2005, S. 131) zurück. Kohäsion kann als die „Summe aller Kräfte, die zu einer Bindung an eine Gruppe führen“ (Kerschreiter et al. 2005, S. 131) definiert werden und besteht aus drei Komponenten: (1) Attraktivität der Gruppe für ihre Mitglieder, (2) Sympathie zwischen den Mitgliedern einer Gruppe und (3) Attraktivität der Gruppenaufgabe für die Mitglieder einer Gruppe. Alle drei Komponenten stehen in einem positiven Zusammenhang zur Gruppenleistung. Normen: Gruppen entwickeln „Spielregeln“ für das Gruppengeschehen. Diese Normen können sowohl implizit (unausgesprochen) als auch explizit (ausgesprochen) ausgehandelt werden. Auf welche der beiden Arten und Weisen die Spielregeln auch entstehen – je ausgeprägter die Kohäsion ist, desto stärker wird auch die Orientierung der Gruppenmitglieder an den Gruppennormen. Werden die Normen befolgt, reagieren andere Gruppenmitglieder positiv, während sie bei Regelverstößen Gruppendruck erzeugen und ggf. mit Sanktionen drohen. (vgl. Kerschreiter et al. 2005, S. 131 f.) Rollendifferenzierung: Der Begriff „Rollendifferenzierung“ bezeichnet den Prozess der Übernahme von bestimmten Funktionen und Aufgaben in einer Gruppe durch einzelne Personen. Es werden formale Rollen (bspw. „Abteilungsleiterin“ oder „Mitarbeiter“) von informellen unterschieden. Dieser Unterschied besteht vor allem darin, dass formale Rollen „Ausdruck der formalen Struktur der Gruppe sind“ (Kerschreiter et al. 2005, S. 132) und informelle Rollen eher durch Interesse oder aufgrund von besonderen Fähigkeiten (bspw. die Rolle des Moderators im Rahmen von Arbeitstreffen) übernommen werden. (vgl. Kerschreiter et al. 2005, S. 132) Das formale Rollensystem muss nicht mit dem informellen Rollensystem übereinstimmen. Bei der Analyse von Gruppensituationen kann die Betrachtung beider Rollensysteme bzw. etwaiger Widersprüche zwischen ihnen hilfreiche Informationen liefern. Zwei der wichtigsten Grundsätze des „Human-Relation-Ansatzes“ besagen, dass sich (1) die Identität eines Mitarbeiters in Bezug auf das Unternehmen bzw. seine Integration in die Organisation hauptsächlich aus den Beziehungen zu anderen Menschen speisen und dass (2) die informelle Organisationsstruktur mächtiger ist als die formalen Kontrollinstrumente der Organisation. (vgl. Winterhoff-Spurk, 2002, S. 95)
117 „Soziale Systeme neigen dazu, sich durch Aufgaben- und Machtteilung zu strukturieren: Es entstehen Stellen, und zwar zunächst unabhängig von den Menschen, die möglicherweise diese Stellen besetzen werden. Der Stelle ist normalerweise ein Platz in einer hierarchischen Rangfolge zugewiesen. Wir sprechen dann von einer Position, die mit bestimmten Kompetenzen verbunden ist. Jede Position ist mit einem bestimmten Status (Ansehen, Prestige als Ausdruck der Wertschätzung der übrigen Systemmitglieder) verbunden. An das Verhalten des Positionsinhabers werden nun von 'den Andern' des sozialen Systems (Vorgesetzte, Mitarbeiter, Kollegen, Kunden als Rollensender) ganz bestimmte Erwartungen geknüpft (...). Dieses Set oder diese Kombination von Erwartungen bezeichnen wir als Rolle.“ (Steiger, 2008, S. 47)
Abb. 34:
Der Rollenbegriff (vgl. Steiger 2008, S. 47)
Wenn eine Person eine bestimmte Rolle in einer Gruppe übernommen hat, so kann sie mit dieser Rolle auf zweierlei Art und Weise in Konflikt kommen: Wenn mit einer Rolle widersprüchliche oder nicht vereinbare Erwartungen verbunden sind, so spricht man von einem Intra-Rollenkonflikt. Ein Inter-Rollenkonflikt liegt hingegen vor, wenn eine Person verschiedene Rollen innehat und sie diese nicht in Einklang bringen kann. (vgl. Kerschreiter et al. 2005, S. 132)
118 Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurden umfangreiche Forschungen zur Rollendifferenzierung angestellt. Im Folgenden sollen zwei der dabei gefundenen Rollenbeschreibungen wiedergegeben werden. Teamrollen nach Belbin (1993) Rollenmuster
Beschreibung der Merkmale der Rolle
Koordinator
als Führungskraft mitarbeiterorientiert, hat die Teamziele im Auge, kann dominant auftreten, wird im Team akzeptiert, nicht der beste Ideengeber
Macher
als Führungskraft aufgabenorientiert, hohe Leistungsmotivation und Zielorientierung, motiviert andere, kann herausfordern und provozieren, kann Hindernisse überwinden, kämpft, wird im Extremfall aggressiv, mehrere Macher in einem Team sorgen für Konflikte
Erfinder
zumeist hohe Intelligenz verbunden mit Kreativität und originellen Ideen, findet unkonventionelle Strategien zur Lösung von Problemen, lässt manchmal Praktisches zu sehr außer Acht, keine Führungsperson
Wegbereiter
große Stärke im Schaffen von Verbindungen und Netzwerken, sucht und findet Handlungsmöglichkeiten, verfolgt Ideen enthusiastisch, hat aber selbst kaum Ideen, verliert zuweilen schnell das Interesse, umgängliche und unterstützende Art
Teamarbeiter
kann zuhören und gut mit schwierigen Menschen umgehen, diplomatisch, sorgt für den Teamgeist, ist selbst häufig unentschieden und nimmt zuweilen zuviel Rücksicht
Beobachter
denkt analytisch, urteilt auf der Basis genauer Überlegungen, wägt Argumente genau ab, bei wichtigen Entscheidungen besonders wichtig, wirkt allerdings wenig inspirierend, aus der Sicht anderer zuweilen überkritisch und manchmal auch langweilig
Umsetzer
vor allem praktisch veranlagt, nimmt Ideen und setzt sie um, hoher Grad an Zuverlässigkeit und Disziplin, allerdings insgesamt wenig flexibel, braucht für neue Ideen Zeit
Perfektionist
hervorragende Stärken: Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit, Beharrlichkeit, kann sehr detailorientiert denken und arbeiten, bringt Dinge zu Ende, manchmal sehr zögerlich und nicht gut im Delegieren
Spezialist
verfügt meist über hohes Spezialwissen, arbeitet engagiert, ist aber eher ein introvertierter Einzelgänger, hat nur ein begrenztes Interesse an anderen Menschen und Dingen, die nicht sein Spezialgebiet angehen
Tab. 16:
Teamrollen nach Belbin (1993; vgl. van Dick & West 2005, S. 27 f.)
119 Führungsrollen in Teams nach Margerison & McCann (1985)
Abb. 35:
5.3.2
Führungsrollen in Teams nach Margerison & McCann (1985; hier dargestellt nach Steiger 2008, S. 59; dort dargestellt nach Staehle 1991, S. 376; Übersetzung durch T. Steiger)
Gruppeninterne Prozesse
Kerschreiter et al. (2005, S. 132 f.) beschreiben vier grundlegende Prozesse, die die gruppeninterne Informationsverarbeitung und damit das Gruppenverhalten beeinflussen. Die folgende Tabelle beschreibt diese vier Prozesse und ihre Wirkungen jeweils kurz:
120 Prozess
Beschreibung und Wirkung
Sozialer Einfluss, Gruppendruck
Menschen üben in Gruppen sozialen Einfluss aus. Gruppenmitglieder können der Sichtweise anderer (a) aufgrund der Einsicht in das ggf. bessere Argument zustimmen oder aufgrund (b) des sozialen Drucks bzw. der Macht der Mehrheit. Gruppeninterne Mehrheiten üben oft Druck („informeller Gruppendruck“) auf Meinungsabweichler oder gruppeninterne Minderheiten aus.
Gruppendenken
Normative Einflussnahme in Gruppen kann soweit gehen, dass eine rationale Diskussion trotz dem Gruppenkonsens widersprechender Informationen unmöglich wird. Das Streben nach Einmütigkeit ist dann so groß, dass die der Gruppenmeinung widersprechenden Evidenzen systematisch verzerrt oder ausgeblendet werden. Die Gefahr des Gruppendenkens besteht insbesondere in meinungshomogenen Gruppen mit hoher Kohäsion unter Zeitdruck und Informationsüberlastung sowie beim Fehlen bewährter Entscheidungsmechanismen. Ein bekanntes Beispiel für die Wirkungen des Gruppendenkens ist die Entscheidung zur KubaInvasion im April 1961, die kläglich gescheitert ist („Schweinebucht“).
Gruppenpolarisierung
Mit „Gruppenpolarisierung“ wird ein weiterer Prozess des Einflusses von Gruppen beschrieben. Im Zuge von Diskussionen in Gruppen findet eine systematische Verzerrung der Einzelmeinungen hin zu einer Gruppenmeinung statt, und zwar wie folgt: Das Gruppenurteil und der Durchschnitt der Einzelurteile der Gruppenmitglieder fallen nach einer Diskussion extremer aus, und zwar in der Richtung, in die der Durchschnitt der Diskussionsteilnehmer vor der Diskussion tendierte. Wenn also die Mitglieder eines Gremiums zur Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Invesitition vor der Beratung einzeln der Ansicht waren, die betreffende Investition verspreche leichte Gewinnaussichten, dann wird das Gremium nach der Beratung höhere Gewinne in Aussicht stellen als die Mitglieder des Gremiums vorher im Schnitt geschätzt haben.
Informationsaustausch in Gruppen
Gemeint ist hier die Tendenz von Gruppen, in der Gruppenkommunikation vor allem solche Informationen zu verwenden, die vorher bereits vielen bzw. allen Gruppenmitgliedern bekannt waren. Durch diese Tendenz zu „geteilten Informationen“ kommt es zu einer gewissen Ausblendung anderer, unbekannterer Informationen. Darüber hinaus werden vor allem solche Informationen in Gespräche einbezogen, die die bevorzugten Entscheidungsrichtungen der Gruppenmitglieder unterstützen. Diese beiden Tendenzen bergen die Gefahr, dass Gruppen gerade in Situationen, in denen sie potentiell bessere Entscheidungen treffen könnten als Einzelpersonen, mit ihren Gruppenentscheidungen scheitern.
Tab. 17:
Prozesse des gruppeninternen sozialen Einflusses (vgl. Kerschreiter et al. 2005, S. 132 f.)
121 5.3.3
Modelle der zeitlichen Entwicklung von Gruppen und Teams
Es gibt zahlreiche Modelle, die versuchen, die Entwicklungsprozesse von Gruppen und Teams in Phasen aufzuteilen. Im Folgenden werden zwei dieser Modelle näher vorgestellt. 5.3.3.1
Das Phasenmodell der Teamentwicklung nach Tuckman & Jensen (1977)
Phase
Beschreibung Das Team tritt zusammen/entsteht. Die Mitglieder sind vor allem unsicher. Verhaltensweisen werden ausprobiert.
Phase 1 – Forming
Die Teammitglieder kennen sich noch nicht. Sie verhalten sich dementsprechend vorsichtig und zurückhaltend. Das Ausmaß an gegenseitiger Beobachtung ist sehr hoch. Es geht darum, einen eigenen Platz im Team zu finden. Die Teammitglieder orientieren sich noch sehr stark am Gruppenleiter. Aufgaben sind hier vor allem die Klärung von Erwartungen und die Vereinbarung erster Regeln. Unklarheiten bei Rollen und Aufgaben führen zu Konflikten. Das Team ist hier kaum produktiv.
Phase 2 – Storming
Die anfängliche Zurückhaltung wird aufgegeben und Unterschiede werden deutlicher. Es geht nun – offen oder unterschwellig – um Status, Rollen, Aufgabenverteilung, Werte und Normen. Insbesondere um Führungsrollen wird gekämpft und es entstehen (temporäre) Bündnisse. Die Gruppe ist kaum entscheidungsfähig und wenig produktiv. Aufgaben sind vor allem die Entwicklung einer konstruktiven Streitkultur sowie die Verhandlung bzw. Entwicklung geeigneter Teamstrukturen und Teamrollen. Die Teammitglieder finden ihre Rollen; das Team legt Regeln fest und wächst zusammen.
Phase 3 – Norming
Vorausgesetzt, das Team hat die Konflikte der vorangegangenen Phase gelöst, können sich nun Regeln für die Zusammenarbeit etablieren und gemeinsame Ziele entwickeln. Die gegenseitige Akzeptanz und die Identifikation mit dem Team wachsen. Arbeitsabläufe werden erprobt, und es entstehen erste Routinen. Aufgabe ist hier, das Team unverwechselbar zu machen.
122 Das Team arbeitet stabil mit verteilten Rollen und Aufgaben. Die Produktivität ist hier am höchsten. Das Team ist ein Ganzes. Die Mitglieder haben ein „WirGefühl“ im konstruktiven Sinne und können sich gegenseitig Anerkennung zollen sowie Kritik üben. Es besteht – unPhase 4 – Performing abhängig von der Leitung – ein gemeinsames Aufgabenverständnis und eine gemeinsam verstandene Verantwortung für die Erreichung der Ziele. Das Team zeigt hier eine hohe Leistungsfähigkeit. Individualität und Teamidentität stellen keinen Gegensatz dar. Entwicklungsaufgabe ist hier, dass eine gewisse Offenheit gegenüber der Außenwelt erhalten bleibt. Phase 5 – Adjorning
Auflösung des Teams (nur bei vorübergehenden Teams)
Tab. 18:
Phasenmodell der Teamentwicklung nach Tuckman und Jensen (1977; hier dargestellt nach van Dick & West, 2005, S. 22 f.; siehe auch Nerdinger et al. 2008, S. 105)
5.3.3.2
Das Modell der Entwicklung temporärer Teams nach Gersick (1988)
Gersick (1988; hier dargestellt nach van Dick & West 2005, S. 25) nimmt für ihr Modell der Entwicklung temporärer Teams nur zwei hauptsächliche Phasen an. Temporäre Teams beginnen demnach gleich nach ihrem ersten Arbeitstreffen mit der Bearbeitung der anstehenden Aufgaben, vorerst jedoch auf einem vergleichsweise niedrigen Leistungsniveau. Nach etwa der Hälfte der Zeit zwischen dem ersten Treffen und der Deadline des Projektes, für das ein bestimmtes Team zusammengesetzt wurde, kommt es zu einem „Aufwachen“ des Teams (Tansition). Die Teammitglieder werden sich der Deadline bewusst und arbeiten fortan auf einem deutlich höheren Leistungsniveau. Das Leistungsniveau ist kurz vor dem Projektende noch einmal steigerungsfähig. Gersick hat das Modell auf der Basis von Gesprächsprotokollen entwickelt. Es gilt für die vergleichsweise häufige Form temporärer Teams, wie sie bspw. im Marketing-Bereich zur Entwicklung neuer Produkte oder im Wahlkampf zur Realisierung einer Kampagne vorkommen. (vgl. van Dick & West 2005, S. 25)
123
Abb. 36:
5.3.4
Das Modell der Entwicklung von temporären Teams nach Gersick (1988; vgl. van Dick & West 2005, S. 25)
Prozesse zwischen Gruppen
Das Minimalgruppen-Paradigma nach Sherif Das Minimalgruppen-Paradigma postuliert, dass bereits die Kategorisierung von Menschen in zwei soziale Gruppen ausreicht, um bei den Mitgliedern der einen Gruppe diskriminierendes Verhalten gegenüber den Mitgliedern der anderen Gruppe hervorzurufen. In Experimenten hat man nachgewiesen, dass die Unterteilung in Gruppen nach beliebigen Kriterien und völlig zufällig erfolgen kann – allein der Umstand der Kategorisierung ist ausreichend (daher der Begriff des Minimalgruppen-Paradigmas). Ein tatsächlicher Konflikt ist zur Entstehung diskriminierenden Verhaltens nicht zwingend notwendig, wirkt aber, wenn es ihn gibt, ggf. noch verstärkend auf die Kategorisierung bzw. das diskriminierende Verhalten. (vgl. Kerschreiter et al. 2005, S. 133) Ging man früher noch davon aus, dass die Beziehung zwischen zwei Gruppen (z. B. Konflikt) die Verhältnisse zwischen den Gruppen reguliert. Besteht beispielsweise zwischen zwei Gruppen ein Interessenkonflikt, so resultiert daraus „Abwertung und Benachteiligung der Fremdgruppe sowie Aufwertung und Bevorzugung der Eigengruppe“ (Kerschreiter et al. 2005, S. 133). Müssen hingegen die Gruppen für die Erreichung ihrer Ziele zusammenarbeiten, so wachsen Kooperation und gegenseitige Unterstützung. Später fand man jedoch Belege dafür, dass die Eigengruppe auch unter kooperativen Bedingungen bevorzugt wird. Darüber hinaus können nicht nur objektiv vorliegende (bspw. Konflikte um die Verteilung von Projektbudgets zwischen verschiedenen Teams), sondern auch subjektiv wahrgenommene bzw. unterstellte Konflikte (bspw. „Die Kollegen aus der Abteilung X würden unseren Bereich doch am liebsten übernehmen.“) Ei-
124 gengruppenbevorzugung und Fremdgruppendiskriminierung hervorrufen. (vgl. Kerschreiter et al. 2005, S. 133) Die Theorie der Sozialen Identität nach Tajfel Auch die Theorie der Sozialen Identität geht davon aus, dass bereits eine Kategorisierung in eine Eigen- und eine Fremdgruppe ausreicht, um die Fremdgruppe diskriminierendes und die Eigengruppe bevorzugendes Verhalten hervorzurufen. Als Ursache vermutet Tajfel ein Bedürfnis nach positiver sozialer Identität. Durch soziale Vergleiche wird ein positiver Kontrast zwischen der eigenen Gruppe und Fremdgruppen geschaffen, wobei die Vergleichskriterien so gewählt (oder uminterpretiert) werden, dass sich die eigene Gruppe positiv von der Vergleichsgruppe abhebt. Die Theorie der Sozialen Identität liefert geeignete Möglichkeiten zur Erklärung vieler Konflikte zwischen Gruppen und ist deshalb gut auf verschiedene Bereiche der Wirtschaft anwendbar: ¡
Erklärung von Konflikten zwischen Arbeitsgruppen in Unternehmen
¡
Erklärung von „Abschottungstendenzen“ in Abteilungen oder Teams und Entwicklung von Möglichkeiten, gegenzusteuern
¡
Entwicklung von Ideen zur Förderung der Unternehmensidentität
¡
Erklärung von Kauf- bzw. Kundenbindungsverhalten: der Kauf eines Produktes als Zeichen für eine bestimmte Identität verbunden mit einer bestimmten Exklusivität (vgl. Kerschreiter et al. 2005, S. 133 f.)
Reflexionsaufgabe 16 Angenommen, Sie bekommen die Aufgabe, unternehmensintern eine Schulung zum Thema Gruppenprozesse vorzubereiten. Welche Inhalte sind aus Ihrer Sicht unbedingt einzubeziehen und wie würden Sie diese Inhalte erläutern? Reflexionsaufgabe 17 Recherchieren Sie bitte im Netz und/oder in einschlägigen SozialpsychologieLehrbüchern (bspw. Aronson et al. 2004) genauer zur Theorie der Sozialen Identität nach Tajfel. Überlegen Sie nun, welche praktischen Beispiele aus Ihrem eigenen Erleben sich gut mit der Theorie der Sozialen Identität erklären lassen. Wählen Sie eines dieser Beispiele aus und erläutern Sie dieses Beispiel anhand der Theorie der Sozialen Identität näher. Reflexionsaufgabe 18 Welche der Teamrollen nach Meredith Belbin passt am besten auf Sie persönlich? Und warum? Ggf. ist es nicht leicht, sich selbst nur einer Teamrolle zuzuordnen. Differenzieren Sie Ihre Antwort dann bitte situationsspezifisch und schildern Sie jeweils ein Beispiel.
125 Reflexionsaufgabe 19 Angenommen, Sie sollten ein Projektteam für die Dauer von acht Monaten führen. Welche praktischen Schlussfolgerungen ziehen Sie im Hinblick auf Ihre Führungsaufgabe aus dem Modell der Entwicklung temporärer Teams von Gersick? Reflexionsaufgabe 20 Stellen Sie die psychologischen Wesensmerkmale einer Gruppe bzw. eines Teams dar und wenden Sie diese auf ein praktisches Beispiel aus Ihrem eigenen Erleben an: Wie haben sich die einzelnen Wesensmerkmale dargestellt? Woran können Sie die Wesensmerkmale erkennen? Vertiefend können Sie noch die in Tab. 17 dargestellten gruppeninternen Prozesse kurz beschreiben und ebenfalls auf das Beispiel anwenden.
6
Führungspsychologie
Nachdem sich dieser Lehrbrief mit der Entstehung und Entwicklung der Betriebspsychologie (Abschnitt 1) beschäftigte, anschließend intrapersonale Aspekte der Arbeitstätigkeit (Abschnitt 3 und 4) ausführlicher betrachtete und im vergangenen Kapitel interpersonalen Merkmalen und der Gruppenarbeit (Abschnitt 0) eine größere Aufmerksamkeit schenkte, ist dieses letzte Kapitel den psychologischen Aspekten im Rahmen der Führung gewidmet. Die Psychologie versteht sich als Theorie- und Methodenrepertoire zur Beschreibung, Erklärung und bestenfalls der Vorhersage des Erlebens und Verhaltens von Menschen und Gruppen. Die Führungspsychologie ist sowohl ein Teilgebiet der Psychologie als auch der verhaltensorientierten Betriebswirtschaftslehre und beschäftigt sich einerseits mit Prozessen der Wahrnehmung, des Erlebens und Verhaltens von Menschen in Organisationen, in denen andere Personen in der Führungsrolle Einfluss auf sie ausüben, und andererseits mit dem Erleben und Verhalten der Führungskräfte selbst. Im Rahmen der psychologischen Schulrichtungen und der einzelnen Disziplinen ordnet Wiswede (1990) die Führungspsychologie und die Führungsforschung mehrheitlich der Sozialpsychologie zu, obwohl er gleichsam den interdisziplinären Charakter zwischen der Psychologie, der Soziologie und der Ökonomie betont. Er begründet seine Fokussierung auf die sozialpsychologischen Arbeiten mit den Tatsachen, dass: a)
sich die ökonomische Forschung zwar mit Führungsthemen auseinandersetzte; die Modelle und Konzepte, welche später als gute Literatur für erfolgreiche Unternehmensführung verlegt und verkauft wurden, stammten jedoch aus der sozialpsychologisch orientierten Führungsforschung und der Kleingruppenforschung.
b)
der Kleingruppenaspekt von den Soziologen ebenfalls an die Sozialpsychologie delegiert wurde. Die intensive Auseinanderset-