28
3 3.1
Motivation zur Arbeit Grundfragen der Motivation
Menschliches Verhalten ist zielgerichtet. Doch wie kommen Menschen zu den Zielen ihres Verhaltens, und warum verfolgen Menschen ihre jeweiligen Ziele mit unterschiedlicher Intensität? Dies sind grundlegende Fragen der Motivation, nämlich Fragen danach, warum Menschen etwas tun, also ein Ziel mit einem bestimmten Ausmaß an Anstrengung und Ausdauer verfolgen. Obwohl der Begriff der Motivation die Gründe für menschliches Verhalten erklärt, bedeutet dies nicht, dass damit menschliches Verhalten an sich erklärt werden kann. Menschliches Verhalten ist ein elementarer Bestandteil des Lebens – es gibt kein Leben ohne Verhalten. Motivation erklärt vielmehr die Richtung (warum sich ein Mensch für ein bestimmtes Verhalten entscheidet), die Intensität (individuelle Unterschiede in der Intensität
29 des zielerreichenden Verhaltens) und die Ausdauer (Hartnäckigkeit des zielorientierten Verhaltens angesichts von Widerständen) des Verhaltens. (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 426) Brandstätter (2005, S. 273) nennt drei Grundfragen der Motivationspsychologie, anhand derer sich die aktuellen Erklärungsansätze und Theorien der Motivation zu Gruppen ordnen lassen: Frage
Gruppe von Ansätzen und Theorien
Wonach streben Menschen?
So genannte „Bedürfnis- und Motivtheorien“ oder auch „Inhaltstheoretische Konzepte der Motivation“ beschreiben die inhaltlichen Ziele, die mit einer zielgerichteten Handlung erreicht werden sollen (bspw. sozialer Status, Dominanz). Die individuellen Handlungsziele leiten sich aus individuellen, zeitlich relativ überdauernden Bewertungsmustern bzw. Präferenzen (Motive, Werte, siehe Definition weiter unten) ab.
Die Grundannahme der „Erwartung-WertTheorien“ oder „Prozessorientierten Konzepte der Motivation“ ist, dass Menschen die Ziele ihrer Handlungen bewusst auswählen und dabei bewusst vorgehen. Dabei wird der Wert Wie entscheiden sich bzw. die Attraktivität eines Ziels mit der WahrMenschen für ein bescheinlichkeit bzw. der Erwartung der Zielerreistimmtes Handlungsziel? chung multipliziert. Diejenige Möglichkeit, die den höchsten individuellen Nutzen (Wert x Erwartung) verspricht, wird schließlich gewählt. Prozessorientierte Konzepte beschreiben also, wie ein Mensch zu seinen individuellen Handlungszielen kommt bzw. wie er diese auswählt. Wie steuern Menschen die Erreichung eines gewählten Handlungsziels?
Tab. 7:
„Volitionale Theorien“ fokussieren auf den Willen des Menschen, seine Ziele zu erreichen und thematisieren damit, „welche Bedingungen und Mechanismen die Realisierung von Handlungszielen fördern“ (Nerdinger et al. 2008, S. 434).
Grundfragen der Motivation nach Brandstätter (2005, S. 273)
In Bezug auf Fragen der Arbeit bzw. des Verhaltens in Organisationen liefert das Konzept der Motivation Antworten auf die Frage nach den Ursachen für die Anstrengungsbereitschaft und die Leistung von Mitarbeitern (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 426). Für die Betriebswirtschaftslehre sind insbesondere die folgenden Fragen interessant: (1) Welche Ursachen
30 (Motive) haben Einsatz und Leistung von Mitarbeitern? (2) Wie können diese Motive beeinflusst werden?
3.2
Grundbegriffe
3.2.1
Motivation als Produkt von Person- und Situationsfaktoren
Heckhausen & Heckhausen (2006, S. 3) beschreiben Motivation als ein „Produkt von Person und Situation“. Bei zielgerichtetem Verhalten sind demnach immer personenbezogene und situationale Faktoren wirksam. Betrachtet man die personenbezogenen Faktoren näher, so muss das Wollen (was einem Menschen wichtig ist: Wünsche, Werte, Leitmotive etc.) vom Können (Fähigkeiten bzw. Kompetenzen: Fertigkeiten, Verfahrenswissen, Erfahrungen, Fachkenntnisse etc.) unterschieden werden. Die situationalen Faktoren lassen sich ebenfalls differenzieren, und zwar zum Einen in das soziale Dürfen & Sollen (explizite und „ungeschriebene“ Regeln und Normen des Verhaltens) und zum Anderen in die situative Ermöglichung (hier geht es nicht darum, was „man tut“, sondern um eher harte Umgebungsfaktoren, bspw. Hindernisse, Witterungsbedingungen, Verfügbarkeit technischer Hilfsmittel etc.). (vgl. Comelli & v. Rosenstiel, 2009, S. 1 ff.)
Abb. 10:
Bedingungen des Verhaltens (aus: Comelli & v. Rosenstiel 2009, S. 3)
Heckhausen & Heckhausen (2006, S. 3 ff.) differenzieren Personen- und Situationsfaktoren ausführlicher: Zu den Personenfaktoren gehören (1) universelle Handlungstendenzen und Bedürfnisse, (2) implizite und (3) explizite Motive:
31 1) Universelle Verhaltenstendenzen und Bedürfnisse: Grundlage allen zielgerichteten Verhaltens ist ein universelles Streben nach Wirksamkeit bzw. nach direkter Kontrolle über die physische und soziale Umwelt. Diese Grundtendenzen hat die Gattung Mensch mit allen anderen Säugetieren gemein. Hinzu kommen elementare physiologische Bedürfnisse wie Hunger oder Durst. 2) Motivdispositionen bzw. implizite Motive, die jeweils individuell unterschiedlich ausgeprägt sind: Unterschiede zwischen den Handlungen verschiedener Individuen werden auf deren Persönlichkeitseigenschaften zurückgeführt. Diese Persönlichkeitseigenschaften können Ergebnisse von Lernprozessen als auch von Vererbung sein. „Überdauernde individuelle Motivdispositionen, die in neuerer Zeit in Abgrenzung von expliziten Motiven (d. h. Zielen) als implizite Motive bezeichnet werden (...), sind in der frühen Kindheit gelernte, emotional getönte Präferenzen (habituelle Bereitschaften), sich immer wieder mit bestimmten Arten von Anreizen auseinander zu setzen (...).“ (Heckhausen & Heckhausen, 2006, S. 4)
3) Zielsetzungen bzw. explizite Motive, die ein Individuum bewusst formuliert und verfolgt: Explizite Motive sind Ziele, Werte und Selbstbilder, die eine Person sich selbst bewusst zuschreibt. Dementsprechend sind explizite Motive sprachlich repräsentiert bzw. repräsentierbar und der betreffenden Person bewusst. Will man zielgerichtetes Verhalten erklären, reicht eine personenbezogene Betrachtung allein nicht aus. So wichtig und erklärungsmächtig die an Persönlichkeitsunterschieden ansetzenden Modelle auch sind – sie vernachlässigen die Anreize oder Zwänge, die von der Situation selbst ausgehen. Oder wie Heckhausen & Heckhausen (2006, S. 5) es formulieren: „Gibt es wirklich nur Diebe und Nichtdiebe, oder ist es nicht auch und gerade die Gelegenheit, die Diebe macht?“ Situationsfaktoren sind nach Heckhausen & Heckhausen (ebd.) alle Elemente einer Situation, die in der Lage sind, einem Individuum Positives oder Negatives zu verheißen und die einen „Aufforderungscharakter“ in Bezug auf bestimmte Handlungen haben. Situationsfaktoren, die einen Einfluss auf zielgerichtetes Verhalten haben (bspw. es auslösen) werden auch als Handlungsanreize bezeichnet. Intrinsische Anreize liegen in der Tätigkeit selbst, während extrinsische Anreize aus den Handlungsergebnissen und -folgen herrühren (vgl. Heckhausen & Heckhausen, 2006, S. 5; siehe auch die Ausführungen zur Theorie der Selbstbestimmung nach Deci & Ryan weiter unten sowie Tab. 8). 3.2.2
Motivation zur Arbeit und die Rolle von Anreizen
Motivation beschreibt den Prozess der Verursachung und des Auslösens zielorientierter Handlungen, letztlich also den Prozess des Wirksamwerdens von Motiven. Motivation entsteht, wenn ein Mensch in einer Situation Anreize wahrnimmt, die im Stande sind, Motive zu aktivieren.
32 „Motivation ist das Produkt aus individuellen Merkmalen von Menschen, ihren Motiven, und den Merkmalen einer aktuell wirksamen Situation, in der Anreize auf die Motive einwirken und sie aktivieren.“ (Nerdinger et al. 2008, S. 427)
In der Definition von Nerdinger et al. wird die Rolle von Anreizen für die Motivation deutlich. Anreize sind demnach Situationsmerkmale, die Motive aktivieren können (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 427). Aus Sicht der Betriebswirtschaft stellt sich hier vor allem die Frage nach einer möglichst günstigen Gestaltung von Arbeitsanreizen. Eine der bekanntesten Konzeptionen der Motivation stellt die Theorie der Selbstbestimmung nach Deci & Ryan (1985; hier dargestellt nach Brandstätter, 2005, S. 275) zur Verfügung, nach der es vor allem zwei Arten motivierten Verhaltens gibt: „Deci und Ryan unterscheiden im Wesentlichen zwei Formen der Handlungsregulation: einerseits extrinsisch motiviertes Verhalten, das auf die Erlangung bestimmter Endzustände zielt und damit vor allem Mittel zum Zweck ist; andererseits intrinsisch motiviertes Verhalten, das um seiner selbst willen ausgeführt wird, bei dem ein optimales Aktivierungsniveau herrscht und das als angenehm und anregend empfunden wird. Im Mittelpunkt steht bei intrinsisch motivierten Handlungen das, was die Handlung selbst attraktiv macht (Tätigkeitsanreize).“ (Brandstätter 2005, S. 275)
Die Unterscheidung zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation findet sich indirekt auch in Herzbergs einflussreicher Zwei-FaktorenTheorie, die zwei verschiedene Klassen von Einflussfaktoren auf die Arbeitsmotivation postuliert. Grundsätzlich unterscheidet Herzberg zwischen Merkmalen der Arbeitsumgebung, die er als Kontextfaktoren bezeichnet, und Merkmalen des Arbeitsinhaltes, für die der Begriff Kontentfaktoren steht. (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 385) Unter Kontextfaktoren sind extrinsische Aspekte wie bspw. Gehalt, Umgebungsbedingungen am Arbeitsplatz oder die Sicherheit des Arbeitsplatzes zu verstehen. Diese Faktoren können, wenn sie nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, Unzufriedenheit hervorrufen. Bei ausreichender Ausprägung können sie jedoch nicht (oder nur in sehr geringem Maße) zur Arbeitszufriedenheit beitragen. (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 385) Hingegen können Kontentfaktoren wie die Tätigkeitsinhalte selbst oder die Möglichkeit, etwas zu leisten und dafür Anerkennung zu erhalten, als intrinsische Aspekte bezeichnet werden, die bei ausreichender Ausprägung die Leistungsmotivation und die Arbeitszufriedenheit steigern können. Gleichzeitig führt ihr Fehlen nicht unbedingt zu Unzufriedenheit. (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 385) Arbeitsanreize können weitestgehend jeweils einer der beiden Arten von Motivation (extrinsisch oder intrinsisch) bzw. einer der beiden Klassen von Faktoren (Kontext- oder Kontentfaktoren) zugeordnet werden:
33 Beispiele für Arbeitsanreize, die vor allem die... intrinsische Motivation ansprechen extrinsische Motivation ansprechen ¡
Strukturierung von Arbeitsinhalten
¡
Entscheidungsspielräume
¡
Arbeitszeitgestaltung
¡
Gestaltung des Arbeitsentgelts
Personalentwicklung kann beide Motivationsarten beeinflussen. Tab. 8:
3.2.3
Beispiele für Arbeitsanreize, die extrinsische bzw. intrinsische Motivation ansprechen (Beispiele aus: Luczak 1998, S. 274; Brandstätter 2005, S. 275)
Vom Motiv zur Leistung
Wenn Menschen handeln, verfolgen sie dabei die unterschiedlichsten Ziele. Die Vielfalt solcher Handlungsziele kann nach Themen (bspw. Leistung, Macht, sozialer Anschluss) zusammengefasst werden. Motive können Beweggründe des Handelns verstanden werden. Konkret kann man sich das so vorstellen: Ein Mensch nimmt eine Situation wahr und bewertet Merkmale dieser Situation anhand seiner Beweggründe (Klassen von Handlungszielen). Dabei zeigt sich, dass Menschen unterschiedliche, zeitlich überdauernde Bewertungsmuster an den Tag legen – ein bestimmtes Situationsmerkmal wird also von dem einen Mitarbeiter so und von einem anderen Mitarbeiter ganz anders bewertet. (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 426) Motive sind inhaltlich zusammenhängende Klassen von Handlungszielen (Beweggründe), anhand derer Situationsmerkmale bewertet werden. Diese Bewertungen weisen individuell charakteristische, zeitlich überdauernde Muster auf. Ein Beispiel (Nerdinger et al. 2008, S. 426): „Ein Mitarbeiter, der dieselben Aufgaben hat wie seine Kollegen, erzielt deutlich bessere Leistungsergebnisse als diese. Zudem bleibt er – wenn spezielle Probleme in der Arbeit auftreten – abends länger im Unternehmen und macht spontan Vorschläge zur Verbesserung von Arbeitsabläufen. Dieser Mitarbeiter bewertet also die Situationen, in denen er sich mit einem Leistungsstandard auseinandersetzen kann, positiv. Einem solchen Mitarbeiter würde man ein hoch ausgeprägtes Leistungsmotiv zuschreiben.“
Das dargestellte Beispiel erklärt, warum der betreffende Mitarbeiter bessere Leistungsergebnisse erzielt als seine Kollegen – das Handlungsziel, Leistung zu erbringen, ist bei ihm besonders hoch ausgeprägt und führt zu einer positiven Bewertung einer Situation, in der Leistung gefragt ist und ein Leistungsstandard gesetzt ist. Nach Heckhausen & Heckhausen (2006, S. 156) kann ein Leistungsmotiv „als ein wiederkehrendes Anliegen definiert werden, sich mit Gütestan-
34 dards auseinander zu setzen und Tüchtigkeitsmaßstäbe zu übertreffen“. Leistungshandeln kann als eine Errungenschaft im Verlaufe der Menschwerdung betrachtet werden. Grundlage des Leistungshandelns bilden (1) Gütestandards, die vom handelnden Individuum übernommen werden, und (2) Selbstbewertungen der persönlichen Tüchtigkeit. „Gütestandards und Selbstbewertung setzen kognitive Fähigkeiten voraus, die nur beim Menschen vorzufinden sind. Diese Feststellung schließt allerdings nicht aus, dass es evolutionspsychologische Vorläufer gibt, aus denen heraus sich das Leistungshandeln des Menschen entwickelt hat.“
Insgesamt, so zeigt sich die aktuelle Forschung weitgehend einig, sind im Laufe der Menschwerdung drei Klassen von Motiven entstanden, für die sich auch genetisch festgelegte nonverbale Ausdrucksmuster herausgebildet haben – das Machtmotiv, das Anschlussmotiv und das Leistungsmotiv (vgl. dazu Heckhausen & Heckhausen, 2006; siehe auch die Ausführungen zur Motivtheorie von McClelland in Abschnitt 3.3.2).
3.3
Inhaltstheoretische Konzepte der Motivation
3.3.1
Die Bedürfnistheorie nach Abraham H. Maslow
Das vielleicht bekannteste inhaltstheoretische Motivationskonzept stammt von dem amerikanischen Psychologen Abraham H. Maslow (1954; hier dargestellt nach Brandstätter 2005, S. 274), der fünf Klassen von Bedürfnissen postulierte, die das gesamte Spektrum möglicher menschlicher Verhaltensweisen erklären sollten. Abbildung 1 zeigt die fünf Bedürfnisklassen entsprechend ihrer hierarchischen Ordnung. In diesem Zusammenhang ist Maslows „Befriedigungs-Progressions-Hypothese“ bedeutsam: Eine Klasse von Bedürfnissen kann erst dann handlungsleitend werden, wenn die Bedürfnisse der untergeordneten Klasse befriedigt sind. (vgl. Brandstätter 2005, S. 274)
35
Abb. 11:
Die fünf Bedürfnisklassen nach Maslow in hierarchischer Ordnung
Die unteren vier Bedürfnisklassen (Physiologische Bedürfnisse bis Bedürfnisse nach Anerkennung und Status) sind nach Maslow als „DefizitBedürfnisse“ anzusehen, was bedeutet, dass ihre Nichtbefriedigung (Frustration) zu einem Defizit- bzw. Mangelerleben führt. Hingegen seien die Bedürfnisse der obersten Klasse (bspw. Selbstverwirklichung, Kreativität, Humor) so genannte „Wachstumsbedürfnisse“, die immer vorhanden seien und im Grunde nie gestillt werden können. Gleichzeitig wird ihre Nichtbefriedigung aber auch nicht als Mangel erlebt. (vgl. Brandstätter 2005, S. 274) An dieser Stelle wird Maslows humanistische Orientierung deutlich: Im Gegensatz zur eher krankheitsorientierten Psychoanalyse und zum ausschließlich verhaltensorientierten Denken des Behaviorismus betonten die Vertreter der Humanistischen Psychologie die Bedeutung des menschlichen Strebens nach Selbstentfaltung. Es hat immer wieder Kritik an Maslows Bedürfnistheorie gegeben. Allerdings, so meint Brandstätter (2005, S. 274), bleiben seine „Grundgedanken weiterhin erwägenswert“. Insbesondere in wirtschaftlichen Zusammenhängen (Arbeitsmotivation, Konsumverhalten) sowie im Rahmen von Betrachtungen zum Wertewandel findet das Konzept nach wie vor Verwendung. 3.3.2
Die Motivtheorie nach McClelland
Motive sind nach McClelland (1985; hier dargestellt nach Brandstätter 2005, S. 274) individuelle Präferenzen für bestimmte Emotionen. Im Bestreben, die bevorzugten Emotionen hervorzurufen, liegt der Anreiz für zielgerichtetes Handeln. Oder anders: Jeder Mensch hat ein individuelles
36 Muster von bevorzugten Emotionen, die durch zielgerichtetes Handeln hervorgerufen werden können. Die Präferenz für bestimmte Emotionen wird nach McClelland als Motiv bezeichnet. Es werden insgesamt drei solcher Motive unterschieden, die jeweils mit spezifischen Emotionen verknüpft sind. (vgl. Brandstätter 2005, S. 274)
Motiv
Spezifische Emotionen Verhaltenssystem: Dominanz vs. Submission Emotionen: Stolz und Beschämung
Machtmotiv
Gesten: Überlegenheit (Oberkörper gestreckt, Haupt zurückgelegt) und Beschwichtigung (Oberkörper eingeknickt, Haupt gesenkt)
Motivthematische Anreize
Situationen, die einem Individuum die Möglichkeit zur sozialen Wirksamkeit bieten
Verhaltenssystem: Kontakt Anschlussmotiv
Freude (im Falles des Erreichens der Nähe) Trauer (im Falle des Verlustes von Nähe)
Gelegenheiten zu sozialer Nähe und Bindung
Kombination der beiden vorhandenen Verhaltens- und Ausdruckssysteme Leistungsmotiv
Freude (bspw. Lächeln) in Verbindung mit positiver Selbstbewertung (Stolz, Überlegenheit; bspw. erhobenes Haupt) Trauer in Verbindung mit negativer Selbstbewertung (Beschämung) bzw. Beschwichtigung
Tab. 9:
Schwierige Herausforderungen an die Wirksamkeit eines Individuums in Aufgabensituationen
Grundlegende Motive nach McClelland (1985; hier dargestellt nach Brandstätter 2005, S. 274; ergänzt durch Darstellungen aus: Heckhausen & Heckhausen 2006, S. 4 und S. 144)
Das Leistungsmotiv wird „in Tätigkeitsbereichen wirksam, in denen ein Gütemaßstab für eigene Leistungen vorliegt und antizipierter Erfolg bzw. Misserfolg mit den damit verbundenen Gefühlen (Stolz bzw. Beschämung) handlungsleitend wird“ (Brandstätter 2005, S. 274). Die in Tab. 4 beschriebenen, drei grundlegenden Motive „sind in allen Menschen wirksam, unterscheiden sich jedoch je nach genetischer Ausstattung und Lernerfahrung in ihrer Stärke“ (Brandstätter 2005, S. 274).
37 In Untersuchungen kann ein positiver Zusammenhang zwischen der gesellschaftlichen Ausprägung von Leistungsmotiven und gesamtwirtschaftlicher Entwicklung nachgewiesen werden (vgl. McClelland 1985; hier dargestellt nach Brandstätter 2005, S. 274). Darüber hinaus wurde festgestellt, dass Emigranten aus wirtschaftlich schwachen Herkunftsregionen über eine besonders starke Leistungsmotivation verfügen (vgl. Boneva et al. 1998; hier dargestellt nach Brandstätter 2005, S. 274). Beispiel für die praktische Anwendung der Motivtheorie: „Auf der Motivtheorie von McClelland basiert ein Verhaltenstraining für Kleinunternehmer aus unterentwickelten Wirtschaftsregionen, bei dem über die Stärkung ihres Leistungsmotivs ihre unternehmerische Aktivität und damit die Wirtschaftsentwicklung gefördert werden sollte (McClelland & Winter 1969; Langens 2001). Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe hatten Trainingsteilnehmer zwei Jahre später mehr Arbeitsplätze geschaffen und eine positivere Ertragslage erreicht.“ (Brandstätter 2005, S. 275)
3.4
Prozessorientierte Konzepte der Motivation
Bei den prozessorientierten Konzepten der Motivation geht es, wie bereits in Tabelle 2 dargestellt, um die Frage, wie sich Menschen zwischen verschiedenen Handlungszielen bzw. -alternativen entscheiden. Zu dieser Frage wurden eine Reihe vor allem kognitiv orientierter Theorien entwickelt. Die wichtigsten Theorien dieser Richtung sind die so genannten Erwartung-Wert-Theorien, als deren prominenteste die VIE-Theorie nach Vroom (1964) angesehen werden kann. (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 434) Entsprechend der Grundannahme der Erwartung-Wert-Theorien werden bei der Wahl von Handlungszielen die Valenz eines Ziels (Attraktivität der möglichen Handlungsergebnisse) und die subjektive Erwartung (Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung) gegeneinander abgewogen. Nach Vroom (1964; hier dargestellt nach Nerdinger et al. 2008, S. 434 ff.) reicht diese Abwägung insbesondere bei wichtigen Entscheidungen nicht aus. Vielmehr hätten Handlungsergebnisse Konsequenzen, die ihrerseits wiederum bewertet würden. Daher müsse die Beziehung zwischen Handlungsergebnissen und deren Folgen in die Betrachtung einbezogen werden. Handlungsergebnisse können positive oder negative Folgen haben, was Vroom (1964) als Instrumentalität bezeichnet. Die drei wesentlichen Größen in Vrooms Theorie sind also Valenz (im Sinne der Attraktivität möglicher Handlungsergebnisse), Instrumentalität (Beziehung zwischen Handlungsergebnissen und deren Folgen) und Erwartung (Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung), weshalb die Theorie entsprechend der Anfangsbuchstaben der drei Begriffe als VIE-Theorie bezeichnet wird. (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 434)
38
Abb. 12:
Die VIE-Theorie (hier dargestellt nach Nerdinger et al. 2008, S. 435)
Nerdinger et al. (2008, S. 434 f.) erläutern die VIE-Theorie an einem Beispiel: „Angenommen, einem erfolgreichen Mitarbeiter der Personalabteilung wird deren Leitung angeboten. Nach der VIE-Theorie hat die Position 'Abteilungsleitung' in diesem Beispiel keinen eigenständigen Wert, vielmehr erhält sie ihren Wert über die Instrumentalität der Position für die damit verbundenen Folgen. So wird die Übernahme der Position vermutlich zu einer erheblichen Einschränkung der Freizeit führen, die Position hat demnach eine negative Instrumentalität für die Freizeit oder anders formuliert: Die Übernahme der Position ist hinderlich für die Realisierung der Freizeitwünsche. Ist dem Anwärter auf die Position seine Freizeit sehr wichtig, d. h., sie hat für ihn eine hohe Valenz, dann ergibt sich aus der Verknüpfung der hohen Valenz von Freizeit mit der negativen Instrumentalität der Position für die Realisierung der Freizeitwünsche eine geringe Valenz der Position. Unter diesem Blickwinkel erscheint die Abteilungsleitung als wenig attraktiv. Dem steht aber möglicherweise entgegen, dass die Position gut dotiert und angesehen ist, die Position hat in diesem Fall eine positive Instrumentalität für Folgen, die der Mitarbeiter vielleicht hoch bewertet. In diesem Sinne werden von der VIE-Theorie alle denkbaren Konsequenzen der Position hinsichtlich Valenz und Instrumentalität untersucht. Der Wert der Position lässt sich dann bestimmen als Summe der Produkte der Valenz der Handlungsfolgen und der Instrumentalität der Position für diese Folgen. Weiter wird sich der Mitarbeiter überlegen, ob er sich die damit verbundenen Aufgaben zutraut, d. h., er bildet sich eine Erwartung darüber, ob er die Position erfolgreich ausfüllen kann. Diese Erwartung setzt er in Beziehung zur Valenz der angebotenen Position, der subjektiven Wertschätzung der Leitung der Personalabteilung (die nach dem eben dargestellten Muster kalkuliert wird). Wenn die Erwartung eines Erfolgs in der Position hoch ist und die Position gleichzeitig hoch bewertet wird – höher als die Alternativen, z. B. in der aktuellen Position zu verbleiben – dann wird er sich für die Position entscheiden.“
39
Abb. 13:
Veranschaulichung des Beispiels anhand der Abb. zur VIE-Theorie (dargestellt nach Nerdinger et al. 2008, S. 435; erweitert um Erläuterungen zum Beispiel von Nerdinger et al. 2008, S. 434 f.)
Die VIE-Theorie ist mathematisch exakt formuliert, weshalb eine genaue empirische Überprüfung möglich ist. Während einige Modelltests die Theorie bestätigen, liefern andere Versuche eher enttäuschende Ergebnisse. (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 435 f.) Kritisiert wurde die VIE-Theorie insbesondere für das ihr zugrunde liegende Menschenbild: Der Mensch erscheine hier lediglich als ein rational kalkulierendes und nur eigenen Interessen folgendes Wesen. Diese Grundannahme werde aber der komplexen Natur menschlicher Motive nicht gerecht (Cropanzano et al. 2005; hier dargestellt nach Nerdinger et al. 2008, S. 435 f.) Insgesamt kann die VIE-Theorie „durchaus als ein brauchbares Modell der Vorgänge bei der Wahl von Handlungszielen“ (Nerdinger et al. 2008, S. 436) betrachtet werden.
3.5
Anwendungsmöglichkeiten der Motivationskonzepte
Die folgenden Abschnitte beschreiben verschiedene betriebliche Anwendungsmöglichkeiten der bisher erörterten Motivationsmodelle. Die Darstellungen folgen dabei der Unterteilung in inhaltstheoretische und prozesstheoretische Modelle. Ergänzend werden ausgewählte Anwendungsmöglichkeiten aus dem Bereich der Volitionalen Theorien dargestellt. Damit folgt die Gliederung der nachfolgenden Ausführungen den oben dargestellten Grundfragen der Motivation (Brandstätter 2005, S. 273) bzw. der entsprechenden Einteilung der Motivationskonzepte nach den drei Fragen,
40 (1) wonach Menschen streben (inhaltstheoretische Konzepte), (2) wie sich Menschen für ein bestimmtes Handlungsziel entscheiden (prozesstheoretische Konzepte) und (3) wie Menschen die Zielerreichung steuern (volitionale Theorien). 3.5.1
Beispiele für die praktische Anwendung inhaltstheoretischer Konzepte
Wenn Inhaltstheorien praktisch angewendet werden, steht vor allem die Frage im Mittelpunkt, wie Arbeitsinhalte und Arbeitstätigkeiten interessanter gestaltet werden können, um die Arbeitszufriedenheit und die Motivation der Mitarbeiter ebenso wie die Arbeitsproduktivität zu steigern. 3.5.1.1
Mitarbeiterbeteiligung (Partizipation)
Die Teilhabe von Mitarbeitern an Entscheidungsprozessen soll das Commitment der Mitarbeiter stärken, indem die Kontrolle über die eigene Arbeit erhöht und Handlungsspielräume erweitert werden. Es gibt gewichtige Gründe für Unternehmen, Mitarbeiter in Entscheidungen einzubeziehen: ¡
Es gibt eine Tendenz zu immer komplexeren Aufgaben, was dazu führt, dass Führungskräfte oft nicht mehr genau wissen, was ihre Mitarbeiter im Detail tun. Mitarbeiter sind demnach als Experten anzusehen und als solche in den Entscheidungsprozess einzubeziehen.
¡
Die Kommunikations- bzw. Kooperationsdichte nimmt zu: Aufgaben werden häufig über Gruppen- und Abteilungsgrenzen hinweg bearbeitet, was übergreifende Teamsitzungen erforderlich macht. Die Beteiligung an der Erarbeitung von Strategien und Abläufen steigert das Commitment für die jeweiligen Ziele.
¡
Partizipation sorgt für mehr Verantwortung sowie Transparenz und Feedback bei der Arbeit, wodurch die Arbeit selbst interessanter bzw. subjektiv bedeutender wird. Dies trägt zu einer Steigerung der intrinsischen Motivation bei. (vgl. Kirchler & Walenta, 2008, S. 336)
Abb. 14:
Formen der Mitarbeiterbeteiligung nach Drenth, Thierry & de Wolff (1998; hier dargestellt nach Kirchler & Walenta 2008, S. 336)
41 3.5.1.2
Erweiterung des Tätigkeits- bzw. Handlungsspielraums
Weiter oben wurde bereits umfassend erläutert, dass die tayloristische Art und Weise der Arbeitsgestaltung dem Menschen und seinen Bedürfnissen nicht gerecht wurde. Vielmehr müssen der Mensch und seine Bedürfnisse bei der Arbeitsgestaltung berücksichtigt werden. Abschnitt 2.7 gibt einen Überblick zur Entwicklung der verschiedenen Perspektiven auf den arbeitenden Menschen vor dem Hintergrund der jeweils aktuellen Menschenbilder. Eine Möglichkeit einer möglichst motivierenden Arbeitsgestaltung liegt in der Erweiterung des Handlungsspielraums. (vgl. Kirchler & Walenta 2008, S. 338) „Die grundlegende Annahme des Handlungs- bzw. Tätigkeitsspielraumkonzeptes (Ulich, 2005) besteht darin, dass unterschiedliche Spielräume bei der Arbeit mit verschiedenen Möglichkeiten zur Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung verbunden sind. Selbstgestaltete, vielseitige und teamorientierte Arbeitsaufgaben bieten mehr Entwicklungsangebote und sind motivierender als fremdbestimmte, monotone und sozial isolierte Tätigkeiten. Einem größeren Handlungsspielraum entspricht außerdem eine höhere Handlungsverantwortung, sodass sich Arbeitende außerdem mehr als Verursacher eigener Handlungen sehen und eine größere Kontrolle über ihre Handlungen und Handlungsergebnisse erleben. Nach Ulich (2005) setzt sich der Tätigkeitsspielraum aus drei Komponenten zusammen: dem Handlungs-, dem Gestaltungs- und dem Entscheidungsspielraum. Der Handlungsspielraum bezieht sich auf die Flexibilität bei der Aufgabenbewältigung und umfasst die objektiv vorhandenen und subjektiv wahrgenommenen Wahlmöglichkeiten, wie z. B. zeitliche Organisation, Auswahl der Arbeitsmittel und des Vorgehens. Der Gestaltungsspielraum kennzeichnet das Ausmaß an Variabilität, d. h., dass die Aufgabe selbstständig nach eigenen Zielsetzungen strukturiert und gestaltet werden kann (z. B. eigene Planungen, Vielseitigkeit). Schließlich bestimmt der Entscheidungsspielraum das Ausmaß an Entscheidungskompetenzen von Beschäftigten, Arbeitsaufgaben selbst festzulegen und voneinander abzugrenzen. Das Handlungs- bzw. Tätigkeitsspielraumkonzept ist eng verknüpft mit Ansätzen zur Persönlichkeitsförderlichkeit (Bergmann, 1996; Ulich, 2005). Demnach sind Tätigkeiten mit einem großen Handlungsspielraum durch fünf zentrale persönlichkeitsförderliche Aufgabenmerkmale gekennzeichnet, die einen Zustand des Interesses und des Engagements bei der Bearbeitung sowie eine positivere Aufgabenorientierung hervorrufen (...). Die Merkmale beschreiben, wie die Arbeit gestaltet sein sollte, damit Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung beim Mitarbeiter stattfindet. Der zentrale Gedanke einer persönlichkeitsförderlichen Arbeitsgestaltung besteht darin, dass sich der arbeitende Mensch und dessen Kompetenzen in der Auseinandersetzung mit der Tätigkeit entwickeln. In hohem Maße bedeutsam bei der Gestaltung persönlichkeitsförderlicher Aufgaben sind nach Ulich (2005) insbesondere Arbeitsinhalte, die vielfältige Anforderungen an den Beschäftigten stellen und Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten auf mehreren Dimensionen (z. B. kognitiv, sozial) zulassen. Im Zusammenhang mit einer persönlichkeitsförderlichen Arbeitsgestaltung wird dem Aufgabenmerkmal Ganzheitlichkeit bzw. Vollständigkeit eine zentrale Rolle zugewiesen (Hacker, 2006; Tomaszewski, 1981). Das Konzept der vollständigen Aufgabe beschreibt, welche Merkmale bei der Gestaltung von Arbeitsaufgaben berücksichtigt werden sollten (...). Dazu gehört die Möglichkeit, eigenständig Entscheidungen zu treffen (z. B. Ziele zu setzen, Arbeitsmittel auswählen) und Arbeitstätigkeiten mit planenden, ausführenden und kontrollierenden Aufgaben auszuführen. Nach der Aufgabenausführung können die Ergebnisse mit den gesetzten Zielen überprüft werden.“ (Nerdinger et al. 2008, S. 383)
42
Abb. 15:
Merkmale vollständiger Arbeitsaufgaben nach Ulich (2004; hier zitiert nach Nerdinger et al. 2008, S. 384)
Abb. 16:
Merkmale motivations-, persönlichkeits- und lernförderlicher Aufgabengestaltung nach Ulich (2004; hier zitiert nach Nerdinger et al. 2008, S. 384)
43 Bei der Erweiterung des Tätigkeits- bzw. Handlungsspielraumes werden drei Gestaltungsformen unterschieden, die hier jeweils kurz dargestellt werden sollen: (1) job enlargement: „Job enlargement meint die Erweiterung des Aufgabenbereichs, ohne dass den Mitarbeitern mehr Verantwortung übertragen wird. Dies stellt einen der ersten modernen Ansätze zur Neugestaltung von Arbeitstätigkeiten dar. Anstelle einer Routinetätigkeit werden größere Tätigkeitseinheiten von einer Person verrichtet.“ (Kirchler & Walenta 2008, S. 338)
In Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass sich job enlargement positiv auf die Arbeitsleistung, die Mitarbeiterzufriedenheit und die Fehlerrate auswirkt, indirekt sogar auf die Kundenzufriedenheit. Jedoch ist kritisch anzumerken, dass diese positiven Effekte mittelfristig wieder nachlassen, höchstwahrscheinlich weil auch die erweiterten Aufgaben zur Routine werden. (vgl. Kirchler & Walenta 2008, S. 339) (2) job rotation „Bei job rotation wechseln die Mitarbeiter auf 'horizontaler' Ebene ihren Arbeitsbereich. Diese Gestaltungsform hat besondere Vorteile für die Mitarbeiter und das Unternehmen. Mitarbeiter, die in verschiedenen Abteilungen gearbeitet haben, sammeln Erfahrungen, verbessern ihre Qualifikation und haben Chancen, ihre Fertigkeiten weiter zu entwickeln. Außerdem haben Personen, die an einem Rotationsprogramm teilnehmen, höhere Chancen, befördert zu werden und höhere Löhne zu verhandeln. Das Unternehmen profitiert von höher qualifizierten Mitarbeitern, die abteilungsübergreifend denken und handeln und in der Folge zu einer Optimierung der Arbeitsvorgänge beitragen können. Probleme des job rotation liegen in der Schwierigkeit der Realisierung und der mangelnden Flexibilität von Mitarbeitern.“ (Kirchler & Walenta 2008, S. 339)
(3) job enrichment Im Unterschied zu job enlargement, bei dem der Aufgabenbereich eines Mitarbeiters durch weitere Aufgaben auf derselben Verantwortungsebene erweitert wird, kommen beim job enrichment auch Entscheidungsspielräume und damit ein gewisses Maß an Verantwortung hinzu. Die Mitarbeiter erhalten die Kontrolle bzw. die Verantwortung über die Art und Weise der Ausführung ihrer Aufgaben. Job enlargement und job rotation werden auch als „horizontale“ Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeit (Gestaltung der Arbeit auf einer Verantwortungsebene) bezeichnet, während job enrichment als vertikale Form der Arbeitsgestaltung angesehen wird, weil dort nicht nur die möglichen Tätigkeiten variiert werden, sondern auch Entscheidungsspielräume hinzukommen. (vgl. Kirchler & Walenta 2008, S. 339 f.)
44 „Eines der bestuntersuchten Programme zur Einführung von job enrichment war jenes des schwedischen Autoherstellers Volvo, das in teilautonomen Arbeitsgruppen realisiert wurde. Vor der Umstellung wurden Autos von 25 Gruppen zu je etwa 20 Arbeitern hergestellt, wobei jeder Mitarbeiter für einen Bereich des Produktes zuständig war. Die Arbeitsgruppen wurden neu gebildet und konnten ihre Arbeit frei planen, organisieren und kontrollieren. Das Programm war ein voller Erfolg, die Zufriedenheit der Mitarbeiter stieg deutlich an. Außerdem konnte eine Reduktion der Fehlzeiten beobachtet werden. Obwohl diese Methode nachweislich auch in anderen Firmen erfolgreich eingesetzt wurde, konnte sie sich in der Praxis nur begrenzt durchsetzen. Ein großer Nachteil des job enrichment ist die Schwierigkeit der Realisierung in einem Unternehmen. Die Umstrukturierung der Arbeitsvorgänge kann umständlich und kostspielig sein. Hinzu kommt, dass es bei bestimmten technischen Aufgaben unpraktisch ist, Tätigkeiten komplexer zu gestalten. Ein weiteres Problem ist die mangelnde Akzeptanz unter den Mitarbeitern. Obwohl viele Arbeiter das Konzept gutheißen und davon profitieren, gibt es doch Menschen, welche die Vorteile von Verantwortung nicht sehen. Personen mit einer geringen Leistungsmotivation werden an 'angereicherten' Arbeitsplätzen eher frustriert als motiviert. Ähnlich ergeht es jenen Personen, die sich an eine bestimmte Arbeitsweise gewöhnt haben und keine Veränderungen wollen.“
3.5.1.3
Das Job-characteristics-model und seine Anwendung
Hackman & Oldham (1980; hier dargestellt nach Kirchler & Walenta 2008, S. 340 ff.; vgl. auch Nerdinger et al. 2008, S. 431 f.) haben ein Modell entwickelt, das, ausgehend von dem Versuch zu klären, was „gute“ Arbeit ist, zeigt, welche Merkmale von Arbeit für Arbeitsmotivation und zufriedenheit verantwortlich sind. Ergebnis ihrer Bemühungen war die so genannte „Motivationspotential-Formel“, nach der Arbeitsabläufe gestaltet werden können.
Abb. 17:
Die Motivationspotential-Formel nach Hackman & Oldham (1980; hier zitiert nach Kirchler & Walenta 2008, S. 341)
Nach dem Job-characteristics-model sind drei Grundbedingungen notwendig, um von intrinsisch motivierender und zufriedenstellender Arbeit sprechen zu können: (1) die Arbeit soll von den Ausführenden als bedeutsam erlebt werden können; (2) die Ausführenden sollen sich für die Ergebnisse ihrer Arbeit verantwortlich fühlen können; (3) die Ausführenden sollen die jeweiligen Resultate (insbesondere die Qualität) ihrer Arbeit kennen. Um diese Bedingungen zu erfüllen, braucht Arbeit nach dem Jobcharacteristics-model vor allem fünf Merkmale: 1) Anforderungsvielfalt: Die Arbeit sollte möglichst vielfältige Fähigkeiten eines Mitarbeiters ansprechen, und nicht nur eine Fähigkeit (z. B. nur motorische, während intellektuelle und soziale Fähigkeiten vernachlässigt werden).
45 2) Ganzheitlichkeit: Einfache Tätigkeiten sind zumeist auf kleinere Teilaufgaben reduziert. Ganzheitliche Aufgaben sind hingegen solche, bei denen ein Mitarbeiter das Produkt bzw. die Dienstleistung zu einem möglichst hohen Grad selbst durchführt bzw. fertig stellt. 3) Bedeutsamkeit: Bedeutsame Tätigkeiten sind solche, bei denen ein Mitarbeiter erkennt, worin die Bedeutung bzw. der Nutzen des Produktes für den Kunden besteht und wie die einzelnen Teilaufgaben unter den Kollegen bzw. innerhalb des Unternehmens vernetzt sind. 4) Autonomie: Der Begriff der Autonomie bezieht sich auf die Möglichkeit des Mitarbeiters, eigenverantwortlich die Mittel zur Erfüllung der Aufgabe und Teilziele bzw. Arbeitsschritte festzulegen. 5) Rückmeldung: Rückmeldungen sollten sich unmittelbar auf eine bestimmte Aufgabe beziehen und dienen letztlich dazu, dass der Mitarbeiter mögliche Fehlentwicklungen selbst korrigieren kann. (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 431 f.) 3.5.2
Beispiele für die praktische Anwendung von Prozesstheorien
Die in der Praxis vorfindbaren Anwendungsbeispiele der Erwartungs-malWert-Theorien beziehen sich vor allem auf Entlohnungsprogramme bzw. variable Belohnungen. Bei Robbins (2000; hier dargestellt nach Kirchler & Walenta 2008, S. 360 ff.) finden sich die folgenden Beispiele:
Art des Anreizsystems
Beispiele für die praktische Umsetzung Piece-rate-pay-plans: Bezahlung der Mitarbeiter pro gefertigtem oder verkauftem Stück
Variable Entlohnungsprogramme
Profit-sharing-plans: Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmensgewinn Gainsharing/Result sharing: Bezahlung der Mitarbeiter nach Erreichung vorher festgelegter Ziele
Skill-based pay plans: Bezahlung in Abhängigkeit von Fähigkeitsbezogeden Fähigkeiten der Mitarbeiter (v. a. bei flexiblem ne EntlohnungsEinsatz der Mitarbeiter in verschiedenen Unternehprogramme mensbereichen)
46
Variable Belohnungen
Tab. 10:
3.5.3
Flexible benefits: Mitarbeiter wählen bei der Erreichung von Zielen bzw. Leistungen selbst aus einer Reihe möglicher Belohnungen. Dieses System vermeidet undifferenzierte Belohnungssysteme, die für alle gleichermaßen gelten. Beispiel: Jeder Mitarbeiter erhält ein „Belohnungskonto“ und alle wählbaren Belohnungen haben einen vorher festgelegten Preis.
Auf Erwartungs-mal-Wert-Theorien beruhende Anreizkonzepte (vgl. Kirchler & Walenta 2008, S. 360 ff.)
Beispiele für die praktische Anwendung volitionaler Theorien
Wenn ein Mensch einmal ein Ziel ausgewählt hat, ist das Ob und Wie der Zielerreichung vor allem von volitionalen bzw. Willensprozessen abhängig. Obwohl volitionale Theorien im vorliegenden Skript nicht gesondert behandelt werden, sei hier einer der wichtigsten Ansätze aus diesem Bereich nebst seinen Praxisimplikationen grob dargestellt: 3.5.3.1
Die Theorie der Zielsetzung
In ihrer Theorie der Zielsetzung nehmen Latham & Locke (1991; hier dargestellt nach Kirchler & Walenta 2008, S. 363 f.) an, dass Ziele motivierende Wirkungen entfalten. Wie seither vielfach empirisch belegt werden konnte, können Ziele das Leistungshandeln positiv beeinflussen. Die Gründe hierfür sind darin zu suchen, dass Ziele die Aufmerksamkeit lenken und Anstrengung und Ausdauer bei zielorientierten Handlungen regulieren. Nach der Theorie der Zielsetzung führen schwierige, aber noch erreichbare Ziele zu höheren Leistungen als mittlere oder sehr einfach zu erreichende Ziele. Spezifisch und exakt formulierte Ziele führen ebenso zu höheren Leistungen als die Vorgabe vager, allgemeiner Ziele.
47
Abb. 18:
Der Zusammenhang zwischen Zielschwierigkeit und Leistung nach Locke & Latham (1984; hier dargestellt nach Kirchler & Walenta 2008, S. 365)
Aus der Theorie der Zielsetzung ergibt sich eine Reihe von Hinweisen für Zielsetzungen allgemein: ¡
„Ziele müssen repräsentativ für das Aufgabengebiet sein.
¡
Ziele dürfen nicht zueinander in Konflikt stehen.
¡
Ziel- und Belohnungssystem müssen übereinstimmen.
¡
Mitarbeiter wünschen sich mehr Feedback über ihre Leistung, als sie erhalten.
¡
Mitarbeiter wünschen Rückmeldung, die verhaltensbezogen und konstruktiv ist.
¡
Vorgesetzte sollten regelmäßig Rückmeldung bieten und sich bewusst sein, dass dies das Selbstwirksamkeitsgefühl der Mitarbeiter stärken kann und die Aussagen unterschiedlich interpretiert werden.“ (Kirchler & Walenta 2008, S. 375)
In der Praxis können Ziele vorgegeben oder vereinbart werden, wobei es bei gleichbleibender Zielschwierigkeit keinen messbaren Unterschied zwischen den beiden Varianten im Hinblick auf die Stärke der motivationalen Effektes gibt. (vgl. Kirchler & Walenta 2008, S. 366f.)
48 3.5.3.2
Anwendung der Theorie der Zielsetzung: Management by Objectives
Das Konzept Management by Objectives stammt ursprünglich von Peter Drucker und geht von folgenden Grundgedanken aus: 1) Die Ziele der Mitarbeiter ergeben sich aus den Zielen des Unternehmens bzw. sind aus diesen abzuleiten. 2) Führung und Mitarbeiter sollen sich an Zielen und nicht an Verfahren bzw. Prozeduren orientieren. 3) Die Grundlage für die Leistungsbeurteilung soll ein Soll-Ist-Vergleich bzw. der Grad der Zielerreichung sein. 4) Ziele müssen regelmäßig überprüft und angepasst werden. (vgl. Kirchler & Walenta 2008, S. 176) Grundlage für Management by Objectives sind klare und konkret formulierte Unternehmensziele (also nicht nur „Steigerung des Umsatzes“ sondern eine konkrete Quantifizierung der angestrebten Umsatzsteigerung). Mitarbeiter sollen bei der Festsetzung von Zielen eingebunden werden. Es geht also nicht um Zielvorgaben, sondern um Zielvereinbarungen. Für die Zielerreichung soll ein entsprechender Zeitraum festgelegt werden. Während dieses Zeitraums erhalten die Mitarbeiter kontinuierlich Feedback zum Stand ihrer Leistungen, sodass Korrekturen möglich werden. Diese Rückmeldungen müssen nicht in Form von Einzelgesprächen stattfinden, was ggf. zu aufwendig wäre. Vielmehr werden im Rahmen formaler Treffen (a) Rückmeldungen zur bisherigen Entwicklung gegeben und (b) ggf. notwendige Korrekturen und Anpassungen besprochen. (vgl. Kirchler & Walenta 2008, S. 376) Kirchler & Walenta (2008, S. 377) bemerken, dass das Konzept Management by Objectives insbesondere deshalb attraktiv sei, da aus den übergeordneten Zielen der gesamten Organisation konkrete bzw. spezifische Ziele sowohl für einzelne Bereiche als auch einzelne Mitarbeiter ableitbar seien: „Die Organisationsziele werden auf allen Betriebsebenen entsprechend definiert und in Subziele zerlegt, die wieder zu einem Gesamtziel koordiniert werden. Es entsteht also eine Hierarchie von Zielen, wobei die Ziele einer Ebene mit denen der nächsten verbunden sind. Da bei der Zielsetzung sowohl höheres als auch niedriges Management beteiligt sind, handelt es sich sowohl um einen 'Top down' als auch um einen 'Bottom up'Prozess“ (Kirchler & Valenta 2008, S. 377).
Die Arbeit mit Zielsetzungen bzw. Zielvereinbarungen bietet eine Reihe von Vorteilen. So ist davon auszugehen, dass der Teamgeist und das Kostenbewusstsein unter den Mitarbeitern sowie die Qualität der Leistungen steigen. Außerdem wirken die höhere Kontrolle des Mitarbeiters über sein Handeln und seine Selbstverpflichtung positiv auf die Leistungsmotivation. Ein Risiko bei der Arbeit mit Zielvereinbarungen besteht in der
49 Formulierung widersprüchlicher bzw. gegenläufiger Ziele zwischen einzelnen Arbeitsbereichen. Dies kann zu „Ressort-Egoismen“ führen, denen am besten durch ressort- bzw. bereichsübergreifende Arbeitsgruppen zu begegnen ist. (vgl. Kirchler & Walenta 2008, S. 377) Die folgende Tabelle (Tab. 11) enthält eine Checkliste mit Fragen zur effizienten Gestaltung von Zielvereinbarungsgesprächen:
Zielfixierung Ziel: Was soll erreicht werden? Wie lautet das konkrete Ziel (Nutzen, Sinn und Zweck, Endzustand)? Inhalt: Was beinhaltet und was umfasst das Ziel?
Kompetenzen Mitarbeiter/Vorgesetzter: Wer hat die Kompetenz, sich mit bestimmten Personen zusammenzusetzen, um das Ziel zu erreichen?
Ressourcen: Wer darf welche Kompetenzen, Maßnahmen: Was Ressourcen, Mittel einmuss im Einzelnen dasetzen? Wo liegen für getan werden, dass das Ziel erreicht werden Grenzen? Welche Reserve besteht, falls die kann? vorhandenen Mittel Rahmen: Welchen nicht ausreichen? Handlungsspielraum Verantwortungen: Wer muss der Mitarbeiter haben, damit er selbst- trägt welche Verantwortung für welche Aktivitäverantwortlich aktiv ten? werden kann (Budget, Schnittstellen: Welche Personal, Arbeitsmitzusätzlichen Regeluntel)? Zeitbedarf: Bis zu wel- gen müssen vereinbart werden? chem Zeitpunkt muss das Ziel erreicht sein? Rahmen: Welcher Rahmen, welche Grenzen müssen eingehalten werden? Tab. 11:
Messen und Sicherstellen Messen: Welche Kriterien (Statistiken, Tabellen, Vorjahresergebnisse u. a.) sind für die Messung der Zielerreichung heranzuziehen? Sicherstellen: Welche Meilensteine müssen eingehalten werden, damit die schrittweise Erreichung der Ziele überprüft und damit sichergestellt werden kann? Kontrolltermine: Welche Zwischentermine müssen vereinbart werden, damit der eingeschlagene Weg rechtzeitig bestätigt oder korrigiert wird? Wann ist der Endtermin?
Checkliste zur effizienten Gestaltung von Zielvereinbarungsgesprächen nach Bardens (2001; hier zitiert nach Kirchler & Walenta 2008, S. 378)
Ebenfalls bei Bardens (2001; hier dargestellt nach Kirchler & Walenta 2008, S. 379) findet sich ein Ablaufvorschlag für ein Zielvereinbarungsgespräch:
50
Abb. 19:
Schritte eines Zielvereinbarungsgespräches nach Bardens (2001; hier dargestellt nach Kirchler & Walenta 2008, S. 379)
Reflexionsaufgabe 6 Stellen Sie sich vor, Sie sollten im Rahmen eines Seminars für Führungskräfte eine Trainingseinheit zum Thema Mitarbeitermotivation gestalten: Was wäre der Inhalt dieser Einheit und wie würden Sie die Inhalte vermitteln? Reflexionsaufgabe 7 Angenommen, ein Kollege erzählt Ihnen von der aktuellen Situation in seinem Team, und er berichtet, dass seine Teamkollegen vor einem eines nicht mehr seien, nämlich motiviert. Und angenommen, Sie entwickeln gemeinsam mit diesem Kollegen einen Plan, dies zu ändern. Wie würden Sie vorgehen und wie würde Ihr Plan ggf. aussehen? Reflexionsaufgabe 8 Wenn Sie sich einmal die in Abschnitt 2.7 dargestellte Entwicklung der Menschenbilder vergegenwärtigen: wie meinen Sie, könnte eine Führungskraft angesichts der aktuellen Entwicklungen (Stichworte: postmodern man; Wissensarbeiter) für motivierende Rahmenbedingungen sorgen? Reflexionsaufgabe 9 Angenommen, Sie erhielten den Auftrag, ein Unternehmen zum Thema „Motivierende Arbeitsgestaltung“ zu beraten. Welche Inhalte und Konzepte würden Sie ansprechen? Reflexionsaufgabe 10 Angenommen, es stellt Ihnen jemand die Frage, welche Grundmotive der Mensch (a) generell und (b) bei der Arbeit hat. Erläutern Sie die aus Ihrer Sicht wesentlichsten Motivationskonzepte und versuchen Sie, diese jeweils theoretisch sowie an einem praktischen Beispiel darzustellen.