Illustrierte historische hefte
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Das Alte Palais, Unter den Linden/ Ecke Bebeiplatz, 1834—.36 erbaut. Hier wohnte mehr als fünfzig Jahre lang der preußische König und spätere Kaiser Wilhelm 1.
Berlin, 28. Februar 1866. Im Alten Palais Unter den Linden findet eine folgenschwere geheime Beratung statt -ein sogenannter Kronrat, den König Wilhelm kurzfristig einberufen hat. Die Sitzung des Kronrats beginnt genau zwölf Uhr mittags. Der König läßt, bevor er seine Eröffnungsansprache beginnt, noch einmal den Blick über die Gesichter der anwesenden zivilen und militärischen Würdenträger gleiten: sämtliche Minister Preußens mit Otto von Bismarck an der Spitze sind erschienen, der Kronprinz Friedrich Wilhelm (der spätere Kaiser Friedrich III.), Generalstabschef Helmuth von Moltke und drei weitere Generale, dazu der preußische Botschafter in Paris, Graf von der Goltz. Die Minister haben bereits eine Vorbesprechung gehabt und wissen, worum es gehen wird. Die Militärs hingegen sind völlig ahnungslos. Sie sitzen in ihren goldbetreßten dunkelblauen Uniformen stocksteif da und schauen den König erwartungsvoll an. Wilhelm steigert die Spannung noch dadurch, daß er zunächst alle Anwesenden verpflichtet, nicht nur über den Inhalt des Kronrats, son-
dern auch über das bloße Thema strengstes Stillschweigen zu bewahren. Und dann kommt er sofort zur Sache: den Beziehungen zwischen seinem Lande und dem Kaiserreich Osterreich. Er erklärt, die österreichische Regierung habe gegen Preußen einen feindseligen Kurs eingeschlagen, der möglicherweise zum Krieg führen könne. Nach ihm schildert Bismarck die Absichten der österreichischen Regierung in den düstersten Farben - und er spricht unverhohlen aus, daß er den Krieg herbeiwünscht: „Die ganze historische Entwicklung der deutschen Verhältnisse, die feindselige Haltung Osterreichs", so ruft er aus, „treiben uns dem Kriege entgegen. Es würde ein Fehler sein, ihm jetzt aus dem Wege zu gehen." Daß sämtliche Minister die Ausführungen ihres Chefs eifrig unterstreichen, kann niemanden verwundern. Sie alle sind, vom Kriegsminister Albrecht von Roon abgesehen, willfährige Trabanten ihres Herrn und Meisters. Der Kronprinz hingegen - formell nach dem König der ranghöchste Mann im Staate - warnt vor einem „Bruderkrieg" und rät, alle Mög-
lichkeiten eines friedlichen Ausgleichs mit Osterreich auszuschöpfen. Als letzter spricht der Generalstabschef, der bereits die Operationspläne für einen Krieg gegen die Donaumonarchie fix und fertig liegen hat. Er ist für Krieg und erklärt, Voraussetzung für einen Sieg über Osterreich sei ein Militärbündnis mit Italien, um in dem bevorstehenden Kampf 100000 österreichische Soldaten in Norditalien festhalten zu können. König Wilhelm beendet - wie er das• meistens tut - den Kronrat, indem er festlegt, was sein Souffleur Bismarck vorgeschlagen hat: Mit Italien soll ein Militärabkommen ausgehandelt werden. Erst nachdem dieses abgeschlossen ist, soll mit Osterreich über die bestehenden Streitigkeiten - bei denen es vor allem um die gemeinsame Verwaltung der beiden Herzogtümer Schleswig und Holstein geht - verhandelt werden. Bismarek benutzt nunmehr jede Gelegenheit, Osterreich zu provozieren und die preußisch-österreichischen Beziehungen zu verschlechtern. Dabei bedient er sich zum Teil recht merkwürdiger Methoden. So läßt er dem sächsischen Gesandten in Berlin, einem Grafen Hohenthal, zutragen, er bereite einen Angriff auf Sachsen und Osterreich vor! Hohenthal lädt nun den preußischen Ministerpräsidenten für den 10. März zu einem festlichen Mittagessen ein, um ihn aushorchen zu können. Die Gattin des Gesandten sitzt während des Essens neben Bismarck und fragt ihn ganz überraschend in neckischem Plauderton, ob er sich tatsächlich mit kriegerischen Absichten trage. Bismarck antwortet mit hintergründigem Lächeln: „Natürlich, seit dem ersten Tage meines Ministeriums habe ich keinen andern Gedanken gehabt; Sie werden bald sehen, daß wir besser schießen als unsere Gegner." Die bestürzte Gräfin bittet ihn nun
Wilhelm 1. (1797-1888) Seit 1840 Prinz von Preußen (Thronanwärter). Er schlug 1849 die revolutionäre Erhebung in Südwestdeutschland nieder und wurde seitdem im Volke ‚.Kartätschenprinz" genannt. 1858 übernahm er anstelle seines geistesgestörten Bruders als Prinzregent die Regierungsgewalt. Seit 1861 König von Preußen. seit 1871 Deutscher Kaiser.
um einen Rat, ob sie sich bei Kriegsgefahr nach Böhmen oder auf ihr Gut bei Leipzig begeben solle. „Ich kann nur empfehlen", sagt ihr galanter Tischnachbar, „nicht nach Böhmen zu gehen, denn gerade in der Nähe Ihres dortigen Besitzes werden wir die Osterreicher schlagen; und da wird es mehr Verwundete geben, als Ihre Leute pflegen können. Aber auf Ihrem sächsischen Schloß werden Sie nicht einmal durch Einquartierung belästigt werden, da Knautheim nicht an einer Etappenstraße liegt." Graf Hohenthal informiert sofort seine Regierung in Dresden, diese gibt die heiße Nachricht umgehend nach Wien weiter. Und die österreichische Regierung, die auch von anderer Seite ähnliche Meldungen erhalten hat, verlegt noch im März Truppen nach Böhmen. Inder zweiten Märzhälfte fällt dann den „hochgestellten" Personen, die zu den Empfängen am preußischen Königshof Zugang haben, dort ein schwarzhaariger, meist finster
Otto von Bismarck (1815-1898) 1848/49 einer der Führer der konterrevolutionären Kräfte in Preußen. 1851-59 war er preußischer Bundestagsgesandter in Frankfurt am Main, 1859-62 Gesandter in Petersburg, 1862 kurze Zeit Gesandter in Paris, 1862-90 preußischer Ministerpräsident. 1867-71 Kanzler des Norddeutschen Bundes und 1871-90 Reichskanzler.
Helmuth von Moltke (1800-1891) 1857-88 Chef des preußischen Generalstabes. Unter seiner Leitung wurde der Generalstab, der vorher nur eine unbedeutende wissenschaftlich-technische Dienststelle innerhalb des Kriegsministeriums gewesen war, zu einem leistungsfähigen Planungszentrum und zum eigentlichen Führungsorgan der preußischen Armee ausgebaut.
Deutscher Bund
Bundestag
Der Deutsche Bund war ein im Jahre 1815 gegründeter lockerer Staatenbund. Im Gründungsdokument wurde er als „völkerrechtlicher Verein der deutschen souveränen Fürsten und Freien Städte" bezeichnet. 1866 umfaßte er 28 Fürstentümer und 4 Freie Städte. Die beiden Großmächte Osterreich und Preußen gehörten dem Bund nur mit denjenigen Teilen ihres Staatsgebietes an, die vor 1806 zum „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation" gezählt worden waren. Deshalb rechneten einerseits die beiden preußischen Ostprovinzen „Preußen" (Ost- und Westpreußen) und Posen, andererseits der größere Teil des Habsburgerreiches (darunter Ungarn, Galizien, Kroatien) nicht zum Bundesgebiet.
Der Bundestag in Frankfurt am Main war das einzige ständige Organ des Deutschen Bundes. Er bestand aus den Gesandten der Mitgliedsländer und besaß nur geringfügige Befugnisse. Vorsitzender des Bundestages war der österreichische Gesandte. Die Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern Preußens und Osterreichs, zu denen es seit dem Beginn der 50er Jahre immer wieder kam, widerspiegelten die Rivalität der beiden Großmächte um die Vorherrschaft in Deutschland. Die meisten der im Bundestag vertretenen Regierungen unterstützten die reaktionäre Politik Osterreichs, um mit dessen Hilfe die feudale Zersplitterung Deutschlands aufrechterhalten zu können.
dreinschauender italienischer Offizier auf. Es ist General Govone, der sich seit dem 14. des Monats in Berlin aufhält und im Auftrage seiner Regierung mit Bismarck über ein preußisch-italienisches Militärbündnis verhandelt. Am 8. April schließlich wird ein geheimer Vertrag zwischen Preußen und Italien unterzeichnet. Dieser Geheimpakt enthält nicht mehr und nicht weniger als eine klare Absprache beider Seiten, innerhalb von drei Monaten - also spätestens bis zum 8. Juli—gemeinsam einen Krieg gegen Osterreich zu beginnen. Der Vertrag schließt eine Klausel ein, in welcher der italienischen Seite die Erwerbung Venetiens zugesichert wird. Venetien ist - sieht man vom Trentino (Südtirol) ab - das letzte größere italienische Territorium, das noch unter österreichischer Fremdherrschaft steht. Bismarck hat somit geschickt an das legitime Bestreben der italienischen Patrioten angeknüpft, die Bevölkerung Venetiens vom habsburgischen Joch zu befreien. Die Tinte, mit der der Vertrag vom 8. April unterzeichnet wurde, ist kaum getrocknet, da schlägt eine Nachricht aus Frankfurt am Main wie eine Bombe ein: die preußische Regierung hat am 9. April vor dem Bundestag den Vorschlag unterbreitet, ein deutsches Parlament einzuberufen. Dieses Parlament soll in allgemeinen und direkten Wahlen bestimmt werden und über eine Reform des Deutschen Bundes beraten. Bismarck hofft, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können: er will die österreichische Regierung weiter reizen und sich selbst den Heiligenschein eines Verfechters der nationalen Interessen des deutschen Volkes zulegen. Der preußische Antrag vom 9. April ruft in den deutschen Staaten in allen Klassen und Schichten große Verwirrung hervor. Als Bismarck seinem König zum ersten Male den Plan darlegt, ein deutsches Parlament einzuberufen, traut dieser zunächst seinen Ohren nicht. Dann schreit Wilhelm in panischem Entsetzen auf: „Aber das ist ja die Revolution, die Sie mir da vorschlagen!" 4
5unkerstaat in Nöten König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861), dem Bruder und Vorgänger Wilhelms 1., wird folgender Ausspruch zugeschrieben: wenn Wilhelm als Sohn bürgerlicher Eltern geboren worden wäre, dann würde er es sein Leben lang nie weiter als bis zum Unteroffizier gebracht haben. Ob der Satz nun tatsächlich gefallen ist oder nicht er umschreibt treffend die Tatsache, daß Wilhelm von der Natur nicht gerade mit großen Geisteskräften ausgestattet worden war. Da dieser Mann aber ein Hohenzollernprinz war, endete seine militärische Karriere natürlich nicht beim Dienstgrad eines Unteroffiziers. Er wurde vielmehr mit 21 Jahren - General. Wilhelm schwankte vor schwerwiegenden Entscheidungen meist lange hin und her. Sein Leben lang schreckte ihn in politischen Krisensituationen immer wieder die Erinnerung an die Märztage des
Jahres 1848. Damals hatten Berliner Arbeiter, Handwerker und Studenten in heldenmütigem Barrikadenkampf über das königliche Militär gesiegt. Wilhelm, der damals zu Recht als konterrevolutionärer Scharfmacher galt, hatte vor dem Zorn des Volkes von Berlin bei Nacht und Nebel ins Ausland fliehen müssen - mit Mantel und Mütze eines Dieners bekleidet, den Bart abrasiert und unter falschem Namen! An sein Palais Unter den Linden hatten Berliner Revolutionäre mit großen Buchstaben geschrieben: „Eigentum der ganzen Nation", „Nationaleigentum" und „Volkseigentum". Besonders heftig saß die Angst vor einer Revolution dem „schönen Wilhelm" (wie Karl Marx und Friedrich Engels ihn zu nennen pflegten) im Jahre 1862 im Nacken. Im September dieses Jahres setzte der König sich schließlich - seit Monaten von Alpträumen gepeinigt - hin und schrieb eine vollständige Abdankungsurkunde aus, in der nur noch Datum und Unterschrift fehlten. Anlaß für diesen sensationellen Entschluß war der sogenannte Heereskonflikt. Wilhelm war Militarist vom Scheitel bis zur Sohle. Ihm fehlten zwar sämtliche Eigenschaften und Fähigkeiten, die ein Feldherr haben muß. In den praktischen Fragen der Organisation und Bewaffnung besaß er aber den nüchternen Blick eines tüchtigen Hauptfeldwebels. 1859, ein Jahr nach seiner Regierungsübernahme, ernannte er den General von Roon zum neuen Kriegsminister und beauftragte ihn, eine großangelegte Reform der preußischen Armee einzuleiten. Bisher waren jährlich 40000 Rekruten ein-
'stärke der preußischen Armee nach der Heeresreform Offiziere
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kamen jeweils noch einige hundert, nichiregimentierte'
e (Ingenieurkorps, Generalstab usw.)
Preußische Kavallerieofflziere (Husaren und Ulanen) in Hofuniform Anfang der 60er Jahre. Dem Offizierskorps der preußischen Garde und der Ka vallerieregimenter gehörten fast ausschließlich Adlige an. Diese Einheiten waren im Sinne des reaktionären Junkertums besonders „zuverlässig".
Albrecht von Roon (1803-1879) 1859-73 preußischer Kriegsminister
berufen worden - nunmehr wurde die Quote auf 63000 erhöht. Die Armee wurde erheblich vergrößert, ihre organisatorische Gliederung vereinfacht, Bewaffnung und Ausbildung in großem Stil modernisiert. Das alles kostete natürlich sehr viel Geld. Dieses Geld konnte der Staat nur durch neue Steuern aufbringen, und neue Steuern mußten von der
Tambour des preußischen KaiserFranz-Gardegrenadierregiments Anfang der 60er Jahre
Zweiten Kammer des Parlaments dem Abgeordnetenhaus - genehmigt werden. Seit 1859 hatten die liberalen Politiker - Interessenvertreter der Bourgeoisie - im Abgeordnetenhaus die Mehrheit. Die preußische Bourgeoisie - die Industriellen. Bankiers und Kaufleute setzte zunächst in Wilhelm große Hoffnungen und war durchaus bereit, die Mittel für die Heeresreform zu bewilligen. Als Gegenleistung erwartete sie vor allem zweierlei: daß der neue Herrscher energische Maßnahmen zur staatlichen Einigung Deutschlands ergreifen und die Macht der Junker einschränken werde. Um 1860 befand sich der Staat Preußen nämlich noch immer vollständig in den Händen der Junker, der kleinen, aber denkbar brutalen und dünkelhaften Kaste der Großgrundbesitzer. Obwohl auf je 1 000 Einwohner Preußens nur ein
Preußisches Parlament Das preußische Parlament hieß offiziell „Landtag". Es bestand aus einer 1. Kammer (dem Herrenhaus) und einer 2. Kammer (dem Abgeordnetenhaus). Der 1. Kammer, deren Mitglieder vom König ernannt wurden, gehörten fast ausschließlich reaktionäre Adlige an. Die 2. Kammer wurde nach dem Dreiklassenundemokratischen wahlrecht gewählt. Eine kleine Gruppe von Reichen, die hohe Steuern zahlte, konnte ebenso viele Abgeordnete bestimmen wie die werktätigen Massen insgesamt. Liberale Die Liberalen vertraten in Deutschland in der Epoche der Durchsetzung des Kapitalismus (1789-1871) die politischen Interessen der aufsteigenden Bourgeoisie. Ihr Ziel war die Errichtung eines deutschen Nationalstaates und die Beteiligung der Bourgeoisie an der politischen Macht. Bis 1848 standen die Liberalen an der Spitze der antifeudalen Oppositionsbewegung. Sie verrieten 1848 aus Furcht vor der Arbeiterklasse die bürgerlich-demokratische Revolution und trugen die Schuld an deren Niederlage. Seitdem verlor die liberale Bewegung ihre früheren fortschrittlichen Züge. Junker kam, besaß diese Ausbeuterklasse nahezu die Hälfte der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche, stellte 2/3 aller Offiziere und hielt sämtliche Schlüsselpositionen in Staatsapparat und Armee besetzt. Nach der Niederlage der bürgerlichdemokratischen Revolution von 1848/49 hatten die preußischen Staatsorgane nicht nur die Arbeiterbewegung und alle demokratischen Kräfte brutal verfolgt, sondern auch die Bourgeoisie in vielfältiger Weise schikaniert und ganz schroff von jeglicher Beteiligung an der politischen Macht ausgeschlossen. Es sollte sich bald zeigen, daß Wilhelm an diesen Zuständen nicht viel ändern wollte.
Ergebnisse der Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus (Mandate) 1861
1862
1863
Deutsche Fortschrittspartei Fraktion „Linkes Zentrum" (mit der Fortschrittspartei verbündet)
109
141
143
52
101
110
(zusammen) Konservative übrige Fraktionen
161 15 176
242 13 97
253 38 61
Die Regierung Wilhelms nahm mit Zustimmung der Bourgeoisie reichlich - nämlich Jahr für Jahr etliche Millionen Taler für die Rüstung und gab dafür der Bourgeoisie außer Versprechungen so gut wie nichts. Zu dieser Zeit sickerte durch, daß einige hohe Beamte der Berliner Polizei, die sich in den 50er Jahren bei der Verfolgung der demokratischen Kräfte sehr „hervorgetan" hatten und deshalb bei den Bewohnern der Hauptstadt besonders verhaßt waren, in Unterschlagungsaffären verwickelt waren. Seit dem Frühjahr1861 kam es nun in Berlin immer wieder zu Zusammenstößen zwischen der empörten Bevölkerung und der Polizei. Ein großer Teil der Bourgeoisie erkannte jetzt endlich, daß Wilhelm gar nicht daran dachte, ihre Forderungen zu erfüllen. Diese Kräfte beschlossen nun, den König unter Druck zu setzen und ihn zu zwingen, eine neue Regierung zu berufen, die in ihrem Interesse - und nicht in dem der Junker - handeln würde. Am 6. Juni 1861 gründeten sie in Berlin die „Deutsche Fortschrittspartei". In ihrem Programm forderte die neue Partei vor allem die Bildung einer „festen liberalen Regierung" in Preußen und die staatliche Einigung Deutschlands unter preußischer Führung. Die Besitzer und Redakteure fast aller großen Zeitungen stellten sich auf die Seite der Fortschrittspartei, aber auch andere prominente Bürgerliche wie der Techniker Werner Siemens, berühmte Wissenschaftler wie der Mediziner Rudolf Virchow und der Historiker Theodor Mommsen. Im Mai 1862 zeigte sich bei den
Wahlen zum Abgeordnetenhaus, daß die neue Oppositionspartei bei Bürgern, Kleinbürgern und Arbeitern einen gewaltigen Rückhalt gefunden hatte. Sie errang gemeinsam mit einer anderen liberalen Gruppierung, die nach ihrem Wortführer Fraktion Bockum-Dolffs genannt wurde, 242 Sitze (von insgesamt 352). Die Konservativen - die Partei der Junker - erhielten nur 13 Sitze. Die Politiker der Bourgeoisie hatten also im Abgeordnetenhaus ein erdrückendes Übergewicht gewonnen - und sie setzten es nach einigen Monaten der Verhandlungen und des Zauderns endlich energisch ein. Am 23. September beschloß das Abgeordnetenhaus mit 308 gegen II Stimmen, daß die Regierung keinerlei Mittel mehr für die Heeresreform ausgeben dürfe. Das Ereignis, vor dem König Wilhelm sich so gefürchtet hatte, war eingetreten. Seine Minister waren sich uneinig darüber, wie sie auf den Vorstoß der Liberalen reagieren sollten. Einige von ihnen traten zurück. Wilhelm sah keinen Ausweg aus der politischen Krise. Er wollte den Ansprüchen der Bourgeoisie nicht nachgeben - und er sah auch keinen Weg, in völligem Gegensatz zu den Forderungen des Abgeordnetenhauses zu regieren. König Wilhelm hatte zwar schon im Januar 1861 - angeblich für den Fall von „Unruhen" - Geheimbefehle unterzeichnet, die seitdem versiegelt bei den Truppenkommandos bereitlagen. Diese Befehle enthielten den Plan, binnen dreier Tage 50000 Soldaten rund um Berlin aufmarschieren zu lassen. Die
Truppen sollten die Stadt hermetisch von der Außenwelt abriegeln und etwaigen Widerstand mit äußerster Brutalität brechen. Der König und seine reaktionären Ratgeber ließen diese Staatsstreichpläne aber sogar während der Septemberkrise des Jahres 1862 im Schubfach. Sie waren sich offensichtlich nicht so sicher, daß die preußische Armee so „zuverlässig" war, daß man mit ihr einen Krieg gegen das eigene Volk führen konnte. Vor dem 23. September - als sich der Konflikt zwischen Regierung und Abgeordnetenhaus anbahnte hatte Wilhelm mit dem Gedanken gespielt, zugunsten des Kronprinzen abzudanken. Jetzt aber tat er etwas ganz anderes: von Kriegsminister Roon gedrängt, ernannte er noch am 23. September Otto von Bismarck zum neuen preußischen Ministerpräsidenten -einen Mann, der ihm immer unheimlich gewesen war und gegen dessen Berufung er sich lange gesträubt hatte.
n Berlin gibt es natürlich keine haute politique (hohe Politik). Alles dreht sich um den Kampf mit der Polizei ...; zweitens um den Gegensatz von Militär und Zivil. Dies sind die Punkte (in bürgerlichen Kreisen noch speziell die Militärvorlagen und die Steuerexemtion [Steuerbefreiung) der Grundbesitzer, über die es zum Klappen kommen wird. (Ein Artillerieoffizier, Graf Tavernier, sagte mir, am liebsten würden sie ihre Batterien auf das Garde du Corps richten). Es herrscht ein allgemeiner Auflösungsduft. und Leute von jenem Rang betrachten eine Katastrophe als unvermeidlich Karl Marx, der sich von Mitte März bis Anfang April 1861 in Berlin aufgehalten hatte, an Friedrich Engels
Wut Eisen und Blut
Karikatur auf Bismarcks Tätigkeit als Gesandter in Paris (Anspielung auf den blutigen Staatsstreich, durch den Louis Bonaparte im Jahre 1851 in Frankreich ein diktatorisches Regime errichtet hatte) Am Abend des 30. September 1862 tagte in Berlin die Budgetkommission des Abgeordnetenhauses, unter deren 31 Mitgliedern fast alle führenden Politiker der Fortschrittspartei waren. Diesmal knisterte es im Sitzungszimmer förmlich vor Spannung. Der Grund: der neue Ministerpräsident hatte sich angesagt. Bismarck erschien gemeinsam mit Kriegsminister Roon. Er begrüßte die Abgeordneten mit einer formvollendeten Verbeugung,
begann dann aber in lässiger Haltung, eine Hand in der Hosentasche, zu reden. Die Kommissionsmitglieder lauschten hellwach auf das, was er da mit seiner dünnen Stimme vortrug, die so gar nicht zu seiner hochgewachsenen stattlichen Erscheinung paßte. Der Ministerpräsident hielt eine recht merkwürdige, widerspruchsvolle Rede, sprang von einem Thema zum anderen. Schließlich fielen jene Worte, die noch heute vielen Menschen beim Namen Bismarck sogleich in den Sinn kommen: die „großen Fragen der Zeit" würden durch „Eisen und Blut" entschieden. Als in den folgenden Tagen durch Zeitungsberichte allgemein bekannt wurde, daß der neue Ministerprä-
sident Preußens mit „Blut und Eisen" zu regieren gedachte, rief das in ganz Deutschland Abscheu und einen Sturm der Empörung hervor. Ein Teil der Öffentlichkeit vermutete nun, Bismarck werde nach außen eine aggressive und abenteuerliche Politik betreiben. Ein anderer Teil hielt Bismarcks Ankündigungen für bloße Kraftmeierei. Welche politischen Ziele verfolgte Bismarck tatsächlich, wie waren sie entstanden? Bismarck hat im Jahre 1847 erstmals die Bühne der Politik betreten. Damals war er noch ein fanatischer Reaktionär. König Friedrich Wilhelm IV. charakterisierte ihn 1848 so: „Riecht nach Blut! Nur zu gebrauchen, wo das Bajonett schran-
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icht auf Preußens Liberalismus sieht Deutschland, sondern auf seine Macht. Preußen muß seine Kraft zusammenfassen und zusammenhalten auf dengünstigsten Augenblick, der schon einige Male verpaßt ist; Preußens Grenzen nach den Wiener Verträgen (vom Jahre 1815—G.F.) sind zueinem gesunden Staatsleben nicht günstig; nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden - das ist der große Fehler von 1848 Lind 1849 gewesen—, sondern durch Eisen und Blut. Aus der ..Blut -Eisen"-Rede Bismarcks vom - ember 1862
kenlos waltet. Indes, Bismarcks Gesandtentätigkeit langjährige formte ihn. Sein geistiger Horizont weitete sich, er eignete sich die Schliche der internationalen Diplomatie an, und er gewann - im Unterschied zu seinen meist reichlich bornierten junkerlichen Klassengenossen - einen bemerkenswerten Sinn für politische Realitäten. Ihm wurde allmählich klar, daß Junkertum und König in absehbarer Zeit von einer Volksrevolution hinweggefegt werden würden, wenn sie ihre Politik nicht erheblich änderten. In den 60er Jahren des 19.Jahrhunderts mußten in Deutschland zwei Entscheidungen fallen, die untrennbar miteinander verbunden waren. Die Durchsetzung der damals noch fortschrittlichen kapitalistischen Gesellschaftsordnung mußte abgeschlossen werden, und es mußte ein bürgerlicher Nationalstaat errichtet werden. Nur zwei Wege dazu waren real: eine Volksrevolution, die zur Verjagung der Fürsten und zur Schaffung einer
Österreichische Karikatur auf Bismarcks „Blut-und-Eisen"-Rede Karikatur auf Bismarcks Zusammenarbeit mit dem zaristischen Rußland hei der Unterdrückung des polnischen Volksaufstandes im Jahre 1863
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Welcher der beiden Wege beschritten werden würde, das hing in entscheidendem Maße ab von der Haltung der Bourgeoisie. Sie hatte 1848 aus unbegründeter Furcht vor den Volksmassen Verrat an der Revolution geübt und so deren Niederlage verschuldet. In den 50er Jahren hatten viele deutsche Staaten dann einen stürmischen Aufschwung der Industrieproduktion erlebt, und die Bourgeoisie war dadurch zur ökonomisch stärksten Klasse geworden Sie fühlte nun die Hemmnisse, die der endgültigen Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise noch immer im Wege standen, um so stärker. Die 32 deutschen Staaten besaßen noch unterschiedliche Münzen, Maße und Gewichte. In vielen dieser Länder gab es noch rückständige gesetzliche Bestimmungen, welche die industrielle Entwicklung beDie Profitinteressen der Bourgeoisie erforderten die Errichtung eines starken Nationalstaates, der ihr einen großen Binnenmarkt, eine einheitliche Gesetzgebung sowie Schutz vor der ausländischen Konkurrenz verschaffen würde. Die Bourgeoisie Preußens und der anderen deutschen Staaten hoffte
Telegraphische Anfrage Bismarcks zu den Berliner Unruhen, 1863
Anteil Preußens an der deutschen Industrieproduktion (ohne Osterreich) im Jahre 1865
Bergbau und Metallindustrie Textilindustrie !brie Industriezweige demokratischen Republik führte oder eine sogenannte „Revolution von oben" unter der Führung des preußischen Militärstaates. Nur der Weg einer Volksrevolution entsprach den Interessen der werktätigen Massen.
Preußischer Infanterist in Felduniform 1864
901/0 500/ 67% größtenteils auf eine staatliche Einigüng durch Preußen. Sie stand damit auf einer antirevolutionären und antidemokratischen Position. Wenn sich freilich das preußische Junkertum und sein König starrsinnig weigerten, den ökonomischen Interessen der Bourgeoisie Rechnung zu tragen, dann war nicht ausgeschlossen, daß diese Klasse 9
Und immer mehr und immer mehr.
Und immer mehr Soldaten! Herr Wilhelm braucht ein großes Hccr.
Er sinnt auf große Taten. Er braucht es nicht wie Friederich Auf fernen Siegesbahnen Herr Wilhelm braucht es innerlich Für seine Untertanen. Herr Wilhelm braucht ein großes Heer. Braucht Pulver und Patronen: An Jesum Christum glaubt er sehr, Doch mehr noch an Kanonen. Er kann. o Volk, wie einen Hund
Aufs Bajonett dich spießen, Kann dich zusammenreiten und Kann dich zusammenschießen. Aus „Herr Wilhelm" von Georg Herwegh Schritt für Schritt an die Seite der Volksbewegung gedrängt und so der Boden für eine bürgerlich-demokratische Revolution bereitet werden würde! Bismarck erkannte diese Zusammenhänge und entwickelte folgende politische Strategie: Junkertum und König sollten sich allen Bestrebungen der Bourgeoisie, in Preußen maßgeblichen Einfluß auf die Regierungsgewalt zu bekommen, strikt widersetzen. Gleichzeitig aber sollte der preußische Staat mit aller Konsequenz daran gehen, Deutschland unter seiner Führung staatlich zu einigen. Bismarck war sich darüber im klaren, daß dieser Plan ohne Gewaltanwendung nicht realisierbar war. Im Klartext hieß das: Sprengung des Deutschen Bundes, Krieg gegen Osterreich und die mit ihm liierten deutschen Fürsten! Bismarck wollte also das stark angewachsene ökonomische und militärische Potential Preußens voll ausspielen, um die Machtpositionen der Junkerklasse erhalten und ausbauen zu können - und zwar auf Kosten der herrschenden Kreise Osterreichs und eines Teils der deutschen Fürsten. Als Bismarck dann am 30. September 1862 seine berühmte Rede hielt, befand er sich freilich in einer Zwickmühle: Er wollte den Vertretern der Bourgeoisie andeuten, daß er entschlossen war, ihre Forderung nach staatlicher Einigung 10
Erstürmung der Düppeler Schanzen durch preußische Truppen am 18. April 1864
Deutschlands zu erfüllen. Dabei mußte er sich aber sehr vorsichtig ausdrücken, weil König Wilhelm und die Mehrzahl der Junker zu dieser Zeit absolut noch nicht bereit waren, mit Waffengewalt gegen Osterreich und dessen Bundesgenossen vorzugehen! Der Gedanke gar, er solle andere deutsche Fürsten von ihren Thronen stoßen,
erschien dem biederen Wilhelm damals noch ungeheuerlich. Die liberale Bourgeoisie traute Bismarck zunächst nicht über den Weg. Ihre Vertreter im Abgeordnetenhaus verharrten in scharfer Opposition, lehnten weiterhin sämtliche Militärausgaben ab und forderten König Wilhelm im Mai 1863 offiziell auf, Bismarck zu entlassen. Wilhelm wies diese Forderung schroff zurück, und der „Konfliktsminister", wie Bismarck allgemein genannt wurde, regierte seelenruhig
Die Düppeler Schanze IV nach der Einnahme weiter, ohne sich um das Parlament und dessen Rechte zu scheren. Um die Bourgeoisie willfährig zu machen, zeigte er, wer die Macht im Staate Preußen hatte. Über jene Beamten und Richter, die der Fortschrittspartei angehörten oder sie unterstützten, ging eine Sturzflut von Entlassungen, Strafversetzungen, „Geldbußen" und anderen Schikanen nieder. Am 1. Juni 1863 erließ die Regierung Bismarck schließlich eine verfassungswidrige Verordnung -die berüchtigte „Presseordonnanz" -‚ die es den Behörden fortan ermöglichte, jede oppositionelle Zeitung ohne Gerichtsbeschluß nach zweimaliger Verwarnung zu verbieten. Dieser Streich des „Konfliktsministers" heizte die Erregung im Lande mächtig an. Anfang Juli kam es in Berlin mehrere Tage lang zu heftigen Zusammenstößen zwischen erregten Massen und der Polizei. Die Demonstranten errichteten Barrikaden, und die Büttel gingen brutal mit blanker Waffe vor. Am 2. Juli waren an den „tumultuarischen Auftritten", wie der Polizeibericht
es nannte, mindestens 6000 bis 8 000 Menschen beteiligt. Allein am 4.Juli verhaftete die Polizei mehr als 250 Demonstranten. Die Politiker der Fortschrittspartei distanzierten sich eilig von den Protestaktionen. Sie dachten nicht daran, in der Auseinandersetzung mit Bismarck und dem Junkertum zu Taten überzugehen. Dadurch, daß sie die für das Bismarcksche Regime sehr kritische Situation des Sommers 1863 völlig ungenutzt verstreichen ließen und obendrein das ganze Gewicht ihrer Autorität in die Waagschale warfen, um die kampfbereiten Teile der Arbeiterklasse und des Kleinbürgertums abzuwiegeln, luden sie große geschichtliche Schuld auf sich. Die entscheidende Ursache für diese verhängnisvolle Stillhaltetaktik der Fortschrittspartei war die panische Furcht der deutschen Bourgeoisie vor den Volksmassen, insbesondere vor der Arbeiterklasse. Sehr bald trat ein außenpolitisches Ereignis ein, das es Bismarck gestattete, aus dieser Haltung der Bourgeoisie großen Vorteil zu ziehen. Ende des Jahres 1863 hoben die herrschenden Kreise Dänemarks die Selbstverwaltungsrechte des
Herzogtums Schleswig - die durch internationale Vereinbarungen garantiert waren! - auf. Damit hatten sie ihre Unterdrückungspolitik gegenüber der deutschen Bevölkerung Schleswigs und Holsteins drastisch verschärft. Durch ganz Deutschland ging ein Aufschrei der Empörung. Überall, insbesondere in Mittel- und Süddeutschland, fanden Volksversammlungen statt, wurden 'Schleswig-Holstein-Vereine gebildet und Geldsammlungen organisiert. Spontan entstand so in ganz kurzer Zeit eine machtvolle patriotische Volksbewegung. Ja, kleinbürgerliche Demokraten begannen damit, Freiwilligenverbände aufzustellen, um in Schleswig-Holstein mit bewaffneter Hand das Joch der dänischen Fremdherrschaft zu zerbrechen! Die Volksbewegung nahm teilweise revolutionäre Züge an. Im Dezember 1863 fuhr in Karlsruhe einigen großherzoglich-badischen Höflingen ein gehöriger Schreck in die Glieder, als sie Plakate beschauten, die an den Straßenecken angeschlagen waren. Dort stand nämlich zu lesen: „Die Fürsten verraten uns! Weg mit ihnen! Ergreift die Waffen und helft Euch selbst."
Preußische Husaren in Schi eswigHolstein Es gelang den Politikern der Bourgeoisie aber, die SchleswigHolstein-Bewegung größtenteils unter ihre Kontrolle zu bringen und auf die antirevolutionäre Parole festzulegen, Schleswig und Holstein sollten vom deutschen Volk und von den deutschen Fürsten „gemeinsam" befreit werden. Bismarck verlor keine Zeit. Er verbündete sich mit der österreichischen Regierung - wobei es sich versteht, daß er diesem Bündnis keine lange Lebensdauer zugedacht hatte. Am 1. Februar 1864 rückten bei klirrendem Frost preußische und österreichische Truppen in Schleswig ein. In den ersten Wochen des Krieges glänzte die preußische Armee nicht gerade durch unerhörte Waffentaten. Als ärgster Bremsklotz für den Tatendrang ihrer Offiziere erwies sich nämlich der eigene Oberbefehlshaber, der 80jährige, völlig senile Feldmarschall von Wrangel. Am 18. April aber erstürmten die preußischen Truppen die Düppeler Schanzen, ein mächtiges Befesti12
gungssystem, das die Dänen an der Ostseeküste gegenüber der Insel Alsen errichtet hatten, und am 30. Oktober 1864 mußte die dänische Regierung im Friedensvertrag von Wien Schleswig, Holstein und das kleine Herzogtum Lauenburg an Preußen und Osterreich abtreten. Bismarck hatte viel erreicht. Er vereinbarte mit der österreichischen Regierung im Vertrag von Gastein (14. August 1865), daß Preußen und Osterreich künftig Schleswig-Holstein gemeinsam verwalten sollten. Die österreichischen Diplomaten merkten erst viel zu spät, daß sie in eine Falle getappt waren: die gemeinsame Verwaltung der beiden Herzogtümer verschaffte Bismarck eine Fülle von Möglichkeiten, Konflikte mit Osterreich zu schüren. Noch schwerer aber wog etwas anderes. Bismarck hatte erstmalig der deutschen Bourgeoisie in der Praxis bewiesen, daß es ihm sehr ernst war in bezug auf die Einigung Deutschlands „mit Eisen und Blut". Das Mißtrauen, das große Teile der Bourgeoisie bisher dem „Konfliktsminister" entgegengebracht hatten, schwand jetzt all-
mählich dahin. Der Widerstand der Liberalen gegen Bismarcks Politik begann zu erlahmen. Ja, manche ehemaligen Gegner, die der Ministerpräsident bisher in den Reihen der Bourgeoisie gehabt hatte, wurden nach und nach zu seinen Mitläufern! Daß es Bismarck im Krieg gegen Dänemark vor allem darum ging, die deutsche Bourgeoisie zu ködern und die Entstehung einer revolutionären Volksbewegung zu verhindern, wurde von ihm am 14.Juni 1864 in einem vertraulichen Brief an den preußischen Botschafter in Wien ganz klar ausgesprochen. Dort heißt es nämlich: „Wir betrachten den dänischen Konflikt wesentlich als eine Episode im Kampf des monarchischen Prinzips gegen die europäische Revolution." Und er bezeichnete es als sein Ziel, „den berechtigten nationalen Bedürfnissen, welche auch von dem achtbaren Teile der Nation (gemeint war die Bourgeoisie - G. F.) gefühlt werden", Befriedigung zu verschaffen. Auf diese Weise würden „der Revolution die Vorwände genommen, aus welchen sie ihre Kraft zieht".
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3um Handeln bereit sein Von England aus wo sie seit 1849 im Exil lebten, verfolgten Karl Marx und Friedrich Engels sehr aufmerksam, wie Bismarck im Interesse der Junkerklasse die antidemokratische „Revolution von oben" vorbereitete Von Ende Januar bis zum II. Februar 1865 saß Engels in Manchester Abend für Abend am Schreibtisch und arbeitete mit äußerster Kraftanspannung. Er schrieb mit jagender Feder
an einem politischen Artikel, der sich dann unter seiner Hand zu einer selbständigen Broschüre auswuchs. Engels sandte den Entwurf seiner Schrift sofort seinem Freund Marx nach London. Der „Mohr" gab einige Hinweise zur Überarbeitung, die „Frederick" sämtlich berücksichtigte, bevor er das Manuskript an den Verleger Otto Meißner nach Hamburg schickte. Bereits Ende Februar wurde die Arbeit gedruckt. Ihr Titel: „Die preußische Militärfrage und die deutsche Arbeiterpartei". In dieser Broschüre legte Friedrich Engels mit meisterhafter Präzision die Strategie und Taktik dar, die in den 60er Jahren des 19.Jahrhunderts den Klasseninteressen des Proletariats entsprach. Damit hatte er in Übereinstimmung mit Karl Marx das Aktionsprogramm der Arbeiterklasse für den Kampf um den bürgerlich-demokratischen deutschen Nationalstaat formuliert. Drei Gesichtspunkte hob Engels ganz besonders hervor: - Die Lebensinteressen der Arbeiterklasse und der anderen Werktätigen erforderten die Errichtung eines demokratischen deutschen
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Preußische Husaren in SchleswigHolstein Nationalstaates: „Die arbeitende Klasse gebraucht zur vollen Entfaltung ihrer politischen Tätigkeit ein weit größeres Feld, als es die Einzelstaaten des heutigen zersplitterten Deutschlands darbieten. Die Vielstaaterei wird für das Proletariat ein Bewegungshindernis sein, aber nie eine berechtigte Existenz, ein Gegenstand des ernsthaften Denkens." - Im Konflikt zwischen Bourgeoisie und Junkertum durfte die Arbeiterklasse keineswegs eine neutrale Position einnehmen oder sich gar auf die Seite der junkerlichen Reaktion stellen. Sie mußte vielmehr die liberale Bourgeoisie in ihrer Auseinandersetzung mit dem Bismarckschen Regime unterstützen und alles tun, diese zu entschiedenem Kampf voranzudrängen: „Es ist... das Interesse der Arbeiter, die Bourgeoisie in ihrem Kampfe gegen alle reaktionären Elemente zu unterstützen, solange sie sich selbst treu bleibt. Jede Eroberung, die die Bourgeoisie der Reaktion abzwingt, kommt, unter 13
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Friedrich Engels im Jahre 1864 dieser Bedingung, der Arbeiterklasse schließlich zugut." „Jeder Sieg der Bourgeoisie über die Reaktion ... ist nach einer Seite hin zugleich ein Sieg der Arbeiter, trägt zum endlichen Sturz der Kapitalistenherrschaft bei, rückt den Zeitpunkt näher heran, wo die Arbeiter über die Bourgeoisie siegen werden." - Wie auch immer die Klassenauseinandersetzungen in Preußen und Deutschland verlaufen würden - erstes Gebot mußte es für die Arbeiterklasse sein, sich eine eigene, revolutionäre Partei zu schaffen: „Es versteht sich von selbst, daß... die Arbeiterpartei nicht als der bloße Schwanz der Bourgeoisie, sondern als eine durchaus von ihr unterschiedene, selbständige Partei auftreten wird. Sie wird der Bourgeoisie bei jeder Gelegenheit ins Gedächtnis rufen, daß die Klasseninteressen der Arbeiter denen der Kapitalisten direkt entgegengesetzt und daß die Arbeiter sich dessen bewußt sind.... Auf diese Weise wird sie sich eine achtunggebietende Stellung sichern, die einzelnen Arbeiter über ihre Klasseninteressen aufklären und bei dem nächsten revolutionären Sturm - und diese Stürme sind ja jetzt von so regelmäßiger Wiederkehr wie die Handelskrisen... - zum Handeln bereit sein." 14
Titelblatt der Erstausgabe von Engels' Broschüre „Die preußische Militärfrage und die deutsche Arbeiterpartei"
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ront wider Bismarck Im Jahre 1865 gab in London ein Mr. A. Williams eine Anzahl von Briefen nach Deutschland auf, die an einen Mr. Miller gerichtet waren, und er erhielt seinerseits etliche Schreiben dieses Mr. Miller. Beide Namen waren Decknamen: hinter „Mr. Williams" verbarg sich Karl Marx, hinter „Mr.Miller" - Wilhelm Liebknecht. Marx und Liebknecht taten das, um den polizeilichen Postschnüfflern der verschiedenen deutschen Länder ein Schnippchen zu schlagen.
Wilhelm Liebknecht war zu dieser Zeit der engste Vertraute, den Marx und Engels in Deutschland besaßen. Er berichtete ihnen regelmäßig über die politische Situation, insbesondere natürlich über die Vorgänge innerhalb der Arbeiterbewegung. Und er erhielt selber per Post aus London und Manchester Ratschläge für seine politische Arbeit. Es war Liebknecht gelungen, die Achtung und das Vertrauen der fortgeschrittensten Berliner Arbeiter zu gewinnen. Er wirkte unermüdlich in verschiedenen Arbeitervereinen der preußischen Hauptstadt, um den Arbeitern Grunderkenntnisse des Marxismus zu vermitteln. Als Engels' Schrift „Die preußische Militärfrage und die deutsche Arbeiterpartei" erschien, organisierte er in mehreren Berliner Arbeitervereinen Diskussionen über dieses bedeutsame Werk. Die allgegenwärtige preußische Polizei überwachte Liebknechts Tätigkeit schon geraume Zeit. Im Juli 1865 wies sie ihn schließlich aus Berlin und dem gesamten preußischen Staatsgebiet aus. Wilhelm Liebknecht war nun - wie er später schrieb - gezwungen, sich „einen neuen Wohnort, Wirkungskreis und Stützpunkt" zu suchen. Anfang August kam er nach Leipzig, wo ihm ein demokratisch gesinnter Journalist einen schmächtigen jungen Mann vorstellte: August Bebel. Der Drechsiermeister Bebel hatte mit seinen fünfundzwanzig Jahren bereits mehrere Schlüsselfunktionen in der Arbeiterbewegung inne. So war er Vorsitzender des Leipziger Arbeiterbildungsvereins und Vorsitzender des sogenannten Gauverbandes der 29 sächsischen Arbeitervereine (mit insgesamt 4600 Mitgliedern). Er war 1865 noch kein Sozialist, sondern revolutionärer Demokrat. Nach seiner ersten Begegnung mit Wilhelm Liebknecht äußerte Bebel gegenüber einigen Bekannten: „Donnerwetter, von dem kann man was lernen!" Ende August siedelte Liebknecht endgültig nach Leipzig über, und damit begann die lebenslange Freundschaft und Kampfgemeinschaft dieser beiden großen Vorkämpfer der Arbeiterklasse. Liebknecht beschleunigte - wie Bebel
Wilhelm Liebknecht (1826-1900) Nahm 1848/49 am bewaffneten revolutionären Kampf teil. Mußte deshalb 1850 nach London emigrieren, wo er sich unter dem unmittelbaren Einfluß von Karl Marx zum Kommunisten entwickelte. Wirkte 1862-65 in Berlin und seitdem in Leipzig als Vertrauensmann von Marx und Engels. Schuf 1869 gemeinsam mit August Bebel die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (,‚Eisenacher" Partei).
selbst später schrieb - dessen „Mauserung zum Sozialisten" erheblich. Er machte seinen neugewonnenen Kampfgefährten mit Werken von Marx und Engels bekannt und gewann ihn für die Internationale Arbeiterassoziation (1. Internationale) - die von Karl Marx geführte erste internationale revolutionäre Massenorganisation des Proletariats. Dank seiner engen Verbindung mit Bebel gewann Liebknecht nach und nach nicht nur Einfluß auf die Arbeitervereine Sachsens, sondern auf den wichtigen Verband Deutscher Arbeitervereine insgesamt. Dieser 1863 gegründete Verband war eine lose Dachorganisation jener Arbeitervereine, die bis dahin unter dem Einfluß der liberalen Bourgeoisie gestanden hatten. Am 3. September 1865 - es war ein Sonntag - trat in der Stuttgarter „Liederhalle" der sogenannte Vereinstag (Delegiertenkongreß) des
Friedrich Albert Lange (1828-1875) Pädagoge, Redakteur, Philosoph. Revolutionärer kleinbürgerlicher Demokrat. 1863-66 Vorsitzender des Duisburger Arbeiterkonsumvereins, 1864-66 Mitglied des Ständigen Ausschusses des Verbandes Deutscher Arbeitervereine. Wurde 1866 Mitglied der 1. Internationale. Ging Ende 1866 in die Schweiz.
Verbandes zusammen. 60 Delegierte vertraten 60 Arbeitervereine und den sächsischen Gauverband. Am Vereinstag nahmen unter anderen August Bebel, Fritz Bandow (der Vorsitzende des Berliner Arbeitervereins), Julius Motteler (als Delegierter des Crimmitschauer Arbeiterfortbildungsvereins) sowie die beiden namhaften Philosophen und revolutionären kleinbürgerlichen Demokraten Friedrich Albert Lange (Duisburg) und Ludwig Eckardt (Mannheim) teil. Am Abend saßen die Delegierten bei einem Essen zusammen. Da stand der schwäbische Demokrat Karl Mayer auf und erhob eine leidenschaftliche Anklage gegen den reaktionären Bundestag. Im Eifer seiner Rede krempelte er die Rock- und Hemdsärmel auf und schmetterte etliche Male die Faust auf den Tisch, so daß Gläser und Teller in die Höhe sprangen. Als Mayer schließlich ein „Hoch!" auf ein freies, demokratisches Deutschland ausbrachte, stimmten ihm die
August Bebel (1840-1913) Drechsler (seit 1864 selbständiger Meister). Trat 1861 in den Leipziger Gewerblichen Bildungsverein ein und wurde 1865 dessen Vorsitzender. Gehörte seit 1864 dem Ständigen Ausschuß des Verbandes Deutscher Arbeitervereine an und wurde 1867 dessen Präsident. 1867 als erster revolutionärer Arbeiterführer in den Reichstag des Norddeutschen Bundes gewählt.
anderen Delegierten mit tosendem Beifall zu. An den beiden folgenden Tagen beschloß der Vereinstag einstimmig, den Kampf für das allgemeine gleiche und direkte Wahlrecht, für Vereinsfreiheit und Koalitionsfreiheit (das heißt gegen die Schikanierung der Arbeitervereine durch die Polizei und für das Recht der Arbeiter, Gewerkschaften zu bilden und Streiks zu führen) aufzunehmen. In das Führungsgremium des Verbandes, den zwölfköpfigen Ständigen Ausschuß, wurden auch Bebel, Bandow und Lange gewählt. Der Verband Deutscher Arbeitervereine hatte einen energischen Linksruck vollzogen. Er hatte sich vom Einfluß der Bourgeoisie gelöst und stand nun auf kleinbürgerlichdemokratischen Positionen. Der Linksruck von Stuttgart ist in erster Linie aus den Erfahrungen zu erklären, welche die deutsche Arbeiterklasse in den politischen und ökonomischen Kämpfen des Jahres 15
Borsigs Maschinenbauanstalt und Eisengießerei in Berlin-Moabit. Berlin war in den 60er Jahren des l9. Jahrhunderts bereits das Zentrum der preußischen Maschinenbauindustrie. Das Proletariat der Hauptstadt wuchs in den 50er und 60er Jahren stürmisch an. Während die Berliner Bourgeoisie in dieser Zeit großen Reichtum anhäufte, waren die Löhne der Arbeiter äußerst niedrig (durchschnittlich etwa halb so hoch wie im Jahre 1900), ihre Wohnverhältnisse meist menschenunwürdig. Im Frühjahr 1866 bildeten in Berlin die Maschinenbauarbeiter das Rückgrat der demokratischen Antikriegsbewegung. 1865 gesammelt hatte. Erheblichen Anteil an dieser Schwenkung hatten aber auch die kleinbürgerlichen Demokraten, die an der Spitze vieler Arbeitervereine standen. Vor allem gilt das für Friedrich Albert Lange, der bereits 1864 zum ersten Male in den Ständigen Ausschuß des Verbandes gewählt worden war. F. A. Lange stand, wie ihm August 16
Kleinbürgerliche Demokraten Die kleinbürgerlichen Demokraten vertraten in Deutschland in der Epoche der Durchsetzung des Kapitalismus (1789-1871) die politischen Interessen der Volksmassen. Ihr Ziel war die konsequente Beseitigung der Feudalordnung und die Schaffung einer demokratischen Republik. Die kleinbürgerlich-demokratische Bewegung besaß einen gemäßigten und einen radikalen bzw. revolutionären Flügel. Während der Revolution von 1848/49 erwarben die kleinbürgerlichen Demokraten sich Verdienste bei der Mobilisierung der Massen. Sie waren aber nicht in der Lage, den Kampf gegen die konterrevolutionären Kräfte erfolgreich zu organisieren und ihn zum Siege zu führen.
Bebel in seinen Memoiren bescheinigt, im Ständigen Ausschuß „stets auf der linken Seite und drängte nach links". Wegen seiner engen Verbindung zur Arbeiterbewegung wurde dieser aufrechte Demokrat von rheinischen Kapitalistenkreisen gezwungen, aus seiner Stellung bei der Duisburger Handelskammer und auch aus der Redaktion der „Rhein- und Ruhr-Zeitung" auszuscheiden. Am 18. September 1865 kamen in Darmstadt 41 führende kleinbürgerliche Demokraten aus allen Teilen Deutschlands zusammen. Zu den Teilnehmern der Tagung gehörten Ludwig Eckardt, Karl Mayer, der Naturwissenschaftler Ludwig Büchner aus Darmstadt (ein Bruder des Dichters Georg Büchner), der Berliner Journalist Wilhelm Angerstein - und Wilhelm Liebknecht. Ziel der Versammelten war es, die Kräfte der verschiedenen demokratischen Gruppierungen zusammenzufassen zum gemeinsamen Kampf gegen die drohende Verpreußung Deutschlands. Auf der Darmstädter Tagung kam es
Der Bau des imposanten Roten Rathauses in den Jahren 1861-1869 zeugte von der wachsenden ökonomischen Stärke der Berliner Bourgeoisie. Bis 1866 war die preußische Hauptstadt eine Hochburg der Fortschrittspartei. bürgerlichen Hier hatte diese Partei fast alle großen Zeitungen auf ihrer Seite, hier wurde ihre Politik auch vom Kleinbürgertum und von der Mehrzahl der Arbeiter unterstützt. Die Fortschrittspartei protestierte im Frühjahr 1866 zwar gegen den Kriegskurs Bismarcks, sie bot aber gleichzeitig allen ihren Einfluß auf. um Kampfaktionen der Massen zu verhindern.
sehr bald zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen einer Gruppe revolutionärer Demokraten um Eckardt und Büchner und den gemäßigten Demokraten der württembergischen „Volkspartei". Die württembergische „Volkspartei" besaß als einzige kleinbürgerlichdemokratische Gruppierung eine stabile Massenbasis. Ihre Lokalborniertheit aber machte es
Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein Der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) wurde am 23. Mai 1863 von dem Schriftsteller Ferdinand Lassalle gegründet. Damit half Lassalle einem fortgeschrittenen Teil der Arbeiterklasse, sich vom Einfluß der liberalen Bourgeoisie zu lösen. Er gab den Arbeitern aber eine völlig falsche politische Orientierung: er griff einseitig nur die Bourgeoisie an und nicht die Junker, nahm eine sektiererische Haltung gegenüber den kleinbürgerlichen Massen ein und verbündete sich mit Bismarck. Beim Tode Lassalles (31. August 1864) zählte der ADAV etwa 3000 Mitglieder. diesen Demokraten schwer, über die Grenzen „ihres" Ländchens hinauszublicken. Die Kräfte um Eckardt und Büchner wollten eine einheitliche demokratische Partei schaffen, die ganz Deutschland erfassen sollte - die württembergischen Demokraten waren dage-
gen. Eckardt und Büchner erstrebten die Errichtung einer demokratischen Republik - die Württemberger wollten lediglich eine Föderation der bestehenden deutschen Einzelstaaten. Als die Wortgefechte ihren Höhepunkt erreicht hatten verließen die Württemberger wutentbrannt den Saal und ließen sich nicht wieder blicken! Zuvor hatte man sich aber bereits über ein Minimalprogramm verständigt, an dem beide Seiten auch in der Folgezeit festhielten. Es enthielt als Forderungen: - Einführung des allgemeinen und direkten Wahlrechts parlamentarischer - Errichtung Regierungen in den deutschen Einzelstaaten - Abschaffung der stehenden Heere und Aufbau einer „allgemeinen Volkswehr" (einer Miliz). Die Demokraten um Eckardt, Lange und Büchner unternahmen große Anstrengungen, die Arbeiterklasse in die demokratische Bewegung einzubeziehen. „Auf der Barrikade der Neuzeit", so hatte einer von ihnen im August 1865 ge17
Julius Vahlteich (1839-1915) Schuhmacher; Mitbegründer und Sekretär des ADAV; protestierte entschieden gegen Lassalles Paktieren mit Bismarck und wurde deshalb 1864 aus dem Verein ausgeschlossen. Vahlteich wirkte dann im Verband Deutscher Arbeitervereine und trat auf den Beratungen in Dresden im März 1866 für das Zusammenwirken der beiden Arbeite,organisationen ein. 1869 warerMitbegründerderrevolutionären „Eisenacher" Partei. schrieben, „steht jetzt der Arbeiter und nicht der Student." Im Oktober reiste Eckardt nach Leipzig, sprach vor dem Arbeiterbildungsverein und verständigte sich eingehend mit Liebknecht und Bebel. Wilhelm Liebknecht begann noch im selben Monat an dem von Eckardt herausgegebenen „Deutschen Wochenblatt" und an weiteren demokratischen Presseorganen mitzuarbeiten. Die revolutionären Demokraten waren bereit, im Kampf gegen die drohende Verpreußung Deutschlands jedes geeignete Mittel anzuwenden - bis hin zur Volksrevolution. In der Neujahrsnummer seiner Zeitschrift schrieb Eckardt am 1. Januar 1866: „Die Einheitsfrage wird ... nur auf dem Wege der Gewalt, mit ‚Blut und Eisen' gelöst werden können, entweder von oben herab, durch ein eroberungslustiges Herrscherhaus, oder von unten herauf, durch das Volk." 18
je Bewegung war den
Lassalleanern ebenso vollständig aus der Hand gekommen, wie sie den Liberalen quer kam. Das Volk suchte nach Führern. Sie hätten auf einen Wink von Angerstein und mir getan, was wir wollten... Die ganze Sache machte sich übrigens von selbst. Niemand leitete: Man sah also, was kommen kann, wenn die Regierung so fortfährt. F. A. Lang über die Arbeiterdemonslrai6n in Köln am 23. Juli 1865
Eine widerspruchsvolle Entwicklung nahm zu dieser Zeit der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV). Seit dem Tode Ferdinand Lassalles tobten innerhalb der Führungsgruppe des Vereins heftige Nachfolgekämpfe. Bei alledem waren die Führer des ADAV sich aber darin einig, die opportunistisehe, bismarckfreundliche Politik Lassalles fortzusetzen. Gegen
Karikatur auf Bismarcks Ernennung zum GrafenimJahre 1865 (A nspielung auf die Ermordung eines Hausknechts durch zwei preußische Leutnants) Marx, Engels und Liebknecht richteten die lassalleanischen Führer bösartige, verleumderische Angriffe. Der Lassalleanismus - die von Lassalle begründete opportunistische Politik und Ideologie - erwies sich als das Haupthindernis für die Verbreitung des Marxismus in der deutschen Arbeiterklasse und für die Schaffung einer revolutionären deutschen Arbeiterpartei. Bereits zu Lebzeiten Lassalles war innerhalb des ADAV eine revolutionäre proletarische Opposition entstanden, die sich gegen dessen verderblichen bismarckfreundlichen Kurs wandte. Diese Kräfte erstarkten 1865 beträchtlich und bildeten bis Mitte des Jahres insbesondere in Altona, Berlin, Duisburg, Hamburg, Köln, Mainz und Solingen sogenannte Oppositionsgemeinden. Gleichzeitig fanden sie sich wiederholt mit „Arbeitervereinlern" -
Mitgliedern des Verbandes Deutscher Arbeitervereine - zu gemeinsamen Veranstaltungen zusammen. In dieser Situation verbot die Regierung Bismarck ein großes Treffen liberaler preußischer Parlamentsabgeordneter, das die Fortschrittspartei am 23./24. Juli in Köln durchführen wollte. Die Fortschrittspartei antwortete mit lendenlahmen Erklärungen. „Arbeitervereinler" und klassenbewußte Arbeiter des ADAV aber protestierten in Berlin, Dresden, Duisburg, Köln, Leipzig und Magdeburg mit gemeinsamen Versammlungen und Demonstrationen gegen den Willkürakt Bismarcks. An der Berliner Protestversammlung am 23. Juli nahmen etwa 2000 Arbeiter teil. Am selben Tage ergriffen auf einer Arbeiterversammlung in Köln F. A. Lange und Angerstein das Wort und nahmen anschließend an einem Demonstrationszug teil. Die Arbeiter taten aus gesundem politischem Instinkt heraus genau das, wozu Engels sie in seiner Schrift „Die preußische Militärfrage. aufgerufen hatte: sie versuchten, die liberale Bourgeoisie zu entschiedenem Auftreten gegen die reaktionären Kräfte voranzudrängen. Liebknecht und Bebel nutzten alle Möglichkeiten, um möglichst viele Arbeiter des ADAV dem Einfluß ihrer opportunistischen Führer zu entziehen. Am 8. Februar 1866 schrieb Liebknecht an Johann Philipp Becker, einen der engsten Kampfgefährten von Marx und Engels: „Mein Plan ist, schließlich die alten Lassalleaner mit den Ex-Schulzeanern (den ‚Arbeitervereinlern - G. F.) unter den Hut der Internationalen Arbeiterassoziation zu bringen, was mir auch ohne Zweifel gelingen wird." Dabei galt es behutsam vorzugehen und die Lassalleaner nicht vor den Kopf zu stoßen. Als am 25. und 26. März 1866 in Dresden einige Volksversammlungen stattfanden, rief Bebel dort mit eindringlichen Worten zur Zusammenarbeit der beiden Arbeiterorganisationen auf. Im Anschluß an diese Versammlungen fanden sich Vertreter der Arbeiterbildungsvereine Leipzig,
Dresden, Chemnitz, Glauchau und Görlitz mit Delegierten der ADAVGruppen Dresden, Plauenscher Grund (Bergbaugebiet zwischen Dresden und Freital), Chemnitz und Glauchau zusammen. Man verständigte sich darüber, gemeinsam für das allgemeine Wahlrecht und für weitere demokratische Rechte zu kämpfen. Ein wichtiger Ausgangspunkt für künftige gemeinsame Aktionen war gewonnen.
93ismarck stellt die Weichen Am Vormittag des 9. April 1866 hat der Oberstleutnant Lothar von Schweinitz, 'Flügeladjutant Wilhelms 1. und preußischer Militärbevollmächtigter in Petersburg, im Berliner Außenministerium zu tun. Dort erfährt er zum ersten Male von Bismarcks Vorschlag, ein deutsches Parlament wählen zu lassen - und ist völlig niedergeschmettert. Ganz benommen tritt der Oberstleutnant wieder auf die Wilhelmstraße hinaus. Da begegnet ihm der Leiter der Regierungspresse, der Geheime Oberregierungsrat Ludwig Hahn, den er nur vom Sehen kennt. Schweinitz geht auf Hahn zu und reicht ihm die Hand. „Wir wechselten nur wenige Worte, wie Leidtragende es bei einem Begräbnis zu tun pflegen', heißt es dazu in Schweinitzens Memoiren. Der Militärbevollmächtigte ist fest davon überzeugt, daß Bismarcks Vorgehen „den Grundstein zu einer deutschen Republik" legt!
Alexander Freiherr von Schleinitz (1807-1885) 1861-85 „Minister des Königlichen Hauses'; Vertrauter von Königin Augusta (1811-1890). Schleinitz stand 1866 an der Spitze jener ultrareaktionären Kreise am preußischen Königshof, die Bismarcks Kriegspolitik zu durchkreuzen suchten. Bismarck hat bereits durch die geheimen Festlegungen des Kronrats vom 28. Februar und durch die geheimen Militärverhandlungen mit Italien den Kriegskurs eingeleitet. Für die Öffentlichkeit zieht er aber erst mit seinem BundesreformAntrag vom 9. April das Signal auf. Es liegt für jedermann auf der Hand, daß der „Konfliktsminister" den Antrag auf Einberufung eines deutschen Parlaments eigens deshalb gestellt hat, um einen Krieg mit Osterreich zu provozieren. Denn die Bundesreform kann, wenn sie verwirklicht wird, nur ein Ergebnis haben: die Machtstellung, die das österreichische Kaiserreich in Deutschland besitzt, liquidieren. Großen Teilen des Junkertums, den meisten der hohen preußischen Diplomaten und starken Kräften am Königshof ist die Politik Bismarcks nie ganz geheuer gewesen. Den Kurs, den der Ministerpräsident im Frühjahr 1866 einschlägt, lehnen sie strikt ab. Der Gedanke an das allgemeine Wahlrecht und an ein deutsches Parlament erfüllt diese 19
Guß stahl werk des ‚.Kanonenkönigs" Krupp im Jahre 1861 Gerson Bleichröder (1822-1893) Großbankier. reichster Mann Preußens. Er verwaltete unter anderem Bismarcks Privatvermögen; vermittelte 1866 den Verkauf der KölnMindener Eisenbahnaktien durch die preußische Regierung.
ultrareaktionären Kreise mit Entsetzen. Sie glauben nämlich, daß die liberale Bourgeoisie und die kleinbürgerlichen Demokraten ein solches Parlament als Kampfmittel benutzen werden, um die Junker von der Macht zu verdrängen. Obendrein befürchten sie, ein Krieg gegen Osterreich werde mit einer Niederlage enden. Viele dieser Ultrareaktionäre sehen in den herrschenden Adelskreisen Osterreichs keine Gegner, sondern vielmehr einen Partner für den gemeinsamen Kampf gegen alle fortschrittlichen Kräfte. Sie erkennen nicht, daß die Kriegspolitik Bismarcks ja gerade das Ziel verfolgt, einer Revolution von unten vorzubeugen. Breite Adelskreise befürchten, Bismarcks Politik werde der bürgerRevolution lich-demokratischen Tür und Tor öffnen. Königin Augusta, der Kronprinz, der Botschafter in Paris, Graf von der Goltz, sowie die weitläufige fürstliche Verwandtschaft Wilhelms im In- und Ausland - sie alle bestürmen den König, sich von 20
Bismarcks Politik zu distanzieren. Etliche von ihnen fordern Wilhelm auf, den Ministerpräsidenten zu entlassen. Als Kandidat dieser Kreise für den Posten des Ministerpräsidenten steht Graf von der Goltz bereit. Das Gerücht geht um, der Ministerwechsel stehe unmittelbar bevor! Ganz fest halten lediglich die führenden Militärs - vor allem Moltke und Roon - zu Bismarck. Wie 1862 wird Wilhelm wieder von Alpträumen geplagt. Lange schwankt er. Bismarck hat die allergrößte Mühe, die Einflüsse seiner Gegner abzuwehren. Sein Erfolgsrezept: er tischt Wilhelm immer wieder stark übertriebene oder schlicht erfundene Meldungen über Kriegsvorbereitungen und politische Intrigen der Osterreicher auf. Nach und nach schafft er es, dem König die Meinung zu suggerieren, Osterreich sei sozusagen der böse Wolf, gegen dessen tückische Absichten sich das preußische Unschuldslamm wappnen müsse. Gleichzeitig bemüht Bismarck sich
ei einem Gang durch die Straßen Berlins und in Gesprächen mit Bekannten, denen ich begegnete, empfing ich verschiedenartige Eindrücke, nur in einem Punkte stimmten sie überein. nämlich darin, daß der Krieg gegen Osterreich unpopulär sei. Die Liberalen wollten ihn nicht, weil sie fürchteten, ein kriegerischer Erfolg werde Bismarcks Herrschaft befestigen: daß er nach dem Siege zu ihnen übergehen werde, hat wohl keiner erwartet: die Konservativen gaben die Hoffnung auf eine Verständigung (mit Osterreich G. F.) noch immer nicht auf: in der Armee und namentlich im Offizierskorps der Garde fehlte es an aller und jeder Kampfbegier. berstIcutnant von Schweinil, über die Stimmung in Berlin Anfang April
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Aufmarsch österreichischer Artillerie in Venetien '.
Österreichisches Militär: Dragoner, Jäger und Infanteristen
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preußischen Abgeordnetenhauses weigert sich noch immer, ihm Geldmittel für die Rüstung zu bewilligen. Ansonsten aber schauen die Liberalen ohnmächtig zu, wie Bismarck handelt.
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emsig, Bundesgenossen aller Art zu sammeln. Dabei erzielt er freilich zunächst nur begrenzt Erfolge. Für einen großen Teil der liberalen
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Bourgeoisie, insbesondere für die meisten Politiker der Fortschrittspartei, bleibt er der „Konfliktsminister". Die liberale Mehrheit des
Anders verhält sich die Großbourgeoisie. Bereits am 18. April 1866 ist in der Zeitschrift „Der Zollverein" - hinter der die Industriellen von Rhein und Ruhr stehen - zu lesen: „Die Einigung Deutschlands halten wir für ein in ideeller und materieller Hinsicht so erstrebenswertes Gut, daß wir für dieselbe eine despotische Regierung in Kauf nehmen würden." Und die Herren von Kohle und Stahl lassen es nicht bei Worten bewenden. Die Aktionäre der Köln-Mindener EisenbahnGesellschaft kaufen ein großes Aktienpaket auf, das bisher Eigentum des preußischen Staates ge21
wesen ist. Dieses Geschäft bringt der Regierung die runde Summe von 13 Millionen Talern ein. Der Kanonenkönig Krupp liefert dem Staat riesige Mengen Kriegsmaterial auf Kredit. Bismarcks Kriegsfinanzierung ist damit fürs erste gesichert. Als trügerisch erweisen sich hingegen seine Hoffnungen, mit der Forderung nach dem allgemeinen Wahlrecht die kleinbürgerlichen Demokraten ködern zu können. Nur ein einziger namhafter Demokrat stellt sich auf seine Seite und erlangt dadurch traurige Berühmtheit. Franz Ziegler, der mit Lassalle befreundet gewesen ist, nimmt Kontakt zur preußischen Regierung auf und leistet Bismarck politische Handlangerdienste. Am 17. April ruft er in Breslau auf einer Volksversammlung aus: „Das Herz der Demokratie ist immer da, wo die Fahnen des Landes wehen!" Bereits drei Tage vor dem Bundesreform-Antrag - am 6. April - erhält der ehemalige bayrische Offizier Johann Baptist von Hof stetten, der in Berlin als Journalist lebt, aus Staatsmitteln ein angebliches „Darlehen" von 2 500 Talern - eine sehr hohe Summe. Dieser Hofstetten ist einer der beiden Eigentümer des „Social-Demokrat" - der Zeitung des ADAV! Im Grunde ist er nur Mittelsmann. Das Geld ist nämlich in erster Linie für den anderen Eigentümer des „Social-Demokrat" bestimmt, der gerade im Gefängnis sitzt und deshalb nicht „geschäftsfähig" ist - für Johann Baptist von Schweitzer, den führenden Kopf der Lassalleaner. Bismarck zieht also alle Register, um den militärischen Konflikt mit Osterreich herbeizuführen und Bundesgenossen zu werben. Die österreichische Regierung mit den Ministern Graf Belcredi, Graf Esterhzy und Graf Mensdorff an der Spitze will hingegen keinen Krieg mit Preußen. Daraus folgt aber nicht etwa, daß Osterreich, als es schließlich 1866 zum Kampf gezwungen wird, einen gerechten Krieg führt! Die Donaumonarchie ist zu dieser Zeit, wie Friedrich Engels erklärt, „der reaktionärste, der modernen Strömung am widerwilligsten folgende Staat Deutschlands". Der 22
Ludwig von Benedek (1804-1881) Österreichischer Feldzeugmeist er (Dienstgrad, der dem preußischen General der Infanterie bzw. der Artillerie entsprach); er wurde im April 1866 zum Oberkommandierenden der österreichischen Nordarmee ernannt. hohe Adel, der in Österreich den Ton angibt, ist ein eingefleischter Gegner eines deutschen Nationalstaates. Er weiß ganz genau, daß in einem „von oben" her geeinten deutschen Staat nicht er herrschen würde, sondern die preußischen Junker. Vor allem aber muß die Errichtung eines deutschen Nationalstaates die Unabhängigkeitsbewegung der Ungarn, Tschechen, Slowaken, Kroaten, Serben, Slowenen, Rumänen, Ukrainer, Polen und Italiener entfachen, jener Völker, die im österreichischen Völkergefängnis unterdrückt werden und den Tag ihrer nationalen Befreiung herbeisehnen. Die regierenden Kreise Osterreichs sind also nicht bereit und nicht imstande, Deutschland staatlich zu einigen. Zur selben Zeit aber weigern sie sich aus engstirnigem Prestigedenken heraus hartnäckig, auf ihre traditionelle Vorherrschaft im Deutschen Bund zu verzichten obwohl diese längst nicht mehr dem realen ökonomischen und militärischen Kräfteverhältnis entspricht. Aus diesem Grunde gibt es für das junkerlich-militaristische Preußen
nur einen Weg, den Deutschen Bund zu sprengen und einen deutschen Nationalstaat zu errichten: den Krieg. Der große Vorteil Bismarcks besteht darin, daß er ein klares und realisierbares politisches Programm besitzt. Die österreichischen Machthaber und die meisten der deutschen Fürsten haben dem nur ihr dumpfes Streben entgegenzusetzen, die bestehenden politischen Zustände in Deutschland zu verewigen. Das ist eine ultrareaktionäre Zielstellung - und zugleich eine zutiefst unrealistische. Im April des Jahres 1866 bemüht sich die österreichische Regierung intensiv, auf König Wilhelm einzuwirken sowie auf jene preußischen Adelskreise, die Bismarcks Kriegskurs ablehnen. Dabei kommt ihr ein merkwürdiger Zufall zustatten. Bismarck erkrankt in der zweiten Aprilwoche und bleibt für einige Zeit ans Bett gefesselt. Er kann deshalb die Regierungsgeschäfte nicht mehr in vollem Umfang wahrnehmen, muß wichtigen Beratungen fernbleiben - und hat vor allem viel weniger persönlichen Umgang mit dem König als vordem. Da trifft am 20. des Monats eine Note der Wiener Regierung ein, worin diese vorschlägt, Osterreich und Preußen sollten mit Wirkung vom 25. April alle bisherigen Kriegsvorbereitungen wieder rückgängig machen. Zur grenzenlosen Verärgerung Bismarcks stimmen der König und die meisten Minister bereits am folgenden Tag diesem Vorschlag zu! Es gelingt dem Ministerpräsidenten gerade noch, in das entsprechende Dokument eine Formulierung einzufügen, die das genaue Datum der Abrüstungsmaßnahmen noch offenläßt. Die Kriegsgefahr scheint beseitigt zu sein, und der österreichische Botschafter Krolyi spricht bereits triumphierend von einem „Fiasko" Bismarcks. Da erfolgt ein völliger Umschwung: der Telegraph trägt die Kunde durch Europa, daß Osterreich just am 21. April seine Südarmee mobilisiert hat. Was ist geschehen? Die italienische Regierung bereitet sich, seitdem das Militärabkommen mit Preußen unter Dach und Fach
Mobilmachung auch wenn sie auf den Süden beschränkt bleibt die Verhandlungen mit Preußen schwer belasten wird. So heftig der Außenminister sich widersetzt am 21. stimmt die österrbichische Regierung der Forderung des Generalstabs zu! Bismarck nimmt diese Nachricht mit tiefer Befriedigung auf. Sein Gesundheitszustand bessert sich schlagartig. Er steift der italienischen Regierung sofort den Rükken, indem er ihr ausdrücklich zusichert, daß sie auf Preußens Hilfe zählen könne. Am 26. April mobilisiert Italien daraufhin sämtliche Land- und Seestreitkräfte. Bereits die Mobilisierung der österreichischen Südarmee ist in politischer Hinsicht ein schwerwiegender Fehler gewesen. Am 27. April aber vollzieht die österreichische Regierung einen verhängnisvollen Schritt: sie beginnt mit der Mobilisierung der Nordarmee— jener Verbände, die für den Kampf gegen Preußen bestimmt sind! Die regierenden Kreise in Wien meinen allen Ernstes, sie könnten durch eine Demonstration ihrer militärischen Stärke Druck auf Preußen ausüben. Sie hoffen, der bloße Aufmarsch ihrer Armee werde die Auseinandersetzungen innerhalb der preußischen Adelskaste über die sie genau informiert sind -anheizen und womöglich zum Sturz Bismarcks führen. In Wirklichkeit ist die Mobilisierung der österreichischen Nordarmee genau das, worauf Bismarck und die preußische Generalität sehnlichst gehofft haben. Sie haben König Wilhelm seit März immer wieder gedrängt, die preußische Armee zu mobilisieren. Wilhelm der von Jugend auf daran gewöhnt ist, im österreichischen Kaiser so etwas wie einen Vorgesetzten zu sehen hat sich hartnäckig geweigert, den ersten Schritt hin zum Kriege zu tun. Jetzt lassen Moltke und Roon so lange nicht locker, bis Wilhelm am 3. Mai die Mobilmachungsbefehle für fünf preußische Armeekorps unterzeichnet. Die Befehle für die übrigen Korps folgen wenige Tage später. Damit ist die Weiche gestellt. Der Weg nach Königgrätz ist frei. -
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Titelblatt des „Vorboten", des ersten deutschsprachigen Organs der Internationalen Arbeiterassoziation
ist, zielstrebig auf die Befreiung
Venetiens vor. Sie beruft das Rekrutenkontingent für 1866 ein, ohne jene Soldaten zu entlassen, deren Dienstzeit abgelaufen ist. Auf diese Weise steigt der Mannschaftsbestand des italienischen Heeres be-
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trächtlich an. Gleichzeitig werden Truppen an der Grenze zu Osterreich konzentriert. Am 20. April fordert daraufhin der österreichische Generalstabschef Henikstein die Mobilisierung der Südarmee das heißt aller Truppen, die für einen Einsatz gegen Italien vorgesehen sind. Als Außenminister Mensdorff die Denkschrift Heniksteins aufschlägt, erschrickt er zutiefst. Er ahnt sehr wohl, daß eine
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Schüsse unter den Linden Berlin, 7. Mai 1866, nach 17.00 Uhr. Bismarck hat sich gerade im königlichen Palais von Wilhelm 1. verabschiedet und geht nun die Allee Unter den Linden entlang zu seiner Dienstwohnung in der Wilhelmstraße 76 (der heutigen OttoGrotewohl-Straße). Als er nur noch wenige Häuser von der Ecke Lin-
den! Wilhelmstraße entfernt ist, knallen plötzlich direkt hinter ihm zwei Schüsse. Bismarck fährt herum - und entdeckt zwei Schritte hinter sich einen schmächtigen jungen Mann, der mit einem Revolver auf ihn zielt. Während er sich auf den Attentäter stürzt und ihn am Hals und an der rechten Hand packt, geht der dritte Schuß los. Der junge Mann nimmt rasch die Waffe in die linke Hand, setzt sie dem Minister auf die Brust und drückt noch zweimal ab. Mittlerweile sind Gendarmen und Gardeinfanteristen herbeigeeilt, die den Attentäter festnehmen und wegführen. Bismarck ist mehrfach getroffen worden - und doch trotz der geringen Entfernung unverletzt geblieben. Viele Zeitgenossen vermuten deshalb, Bismarck hätte unter der Kleidung einen Kettenpanzer getragen. In Wirklichkeit jedoch sind die Geschosse, nachdem sie die Kleidung des Ministers durchschlagen haben, an dessen seidenem Unterhemd abgeglitten. Der Attentäter, er heißt Ferdinand CohenBlind, ist ein süddeutscher Student,
Stiefsohn des bekannten Linksradikalen Karl Blind. Da er nach seiner Festnahme nur flüchtig durchsucht wird, kann er unter der Achsel ein Messer verborgenhalten, mit dem er sich noch am Abend die Pulsadern aufschneidet. Unmittelbar nach dem Attentat stürzt Unter den Linden ein angesehener Berliner Universitätsprofessor, der Naturwissenschaftler Emil du Bois-Reymond, in den Laden des Buchhändlers Stilke und macht seiner tiefen Enttäuschung mit den Worten Luft: „Was habt Ihr in Deutschland für schlechte Revolver!" Eine Woche später schreibt ein Berliner Demokrat in einem Brief: „Ich habe Blind (nach seiner Festnahme —0. F.) transportieren sehen, ich habe im Volk gehorcht und überall, besonders in den unteren Schichten, ein Bedauern über das Nichtgelingen (des Attentats - G. F.) gehört ... und ich würde mich gar nicht wundern, wenn das Attentat sich wiederholte." In Süddeutschland wird eine Das Attentat auf Bismarck
Fotografie des Attentäters in Tausenden von Exemplaren verkauft, und viele Menschen ehren CohenBlind als einen Märtyrer. Der Tod des jungen Studenten war ohne Sinn. Der individuelle Terror von „links" hat sich in der Geschichte immer wieder als eine zutiefst schädliche Methode des politischen Kampfes erwiesen. Er hat es reaktionären Kräften oftmals ermöglicht. revolutionäre Bewegungen von den Massen zu isolieren und die Massen irrezuführen. Der Anschlag Cohen-Blinds war deshalb kein geeignetes Mittel, den herannahenden Krieg zu verhindern. Wenn das Attentat gelungen wäre, so hätte ohne Zweifel über kurz oder lang ein anderer Wortführer der preußischen Junker und Militaristen Bismarcks Kriegspolitik fortgesetzt. Der mißglückte Anschlag konnte nur eines bewirken: die politische Position des „Konfliktsministers" stärken. Friedrich Engels schrieb deshalb, als er von Cohen-Blinds Tat erfuhr: „Ein größerer Gefallen konnte dem B(ismarck) nicht getan werden."
Volk muß sich organisieren! Das Echo, das Blinds Attentat insbesondere bei vielen Arbeitern und Kleinbürgern findet, zeugt von dem tiefen Haß, den diese Menschen dem Junker Bismarck und seiner Kriegspolitik entgegenbringen. Alle diese Werktätigen betrachten den drohenden militärischen Konflikt als einen Bruderkrieg. Und die
meisten von ihnen sind fest davon überzeugt, Bismarck habe bereits insgeheim große deutsche Gebiete an Napoleon III. verschachert, um dessen Unterstützung zu gewinnen. Mitglieder des Berliner Arbeitervereins machen ihrer Empörung über die Politik des Ministerpräsidenten auch in den Vereinsversammlungen Luft, obwohl diese stets von uniformierten Polizisten überwacht werden. Das zeigt ein Bericht, den der Leutnant Hoppe II vom 14. Berliner Polizeirevier über die Versammlungen schreibt, welche der Verein von März bis Mai 1866 durchgeführt hat. Hoppe muß berichten, daß beispielsweise das Auftreten des Schlossergesellen Eduard Richter „stets den wütendsten Haß gegen den Ministerpräsidenten" erkennen läßt. Und er bescheinigt dem Buchdrucker Carl Dittmann eine „tiefe Verbissenheit gegen die Regierung und den Grafen Bismarck". Ab April 1866 beginnt in Deutschland infolge der wachsenden Versammlung eines Arbeitervereins
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Übersicht der wichtigsten Volksversammlungen von April bis Juni 1866 je Stimmung hier ist gewitterhaft erregt: Blinds Tat auf jedem Mund, vor jedem Geist. Ich selbst gebe kein Urteil. Verdammung wäre Feigheit. Billigung Hochverrat. Nicht bloß hier deutet der Barometer auf Sturm. Allgemein ist der Notstand unter den Arbeitern, allgemein der Grimm ob der ungeheuren Opfer, welche die Mobilmachung auferlegt, eine Mobilmachung, angeordnet von einem volksfeindlichen Ministerium zum Zweck des Bruderkrieges... Bericht eines demokratischen Journalisten aus Berlin vom 10. Mai 1866
Kriegsgefahr das Wirtschaftsleben zu stocken, und es finden Massenentlassungen statt. Bereits im Mai zählt man allein in Berlin 10000 Arbeitslose. Die entlassenen Arbeiter antworten mit machtvollen Protestdemonstrationen. Bei der Mobilmachung der preußischen Armee kommt es in mehreren Orten, vor allem im Rheinland, zu Widersetzlichkeiten der einberufenen Reservisten. Die Erregung breiter proletarischer und kleinbürgerlicher Massen mündet im Frühjahr 1866 in eine demokratische Volksbewegung ein, die es in Deutschland in solcher Stärke seit 1848/49 nicht mehr gegeben hat. Diese Bewegung hat vier Hochburgen: das Rheinland, Württemberg, Sachsen und Berlin. Den entscheidenden Rahmen für die politische Diskussion und für die Sammlung der Kräfte bilden große Volksversammlungen. Die Zusammenkünfte werden größtenteils von kleinbürgerlichen Demokraten einberufen und geleitet. Auf diesen Veranstaltungen wenden sich Arbeiter und Kleinbürger leidenschaftlich gegen die Kriegspolitik Bismarcks und beraten über geeignete Kampfmaßnahmen. Zwei Forderungen stehen im Mittelpunkt 26
Datum
8. April 8. April
Ort
Teilnehmerzahl
15. April 28. April
Nürnberg über 5000 Alzey/Großherzogtum Hessen 5000 Berlin 2000 Dresden 2500
7. Mai 8. Mai 13. Mai
Dresden Leipzig Berlin
13. Mai 20. Mai
Darmstadt Frankfurt a. M.
? 3500
2. Juni 9. Juni 10. Juni 11. Juni
Chemnitz Zwickau Thurm/Sachsen Werdau
2000
2000 über 5000 2000
zus. 3000
der meisten Zusammenkünfte: Schaffung einer sogenannten konstituierenden Nationalversammlung und allgemeine Volksbewaffnung. Unter einer konstituierenden Nationalversammlung versteht man ein demokratisch gewähltes Parlament für ganz Deutschland. Die Volksbewaffnung soll es ermöglichen, den bevorstehenden Krieg der beiden deutschen Großmächte in einen Volkskrieg gegen die reaktionären Kräfte umzuwandeln. Im Mai erscheint im „Deutschen Wochenblatt" ein Aufsatz mit dem bezeichnenden Titel „Ein deutsches Volksheer als einziger Retter des Vaterlandes". Aus der Serie demokratischer Massenversammlungen ragen zwei Veranstaltungen besonders heraus: die vom 8. Mai in Leipzig und die vdm 20. Mai in Frankfurt am Main. Auf der Leipziger Versammlung, die vom Arbeiterbildungsverein, den Lassalleanern und den kleinbürgerlichen Demokraten der Messestadt gemeinsam einberufen wird und im „Odeon" tagt, gehen die Wogen hoch. Wilhelm Liebknecht trägt eine flammende Anklage gegen den preußischen Militarismus vor. Das Kernstück seiner Ansprache wird in einem Zeitungsbericht
Veranstalter/Ver- Redner sammlungsleiter C. Crämer K. Grün F. Bandow W. Angerstein F. W. Försterling (ADAV) u. Knöfel (Dresdener Arbeiterbildungsverein Steinert (ADAV) W. Angerstein u. F.Bandow L. Büchner G. F. Kolb u. Neergardt
A. Bebel W. Angerstein
A. Bebel, K. Grün, K. Mayer W. Liebknecht jeweils W. Liebknecht
so wiedergegeben: „Preußen habe in Baden (1849) Tausende von Freiheitskämpfern niedergeschossen, Hunderte gestandrechtet, Preußen sei es gewesen, das in Dresden den Maiaufstand niedergeschlagen, und dieses Preußen wolle man jetzt an die Spitze Deutschlands stellen, den Mann (König Wilhelm - G. F.) zum deutschen Kaiser machen, der die Volks- und Freiheitskämpfer niederkartätschen ließ." August Bebel bringt eine sehr entschiedene Resolution ein - und die 5000 Anwesenden nehmen sie einstimmig an. Knapp zwei Wochen später tritt am 20. Mai - es ist der Pfingstsonntag - im Frankfurter „Saalbau" der sogenannte Abgeordnetentag zusammen. Das ist ein Treffen von etwa 250 liberalen Parlamentsmitgliedern der verschiedenen deutschen Staaten. Joseph Völk, ein bayrischer Schwabe, bringt folgenden Antrag ein: die Regierungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten sollen aufgefordert werden, im Falle eines preußischösterreichischen Krieges neutral zu bleiben. Es ist allgemein bekannt, daß die meisten dieser Länder auf der Seite Osterreichs stehen. Ihre Neutralisiehing wäre deshalb für
Preußen ein großer Erfolg. Völk ist mit seiner Rede noch nicht zu Ende, als das Krachen mehrerer Explosionen durch den Saal hallt, und die Herren Abgeordneten entsetzt von ihren Sitzen aufspringen. Es stellt sich aber bald heraus, daß das donnernde Getöse nicht durch einen verursacht Sprengstoffanschlag worden ist - sondern durch harmlose Feuerwerkskörper (die einige Lassalleaner gelegt haben). Als wieder Ruhe eingekehrt ist, wenden die wenigen anwesenden Demokraten sich leidenschaftlich gegen Völks Antrag. „Es ist Verrat, neutral zu sein im Bürgerkrieg', erklärt Neergardt aus SchleswigHolstein. Und Julius Frese, Abgeordneter der preußischen Fortschrittspartei, schmettert die prophetischen Worte in den Saal: „Nur dann wird Preußen frei, wenn es in Deutschland aufgeht, geht aber Deutschland in Preußen auf, dann gnade Gott denen, die nach uns
3. Die nationalen und freiheitlichen Interessen des deutschen Volkes können nur gewahrt werden durch ein aus allgemeinen, gleichen und direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervorgegangenes konstituierendes Parlament, unterstützt durch allgemeine Volkswehr. 5. Wir erwarten, daß im Falle eines Bruderkrieges, der nur dazu dienen kann, Deutschland zu schwächen und deutsches Land in fremde Hände zu spielen, das deutsche Volk sich wie ein Mann erhebe, um mit den Waffen in der Hand sein Eigentum und seine Ehre zu verteidigen.
Aus der Resolution der Leipziger Volksversammlung vom 8. Mai 1866. eingebracht von August Bebel
1.Gegen die friedensbrecherische Politik Preußens den bewaffneten Widerstand; Neutralität ist Feigheit oder Verrat. 2. Schleswig-Holstein solle auf Grund des bestehenden Rechtes seine Selbständigkeit erlangen. 3.Der preußische Parlamentsvorschlag sei unbedingt zu verwerfen, dagegen solle eine konstituierende, mit der nötigen Macht ausgestattete Volksvertretung über die Verfassung Gesamtdeutschlands entscheiden. 4. Einführung der Grundrechte und gesetzliche Einführung der allgemeinen Volksbewaffnung. 5.Das Volk solle überall in Stadt und Land in politischen Vereinen zusammentreten. Resolution der Frankfurter Volksversammlung vom 20. Mai 1866
Johann Philipp Becker (1809-1886) Gelernter Bürstenbinder. 1849 Oberbefehlshaber der badischen Volkswehr. Seit 1860 enger Freund und Kampfgefährte von Marx und Engels. Leitete von Genf aus den Aufbau der deutschen Sektionen der 1. Internationale. Johann Jacoby (1805-1877) Arzt. Zwischen 1840 und 1870 führender kleinbürgerlicher Demokrat in Preußen. Trat 1872 in die Sozialdemokratische Arbeiterpartei ein. Prägte 1870 den Satz: „Die Gründung des kleinsten Arbeitervereins wird für den künftigen Kulturhistoriker von größerem Wert sein als Sadowa."
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kommen werden." Die Mehrzahl der Anwesenden aber hat für solche Warnungen kein Ohr und stimmt Völks Antrag zu. Gleichfalls für den Pfingstsonntag haben die Frankfurter Demokraten eine Gegenveranstaltung zum liberalen Abgeordnetentag vorbereitet. Im Frankfurter Zirkus finden sich am Nachmittag 3500 Menschen zusammen, darunter zahlreiche führende kleinbürgerliche Demokraten aus allen Teilen Deutsch-
lands. Auch August Bebel ist eingeladen worden. Die Versammelten begnügen sich nicht damit, energisch gegen den scheinheiligen Neutralitätskurs der Liberalen zu protestieren. Sie nehmen eine Resolution an, die das ganze deutsche Volk zum bewaffneten Widerstand gegen die Bismarcksche Kriegspolitik aufruft. Als der Demokrat August Ladendorf die Errichtung einer deutschen Republik fordert, will der Beifall kein Ende nehmen.
Die im Zirkus Versammelten wählen einen zwölfköpfigtn Ausschuß, dem unter anderen August Bebel, Carl Crämer, Karl Grün, Karl Mayer und Neergardt angehören. Diesem Ausschuß werden zwei Aufgaben gestellt: ein Aktionsprogramm für die gesamte demokratische Bewegung auszuarbeiten und schließlich einen Delegiertenkongreß nach Frankfurt zu berufen. Die Delegierten sollen von Volksversammlungen und Volksvereinen 27
entsandt werden - um endlich eine große demokratische Partei zu gründen! Nach der Frankfurter Pfingstversammlung entstehen in fast allen größeren Städten Süddeutschlands Volksvereine als Zentren des Kampfes gegen die preußische Aggressionspolitik. An einigen Orten werden auch bereits Wehrvereine gebildet. Am 11. Juni schließen die thüringischen Demokraten sich in Apolda organisatorisch zusammen. Überall wird die Volksbewegung von kleinbürgerlichen Demokraten geführt. Nur in Sachsen ist es anders: dort stehen mit Wilhelm Liebknecht und August Bebe[ Arbeiterführer an der Spitze. Liebknecht und Bebel sind in Sachsen und auch im benachbarten Thüringen rastlos tätig, um die Massen zu mobilisieren und zu revolutionieren. Mehr und mehr gelingt es ihnen, auch einen Teil der Arbeiter des ADAV in die Volksbewegung einzubeziehen. Zu den revolutionären Demokraten West- und Süddeutschlands halten sie feste Verbindung. Anfang Juni unternimmt Liebknecht eine Agitationsreise durch eine Reihe sächsischer Industrieorte. Wann und wo immer dieser große breitschultrige Mann mit Vollbart und langem Haupthaar auf einer Tribüne erscheint und mit seiner mächtigen durchdringenden Stimme zu reden beginnt, herrscht die gespannteste Aufmerksamkeit. Liebknecht versteht es wie kein zweiter, den Arbeitern die politische Lage zu erläutern und sie mit seiner feurigen, mitreißenden Beredsamkeit zum Kampf zu begeistern. Seine erste Rede hält er am 2.Juni in Chemnitz vor mehr als 2000 Arbeitern. Zum Schluß ruft er aus: „Auch das deutsche Volk kann seinen Willen zur Geltung bringen, den Krieg vereiteln und sich ein Parlament schaffen, das nicht ein Spielball dynastischer Interessen ist, sondern ein wahres Volksparlament, stark genug, den Willen des Volkes zu vollstrecken. Nur eins ist nötig: Das Volk muß sich organisieren -vor allem in den Händen der Arbeiter ruhen die Geschicke Deutschlands, ruht die Zukunft der Demokratie." Wenige Tage später, am 8. Juni, 28
kehrt Gottfried Ermen, Teilhaber der Firma „Ermen & Engels", von einer Reise ins Rheinland nach Manchester zurück. Friedrich Engels befragt ihn natürlich aufs genaueste nach seinen Eindrücken und Erlebnissen. Und Ermen weiß allerlei zu berichten. So hat er auf der Koblenzer Rheinbrücke ein interessantes Gespräch mit einem preußischen Leutnant geführt. Der Preuße räumte seiner Armee wenig Chancen in einem Krieg gegen die Osterreicher ein. Ermen fragte ihn daraufhin, was denn geschehen werde, falls die Preußen besiegt würden. Die Antwort des jungen Offiziers: „Dann kriegen wir Revolution." Am 11. Juni schreibt Engels an seinen Freund Karl Marx: „In Deutschland sieht es täglich revolutionärer aus. In Berlin und Barmen ziehen die stillgesetzten Arbeiter in Haufen drohend durch die Straßen... Ich glaube, in 14 Tagen geht es in Preußen los."
Tem Bruderkrieg entgegen Schon an 11. April 1866 hat König Wilhelm besorgt an Bismarck geschrieben: „Die Volksagitationen gegen den Krieg nehmen doch eine sehr unangenehme Dimension an!" In den folgenden Wochen - zumal nach den Unruhen bei der Mobilmachung - wird er immer nervöser. Bismarck hingegen ist fest davon überzeugt, einer Volksrevolution zuvorkommen zu können. Er formuliert die Devise: „Soll Revolution sein, so wollen wir sie lieber
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Johann Baptist von Schweitzer (1833-1875) Rechtsanwalt, später Journalist. Erlangte nach dem Tode Lassalles entscheidenden Einfluß auf den ADA V. 1866 wurde er zum Agenten Bismarcks. 1867-71 Präsident des ADA V. 1872 schloß ihn diese Organisation aus ihren Reihen aus. machen als erleiden!" Es gibt also eine Art „Wettlauf" zwischen bürgerlich-demokratischer Revolution von unten und junkerlich-militaristischer „Revolution von oben". Dabei stehen die Erfolgsaussichten aber keineswegs 50:50. Aus mehreren Gründen heraus hat eine Volksrevolution nur geringe Chancen: - Die Bourgeoisie, die 1862/63 noch größtenteils dem „Konfliktsminister" feindselig gegenübergestanden hat, verhält sich jetzt überwiegend passiv. Ein kleinerer Teil von ihr unterstützt bereits offen Bismarcks Politik. - Die lassalleanischen Führer bekämpfen nicht etwa die preußische Kriegspolitik, sondern die demokratische Volksbewegung! Schweitzer ist mittlerweile zu einem Agenten Bismarcks herabgesunken. Er wird am 9. Mai wegen seines angeblich so schlechten Gesundheitszustandes vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen - und unternimmt sogleich weite und kostspielige Agitationsreisen, auf denen er die Werbetrommel für den preußischen Bundesreform-Vorschlag rührt. Dabei ruft
Zündnadelgewehr Das Zündnadelgewehr Modell 1841 war ein Einzellader für Papierpatronen. Seine Feuergeschwindigkeit betrug 5 gezielte Schüsse pro Minute, seine maximale Schußweite 1200 Meter. Das Gewehr war ohne Bajonett 143 cm, mit Bajonett 193 cm lang. Es wog mit Bajonett 5,34 kg. In den 60er Jahren wurde ein eichelförmiges Geschoß, da sogenannte L angblei (Patrone M 55 verwendet, das eine Anfangsgeschwindigkeit von 296mlsec er reichte. Der Name „Zündnadelgewehr" rührt von einer Stahlnadel her, die am Schlagbolzen des Gewehrschlosses angebracht war. Wenn der Schütze den Abzugshebe 1 der Waffe durchdrückte, schnellte der Schlagbolzen vor, und die Zündnadel durchstieß die Papierpatrone. drang in deren Zündkapsel ein - und löste so den Schuß aus. er die Arbeiter auf, alle Kraft einzusetzen, damit der Sieg „bei den Fahnen Bismarcks und Garibaldis" sein werde! Schweitzer sucht also den Junkerpolitiker Bismarck mit dem revolutionären Demokraten und italienischen Nationalhelden Giuseppe Garibaldi auf eine Stufe zu stellen. Es gelingt dem gerissenen Demagogen, die Mehrzahl der Lassalleaner von der Volksbewegung fernzuhalten. - Die verschiedenen Gruppierungen der kleinbürgerlichen Demokraten vermögen ihre Differenzen nicht zu überwinden. Auch der geplante Delegiertenkongreß, der in Frankfurt am Main zusammentreten sollte, kommt nicht zustande. Zugleich wird es immer offensichtlicher, daß die kleinbürgerlichen Demokraten sich in der Frage der Volksbewaffnung weitgehend von
Laden des Vorderladergewehrs. Es war sehr zeitaufwendig und konnte vom Schützen nur im Stehen erledigt werden. Schloß des Zündnadelgewehrs Modell 1841 Schloß des österreichischen Infanteriegewehrs (Lorenzgewehr Modell 1854)
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1866.
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Kopf der demokratischen Zeitung „Der Bote vom Niederrhein", die 1865/66 von F. A. Lange herausgegeben wurde bloßen Wunschvorstellungen leiten lassen. So zum Beispiel ist am 13. Mai im „Deutschen Wochenblatt" zu lesen: „Keine Haushaltung sei ohne Waffe, keine Fabrik ohne Gewehre und Piken für sämtliche Arbeiter!... Jeder Jüngling bewaffne sich selbst und verzichte dafür in Gottes Namen einen Monat auf Bier und Glimmstengel." Die Volksbewegung bleibt also ohne einheitliche Führung und Organisation. Es gibt weder eine revolutionäre Arbeiterpartei noch eine überregionale kleinbürgerlichdemokratische Partei. Die preußische Armee hingegen ist hundertprozentig intakt, und ihr Aufmarsch vollzieht sich mit der Präzision eines Uhrwerks. Die vereinzelten Widersetzlichkeiten, die es bei den Einberufungen gegeben hat, sind von den außenstehenden Beobachtern stark überbewertet worden—es handelte sich in Wirklichkeit um bloße Randerscheinungen ohne Folgen. So groß der Kampfesmut vieler demokratisch gesinnter Arbeiter, Handwerker und Intellektueller ist - ihre zersplitterte Bewegung ist letztlich nicht imstande, die anlaufende gewaltige preußische Kriegsmaschinerie zu stoppen. Noch aber sehen die fortschrittlichen Kräfte einen Hoffnungsschimmer. Sie rechnen nämlich größtenteils damit, daß eine militärische Niederlage der Preußen eine Volksrevolution auslösen werde. So schreibt der Schriftsteller Robert 30
o stehen wir denn vor dem Kriege, der, so weit menschliche Augen sehen, nur Unheil über Unheil bringen kann, wie er auch ausfallen möge. Nur diejenigen, denen die Stärkung des Absolutismus das höchste Ziel ist, und die für Freiheit, Bildung, Ehre des Volkes bloß Spott auf den Lippen haben, die mögen sich trösten. Ihr Weizen wird blühen auf den blutgetränkten Feldern; die Stunde ihrer Ernte ist nahe herangekommen. F. A. Lange in einem Zeitungsartikel vom 15. Juni 1866
Schweichel am 28. Mai 1866 an Liebknecht: „An die Revolution mit Krieg glaube auch ich, an die Revolution ohne Krieg aber nicht." Daß Preußen von den Österreichern geschlagen werden wird, steht für die Mehrzahl der Zeitgenossen - und auch der namhaften Militärexperten des Auslandes - fest. Vor allem in dreierlei Hinsicht beurteilt man das militärische Kräfteverhältnis zumeist falsch: - Die östrreichische Armee besitzt von den Kämpfen der Jahre 1848/49 und 1859 her eine weitaus größere Kriegserfahrung als die preußische - und die Zeitgenossen messen dem eine große Bedeutung bei. Im Sommer 1866 wird es sich dann aber von Anfang an zeigen, daß die zweckmäßigere und gründlichere Ausbildung der preußischen Soldaten und Offiziere viel stärker ins Gewicht fällt als die Kampferfahrung der Osterreicher. Den
österreichischen Oberbefehlshaber Benedek kennt man in ganz Europa, und er gilt allgemein als ein bedeutender Feldherr. Moltke hingegen ist für die Öffentlichkeit ein unbeschriebenes Blatt - und selbst ein Teil der preußischen Generale hält wenig von seinen Fähigkeiten! - Österreichische Politiker und Journalisten werden nicht müde zu fabulieren, die Armee ihres Landes werde 800000-900000 Mann ins Feld stellen und die zahlenmäßig viel schwächeren Preußen erdrükken. Das wird allgemein für bare Münze genommen - hat Osterreich doch doppelt so viele Einwohner wie Preußen und deshalb eine weitaus höhere Rekrutierungsquote. Osterreich muß aber eine große Armee gegen die Italiener bereitstellen, es braucht für „unruhige" gebiete wie Ungarn starke Besatzungstruppen, bei seiner Militärbürokratie herrscht große Unordnung. Die Folge: im Juni 1866 erscheinen auf dem Hauptkriegsschauplatz Böhmen nicht mehr als 248000 Mann österreichischer Kampftruppen - aber 278000 Preußen. - Nur wenige Beobachter sind sich völlig darüber im klaren, wie ungeheuer groß die Überlegenheit der preußischen Infanteriebewaffnung ist. Die österreichische Infanterie ist mit einem Vorderladergewehr ausgerüstet, die preußische Armee dagegen mit einem Hinterlader dem Zündnadelgewehr. Diese neue Waffe hat zwei enorme Vorteile: Ihre Feuergeschwindigkeit ist dreimal so hoch wie beim Vorderlader. Und sie kann vom Schützen im Liegen geladen werden (während ein Soldat, der mit dem Vorderlader bewaffnet ist, zum Laden aufstehen muß und sich dadurch gegnerischem Feuer aussetzt). In den letzten Wochen vor Kriegsbeginn herrscht in Europa eine hektische diplomatische Aktivität. Mit ziemlicher Sicherheit läßt sich bereits voraussehen, daß sämtliche größeren deutschen Bundesstaaten sich auf Osterreichs Seite stellen werden. Italien hält am Bündnis mit Preußen fest. Das zaristische Rußland nimmt eine neutrale Position ein und läßt Preußen freie Hand.
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Remontemarkt in Dresden. Der Aufkauf von zusätzlichen Militärpferden (Remonten) gehörte zu den wichtigsten Maßnahmen bei der Mobilmachung.
Unsicherheitsfaktor Nr. 1 ist die Haltung Frankreichs. Kaiser Napoleon III. hat sowohl Preußen als Osterreich zum Kriege angestachelt. Sein Motiv: Er strebt fieberhaft danach, außenpolitische Erfolge zu erringen, um sein morsches Regime wieder stabilisieren zu können. Ein Krieg zwischen Preußen und Osterreich, so rechnet er, werde ihm eine günstige Gelegenheit verschaffen, auf dem linken Ufer des Rheins große deutsche Gebiete an sich zu reißen. Der Kaiser läßt geheime Verhandlungen mit den Regierungen der beiden reaktionären deutschen Großmächte führen - und beide treten dabei die nationalen Interessen des deutschen Volkes mit Füßen. Bismarck deutet mehrfach an, daß er unter bestimmten Umständen französische Annexionen billigen werde. So sagt er am 2. Juni
zu dem italienischen General Govone: „Ich bin für meine Person viel weniger Deutscher als Preuße und würde ohne Schwierigkeit der Abtretung des ganzen Gebietes zwischen Rhein und Mosel an Frankreich zustimmen. Pfalz, Oldenburg, ein Teil der preußischen Rheinprovinz." Bismarck hütete sich aber weislich, sich offiziell festzulegen. Die österreichische Regierung hingegen geht einen Schritt weiter und schließt am 12. Juni ein geheimes Abkommen mit Frankreich ab. Schwerwiegender als der Vertragstext selbst ist eine mündliche Erklärung, die während der Verhandlungen von der österreichischen Seite abgegeben wird: nach einem Sieg der Osterreicher über Preußen soll aus den beiden preußischen Westprovinzen ein formell unabhängiger Staat gebildet werden - eine diplomatische Umschreibung dafür, daß die Wiener Machthaber für die Bildung eines Separatistenregimes von Gnaden der französischen Großbourgeoisie grünes Licht geben! Im Verlaufe des Monats Mai wird
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der österreichischen Regierung klar, daß sie dem Krieg kaum wird ausweichen können - und sie geht nun selbst in die politische Offensive. Am I.Juni überträgt sie dem Deutschen Bund die endgültige Klärung der Schleswig-HolsteinFrage. Formell gesehen, bricht sie damit den Vertrag von Gastein. Bismarck säumt keine Minute, das auszunutzen. Er erreicht, daß General von Manteuffel am 7. Juni mit 12000 Mann in das Herzogtum Holstein einrückt, wo eine österreichische Brigade (4800 Mann) stationiert ist. Manteuffel, ein fanatischer Reaktionär, posiert gern in der Rolle des ritterlichen Feldherrn. Er hat deshalb dem österreichischen Befehlshaber, Feldmarschalleutnant Gablenz, bereits am 6. Juni brieflich seinen bevorstehenden Einmarsch angekündigt. Gablenz zieht daraufhin rasch mit seinen Truppen ab, ohne Widerstand zu leisten. Bismarck ist außer sich vor Wut, denn er hat fest darauf gerechnet, die Besetzung Holsteins werde den militärischen Konflikt auslösen! 31
Einige Tage später führen Bismarck und Moltke streng geheime Beratungen mit dem Ungarn György Klapka. - Dieser General gilt bei den herrschenden Kreisen Österreichs als einer der ärgsten „Hochverräter", weil er 1849 als Korpskommandant und Generalstabschef der ungarischen revolutionären Armee für die nationale Befreiung seiner Heimat kämpfte. - Rasch wird man sich darüber einig, im bevorstehenden Krieg aus Überläufern und Kriegsgefangenen eine ungarische Legion zu bilden. Die Aufgabe dieser Legion: sie soll nach Ungarn vorstoßen und dort einen Volksaufstand auslösen! Die letzten Schritte hin zum Kriege folgen rasch aufeinander. Am 10. Juni läßt Bismarck dem Bundestag den Entwurf einer neuen Bundesverfassung vorlegen. Darin ist erstmalig ganz offen die Forderung ausgesprochen. Osterreich aus dem Deutschen Bund auszuschließen. Die österreichische Regierung antwortet am folgenden Tage mit dem Antrag, die Streitkräfte des Bundes gegen Preußen aufzubieten. Am 12.Juni bricht sie die diplomatischen Beziehungen mit Berlin ab. und am 14.Juni 1866 beschließt der Bundestag mit großer Mehrheit, die Streitkräfte der Mittel- und Kleinstaaten - das sogenannte VII. bis X. Bundeskorps - gegen Preußen zu mobilisieren. Nur einige kleinere Staaten - Mecklenburg, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, die Freien Städte Hamburg, Bremen und Lübeck sowie die meisten der thüringischen Zwergfürstentümer stellen sich auf die preußische Seite. Noch am 14. Juni erklärt Preußen seinen Austritt aus dem Deutschen Bund. Am Abend des folgenden Tages sitzt Bismarck im Garten seines Ministeriums mit dem englischen Botschafter. Lord Loftus, zusammen. Um Mitternacht, als die Uhr vom Kirchturm zwölfmal schlägt, zückt der Minister überflüssigerweise auch noch seine Uhr, wirft einen Blick darauf und sagt zu dem Briten: „In dieser Stunde sind unsere Truppen in Hannover, Sachsen und Hessen-Kassel einmarschiert." Die Furien des Bruderkrieges sind losgelassen. 32
Tie eisernen Würfel rollen 3.Juli 1866, 15.00 Uhr. Nordwestlich der kleinen böhmischen Festung Königgrätz - heute Hradec Kr1ove - tobt seit fast acht Stunden eine mörderische Schlacht. Sie ist bei strömendem Regen durch den Angriff zweier preußischer Armeen mit 124000 Mann eingeleitet worden. Die österreichische Armee
Der österreichische Oberbefehlshaber Benedek hat eine riesige Reserve (58000 Mann) zurückbehalten, mit der er im geeigneten Moment die Front der abgekämpften Preußen durchstoßen will. Er weiß, daß eine weitere preußische Armee im Anmarsch ist, hofft aber, daß sie zur Entscheidung zu spät kommen wird. Der Sieg scheint greifbar nahe. Feldzeugmeister Benedek hat sich auf der Höhe von Lipa postiert und verfolgt das Kampfgeschehen. Rings um ihn halten die Offiziere seines Stabes in ihren schneeweißen Waffenröcken, auf dem Kopf goldbetreßte Zweispitze mit flatternden hellgrünen Federbüschen. Da kommt einer von ihnen, Oberst Neuber, auf den Gedanken, sein ermattetes Roß gegen ein frisches auszutauschen. Er reitet deshalb auf das nahegelegene Chlum zu, das durch eine Bodenwelle verdeckt ist. Chlum, ein hübsches Dorf auf dem gleichnamigen Hügel, ist die Schlüsselposition der gesamten österreichischen Stellung. Als der Oberst sich dem Ort nähert, pfeifen ihm
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Preußen und Verbündete (Mann)
Böhmen West- und Süddeutschland Norditalien (184000 Mann) und die an ihrer Seite kämpfenden Sachsen (22000 Mann) leisten erfolgreich Widerstand. Sie sind auf einer Hügelkette günstig aufgestellt, und ihre Artillerie fügt den Angreifern schwere Verluste zu. Einzelne preußische Abteilungen weichen bereits zurück. König Wilhelm, der sich nahe beim Dorf Sadowa hinter den preußischen Linien aufgebaut hat, strapaziert die Nerven seines Gefolges, indem er die Schreckensbilder der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt vom Jahre 1806 heraufbeschwört.
Österreich und Verbündete (Mann)
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plötzlich Kugeln um die Ohren. Starr vor Überraschung sieht er, daß fliehende österreichische Kavallerie aus dem Dorf heraussprengt. Neuber galoppiert in rasender Eile zum Gefechtsstand zurück. Seine Erregung mühsam unterdrückend, bittet er Benedek, ihm eine Meldung unter vier Augen machen zu dürfen. Der Feldzeugmeister sieht ihn befremdet an und erwidert: „Wir haben keine Geheimnisse." „Dann habe ich zu melden, daß die Preußen Chlum besetzt haben." Die Stabsoffiziere sind wie vom Donner ge-
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rührt. Benedek fährt den Unglücksboten an: „Plauschen Sie nicht so dumm!" Plötzlich aber reißt er sein Pferd herum und jagt auf Chlum zu, sein Stab hinter ihm her. Als die Kavalkade das erste Bauerngehöft erblickt, schlägt ihr ein Bleischauer entgegen, und mehrere der Reiter stürzen getroffen zu Boden. Was ist geschehen? Generalstabschef Moltke hat die Truppen Benedeks zunächst von Nordwesten her durch die preußische 1. Armee und die sogenannte Elbarmee frontal angreifen lassen. Gleichzeitig hat er die 2. preußische Armee (97000 Mann) in Marsch gesetzt, die sich nördlich der österreichischen Aufstellung befand. Diese Armee hat die Aufgabe, den rechten Flügel des österreichischen Heeres anzugreifen, während die Elbarmee dessen linken Flügel umgehen soll. Moltke hofft, auf diese Weise die gesamte österreichische Streitmacht einkesseln und vernichten zu können. Da der Regen alle Wege aufgeweicht hat, ist die 2. Armee aber nur langsam vorangekommen. Gegen 14.00 Uhr erscheint ihre Angriffsspitze —die 1. Gardedivision - überraschend vor Chlum. Dieser wichtige Ort ist nur unzureichend gedeckt. Einige österreichische Generale, deren Truppen ursprünglich hier aufgestellt waren, haben nämlich am Vormittag eigenmächtig die preußische 7. Infanteriedivision angegriffen, die den Swiepwald besetzt hält. Als die österreichischen Verbände dann schließlich durch Benedek auf den rechten Flügel zurückbeordert werden, . sind sie
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K,ggratzam? Schlacht 3. Juli 1866. Situation gegen 2 Uhr nachmittags (Ausschnitt aus einer historischen Karte) te
Angriff der preußischen Injw,lerie über die Bistritz hinweg - die Eröffnung der Schlacht von Königgrätz Nahkampf im brennenden Dorf Chlum Rückzug der Österreicher auf die Festung Königgrätz zu Der Stab Benedeks durch das blutige Waldgefecht stark mitgenommen. Die preußischen Gardeinfanteristen können deshalb Chlum nach ganz kurzem Kampf einnehmen. Da zu gleicher Zeit die Elbarmee die ihr gegenüberstehenden österreichischen und sächsischen Truppen weit zurückgeschlagen hat - was Benedek ebenfalls noch nicht weiß -‚ beginnt die preußische Zange sich bereits zu schließen. In den folgenden Stunden treiben die österreichischen Generale statt sofort einen geordneten Rückzug einzuleiten - immer neue Verbände in sinnlose Bajonettangriffe gegen Chlum. Die Osterreicher rücken jeweils in tiefgestaffelten Kolonnen, mit Trommelschlag und flatternden Fahnen vor. Die preußischen Infanteristen lassen sie auf 300 Schritt und näher herankommen - und überschütten sie dann mit rasendem Schnellfeuer. Tausende österreichischer Soldaten werden so dank dem Stumpfsinn ihrer Vorgesetzten getötet oder zu Krüppeln geschossen. Inzwischen haben sich die Spitzen 35
Reitergefecht bei Tischnowitz (nordwestlich von Brünn) am 11. Juli 1866 der preußischen Elbarmee und 2. Armee etwa bis auf sich zwei Kilometer einander genähert. Der heldenmütige Abwehrkampf der österreichischen Kanoniere und Kavalleristen ermöglicht es ihrer geschlagenen Armee aber, sich auf das jenseitige Ufer der Elbe zurückzuziehen. Etwa die Hälfte dieser Truppen bewegt sich auf die Festung Königgrätz zu, die durch ein Überschwemmungsgebiet geschützt ist - und deren Tore der Kommandant hat schließen lassen. Als die Nacht herniedersinkt, bricht unter den Österreichern, die das Sumpfgelände auf einigen Dämmen zu durchqueren suchen, eine Panik aus. Es kommt zu fürchterlichen Szenen. Hunderte von Soldaten verlieren die Orientierung und ertrinken elendiglich. Andere werden im Gedränge der Menschen, Pferde, Kanonen und Fuhrwerke zu Tode getrampelt. „Es war wie beim Übergang über die Beresina", schreibt ein Augenzeuge später dazu. Die 36
Österreichischer Infanterist 1866 (Regiment Hoch- und Deutschmeister) Bilanz des blutigen Tages: Mehr als 44000 österreichische und sächsische Soldaten sind gefallen, verwundet worden, in Gefangenschaft
Sächsischer Leibgardist 1866 geraten oder gelten als vermißt. Die Verluste der Preußen betragen etwas mehr als 9000 Mann. Nach der Entscheidungsschlacht von Königgrätz finden zwischen den preußischen und österrei-
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chischeii 1 ruppeii kenic größeren Kampfhandlungen mehr statt. Am 22.JuIi 12.00 Uhr mittags tritt die Waffenruhe in Kraft. Unterdessen haben die preußischen Truppen in Süddeutschland eine Serie billiger Siege errungen. Die Truppen der süddeutschen Staaten
Nach der Schlacht von Königgrätz waren ihnen zahlenmäßig zwar weit überlegen, sie waren aber sehr schlecht bewaffnet und ausgebildet - und sie wurden nie konzentriert eingesetzt. In Italien dagegen haben
Seeschlacht bei der Insel Lissa (heute Vis, FSR Jugoslawien) am 20. Juli 1866. Im Vordergrund versenkt das österreichische Panzerschiff „Ferdinand Max" das italienische Panzerschiff „Ri d'Italia" durch einen Rammstoß.
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die Österreicher zu Lande und zu Wasser gesiegt. Die italienischen Soldaten haben tapfer gekämpft, aber ihre unfähigen Oberkommandierenden führten sie in schwere Niederlagen. Ab 26. Juli schweigen in Italien die Waffen, und vom 2. August an auch in Süddeutschland.
Üönig grätz und die Folgen
Am Abend des 4. Juli erfährt in Rom der Kardinalstaatssekretär Antonelli - sozusagen der Ministerpräsident des Kirchenstaates - vom Sieg der Preußen. Entsetzen malt sich auf seinem Gesicht. Schließlich ruft er aus: „Casca il mondo!" (,‚Die Welt stürzt ein!") Nun, die Welt stürzt nicht ein, aber in Deutschland und Europa ändert sich nach der Schlacht von Königgrätz vieles. Der Junker Bismarck hat mit bewaffneter Hand den morschen Deutschen Bund zertrümmert. Er hat die Legion Klapka aufstellen und einsetzen lassen -deren Angehörige alle dem österreichischen Kaiser den Fahneneid geleistet hatten. Und er jagt nach dem Siege drei Herrscher „von Gottes Gnaden" - den König von Hannover, den Kurfürsten von Hessen-Kassel und den Herzog von Nassau - von ihren Thronen und verleibt ihre Länder dem preußischen Staat ein. Das ist, wie Friedrich Engels hervorhebt, eine Politik mit revolutionären Mitteln! Bismarck beginnt auf diese Weise im Jahre 1866 mit einem Donnerschlag die preu-
Eröffnung des Norddeutschen Reichstags durch Wilhelm 1. am 24. Februar 1867
ßische „Revolution von oben", die er dann 1871 abschließen kann. Bereits am 23. August wird in Prag der Friedensvertrag zwischen Preußen und Osterreich unterzeichnet. Die besiegte Donaumonarchie überläßt die Vorherrschaft in Deutschland dem preußischen Militärstaat. Ansonsten wird sie glimpflich behandelt: sie muß lediglich Venetien an die Italiener abtreten sowie eine Kriegsentschädigung zahlen. Der Deutsche Bund wird aufgelöst, und das Habsburgerreich scheidet damit völlig aus dem deutschen Staatsverband aus. In seinen deutschsprachigen Gebieten - Osterreich im engeren Sinne - formiert sich endgültig eine bürgerliche österreichische Nation. Wenn Bismarck gegenüber Osterreich und auch gegenüber den süddeutschen Staaten „Milde" walten läßt, dann ist das nicht zuletzt aus seiner Besorgnis vor einem Eingreifen des bonapartistischen
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an muß anerkennen. daß die Bewegungen auf dem Marsch wie auch vor dem Feinde mit einer Ordnung und Genauigkeit ausgeführt wurden, die niemand hätte erwarten können von einer Armee und Führung, an denen der Rost von fünfzig Friedensjahren saß. Und schließlich mußte die ganze Welt über das entschlossene Vorgehen dieser jungen Truppen bei ausnahmslos jedem Gefecht überrascht sein. Es ist leicht gesagt, daß es die Hinterlader taten, doch sie gehen nicht von selbst los, es bedarf tapferer Herzen und starker Arme, um sie zu führen. Die Preußen fochten sehr oft gegen eine Übermacht und waren fast überall der angreifende Teil. Die Osterreicher hatten daher die Wahl des Terrains. Und beim Angriff auf starke Stellungen und befestigte Städte schwinden die Vorteile der Hinterlader beinahe völlig... Friedrich Engels in: Betrachtungen über den Krieg in Deutschland. 6. Juli 1866 Die Preußen müssen sich für eine langjährige Friedensarmee glänzend geschlagen haben. Vom Augenblick der tatsächlichen Kriegserklärung an zog ein völlig anderer Geist in die Armee ein, der hauptsächlich der Verjagung der kleinen Potentaten im Nordwesten Deutschlands geschuldet war. Das ließ die Truppen glauben - gleichgültig, ob zu Recht oder Unrecht, wir konstatieren nur die Tatsache -‚ daß sie diesmal für die Einigung Deutschlands in den Kampf ziehen sollten, und die bis dahin mürrischen und verdrießlichen Männer der Reserve und der Landwehr überschritten nun die österreichische Grenze mit lautem Hurra. Darauf ist es hauptsächlich zurückzuführen, daß sie so gut kämpften; den größten Teil aller ihrer Erfolge muß man jedoch ihren Hinterladern zuschreiben; und wenn sie ... aus den Schwierigkeiten herauskommen, in die ihre Generale sie gebracht haben, so werden sie das dem Zündnadelgewehr zu verdanken haben. Friedrich Engels in: Betrachtungen über den Krieg in Deutschland. 3. Juli 1866 1-11-1
Frankreich zu erklären, das er um die versprochenen linksrheinischen Gebiete geprellt hat. Frankreich ist vor dem Krieg allgemein als die politisch und militärisch führende Macht Europas angesehen worden - und sieht sich nun infolge der preußischen Siege auf den zweiten Platz verwiesen. Seine herrschenden Kreise sind aber nicht gewillt, das hinzunehmen. Ihre Parole lautet: „Rache für Sadowa!" (die Franzosen, für die das Wort „Königgrätz" ein Zungenbrecher ist, benennen die Entscheidungsschlacht vom 3. Juli 1866 nach dem Dorf Sadowa). Nachdem Bismarck mit der österreichischen Regierung Frieden geschlossen hat, verständigt er sich auch mit der preußischen Bourgeoisie - was vielen kurzsichtigen ultrareaktionären Junkern sehr mißfällt! Er leitet dem Abgeordnetenhaus die sogenannte Indemnitätsvorlage zu, in der seine Regierung eine nachträgliche Bewilligung jener Geldmittel beantragt, die sie seit 1862 verfassungswidrig ausgegeben hat. Die Mehrzahl der liberalen Abgeordneten stimmt der Vorlage am 3. September 1866 zu. Damit haben die führenden Kräfte der Junker und Kapitalisten ein Klassenbündnis abgeschlossen. Die Mehrheit der Bourgeoisie wird nun endgültig reaktionär. Noch im Herbst 1866 werden alle deutschen Staaten nördlich des Mains zum Norddeutschen Bund zusammengeschlossen. Oberhaupt (,‚Präsidium") des mächtigen neuen Staates wird König Wilhelm, Bundeskanzler wird Bismarck. Das „Präsidium" Wilhelm besitzt laut Verfassung des Norddeutschen Bundes eine enorme Machtfülle: es führt den Oberbefehl über die Streitkräfte, leitet die gesamte Außenpolitik und ernennt den Bundeskanzler. Jedermann weiß aber, daß in Wirklichkeit Bismarck die politischen Entscheidungen fällt. Bis in die Einzelheiten hinein ist der Norddeutsche Bund somit ein Modell für das wilhelminische Kaiserreich, das dann 1871 gegründet wird. Bismarck hat einen großen Schritt hin zur Errichtung eines deutschen Nationalstaates getan. Er kommt auf dem Gebiete der Wirtschafts-
in Staat wie das Bismarcksche Preußen-Deutschland ist durch seinen Ursprung mit fatalistischer Notwendigkeit dem gewaltsamen Untergang geweiht... Auf dem Schlachtfeld geboren, das Kind des Staatsstreiches, des Krieges und der Revolution von oben, muß es ruhelos von Staatsstreich zu Staatsstreich. von Krieg zu Krieg eilen und entweder auf dem Schlachtfeld zerbröckeln oder der Revolution von unten erliegen. Das ist Naturgesetz. Wilhelm Liebknecht am 19. März 1872 während des Leipziger Hochverraisprozesses
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assalle und die Lassalleaner, die die schwachen Chancen des proletarischen und demokratischen Weges (der nationalstaatlichen Einigung Deutschlands - G. F.) sahen, waren schwankend in ihrer Taktik und paßten sich der Hegemonie des Junkers Bismarck an. ... Bebel und Liebknecht hingegen traten konsequent für den demokratischen und proletarischen Weg ein und kämpften gegen die geringsten Zugeständnisse an das Preußentum, an die Bismarcksche Politik, an den Nationalismus. Und die Geschichte hat Bebe[ und Liebknecht recht gegeben, ungeachtet dessen, daß Deutschland nach dem Bismarckschen Programm geeint wurde. Nur die konsequent demokratische und revolutionäre Taktik Bebels und Liebknechts, nur ihre Unnachgiebigkeit gegenüber dem Nationalismus, nur ihre Unversöhnlichkeit in bezug auf die Einigung Deutschlands und seine Erneuerung ‚von oben' haben dazu heigetragen ein festes Fundament für eine wahrhaft sozialdemokratische Arbeiterpartei zu legen. Und es ging damals eben um das Fundament der Partei. W. 1. Lenin im Jahre
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gesetzgebung den Profitinteressen der Bourgeoisie großzügig entgegen. Indem er aber dem Parlament des Norddeutschen Bundes -dem Reichstag - nur sehr begrenzte Rechte einräumt, hält er die Bourgeoisie nach wie vor weitgehend von der politischen Macht fern. Gewählt wird der Reichstag nach dem allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht. Und so betreten denn noch im Jahre 1867— von den sächsischen Arbeitern entsandt mit August Bebel und Wilhelm Liebknecht zum ersten Male in der deutschen Geschichte revolutionäre Arbeiterführer die Parlamentstribüne. Bismarck ist - wider seinen Willen und auf seine junkerliche Weise zum Testamentsvollstrecker der gescheiterten bürgerlichen Revolution von 1848/49 geworden. Er hat die demokratische Volksbewegung überrollt und eine Volksrevolution verhindert. Das hat er aber nur tun können, indem er selber einige der Forderungen der demokratischen Kräfte erfüllte. Die demokratische Bewegung war nicht stark genug, um siegen zu können. Sie ist aber gerade von Bismarck und den Klassenkräften, die ihn unmittelbar unterstützten, sehr ernst genommen worden und hat deren Politik entscheidend beeinflußt. Letztlich hat nur der Druck, den die Bewegung der Arbeiter und demokratisch gesinnten Kleinbürger ausübte, den „Konfliktsminister" dazu veranlaßt, das allgemeine Wahlrecht einzuführen und ein deutsches Parlament zu errichten. W. 1. Lenin schrieb deshalb: „Deutschland hat Freiheiten erhalten, trotz Bismarck, trotz der preußischen Liberalen, nur dank dem nachdrücklichen und hartnäckigen Streben der Arbeiterklasse (teilweise, aber zu sehr geringem Teil, auch der kleinbürgerlichen Demokratie) nach vollständiger Demokratisierung." Schwerer als diese Errungenschaften wog freilich, daß durch die Bismarcksche „Revolution von oben" und durch das reaktionäre junkerlich-bürgerliche Klassenbündnis vom Jahre 1866 die Zukunft Etappen der „ruhmvollen" Laufbahn Bismarcks
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der deutschen Nation auf verhäng- gemeinsam getragen. Er erstarkte das Bismarck in den Jahren 1866 bis nisvolle Weise belastet wurde, dadurch außerordentlich - und er 1871 mit Blut und Eisen geschaffen Denn der preußisch-deutsche Mi- wurde stetig aggressiver. Schließ- hatte, infolge der Katastrophenlitarismus wurde nun mehr und lich ging - wie Wilhelm Liebknecht politik seiner herrschenden Klasse mehr von Junkern und Kapitalisten es vorausgesagt hatte - das Reich, in Blut und Eisen unter.
ie Geschichte in Deutschland scheint mir jetzt ziemlich einfach. tz Von dem Augenblick an, wo Bismarck den kleindeutschen Bourgeoisplan mit der preußischen Armee und so kolossalem Sukzeß durchführte, hat die Entwicklung in Deutschland diese Richtung so entschieden genommen, daß wir ebensogut wie andre das fait accompli [die vollendete Tatsache] anerkennen müssen, we may like it or not Lob es uns gefällt oder nicht]. Was die nationale Seite der Sache angeht, so wird Bismarck jedenfalls das kleindeutsche Kaisertum in dem von den Bourgeois beabsichtigten Umfang, d. h. inkl. Südwestdeutschland, herstellen, denn die Redensarten von der Mainlinie und von der optional South German separate confederacy [dem zur freien Wahl gestellten separaten Süddeutschen Bundi sind jeden-
falls nur für die Franzosen berechnet, und inzwischen marschieren die Preußen auf Stuttgart ... Politice [politisch] wird B[ismarckl genötigt sein, sich auf die Bourgeoisie zu stützen, die er gegen die Reichsfürsten braucht. Vielleicht nicht in diesem Augenblick, da jetzt noch das Prestige und die Armee hinreichen. Aber schon um sich vom Parlament die nötigen Bedingnisse für die Zentralgewalt zu sichern, muß er den Bürgern etwas geben, und der natürliche Verlauf der Sache wird ihn oder seine Nachfolger immer zwingen, wieder an die Bürger zu appellieren; so daß, wenn Bjismarck] auch möglicherweise jetzt den Bürgern nicht mehr gibt, als er eben muß, er doch in das Bürgerliche mehr und mehr hineingetrieben wird. Die Sache hat das Gute, daß sie die Situation vereinfacht, eine Revolution dadurch erleichtert, daß sie die Krawalle der kleinen Hauptstädte beseitigt und die
Entwicklung jedenfalls beschleunigt. Am Ende ist doch ein deutsches Parlament ein ganz andres Ding als eine preußische Kammer. Die ganze Kleinstaaterei wird in die Bewegung hineingerissen, die schlimmsten lokalisierenden Einflüsse hören auf, und die Parteien werden endlich wirklich nationale, statt bloß lokale. Der Hauptnachteil ist die unvermeidliche Überflutung Deutschlands durch das Preußentum, und das ist ein sehr großer Wir können also meiner Ansicht nach gar nichts andres tun, als das Faktum einfach akzeptieren, ohne es zu billigen, und die sich jetzt jedenfalls darbieten müssenden größeren Facilitäten [Erleichterungen] zur nationalen Organisation und Vereinigung des deutschen Proletariats benutzen, soweit wir können. Friedrich Engels in einem Brief an Karl Marx vom 25Juli 1866
In der Schlacht von Königgrätz siegte „der Zollverein, der seit Jahrzehnten ein großes Wirtschaftsgebiet geschaffen hatte. Die ökonomischen Bedürfnisse dieses Wirtschaftsgebietes, von dem die kapitalistische Produktionsweise täglich neue Striche eroberte, waren der reale Boden, aus dem die nationalen Einheitsbestrebungen erwuchsen. Die politischen Bande, die (es)... mit Osterreich verknüpften, konnten um so leichter zerrissen werden je mehr sie zu drückenden Fesseln seiner ökonomischen Konsolidierung geworden waren, aber um so weniger ließen sich seine eige-
nen ökonomischen Zusammenhänge durch staatsrechtliche Tüfteleien lösen. Die süddeutschen Staaten konnten nicht spielen; europäische Macht sie konnten auch nicht zu französischen oder österreichischen Vasallen werden, es sei denn, daß ein großes, seit dreißig Jahren zusammengewachsenes Wirtschaftsgebiet, das sich im Aufsteigenden Aste der kapitalistischen Entwicklung befand, in tausend Trümmer zerschlagen wurde, und das gehörte zu den historischen Unmöglichkeiten. Bismarck begriff diese Lage und wußte ihr seine Politik mit unleugbarem Geschick anzupas-
sen; die Tage des Norddeutschen Bundes waren seine verhältnismäßig beste Zeit. Er war jetzt mitten in der Ausführung des Programms begriffen, das er bereits im Jahre 1864 dem russischen Staatsrat Ewert entwickelt hatte oder entwickelt haben sollte: ‚Ich werde die einen erkaufen, die, anderen einschüchtern, noch andere schlagen und zuletzt alle für mich gewinnen, indem ich sie gegen Frankreich führe."
Jeder deutsche Patriot wird von tiefern Schmerz ergriffen, wenn er der Ereignisse des vorigen Jahres gedenkt Sie, meine Herren, sind die Siegenden, ich gehörte zu denjenigen, welche damals besiegt wurden. Aber bedenken Sie, daß Ihr Reich aufgebaut ist durch Gewalt und auf Gewalt ruht.
Es gibt aber bloß einen Kitt. welcher Staaten für ewig festigt. Das ist Gerechtigkeit und Freiheit... Eine sehr hochgestellte Persönlichkeit hat (las Wort ausgesprochen: „Die Weltgeschichte kann nicht stillstehen'. Meine Herren, sie steht nicht still, sie wird hinwegschreiten über Ihr Gewaltwerk, über diesen
Nordbund. ... sie wird hinwegschreiten über diesen Norddeutschen Reichstag, der nichts ist als das Feigenblatt des Absolutismus.
Franz Mehring in: Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters
Wilhelm l.iehknecht meiner Rede vor dem Reichstag des Norddeutschen Hundes am 17. Oktober 1867
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Dr. phil. Gerd Fesser, geb. 1941, studierte Geschichte an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Spezialgebiet: Deutsche Geschichte 1789-1917. Er veröffentlichte mehrere wissenschaftliche Arbeiten, u. a. „Linksliberalismus und Arbeiterbewegung. Die Stellung der Deutschen Fortschrittspartei zur Arbeiterbewegung 1861-1866"
Herausgeber: Zentralinstitut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR Leiter des Redaktionskollegiums: Di. Klaus Scheel Verlagslektor: Ursula Seil Verlagshersteller: Hildrun Jokisch Gesamtgestaltung: Peter Schult (0 1978 VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften. Berlin Printed in Ilse German Democratic Republic Lizenz-Nr.: 206 4351291144) P232t79 Lichtsatz und Lithografie: INTERDRUCK Graphischer Großbetrieb Leipzig - 1I1/1819 Druck und Bindearbeit: Druckhaiis Karl-Marx-Stadt LSV 02(t, Bestellnummer: 5707106 DDR 3.50M BjId,uich,riis
VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften. Berlin: Dr. Gerd Fesser. Jena Peter Hein und Kurt Klingner, Berlin, Gerhard Schörlitz. Jena. Der Verlag dankt für freundliche Unterstützung und Veröffentlichungsgenehmigungen dem Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Zentrales I'arteiarchiv. dem Märkischen Museum. Berlin. dem Museum für Deutsche Geschichte. Berlin. den Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten in Weimar und dem VEB Staatliche Schlösser und Gärten Potsdam