illustrierte historische hefte Siegfried Epperlein
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Der Ganci nac
Ein König ficht um Gnabe Aus dem von Schluchten zerrissenen, zur Poebene hin abfallenden Apennin erhebt sich zwischen Parma und Reggio, etwa 500 Meter über dem Tiefland der von einer Burg gekrönte Felsen von Canossa. Bereits vor dem Jahre 950 befestigt, war diese Burg in den folgenden Jahrhunderten zu einer der stärksten Italiens ausgebaut worden. Sie war die Stammburg jenes Fürstengeschlechtes Canossa, als dessen Erbin die Markgräfin Mathilde von Tuszien über ein ausgedehntes Herrschaftsgebiet im oberen Italien gebot. Die Burg Canossa war der Ort, an dem sich vor nunmehr 900 Jahren in den Januartagen des Jahres 1077 dramatische Ereignisse abspielten, die das mittelalterliche Europa bewegten und die bis heute als sprichwörtliches Beispiel für Reue und Bußfertigkeit gelten. Ende des Jahres 1076 hatte sich der deutsche König Heinrich IV. entschlossen, über die Alpen nach Italien zu ziehen. Das war im allgemeinen nichts Ungewöhnliches. Das hatten auch seine Vorgänger seit dem I0.Jahrhundert wiederholt getan. Mit berittenem, prächtig ausgestattetem Gefolge waren sie an der Spitze mächtiger Heere mehrfach nach Italien gezogen, um sich die Schätze des reichen Landes anzueignen, ihren Machtbei ich noch weiter auf den Süden Europas auszudehnen, sich in Rom, der Ewigen Stadt, die Kaiserkrone zu holen oder auch als Kaiser Päpste ein- oder abzusetzen. Der Zug Heinrichs IV. über die Alpen war mit diesen Heereszügen aber nicht zu vergleichen. Bei diesem Zug nach Italien war alles anders. Was die erstaunten Chronisten ihren Zeitgenossen damals mitteilten, war noch nicht dagewesen. Mitten im bitterkalten Januar des Jahres 1077 zog König Heinrich IV. aus dem Geschlecht der Salier mit seiner Gemahlin Berta, 2
Zug eines Königs mit Gefolge über die Alpen nach Italien König
(althochdeutsch: Kuning, zu Kunni = Geschlecht) höchste Herrscherwürde nach dem Kaiser Kaiser
Vom Eigennamen und späteren Titel Cäsar abgeleitet. Höchste monarchische Würde,
wurde vom Papst in Rom verliehen (Kaiserkrönung). Erster mittelalterlicher Kaiser in Westeuropa: Karl der Große. Erster Kaiser desdeutschen Feudalstaates: Otto 1. Seitdem bliel im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation die Würde bei den deutschen Königen: Auflösung des Reiches 1806.
seinem zweijährigen Söhnchen Konrad und kleinem Gefolge bei klirrendem Frost über die Alpen und nach kurzem Aufenthalt im Gebiet von Turin in die Lombardei. Aber auch hier gab es keine längere Rast. Weiter ging es südostwärts bis Canossa. Die Burg war auch das Ziel von Papst Gregor VII., der von Mittelitalien kommend kurze Zeit vor dem deutschen König dort eintraf. Papst Gregor hatte Heinrich IV. im Jahre 1076 mit dem Bann belegt und ihn aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgeschlossen. Dem deutschen König war es aus den verschiedensten Gründen nicht möglich, als Gebannter zu leben und zu regieren. Daher wollte er Buße tun und den Papst veranlassen, den Bann von ihm zu nehmen. In einem Ende Januar 1077 verfaßten Brief an die deutschen Fürsten schildert
Papst Gregor VII., was sich bei Canossa ereignete: „Und dort harrte er (Heinrich IV. - S. E.) drei Tage hindurch vor dem Tor der Burg aus ohne jedes Abzeichen der königlichen Würde in jämmerlichem Aufzug, nämlich ohne Schuhe und in wollenem Gewand; er hörte nicht eher auf, unter vielen Tränen Hilfe und Trost des apostolischen Erbarmens zu erflehen, als bis er alle, die dort waren und zu denen diese Kunde gelangte, zu solcher Teilnahme und solch mitleidigem Erbarmen bewegte, daß sich alle für ihn mit vielen Bitten und Tränen verwandten und sich über die ungewöhnliche Härte unserer (Gregors - S.E.) Haltung wunderten, einige aber sogar laut klagten, daß wir nicht die Schärfe apostolischer Strenge, sondern die Grausamkeit einer gleichsam tyrannischen Wildheit zeigten.
Schließlich ließen wir uns durch seine inständige Reue und die dringende Fürbitte aller Anwesenden überwältigen, lösten ihn von der Fessel des Bannfluchs und nahmen ihn wieder in die Gnade des Abendmahles und in den Schoß der heiligen Mutter Kirche auf." Bereits die Zeitgenossen HeinrichslV. empfanden die Bannung eines gekrönten Hauptes als etwas Außergewöhnliches. So schreibt der Chronist Otto von Freising: „Dieses ungewöhnliche Vorgehen erregte im Reich um so heftigere Empörung, als man wußte, daß niemals bisher ein solcher Spruch gegen einen römischen Kaiser verkündet worden war." Woher nahm Papst Gregor VII. die Macht, einen Herrscher wie HeinrichlV. zu bestrafen? Warum belegte er den deutschen König mit dem Bann?
Dje Reich6kirchengigiatem Das ganze Mittelalter hindurch hatte die römisch-katholische Kirche außerordentlich große Bedeutung. Die Kirche verfügte in den meisten europäischen Ländern über riesigen Grundbesitz, den sie mit allen nur erdenklichen rechtund unrechtmäßigen Mitteln zu mehren suchte: Ein Weg war, Gläubige auf die verschiedenste Weise zu Schenkungen zu veranlassen. Es kam den Priestern und hohen Würdenträgern der Kirche nicht darauf an, alle „Gottesgnaden" zu versprechen, wenn damit ein Geschäft zu machen war. Die Kirche versprach Vergebung der Sünden, Rettung aus dem Fegefeuer, Schutz vor Gefahren, Seligkeit im Jenseits, Heilung von Krankheiten, die Erfüllung besonderer Wünsche, wenn an die Kirche Schenkungen gegeben wurden. Kirchliche Würdenträger schreckten sogar vor Urkundenfälschungen nicht zurück, wenn die Kirche so in den Besitz möglichst Der Teufel verschlingt einen Sünder
ausgedehnter Ländereien gelangen konnte. Viele Klöster beschafften sich Reliquien, die angeblich Wunder wirkten, um die Schenklust breitester Kreise der Gläubigen anzureizen. Wer es wagte, Schenkungen an die Kirche anzufechten, mußte mit schweren kirchlichen Strafen rechnen. Auf diese vielfältige Weise wurde die römischkatholische Kirche zum größten Grundbesitzer der europäischen
Feudalgesellschaft, zu deren Festigung sie als Trägerin und Vermittlerin christlichen Glaubens, der im Mittelalter vorherrschenden und die Feudalordnung stützenden Weltanschauung, wesentlich beitrug. Die Kirche rechtfertigte die politische Stellung des Königs und der feudalen Oberschichten als gottgewollt und verpflichtete jeden „Untertan' zu unbedingtem Gehorsam gegenüber dem Herren.
Die slawischen Provinzen sowie Rom, Gallien und Germanien huldigen Kaiser Otto III. (980-1002) Wer sich den Herren widersetzte, verletzte nach Auffassung der Kirche Gottes Gebot und machte sich damit schuldig. Es galt also nach traditioneller kirchlicher Auffassung als schweres Vergehen, sich gegen die Feudalgewalten aufzulehnen und ihnen
Kaiser Otto III. auf dem Thron, umgeben von weltlichen und geistlichen Würdenträgern den Gehorsam oder eine der zahlreichen geforderten Leistungen zu verweigern. Schon der fränkische König und Kaiser Karl der Große (768-814), einer der bedeutendsten mittelalterlichen Herrscher, erkannte der Kirche und den von ihr verkünde-
ten Geboten der Bibel im gesamten gesellschaftlichen und politischen Leben seines Reiches einen zentralen Platz zu. Die Bibel war für ihn das „Staatsbuch" schlechthin. „Hier findet man die Norm, die bestimmt, wie sich die Höheren gegen die Untergebenen und die Untergebenen gegen die Höheren zu führen haben; wie man die Ehe hochhalten soll; wie in weltlichen Dingen durch kluges Überlegen
Rat zu schaffen sei; wie man das Vaterland verteidigen, den Feind vertreiben soll, nach außen wie im innern den Staat verwalte..." So hieß es in den karolinischen Büchern, die um 792 unter maßgeblicher Mitwirkung Karls des Großen verfaßt wurden. Wie seine Vorgänger benutzte Karl der Große die Kirche, über die er vornherein selbstherrlich von verfügte, als Instrument staat-
Heinrich II. (1002-1024) und Bischöfe
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Leistungen der deutschen Bistümer und Abteien im Heeresaufgebot $
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Nach einem Aufgebotsbrief Kaiser Ottos II. von 981-983 Insgesamt wurden 2090 Panzerreiter aufgeboten. Davon entfielen auf die Kirche 1504 Reiter, während die weltlichen Feudalherren lediglich 586 Reiter zu stellen hatten.
1. Bistümer
2. Abteien
Mainz, Köln, Straßburg und Augsburg je 100 = 400 Trier, Salzburg und Regensburg je 70 = 210 Verdun, Lüttich und Würzburg je 60 = 180 Seben = 50 Konstanz, Chur, Worms und Freising je 40 = 160 Speyer, Eichstadt und Toul je2O= 60 Cambrai = 14
Fulda und Reichenau je 60 = 120 Lorsch und Weißenburg je 60 = 12Ö Prüm, Hersfeld und EHwangen je 40 = 120 Kemten = 30 St. Gallen und Murbach je 20 = 40
Bistümer und Abteien stellten insgesamt 1504 Panzerreiter für das Heeresaufgebot
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licher Herrschaft. Synoden, Zusammenkünfte der Bischöfe und Erzbischöfe des Reiches zur Beratung kirchlicher Angelegenheiten, wurden vom König einberufen. Er behielt sich für die Beschlüsse solcher Bischof ssynoden ein Bestätigungsrecht vor und setzte Bischöfe nach eigenem Ermessen ein. Die Kirche wurde auf diese Weise immer mehr zu einer von Karl dem Großen geleiteten Reichskirche. Der Herrscher gebot auch über den Papst, wie ein an Leo III. im Jahre 796 gerichtetes Schreiben erkennen läßt; hierin vertritt Karl der Große folgenden Standpunkt: „Unseres Amtes ist es, mit göttlicher Hilfe die Heilige Kirche Christi überall vor dem Einbruch der Heiden und der Verheerung durch die Ungläubigen nach außen hin mit den Waffen zu beschirmen und im innern durch die Erkenntnis des katholischen Glaubens zu festigen. Eures Amtes, heiliger Vater, ist es, mit zu Gott erhobenen Händen gleich Moses unsere Streitmacht im Gebete zu unterstützen." An diese Politik knüpfte im 10.Jahrhundert vor allem Otto 1. (936-973) an, der Karl den Großen bewunderte und in ihm sein Vorbild erblickte. Um die Zentralgewalt zu festigen, zog Otto 1. mehr und mehr Geistliche zu Aufgaben staatlicher Machtausübung heran. Besonders intensiv und konsequent betrieb der König diese Politik nach den Erhebungen mächtiger Herzöge in den Jahren 938/39 und 953/54. Ein Gegengewicht gegen die Herzöge suchte Otto 1. in der Geistlichkeit zu finden, die vielfach mit weltlichen Feudalherren politische Machtkämpfe ausfocht. Um über geistliche Würdenträger verfügen zu können, war es für den König wichtig, daß er nicht nur König, sondern gewissermaßen auch Priester war, also über Weltliches und Geistliches gleichermaßen zu gebieten hatte. Zu einem solchen „Priesterkönig" wurde der Herrscher durch die bei der Königskrönung nach alttestamentlichem Vorbild vollzogene Salbung.
Reichsapfel aus dem Grabe Heinrichs III. Krone aus dem Grabe Heinrichs III. Heinrich III (1039-1056)
Statue des Papstes Clemens II. im Bamberger Dom
Der König wurde dabei wie ein Priester mit dem „01 der Gnade des Heiligen Geistes" gesalbt. Die Königsweihe mit Salbung sollte dem Herrscher eine sakrale Würde verleihen, die ihn deutlich von den übrigen Gläubigen abhob. Damit erhielt der König eine einem Priester ähnliche Stellung. Als solcher verfügte er über die Kirche und ihre Repräsentanten souverän. Seine Stimme gab bei der Investitur, der Einsetzung von Bischöfen und Erzbischöfen sowie von Äbten der Reichsklöster, den Ausschlag. Der Herrscher konnte entsprechend seinen staatspolitischen Interessen einen Kandidaten vorschlagen oder auch nominieren; dieser wurde dann in der Regel auch gewählt. War bespielsweise ein Bischof verstorben, so wurde der Bischofsstab, das Symbol der bischöflichen Amtswürde, dem königlichen Hof überbracht. Dort fanden die entscheidenden Verhandlungen über den Nachfolger statt. Hatte man sich geeinigt, so übertrug der König das frei gewordene Bistum dem neuen Bischof durch Überreichung des Bischofsstabes. In den ersten Jahrzehnten des 10. Jahrhunderts nahm vor allem Otto!. diese die Übertragung des Hirtenamtes symbolisierende Zeremonie selbst vor und forderte von dem neu eingesetzten Bischof auch den Treueid. Die der Kirche gegenüber gewachsene Machtstellung des Herrschers fand darin besonders deutlich ihren Ausdruck. Ihm stand nun mit Priestern und Mönchen ein gut ausgebildeter Personenkreis zur Verfügung, den er zu den verschiedensten Aufgaben der Reichsverwaltung heranziehen konnte. Aber nicht nur dort, sondern auch im Kriegsdienst erfüllten Geistliche, vor allem die Bischöfe und die Reichsäbte, wichtige Funktionen und Aufgaben. So hatten Kirchenfürsten beispielsweise für das Heer Ottos 1. beträchtliche Kontingente an Panzerreitern zu stellen. Außerdem waren die verschiedenen kirchlichen Einrichtungen verpflichtet, den König
Über das Recht der sächsischen Herrscher im 10. Jh. als Priesterkönige, Bistümer eigenhändig zu vergeben •nehmen ganz allein unsere Könige und Kaiser wahr, die auf unserer Pilgerfahrt als Stellvertreter für den höchsten Lenker bestellt sind; und nur sie stehen zu Recht über allen Hirten, denn es wäre sehr unpassend, wenn Männer, die Christus um seinetwillen als die ersten auf Erden eingesetzt hat, einer anderen Herrschaft unterständen als derer, die wie der Herr durch den Glanz der Weihe und der Krone alle Sterblichen überragen." (Thietmar von Merseburg, Chronik, 1, 26)
und sein Gefolge zu beherbergen, wenn der König es wünschte. Die umfangreichen Landschenkungen des Königs an die Kirche dienten also nicht nur dem Unterhalt der Geistlichkeit und der Armenpflege, sondern sollten in hohem Maße auch den königlichen Hof versorgen. Zur Zeit Ottos 1. und auch seiner nächsten Nachfolger hatte der König noch keinen ständigen Aufenthaltsort, keine feste Residenz. Mitte des 10. Jahrhunderts bemächtigte sich Otto 1., die politische Zersplitterung Italiens ausnutzend, Nord- und teilweise Mittelitaliens, der Lombardei und der Toskana und ließ sich in Rom zum Kaiser krönen. Das durch die Annexion italienischer Gebiete entstandene neue Kaiserreich erhielt später die Bezeichnung „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation". Dieser Name zeugt von dem Streben der deutschen Kaiser, ganz Westund Mitteleuropa zu beherrschen. Die Herrschaft über Nord- und Mittelitalien mußte sich jeder Kaiser durch neue Eroberungszüge sichern. Der König regierte sein Reich von verschiedenen Orten aus. Mit seinem zahlreichen Gefolge zog der König bzw. Kaiser von Pfalz zu Pfalz, wie die Hofburgen, die zeitweiligen Regierungssitze, hießen, von Bistum zu Bistum. Die Orte, an denen sich der
Herrscher aufhielt, waren verpflichtet, ihn und seine Gefolgsleute zu ernähren und zu kleiden. Insgesamt gesehen war die Kirche wichtiger außerordentlich ein Bestandteil des frühfeudalen deutschen Staates. Der Geistlichkeit übertrug der König große Befugnisse und stattete sie mit Privilegien aus. Auf diese Weise gelang es Otto 1., zwischen weltlichen Feudalherren und Klerus ein „Gleichgewicht der Kräfte" herzustellen, was im 10.Jahrhundert entscheidend zur Festigung des deutschen Feudalstaates beitrug. Die an seiner Spitze stehenden Herrscher geboten im 10. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts als Priesterkönige nicht nur über den deutschen Klerus, sondern teilweise auch über den Papst. So wurden zwischen 955 und 1057 durch das direkte Eingreifen deutscher Herrscher von 25 Päpsten nicht weniger als 5 Päpste abberufen und 12 Päpste neu eingesetzt. Es versteht sich, daß unter diesen Bedingungen kein Papst dagegen angehen konnte, daß der deutsche König das Investiturrecht ausübte, zumal es den deutschen Königen zu Beginn des 10. Jahrhunderts durch Papst Johannes X. ausdrücklich zugebilligt worden war. In der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts gebot vor allem Hein-
rich III. (1039-1056) souverän über Kirche und Papst. Dieser König ging dazu über, dem als neuen Bischof auserwählten Geistlichen bei der Übertragung des Amtes nicht nur den Stab, sondern auch den Ring zu überreichen. Der Ring symbolisierte die geistige Ehe seines Trägers mit der Kirche. Damit hatte sich Heinrich III. ein weiteres, ursprünglich allein dem jeweiligen Erzbischof zustehendes Recht angeeignet - ein Zeichen dafür, daß innerhalb der Kirche die Autorität des Königs stark zugenommen hatte. Diese Machtstellung wurde auch sehr deutlich, als Heinrich III. am 20. Dezember 1046 auf einer Kirchenversammlung in der italienischen Stadt Sutri drei von römischen rivalisierenden Adelscliquen eingesetzte und sich nun befehdende Päpste, Benedikt IX., Silvester III. und Gregor VI., absetzte und die Erhebung des Bischofs Suitger von Bamberg als Clemens II. zum Papst veranlaßte. Am 25. Dezember ließ sich Heinrich!!!. von Papst Clemens II. zum Kaiser krönen. Insgesamt schien die kaiserliche Machtstellung unerschütterlich zu sein. Doch der Schein trog. Fast genau 30 Jahre nach dem Triumph in Sutri wurde der Sohn des Kaisers Heinrich IV. gebannt und mußte Buße tun. Wie war es dazu gekommen?
Der junge König unb ocinc Gegner Anfang Oktober des Jahres 1056, so ist uns überliefert, hielt ein vornehmer, nach Italien zurückreisender Herr aus der Stadt Rom in einem Dorfe unweit der Harzpfalz Bodfeld Mittagsruhe, bis ihn plötzlich lautes Wehklagen weckte. Erschrocken fragte der Reisende nach den Gründen des Jammerns und erfuhr, daß soeben die Nachricht vom Tode Kaiser Heinrichs III. eingetroffen sei. In gewisser Weise war diese Totenklage nicht nur traditionelle Zeremonie. Man beklagte den Tod des Königs
auch deshalb, weil sein Thronfolger noch nicht regierungsfähig war. „Gott möge sich erbarmen und Fürsten einsetzen, welche Arm und Reich zu leiten verstehen. Denn in diesem unserem kleinen König können wir, o Schmerz, lange Zeit hindurch nichts von Herrschaftsübung haben." Solche Worte hörte man in Bodfeld und landauf, landab. Und die Besorgnis war berechtigt. Beim Tode Heinrichs III. war sein Sohn erst 6 Jahre alt. Da nach damaliger Rechtsauffassung ein
König auch bei Minderjährigkeit zu regieren hatte, er selbst aber oft viele Jahre noch nicht fähig dazu war, übten faktisch zunächst diejenigen die königliche Herrschaft aus, die das Kind in ihrer Obhut hatten. Das war beim Sohn Heinrichs III., König Heinrich IV., dessen Mutter, Kaiserin Agnes, die mit einem Kreis von Beratern als Regentin fungierte. Sie war bemüht, das Reich innenpolitisch weiter zu festigen. Deshalb versuchte sie einerseits, die schon unter Heinrich III. eingeleitete, ge-
Der Handstreich von Kaiserswerth (April 1062)
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Die Fürsten veranstalteten häufig Zusammenkünfte, erfüllten ihre Pflichten gegen das Reich nur lässig, reizten die Volksstimmung gegen die Kaiserin auf und trachteten endlich mit allen Mitteln danach, den Sohn dem Einfluß der Mutter zu entziehen und die Verwaltung des Reichs in ihre Hände zu bekommen. Schließlich fuhr der Erzbischof von Köln, nachdem er sich mit Graf Ekbert und Herzog Otto von Bayern beraten hatte, zu Schiff auf dem Rhein an einen Ort, der Insel des hl. Switbert heißt. Dort hielt sich damals der König auf. Als dieser eines Tages nach einem festlichen Mahl besonders heiter war, redete ihm der Bischof zu, ein Schiff, das er zu diesem Zweck überaus prächtig hatte herrichten lassen, zu besichtigen.
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Dazu ließ sich der arglose, an nichts weniger als an eine Hinterlist denkende Knabe leicht überreden. Kaum aber hatte er das Schiff betreten, da umringen ihn die vom Erzbischof angestellten Helfershelfer seines Anschlags, rasch stemmen sich die Ruderer hoch, werfen sich mit aller Kraft in die Riemen und treiben das Schiff blitzschnell in die Mitte des Stroms. Der König, fassungslos über diese unerwarteten Vorgänge und unentschlossen, dachte nichts anderes, als daß man ihm Gewalt antun und ihn ermorden wolle, und stürzte sich kopfüber in den Fluß, und er wäre in den reißenden Fluten ertrunken, wäre dem Gefährdeten nicht Graf Ekbert trotz dergroßen Gefahr, in die er sich begab, nachgesprungen und hätte er ihn nicht mit Mühe und Not vor dem Untergang gerettet und aufs Schiff zurückgebracht. Nun beruhigte man ihn durch allen nur möglichen freundlichen Zuspruch und brachte ihn nach Köln. Lampert von Hersfeld
Die Fürsten bereichern sich nach dem Handstreich von Kaiserswerth (1062) Nachdem nun der junge König der Mutterentrissen und zur Erziehung in die Hände der Fürsten gekommen war, tat er wie ein Kind alles, was sie ihm vorschrieben: wen sie wollten, erhob er, wen sie wollten, verstieß er, und so kann man mit Recht sagen, daß sie nicht die Diener ihres Königs waren, sondern seine Herren. Während sie die Geschäfte des Reiches führten, sorgten sie weniger für das Reich als für sich selbst; in all ihrem Tun suchten sie vor allem anderen ihren eigenen Vorteil. Das Leben Kaiser Heinrichs IV.
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gen den Hochadel, also gegen die Fürsten, gerichtete Politik fortzusetzen und vor allem aus Bevölkerungsschichten unfreien stammende Ministerialen zu begünstigen. Zum anderen sollten einflußreiche Fürsten durch Belehnungen mit Herzogtümern an das Königtum gebunden werden. So erhielt 1057 der mächtigste Feudalherr im Südwesten des Reiches, Rudolf von Rheinfelden, das Herzogtum Schwaben als Lehen, und 1061 wurden der Sachse Otto von Northeim mit dem Herzogtum Bayern und der schwäbische Graf Berthold von Zähringen mit Kärnten belehnt. Das damit verfolgte Ziel, der Zentralgewalt ergebene Anhänger zu sichern, wurde, wie sich später zeigte, jedoch nicht erreicht. Gerade diese Herzöge leisteten am entschiedensten Widerstand und waren die bedeutendsten Gegner Heinrichs IV., als dieser später in verstärktem Maße versuchte, die politische Macht der Feudalgewalten zu beschneiden. Die erste gewaltsame Reaktion des opponierenden Feudaladels auf die Zentralisierungsbestrebungen der Kaiserin Agnes erfolgte bereits sechs Jahre nach ihrer Regentschaftsübernahme. Im Frühjahr 1062 führten einige mächtige Fürsten des Reiches unter Führung des ehrgeizigen Erzbischofs Anno von Köln einen entscheidenden Schlag: Der 12jährige Heinrich wurde zusammen mit den Reichsinsignien aus der Pfalz Kaiserswerth entführt. Anno von Köln wurde, weil sich der unmündige König ja nun in seiner Obhut befand, anstelle der Agnes Regent des Reiches. Die Fürsten nutzten die neue Lage sofort dazu aus, solche Maßnahmen rückgängig zu machen, die Agnes im Namen des Königs durchgeführt hatte, um die wirtschaftliche und politische Stärke der Feudalgewalten abzubauen. So mußten die Ministerialen die ihnen verliehenen Ländereien den ehemaligen Eigentümern zurückgeben. Durch Übergriffe auf das Eigentum des Königs, das sogenannte Königsgut, suchten die Fürsten ihre Machtbasis zu erweitern. Auf diese Weise büßte das Königtum vierzehn Reichsabteien ein.
Nordwestrand des Harzes, die
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Hasenburg und der Sachsenstein
Die Jugend Heinrichs IV. 11.11.1050 3.1051 November 1053
31.
17. 7.1054
24. 12. 1055
Anfang April 1062 26. 3.1065
Geburt Heinrichs IV. als Sohn Kaiser Heinrichs III. und seiner Gemahlin Agnes von Poitou Taufe (l. Lebensjahr) Wahl Heinrichs IV. zum König auf einer Reichsversammlung in Tribur (3. Lebensjahr) Weihe und Krönung Heinrichs IV. (4. Lebensjahr) Verlobung Heinrichsl.V. mit der im Kindesalter stehenden Berta von Turin in der Pfalz zu Zürich. (5. Lebensjahr) Entführung HeinrichslV. durch Erzbischof Anno von Köln von der Rheininsel Kaiserswerth (12. Lebensjahr) Schwertumgürtung HeinrichsiV. in Worms, der damit nach fränkischem (ripuarischem) Recht für mündig erklärt wurde (15. Lebensjahr)
Nach dem Handstreich von Kaiserswerth gingen die Kämpfe der Feudalherren untereinander um einen möglichst großen Anteil an der Macht im Reiche weiter. Als der Kölner Erzbischof Anno seinen Rivalen zu mächtig geworden war, suchten sie ihn vom königlichen Hofe zu verdrängen. Das gelang schließlich dem Erzbischof von Bremen, Adalbert. Aber auch er konnte sich nicht lange halten. Seine rücksichtslose, gegen den Adel in Sachsen betriebene Politik sowie seine Versuche, die Reichsklöster Korvey und Lorsch von Bremen abhängig zu machen, führten schließlich 1066 zu seiner Entlassung durch Heinrich IV.
Daran, daß Adalbert von Bremen so schnell wieder gehen mußte, hatten neben mißgünstigen Fürsten wahrscheinlich auch Ministeriale Anteil, die sich der „Gewaltherrschaft" des Erzbischofs widersetzten. Von dunkler Herkunft, wie sie der fürstenfreundliche Chronist Lampert von Hersfeld beschrieb, erwiesen sich die Ministerialen im Kampf zwischen König und Fürsten immer mehr als verläßliche Verbündete des Königtums. Seit dem Sturz Adalberts traten sie in der engsten Umgebung des Königs immer häufiger auf. Sie wurden am Hofe des Herrschers mit wichtigen Aufgaben betraut und bewähr12
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ten sich als Verwalter des königlichen Grundbesitzes. Diesen suchte Heinrich IV., nachdem er
Ostern 1065 für mündig erklärt worden war und nunmehr die Herrschaft im Reiche selbst ausübte, auszubauen. Zentren des Königsgutes befanden sich am unteren Main, am Mittelrhein, im östlichen Sachsen und in Thüringen. Vor allem das Gebiet zwischen Werra und Elbe mit dem Harz als Mittelpunkt erwies sich für die Pläne des Königs als besonders geeignet, seine Herrschaft zu festigen. In den zum Königsgut gehörenden Kerngebieten des Herzogtums Sachsen und des angrenzenden Thüringen gab es große Waldungen, aus denen durch Rodungen und Besiedlung neue, dem König unmittelbar unterstehende Herrschafskomplexe geschaffen werden konnten. Außerdem befand sich hier beträchtliches Königsgut, aus dem Heinrich IV. Ministeriale mit Land ausstattete. Pfalzen, Reichs-
abteien und Burgen, wie etwa Quedlinburg, Nordhausen, Eckhardtsberga, Goslar, Werla, Bodfeld und Sangerhausen, wurden zu Stützpunkten der königlichen Macht. Sie wurde vor allem durch den Burgenbau weiter gestärkt.
Solche neu angelegten Befestigungen waren die Harzburg, die Heimburg und die Steinbergburg am
im südwestlichen Harzgebiet sowie die Spatenburg bei Sondershausen. Heinrich IV. besetzte sie vor allem mit Ministerialen, die aus Schwaben stammten. Diese forderten von der ländlichen Bevölkerung rücksichtslos Frondienste für den Bau und für die Instandhaltung der Befesti-
gungsanlagen, erhoben Abgaben und griffen in die Marknutzungsrechte der Bauern ein. Der über das Vorgehen der Ministerialen erboste, dem König feindlich gesonnene, uns schon bekannte Chronist Lampert von Hersfeld schrieb darüber: „Täglich machten sie Ausfälle und raubten alles, was sie in den Dörfern und auf den Feldern fanden, erhoben unerträgliche hohe Abgaben und Steuern von Wäldern und Feldern und trieben oft, angeblich als Zehnt, ganze Herden weg. Die Landesbewohner selbst, darunter viele Hochgeborene und überaus Wohlhabende, zwangen sie, ihnen wie gemeine Hörige Dienste zu leisten... Wenn einer von ihnen wagte, über diese schmachvolle Behandlung aufzumucken, dann legte man ihn gleich in Ketten, als hätte er ein schweres
Unrecht gegen den König begangen." Der sächsische und thüringische Adel ereiferte sich vor allem deshalb gegen die Forderung von Frondiensten für den Burgenbau, weil dadurch letztlich die Machtposition des Königs gefestigt wurde. Außerdem beeinträchtigte die Belastung der Bauern mit Abgaben und Diensten die Interessen der Feudalherren dieses Gebietes, die selbst aus der Bevölkerung soviel als möglich herausholen wollten.
Neben dem Burgenbau war die Rückforderung von Königsgut, das sich der Adel in beträchtlichem Umfange eigenmächtig angeeignet hatte, eine wichtige Möglichkeit für Heinrich IV., im thüringisch-sächsischen Raum einen relativ geschlossenen königlichen Herrschaftsbereich zu schaffen. Dieser sollte Heinrich IV. als wirksamer Rückhalt im Ringen mit den Fürsten dienen. Deren Unmut über die vom König zielstrebig betriebene Politik, die Position der Zentralge-
walt dadurch zu stärken, daß er den Hochadel zugunsten der Ministerialen von der Regierung ausschloß und das Königsgut ausbaute, wuchs ständig. Unter diesen Umständen war es nur eine Frage der Zeit, wann es zu offenen Auseinandersetzungen zwischen den Fürsten und Heinrich IV. kommen würde. Als der König versuchte, den in Sachsen zwischen königlichen Gütern verstreut liegenden BeSitz Ottos von Northeim an sich zu bringen, kam es zum Zusammenstoß mit diesem Fürsten, der ähnlich wie der König am West- und Südrand des Harzes seine politische Position weiter auszubauen suchte. Die Kämpfe endeten im Januar 1071 mit der Unterwerfung Ottos, dem die bayerische Herzogswürde genommen wurde und der außerdem einen Teil seiner sächsischen Besitzungen an den König abtreten mußte. Damit hatte Heinrich IV. zwar einen ersten Erfolg errungen; die sich in Sachsen immer stärker regende Opposition der Feudalherren gegen diesen Teil seiner Zentralisierungspolitik, den königlichen Burgenbau, war damit aber keineswegs überwunden. Eine ernste Machtprobe zwischen König und Fürsten stand unmittelbar bevor. Schauplätze der Kämpfe wurden Sachsen und Thüringen. Die Überführung der Masse der freien Bauern in die feudale Abhängigkeit wurde seitdem 10. Jahrhundert durch Rodungsprivilegien beschleunigt. Die Besitzer von Fronhöfen orgenisierten, von Landgier getrieben, planmäßige Rodungen. Auch die noch freien Dorfgemeinden beteiligten sich an dieden Rodungen. So entstanden neue Ackerflächen und auf ihnen neue Siedlungen und Dörfer. Ihre Bewohner gerieten jedoch dadurch, daß die Privilegien zur Rodung des herrenlosen Landes meist nur an Fronherren gegeben wurden, von Anfang an in eine bestimmte Form der Abhängigkeit vom Fronherrn. Das ergab sich daraus, daß herrenloses Land (Wälder, Ödland, Gewässer) als königliches Land galt.
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Landwirtschaftliche Arbeiten 13
Aufstanö in Sachsen Die Erhebung flammte auf, als im Jahre 1072 der Herzog von Sachsen. Orduif, starb und Heinrich IV. zögerte, dessen Sohn Magnus als Nachfolger im Herzogtum einzusetzen. Der König konnte sich deshalb nicht so leicht dazu entschließen, weil Magnus sich gegen ihn gestellt und Otto von Northeim Unterstützung gewährt hatte. Noch wurde Magnus vom König in Haft gehalten. Was hatte Heinrich IV. vor? Wollte er womöglich ganz Sachsen seinem königlichen Besitz eingliedern und seiner Herrschaft direkt unterstellen? Die sächsischen „Großen", die sich durch die Stärkung der königlichen Machtposition in Sachsen ohnehin herausgefordert fühlten, stellten sich nun offen gegen Heinrich IV. Im Sommer 1073 schlugen sie los. An die Spitze des Aufruhrs trat als erklärter Feind des Königs der gedemütigte Otto von Northeim. Für den weiteren Verlauf der Erhebung war es wichtig, daß sich an ihr auch sächsische Bauern beteiligten. Sie waren vor allem da-
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durch hart betroffen, daß für die Errichtung von Burgen durch sie Abgaben und Frondienste geleistet werden mußten. Die sächsischen Feudalherren verstanden es sehr geschickt, den Haß der Bauern weiter zu schüren. So gelang es den sächsischen Fürsten, im Kampf gegen das Königtum zunähst den Widerstand der Bauern, der sich vor allem gegen die Bedrückung durch die Ministerialen richtete, zu mißbrauchen. Heinrich IV., der sich im Sommer 1073 in seiner Pfalz Goslar aufhielt, wurde dort von dem im August auflodernden Aufstand überrascht. Er floh und zog sich auf die Harzburg zurück. Doch ein Heer der Aufständischen, deren Angriffe in erster Linie gegen die im Lande errichteten Burgen, die Stützpunkte der königlichen Macht, zielten, zog auf die Harzburgzu. Heinrich mußte erneut fliehen. Nachdem er die Verteidigung der Burgen einigen ihm treu ergebenen Ministerialen übertragen hatte, verließ er verkleidet die Harzburg. Er entkam nach
Franken. Hatte der König geglaubt, bei den süddeutschen Fürsten Hilfe zu finden, so sah er sich enttäuscht. Sie dachten nicht daran, Heinrich beizustehen, waren sie doch wie die Feudalherren in Sachsen und Thüringen gegen die konsequente Zentralisierungspolitik des Königs eingestellt. Sie verweigerten ihm die geforderte Heerfolge. In dieser kritischen Lage traten im Reich zum ersten Mal die Städte aktiv als Bundesgenossen der Zentralgewalt aktiv hervor, von der sie Unterstützung im Kampf gegen die feudalen Stadtherrn erwarteten. Vor allem in den Städten am Rhein, die, verkehrsgünstig gelegen, wirtschaftlich zu erstarken begannen, fand der König Hilfe im Kampf mit seinen fürstlichen Gegnern. Als Heinrich IV. Sachsen fluchtartig verlassen mußte und seinen Widersachern weitgehend machtlos gegenüberstand, leisteten ihm die Ein verschuldeter Bauer wird in das Gefängnis gebracht.
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Bäuerlicher Abgabenkalender
Bürger von Worms die dringend benötigte Hilfe. Sie verjagten ihren Stadtherren, den Bischof Adalbert,
der den Einzug Heinrichs IV. in die Stadt verhindern wollte, öffneten dem König die Tore und gewährten ihm finanzielle Mittel sowie militärischen Beistand. Dafür erteilte
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Heinrich IV. der Stadt ein Zollprivileg. In der am 18.Januar 1074 der Stadt Worms ausgestellten Urkunde wird unter anderem erklärt: „Wir lernten sie (die Bürger – 15
Kanonische Wahlen
Entsprechend den von der Kirche anerkannten und für verbindlich erklärten Schriften der Bibel vollzogene Wahlen eines geistlichen Würdenträgers
Die Bürger von Worms unterstützen Heinrich IV. im Kampf gegen die Fürsten (1073)
Klerus
Alle Angehörigen des geistlichen Standes
Episkopat
Gesamtheit der katholischen Bischöfe in einem Land
Patriarch
In der christlichen Kirche Bischof in hervorgehobener StdRing
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Zentralgewalt
Bezeichnung für das Königtum sowie für die von ihm gegen den Widerstand der weltlichen und geistlichen Fürsten. den Partikulargewalten, ausgeübten Macht
S. E.) kennen, wie sie bei der gewaltigen Bewegung im Reiche ihre Anhänglichkeit mit großer und ausgezeichneter Treue bewiesen haben, obwohl wir doch für diese hervorragende Treue weder mündlich noch schriftlich, weder persönlich noch durch Boten oder irgend jemanden Anlaß gaben. Wir nannten ihre Treue deshalb so hervorragend, weil sie allein todesmutig und Wider Willen ihrer Herren uns anhängen, während alle Reichsfürsten ihre heiligen Treuschwüre brechen und gegen uns wüten... Sie mögen deshalb die ersten in der Belohnung ihres Dienstes sein... Sie, die allen in Pflichterfüllung und Treue voranstehen. Die Bewohner aller Städte aber", so heißt es weiter, „mögen durch die Hoffnung auf königliche Freigiebigkeit, wie sie die Wormser nunmehr erlangt haben, erfreut werden. Sie alle sollen lernen, wie sie dem König die Treue bewahren müssen." 16
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Hier wurde er von den Bürgern mit großem Gepränge in die Stadt eingeholt" diese hatten, um ihre Parteinahme für ihn noch deutlicher zu beweisen, kurz vorher die Kriegsmannen des Bischofs, die seinen Einzug verhindern wollten, aus der Stadt gejagt, und sie hätten den Bischof seiber gefangengenommen'und ihm in Ketten ausgeliefert, hätte er nicht in eiliger Flucht die Stadt verlassen. Beim Herannahen des Königs also zogen sie ihm bewaffnet und gerüstet entgegen, nicht um Gewalt zu brauchen, sondern damit er beim Anblick ihrer Menge, ihrer Rüstung, der großen Zahl kampfbereiter junger Männer in seiner Not erkenne, wie große Hoffnung er auf sie setzen könne. Bereitwillig geloben sie ihm Beistand, schwören ihm Treue, erbieten sich, jeder nach besten Kräften aus seinem Vermögen zu den Kosten der Kriegführung beizutragen, und versichern ihm, zeit ihres Lebens treu ergeben für seine Ehre kämpfen zu wollen. So hatte nun der König eine sehr stark befestigte Stadt in Händen, und sie war seitdem sein Hauptquartier, sie war die Schutzwehr seines Thrones, sie war für ihn, wie auch die Entscheidung fallen würde, ein sicherer Zufluchtsort, denn sie war volkreich, sie war wegen der Stärke ihrer Mauern uneinnehmbar, sie war infolge der Fruchtbarkeit der Umgebung außerordentlich reich und aufs beste mit allen für einen Krieg notwendigen Vorräten versehen.
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Lampert von Hersfeld rx Der Beistand der Wormser Bürger und die Hilfe der Ministerialen ermöglichten es Heinrich IV. schließlich, mit einem kleinen Heer an die hessisch-thüringische Grenze vorzudringen. Da sich die Stärke der königlichen Streitmacht aber nicht mit dem militärischen Aufgebot der sächsischen und thüringischen Fürsten messen konnte und für größere kriegerische Aktionen zu schwach war, suchte Heinrich IV. durch Verhandlungen seine Position gegenüber den Aufständischen zu festigen. Durch Konzessionen wollte der König den Adel kompromißbereit machen. So versprach er, Otto von Northeim, den einflußreichen Anführer der Erhebung, wieder in das ihm entzogene Herzogtum Bayern einzusetzen, und erklärte sich bereit, die Wünsche der Fürsten zu erfüllen. Der aus Magdeburg stammende Verfasser des Werkes „Lied vom Sachsenkrieg", Bruno, formulierte die Bedingungen so: Der König müsse
seine Burgen schleifen und dürfe sie nie wieder herstellen; er dürfe ihr Land nicht mehr plündern und müsse in Sachsen alle Anordnungen nach dem Rat der Sachsen (des sächsischen Adels — S. E.)treffen. Er dürfe keinen Mann aus fremdem Stamm als Berater bei den Angelegenheiten hinzuziehen (d. h. keine schwäbischen Ministerialen — S.E.) und sich niemals an einem von ihnen (den Fürsten - S.E.) wegen seiner Vertreibung rächen. Diese wichtigen Forderungen akzeptierte der König in dem am 2. Februar 1074 in Gerstungen geschlossenen Frieden zunächst weitgehend, erfüllte sie dann aber nur teilweise. So suchte er Vorwände, „um seine Burgen nicht sogleich ... zerstören zu müssen. Als einige unserer Fürsten sahen", so berichtet der Chronist Bruno, „daß er die Sache hinauszuschieben trachtete, rieten sie ihm zu Gefallen,die Hauptburg, die er erhalten wollte, einem sächsischen Fürsten
scheinbar zu übergeben, bis sich der Volkszorn ein wenig gelegt habe, dann könne die Burg seinem Wunsche gemäß unversehrt erhalten bleiben. Das Volk bestand nämlich ausdrücklich auf ihrer Schleifung und betonte, es werde sich sofort von neuem erheben, wenn
auch keine Hilfe für die Stadt, als es dem Erzbischof schließlich gelang, nach Köln zurückzukehren und den Aufstand niederzuwerfen. Warum half der König der Stadt Köln nicht? Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer davon ist, daß Heinrich IV. im Frühjahr 1074 gerade erst einen Kompromiß mit den Fürsten ausgehandelt hatte und diese erzielte Übereinkunft nicht durch eine Parteinahme zugunsten der Bürger gegen den mäch-
Goslarer Münze mit dem Bildnis Heinrichs IV. Die Kaiserpfalz zu Goslar
das nicht geschehe." Damit deutet sich eine Entwicklung an, die darauf hinauslief, daß der Adel die Interessen seiner bäuerlichen Verbündeten schließlich verriet. Diese drangen, als Heinrich IV. in der Burgenfrage nichts unternahm, gegen den Willen des Adels in die Pfalz Goslar ein, wohin der König zurückgekehrt war. Er suchte die erregte Menge mit der Zusage zu beschwichtigen, er werde alle Befestigungsanlagen unter der Bedingung abbrechen lassen, daß „Sachsen und Thüringer" ihre neu erbauten Burgen ebenfalls niederlegten. Die Adligen dachten jedoch wie Heinrich IV. nicht daran, in dieser Richtung aktiv zu werden, da beide auf Festungen zur Beherrschung ihrer Untergebenen nicht verzichten konnten. Als die Bauern merkten, daß sie hintergangen werden sollten, daß König und Fürsten sich hinsichtlich der bäuerlichen Hauptforderung, die Burgen abzubrechen,
auf Kosten der Bauern geeinigt hatten, griffen sie zur Selbsthilfe. Ohne Wissen des sächsischen Adels rissen sie die Harzburg, „das Joch Sachsens", nieder, zerstörten die Feste „und ließen nicht einmal die Fundamente der gewaltigen Mauern in der Erde". Im Frühjahr des Jahres 1074 kam es innerhalb des deutschen Feudalstaates nicht nur zu Erhebungen von Bauern, wie im sächsischthüringischen Raum, sondern auch zu Aufständen der Städtebürger gegen ihre Herren. Das Beispiel, das 1073 Worms gegeben hatte, zündete im April 1074 in Köln. Als dort der Erzbischof Anno ein Schiff eines Kölner Kaufmanns in seine Gewalt brachte, bewaffneten sich die ergrimmten Bürger. Sie gingen gegen den Erzbischof vor, der gerade noch fliehen konnte. Die Stadtbewohner baten den König, die Stadt unter seinen Schutz zu stellen - doch ohne Erfolg. Der König entsandte
tigen Erzbischof Anno von Köln gefährden wollte. Ein anderer, sehr wichtiger Grund war der; Die herrschende Klasse, der König eingeschlossen, stand damals noch ganz unter dem Eindruck der Zerstörung der Harzburg wenige Wochen zuvor. Sie führte allen Feudalherrren, den großen wie den kleinen, in alarmierender Weise die Gefahren vor Augen, die die Aktivität der Volksmassen, besonders der bewaffneten Bauern in sich barg. Vor allem die süddeutschen Fürsten, die noch im Herbst 1073 dem König jede Hilfe verweigert hatten, hielten deshalb ein Zusammenwirken aller Feudalgewalten, zumindest vorübergehend, für geboten und unterstützten Heinrich IV. militärisch. Auch sächsische Adlige, wie Otto von Northeim und Udo von der Nordmark, die zunächst auf der Seite der sächsischen Bauern gekämpft hatten, ergriffen die Flucht, als sich die Überlegenheit 17
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des königlichen Heeres abzeichnete. Viele sächsische Fürsten ließen ihre bäuerlichen Bundesgenossen fallen. Der Klassenkampf zwischen Bauern und Feudalherren verschärfte sich erneut. Die Bauern waren in den nun folgenden bewaffneten Auseinandersetzungen mit den Feudalgewalten und dem Heer des Königs weitgehend auf sich gestellt. Ihr Kampfesmut war jedoch ungebrochen. Die Bauern waren fest entschlossen, ihren Bedrückern mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln entgegenzutreten: „Alle Bauern zerbrachen ihr Ackergerät und machten Waffen daraus, an schwere Hacken schmiedeten sie zweischneidige Schwerter aus gebogenen Sicheln, und auf Stangen setzten sie Spitzen. Ein Teil hängte leichte Schilde an die Linke, die einen machten aus Eisen eine Art Reiterhelm, die anderen aus dreifachem Filz; eichene Knüppel für den Kampf bereiteten sie zu Tausenden und beschwerten sie mit Blei und Eisen. Auf vielfache Art bewaffneten sich die Bauernhaufen zum Kriege." So werden im „Lied vom Sachsenkrieg" die Rüstungen der Bauern geschildert. Im Juni 1075 stieß das wohlbewaffnete, südlich des aufgestellte Waldes Thüringer Heer HeinrichslV. auf die sächsische Streitmacht. Das Aufgebot der Bauern wurde schließlich nach erbittertem Kampf von den überlegenen und kriegserfahrenen Streitkräften des Königs und anderer Feudalherren in der Schlacht bei Homburg an der Unstrut am 9. Juni 1075 geschlagen. Als Heinrich IV. im Herbst einen nochmaligen Feldzug gegen verschiedene sich noch widersetzende sächsische Adlige plante, verweigerten nunmehr die Herzöge Rudolf von Schwaben und Berthold von Kärnten die Heerfolge, da sich die bewaffnete Aktion des Königs nach der Niederlage der Bauern nun in erster Linie gegen die sächsischen Feudalherren gerichtet hätte und damit einer Stärkung der Zentralgewalt zugute gekommen wäre. Dennoch gelang es HeinrichlV. schließlich, die Kapitulation der sächsischen Fürsten zu erreichen. Sie unterwarfen sich im 18
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Schilderung der Kämpfe um die Heimburg (1073) Diese hoch auf dem Berg gelegene Burg umzingelten also 3000 Mann im Schweigen der Nacht. Kaum erwarteten sie den Tag, da stürmten sie mit aller Macht den Berg hinauf und versuchten, ihn im Kampf zu ersteigen; mittels eines Schutzdaches suchten sie den feindlichen Geschossen zu entgehen, von allen Seiten drangen sie heran und erklommen den Abhang; die Rechte half beim Klettern, während die Linke die Waffen trug. So stiegen sie hinauf und näherten sich schon der Umwallung, da sahen sie plötzlich tapfere Feinde von oben gegen sie heranstürmen, völlig zum Kampf gerüstet. Großes Geschrei erhob sich sofort auf beiden Seiten, Geschosse, von weit her geschleudert, rissen zahlreiche Wunden. Dann kämpfte man mit dem Schwert, ein erschreckender Anblick. Da gab es kein Zögern, kein Ruhen; die Burgmannen als die besseren Krieger schlugen das Volk aus dem Feld und in die Flucht,...
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Die Zerstörung der Harzburg im Frühjahr 1074 Sie zerstörten die Mauern, erbrachen die königliche Schatzkammer, Schätze und neue, goldstarrende Kultgewänder, goldene Gefäße, Rauchfässer, Schalen und Herrschaftszeichen raubten sie in großer Zahl, äscherten die Gebäude ein und sogar gegen Gott wandten sie die Waffen ihrer Raserei: sie drangen in die Kirche ein, rissen von den heiligen Altären den goldenen Zierat, zerstörten Bilder und Schreine und den Geistlichen, die schon ihren heiligen Dienst versahen, rissen sie die Gewänder vom Leib und wagten es, sie mit Fäusten zu schlagen, goldene Kreuze mit ihren blutigen Händen zu zerstückeln und die Gräber der Toten zu schänden, indem sie die Gebeine zerstreuten; es gab keine Schreckenstat, die sie nicht vollführten
Aus: Das Lied vom Sachsenkrieg
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Oktober 1075 in der Ebene von rungen. Doch sollte sich bald zei- wenden. Im Papsttum fand sie bald einen mächtigen Verbündeten. Spier bei Sondershausen. gen, daß sich diese noch längst Damit hatte Heinrich IV. einen nicht geschlagen gab. Sie wartete eindrucksvollen Sieg über die nur auf eine günstige Gelegenheit, Adels- und Fürstenopposition er- sich erneut gegen den König zu
Reform ber Kirche Gehen wir noch einmal zurück bis in das Jahr 1046. Der damals von Heinrich 111. eingesetzte Papst Clemens!!. und sein Nachfolger, der im Dezember 1048 auf den „Stuhl Petri" erhobene Bischof von Toul, Papst Leo IX., waren Anhänger einer Reformbewegung. Diese begann sich seit dem Ende des 10. Jahrhunderts und Anfang des 11. Jahrhunderts von Frankreich und Lothringen aus zu verbreiten und zielte darauf ab, das stark zurückgegangene Ansehen von Kirche und Klöstern wiederherzustellen. Strenge Einhaltung der Klosterregel, Keuschheit, verbesserte Bewirtschaftung der Klostergüter waren einige der wichtigsten Forderungen der Mönche des lothringischen Klosters Gorze bei Metz, von dem die reformerischen Aktivitäten ausgingen. Diese Forderungen, die zu Beginn des 11.Jahrhunderts auch in das Rheingebiet, nach Bayern, Schwaben und Hessen getragen wurden, hatten die Unterstützung der deutschen Zentralgewalt. Sie suchte das durch Reform gehobene wirtschaftliche Leistungsvermögen der Klöster für ihre Belange zu nutzen. Diese guten Beziehungen der deutschen Könige und Kaiser zu den Reformern verschlechterten sich jedoch in dem Maße, wie diese weitergehende Ziele verfolgten. Hier sind vor allem die Mönche des Klosters Cluny in Burgund zu nennen, bei denen sich im 10. Jahrhundert ebenfalls ein Zentrum kirchlicher Reformbestrebungen herausgebildet hatte. Damals fehlte in Frankreich eine starke handlungsfähige Zentralgewalt. Ständige Adelsfehden zogen das Land in Mitleidenschaft. Die
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weltlichen Feudalherren plünderten den Kirchenbesitz, viele Klöster verarmten, die Mönchsregeln wurden kaum noch beachtet. Die Mönche sah man eher bei Schmausereien und Gelagen als in der Kirche oder bi frommen Übungen. Die Klostergebäude verfielen, Un-
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kraut und Gestrüpp wucherten in den Kreuzgängen derKlöster. Durch Reformen sollte diesen in den verschiedenen Klöstern aufgetretenen Mißständen begegnet werden. Im Gegesatz zu den gemäßigten 19
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Reformzielen des Klosters Gorze beschränkten sich die Mönche des Klosters Cluny, die Cluniazenser, jedoch nicht darauf, den Verfall des Mönchtums zu überwinden und die klösterliche Zucht zu heben. Die Cluniazenser Reformrichtung war vielmehr bestrebt, die Klöster aus der Abhängigkeit von weltlichen Feudalgewalten herauszulösen und sie schließlich ganz davon zu befreien. Letztlich mußte sich der Stoß dieser Reformrichtung auch gegen den deutschen König richten, der ja in der kaum Verfügungsgewalt beschränkten über geistliche Institutionen die wichtigste innenpolitische Stütze seiner Herrschaft erblickte. Für die weitere geschichtliche Entwicklung fällt ins Gewicht, daß das Papsttum, das die cluniazensischen Reformvorstellungen in seinem Interesse wesentlich weiterentwickelte, seine wirtschaftliche Position stärken konnte, auf diese Weise seine politische Stellung in der Feudalgesellschaft festigte und allmählich immer mehr an Einfluß gewann.
Kloster Cluny
Heinrich IV. verfügt selbstherrlich über Reichsabteien, die er als königliches ‚Eigentum' betrachtet Heinrich IV. hatte die Reichsabtei Lorsch am 6. Sept. 1065 dem Erzbischof Adalbert von Bremen geschenkt; dem widersetzte sich Abt Udalrich, und die Vasallen des Klosters erbauten sogar eine Burg. Daraufhin richtete der König an den Abt folgendes Schreiben: „Heinrich, durch Gottes Gnade König, versichert Abt Udalrich einstweilen noch seiner Gunst. Wir wundern uns, dich, dem mehr als allen Gehorsam ziemt, ungehorsam zu sehen, ohne daß du bedenkst, was du bist, und daß du nicht ungestraft handeln kannst. Wir hörten nämlich, daß du einen Aufruhr erregen willst; aber du überlegst nicht sehr klug, was das Ende dieses Aufruhrs sein wird. Daher ist es unser Wille und befehlen wir nachdrücklich bei unserer Gnade, daß du ohne Zögern am Fest Allerheiligen (1. Nov.) zu uns nach Goslar kommst, falls du in unserem Reich noch etwas gelten willst."
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Das war der Titel einer Schrift, die 1058 der einflußreiche Geistliche und radikale Reformanhänger Kardinal Humbert von Silva Candida vorlegte. In seiner Programmschrift erweist sich Humbert als energischer Verfechter des prinzipiellen Vorranges der geistlichen Gewalt vor aller weltlichen. In den Auffassungen Humberts verhielten sich Staat und Kirche wie Leib und Seele, Glieder und Haupt, Mond und Sonne. So wie die Seele den Körper leite und lenke, so befehle die geistliche Gewalt dem König, dessen Pflicht es sei, dem Wort der Kirche Folge zu leisten. Humbert wendet sich in scharfen Worten gegen die Simonie, also den Schacher mit geistlichen Ämtern. Doch nicht allein die Vergabe oder der Erwerb kirchlicher Würden für Geld waren für ihn Simonie, sondern auch der Empfang geistlicher Ämter aus Laienhand überhaupt, und als Laien im kirchlichen Sinne sah er
auch den König an. Es sei eine unerhörte Anmaßung, wenn Laien Geistliche mit Ring und Stab versähen und in ein Amt einsetzten. „Ich selbst erinnere mich", schrieb Humbert, „gesehen zu haben, wie einzelne (der Bischöfe—S. E.)durch weltliche Fürsten durch die das Hirtenamt verleihenden Stäbe und Ringe mit Bistümern und Abteien investiert wurden, und daßderen Metropoliten (Erzbischöfe - S.E.) obwohl sie anwesend waren, nicht herbeigezogen wurden und es nicht wagten, irgendwie dagegen zu mucksen." Ein König, der sich simonistischer Handlungen schuldig mache, sei alles andere, nur kein gottgewollter Herrscher. In diesem Zusammenhang erhebt Humbert gegen Könige und Fürsten schwere Vorwürfe. Sie trieben mit dem Gut der Kirche Handel, vernachlässigten ihre Herrscherpflichten, indem sie ihre Bestrebungen darauf richteten, die kirchlichen Besitztümer an sich zu reißen. Ja, mehr noch.
Der König versuche, überhaupt in der Kirche zu herrschen. Auf den Synoden hätte er den Vorsitz, und alles werde nach seinem Urteil entschieden. Bei den Bischofswahlen gäbe das königliche Wort den Ausschlag und nicht das der Metropoliten. Das sei gegen alles Recht. Überhaupt hielten die Könige seit der von Otto 1. vorgenommenen Erneuerung des römischen Kaisertums, die Kirche in ärgster Knechtschaft. Das war eine deutliche Kampfanansage an das Reichskirchensystem und damit an die dominierende Stellung, die der deutsche Herrscher als Priesterkönig in der Kirche einnahm. Humbert begnügte sich indes keineswegs nur damit, sich mit starken Worten gegen das traditionelle Schalten und Walten der Herrscher im kirchlichen Bereich zu wenden. Er ging noch einen wichtigen Schritt weiter und appellierte an das Volk, die Gegner der von ihm geforderten Reformen zu verjagen.
Ein weiterer wichtiger Schritt zur Zurückdrängung des Einflusses weltlicher Mächte auf kirchliche Angelegenheiten wurde auf einer Synode getan, die am 13. April 1059 in Rom unter Papst Nicolausil. zusammentrat. Diese Synode erkannte den von Kardinal Humbert erweiterten Bedeutungsinhalt des Begriffes Simonie ausdrücklich an und verwarf jede Investitur geistlicher Würdenträger durch Laien entschieden. Ganz im Sinne der radikalen Reformanhänger wurden außerdem auch die Laien zum Widerstand gegen ungehorsame Priester aufgerufen. Ihre besondere Bedeutung erhielt die Synode jedoch durch die von
ihr beschlossene Neuordnung der Papstwahl, die traditionsgemäß „Klerus und Volk" von Rom zustand. Jetzt wurde festgelegt, daß nach dem Tode eines Papstes die Kardinäle die Wahl eines neuen Papstes vorzunehmen hatten. Der Wandel in den Beziehungen zwischen Zentralgewalt und Kurie wurde daran deutlich, daß die dem deutschen Herrscher zustehenden Rechte in nur sehr unverbindlicher Form erwähnt werden. Hatte Heinrich III. im Jahre 1046 noch souverän in die Geschicke des römischen Papsttums eingegriffen, so wurde nun lediglich davon gesprochen, man solle dem König die „schuldige Ehre" erweisen.
Was darunter zu verstehen war, wurde nicht gesagt. Praktisch wurde der Einfluß des Kaisers bei der Papstwahl auf ein Zustimmungsrecht beschränkt. Aber selbst dieser letzte Rest einstiger kaiserlicher Machtfülle wurde als päpstlicher Gnadenerweis angesehen. Da kein Mensch, kein König und kein Kaiser die römische Kirche gegründet habe, so dürfe auch niemand ein Vorrecht in dieser Kirche beanspruchen, werde dennoch einem Laien eine Mitwirkung gestattet, dann wäre dies ein Geschenk, das die Kirche zurücknehmen dürfe. Insgesamt gesehen wurden die bisher bei der Wahl eines Papstes Einwirkungsmögexistierenden 21
lichkeiten des römischen Adels und gewalt wurde immer mehr zum Dinge trieben der Entscheidung zu, der deutschen Zentralgewalt aus- Schlachtruf, unter dem das Reform- als mit Gregor VII. eine überrageschaltet. Freiheit für die Kirche papsttum seine Getreuen in den gende Persönlichkeit an die Spitze von jeglicher weltlichen FeudalKampf zu führen gedachte. Die der römischen Kirche trat.
Daß Papottum rüstct 3um Kampf Im Gefolge Papst Leos IX. war 1049 auch ein Mann nach Rom gekommen, der in den folgenden Jahrzehnten die künftigen Geschicke des Papsttums in tiefgreifender Weise beeinflußte. Sein Name war Hildebrand. Dieser als Sohn eines Bauern in der Toskana geborene Geistliche wurde unter Papst Nicolaus 1059 Kardinal. Man nannte Hildebrand das „scharfsichtige Auge des Papstes". Tatsächlich wurde er zu einem der einflußreichsten Akteure an der römischen Kurie, deren weitere ökonomische Stärkung, straffe Zentralisierung Lind politische Festigung er entschlossen vorantrieb. Im April 1073 wurde er von radikalen Reformanhängern als Gregor VII. zum Papst gewählt. Er suchte die der Kurie aus kirchlichen Besitzungen zufließenden Einkünfte und finanziellen Leistungen zu steigern. Hand in Hand mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen gingen außerdem Versuche, das Ansehen des Reformpapsttums bei der Geistlichkeit außerhalb Italiens ganz allgemein zu stärken. Auf dreifache Weise forcierte Gregor VII. die in diesem Zusammenhang unternommene Zentralisierung der Kirche. Hatten etwa bis Papst Leo IX. in den einzelnen Kirchenprovinzen von Erzbischöfen geleitete Synoden überwogen, so wurden nun die in Rom vor Ostern stattfindenden, vom Papst geleiteten sogenannten Fastensynoden zu einer bleibenden Einrichtung. Die geistlichen Würdenträger aus den verschiedenen europäischen Ländern hatten hier zu erscheinen, um päpstliche Weisungen entgegenzunehmen. Fanden Provinzialsynoden statt, so führten vom Papst eigens dafür eingesetzte Legaten den Vorsitz. Aktivitäten auf miii22
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tärischem und politischem Gebiet runden das Bild ab. Auch hier konsolidierte das Reformpapsttum seine Stellung. Ganz wesentlich für die Stärkung des Reformpapsttums fiel schließlich ins Gewicht, daß es mit der von
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Dictatus Papae (Papstdekret) vom März 1075
Kardinal Humbert erhobenen Forderung Ernst machte, den Widerstand des Volkes gegen Widersacher der Kirche zu mobilisieren -
Investitur
(lateinisch: investire) Einsetzung eines Geistlichen, z. B. eines Bischofs oder Erzbischofs in sein Amt Ministerialen
Personen unfreier Herkunft, die, seit dem 10. Jahrhundert mit Dienstgütern und Einkünften versehen, als Verwalter von Hofämtern in der unmittelbaren Umgebung des Königs eine wichtige Rolle spielen Metropolit
Vorsteher einer Kirchenprovinz, Erzbischof Synode
Kirchenversammlung Römische Kurie
Hofstaat des Papstes, einschließlich der römisch-katholischen Kirche eine Haltung, die im Gegensatz zu der bisher vom Papsttum verfolgten Politik stand, gegen die Obrigkeit keineGewalt zuzulassen. Besonders deutlich kam dies am Beispiel Mailands zum Ausdruck, das in Oberitalien eine beherrschende Stellung einnahm. Als sich hier um die Mitte des Ii. Jahrhunderts die Stadtbewohner gegen den kaisertreuen Erzbischof und den Teil des Klerus erhoben, der die Reformgrundsätze mißachtete, griff das Papsttum entschlossen ein. 1059 verbündete es sich mit der städtischen Opposition Mailands. Sechs Jahre später erhielt Erlembald, der Führer der „Pataria", wie sich dieser Bund der Oppositionellen, wahrscheinlich nach dem Stadtviertel der Trödler und Lumpenhändler, nannte, von Alexander!!, eine Petrusfahne und wurde damit Vasall Roms. Aber nicht nur in der Stadt, sondern auch bei der ländlichen Bevölkerung blieb der Appell des ReformpapstGefährdung der Christen durch den Teufel Pontifex als Beschützer der Kirche (der oberste Priester, der Papst)
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tums, unter der Losung „Freiheit und Reinheit der Kirche" gegen ungehorsame, also simonistische oder verheiratete Priester vorzugehen, nicht ungehört und nicht ohne Folgen. Priester, die das Zölibat nicht einhielten, wurden verhöhnt und mißhandelt. In Schwaben, wo die von dem Kloster Hirsau ausgehende Reformbewegung die Simonie entschieden verwarf, verbrannten Bauern auf ihren Feldern den Getreidezehnten, damit er nicht in die Hände unwürdiger Priester kam. Die von verheirateten Priestern geweihten Hostien wurden von den Gläubigen mit Füßen
In Angesichts dieser Situation war es selbstverständlich wichtig, wie sich der deutsche Klerus gegenüber den immer entschiedener erhobenen Forderungen des Reformpapsttums verhielt. Da gab es mehr Streitpunkte als Übereinstimmung. Vor allem waren die päpstlichen Legaten, die Synoden in Deutschland abhielten, ohne sich um das Einberufungsrecht der Bischöfe zu kümmern, äußerst unbeliebt. Verweigerten die geistlichen Würdenträger den Legaten den Gehorsam, so wurden sie vor den Papst nach Rom geladen und mußten sich dort verantworten. Kamen sie nicht, wurden sie ihrer Ämter enthoben. Das mußte auch Erzbischof Liemar von Bremen erleben. Er schrieb über Gregor voller Zorn: „Der gefährliche Mensch gedenkt, was er will, den Bischöfen wie seinen Gutsverwaltern zu befehlen. Und wenn sie nicht alles getan haben, werden sie nach Rom kommen oder ohne geabberufen." Urteil richtliches Geschickt suchte Heinrich IV. die Mißstimmung der geistlichen Würdenträger für sich auszunutzen und deren Sympatie für die königliche Politik zu gewinnen. Der Papst war gewillt, sich durchzusetzen. Er war fest entschlossen, sich regende Widersetzlichkeiten 24
getreten, der beim Abendmahl gereichte Wein wurde absichtlich verschüttet, die Beichte und die letzte Ölung wurden ebenso verschmäht wie ein kirchliches Begräbnis, wenn der Priester zu den „Ungehorsamen" gehörte. Laien begannen, Kinder selbst zu taufen in dem Glauben, die Sakramente besser verwalten zu können als solch ein Priester. Wenn die Gläubigen schließlich die Weihe durch einen simonistischen Priester ablehnten, so taten sie genau das, was Gregor VII. 1074 in einem Brief an den Erzbischof von Mainz gefordert hatte.
Die Unvermeidlichkeit des Zusammenstoßes des Papsttums und des deutschen Königs resultierten aber nicht allein aus dem Reichskirchensystem in Deutschland. Vielmehr wurden die Spannungen durch die deutsche Italienpolitik, durch die Herrschaft des deutschen Königs über Bistümer in Ober- und Mittelitalien entscheidend verschärft. Auf Eingriffe der deutschen Herrscher in Gebiete südlich der Alpen reagierte das Papsttum besonders empfindlich, so daß der Gegensatz zur deutschen Reichsgewalt schließlich unüberwindlich wurde.
itet)nBißchöfe zu bestrafen, „den Trotz der Ungehorsamen" zu bändigen, wie Gregor in einem Brief an den Erzbischof vom Reims im März 1075 schrieb. Im Frühjahr 1075 ließ Gregor VII. seine von ihm mit immer stärkerem Nachdruck verfochtenen Grundgedanken in 27 Thesen niederlegen. Der Inhalt der in das Briefregister des Papstes eingetragenen Thesen des „Dictatus Gregorii Papae" läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: 1. Der Papst ist der unumschränkte Herr der Universalkirche. Er hat den absoluten Vorrang vor allen kirchlichen Würdenträgern in Westeuropa und vor dem Patriarchen in Konstantinopel. Er kann Metropoliten und Bischöfe ab- und einsetzen. Seine Legaten stehen über den Bischöfen. 2. Der Papst ist der oberste Herr der Welt. Er allein trägt kaiserliche Insignien, die also in keiner Weise ein besonderes Symbol weltlicher Herrschaft sind. Tatsächlich war die Tiara, die päpstliche Kopfbedeckung, mit einem Kronreif geschmückt. Ende des 13. Jahrhunderts gesellte sich dazu ein zweiter und im 14.Jahrhundert ein dritter Kronreif. Weiter wurde festgelegt, daß alle Fürsten dem Papst die Füße zu
küssen haben. Er kann Kaiser absetzen und weltliche Untertanen vom Treueid lösen. Der Papst steht unter dem besonderen Schutz des Apostels Petrus. Der rechtmäßig gewählte Papst wird durch die Verdienste des Petrus heilig. Er darf von niemandem gerichtet werden. Kein Zweifel: aus der alten Reformforderung nach Freiheit von weltlicher Gewalt war nunmehr endgültig der Anspruch auf Vorrang der Kirche vor allen weltlichen Dingen geworden. Nur noch wenige Monate vergingen, und es entluden sich die ständig gewachsenen Spannungen zwischen Gregor VII. und Heinrich IV., der in wesentlichen Grundzügen seiner Politik in diametralem Gegensatz zu dem stand, was der Papst dachte und wollte. Der Konflikt entzündete sich da, wo die Auffassungen am weitesten auseinandergingen: an der Investiturfrage. Im Herbst 1075, nach der Niederwerfung des Sachsenaufstandes, wandte sich Heinrich IV., der die Grundlagen seiner Herrschaft wieder gefestigt glaubte, erneut Italien zu. Hier, im Norden des Landes, in Mailand, setzte Heinrich IV. einen neuen Erzbischof ein. Gleichzeitig ernannte der König in •den etwa 100 Kilometer von Rom
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Investitur eines Bischofs. Überreichung des Stabes durch den König Heinrich IV. auf seinem ersten Kaisersiege!. Umschrift: Heinricus D(ei) gr(atia) ter ciu Romanoorum imperator aug(ustus) entfernt gelegenen Orten Fermo und Spoleto neue Bischöfe. Aber genau das, Bischöfe einzusetzen, also Bistümer zu vergeben, hatte Gregor VII. im Februar 1075 dem König untersagt. Am 8. Dezember 1075 sandte er unverhüllt einen Heinrich IV. feindseligen Brief, der nichts anderes als ein Ultimatum war. In ihm wird der König hart dafür getadelt, daß er noch immer nicht die aus der Kirche ausgestoßenen Ratgeber aus seiner Umgebung entfernt habe. Ganz entschieden verbietet der Papst Heinrich IV., sich in irgendeiner Weise in die Angelegenheiten der Stadt Mailand einzumischen. War schon der Wortlaut des Briefes drohend, so noch mehr die geheime Botschaft, die die Überbringer des Schreibens dem König mündlich zu übermitteln hatten. Sie sollten Heinrich IV.
klarmachen, zu erwarten habe, falls er sich unmißverständlich daß er nicht die erhoffte Kaiser- nicht schleunigst dem päpstlichen krönung, sondern den Ausschluß Willen unterwerfe und unverzügaus der Kirche und die Absetzung lich Buße tue. 25
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Kaiser Heinrich IV.
Kampfanoage König Heinrich IV. Den Brief und die Drohung des Papstes erhielt Heinrich IV. am Neujahrstag des Jahres 1076 in seiner Pfalz Goslar, wo man auf einem glanzvollen Hoftag soeben den schwer erkämpften Sieg über die sächsischen Rebellen gefeiert hatte. Heinrich IV. sah sich auf einem Höhepunkt seiner Macht. Gegenüber Gregor VII. konnte er zunächst auf Unterstützung durch den deutschen Episkopat rechnen, hatte doch einer seiner namhaftesten Vertreter, der Bremer Erzbischof, in gekränktem Selbstgefühl
den Papst „einen gefährlichen Menschen" genannt, der die Bischöfe schikaniere. Außerdem vernahm man am königlichen Hofe gerüchteweise, daß am Weihnachtstag 1075 ein bewaffneter Haufen, von einem erklärten Feind Gregors geführt, den Papst in der Kirche Santa Maria Maggiore überfallen, mißhandelt, der Gewänder beraubt und in seine Gewalt gebracht hatte. Selbst im Kardinalskollegium regte sich Widerstand. Alles in allem schien die Lage für einen wirkungsvollen Gegen-
schlag Heinrichs IV. günstig zu sein. Er berief unverzüglich die Reichsversammlung und eine Synode nach Worms, an der neben den weltlichen Fürsten 24 deutsche Bischöfe sowie je ein Bischof aus Italien und Burgund teilnahmen. Der lange angesammelte Groll der geistlichen Würdenträger über den päpstlichen Zentralismus brach nun offen hervor. In einem von den Bischöfen unterschriebenen Absagebrief, in dem der Papst bezeichnenderweise nicht mehr mit seinem offiziellen Titel, son27
dern als „Bruder Hildebrand" angesprochen wurde, wurden schwere Vorwürfe erhoben. Er wolle die bischöfliche Amtsgewalt untergraben, säe überall Zwietracht, bedrohe Frieden und Ordnung in der Kirche und habe unter Verletzung des Papstwahldekretes von 1059 den „Stuhl Petri" bestiegen. Daher könnten sie „Hildebrand" nicht länger als kirchlichen Oberhirten anerkennen und kündigten ihm den Gehorsam auf. Der König selbst bezeichnete in einem ebenfalls an „Hildebrand" gerichteten und nach Rom geleiteten Schreiben Gregor VII. als „verderblichsten Feind unseres Reiches", der den König seiner ererbten Würde berauben wolle und Italien seiner Herrschaft zu entfremden suche. Er habe den Episkopat geschädigt und schließlich gedroht, er wolle entweder sterben oder dem König Leben und Herrschaft nehmen. Daher schließe er, Heinrich IV., sich dem bischöflichen Urteil an, entsetze ihn aller Rechte des Papsttums und befehle ihm, abzutreten. Indem der König den Inhalt dieses Briefes „Klerus und Volk von Rom" mitteilen ließ und sie zum Widerstand gegen den „Feind Hildebrand" aufrief, tat er einen ersten Schritt, um seinerAufforderung an Gregor VII. zum Rücktritt die Tat folgen zu lassen.„Erhebt Euch, Ihr Getreuesten, also gegen ihn" so heißt es, „und der in der Treue zuerst stehende sei der erste in seiner Verurteilung! Doch wir sagen nicht, daß Ihr sein Blut vergießt, da ja für ihn nach seiner Absetzung das Leben eine größere Strafe als der Tod ist, sondern daß Ihr ihn, wenn er etwa nicht von seinem Stuhl herabsteigen wolle, dazu zwingt ..." Weiterhin ließ Heinrich IV. mitteilen, daß er mit dem Rat der Römer und aller Bischöfe einen neuen Anwärter für die Papstwürde erwählen werde, der die Wunden, die „Hildebrand" der Kirche geschlagen habe, heilen wolle und könne. Natürlich erhebt sich sofort die Frage, ob die angesprochenen Römer überhaupt bereit waren, in der vom König gewünschten Richtung etwas zu unternehmen. Was aber 28
Der Kaiserdom zu Speyer Kapitell in der Afrakapelle des Domes zu Speyer
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sollte geschehen, wenn es nicht zu entsprechenden Aktionen kam, zu denen Heinrich IV. aufforderte? Bisher hatten deutsche Herrscher immer, wenn sie über Päpste zu Gericht gesessen hatten, mit Heeresmacht in Italien gestanden, waren sie Herr der Lage gewesen. Würden diesmal Worte allein gegen das immer mächtiger gewordene Reformpapsttum ausreichen?
Heinrich IV. befiehlt den in Worms versammelten Bischöfen, ‚Hildebrand' zu verdammen (24. 1. 1076)
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Als sie nun mancherlei auf mancherlei Weise und ausführlich überlegten, dünkte es einigen von ihnen gut, wenn der König in einer Versammlung der Bischöfe den Papst als simonistisch mit einmütigem Beschluß verdammte und nach dessen Absetzung an seiner Stelle einen seiner eigenen Freunde einsetzte, der dann alles, was dem König beliebte, bereitwillig ausführen würde. Er ging auf diesen Rat ein und bestätigte ihn, ließ alle seine Bischöfe kommen und zwang sie, dem Hildebrand, der Papst genannt werde, es aber nicht sei, Unterwerfung und Gehorsam aufzukündigen, und damit dies auch späterhin niemand ableugnen könnte, ließ er jeden von ihnen unter Anführung seines Namens die Absage an Hildebrand eigenhändig und jeweils auf eine besondere Urkunde schreiben, in dieser Weise: Ich, N., Bischof der Stadt N., kündige dem Hildebrand Unterwerfung und Gehorsam von dieser Stunde an und für die Zukunft auf und werde ihn von jetzt an weder für den Papst halten noch so benennen. Nur wenige, nämlich die Urheber dieses Planes, taten das von Herzen; die meisten schrieben vielmehr diesen Absagebrief aus Furcht vor dem Tod, und daß sie es nur wider Willen getan hatten, bewiesen sie dadurch, daß sie bei der ersten Gelegenheit Briefe mit demütigem Bekenntnis an den Papst schickten und ihre Schuld anerkannten, sich aber durch den Zwang der Not zu entschuldigen suchten.
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Aus Bruno, Der Sachsenkrieg
Weihwasserwedel, Teil der Reichsinsignien
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Es wurde sehr schnell offenkundig, daß sich die Hoffnungen und Erwartungen, die Heinrich IV. hegte, in keiner Weise erfüllten. Im Gegenteil: Als die Boten des Königs auf einer in Rom versammelten Synode den Brief Heinrichs IV. überbrachten und dabei dem Papst zuriefen, er, der „reißende Wolf", möge einem würdigeren Nachfolger Platz machen, brach ein Tumult aus. Man griff zu den Waffen und hieb auf die Gesandten HeinrichslV. so ein, daß sie, wie berichtet wird, nur durch das persönliche Eingreifen des Papstes einem gewaltsamen Tode entgingen. Doch die allgemeine Empörung hielt an. Man rief, die durch den König zugefügte Schmach dürfe
nicht ungerächt bleiben. Gregor solle gegen den Lästerer vorgehen, das Schwert gegen ihn ziehen. Die Stunde des Papstes war gekommen. In einem Gebet, das Gregor an den von ihm besonders verehrten Apostel Petrus richtete, wurde der König feierlich verdammt. „Um Deinetwillen ist mir von Gott die Macht gegeben, zu binden und zu lösen im Himmel und auf Erden. Im Vertrauen hierauf untersage ich im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes kraft seiner Vollmacht zu Ehren und Schutz Deiner Kirche König Heinrich, dem Sohne Kaiser Heinrichs, der sich gegen Deine Kirche in unerhörtem Hochmut erhoben hat, die Regierung des ganzen
Königreiches der Deutschen und Italiens, befreie alle Christen von den Fesseln des Eides, den sie ihm geleistet haben oder leisten werden, und verbiete jedermann, ihm als König zu dienen. Und weil er als Christ es verschmäht hat zu gehorchen, nicht zu Gott zurückgekehrt ist, den er durch Verkehr mit Ausgeschlossenen verlassen hatte, meine Mahnungen verachtet, sich von Deiner Kirche getrennt und sie zu spalten versucht hat, so binde ich ihn an Deiner Statt mit der Fessel des Fluches, auf daß die Völker wissen und erfahren, daß Du bist Petrus und daß auf Deinem Fels der Sohn des lebendigen Gottes seine Kirche gebaut hat und die Pforten der Hölle sie nicht 29
überwältigen werden." Zugleich das dem Heiligen Stuhl zugefügt nichtet würden. Erneut wird die wandte sich der Papst in einem worden sei. Alle werden aufgefor- Bannung des Königs und die EntBrief an alle Gläubigen, in dem er dert, mitzutrauern und zu beten, bindung seiner Untergebenen vom von dem schweren Unrecht spricht, daß die Feinde bekehrt oder ver- Treueid bekanntgemacht.
„Fa[ochcr Mänch—otcigc hcrab !" Heinrich IV. erfuhr von dem, was auf der römischen Synode geschehen war, in Utrecht, wo er 1076 das Osterfest feierte. Der König nahm persönlich in demonstrativer Mißachtung seiner Exkommunikation in vollem Königsornat am Gottesdienst teil. Sogleich ließ er eine ausführlichere, effektvollere Fassung des von der Synode in Worms im Jahre 1076 verabschiedeten Schreibens unter dem deutschen Klerus kursieren, das an „Hildebrand, nicht mehr Papst, sondern den falschen Mönch" adressiert war. Heinrich lv. hält hier unter Berufung auf das Gottesgnadentum seiner Würde dem Papst entgegen, er hätte wissen müssen, daß ein Herrscher nur von Gott gerichtet werden könne. „Der selige Petrus ruft aus: fürchte Gott, ehret den König. Du aber, der Du Gott nicht fürchtest, entehrst in mir seine Ordnung." Am Schluß des Schreibens heißt es: „Du also, durch den Urteilsspruch aller unserer Bischöfe und den unsrigen verdammt, steige herab, verlasse den angemaßten apostolischen Sitz. Ein anderer besteige den Thron des seligen Petrus, der nicht unter der Hülle heiliger Satzung Gewalttat verberge, sondern die unverfälschte Lehre des seligen Petrus lehren möge. Wir, Heinrich, König von Gottes Gnaden, mit allen unseren Bischöfen sagen Dir: Steige herab, steige herab, der Du in Ewigkeit verdammt sein sollst." Mit diesen starken Worten war freilich eine mit der Absetzung und Bannung HeinrichslV. einsetzende Entwicklung nicht mehr aufzuhalten, die schließlich zum allgemeinen Abfall vom König hinführte. Bereits auf der Wormser Synode hatte es über das Vorgehen Heinrichs unterschiedliche Auf30
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Absagebrief Heinrichs IV. an Papst Gregor VII. im Winter des Jahres 1077 fassungen gegeben. Widerstrebende hatte damals Bischof Wilhelm von Utrecht mit dem Hinweis zur Räson zu bringen versucht, daß kein Bischof dem König die Treue
halten könne, wenn er nicht mit Gregor bräche. Dadurch konnten jedoch bei einigen Teilnehmern der Synode die Bedenken darüber nicht ausgeräumt werden, ob man über den Papst zu Gericht sitzen könne, von dem es im „Dictatus Papae" hieß, er dürfe von niemandem gerichtet werden? Der
Krone aus dem Grab Heinrichs lV. im Dom zu Speyer Kaiserthron Heinrichs IV. in Goslar Brustkreuz aus dem Grab HeinrichslV. im Dom zu Speyer König selbst zählte in Worms zwar auf die Unterstützung seiner Bischöfe, wollte aber ganz sicher gehen und veranlaßte jeden, die gefaßten Beschlüsse eigenhändig zu unterschreiben. Aber auch dabei suchte sich mancher noch ein Hintertürchen offenzuhalten.
So brachte der Bischof von Hildesheim unter seinen Namenszug das Zeichen des liegenden Spießes an, ein Zeichen, durch das Urkundenschreiber stets die Ungültigkeit des Wortes kenntlich machten, unter dem der Spieß lag. Wurde es einmal ernst, wurde vom Papst einmal Rechenschaft gefordert, so konnte man sich auf die angedeutete Zurückziehung seiner Zustimmung berufen. All das zeigt, daß viele Geistliche nachdenklich wurden, weil sie es mit dem Papst nicht völlig verderben wollten. Dieser baute goldene Brücken, indem er ihnen Straffreiheit in Aussicht stellte, wenn sie versicherten, unter Druck gehandelt zu haben, und wenn sie bis Juni 1076 Buße taten. In das weitere Geschehen griffen nun entscheidend die Fürsten ein. Namentlich die sächsischenGroßen, II
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die sich ein Jahr vorher, 1075, nur widerwillig dem König gebeugt hatten und nun die Stunde der Vergeltung für gekommen hielten, riefen nun zur Erhebung gegen Heinrich IV. auf. An die Spitze der Aufständischen trat Otto von Northeim. Mit ihnen knüpften auch die süddeutschen Herzöge Verbindungen an. Einer von ihnen, Heinrichs Schwager, der Herzog Rudolf von Schwaben, trat an die Spitze der antiköniglichen Opposition. Sie war entschlossen, sich mehr Einfluß auf die Regierung im Reich zu verschaffen. Es bot sich also den Fürsten geradezu an, als Vollstrecker des päpstlichen Urteilsspruches aufzutreten, nachdem der gebannte König jedes Recht auf Herrschaft verloren hatte. Schon wurde davon gesprochen, daß ein neuer, geeigneterer und besserer König gewählt werden müsse. Im September des Jahres 1076 kamen in Ulm in Anwesenheit zweier päpstlicher Legaten die Herzöge Rudolf von Schwaben, WeIf von Bayern und Berthold von Kärnten sowie der aus seiner Stadt vertriebene Bischof Adalbert von Worms und Bischof Adalbero von Würzburg zusammen. Sie beschlossen, für den Oktober eine Fürstenversammlung nach Tribur einzuberufen, auf der über alle anstehenden Fragen verhandelt werden sollte. Dorn zu Speyer, Mittelschiff
Im Jahre 1061 Einweihung des 1030 begonnenen Dorns. Nach dem Sieg über den Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden im Jahre 1080 läßt Heinrich IV. den Dom umbauen—das Mittelschiff erhält ein steinernes Gewölbe und einen Repräsentationsraum für Reichsversammlungen. Das ist ein Ausdruck der gewachsenen Macht des Kaisers. Neben den Domen zu Worms und Mainz ist dieser Dom der größte deutsche romanische Kaiserdom. Im Dom befinden sich auch die Grabstätten der salischen Herrscher (Konrad II., 1024— 1039: Heinrich III., Heinrich IV.: Heinrich V., 1106-1125)
Heinrich IV. befiehlt ‚Hildebrand' (Papst Gregor VII.) abzudanken (1076) Heinrich, von Gottes Gnaden König, an Hildebrand. Während ich bisher das von dir erwartete, was dem Verhalten eines Vaters entspricht, und dir in allem zur großen Entrüstung unserer Getreuen gehorchte, habe ich von dir eine Vergeltung erfahren, wie sie nur von jemandem zu gewärtigen war, der der verderblichste Feind unseres Lebens und unserer Herrschaft ist. Denn nachdem du mir zunächst die gesamte erbliche Würde, die mir jener Stuhl schuldet, in vermessenem Beginnen entrissen hattest, gingst du noch weiter und versuchtest, mir das italienische Reich durch die schlimmsten Machenschaften zu entfremden. Und auch damit nicht zufrieden, hast du dich nicht gescheut, an die verehrungswürdigen Bischöfe Hand anzulegen, die als die liebsten Glieder mit uns vereint sind, und gegen göttliches und menschliches Recht hast du sie, wie sie selbst sagen, mit den hochmütigsten Beleidigungen und den bittersten Schmähungen traktiert. Da ich alles mit einiger Geduld hingehen ließ, hieltest du dies nicht für Geduld, sondern für Feigheit und wagtest es, dich gegen das Haupt selbst zu erheben, und ließest verbreiten, was dir ja bekannt ist, nämlich - um deine eigenen Worte zu gebrauchen - daß du entweder sterben oder mir Seele und Herrschaft nehmen wolltest. Diese unerhörte Verhöhnung glaubte ich nicht mit Worten, sondern durch die Tat zurückweisen zu müssen, und ich hielt einen Hof tag mit allen Fürsten des Reiches auf deren eigene Bitten hin ab. Sobald das an die Öffentlichkeit gebracht wurde, was man bisher aus Scheu und Ehrfurcht verschwiegen hatte, da wurde auf Grund der wahrheitsgetreuen Darlegungen dieser Fürsten verkündet - du kannst sie aus ihrem eigenen Schreiben entnehmen -‚ daß du auf keinen Fall mehr auf dem apostolischen Stuhl bleiben kannst. Da ihr Spruch vor Gott und den Menschen gerecht und billigenswert schien, stimmte auch ich zu und spreche dir jedes Recht, das du bisher am Papsttum zu haben schienst, ab; auf Grund des Patriziats über die Stadt Rom, der mir als von Gott gewährt und infolge der beschworenen Zustimmung der Römer rechtmäßig zusteht, befehle ich dir, von ihrem Thron herabzusteigen.
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Die Tage von Tribur kamen. Heinrich IV. lagerte mit kleinem Heer in seiner am anderen Rheinufer gelegenen Pfalz Oppenheim. Wie sehr hatte sich seit Beginn des Jahres 1076, seit der Synode zu Worm für ihn die Lage verändert. Damals, im Hochgefühl des eben über die Fürsten erfochtenen Sieges, an der Spitze einer machtvollen Reichsversammlung Richter über den Papst, voller Hoffnung auf die Kaiserkrone - und nun? Die Fürsten rebellisch, seine treuesten Anhänger aus geistlichen Kreisen abtrünnig, der Erzbischof von Mainz, der mächtigste Kirchenfürst in Deutschland, in Worms noch tonangebend, jetzt bereit, seinen Frieden mit dem Heiligen Vater zu machen. Und zur selben Zeit trat der Papst durch Sendboten in Kontakt mit der für Heinrich IV. immer gefährlicher werdenden Oppositionsbewegung, die auch von sich aus mit der Kurie in Verbindung zu treten begann. Der König mußte rasch handeln und geschickt vorgehen, um zu retten, was noch zu retten war. Ihm blieb in dieser schwierigen Lage nichts anderes übrig, als durch Konzessionen und Versprechungen das Schlimmste - die Wahl eines anderen Königs - abzuwenden. Würde ihm das gelingen? In seiner nahezu aussichtslosen Lage entschloß sich Heinrich IV. zu einem sehr weitgehenden Widerruf. Er sicherte zu, daß er auf jegliche Herrschaftsausübung verzichten wolle. Außerdem erklärte er sich bereit, seine gebannten Ratgeber nunmehr endgültig entlassen und die Wormser Bürger zugunsten ihres 1073 vertriebenen Bischofs preisgeben zu wollen. Der Kurie, die ja durch zwei päpstliche Legaten in Tribur vertreten war, wurde ein Entschuldigungsschreiben Heinrichs IV. zugeleitet. Darin sprach der König den noch unlängst in Worms mit „Hildebrand", „falscher Mönch"; „Feind" und
ähnlichen Schmähungen bedachten Heiligen Vater nun mit „Herr Papst Gregor" an, dem der König reuevoll seine Verfehlungen eingestand und versprach, den schuldigen Gehorsam zu leisten, Genugtuung zu geben und Buße zu tun. Auf diese Weise gelang es HeinrichlV. nun zwar, eine sofortige Neuwahl zu verhindern, doch das Gespenst einer ihm drohenden Absetzungwardamitkeineswegsaus der Welt geschafft. Die Fürsten schworen, Heinrich IV. nicht mehr länger zum König haben zu wollen, wenn dieser nicht binnen Jahresfrist vom Bann gelöst, also die päpstliche Absolution erlangt habe. Gleichzeitig wurde Gregor VII. eingeladen, persönlich zu einem für den 2. Februar 1077 vorgesehenen Reichstag nach Augsburg zu kommen, um dort im Streit der Fürsten mit Heinrich IV. sein Urteil zu sprechen. Der Papst glaubte, damit am Ziel seiner Wünsche zu sein. Seine Zuversicht wuchs ständig. Er meinte, Gott schütze, leite und verteidige die Kirche mehr, als jeder zu hoffen wage. Schon ließ Gregor den Fürsten Anweisungen über eine eventuelle Neuwahl zugehen, ja er beanspruchte, daß vor der Wahl die päpstliche Zustimmung für den Kandidaten einzuholen sei. Er war überzeugt, daß eine solche Wahl ganz in seinem Sinne verlaufen werde, und frohlockte: „Die Zahl der Getreuen der römischen Kirche ist so gewachsen, daß, wenn der König nicht Genugtuung leistet, sie offen erklären, einen anderen wählen zu wollen..." Gregor war offenbar überzeugt, der Sieg sei errungen doch jubelte er nicht zu früh? Der erste bittere Tropfen fiel in den Becher seiner Freude, als der Erzbischof von Trier in Rom das Schreiben des Königs übergab und dabei die ausdrückliche Bitte Heinrichs IV. überbrachte, die zu-
gesagte Genugtuung persönlich in Rom leisten zu dürfen. Dieser Schachzug des Königs paßte jedoch durchaus nicht in das Konzept des Papstes, da die Stärke seiner Position ja ganz entscheidend auf dem direkten Kontakt mit den Fürsten beruhte. Mit ihnen zusammen wollte er auf deutschem Boden selbst über seinen ärgsten Widersacher das Urteil fällen. Aber gerade das Zusammengehen der Fürsten und des Papstes wollte Heinrich verhindern. Durch eine möglichst rasch persönlich vom Papst vollzogene Wiederaufnahme als Mitglied der Kirche wollte er Gregor VII. von seinen deutschen fürstlichen Bundesgenossen trennen und damit HandlungsspielDoch zurückgewinnen. raum Gregor schlug die Bitte des Königs um Vergebung ab. Mehr noch: Der Papst kündigte in einem Schreiben an die Fürsten an, er werde unverzüglich über die Alpen eilen, hoffe auf Beistand und Geleit der Herren und werde für das „Heil des Reiches" und die „Freiheit der Kirche" alles Schwere, sogar die Vergießung seines Blutes auf sich nehmen. Die Würfel waren gefallen. Heinrich mußte erkennen, daß der Plan, einen Keil zwischen seine Gegner zu treiben, zunächst gescheitert war. Die Lage des Königs, der, von Fürsten bewacht, in Speyer nach seiner Unterwerfung unter den Papst das Leben eines Büßenden führte, war verzweifelter als je zuvor. Er wußte nur eines und das lag wie ein Alpdruck auf ihm: Gegenüber einem Papst, der an der Spitze der Fürsten auf einem Reichstag die Forderungen der Feinde eines starken Königtums diktierte, war er vollkommen ohnmächtig. Aus dieser Einsicht entsprang ein überraschender Entschluß: Der König ergriff die Flucht nach vorn. Durch den sofortigen Aufbruch nach Italien wollte er der Reise des Papstes nach Augsburg zuvorkommen. 35
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Heinrich IV. zu Füßen der Mathilde von Tuszien bittet diese und Hugo, den Abt von Cluny, in der S. Nikolaus-Kapelle bei Canossa um Vermittlung bei Papst Gregor VIL 37
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Der Papst wurde von der Aktion des Königs völlig überrascht - und zwar keineswegs angenehm. Im Gegenteil: Das Eintreffen Heinrichs IV. in Italien kam Gregor VII. äußerst ungelegen. Der König war tatsächlich auf dem besten Wege, ein gemeinsames Vorgehen der Fürstenopposition und des Papsttums zu verhindern und damit den Plan Gregors zu durchkreuzen, auf dem Augsburger Reichstag persönlich über die weiteren Geschicke von Krone und Reich zu entscheiden. Dazu kam, daß HeinrichlV. in Italien zunächst vom unmittelbaren Druck der Fürsten frei war und auf den Beistand der lombardischen Bischöfe rechnen konnte, die als Stadtherren und Stützen der königlichen Herrschaft in Italien von ihm immer wieder gefördert worden waren und auch weiterhin zu ihm standen. Insgesamt war also eine Situation eingetreten, die es Papst Gregor angeraten scheinen ließ, seine Reise zu unterbrechen und in der von einem dreifachen Mauerring umgebenen Felsenburg Canossa Zuflucht zu suchen. Dort erwartete er auch die Ankunft HeinrichslV., der dann am 21. Januar 1077 in der Umgebung der Feste eintraf. Es kam zu Verhandlungen. Aber die Bedingungen, die der Papst für die Lösung Heinrichs vom Bann stellte, erschienen den königlichen Beratern zu hart, ja unannehmbar. Man dachte bereits an eine Abreise, als Hugo von Cluny, des Königs Taufpate, zur weiteren Fortsetzung der Gespräche ermunterte. Angeblich durch einen Fußfall vor seiner Cousine, Mathilde von Tuszien, einer einflußreichen Persönlichkeit der engeren Umgebung des Papstes, erreichte Heinrich IV. deren Fürsprache bei Gregor. Auch Hugo von Cluny sowie die Schwiegermutter des Königs, Adelheid von Turin, und der Markgraf Azzo von Este traten beim Papst für den König ein, der sich schließlich als 38
Büßer ohne königliche Insignien, im wollenen Gewand und ohne Schuhe vor dem Burgtor von Canossa zeigte. Hier soll HeinrichlV. drei Tage fastend von morgens bis abends frierend in Schnee und Eis gestanden haben. Ob soviel Zeit verging, wissen wir nicht. Jedenfalls zögerte der Papst lange, den König zu empfangen. Das Verhalten Gregors ist erklärlich, wenn man bedenkt, was für ihn auf dem Spiele stand, bedeutete doch die Bannlösung automatisch einen entscheidenden Prestigegewinn für Heinrich IV. Von seinen Beratern wegen allzu großer Härte bereits getadelt, empfing der Papst schließlich den Büßer. Heinrich warf sich, so ist uns überliefert, vor Gregor mit weit ausgebreiteten Armen zu Boden, so daß Körper und Arme ein Kreuz bildeten. Der Papst erhielt die eidlich erhärtete Zusicherung, daß Heinrich die Reise des Papstes nach Augsburg weder selbst noch durch seine Anhänger gefährden oder verhindern wolle. Heinrich werde innerhalb einer zu bestimmenden Frist in seinem Streit mit den Fürsten die Vermittlung oder den Schiedsspruch des Papstes anerkennen. Nun wurde Heinrich vom Papst aufgerichtet, umarmt und gesegnet. „Wie viele Tränen dort beide vergossen, könnte nicht leicht jemand erschöpfend angeben", meinte ein zeitgenössischer Chronist. Als man von den Ereignissen vernahm, „erzitterte unser ganzer römischer Erdkreis," schrieb Bonizo von Sutri. Sicher ist das übertrieben, aber die Bannung eines gekrönten Hauptes, seine Buße und Unterwerfung unter den Papst, wie es in Canossa geschah, wurde allgemein als etwas Unerhörtes und Neues empfunden. Tatsächlich signalisieren die Tage von Canossa geradezu schlaglichtartig die erhebliche Verschiebung der Machtverhältnisse zwischen
Papsttum und Königtum. Der Vergleich mit der Synode von Sutri, wo dreißig Jahre vorher, 1046, ein deutscher Herrscher, Heinrich III., noch souverän über das Papsttum gebot, macht das ganz deutlich. Zweifellos kam in der Handlungsweise HeinrichslV. eine beträchtliche Machteinbuße des Königs gegenüber dem Papsttum zum Ausdruck, dessen erheblich gewachsener politischer Einfluß deutlich hervortrat. Man darf allerdings dabei auch nicht übersehen, daß die Vergebung, die dem Königdurch den Papst zuteil geworden war, für Heinrich zunächst einen diplomatischen Erfolg brachte. Mit seinem Bußgang hatte er erreicht, daß eine Vereinigung Gregors mit den Gegnern des Königs im Reich unterblieb. Die Reise des Papstes über die Alpen wurde verschoben und schließlich ganz aufgegeben. Damit aber war auch der Plan Gregors mißglückt, im Reiche selbst zwischen Königtum und Fürsten die Rolle eines Schiedsrichters zu spielen. So hatte also insgesamt gesehen der König doch eine gewisse Handlungsfreiheit wiedergewonnen, ohne freilich das verhindern zu können, was die Fürsten in Tribur angedroht hatten und was von Heinrich nach wie vor befürchtet werden mußte - die Wahl eines anderen Königs. Enttäuscht über die Handlungsweise des Papstes, dem die Fürsten zu große Nachgiebigkeit gegenüber dem gebannten König vorwarfen, und ergrimmt über Heinrich IV., der zunächst einmal die Absichten seiner Gegner vereitelt hatte, wählten die Fürsten ohne Wissen Papst Gregors, aber mit Zustimmung seines Legaten am 15. März 1077 in Forchheim den schwäbischen Herzog Rudolf von Rheinfelden zum König. Zu dieser Zeit kam es erneut zu Aktivitäten des Städtebürgertums einiger rheinischer Städte, deren geistliche Stadtherren verschiedentlich zu Rudolf von
Rheinfelden überwechselten, weil Heinrich IV. mehrfach die Städte begünstigt hatte. Dagegen hielten die Bürger der Städte zu Heinrich IV. So vertrieben die Bewohner von Mainz 1077 den Gegenkönig und den Erzbischof dieser Stadt, Siegfried, der Rudolf von Rheinfelden am 26. März in Mainz gekrönt hatte. Rudolf mußte den Fürsten, denen er seine Wahl verdankte, weitgehende Konzessionen machen: Er verzichtete auf die bisher als Gewohnheitsrecht existierende Erblichkeit der königlichen Würde und erklärte feierlich, die Bestimmung eines Nachfolgers, den der König traditionsgemäß vorgeschlagen hatte, dem freien Ermessen der Fürsten zu überlassen. Den Papst unterrichtete er von seiner Wahl, versprach ihm Gehorsam und sicherte kanonische Wahlen der Bischöfe zu, die der König erst nach erfolgter Weihe investieren durfte. Gerade mit dem zuletzt genannten Zugeständnis kam Rudolf einer wesentlichen Forderung des Reformpapsttums entgegen. Die Vorgänge in Forchheim illustrierten anschaulich und eindrucksvoll, daß die Fürsten, deren Position sich ständig festigte, im Reich immer mehr zur entscheidenden politischen Kraft geworden waren. Sie waren Heinrich IV. im Verlauf des Aufstandes in Sachsci. und Thüringen als gefährliche Kontrahenten entgegengetreten, hatten ihn wenig später mit der Androhung der Absetzung zur Buße vor dem Papst gezwungen und diktierten nun dem von ihnen gewählten Gegenkönig ihre Forderungen. Kein Zweifel: Ohne den Hochadel konnte kein deutscher König mehr regieren. Wichtig war in diesem Zusammenhang, daß die Bestrebungen der deutschen Fürsten durch die vom Reformpapsttum verfolgte Politik unterstützt wurden. Es bekämpfte ganz entschieden das von den deutschen Herrschern immer wieder in Anspruch genommene Priesterkönigtum, als dessen Repräsentanten die deutschen Könige die volle Verfügungsgewalt über die Kirche beanspruchten und ihre imperiale Politik gegenüber Italien durchge-
Schilderung der Überquerung der Alpen durch Heinrich IV. im Winter 1077
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Die sich ungeheuer weit hinziehenden und mit ihren Gipfeln fast bis in die Wolken ragenden Berge, über die der Weg führte, starrten so von ungeheuren Schneemassen und Eis, daß beim Abstieg auf den glatten, steilen Hängen weder Reiter noch Fußgänger ohne Gefahr einen Schritt tun konnte. ...Daher mietete er um Lohn einige ortskundige, mit den schroffen Alpengipfeln vertraute Eingeborene, die vor seinem Gefolge über das steile Gebirge und die Schneemassen hergehen und den Nachfolgenden auf jede mögliche Weise die Unebenheiten des Weges glätten sollten. Als sie unter deren Führung mit größter Schwierigkeit bis auf die Scheitelhöhe des Berges vorgedrungen waren, da gab es keine Möglichkeit weiterzukommen, denn der schroffe Abhang des Berges war, wie gesagt, durch die eisige Kälte so glatt geworden, daß ein Abstieg hier völlig unmöglich schien. Da versuchten die Männer alle Gefahren durch ihre Körperkraft zu überwinden: sie krochen bald auf Händen und Füßen vorwärts, bald stützten sie sich auf die Schultern ihrer Führer, manchmal auch, wenn ihr Fuß auf dem glatten Boden ausglitt, fielen sie hin und rutschten ein ganzes Stück hinunter, schließlich aber langten sie doch unter großer Lebensgefahr endlich in der Ebene an. Die Königin und die andren Frauen ihres Gefolges setzte man auf Rinderhäute, und die dem Zug vorausgehenden Führer zogen sie darauf hinab. Die Pferde ließen sie teils mit Hilfe gewisser Vorrichtungen hinunter, teils schleiften sie sie mit zusammengebundenen Beinen hinab, von diesen aber krepierten viele beim Hinunterschleifen, viele wurden schwer verletzt, und nur ganz wenige konnten heil und unverletzt der Gefahr entrinnen. Lampert von Hersfeld zu 1077
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Schilderung der Folgen der Kriege zwischen Heinrich IV. und Rudolf von Schwaben in der Zeit v'n 1077-1080.
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Innere Kriege, schlimmer als Bürgerkriege, Menschenmord ohne Zahl, Verwüstungen, Brände ohne Unterschied, ob Häuser oder Kirchen, unerhörte Bedrückung der kleinen Leute, Plünderungen des Kirchenguts, wie wir sie vorher nie sahen und hörten, Schwinden alles göttlichen und irdischen Rechts ohne Hoffnung auf Wiederherstellung, und endlich infolge des Kampfes zweier Könige, denen ihr beiden Hoffnung machtet, das Reich zu behaupten, eine solche Verschleuderung des Reichsguts, daß in Zukunft die Könige unseres Landes sich eher vom Raub als vom Reichsgut werden unterhalten müssen. Bruno, der Sachsenkrieg
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- - vermutliche Reiseroste des Konigs - vermutliche Reiseroute des Papstes • bezeugte Aufenthaltsorte auch 1 ur die Gegend geltend) o sonstige Oriehtierungsorte
führt hatten. Mit der entschlossenen Ablehnung wichtiger traditioneller Prinzipien der Innen- und Außenpolitik deutscher Könige und Kaiser verband das Reformpapsttum die Forderung, daß der deutsche König in seiner Herrschaftsausübung sich auf das „Königreich der Deutschen" zu beschränken habe, zu dem weder Burgund noch Italien gehörten. Dieses „Königreich der Deutschen" war die politische Kategorie, auf die der Papst orientierte. Deutlichen Ausdruck fand die Unterscheidung von „Regnum" (Königreich) und „Imperium" (Kaiserreich) dann in dem am 40
zwischen 1122 23. September Heinrich V. und Calixil. geschlossenen Wormser Konkordat, das den Investiturstreit beendete. Das deutsche Königreich wurde als Staat von Italien und Burgund deutlich abgehoben. Damit fand die im Invesliturstreit von den Fürsten durchgesetzte neue Staatsauffassung auch ihren verfassungsmäßigen Niederschlag. Im Wormser Konkordat verzichtete der König auf die Investitur mit Ring und Stab, gab also wichtige, von den deutschen Herrschern bisher ausgeübte Befugnisse preis. Der König mußte kanonische
Wahlen der Bischöfe zugestehen. Bei diesen Wahlen übten nicht selten Geistliche einen besonderen Einfluß aus, die Adelsfamilien angehörten, welche der Bischofskirche benachbart waren. Diese Wahlen fanden in Deutschland in der Gegenwart des Königs statt, so daß der Herrscher hier noch seinen Einfluß geltend machen konnte, während in Italien die königliche Präsenz entfiel. Der König behielt das Recht, dem Kandidaten den weltlichen Besitz mit dem Zepter zu übertragen. Dies geschah in Deutschland vor der Weihe, was dem König hier gewisse Einwirkungsmöglichkeiten beließ, in Italien und Burgund dagegen danach. Damit wurde die Stellung des Königs gegenüber der Kirche in Italien besonders geschwächt. Aber auch nördlich der Alpen kam es zu einer Machteinbuße der Zentralgewalt, da unter denjenigen Personen, die die Wahl der Bischöfe vornahmen, die Söhne des Hochadels eine dominierende Rolle spielten. Diese Adligen schlugen entsprechend ihren dynastischen Interessen Kandidaten vor und suchten diese auch durchzusetzen. Generell wurde die Verfügungsgewalt des Königs über die Kirche erheblich eingeschränkt, während die Macht der Fürsten wuchs. Die Bischöfe und Erzbischöfe rückten als Empfänger von Zepterlehen auf die gleiche Ebene wie die weltlichen Feudalherren. Sie wurden schließlich zu geistlichen Reichsfürsten. Angesichts einer solchen Entwicklung mußte für das deutsche Königtum eine wichtige Zukunftsaufgabe darin bestehen, den Machtanteil der Fürsten in tragbaren Grenzen zu halten und möglichst zu verringern. Dabei kam alles darauf an, daß die Zentralgewalt auf imperiale Abenteuer verzichtete, sich in ihrer Politik voll auf die Beherrschung der Gebiete nördlich der Alpen konzentrierte, dort den Ausbau des Königsgutes konsequent vorantrieb und der Fürstenopposition im Bunde mit neuen gesellschaftlichen Kräften, vor allem dem Städtebürgertum und den M inisterialen, entschlossen entgegentrat.
Zeittafet 15. 10. 1080
Der Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden wird Im Kampf gegen Heinrich IV. in der Schlacht bei Hohenmölsen an der Elster tödlich verwundet.
August 1081
Der aus Lothringen stammende Graf Hermann von Salm wird von einigen Fürsten in Ochsenfurth am Main zum Gegenkönig gewählt (stirbt am 25. Mai 1088).
31.3. 1084
Papst Clemens III. krönt Heinrich IV. in der Peterskirche in Rom zum Kaiser.
25.5. 1085
Tod Papst Gregors VII. im Exil
30.5. 1087
Kaiser Heinrich IV. läßt seinen Sohn Konrad zum König krönen (Konrad stirbt 1101).
6. 1. 1099
In Aachen wird der im Mai 1098 zum König gewählte Heinrich V., der zweite Sohn Heinrichs IV., gekrönt.
Dezember 1105
HeinrichV. nimmt seinen Vater am Mittelrhein gefangen und erzwingt von ihm die Herausgabe der Reichskleinodien.
7.8. 1106
Heinrich IV. stirbt in Lüttich. Erst fünf Jahre später darf die Leiche des Gebannten im Dom zu Speyer beigesetzt werden.
13.4. 1111
Papst Paschalisil. krönt Heinrich V. zum Kaiser.
1111, 1114
Heinrich V. erteilt Speyer und Worms Privilegien, um im Bunde vor allem mit den rheinischen Städten die Zentralgewalt zu stärken.
1112-1115
Heinrich V. geht scharf gegen Fürsten in Thüringen und Sachsen vor und sucht durch Beschlagnahme von Adelsbesitz das Königsgut zu vergrößern.
September 1112
Heinrich V. wird gebannt.
23.9. 1122
Abschluß des Konkordats von Worms.
Abfolge der Ereignisse in Canossa vom 21.Januar bis 28. Januar 1077 Sonnabend, 21. Januar:
Heinrich IV. trifft in der Nähe von Canossa ein. Sonntag, 22. Januar bis Dienstag, 24. Januar:
Dreitägige erfolglose Bemühungen der Unterhändler des Königs und des Papstes. Fußfall Heinrichs IV. vor Mathilde von Tuszien in der Nicolauskapelle von Montezane. Verhandlungen Mathildes, einer Cousine des Königs, Adelheid von Turin, seiner Schwiegermutter, und des Abtes Hugo von Cluny, des Taufpaten Heinrichs IV., mit dem Papst, der den König empfangen und vom Banne lösen soll. Mittwoch, 25. Januar:
Der König beginnt seine Buße. Donnerstag, 26. Januar:
Erneute Intervention der Fürbitter. Freitag, 27. Januar:
Letzte Verhandlungen. Sonnabend, 28. Januar:
Eidesleistung des Königs, seine Absolution durch den Papst, Feier des Heiligen Abendmahls, gemeinsames Essen und letzte Gespräche zwischen Heinrich IV. und Gregor VII.
Bildnis des Rudolf von Rheinfelden, Herzog von Schwaben - Gegenkönig HeinrichslV. auf der Grabplatte im Merseburger Dom Papst Paschalis IL überreicht Heinrich V. (1106-1125) die Kaiserinsignien 42
Schreibender Mönch
Herausgeber: Zentralinstitut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR Leiter des Redaktionskollegiums: Dr. Klaus Scheel Verlagslektor: Ursula Seil Verlagshersteller: Hildrun Jokisch Gesamtgestaltung: Peter Schulz © 1978 VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin Printed in the German Democratic Republic Lizenz-Nr.: 206 435/38/78 P 335/77
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