Wer sind die Ungläubigen? Scheich Hamza Yusuf 1 Übersetzt von M. F. Bayraktar
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Hamza Yusuf Hanson, 1960 geboren in Washington State un d aufgewachsen in Nordkalifornien. Nachdem Nachdem er im Jahr 1977 Muslim wurde, begann er eine Studienreise im Ausland, in den Arabischen Emiraten, Saudi Arabien, und auch in Nord – und Westafrika. Er bekam Lehrerlaubnisse in verschiedenen islamischen islamischen Wissenschaften Wissenschaften von den dortigen sehr bekannten Gelehrten. Nach zehn Jahren Studium kehrte er in die Vereinigten Staaten Amerikas zurück und studierte Religionswissenschaften Religionswissenschaften und Gesundheitswesen. Nach kurzer Zeit wurde er Internationaler Redner über verschiedene Themen des Islām und der Muslime und ist der erste amerikanische Dozent, der in der ältesten und bekanntesten Universität Marokkos lehren durfte, nämlich al-Qarawiyīn al-Qarawiyīn in Fes. Im Jahr 1996 gründete er in Kooperation Zaytuna Institute, welches einen internationalen Ruf für die Darstellung klassischen Islams im Westen bekommen hat. Er lebt momentan in Nordkalifornien mit seiner Frau und fünf Kindern.
ufr kann man wahrscheinlich als Unglauben, Undankbarkeit oder arrogante Ablehnung der Wahrheit definieren; es hat andere vielfältige Bedeutungen im Qurʾān und der Sunnah. Der Qurʾān erwähnt, dass wenn der Mensch gestört wird von der Wahrheit, er anfängt darüber nachzudenken (fakkara) und beschließt (qaddara) welche Herangehensweise die allerbeste ist, um seine Ablehnung der Wahrheit zu rechtfertigen. Deswegen sind Unglaube und Klugheit miteinander verwandt. Aristoteles definierte Intelligenz als den Vermittler zwischen Dummheit und Klugheit oder List. Unglaube (kufr) ist eine Antwort auf die Wahrheit, welche die Verschleierung der Wahrheit beinhaltet. Linguistisch gesehen wurzelt das Wort kufr in kafara, welches wortwörtlich bedeutet: ‚etwas verdecken.‘ Ein Wort für den Bauern in Arabisch ist kāfir , weil ein Bauer die Samen mit Erde bedeckt. Kufr ist ebenfalls ‚Verstecken ‘, wie in kufr al-niʿmah (das Verstecken von Wohltaten). Kufr wird im Qurʾān als ein Gegenbegriff (Antonym) für den Glauben (Īmān) benutzt, und Kāfir (Ungläubiger) wird mit Muʾmin (Gläubigen) als eine Antwort auf die Zeichen Gottes nebeneinander gestellt. Es wird ebenfalls benutzt als das Gegenteil von Dankbarkeit (schukr) .
Das Wort kufr hat viele verschiedene Definitionen (ḥadd). Ibn Furāk definiert kufr als: „Ignoranz in Bezug auf Gott, in Bezug auf seine Eigenschaften. Eine Ablehnung und Verneinung dieser erachtet man ebenfalls innerhalb der Ignoranz.“ 2 Diese Definition beinhaltet, dass ein Mensch, welcher Gott ablehnt oder Gott irgendetwas beigesellt, in Bezug auf Gott ignorant ist, und seine Ignoranz führt ihn zu der Ablehnung dessen, was hinsichtlich Gott wahr ist. Ibn Fūrak raḥimahullāh zitiert Abūl Ḥasan al-Asch ʿarī raḥimahullāh, welcher Abūl Ḥusayn aṣ-Ṣāliḥī raḥimahullāh zitiert: „Kufr ist die Unwissenheit über Gott, und es ist eine Eigenschaft, welche das Gegenteil von Wissen über Gott ist. Es befindet sich im Herzen des Menschen und ist im Verständnis, nicht in der Tat. Darüber hinaus ist die Unwissenheit über Gott ein Hass auf Gott, und eine aufgeblasene Haltung gegenüber Gott, eine Verspottung Gottes und eine Verneinung.“3
Abū al-Baqāʾ definiert kufr als als „ein einziges Glaubenssystem, welches im Gegensatz zu dem zweifellos wahren heiligen Gesetz Muḥammad ṣallallāhu ʿalayhi wa sallams steht.“ Er erklärt weiter: „Die Menschen werden in zwei Gruppen kategorisiert: jene, welche den Weg Muḥammad ṣallallāhu ʿalayhi wa sallams akzeptieren, und sie werden Gläubige genannt (muʾminūn) ; und jene, die ihn ablehnen, werden Ungläubige genannt (kāfirūn). Aus dieser Perspektive heraus stellen die kāfirūn eine einzige Gruppe dar, auch wenn sie untereinander gespalten sind, und somit sind sie auch wie die Sekten der Muslime: sie haben verschiedene Glaubensansichten in der 2
Abū Bakr b. Fūrak al-Iṣbahānī, Kitāb al-Ḥudūd fī al-uṣūl (Beirut: Dār al-Gharb al-Islāmī, 1999), S. 110 Ibid.
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Religion des Islām. Kufr selbst kann in Wort und Tat sein. Ein Wort ist etwas, was kufr notwendig macht, das heißt, eine Ablehnung von dem, worin die Muslime Konsens haben [ist kufr ], ungeachtet ob es aus einem Glauben, einem Widerstand oder dem Hohn zeugt. Eine Tat, deren Resultat das Urteil des Kufr ist, wäre eine, welche absichtliche oder andeutende Zeichen von Geringschätzung der Religion sind, wie z.B. die Niederwerfung vor einem Götzen oder das Werfen des Qurʾāns in eine Mülltonne.“4 Diese Definition ist gemäß dem allgemeinen modernen muslimischen Verständnis über kufr . Es ist simple, schwarz und weiß, und geht davon aus, dass jeder die Botschaft vernommen, darüber nachgedacht und eine letztliche Entscheidung gefällt hat. Die juristische Bedeutung von kufr ist „eine Ablehnung von allem, was man notwendigerweise von der Religion Muḥammads ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam wissen muss – [ kufr ist] die Ablehnung der Existenz des Schöpfers oder der prophetischen Mission Muḥammad ṣallallāhu ʿalayhi wa sallams oder des Verbots der Unzucht und anderer vergleichbarer Taten.“ Diese Definition, von allen vier Rechtsschulen akzeptiert, definiert kufr als eine Ablehnung der essenziellen Bestandteile des Islams, welche allen bekannt sind, die damit vertraut sind. Logischerweise, wenn die Ablehnung eines essenziellen Teiles kufr ist, dann ist die Ablehnung von allem a priori kufr . Aus diesem Grund sahen die Muslime die Nichtmuslime als kuffār (Ungläubige), da sie nämlich ein Teil des Islams ist. Es ist wichtig, den rechtlichen Status eine kāfirs zu bestimmen, da ein Muslim weder von einem kāfir erben, noch ihm irgendetwas vererben darf.5 Außerdem wird ein kāfir weder gemäß dem islamischen Ritus begraben, noch beten Muslime für ihn oder sie nach dem Tod. Viel absoluter: das Urteil von kufr über jemanden bedeutet, dass er auf einen Status der Verdammnis im Jenseits degradiert wird. Das ungeheure Ausmaß dieses Urteils über eine Person ist so groß, dass es rechtlich verboten ist zu sagen, jemand sei für das Höllenfeuer bestimmt, solange nicht ein klarer Vers oder ein Ḥadīth mit unterschiedlichen Überlieferungen darauf hinweist. Dieses Verbot schließt ebenfalls ein, dass jemand nicht den inneren Zustand einer Person bei Gott erkennen kann, sondern nur das Äußere einer Person. Der Qurʾān sagt in klaren Worten, dass die innere Realität des kufr einen Status der Verdammung mit sich bringt, und dieses (ultimative) Urteil ist alleine Allahs. (6:57) Die tiefgreifende Implikation dessen dürfen Muslime nicht verlieren. Der Prophet Muḥammad ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam stellte dies klar als er sagte: „Mir wurde befohlen nach dem äußeren zu richten, und Gott alleine gebührt (das Urteilen) über die innere Realität.“ Deswegen kann eine Person äußerlich das Urteil des kufr auf sich haben, doch nur Gott alleine kennt seinen Zustand, und deswegen kann nur Gott alleine sein ultimatives Ende bestimmen.
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Abū al-Baqāʾ al-Kaffawī, al-Kullīyāt (Beirut: Muʾassasat al-Risālah, 1993), 764 Dies ist ein vielfältiges gesetzliches Urteil, welches auf einem authentischen Ḥadīth fußt. Dies bedeutet nicht, dass Muslime nicht die gesetzlichen Erbschaften von Nichtmuslimischen Verwandten annehmen dürfen: sie dürfen es. Doch sie können allgemein nicht ein Verteilungssystem in Erbgesetzen akzeptieren, außer den Willen der Person selbst, wie z.b. die Einteilung von Seiten des Staates bei nicht testamentarisch geregelten Abläufen. Doch jeder einzelne Fall sollte mit einem vertrauenswürdigen und gültigen Mufti abgesprochen werden. 5
Gemäß dem Qurʾān ist der kufr die Ablehnung der Zeichen Gottes und geht Hand in Hand mit einigen Eigenschaften, wie aufgeblähter Stolz (istikbār), Hohn (istihzāʾ ), Ablehnung (takdhīb), Undankbarkeit (kufrān), Grausamkeit (qasāwah), Eifer (ḥamiyyah), Unachtsamkeit und Unwissenheit (jahl), Stolz (fakhr), Lüsternheit (baṭar) und Neid (ḥasad). Viele dieser verwerflichen Eigenschaften findet man in Muslimen und sind nicht vorhanden in den Menschen anderer Religionen und Glaubensrichtungen. Einige Menschen mögen sich nicht als Muslime erachten und mögen nichts über den Islām wissen, doch sie schreiben sich vielen moralischen Vorschriften des Islams zu und betrachten die Geschehen in dieser Welt metaphysisch, wie es Muslime sollten – das heißt, sie erachten die Geschehen als etwas, was durch Gottes Willen geschieht, mit einer Weisheit dahinter, welche den Menschen oftmals verdeckt ist. Auf der anderen Seite haben wir einige Muslime, die moralisch verkommen und metaphysisch blind sind, und sich dennoch als Muslime erachten. Die Frage, die sich für viele Muslime stellt, insbesondere für jene, die in den Ländern der Nichtmuslime leben, ist diese: Was geschieht mit den Menschen der anderen Religionen, wenn sie sterben? Das heißt, wie werden Nichtmuslime, welche ein gutes Leben führten und andere gut behandelte, welche Almosen gaben und sich selbst aufopferten, kategorisiert? Bevor wir diese Frage beantworten können, ist es wichtig auf die Arten des kufr zu sehen, die im Qurʾān erwähnt werden.
Arten des Kufr im Qur ān ʾ
Der Qurʾān identifiziert verschiedene Arten des kufr und von diesen filterten die meisten Gelehrten vier allgemeine Typen [des kufr ] und erachten eines dieser vier als ausreichend für die Verdammnis: kufr inkār, kufr juḥūd, kufr muʿānada und kufr nifāq. Die erste Art von Unglauben ist kufr inkār , in der Gott weder erkannt noch akzeptiert wird. Es beinhaltet die Ablehnung der Zeichen Gottes mit Herz und Zunge, und die Unfähigkeit die Einheit Gottes zu erkennen, wenn sie einem dargelegt werden. Dies ist die Art von kufr , auf welche sich der Vers im Qurʾān bezieht, wenn es heißt: „Wahrlich, denen, die ungläubig sind, ist es gleich, ob du sie warnst oder nicht warnst: sie glauben nicht. Versiegelt hat Allah ihre Herzen und ihr Gehör; und über ihren Augen liegt ein Schleier; ihnen wird eine gewaltige Strafe zuteil sein.“ (2:6-7)
Das Siegel über ihren Herzen wird in einem anderen Vers des Qurʾāns genauer definiert: „Als ihre Herzen sich abwandten und irregingen, ließ Gott sie noch weiter in die Irre gehen.“
Die zweite Art von Unglauben ist kufr juḥūd, in der Gott trotz Gewissheit weder anerkannt noch erkannt wird. Es resultiert aus der Erkenntnis des Herzens, dass das, was vorgelegt wird, die Wahrheit ist, aber die Zunge lehnt diese Wahrheit ab. Es wird erwähnt im Vers des Qurʾān: „als aber Wahrheit zu ihnen kam, die sie schon kannten, da leugneten sie es . (kafarū bīhi)“ (2:89) Diese Art von kufr wird in verschiedenen Versen des Qurʾān beschrieben: „Als unsere Zeichen deutlich sichtbar zu ihnen kamen, sagten sie: „Das ist offensichtlich Zauberei.“ Und sie leugneten sie in frevelhafter und überheblicher Weise, obwohl sie selber davon überzeugt waren. Schau nur, wie das Ende derer war, die Unheil anrichteten!“ (27:13-14) Dieser Vers sagt deutlich, dass der kufr dieser Leute von der Ablehnung dessen kam, von dem sie überzeugt waren. Dies ist die Essenz des kufr juḥūd und ist offensichtlich die widerwärtigste Form. Viele Muslime glauben, dass kufr juḥūd die einzige universelle Form des kufr ist. Sie lesen einige bestimmte Verse, welche diesen bestimmten Aspekt des Unglaubens beschreibt, und schreiben ihn jedem außerhalb des Islām zu. Einige lesen die Verse: „Diejenigen (einige Juden), denen Wir das Buch gegeben haben, kennen es, wie sie ihre eigenen Söhne kennen; und dennoch verbergen einige von ihnen die Wahrheit, wo sie (sie) doch kennen.“ (2:146), und schlussfolgern daraus, dass sich alle Juden über den Propheten Muḥammad ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam bewusst sind und trotz dessen ihn ablehnen. Gemäß den traditionellen Erläuterungen des Qur ʾān bezieht sich das „Diejenigen…“ auf bestimmte Rabbis, welche wissend waren über die Beschreibung des Propheten in der Thora und über sein Kommen auf der arabischen Halbinsel. Trotz ihres Wissens, versteckten die Rabbis dies vor dem gewöhnlichen Juden. Der zweite Teil des Verses erklärt dies: „und dennoch verbergen einige von ihnen die Wahrheit, wo sie (sie) doch kennen.“
Tatsächlich sagt Ibn Juzayy, dass diese Satzstellung eine beabsichtigte Übertreibung ist, um den Punkt zu betonen, dass die Prophetie Muḥammads für die Rabbis klar sein sollte und er sagt, dass der Qurʾān die Worte und das Beispiel des Rabbi ʿAbdullah ibn Salām raḍīyallāhu ʿanh wiederholt und betont, der, als er Muslim wurde, sagte: „Wir Rabbis kennen seine Beschreibung in der Thora, wie wir unsere eigenen Söhnen kennen.“6 Tatsächlich erachten einige Rabbis den Propheten Muḥammad ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam als die Vollendung der jüdischen Prophetien in der Thora. Kaufmann Kohler, ein Rabbi, Theologe und Präsident der Hebrew Union College in den frühen 1900s, schreibt: „Der führenden Geistlichen des Judentums haben anerkannt [dass, der Islām die Prophetie Zacharias erfüllt] und erklärt, dass beide Religionen, die christliche und die muhammedanische, Methoden göttlicher Vorhersehung sind, anvertraut mit der historischen Mission der Zusammenarbeit in dem aufbauen des messianischen Königreichs, und somit der Vorbereitung auf den ultimativen Sieg des reinen Monotheismus in den Herzen und dem Leben aller Menschen und Nationen dieser Welt. Diese Ansichten, ausgesprochen von Jehuda ha Levi, Maimonides und Nahmanides, wurden von vielen Rabbis der späten Zeit wiederholt. Diese betonen dass beide, die christliche und die muslimische Nation, in den gleichen Gott und dessen Offenbarung an den Menschen glaubt, an die Einheit der menschlichen Rasse und an die Zukunft des Lebens; dass sie das Wissen über Gott durch die heiligen Schriften, auf unserer Schrift basierend, verbreitet haben; dass sie göttlichen Befehle beibehalten haben, wie sie essenziell auch in unseren Dekalog enthalten sind. Sie lehrten praktisch den Menschen die noahitischen7 Lehren der Menschlichkeit auszuleben. Wegen dieser letzten Tatsache, erachteten die jüdischen Autoritäten des Mittelalters die Christen als halbe-bekehrte, während die Muhammedaner, die reinen Monotheisten, schon immer näher zum Judentum standen.“8 Dieses Verständnis ist heute noch kaum vorhanden unter den Christen und sehr ungewöhnlich unter den Juden. Der Qurʾān sagt: „Und streitet nicht mit dem Volk der Schrift; es sei denn auf die beste Art und Weise. Ausgenommen davon sind jene, die ungerecht sind. Und sprecht: „Wir glauben an das, was zu uns herabgesandt wurde und was zu euch herabgesandt wurde; und unser Gott und euer Gott ist Einer; und Ihm sind wir ergeben.“ Und somit haben Wir dir das Buch herniedergesandt, 6
Ibn Juzayy al-Kalbī, Tasḥīl li ʿulūm al-tanzīl , (Beirut: Dār al-Qalam, n.d.), 2/100 Noahitische Gesetze sind jene, welche nicht-jüdische Völker einhalten müssen. Gemäß einigen Rabbis, müssen die Juden, welche von Gott als die Träger des Gesetzes erwählt wurden, 613 heilige Vorschriften einhalten und den nicht-jüdischen Völkern nur sieben als Barmherzigkeit für sie lehr en. Diese sind: 1) Verbot der Blasphemie, 2)Verbot des Götzendienstes, 3)Verbot des Mordes, 4) Verbot des Diebstahls, 5) Verbot des außerehelichen Geschlechtsverkehrs, Unzucht, Homosexualität und Geschlechtsverkehr mit Tieren, 6) Verbot des Verzehrs von Blut oder Fleisch, das Tieren vom lebendigen Leib abgetrennt wurde und 7) die Pflicht Gerichtes zu etablieren und Richter festzulegen, damit den Menschen Gerechtigkeit wiederfährt und sie Falsches anklagen können. Auch wenn die Achtung der Rechte der Eltern lobenswert ist, wird sie den nicht jüdischen Völkern nicht auferlegt. 8 K. Kohler, Jewish Theology: Systematically and Historically Considered (New York: MacMillan, 1918) S. 427 7
und so glauben diejenigen daran, denen Wir das Buch gegeben haben; und unter diesen sind einige, die daran glauben. Es sind aber nur die Ungläubigen, die Unsere Zeichen leugnen.“ (29:46-7)
Dieser Vers ist besonders relevant, da er uns verrät, dass ein Grund für die Offenbarung des Qurʾāns es ist, dass die Völker vorheriger Propheten davon lernen und ihn akzeptieren. Dieser Vers bezieht sich auf Juden und Christen, welche kommen um die Botschaft des Islām zu lernen und es als eine andere Botschaft des gleichen Gottes sehen, der die Thora und das Evangelium offenbarte. Der Qurʾān sagt: „Gilt es ihnen denn nicht als Zeichen, dass die Kundigen unter den Kindern Israels ihn kennen?“ (26:197)
Zwei jüdische Gelehrte erkannten während der Lebzeiten Muḥammad ṣallallāhu ʿalayhi wa sallams seine Botschaft als Wahrheit an: ‘Abdullah b. Salām und Mukhayriq, welche beide gemeinsam mit dem Propheten in ʿUḥud kämpften. Die zweite Art des Unglaubens (kufr juḥūd) kann auch weiter kategorisiert werden, nämlich manchmal als uneingeschränkt (muṭlaq) und manchmal als eingeschränkt (muqayyad). Uneingeschränkte Ablehnung bedeutet die Ablehnung der gesamten Religion, die Offenbarung Gottes und den Gesandten Allahs. Die eingeschränkte Form beschränkt ihre Ablehnung auf einen oder mehrere Aspekte der Religion. Beispielweise akzeptiert jemand die Einheit Gottes, das Gebet und die anderen fünf Säulen des Islām, aber lehnt das Verbot der Sodomie ab; so einer ist im Zustand des kufr juḥūd, weil er tatsächlich weiß, dass es eindeutig im Qurʾān und in den bekannten Aḥādīth verboten wurde, aber er folgt seiner Laune in der Akzeptanz dessen. In seinem didaktischen Gedicht, Jawharah al-Tawḥīd, schreibt der Imām al-Laqqānī, dass jene, welche etwas ablehnen von der Religion (jāḥada), was jedem wohlbekannt ist, sie in den Zustand des Unglaubens eintreten (kafara). Scheich Bakrī Rajab kommentiert dies: „Jeder vernünftige, verantwortliche und erwachsene Muslim muss glauben, dass Gott den Muslimen als Pflicht erklärt hat in alles zu glauben, was absolut bestätigt und notwendig ist. Dies schließt die Pflicht zum fünfmaligen Gebet, das Fasten und die anderen Säulen ein, und auch das Verbot der Unzucht, Ehebruch, Sodomie und Berauschendes. Wer daher irgendeines dieser klaren Befehle oder Verbote ablehnt, behauptend, es sei nicht bindend, oder wer etwas als erlaubt erklärt, was Gott als verboten erklärte, dieser hat den Islām rechtlich verlassen.“9 Die dritte Form des Unglaubens ist kufr muʿānada, in der ein Mensch Gott mit Worten erkennt und anerkennt, aber im Status des Unglaubens verharrt aufgrund von Neid, Hass oder einer Angst vor dem Verlust des Reichtums oder des Ranges. Dies ist der Unglaube von Herakleios, dem byzantinischen Herrscher, und der des Abū Talīb, dem Onkel des Propheten. Es unterscheidet sich vom kufr juḥūd nur darin, dass die Person die darunter 9
Scheich Bakrī Rajab, Tawḍiḥ hidāyat al-murīd ilā scharḥ jawharat al-tawḥīd (Beirut: Dār al-Khayr, 1994) S.122
leidet eigentlich die Wahrheit anerkennt, aber sich selbst nicht dazu bringen kann ein Muslim zu werden. Ob dieser Gruppe auf ewig in der Verdammnis verbleiben wird, ist Gott alleine überlassen. Manche Gelehrten behaupteten, dass Abū Talīb nicht auf ewig im Feuer verbleiben wird. Die vierte und letzte Kategorie ist kufr nifāq, in der jemand den Glauben zwar mit der Zunge bestätigt, aber es in seinem Herzen ablehnt. Dies ist der Unglaube der Heuchler (munāfiqūn) und wird als die schlimmste Form des Unglaubens erachtet. Diese Menschen sind geschützt und werden als Muslime erachtet; sie werden sogar gewaschen und begraben wie Muslime, und nur Gott alleine kennt ihre Realität. Es ist nicht erlaubt für eine Person anzunehmen, ob jemand ein Heuchler ist oder nicht. Das Verhalten jedoch ist ein Kriterium und die Heuchler haben unverwechselbare Zeichen in ihren Worten und Taten. Diese Art des Unglaubens kann in verschiedenen Graden existieren.
Ibn Qayyim al-Jawziyyahs Kategorisierung des Unglaubens Der produktive Gelehrte Imām Ibn Qayyim al-Jawziyyah hat nur zwei Grundarten des Unglaubens und teilt diese dann in Unterkategorien auf. Er achtet die oben erwähnten vier Arten als unterschiedlich in ihrem Grade, aber nicht in ihrer eigentlichen Art, und somit, gemäß seiner Beurteilung, landen all diese in der Verdammnis. Er nannte diese Art von Unglauben als kufr ‚al-akbar‘ (der ‚größere‘) und die zweite Art als kufr ‚al-asghar‘ (der ‚kleinere‘). In der Vergangenheit, wegen der Unwissenheit über die zweite Kategorie, missinterpretierten einige Autoritäten manche Verse des Qur ʾān und die Aḥādīth des Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam und erklärten einige Muslime fälschlich als Ungläubige. Kufr al-Asghar. Es gibt verschiedene mögliche Formen dieses Unglaubens. Eine davon wird im Qurʾān beschrieben: „Und wer nicht nach dem richtet, was Allah herabgesandt hat - das sind die Ungläubigen. (kāfirūn) (5:44).
Dieser Vers wurde offenbart, als eine Gruppe von Juden einen Ehebrecher zum Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam brachten, damit er über den Mann urteile. 10 Gott offenbarte seinem Propheten: „Wie aber wollen sie dich zum Richter berufen, während sie doch die Thora in ihrem Besitz haben, worin Allahs Richtspruch ist?“ (5:43)
Dieser außergewöhnliche Vers ließ dem Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam keine andere Möglichkeit als sie mit ihrem eigenen Buch zu verurteilen, nämlich gemäß der Thora. Daher befindet sich jeder, gemäß dem Qur ʾān, der das Gesetz Gottes ablehnt, im Unglauben. Jedoch schränkte Ibn ʿAbbās die Anwendung dieses Verses ein, indem er sagte: „Der Unglaube ist weniger als der absolute Unglaube und schließt einen nicht von der religiösen Gemeinschaft aus.“11, woher Ibn Qayyim auch sein Verständnis vom kleineren Kufr nahm. Jemand, der nicht die Gesetze auslebt, wird nur aus der Religionsgemeinschaft ausgeschlossen, wenn er das Gesetz selbst oder die Pflicht zur Befolgung des Gesetzes ablehnt. Wenn er jedoch dem Gesetz Gottes aus Faulheit, Angst oder anderen Gründen der Schwäche nicht folgeleisten kann, wird er nicht als ein Ungläubiger erachtet. Somit sind die Herrscher in den Ländern des Islām, welche nicht die Scharī ʿah anwenden, keine Ungläubigen, solange sie die Gesetze des heiligen Gesetzes nicht öffentlich ablehnen. Gemäß einem authentischen Ḥadīth, muss die Autorität eines Herrschers anerkannt und geehrt werden, solange er das Gebet verrichtet, nicht etwas befiehlt, was sich vom heiligen Gesetz selbst abtrennt, und er nicht eine andere Form von klarem Unglauben (kufr būwāḥ)
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Abū al-Ḥasan ʿAlī al-Wahidī, Asbāb Nuzūl al-Qur ʾān (Beirut: Dār al-Kutub al-ʿIlmiyyah, 1998) Siehe Tafsīr al-Ṭabarī und Ibn Kathīr
aufzeigt.12 Deswegen ist die Ermordung des Präsidenten Anwar Sadat im Jahre 1981 aufgrund einer ‚fatwa‘, die ihn als kāfir bezeichnete, ein Beispiel für das immense Übel und der Ungerechtigkeit, die von einer solchen Ignoranz zeugen kann. Ich besuchte den tunesischen Mufti und Gelehrten, Scheich Schadhili Nayfar, kurz nach dieser Ermordung, und er sagte zu mir: „Was diese Verbrecher taten war ein abscheuliches Verbrechen gegen den Islām und das heilige Gesetz.“ Einige Ḥadīth erwähnen andere Taten, welche von dieser Art des kufr sind, die einen aber nicht aus der Religion ausschließen. Gemäß einem authentischen Ḥadīth des Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam, der von Muslim überliefert wird, sagte er: „ Zwei Eigenschaften in meiner Gemeinschaft (ummah) sind Formen des kufr , die sich in jemanden manifestieren: das Kritisieren der Abstammung des anderen und das Klagen über den Toten.“13 Ein anderer Ḥadīth, überliefert von Imām al-Bukhārī und Muslim, lautet: „Wendet euch nicht dazu, wieder Ungläubige (kuffār) zu werden, nachdem ich davon gegangen bin, indem ihr euch gegenseitig (im Bürgerkrieg) tötete.“14 Obwohl in diesem Ḥadīth der Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam das Wort kuffār benutzt, sind sich die Kommentatoren einig, dass damit gemeint ist: „verübt nicht die Taten der kuffār, indem ihr euch gegenseitig tötet.“ Die Verse in der 49. Sūra des Qur ʾān, welche die Verbindlichkeiten beschreibt, sollten sich Muslime gegenseitig bekämpfen, sind entscheidend für die Bestimmung der Bedeutung hier. Das bedeutet, das Bekämpfen anderer Muslime schließt jemanden nicht sofort aus dem Islām aus. Diese Nuancen des kufr zu verstehen ist essenziell für die Muslime heute, welcher viel zu schnell darin sind, ihre muslimischen Gefährten des Unglaubens zu beschuldigen. Der Ḥadīth, der am allerstärksten in unseren Herzen verankert sein sollte, ist der absolut authentische Ḥadīth: „Wenn ein Muslim einen anderen Muslim als Kāfir bezeichnet, dann ist diese Aussage wahr in Bezug auf einen von beiden.“ 15, woraus wir verstehen, dass die Bezeichnung einer Person als kāfir selbst kufr ist, wenn diese Aussage nicht zutrifft. Kufr al-Akbar. Die zweite Kategorie ist gemäß Ibn al-Qayyim „der größere Kufr“ (kufr alakbar), was er in weitere fünf Unterkategorien aufteilt: Unglaube aufgrund Skepsis (kufr takdhīb), Unglaube aufgrund Arroganz (kufr istikbār), Unglaube aufgrund Nachlässigkeit (kufr iʿrāḍ), Unglaube aufgrund Zweifel (kufr schakk) und Unglaube aufgrund Heuchelei (kufr nifāq).
Unglaube aufgrund Skepsis (kufr takdhīb) ist eine Ablehnung des Glaubens an die Gesandten Gottes, aufgrund der Annahme, dass diese Lügen würden. Ibn Qayyim sagt, dass die Anzahl der Ungläubigen dieser Art unbedeutend ist, weil Gott seinen Gesandten mit Wundern und klaren Beweisen ihrer Aufrichtigkeit geholfen hat. Der Qur ʾān sagt über die Leute in der Zeit des Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam:
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Ṣaḥīḥ Muslim, Buch 20, Nr. 4573 & 4574 Ṣaḥīḥ Muslim, Buch 4, Nr. 2033 14 Ṣaḥīḥ Bukhārī, Band 9, Buch 88, Nr. 6627 15 Ṣaḥīḥ Bukhārī, Band 8, Buch 73, Nr. 125; Ṣaḥīḥ Muslim, Buch 1, Nr. 117 13
„Wir wissen wohl, dass dich das betrübt, was sie sagen; denn wahrlich, nicht dich bezichtigen sie der Lüge (yukadhibūnaka), sondern es sind die Zeichen Allahs, welche die Ungerechten (yajḥadūna) verwerfen.“ (6:33)
Unglaube, der aus Arroganz zeugt (kufr istikbār wa ibāʾ ) beinhaltet eine Ablehnung die Ablehnung der Quelle aufgrund Arroganz. Gemäß Ibn Qayyim ist die Mehrheit derer, die dem Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam in seinen Lebzeiten widersprach, von dieser Art. Diese Art von kufr ist ebenfalls der Unglaube des Pharaos, der sagte: „Sollen wir an zwei uns gleichen Menschen glauben, wo ihr Volk uns doch dienstbar ist?“ (23:47)
Iblīs litt ebenfalls unter dieser Form des Kufr , der sich in seiner Ablehnung vor Adam niederzuwerfen zeigte. Der Qurʾān sagt: „Er war arrogant (istakbara).“ (38:74)
Unglaube der Nachlässigkeit oder Versäumnis (kufr iʿrāḍ) ist eine träge Gleichgültigkeit bezüglich Offenbarung und ein Versäumnis die prophetischen Aussagen zu untersuchen. Dies steht im Bezug zu der Sünde der Trägheit oder Gleichgültigkeit im Katholizismus. Es beinhaltet einen totalen Mangel an intellektuellem und spirituellem Interesse. Spirituelle Nachlässigkeit ist besonders tückisch, denn oftmals ist sie verschleiert mit einem Schleier sinnvoller weltlicher Aktivitäten, wie die Ausübung der Medizin oder sogar Obdachlosenarbeit. Es ist nicht notwendigerweise eine Faulheit des Körpers oder Geistes, sondern eher der Seele. Das Kommen und Gehen dieser Welt bietet für viele Leute oftmals eine Entschuldigung, um sich nicht mit den religiösen Fragen der ultimativen Angelegenheit zu beschäftigen, doch eine solche Haltung ist eine Form des Unglauben, eine ‚Abkehr‘ (iʿrāḍ) von Gott. Unglaube, der aus Zweifel (kufr schakk) zeugt, ist ein Mangel an Hingebung, in der jemand weder die Wahrheit des Propheten bezeugt noch ablehnt, sondern es eher vorzieht neutral zu verbleiben. In der heutigen Sprache wird diese Person als ein Agnostiker bezeichnet. Gemäß Ibn Qayyim ist dies gleich zu dem Unglauben der Nachlässigkeit (kufr iʿrāḍ), denn würde der Zweifler eine seriöse Untersuchung anstellen, würde sein Zweifel mit Glauben ersetzt werden. Somit wendet sich eine solche Person erneut ab von den Zeichen Gottes, und lehnt ab diese Zeichen ernsthaft zu beachten. Letztlich ist die letzte Unterkategorie des großen Kufr der Unglaube der aus Heuchelei zeugt (kufr nifāq). Dies ist die schlimmste Form des Unglaubens und beinhaltet die schlimmste Bestrafung im Jenseits. Diese weiteren Klassifizierungen fügen noch einige Nuancen zu der vorherigen Klassifizierung hinzu. Beide sind sehr nützlich um die Erscheinung des im Qurʾān erwähnten Unglaubens vollkommen zu begreifen.16
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‘Abd ar-Raḥmān b. Mallūḥ, ed. Masūʿat naḍrat al-naʿīm (Jidda: Dār al-Waṣīla, 1999), 2/5/455
Notwendige Bedingungen um ein Individuum zu verbannen (takfīr) Während das ultimative Schicksal nur von Gott bestimmt werden kann, ist auf der anderen Seite die Bestimmung der Religion und somit der gesetzlichen Lage in dieser Welt fundamental, da offensichtliche Konsequenzen hinsichtlich Ehe, Geburt, Tod und Erbschaft davon abhängen. Was festlegt, ob ein Mensch ein kāfir oder ein Gläubiger ist, ist eine kritische Angelegenheit. Die Juristen des Islām entwickelten somit einen Kodex an Richtlinien, welche der Richter erst beachten muss, damit er über eine Person das Urteil als kāfir sprechen darf. Sechs Bedingungen müssen erfüllt sein, damit man über den Glauben einer Person urteilen darf: Absicht, Abwesenheit von Zwang, Wissensstand, Abwesenheit außersinnlicher Erläuterungen, mentale Fähigkeit zur logischen Schlussfolgerung und Beweis des Glaubens. Absicht: Die Absichten der Menschen müssen verstanden werden, bevor ihre Taten oder Worte verurteilt werden können. Als beispielsweise Ḥātib den Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam verriet, indem er seine Pläne den Quraysch verriet, wurde er gefangen genommen und die Gefährten wollten ihn wegen Verrat exekutieren. Der Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam befragte seine Absichten, und als er erfuhr, dass Ḥātib Sorge hatte um seine Familie in Mekka, akzeptierte der Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam seine Erklärung und erachtete dies nicht als Verrat oder als eine Tat des Unglaubens.17 Der Qurʾān sagt: „Und euch trifft keine Verfehlung in dem, wo ihr Fehler schon gemacht habt, sondern nur da, wo eure Herzen es beabsichtigten.“ (33:5) Abwesenheit von Zwang: Der Qurʾān sagt: „Wer Allah verleugnet, nachdem er geglaubt hat - den allein ausgenommen, der (dazu) gezwungen wird, während sein Herz im Glauben Frieden findet -, auf jenen aber, die ihre Brust dem Unglauben öffnen, lastet Allahs Zorn; und ihnen wird eine strenge Strafe zuteil sein.“ (16:106)
In anderen Worten ist es wichtig festzulegen, ob eine bestimmte Person, welche einst glaubte, gezwungen wurde in den Unglauben oder ob eine Person den Unglauben wählte, weil dies ihm bequemer war. Wissensstand: Diese Bedingung hat ein großes Gewicht im Lichte der heute weitverbreiteten Unwissenheit in unserer Gemeinschaft. Viele unwissende Menschen benutzen Schwüre, die verboten sind; einige Umkreisen die Gräber, einige Schlachten Tiere für die Gottesfreunde und andere Binden Stoffstücke an Schreine. Alle diese Taten sind absolut verboten, doch sie beinhalten keinen Unglauben, außer es ist sichergestellt, dass die Person trotz ihres Wissens, dass dies verboten ist und Götzendienst ausmacht, so etwas tut. Ein klarer Beweis für dies ist im Qur ʾān, in der Antwort Mūsā ʿalayhissalām an die Juden, welche ihn danach fragten einen Götzen zu machen wie die Götzen der anderen Völker: 17
Ṣaḥīḥ Bukhārī, Band 4, Buch 52, Nr. 2809 & 2872
„Moses! Mach uns einen (ebensolchen) Gott, wie die da Götter haben!“ Er sagte: „Ihr seid ein törichtes Volk.“ (7:138)
Diese Bedeutung wird wundervoll in einem authentischen Ḥadīth in Tirmidhī wiederholt, in der einige Gefährten des Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam ihn danach baten, einen Baum auszusuchen, an dem sie ihre Kleider festmachen konnten, bevor sie in die Schlacht zogen, wie es die Götzendiener Mekkas taten. Er antwortete: „Gepriesen sei Gott! Dies ist genau das, was die Kinder Isrā īls wollten: „Mach uns einen Gott, wie die da Götter haben!“ Bei dem, in dessen Hand meine Seele ruht, ihr werdet den Weg jener folgen, die vor euch gingen.“ 18 ʾ
Der Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam bezeichnete sie nicht als Ungläubige; eher erklärte er ihnen ihren Fehler und entschuldigte sie wegen ihrer Unwissenheit, da sie nämlich unbewusst waren über den vollen Ausmaß ihres Wunsches. Einige Gelehrte, wie der Imām al-Qarāfī, erachteten Unwissenheit als eine Entschuldigung in detaillierten Themen des heiligen Gesetzes (furūʿ ), doch nicht Themen des Glaubens oder des Wissens.19 Die Ansicht Imām al-Qarāfīs kommentierend, sagt Imām Ṣādiq al-Ghiryānī raḥimahullāh: „Was Imām al-Qarāfī bezüglich der Unentschuldbarkeit des Unwissens sagt, ist nicht korrekt, denn dies würde zu unerträglichen Verantwortungen für die Menschen führen (taklīf mā la yuṭāq). Es gibt viele überzeugende Beweise, welche dieser Ansicht widersprechen. Beispielsweise gibt es einen authentischen Ḥadīth, dass ein Mann seinen Kindern befahl seinen Körper einzuäschern, die Asche zu zermahlen und die Asche an einem windigen Tag auf dem Meer zu zerstreuen. Gemäß dem Ḥadīth sagte er zu seinen Söhnen: „Ich schwöre bei Gott, wenn mein Herr mich packt (qadara ʿalayya), wird er mich bestrafen, wie er noch keinen vor mir bestrafte.“ Der Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam erzählt: „Sie taten dies und Gott sagte der Erde: „Bringe hervor was du von ihm genommen hast.“, und da stand der Mann plötzlich vor seinem Herrn. Gott fragte ihn: „Was veranlasste dich dergleichen zu tun?“, und der Mann erklärte: „Ich hatte so viel Angst vor dir mein Herr!“, und deswegen“ , sagt der Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam, „wurde ihm vergeben.“
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Sunan al-Tirmidhī, Band 2, Buch 1, Nr. 1446 al-Qarāfī sagt in al-Furūq : „Wisse, dass die Unwissenheit keine Entschuldigung ist für eine Aussage, die Unglauben beinhaltet. Der Grund hierfür ist die gesetzliche Maxim: „Jede Unwissenheit, welche von Seiten eines unwissenden, vernünftigen und erwachsenen Muslims entfernt werden kann, kann nicht als ein Beweis für ihn gelten.“ Gott sandte zu seiner Schöpfung Gesandte, um diese Unwissenheit zu ersetzen. Des Weiteren verpflichtete Gott sie alle die Botschaft zu lernen und demnach zu handeln. Wer auch immer also das Lernen und die rechte Handlung vermeidet, und in ei nem Zustand der Unwissenheit verbleibt, sündigt zweifellos, weil er das Lernen unterlässt und weil er nicht gemäß den Lehren handeln kann. Wenn er lernt, aber versagt auszuleben, ist seine Sünde nur, dass er nicht mit seinem Wissen handelt. Derjenige jedoch, der lernt und handelt, ist im Zustand der Gnade.“ Siehe Scheich Muḥammad al-Baqqūrī, Tartīb al-furūq wa ikhtiṣārihā (Casablanca: al-Awqāf, 1996) 2/374 19 Imām
Dieser Ḥadīth, der sich in den zwei authentischsten Sammlungen des Ḥadīth befindet, entschleiert klaren Unglauben: Der Mann glaubte nicht, dass Gott allmächtig ist, ansonsten hätte er nicht eine solch närrische Tat begangen. Er zweifelte sogar die Wiederauferstehung an. Dies ist zweifellos Kufr . Er war unwissend, doch diese Unwissenheit wurde begleitet von aufrichtiger Angst und Furcht vor Gott, und so vergab ihm Gott.“20 Dieser Ḥadīth weist daraufhin, dass das Verständnis und die Absichten entscheidende Angelegenheiten sind darin, wie jemand am Tage des Gerichts beurteilt wird. In einem anderen authentischen Ḥadīth wurde dem Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam ein Mann mit einer Flasche Wein vorgeführt. Der Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam klärte diesen Mann über das Verbot auf. Der Mann flüsterte seinem Gefährten etwas zu und übergab ihm die Flasche. Der Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam fragte, was der Mann gerade geflüstert habe, und ihm wurde gesagt, dass er seinem Freund befohlen habe, die Flasche zu verkaufen. Da sprach der Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam: „Der Eine, welche das Konsumieren verbat, verbat auch den Verkauf.“ , und der Mann schüttete den Wein aus.21 In seinem Tamhīd schreibt Ibn ‘Abd al-Barr, dass dieser Ḥadīth ein Beweis ist, dass die Sünden dessen, der Unwissend ist, verziehen sind, bis er fähig war zu lernen und er nachlässig daran ist, es zu lernen.22 Abwesenheit außersinnlicher Erläuterungen (ta wīl): Eine Person, deren Worte oder Taten auf Unglauben hinweisen, kann entschuldigt sein, wenn sein Unglaube aus einer falschen Interpretation zeugt, die im Versuch nach dem Finden der Wahrheit zustande gekommen ist. Dies ist anders als der Unglaube, welcher daraus resultiert, dass man seinen Neigungen und Gelüsten folgt. Beispielswiese glaubte Imām Ibn Taymiyyah offensichtlich nach einigen seiner Schriften an die Vergänglichkeit des Höllenfeuers23, und dass die Bewohner dessen nicht länger leiden würden. Dies kann als ein kufr erklärt werden aufgrund der offensichtlichen Ablehnung klarer Verse, die uns sagen, dass die Ungläubigen auf ewig im Höllenfeuer brennen werden ( khālidīna fīhā abadan) (4:169 und andere). Ibn Taymiyyah basierte seine eigenwillige Interpretation auf Versen, die nach einigen wenigen der Gefährten des Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam Vorrang hatten, wie er es in seiner Argumentation darstellt. Jedoch lehnte er die Verse des Qurʾān nicht ab, welche über die Ewigkeit der Hölle sprechen, sondern fühlte, dass man sie im Lichte der anderen Verse verstehen und ihre Allgemeinheit spezifizieren müsse, und ihre offensichtlich unbeschränkte Gültigkeit einschränken müsse. ʾ
Obwohl Ibn Taymiyyahs Ansicht eine ist, die nicht als die Norm oder überhaupt gemäß der Mehrheit der Gelehrten als gültig gilt, verdammten ihn sehr wenige Gelehrten wegen dieser
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Ṣādiq al-Ghiryānī, Fī al-ʿ Aqīdah wa al-minhāj (Benghazi: Dār al-Kutub, 2002), S. 106. Die sechs Bedingungen wurden ebenfalls von dieser Sektion mit einigen Hinzufügungen genommen, es ist ein exzellentes Buch. 21 Überliefert bei al-Ḥāmīdī in seinem Musnad 22 Ibn ‘Abd al-Barr, al-Tamhīd (al-Muḥammadiyyah: al-Matba’ah al-Fadiliyah, 1988) 23 Siehe Ibn Taymiyyah, ar-Radd ʿalā man gāla bi fanāi al-Jannah wa al-Nār wa Bayān al -Agwāl fī dhālik (Muḥammad b. Abdullah as-Samharī ed., Riad, Dār al-Balansiya, 1995) [Anm. d. Ü.]
Interpretation (taʾwīl) in diesem Thema, welches bedeutete, dass er die Verse nicht ablehnte, die äußerlich seiner Schlussfolgerung widersprachen. Wegen dieser Bedingung erklären die meisten Gelehrten die Rationalisten (al-muʿtazilah) oder andere Sektenmitglieder, welche die Verse anders erläutern als die orthodoxen Gelehrten des Islām, nicht als Ungläubige. Jedoch gibt es Grenzen, die festlegen, was akzeptabel und was inakzeptabel ist. Gemäß Imām al-Ghazalī sollte eine Interpretation, sogar wenn sie weit hergeholt ist, nicht als kufr betrachtet werden, solange sie sich in den Parametern des Vernünftigen im Einklang mit der arabischen Sprache befindet. Abū alBaqā al-Kaffawī schrieb: ʾ
„Gott sagt: „Wahrlich, Gott vergibt alle Sünden.“ (39:53), und obwohl Unglaube eine unverzeihbare Sünde ist, ist die bevorzugte Ansicht der Mehrheit der Ahl al-Sunnah, dass niemand, der sich gen Mekka im Gebet wendet und von den Erneuerern (mubtadiʿa) und den außersinnlichen Deutern (muʾawwila) ist, als ein kāfir bezeichnet werden sollte, solange ihre Interpretationen sich nicht auf die essenziellen Angelegenheiten des Glaubens (wie tawḥīd24, Gebet und Verbot des Alkohols) beziehen, aufgrund der vorhandenen Verwirrung (schubhah) in dem Thema.“25 Mentale Fähigkeit zur logischen Schlussfolgerung: Der Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam sagte: „Drei von meiner Gemeinschaft sind nicht verantwortlich: Der Schlafende bis er aufwacht, das Kind, bis es die Pubertät erreicht und der verwirrte Mensch, bis er wieder zur Vernunft kommt.“ 26 Beweis des Glaubens: Ein fester Beweis des Glaubens und dessen Bedingungen müssen etabliert sein, bevor ein Status der Ablehnung anerkannt werden kann (iqāmatu al-ḥujjah ʿalayhī). Gemäß dem Scheich Ṣādiq al-Ghiryānī:
„Das Urteil des Unglaubens kann nicht gegeben werden über eine Person, bis ein klarer Beweis des Glaubens und seiner/ihrer Ablehnung dessen bewiesen ist, in dem Falle der Mensch zur Reue aufgerufen wird. (Wenn sich jemand außerhalb des Islams befindet, ist seine Reue die Rückkehr zum Islām). Dies versteht man klar aus dem Vers des Qurʾān: „Gesandte (die) als Verkünder froher Botschaft und als Warner (kamen), damit die Menschen, nachdem sie aufgetreten waren, keinen Beweisgrund gegen Allah haben sollten (indem sie behaupten könnten, von nichts zu wissen). - Allah ist gewaltig und weise.“ (4:165)
Und: „Und Wir bestrafen nie, ohne zuvor einen Gesandten geschickt zu haben.“ (17:15) 24
Einheit Gottes Al-Kaffawī, al-Kullīyāt , 765 26 Sunan al-Tirmidhī , Band 2, Buch 1, Nr. 1446 25
Ein Beweis ist gegeben durch die Einladung zum Islām, in der die Einheit Gottes und die Botschaft des Propheten Muḥammad ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam erklärt wird.“27 Im Falle einer Person, die etwas gesagt oder getan hat, das Unglaube mit sich führt, muss ein Gelehrter einem solchen Individuum aufzeigen, warum es Unglaube ist und warum die Reue notwendig für die Wiederherstellung des Glaubens ist. Wenn diese Person zurückkehrt in das Lager der Orthodoxie, so wird er nicht mehr als ein kāfir gesehen. Oder wenn er erklärt, dass seine Ansicht auf unterschiedliche Interpretationen basiert, die eine Gültigkeit haben, oder seine eigenen Quellen vorlegt, durch die er mit einer authentischen Methode zu seiner Schlussfolgerung kam, dann erachtet man diese Person nicht als Ungläubigen. Es kann jedoch, je nach Situation, eine Ketzerei und Erneuerung im Glauben sein (bidʿah), was zwar ungültig ist, aber kein Unglauben.
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Al-Ghiryānī, Fī al- ʿAqīdah, 104
Der Zustand des Unglaubens und was er beinhaltet Gemäß dem Qurʾān ist Götzendienst die größte Sünde gegenüber Gott. „Wahrlich, Allah wird es nicht vergeben, dass Ihm Götter zur Seite gestellt werden: doch Er vergibt, was geringer ist als dies, wem Er will. Und wer Allah Götter zur Seite stellt, der ist in der Tat weit irregegangen.“ (4:116)
Die Mehrheit der orthodoxen Gelehrten wendet diese Verse nicht für jene an, die noch nie die wahre Botschaft über Gott empfingen. Der Beweis hierfür ist der Vers des Qurʾān: „Und Wir bestrafen nie, ohne zuvor einen Gesandten geschickt zu haben.“ (17:15)
Dies kommentierend schreibt Ibn Juzayy al-Kalbī: „Eine Ansicht über diesen Vers ist, dass es sich auf diese Welt bezieht und dass Gott kein Volk zerstören wird, solange nicht ein Gesandter zu ihnen kam, der sie warnte, wodurch sie dann keine Entschuldigung mehr hatten. Eine andere Ansicht ist, dass dieser Vers sich auf diese und die nächste Welt bezieht – dass Gott kein Volk bestraft im Jenseits, außer es kam ein Gesandter zu ihnen in diesem Leben und sie lehnten ihn ab.“28 Die zweite Ansicht wird verstärkt durch einen anderen Vers des Qurʾān: „Fast möchte sie bersten vor Wut. Sooft eine Schar hineingeworfen wird, werden ihre Wächter sie fragen: „Ist denn kein Warner zu euch gekommen?“ Sie werden sagen: „Doch, sicherlich, es kam ein Warner zu uns, aber wir leugneten es und sagten: „Gott hat nichts herabgesandt; ihr befindet euch bloß in einem großen Irrtum.“ (67:8-9) Die Gelehrten unterscheiden zwischen Götzendienerei (schirk) und Unglaube (kufr). Jeder Schirk ist Kufr , aber nicht jeder Kufr ist Schirk. Beispielsweise ist die stärkste Ansicht der Gelehrte, dass weder die Christen noch die Juden als Götzendiener angesehen werden. Sie sind jedoch Ungläubige, wenn sie über die Botschaft des Propheten Muḥammad ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam gehört haben und diese ablehnten. Der authentische Ḥadīth in Ṣaḥīḥ Muslim ist eindeutig darüber: „Bei dem Einen, in dessen Hand die Seele Muhammads ist, keiner von dieser Gemeinschaft (ummah), ob Jude oder Christ, hört von mir und stirbt dann ohne an mich geglaubt zu haben, ohne dann zu den Bewohnern des Höllenfeuers gezählt zu werden.“
Zwei extrem wichtige Punkte werden von diesem Ḥadīth entnommen. Der erste Punkt ist, dass der Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam sagt: „von dieser Gemeinschaft“, und er bezieht sich auf alle Menschen in dieser Welt von der Anfangszeit seiner Botschaft an. Diese 28
Ibn Juzayy al-Kalbi, Tashīl, 1/484
Gemeinschaft teilt sich in zwei Gruppen: eine ist die Gemeinschaft der Akzeptanz (ummah al-istijābah), welche jene mit einschließt, die seiner Einladung zur Ergebung in Gott gefolgt sind, und die anderen sind eine Gemeinschaft der Einladung (ummah al-daʿwah), welche jene einschließt, die eingeladen wurden, aber jetzt noch nicht geantwortet haben. Der zweite wichtige Punkt ist, dass das letzte Urteil über eine Person bis zum Ende ihres Lebens nicht getroffen werden kann. In diesem Ḥadīth sagt der Prophet: „niemand… der von mir hört und dann stirbt, ohne an mich geglaubt zu haben…“, in anderen Worten: Wenn jemand die Botschaft hört, hat er sein gesamtes Leben Zeit diese Botschaft zu akzeptieren oder abzulehnen. Dieses Verständnis wird auch von einigen Qur ʾān-Versen bestärkt: „Wahrlich, diejenigen, die ungläubig sind und in ihrem Unglauben sterben, auf denen lastet der Fluch Allahs und der Engel und der Menschen insgesamt.“ (2:161)
Der Qurʾān drückt klar aus, dass jemand im Zustand des Unglaubens sterben muss, um der Verdammung anheim zu fallen. Ihr Unglaube ist nicht ein Unglaube an Gott, sondern eine Ablehnung eines Propheten, und der Unglaube im Islām wird als die Ablehnung Gottes, irgendeines Gesandten oder deren Botschaft definiert. Der Qurʾān sagt zu der Erklärung, dass Götzendienst (schirk) die einzige unverzeihliche Sünde ist, auch noch, dass Luqmān ʿalayhissalām zu seinem Sohn sagte: „O mein Sohn, setze Allah keine Götter zur Seite; denn Götzendienst ist wahrlich ein gewaltiges Unrecht (ẓulm).“ (31:13)
Das Wort, welches hier die Sünde des Götzendienstes beschreibt, ist ein Verbalsubstantiv, welches auch die Bedeutung ‚Unterdrückung‘ trägt. In vielen Versen des Qur ʾān werden die Ungläubigen in der Hölle als ‚Unterdrücker‘ (ẓālimūn) bezeichnet. Die Gelehrten stimmen darin überein, dass jeder, der nicht der Religion des Islām folgt – Juden, Christen und Götzendiener eingeschlossen – rechtlich als Ungläubiger gesehen wird. Da jedoch alle Menschen heute von der Gemeinschaft Muḥammad ṣallallāhu ʿalayhi wa sallams gezählt werden, und wie oben erwähnt in zwei Gruppen aufgeteilt werden, ist es eine Pflicht für die Muslime jene zum Islām einzuladen, die zu der Gemeinschaft der Einladung gehören, und dies die gesamte Lebensspanne einer Person gemäß zu tun. Lasst uns nicht vergessen, dass Abū Ṣufyān den Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam für fast zwanzig Jahre bekämpfte, und dennoch hat der Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam nicht verzweifelt an der Möglichkeit, dass Abū Ṣufyān den Glauben akzeptieren würde. Der Prophet Noah ʿalayhissalām rief die Menschen fast 1000 Jahre zu Gott und betete erst für die Zerstörung (seines Volkes) als Gott ihm offenbarte, dass sie niemals glauben würden: „Und es wurde Noah offenbart: „Keiner von deinem Volk wird (dir) glauben, außer jenen, die (dir) bereits geglaubt haben: sei darum nicht traurig über ihr Tun.“ (11:36)
Die Mehrheit der Gelehrten verbat die Verfluchung eines Individuums, ob Muslim oder nicht, denn nur Gott alleine kennt den letztlichen Status. Juristen legten fest, dass die Seele
eines Menschen unbekannt ist für die anderen Menschen, und deswegen sollte niemals angenommen werden, dass diese oder jene Person bei Gott ein kāfir ist. Beispielsweise, während seine Taten zu Gott widerwärtig waren, war der Mensch ʿUmar b. al-Khaṭṭāb bei Gott geliebt, sogar als er sich vor Götzen niederwarf, denn im ewigen Wissen Gottes war ʿUmar raḍīyallāhu ʿanh kein Götzendiener, sondern der Kalif des Islām und ein Märtyrer. Die Marokkaner haben ein Sprichwort: „Schätze niemanden gering, denn er könnte ein Freund Gottes sein.“ Was auch immer wir in einem Menschen sehen, es muss nicht seinen eigentlichen Status bei Gott reflektieren. Der Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam sagte über die Leute von Badr: „Wer weiß – vielleicht sah Gott in die Herzen der Leute von Badr und sagte: „Tut was ihr von diesem Tage an tun wollt – denn ich habe euch vergeben.““ 29 Der Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam machte diese Aussage in Bezug auf den Mann, der auf der Seite der Leute von Badr gekämpft hatte und später dann eine verräterische Tat verübte, welche der Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam ihm vergab.
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Wer ist für das ewige Höllenfeuer bestimmt? Der Qurʾān sagt eindeutig, dass die Ungläubigen in der Hölle sind. Da es einen Konsens gibt, dass die Juden und Christen gesetzlich als Ungläubige eingestuft werden (nicht ungläubig an Gott und vorherige Propheten, sondern ungläubig an den Propheten Muḥammad), nehmen viele Muslime dies als ein Grund, dass diese in der Hölle sein werden, da viele Verse des Qurʾān klar aussagen, dass die Ungläubigen in der Hölle sind. Darüber hinaus existieren Verse, welche darauf hinweisen, dass Christen, welche an die Trinität glauben, ebenfalls in der Hölle sein werden. Der Qur ʾān sagt: „Wahrlich, ungläubig sind diejenigen, die sagen: „Gott ist der Messias, der Sohn der Maria“, während der Messias doch selbst gesagt hat: „O ihr Kinder Israels, betet zu Gott, meinem Herrn und eurem Herrn.“ Wer Gott Götter zur Seite stellt, dem hat Gott das Paradies verwehrt, und das Feuer wird seine Herberge sein. Und die Frevler sollen keine Helfer finden. Ungläubig sind diejenigen, die sagen: „Gott ist einer von dreien.“ Es gibt keinen Gott außer einem einzigen Gott. Und wenn sie mit dem, was sie (da) sagen, nicht aufhören (haben sie nichts Gutes zu erwarten). Diejenigen von ihnen, die ungläubig sind, wird (dereinst) eine schmerzhafte Strafe treffen.“ (5:72-73)
Es gibt hier einige wichtige Punkte, die angemerkt werden sollten: Erst einmal ist der hier erwähnte Unglaube kein Unglaube an den Islām, sondern ein Unglaube an die eigene Religion. Das heißt, jene welche sagten, Gott sei eine Trinität, haben Blasphemie begangen. Die Vergangenheitsform wird in den Versen hier benutzt, und dies wird bestärkt in späteren Versen des Qurʾān, indem es heißt: „Sprich: „O Leute der Schrift, übertreibt nicht zu Unrecht in eurem Glauben und folgt nicht den bösen Neigungen von Leuten, die schon vordem irregingen und viele irregeführt haben und weit vom rechten Weg abgeirrt sind.““ (5:77)
Jene, welche die Trinität einführten, welche ein Götzenkult ist, den man im alten Ägypten, in Babylon und Indien finden kann, waren diejenigen, die Gott gelästert haben und in den Status des Unglaubens eingingen. Der Qur ʾān jedoch sagt, dass wenn man dies einmal weiß, man Abscheu davor haben muss, dergleichen zu sagen, ansonsten wird man im Höllenfeuer brennen. In dem letzten Teil des oben zitierten Verses, wird durch die Anwendung der Präposition min ( ) (von) der Satz bemerkenswert: „Wenn sie somit nicht aufhören mit dem, was sie sagen, wird eine schmerzhafte Strafe jene von ihnen treffen, die Gotteslästerer sind.“ Im Arabisch weist die Benutzung des min um „jene von ihnen, die Gotteslästerer sind“ auszusagen, darauf hin, dass es diejenigen von ihnen sind, die im Feuer brennen werden, welche sich im Zustand des Kufr befinden. Dies kann man nur verstehen, wenn wir uns daran erinnern, was kufr gemäß den Theologen ist:
„Eine Ablehnung des Glaubens basierend darauf, dass man weiß, was man glauben sollte (maʿrifah) und eine entschlossene Ablehnung dessen (iʿrāḍah), sogar wenn es sich nur auf einen kleinen Teil dessen bezieht, was der Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam uns brachte, [solange es] in klarer Form, ohne Mehrdeutigkeit, überliefert ist.“30 Dies verändert nicht den gesetzlichen Zustand derer, die an die Trinität glauben. Sie sind weiterhin rechtlich als kāfirūn zu erachten.31 Jedoch hebt es die Beurteilung ihrer Absichten auf, denn viele von ihnen könnten sich ihres Zustandes der Gotteslästerung nicht bewusst sein. In allen drei Religionen, die sich auf Abraham berufen, wird Blasphemie – welche respektloses Gerede über Gott, seine Propheten und andere Heiligtümer ausmacht – nur als Kufr erachtet, wenn es absichtlich geschieht. Hier ist der Knackpunkt. Wenn Christen einfach nur das Wiederholen, was ihnen von ihren Priestern und Kirchen wiederholt wurde, dann lästern sie Gott nicht absichtlich. Viele mögen tief in ihren Glauben hingegeben sein, und suchen bestrebt nach dem Wohlgefallen Gottes. Dies sind die Menschen, welche der Qurʾān anspricht, genauso wie der Qurʾān Menschen ohne Glauben anspricht, in der Hoffnung, dass sie die Botschaft vernehmen und glauben werden. Was ist dann das Schicksal jener, welche nicht an den Qur ʾān und die Botschaft des Propheten Muḥammad glauben? Sind sie auf ewig für das Höllenfeuer bestimmt? Imām Ghazālī, bekannt als der „Beweis des Islām“ (Hujjat al-Islām), der einer der größten Autoritäten in der islamischen Theologie und der Grundlagen islamischen Rechts ist, hatte da eine andere Ansicht. Er schrieb ein kurzes Büchlein namens Fayṣal al-Tafriqah, worin er die Gefahren des Takfīr anderer Muslime klarstellt, doch in diesem Buch behandelt er auch das Thema der Nichtmuslime und die große Barmherzigkeit Gottes. Er bemerkt, dass obwohl es einen klaren authentischen Ḥadīth gibt, dass nur einer von tausend Menschen das Paradies betreten wird, es nicht bedeutet, dass der Rest der Menschen in ewiger Verdammnis enden wird; im Gegenteil, sie werden eine Weile im Feuer verbleiben, bis sie gereinigt sind. Was dieser Ḥadīth bedeutet, gemäß al-Ghazālī, ist, dass nur einer von 30
Scheich ‘Abd ar-Raḥmān Ḥasan al-Ḥabannakah al-Maydānī, al-ʿ Aqīdah al-Islāmiyyah wa Ususuhā (Damaskus: Dār al-Qalam, 1997), 615 31 Zu wissen, dass der Islām die einzige noch übriggebliebene Religion ist, die bei Allah Gültigkeit oder Akzeptanz besitzt, ist notwendigerweise Bestandteil unserer Religion, und irgendetwas anderes als das zu glauben, ist Unglaube (kufr), der einen außerhalb des Islams stellt, wie Imām an-Nawawī feststellt: „Wer nicht daran glaubt, dass jemand, der einer anderen Religion als dem Islam folgt, ein Ungläubiger (wie die Christen) ist oder daran zweifelt, dass eine solche Person ein Ungläubiger ist oder ihre G laubenslehre für gültig hält, ist selbst ein Ungläubiger (kāfir), auch wenn wer sich öffentlich zum Islam bekennt und an ihn glaubt.“ [Rauḍa aṭṬālibīn, Bd. 10, S. 70] Dies ist nicht allein der Standpunkt der schāfiʿītischen Rechtsschule, die an-Nawawī vertritt, sondern auch der überlieferte Standpunkt der ande ren drei sunnītischen Rechtsschulen, der Ḥanafītischen (Ibn ʿAbidīn, Radd al-Mukhtār, 3, 287), der mālikītischen (ad-Dardīr, asch-Scharḥ aṣ-Ṣaghīr, 4, 435) und der Ḥanbalītischen (al-Bahūtī, Kaschschāf al-Qināʿ , 6, 170). Wer sich in der Fiqh-Literatur auskennt, wird bemerken, dass jedes dieser Werke die erste Quelle für Fatwās oder „offizielle rechtliche Meinungen“ in seiner Rechtsschule ist. Die Gelehrten des islamischen Rechts sind sich darüber einig, daß alle ander en Religionen durch den Islam aufgehoben sind, weil dies der St andpunkt des Islams selbst ist. Es bleibt dem aufrichtigen Muslim nur, sich dem zu fügen, in welchem Zusammenhang Ibn al- ʿArabī gesagt hat: „Hüte dich davor, jemals etwas zu sagen, was nicht dem reinen Heiligen Gesetz entspricht. Wisse, dass die höchste Stufe der Vollendeten (rijāl) das geheiligte Gesetz Muḥammads –Allah segne ihn und gebe ihm Heil – ist, und dass das nicht für Außenstehende Bestimmte (Esoterische), das in Widerspruch zu dem für Außenstehende Bestimmten (Exoterischen) steht, eine Täuschung ist.“ (al-Burhānī, al-ḥall as-sadīd, S. 32) [Ṭarīqah Notes, Scheich Nūḥ Ḥa-Mīm Keller, Anm. d. Ü.]
tausend sündenlos ist. Dann sagt er, dass alle Muslime letztlich vollständig aus dem Feuer befreit werden, und noch unglaublicher: „Die göttliche Barmherzigkeit jedoch wird auch viele der vergangenen Nationen einschließen, obwohl viele von ihnen dem Feuer überlassen werden – entweder nur kurz, und zwar für einen Moment oder für eine Stunde, oder für eine lange Zeit, weswegen auf sie die Bezeichnung: „Bewohner des Höllenfeuers“ anwendbar ist. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass die meisten Christen unter den Europäern und Türken in unserer Zeit von dieser Barmherzigkeit umfasst werden, wenn Gott, der Allerhabene, es wünscht. Ich meine speziell jene, welche in den entfernten Teilen Europas und Zentralasiens leben, und zu denen die Botschaft des Islām nicht gekommen ist (diese werden von der göttlichen Barmherzigkeit umfasst). Christen kann man in drei Gruppen teilen. Die einen sind jene, welche noch nie den Namen Muḥammads gehört haben: sie sind für ihren Unglauben entschuldigt. Die zweite Gruppe sind jene, welche seinen Namen, seine Beschreibung und Wunder vernommen haben. Diese Leute leben neben oder unter den Muslimen und pflegen den Umgang mit ihnen. Dies sind die ungläubigen Leugner (kuffār mulḥidūn). Die dritte Kategorie sind die Menschen, welche weder zu der einen, noch zu der anderen Gruppe gehören, sondern sich dazwischen befinden. Der Name Muḥammad hat wahrlich ihre Ohren erreicht, doch sie kennen seine wahre Beschreibung und seinen Charakter nicht. Anstelle dessen hören sie seit ihrer Kindheit, dass ein hinterhältiger Lügner namens Muḥammad behauptet habe, ein Prophet zu sein, genauso wie unsere Kinder hören, dass ein Lügner namens al-Muqannaʿ behauptete, ein Prophet zu sein. Meiner Ansicht nach sind solche Menschen entschuldigt, genauso wie es jene in der ersten Gruppe sind, denn sie vernahmen zwar seinen Namen, doch sie hörten das Gegenteil seiner wahren Eigenschaften, und das Hören solcher Dinge würde niemals in einem den Wunsch wecken, herauszufinden[, wer dies war].“32 Imām Ghazālīs Einblick zeugt von seinem tiefen Verständnis des menschlichen Wesens und der Schleier, die auf dem Herzen des Menschen als Resultat seines Hintergrundes und sozialer Herkunft liegen. Er bemerkt in seinem Buch ‚der Erretter aus dem Irrtum‘ 33, dass die meisten Menschen, Muslime eingeschlossen, einfach nur der Religion ihrer Eltern folgen. Er merkt an, dass eigentlich wenige Muslime die Tiefen irgendeines religiösen Themas ergründen, um sich davon zu überzeugen, ob dieser Glaube der Wahrheit entspricht oder nicht. Nachdem er seinen Glauben über die Leute anderer Religionen erklärt hat, fasst er später diesen Punkt mit außergewöhnlicher Klarheit auf: „Bezüglich der anderen Völker, so bedenke eine Person, welche dem Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam Lüge unterstellt, nachdem er die makellosen und unleugbaren Überlieferungen über sein Aussehen, seine Eigenschaften und 32
Abū Ḥāmid al-Ghazālī, Majmū ʿat rasāil al-Ghazālī (Beirut: Dār al-Kutub al-ʿIlmiyyah, 1994), S. 96
(All dies ändert nichts an unserer Verpflichtung der Daʿwā – Ṭarīqah Notes) 33
Ibid.
seine Wunder, welche die Gesetze der Normalität aufhoben, wie das Spalten des Mondes, das Gedenken Gottes der Kieselsteine in seiner Hand, das Sprudeln des Wassers aus seinen Fingern und der wunderhafte Qurʾān, der ihm offenbart wurde und der jeden herausforderte und an dem jeder scheiterte, gehört hat. Wenn all diese Informationen an seine Ohren kamen, und er sie dennoch ablehnt, seinen Rücken zuwendet, sie nicht in Erwägung zieht oder nicht darüber nachdenkt, und sich nicht darin eilt daran zu glauben, dann ist eine solche Person wahrhaftig ein Leugner (jāḥid) und ein Lügner, und er ist wahrlich ein Ungläubiger (kāfir). Doch so eine Person passt nicht in die Beschreibung der meisten Europäer und Zentralasiaten, welche weit entfernt von den muslimischen Ländern leben. Tatsächlich würde ich sogar behaupten, dass jene, welche diese Dinge über den Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam vernommen hätte, sicherlich den Wunsch in sich getragen hätten, herauszufinden, welcher Wahrheitsgehalt sich hinter diesen Erzählungen befindet. (Solch eine Person müsste) eine religiöse Person sein, welche nicht das Weltliche über das Jenseits stellt. Wenn er keinen Drang in sich hätte, die Wahrheit zu finden, dann kann dies nur durch die Tatsache sein, dass er sorglos, dieser Welt zugeneigt und von Frömmigkeit und [dem Verständnis über] die Wichtigkeit der Religion beraubt ist, und dies ist Unglaube (kufr). Wenn jedoch eine Person den Wunsch hatte, die Wahrheit herauszufinden, diese Bemühung jedoch unterließ, so ist dieses Unterlassen ebenfalls Unglaube. Wahrlich, jeder, der an Gott und den letzten Tag glaubt, unabhängig davon zu welcher Religion er gehört, wird unermüdlich die Wahrheit erforschen nachdem er die Zeichen erscheinen sah, welche die empirischen Gesetze aufheben. (Wunder). Wenn jemand sich auf den Weg macht, um die Wahrheit herauszufinden, aber stirbt bevor er seine Nachforschungen vervollständigen konnte, so ist ihm vergeben und er wird die große Barmherzigkeit und Gnade Gottes über sich haben. Habe eine weite Ansicht über die Barmherzigkeit Gottes, des Erhabenen, und messe göttliche Angelegenheiten nicht mit den beschränkten üblichen Standards. Wisse ebenfalls, dass das Jenseits diesem Leben ähnelt, denn der Qurʾān sagt: „Und weder eure Erschaffung noch eure Erweckung ist etwas anderes als die einer einzigen Seele.“ (31:27) Die meisten Menschen genießen in dieser Welt eine verhältnismäßige Sicherheit und Gemütlichkeit oder einen Zustand, der ihr Leben genießbar macht; aus diesem Grund würden die meisten Menschen, wenn man sie vor die Wahl zwischen Leben und Tod stellen würde, sich für das Leben entscheiden. Diejenigen, die zu einem bestimmten Grade leiden, so dass sie den Tod wählen würden, sind selten. Jene, welche dem ewigen Feuer anheimfallen werden, sind ebenfalls wenige, denn die Eigenschaft der göttlichen Barmherzigkeit verändert sich nicht aufgrund der Vielfalt unserer Umstände, und ‚dieses Leben‘ und ‚das Jenseits‘ sind zwei verschiedene Ausdrücke für die Vielfalt unserer Umstände.
Wäre es nicht so, dann hätte die Aussage des Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam keine Bedeutung, als er sprach: „Das erste was Gott im ersten Buch schrieb, war: „Ich bin Gott. Es gibt keine Gottheiten außer mir. Meine Barmherzigkeit hat Vorrang vor meinem Zorn. Wer also bezeugt, dass es keine Götter außer Gott gibt, und dass Muḥammad sein Diener und Gesandter ist, für diesen ist der Garten.“34 Es gibt keinen Zweifel darüber, dass die Ungläubigen im Feuer sind, doch Imām al-Ghazālī erklärt, dass Unglaube eine aktive Ablehnung ist, und nicht ein passiver Zustand der Unwissenheit. Das heißt, die Ablehnung muss nach einem klaren Verständnis über die abgelehnte Angelegenheit stattfinden. Darüber hinaus ist es nicht nur begreifbar, sondern absolut notwendig für jene, welche aufrichtig sind, dass sie die Wahrheit suchen. Imām as-Suyūtī raḥimahullāh sagt in seiner Fatwā über den Vater und die Mutter des Propheten und ihrem Platz im Jenseits: „Er (der Vater des Propheten) lebte in einer Zeit, in der die Unwissenheit die Welt vom Osten bis in den Westen umschlungen hatte; die Gelehrten vom Volke der Schrift waren in verschiedenen Ländern verteilt, wie die Levante, und nur wenige von ihnen kannten die heiligen Gesetze und konnten die göttliche Botschaft korrekt vermitteln. Weder waren die beiden (die Mutter und der Vater des Propheten) an lange Reisen gewohnt, mit der Ausnahme nach Madina, noch lebten beide lang. Ein längeres Leben hätte ihnen die Möglichkeit gegeben, die Wahrheit und die Angelegenheiten zu erforschen, doch tatsächlich lebten beide ein sehr kurzes Leben. Imām al-Ḥāfiẓ Ṣalāḥ ad-Dīn al- ʿAlāʾi schreibt in seinem Buch ad-Durrah as-Saniyyah, dass der Vater des Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam, ‘Abdullah, erst 18 Jahre alt war, als Āmina schwanger wurde. Er reiste nach Madina um einige Datteln für seine Familie zu bringen und starb während er dort bei seinen Cousins von Banī Najjār war.“ 35 Somit, gemäß dem Imām, lebten die Eltern des Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam nicht lange genug, um die dringlichen Angelegenheiten in Erwägung zu ziehen, und dieser Faktor muss hinsichtlich ihrer Personen und anderen Personen erwogen werden. Hinzukommt, dass ein sehr bekannter authentischer Ḥadīth von einem Massenmörder erzählt, welcher die Reue ersuchte und dem ein Gelehrter mitteilte, an diesen und jenen Ort zu gehen, an dem es gute Menschen gab, welche Gott anbetete. Der Mann machte sich auf die Reise, starb auf dem Weg dorthin jedoch. Die Engel der Barmherzigkeit wollten ihn für sich beanspruchen, da er Reue empfunden hatte und sein Herz gefüllt war mit Schmerz. Die Engel des Zornes aber behaupteten, dass der Mann noch nie etwas Gutes in seinem Leben getan hatte. Um diesen Streit zu schlichten, wurde zwei Engeln befohlen die Entfernung zu messen, ob er dem Ort des Unglaubens, den er verlassen hatte, näher war, oder dem Ort des Glaubens, der sein Endziel war. Gemäß dem Ḥadīth kürzte Gott die Entfernung zwischen dem Mann und dem Land des Glaubens, womit ihn die Engel der Barmherzigkeit 34 35
Ibid, S. 97. Imām Jalāl al-Dīn as-Suyūtī, al-Ḥāwī li al-Fatāwī (Beirut: Dār al-Kitāb al-ʿArabī, n.d.) 2/409
mitnahmen. Dies ist ein klarer Ḥadīth der uns zeigt, dass der Mensch auf der Reise zum Glauben sein kann, aber vor seinem Tod nicht sein Ziel erreicht, und dennoch durch die Barmherzigkeit Gottes befreit wird.36 Gemäß Imām asch-Schāfiʿī ist es so, dass wenn eine Person eine andere Person tötet, bevor dieser der Islām eindeutig dargelegt wurde (uqimat ʿalayhī al-ḥujja) 37 , der Mörder das Blutgeld und die Sühne (kaffārah) entrichten muss, doch das Vergeltungsrecht wird nicht angewandt, denn der Mann war gesetzlich zwar kein Muslim, aber im wesentlichen war er einer (fī maʿnā al-muslim). Ibn Rif ʿa kommentiert dies in seinem al-Kifāyah: „[Er wird als Muslim erachtet], denn er wurde mit der vererbten Natur (fīṭrah) geboren, und es gab keine äußerlichen Anzeichen der Sturheit.“38 Mit anderen Worten sagt Ibn Rif ʿa ebenfalls, dass Unglaube aktiv und nicht passiv ist. Des Weiteren schreibt Imām al-Nawawī in seinem Kommentar zu Imām Muslims Hadithsammlung über die Kinder der Götzendiener: „Die bevorzugte und authentischste Gedankenschule in Bezug auf sie, zu der auch die meisten autoritären Gelehrten geneigt waren, ist, dass sie im Paradies sind, wie es Gott in seinem Wort gebietet: „Wir strafen kein Volk bevor ein Gesandter zu ihnen kommt.“ Wenn also Gott einen Erwachsenen nicht bestraft, weil die Botschaft ihn nicht erreichte, so ist es offensichtlich, dass Kinder noch sicherer sind.“39 Imām as-Suyūtī kommentiert dies: „Schließt dies alle Menschen in der vor-islamischen Epoche ein? Nein. Ich würde sagen, es schließt nur jene ein, zu denen keine prophetische Botschaft kam. Diejenigen jedoch, die eine prophetische Botschaft bekommen haben und danach in ihrem Unglauben beharrten, sie sind wahrlich zweifellos die Bewohner des Feuers.“40 In ihrem ausführlichen Kommentar, Scharḥ Jawharat at-Tawḥīd, stimmen die zwei Theologen, Scheich ‘Abd al-Karīm Tatān und Scheich Muḥammad Adīb al-Kīlānī, Imām alGhazālī in diesem Falle zu: „In dem Ḥadīth, in welchem der Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam sagt: „Bei dem, in dessen Hand meine Seele liegt, ob Jude oder Christ, wer auch immer von mir von dieser Gemeinschaft hört, und dann stirbt ohne an mich geglaubt zu 36
Imām Yahyā b. Scharaf al-Nawawī, Scharḥ Riyāḍ aṣ-Ṣāliḥīn, Ḥāfiẓ Salāh al-Dīn Yūsuf (Riyad: Maktabat Dār alSalām, 1998) 1/32 37 Dies bedeutet, dass die Beweise des Islām in einer unwiderlegbaren Art vorgelegt wurden. Das bedeutet also, nicht nur der Person zu sagen, sie solle Muslim werden. Man könnte denken, dass das alleinige Sehen des Propheten ein Beweis genug war, doch es dauerte mehrere Jahre bis einige seiner Gefährten die Wahrheit einsahen. Abū Laḥab andererseits bemerkte es nicht, und somit war sein Schicksal als einer der Außenseiter besiegelt. 38 Al-Suyūtī, al-Ḥāwī li al-fatāwī, 2/408 39 Al-Nawawī, Ṣaḥīḥ Muslim bi Scharḥ al-Nawawī (Kairo: Matba ʿah Ḥijāzī, 1930) Band 16, S. 209 40 Al-Suyūtī, al-Ḥāwī li al-fatāwī, 2/408
haben, ist von den Bewohnern des Höllenfeuers.“ Gemäß den Gelehrten gibt es hier drei Faktoren: Eine Person hört über den Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam und dies schließt seine Botschaft und die Beweise seiner Gültigkeit ein. Eine Person lehnt den Glauben in das ab, was dem Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam gegeben wurde. Dann stirbt die Person in diesem Zustand. Somit ist eine Person, welche niemals vom Propheten ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam etwas vernahm, wie jemand, der sehr weit entfernt lebt an einem abgeschiedenen Ort, und dem niemals die Wahrhaftigkeit über diese Behauptungen klar gemacht wurde, nicht verantwortlich… und einige Gelehrte waren der Ansicht, dass wenn die Botschaft jemanden in einer veränderten, gefälschten oder unattraktiven Form, gefüllt mit Fehlern von jenen, die andere Irreleiten, erreicht, dann ist das Urteil über eine solche Person wie als wäre die Botschaft niemals angekommen, außer er ist fähig durch die Rauchschwaden der Lüge zu sehen und wendet sich dann trotzdem ab.“41 Ibn Munkadir, einer der Lehrer von Imām Mālik und ein großer Gelehrter von den tābiʿīn42 sagte: „Ich schäme mich vor Gott zu sagen, dass Seine Barmherzigkeit irgendeinen Sünder enttäuschen wird, und würde es nicht die klaren Offenbarungen hinsichtlich der Polytheisten geben, hätte ich sie nicht aus dem Vers: meine Barmherzigkeit umschließt alles, ausgeschlossen.“ Ebenfalls zitiert Imām al-Munāwī einen der Gelehrten, der sagte: „Die göttliche Präsenz ist absolut, und Gott tut was auch immer er will. Niemand unter den Gläubigen hat eine Garantie zur Sicherheit vor göttlicher Bestrafung für seine/ihre Sünden. Doch die Leute werden sich an Dinge wie die Aussage Gottes: „Meine Barmherzigkeit hat Vorrang vor meinem Zorn.“, festhalten.“43 Beide, Scheich Muḥyiddīn b. al- ʿArabī und Ibn Taymiyyah, hatten heterodoxe Ansichten über das Höllenfeuer in ihrem Versuch, zwischen göttlicher Barmherzigkeit und der unendlichen Strafe für beschränkte Sünden zu schlichten. Der Häretiker Jahm b. Ṣafwān teilte diese Ansicht, und diese Ansicht ist üblich unter jüdischen Ethikern. Scheich Muḥyiddīn b. al-ʿArabī war der Ansicht, dass die Bewohner des Feuers dem Feuer gleich werden und somit keinen Schmerz mehr verspüren, sondern das Feuer genießen werden. 44 41
Scheich ‘Abd al-Karīm al-Tatān und Scheich Muḥammad Adīb al-Kīlānī, Scharḥ Jawharat al-Tawḥīd (Damaskus: Dār al-Baschair, 1994) 1/146 42 Die zweite Generation der Muslime, welche die Gefährten des Propheten, aber nicht den Propheten selbst getroffen haben. 43 Imām Muḥammad ‘Abd al-Ra ʿūf al-Munāwī, Fayḍ al-Qadīr (Beirut: Dār al-Islām, 1996) 4/610 44 Siehe al-Janab al-Gharbī, Raschid Effendi Sektion, Sulaymaniyya Bibliothek, Mukhtasaru tadhkirāt al-Qurtubī
Es war Imām al-Ghazālī, möge Gott ihn belohnen, der fähig war eine orthodoxe Lösung für dieses dornige theologische Problem des Theodizee zu finden, indem er die Elemente der bewussten Ablehnung Gottes oder irgendeinen seiner Gesandten als eine Notwendigkeit und als ein an sich ausreichendes Teil für die Verdammung einführte. Tatsächlich werden gemäß Imām al-Ghazālī viele Menschen das Höllenfeuer betreten für die verschiedenen Sünden, die sie in dieser Welt verübten, doch Gottes Barmherzigkeit wird Vorrang haben und die Mehrheit wird letztlich das Höllenfeuer verlassen. Der Qurʾān erwähnt jene, welche auf ewig im Höllenfeuer bleiben werden. Scheich Ḥasan al-Ḥabannakah al-Maydanī sagt: „Der Qurʾān ist eindeutig darin, dass die Ungläubigen, welche keine Entschuldigung für ihren Unglauben haben (ghairu al-maʿdhūr bi kufrihim), zu den Bewohnern der Hölle gehören und dort auf ewig in Strafe verbleiben werden. Des Weiteren wird Gott ihnen entweder ihren Unglauben (kufr) oder ihre Beigesellung (schirk) nicht verzeihen, während er aber jenen verzeihen wird, welche sündige Gläubige waren, denn die Barmherzigkeit Gottes umschließt sie mit Vergebung und Entschuldigung aus göttlicher Gnade und Güte heraus, wenn Gott es wünscht.“45 Die wichtige Aussage hier ist ‚welche keine Entschuldigung für ihren Unglauben haben.‘ Dies sind die Menschen, welche die Wahrheit aus Arroganz und nicht aus Unwissenheit absichtlich ablehnen, wie im Falle von Iblīs. Jene, welche wahrlich unwissend waren, verbringen eine Zeit im Höllenfeuer, doch sie werden schließlich mit göttlicher Gnade beschenkt, wie Imām al-Ghazālī darauf hinweist. Der Qur ʾān bezieht sich auf den Unglauben, der mit bestimmten Eigenschaften einhergeht, welche das böse Wesen derer präsentiert, die absichtlich oder bewusst die Botschaft ablehnen. Der Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam beschrieb die Ungläubigen in einem authentischen Ḥadīth in Ṣaḥīḥ al-Bukhārī als die ‚Bewohner der Hölle‘, indem er sprach: „Soll ich euch nicht über die Bewohner der Hölle erzählen?“ , und seine Gefährten antworteten: „Doch, wahrlich, erzähle uns!“, worauf er ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam sprach: „Jeder grausame, rohe, aufgeblasene, geizige und arrogante.“ 46 Hinzukommt ein berühmter Ḥadīth, welcher der erste Ḥadīth ist, der den Studenten des Ḥadīth überliefert wird: „Wer auch immer keine Barmherzigkeit hat, dem wird keine Barmherzigkeit entgegen gebracht.“47, und in einem anderen authentischen Ḥadīth wird einer Prostituierten vergeben, weil sie einem durstigen Hund Wasser brachte.48
45
Al-Maydānī, al- ʿAqīdah al-Islāmiyyah, S. 622 Ṣaḥīḥ Muslim (Beirut: Dār Iḥyā al-Turāth al-ʿArabī, 2000) Band 4, Nr. 9021 47 Ṣaḥīḥ Muslim, Buch 30, Nr. 5737 48 Al-Nawawī, Ṣaḥīḥ Muslim, 14/242 46
Beziehungen zwischen Muslimen und den Angehörigen anderer Religionen Der Gott des Islām ist der Gott der Menschheit – der Gott der Juden, Christen, Sabäer, Magier und Polytheisten. Er versorgt und erhält sie alle mit Nachsicht und würdevoll. Er erlaubt sogar jenen, die seine Existenz ablehnen, die Existenz, indem er ihnen Frist gewährt da sie ja ‚vielleicht doch zurückkehren‘. Er hat jene herausgefordert, die an ihn glauben und die ihn ehren, sich selbst mit den Eigenschaften Gottes zu bekleiden, mit denen er sich selbst beschrieben hat: Barmherzigkeit, Nachsicht, Mitleid, Vergebung, Geduld und Liebe. Unser Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam sprach: „Keiner von euch glaubt wirklich, bis er nicht das für seinen Bruder liebt, was er für sich selbst liebt.“ Imām al-Nawawī sagt in seinem Kommentar: „Darunter sollten wir als allererstes und hauptsächlich eine universelle Bruderschaft verstehen, sodass es Muslime und Nichtmuslime ( kāfir ) einschließt. Jemand sollte für seinen Bruder, den Nichtmuslim, wünschen, dass er in die Ergebung zu seinem Herrn eintritt. Für seinen Glaubensbruder sollte er sich wünschen, dass diese Ergebung fortwährt. Deswegen ist es höchst angeraten und göttlich belohnt, für einen Nichtmuslim um Rechtleitung zu beten. Der Ḥadīth sollte so verstanden werden, dass damit der vollkommene Glaube abgelehnt wird, und nicht der Glaube an sich, wenn jemand für seinen Bruder etwas nicht liebt, was er für sich liebt. Das Wort ‚Liebe‘ hier bezieht sich auf den Wunsch, dass Gutes und Nützliches anderen geschieht. Diese Liebe ist eine spirituelle und nicht eine irdische Liebe. Denn die Natur des Menschen nötigt den Menschen schlechtes und Schaden für seine Feinde zu erwünschen und die zu diskriminieren, die anders sind als er selbst. Der Mensch muss sich aber gegen sein Wesen stellen und für seine Brüder beten und für andere das erwünschen, was er für sich selbst erwünscht. Mehr noch, wann auch immer der Mensch nicht etwas Gutes für seinen Bruder erwünscht, dann ist dies, weil er Neid hat... Aufgrund dessen muss sich jemand gegen die Leidenschaften seines Egos stellen und Heilung für diese Krankheit suchen und dies mit der der Akzeptanz der göttlichen Ordnung und Gebeten für seine Feinde behandeln.“49 Nur wenn wir diesen Grad des Glaubens und der Fürsorge erreichen, welche Imām alNawawī hier beschreibt, wird sich unsere Lage verändern. Wir sind in einer unterdrückten und niedrigen Lage, damit wir die Lektionen lernen, die wir zu lernen haben. Muslime vergessen, dass unser Prophet ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam in Mekka dreizehn Jahre lang verfolgt wurde, und er dennoch für die Rechtleitung der Menschen betete. Er wurde auf dem Schlachtfeld in Uḥud beleidigt, und dennoch rief er zu seinem Herrn: „Oh Herr, vergebe meinem Volk, denn sie wissen nicht was sie tun.“ 50 Dies sollte unsere Antwort auf die Andersgläubigen sein. Unser Anliegen sollte weder sein, wohin andere Menschen gehen, 49 50
Al-Nawawī, Scharḥ Matn al-Arba ʿīn al-Nawawiyyah (Damaskus: Maktabat Dār al-Fatḥ, 1970), 123 Ṣaḥīḥ Muslim, Buch 19, Nr. 4418
noch sollten wir für andere etwas wünschen, was wir für uns selbst nicht wünschen. Eher sollte unser Anliegen die Frage sein, die Gott uns allen stellen wird: „Wohin nun gehst du?“