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Postgraduiertenstudium in Deutsch als Fremdsprache
Sprachliche Fertigkeiten in der mündlichen Kommunikation Hörverstehen, Band B Joachim Theisen
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ISBN (ÛÂÈÚ¿˜): 960–538–010–2 (ÙfiÌÔ˘): 960–538–012–9
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Übersicht der Studieneinheit
HÖRVERSTEHEN Band A
VORWORT : KAPITEL 0: KAPITEL 1: KAPITEL 2: KAPITEL 3:
Allgemeine Einführung in die sprachlichen Fertigkeiten (Einführung): Kommunikation aus der Perspektive des Hörers Hören – was ist das? Was hast du verstanden ? (I) Was hast du verstanden ? (II)
Band B
KAPITEL 4: Freundliche und unfreundliche Texte KAPITEL 5: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht MÜNDLICHER AUSDRUCK Band A
KAPITEL 0: KAPITEL 1: KAPITEL 2: KAPITEL 3:
(Einführung): Kommunikation aus der Perspektive des Sprechers „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ Kommunikationsprinzipien – Monologe und Dialoge Sprachliche und kommunikative Kompetenz
Band B
KAPITEL 4: „Das Wort hat ...“ – Wie bringt man die Schüler zum Reden? KAPITEL 5 Der Ton macht die Musik
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte 4.1 Einleitung .......................................................................................................................................................................................................... 11 4.2 Was ist ein freundlicher, was ist ein unfreundlicher Text? .............................................................. 14 4.2.1 Textlänge .................................................................................................................................................................................... 14 4.2.2 Kontext ....................................................................................................................................................................................... 15 4.2.3 Textanfang ................................................................................................................................................................................ 17 4.2.4 Vortragsweise ...................................................................................................................................................................... 18 4.2.5 Grammatik ............................................................................................................................................................................. 21 4.2.6 Syntax ............................................................................................................................................................................................ 22 4.2.7 Lexik ............................................................................................................................................................................................... 25 4.3 Ein Morgen in SWR2 ....................................................................................................................................................................... 28 4.3.1 Das Zeitwort ...................................................................................................................................................................... 29 4.3.2 Die Programmhinweise ......................................................................................................................................... 36 4.3.3 Die Nachrichten ............................................................................................................................................................. 38 4.3.4 Die Pressestimmen ..................................................................................................................................................... 43 4.4 Zusammenfassung ................................................................................................................................................................................ 44 Anhang Lösungen zu den Aufgaben .............................................................................................................................................. 46 Quellen ........................................................................................................................................................................................................ 54 Nachweis und Abdruck der Hörtexte ............................................................................................................. 54 Thema für eine Hausarbeit ................................................................................................................................................................. 67 Kapitel 5: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht 5.1 Einleitung .......................................................................................................................................................................................................... 71 5.2 Textgattungen – Die bisherigen Hörtexte ........................................................................................................... 71
8
Inhaltsverzeichnis
5.3 Gedächtnisübungen ............................................................................................................................................................................ 75 5.4 Aufmerksamkeitsübungen ......................................................................................................................................................... 83 5.5 Verständnisübungen ............................................................................................................................................................................ 86 5.6 Champions League .............................................................................................................................................................................. 91 5.7 Wie macht man Hörtexte? .................................................................................................................................................. 100 5.8 Zusammenfassung ............................................................................................................................................................................. 106 Anhang Lösungen zu den Aufgaben .......................................................................................................................................... 108 Quellen ..................................................................................................................................................................................................... 110 Nachweis und Abdruck der Hörtexte ......................................................................................................... 110 Thema für eine Hausarbeit ............................................................................................................................................................. 120 Der Autor
..............................................................................................................................................................................................................
121
Kapitel 4:
Freundliche und unfreundliche Texte
4.1 Einleitung In diesem Kapitel konzentrieren wir unsere Überlegungen auf die Texte selbst.Wir gehen von der Unterscheidung zwischen freundlichen und unfreundlichen Texten aus und werden die Kriterien über die Kommunikatibilität und die sprachlichen Schwierigkeiten diskutieren, freundliche Texte anhören und uns fragen, was ihre Freundlichkeit ausmacht, und dabei immer wieder die Auswahl von Hörtexten für den Fremdsprachenunterricht bedenken Das Lernziel dieses Kapitels ist recht einfach zu fassen: Sie sollten, wenn Sie das Kapitel durchgearbeitet haben, in der Lage sein, die Freundlichkeit von Hörtexten zu beschreiben, und ein Gespür für die kommunikativen und sprachlichen Schwierigkeiten von Hörtexten entwickelt haben. Hören Sie bitte Text 4.1 auf der beiliegenden Kassette. Die Welt ist nicht immer so freundlich zu uns, wie wir hoffen. Das gilt auch für unsere akustische Umwelt. Das eine Geräusch ist zu laut und bereitet uns Unbehagen, ein anderes ist zu leise, als dass es uns wohl tun könnte. Und was wir den Tag über an sprachlichen Äußerungen hören, ist ebenfalls nicht immer so, dass wir gleich wissen, was man uns sagen will. Häufig will man uns gar nichts sagen, wir aber wollen wissen, was da gesprochen wird, ob nun aus Neugier oder aus Interesse. In anderen Fällen will man uns durchaus etwas sagen, aber wir verstehen es nicht.Thomas bittet Eva, Zigaretten mitzubringen, doch sie hört es nicht, oder nimmt es jedenfalls nicht wahr. Und wenn Sie nicht ganz genau zuhören, werden sie von dem Hörtext auch nicht allzu viel verstehen.
AUDIO
12
Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
Oder denken Sie an einen Witz:Wenn der Witzeerzähler selbst so früh und laut lacht, dass er die Hälfte des Witzes und erst recht die Pointe verschluckt, vergeht einem der Spaß. Aber auch schon ein schlecht erzählter Witz ist ein Ärgernis (und doch kommt er vor). Es gibt gut und schlecht erzählte Witze, gut und schlecht gelesene Nachrichten, gut und schlecht gehaltene Reden, oder sagen wir lieber und allgemein: es gibt freundliche und unfreundliche Texte. Die Freundlichkeit eines Textes bezieht sich hier freilich nicht auf den Inhalt, sondern meint den Grad der Rücksichtnahme auf den Hörer.
AUFGABE 1
Dass der gerade gehörte Streit auch unter dieser Hinsicht nicht sehr freundlich ist, wissen wir schon. Hören Sie nun Aufnahme 4.2; darin sind verschiedene andere Texte zusammengestellt. Welchen halten Sie für freundlich, welchen für unfreundlich? Warum?
AUDIO
(Lösungsteil) In der Regel sind es freundliche Texte, mit deren Hilfe im Fremdsprachenunterricht das Hörverstehen trainiert wird. Ich meine die Texte, die als Anschauungs- und Übungsmaterial eingesetzt werden. Vor allem im monolingualen Unterricht kommen hingegen jede Menge andere Texte hinzu, die mit Sicherheit nicht immer so freundlich, so leicht verständlich,so korrekt ausgesprochen und grammatikalisch richtig sind wie die Hörbeispiele aus dem Kassettenrekorder. Es handelt sich zum einen um diejenigen Texte, die Sie selbst als Lehrer produzieren, zum anderen um diejenigen, die Ihre Schüler von sich geben, inkorrekt, schief betont, bruchstückhaft. Bruchstückhaft, schief betont und inkorrekt sind auch zahlreiche Texte des muttersprachlichen Alltags, aber natürlich sind muttersprachliche Äußerungen in anderer Weise falsch als fremdsprachliche.
4.1 Einleitung
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Hören Sie Text 4.3 auf der Kassette. Es handelt sich um den Ausschnitt aus einer Fußballreportage im Radio. Sie können ihn unten mitlesen. In Kapitel 2 hatten Sie schon einmal die Aufgabe, die sprachlichen Abweichungen eines gesprochenen Textes zu analysieren (Paulas Ausführungen über das Hören, Aufgabe 2). Schreiben Sie nun bitte die Reportage, die Sie gerade gehört haben, so um, dass alle Sätze grammatikalisch richtig sind. Das ist keine leichte Aufgabe; möglicherweise müssen Sie den Text an einigen Stellen völlig verändern. Und Rostock kommt, über Fuchs, über die rechte Seite, frisch im Spiel seit wenigen Sekunden, versucht sich durchzusetzen, Querpass in die Mitte, auf den eingewechselten ..., der macht sein erstes Bundesligaspiel, Lehmann mit Unsicherheit, abgepfiffen, abgepfiffen, abgepfiffen, zählt nicht der Treffer von Timo Lange, aber der Kapitän holt sich noch ne gelbe Karte ab, da bin ich mir ziemlich sicher, au weia, das ist die rote Karte gegen, jetzt muss ich gucken, gegen wen? Gegen Timo Lange, jawohl, der hat sich nämlich noch spektakulär fallen lassen gegen Jens Lehmann, was passiert jetzt? Gelb? Gegen Lange, der hatte auf meinem Papier schon gelb, und Jens Lehmann hat die rote Karte bekommen, das war ja gar nichts, das war ja gar nichts, der hat ihm nur die Hand auf den Kopf gelegt, das war überhaupt nichts, und jetzt wird's ganz interessant, Jens Lehmann vom Feld, der Schiedsrichter hinterher, hinter Timo Lange, ja klar, das gibt noch die gelb-rote Karte, versteht sich, der Kapitän hat im ersten Durchgang schon den gelben Karton gesehen, da muss er ihm die rote Karte zeigen und Wolfgang de Baer kommt, nachdem er anderthalb Jahre warten musste, wieder mal zu einem Bundesligaeinsatz, er steht auf jeden Fall schon dort unten am
AUFGABE 2
AUDIO
14
Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
Spielfeldrand, und es wird viel diskutiert jetzt, und Schiedsrichter Dr. Helmut Fleischer hat alle Hände voll zu tun. Ich sortier mich mal hier ein bisschen, zwei zu null, bei dem Stand bleibt es,ich reich die Karten nach und geb erst mal weiter nach Nürnberg zu Wolfgang Reichmann.
(Lösungsteil) Lesen Sie nun diesen Text selbst laut vor.Worin bestehen die Unterschiede? Es ist deutlich: die Freundlichkeit eines Textes besteht nicht unbedingt darin, dass er in korrektem Deutsch gesprochen wird. Gesprochene Sprache hat ihre eigenen Regeln, ihre eigene Grammatik. Wenn Sie die Fußballreportage auf der Kassette streng schrift-sprachlich umgewandelt haben, bleibt wenig von der Erregung des Reporters übrig. Nicht zufällig folgt emphatisches Schreiben den Regeln gesprochener Sprache. Damit kommen wir zu den Kriterien, die wir am Ende des vorangegangenen Kapitels zusammenstellten und mit deren Hilfe die Kommunikatibilität und die sprachliche Schwierigkeit eines mündlichen Textes bestimmt werden können: Länge, Kontext, Textanfang und Vortragsweise sowie Grammatik, Syntax und Lexik.Wir wollen diese Kriterien unter Berücksichtigung des Fremdsprachenunterrichts diskutieren und jeweils Merkmale freundlicher und unfreundlicher Texte benennen.
4.2 Was ist ein freundlicher, was ist ein unfreundlicher Text? 4.2.1 Textlänge Wie Sie sich erinnern, haben wir schon in Kapitel 1 in einem Schema den Zusammenhang zwischen Inhalt und Zeit gefasst. Die Zeit oder die Länge ist ein schwer zu beurteilendes Kriterium für die Freundlichkeit eines Textes. Ein kurzer Text hat den Vorteil, dass er leicht zu überschauen ist, wenn allerdings ein Thema entwickelt und ausgeführt werden soll, erfordert dies eben einige Zeit.Worauf es bei der Auswahl eines Hörtextes ankommt, dürfte das Verhältnis zwischen Inhalt und Vortragsweise des Textes einerseits und dem Interesse und der Aufmerksamkeitsfähigkeit der Zuhörer andererseits sein. Versuchen wir dieses Verhältnis in einer dynamischen Gleichung zu fassen (freilich fließen hier nicht alle Aspekte ein):
4.2 Was ist ein freundlicher, was ist ein unfreundlicher Text? / 4.2.2 Kontext
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Diese Gleichung ist folgendermaßen zu lesen: Je eher der Inhalt auf das Interesse der Hörer stößt und je mehr die Vortragsweise eines Textes die Aufmerksamkeit der Hörer wach hält, desto länger kann ein Text sein, und umgekehrt. Damit sind die Verhältnisse freundlicher Texte beschrieben. Unfreundliche Texte verstoßen gegen diese Gleichung: sie sind lang, langweilig und aus verschiedenen Gründen ermüdend, oder umgekehrt: sie sind zu kurz, zu knapp, zu komplex, als dass sie Interesse wecken könnten. Allerdings kann man derartigen Texten nicht immer aus dem Weg gehen, Sie kennen das wahrscheinlich von Ihrem Studium. Nicht jeder Redner versteht es, interessant und fesselnd über sein Thema zu sprechen. Aufgabe des Fremdsprachenunterrichts sollte es daher auch sein, auf langweilige Texte vorzubereiten, selbstverständlich unter Berücksichtigung des Alters und der Aufnahmebereitschaft der Schüler.
4.2.2 Kontext Wenn wir den Kontext bedenken, müssen wir über die Authentizität sprechen. Im Band über das Leseverstehen (Kapitel 3) finden Sie dazu einige Ausführungen, die wir hier für Hörtexte ergänzen wollen.Viele der Texte, die Sie auf den Begleitkassetten hören, sind in Wirklichkeit keine reinen Hörtexte, sondern Hör- und Sehtexte. Dass Sie jedoch keine Videokassetten erhalten,liegt hauptsächlich daran, dass der Aufwand zu groß wäre. Außerdem geht es mir bei diesen Texten nicht hauptsächlich darum, dass sie authentisch sind, vielmehr können und sollen Situationen aus den Begleitund Nebengeräuschen erschlossen werden. Wir verfügen über ein hohes Maß an auditiver Phantasie. Allerdings sollte man sich darüber im Klaren sein, was durch das reine Hören eines Textes gegenüber dem Hören und Sehen verloren geht.
16
Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
Hören Sie Text 4.4 auf der beiliegenden Kassette. Was würden Sie gerne noch wissen? Was könnte das Verständnis erleichtern? AUFGABE 3
AUDIO
(Lösungsteil) Wenn wir in den Beispieltexten dieses Arbeitsbuches den visuellen Kontext vernachlässigen und dennoch verstehen, was gesagt und wie es gemeint ist, so haben wir gegenüber der Wirklichkeit einen gewissen Vorsprung gewonnen. Dies gilt auch für den Einsatz von Hörtexten im Unterricht: Wenn die Schüler sie verstehen, gewinnen sie einen Vorsprung gegenüber der Wirklichkeit, da die Hilfe des visuellen Eindrucks, die Wahrnehmung der Atmosphäre das eigentliche Verstehen nur erleichtern kann. Die mangelnde Authentizität der Texte, mit der wir uns hier abfinden müssen, kann daher als Vorteil begriffen und genutzt werden. Gleichwohl sollte freilich der Kontext benannt werden; der Erwartungshorizont wird, wie wir wissen, weitgehend vom Wissen um den Kontext geprägt. Wie beurteilen Sie unter dem Gesichtspunkt des Kontextes Hörtext 4.5 auf der beiliegenden Kassette? AUFGABE 4
AUDIO
4.2.2 Kontext / 4.2.3 Textanfang
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(Lösungsteil)
4.2.3 Textanfang Neben dem Kontext ist es vor allem der Textanfang, der den Hörer auf den Text einstellt. Er kann abschreckend oder verlockend sein, Interesse wecken oder bewirken, dass die Hörer ihre Ohren gleich auf Durchzug stellen. Wie der Anfang eines freundlichen Textes aussieht, darüber gibt es seit der antiken Rhetorik weit gehende Übereinkunft: Er teilt dem Hörer mit, warum das Zuhören sich lohnt,macht damit Appetit auf mehr, ist sprachlich nicht zu schwierig, kann Überraschungen bereithalten und insgesamt: er nimmt den Hörer ernst. Eine besondere Art des Textanfangs ist der Titel. Im Hörfunkprogramm ist es wohl vor allem der Titel der Sendungen, der darüber entscheidet, ob ich einschalte oder nicht. In Kapitel 5 des Bandes zum Leseverstehen finden Sie als Text 19 eine Zusammenstellung von Filmtiteln und Kurzbeschreibungen der zugehörigen Filme. Es dürfte kein großes Problem sein, die zusammengehörigen Bestandteile zusammenzufügen
Aus dem Programm des Senders SWR2 aus der Woche vom 30.11. bis 6.12.98 habe ich einige Titel zusammengestellt. Skizzieren Sie bitte, was Sie von der jeweiligen Sendung erwarten. 17.05 SWR2 Forum Viel Wahrheit – wenig Versöhnung 21.00 RadioART „Gönnt jedermann die Wahrheit 23.00 SWR2 vor Mitternacht „Ich war doch mal berühmt, ich war sogar berüchtigt“
AUFGABE 5
Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
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10.05 SWR2 Eckpunkt AGENDA 21 23.00 Einsteins Gehirn 10.05 SWR2 Eckpunkt Yasar Kemal – der einäugige 23.00 Die Welt will betrogen sein 21.00 Anwälte des Todes 21.00 Der Freiherr auf dem Laufrad 10.05 Profile Die Zerbrechlichkeit des Glücks
(Lösungsteil) Titel und Untertitel (diese finden Sie im Lösungsteil) wurden offensichtlich unter zwei Gesichtspunkten ausgewählt: zum einen soll Interesse geweckt werden, zum anderen aber will man den potentiellen Hörer nicht im Unklaren darüber lassen, von was die Sendungen handeln werden. Solche Ankündigungen sind ausgesprochen hörer-freundlich – vorausgesetzt, sie werden auch erfüllt. Werden sie jedoch nicht erfüllt, handelt der Text also in Wirklichkeit von etwas ganz anderem, so muss der Autor sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er den Hörer in die Irre führt; seine Ankündigungen wären äußerst unfreundlich.
4.2.4 Vortragsweise
AUDIO
Sie erinnern sich an den Text vom Meteoriteneinschlag und das Info-Update aus der Radiosendung „Computer und Kommunikation“. Hören Sie diese Texte nun noch einmal als Text 4.6 auf der beiliegenden Kassette. Wie Sie bemerken, habe ich die Entstellung der Texte beim Vortrag sehr weit getrieben. Inhalt und Vortragsweise stimmen nicht mehr überein. Wahrscheinlich kennen Sie die Redewendung: „Der Ton macht die Musik.“ Das gilt auch hier, oder in folgendem Witz: Brüllt der Hauptmann durch die Kaserne: „In zwei Minuten alle Mann angetreten auf dem Hof!“ Fragt ein Rekrut zurück, sehr leise und sehr sanft: „Darf's auch ein bisschen früher sein?“ Der richtige Tonfall zur richtigen Zeit kann Gold wert sein. Jeder weiß das, der einmal versucht hat, jemanden zu trösten.
4.2.4 Vortragsweise
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Texte im Radio oder im Fernseher (von Talkshows abgesehen) werden von professionellen Sprechern gesprochen, die in der Regel wissen, wie Texte zu betonen sind. Das Buch über den mündlichen Ausdruck soll nicht zuletzt dazu dienen, auch Sie als Lehrer in ähnlich gekonnter Vortragsweise zu schulen. Hier wollen wir uns kurz mit der Vortragsweise in Dialogen auseinander setzen. Mit Ausnahme von Hörspielen, Filmen und Theaterstücken werden Dialoge nicht vorgetragen. Die Dialogpartner – am Gartenzaun, beim Abendessen, am Telefon, beim Einkauf, auf der Straße usw. – sprechen einfach, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie sie dieses oder jenes Wort betonen. Die Betonung ergibt sich aus der Absicht, aus der aktuellen Stimmung, aus der Beziehung zwischen den Dialogpartnern, aus der Art und Weise, wie der jeweilige Hörer beeinflusst werden soll und aus vielem anderen mehr. Um das zu verdeutlichen, greife ich auf ein altbekanntes Schema zurück, auf das so genannte „Organon-Modell der Sprache“ von Karl Bühler; er entwickelt es in seinem berühmten Buch „Sprachtheorie“ von 1934. Seine Erläuterung liefere ich gleich mit.
TEXT 1
Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
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Sprechen wir über das Wetter (und erinnern Sie sich bitte auch an die Urlaubskarte, die Claudia an Renate geschrieben hat. (Kap. 2 im Band zum Leseverstehen)! „Schöner Tag heute“, sage ich. TEXT 2
Petra antwortet: „Stimmt.“ Klaus antwortet: „Scheint's dir ja nicht allzu viel daraus zu machen.“ Andrea antwortet: „Au ja, machen wir einen Ausflug.“
AUFGABE 6
Ordnen Sie die drei Äußerungen meiner Bekannten bitte den drei Funktionen zu, die Bühler in seinem Schema darstellt. Erläutern Sie die Zuordnung. Überlegen Sie sich bitte auch, wie ich den Satz gegenüber Petra, Klaus und Andrea wohl jeweils intoniert habe.
(Lösungsteil) Vielleicht hätte ich mir größere Mühe geben sollen, das zum Ausdruck zu bringen, was ich wirklich meinte; war meine Äußerung deshalb unfreundlich? Zu meiner Rechtfertigung will ich sagen, dass ich davon ausging, es wäre selbstverständlich, dass ich mich über den schönen Tag freue – doch ich gebe gerne zu: eine schwache Rechtfertigung. Denn dem Hörer kann man keinen Vorwurf machen, wenn er sich auf das verlässt, was er hört. Dies gilt bei unpersönlichen Texten viel mehr als bei persönlichen.Vom Nachrichtensprecher im Radio kann man zu Recht erwarten, dass er den Gewinn von 2 Millionen DM im Lotto, egal ob sein Großvater, er selbst oder irgendein Fremder das Geld gewonnen hat, in ein und demselben Tonfall vermeldet.
4.2.4 Vortragsweise / 4.2.5 Grammatik
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Wahrscheinlich wird er an dem Wochenende, an dem er selbst sechs Richtige plus Zusatz- und Superzahl getroffen hat, nicht ans Mikrophon gelassen – als Millionär, der er ist –, aber doch nur deshalb, weil er die von ihm erwartete Vortragsweise vermutlich nicht hin bekommt (und ohnehin umgehend gekündigt hat). Lassen wir aber diese Ausflüge ins Märchenhafte und hören Sie sich zur Verdeutlichung einen wirklich unfreundlichen Text an, wie Sie ihn ähnlich mit Sicherheit schon einmal gehört haben ( Text 4.7 ). – Natürlich ist die Unfreundlichkeit in diesem Beispiel nicht die richtige Beschreibungskategorie; wenn sie es wäre, hätte der Film ein gar zu rasches Ende.
4.2.5 Grammatik Dass es schwierige und weniger schwierige grammatikalische Phänomene gibt, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Es gibt schwierige Buchstabenverbindungen („Es knospt unter den Blättern / Das nennen Sie Herbst.“ [Hilde Domin]), schwierige Wörter, deren Semantik nicht auf Anhieb nachzuvollziehen ist („Zellkautschukschallschutzmatte“), schwierig aufzulösende Satzglieder („des gestrigen Abends sanft schimmernder Mondschein“) und schließlich auch schwierig konstruierte Sätze („Der Onkel, als er gerade seine größte Erfindung – die Zellkautschukschallmatte – gemacht hatte, der Herbst knosptete unter den Blättern, brach sich zum zweiten Mal schon in diesem Jahr beim Versuch, auf dem Skate-Board einen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen, kurz oberhalb des Knöchels, wo noch die Narbe von seinem Unfall im Michigan-See zu sehen war, das Bein.“). Wenn Sie sich die Hörtexte, die wir bisher in diesem Buch besprochen haben, noch einmal vergegenwärtigen, werden Sie Sätze, die dem Schwierigkeitsgrad des letzten Beispiels entsprechen, vergeblich suchen. Das heißt nicht, dass man diesen Satz über den Onkel nicht doch vernünftig und verständlich sprechen könnte, und der Hörer könnte durchaus verstehen, um was es geht. Denn ebenso, wie es orientierendes Lesen gibt, gibt es auch orientierendes Hören. Der entscheidende Unterschied besteht jedoch darin, dass man als Hörer nicht die Möglichkeit hat, das orientierend Überflogene noch einmal gründlich nachzuhören. Man hinkt dem Text hinterher. Auch Sie dürften die Erfahrung gemacht haben, dass beim Lernen einer Fremdsprache die Enttäuschung über einen nur bruchstückhaft verstandenen Hörtext größer ist als die über einen nur bruchstückhaft verstandenen Lesetext, den man sich jederzeit mit Hilfe eines Wörterbuches tiefer erschließen kann. Sprechen, das auf unmittelbare Verständlichkeit angelegt ist, vermeidet grammatikalische Schwierigkeiten. Diese Rücksicht auf den Hörer wird jedoch häufig von der eigenen Anteilnahme am Gesagten überdeckt; hinzu kommt die Barriere zwischen Gedanken und Sprache, die jedes Mal bei der spontanen Formulierung eines Sachverhaltes überwunden werden muss. Man ringt um das passende Wort, während der
AUDIO
Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
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Formulierung des einen Gedankens drängt sich ein anderer dazwischen, man vergisst den Satzanfang und setzt die begonnene Konstruktion nicht fort und so weiter. All das wird uns auch im Buch über den mündlichen Ausdruck beschäftigen. Im Hörverstehens-Unterricht sollte es darum gehen, auf das Verständnis gesprochener Sprache jenseits grammatischer Regeln vorzubereiten. Damit befindet man sich als Lehrer in einer merkwürdigen Situation: einerseits soll man die korrekte Verwendung des Lexikons und der Grammatik einer Sprache unterrichten, andererseits muss man das Verständnis fehlerhafter Sprache trainieren. Dieses Dilemma liegt in der Natur der Sprache: Sie ist nicht so homogen, wie sie in den meisten Wörterbüchern und Grammatiken dargestellt wird, sondern tritt in unterschiedlichen Erscheinungsformen auf. Man kann grob von einer schriftlichen und einer mündlichen Grammatik sprechen. Was in der schriftlichen Grammatik ein Fehler ist, ist in der mündlichen Grammatik noch lange keiner. Wenn wir nun sortieren wollen, so können wir sagen, dass völlig grammatisch korrekte Texte möglicherweise sehr unfreundliche Texte sind und dass andererseits solche, die grammatikalische Fehler aufweisen, durchaus freundlich sein können (hören Sie sich dazu noch einmal Aufnahme 0.1 in Kapitel 0 an).
4.2.6 Syntax Mark Twain beschreibt in einem seiner Romane die syntaktischen Vorlieben der Deutschen. „Ein Yankee aus Connecticut“ trifft am mittelalterlichen Artushof ein hübsches Fräulein namens Alisande, die jedoch gar zu geschwätzig ist:
TEXT 3
AUDIO
„Sie hatte genau die deutsche Art, was immer sie die Absicht hatte von sich zu geben, ob es nun eine bloße Bemerkung, eine Predigt, eine ganze Enzyklopädie oder die Geschichte eines Krieges war – sie brachte es in einem Satz unter, und wenn es sie das Leben kosten sollte. Jedes Mal, wenn der literaturkundige Deutsche in einen Satz taucht, bekommt man ihn nicht wieder zu sehen, bis er auf der anderen Seite seines Atlantischen Ozeans mit dem Verb zwischen den Zähnen wieder auftaucht.“ Die hier angesprochene Eigenart des Deutschen, die Satzklammer, stellt ein besonders großes Hindernis beim Hörverstehen dar, weil sie ein Verstehen, das sich rein linear entwickelt, verhindert. Übertreiben sollte man diese Schwierigkeit jedoch nicht, denn nicht immer liegt ein Atlantischer Ozean zwischen dem Beginn und dem Ende eines Satzes, und die Klammerstellung hat durchaus auch einen Vorteil, den man nicht vernachlässigen sollte: Häufig bietet ja das am Ende eines Satzes stehende Verb den Schlüssel zum Verständnis. Die Aufmerksamkeit kann damit bis zum Ende gespannt werden.Vergleichen Sie bitte die beiden Sätze in Hörtext 4.8.
4.2.6 Syntax
23
Man soll es freilich nicht übertreiben mit den Einschüben und Verzögerungen; kein Hörer lässt sich gerne zu sehr auf die Folter spannen. Dieser Satz kann als Anleitung für Redner verstanden werden und freilich – konkret in unserem Kontext – als Anleitung, Hörtexte zu erstellen. Darauf werden wir im folgenden Kapitel noch einmal zurückkommen. Machen wir hier eine umgekehrte Übung, um uns den Unterschied zwischen Lese- und Hörtexten zu vergegenwärtigen.
Das Folgende ist eine Meldung aus dem Info-Update, das Sie aus dem vorangegangenen Kapitel kennen. Formulieren Sie sie bitte um, und zwar soll ein einziger, möglichst verständlicher Satz dabei herauskommen. Im stark rückläufigen Markt habe der Halbleiterbereich den Umsatz im vergangenen Jahr um mehr als 12 Prozent auf 6,8 Milliarden Mark gesteigert, teilte die Siemens AG am Dienstag mit. Die Siemens AG will den Chip-Bereich ausgliedern und an die Börse bringen. Im vergangenen Jahr gab es zahlreiche Sparmaßnahmen und Entlassungen in dem hart umkämpften Markt. In Europa liegt Siemens als ChipProduzent weiterhin auf Platz 2. Weltweit führt der US-Konzern Intel die Liste der Halbleiterhersteller an und meldete für das abgelaufene Quartal einen Rekordumsatz.
Mein Vorschlag ist folgender: Im stark rückläufigen Markt hat der Halbleiterbereich den Umsatz im vergangenen Jahr um mehr als 12 Prozent auf 6,8 Milliarden Mark gesteigert, teilte die Siemens AG am Dienstag mit, die den Chip-Bereich
AUFGABE 7
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Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
ausgliedern und an die Börse bringen will, nachdem es im vergangenen Jahr zahlreiche Sparmaßnahmen und Entlassungen in dem hart umkämpften Markt gab, in dem Siemens in Europa als Produzent weiterhin auf Platz 2 liegt, während weltweit der US-Konzert Intel die Liste der Halbleiterhersteller anführt und für das abgelaufene Quartal einen Rekordumsatz meldete. Da ich Ihre Version des Satzes nicht kenne, wollen wir meinen Vorschlag kurz diskutieren. Der Satz scheint mir nicht unverständlich zu sein, aber er ist natürlich entsetzlich lang. Andererseits ist er aber auch leichter zu verstehen, da er semantische Beziehungen klärt, die im Original nicht so eindeutig sind. Wo man im Original kombinieren muss, wird in meiner Fassung ein Verständnis vorgegeben.Was im Original nur nebeneinander gereiht ist, füge ich zusammen und lasse einem offenem Verständnis wenig Raum. Aber, und das ist der entscheidende Nachteil: mein – und Ihr – Satz wäre zu lang für einen Hörtext, er ist recht unfreundlich.Wichtig ist das für uns (und vor allem für Sie), weil Sie vermutlich häufig in die Situation kommen werden, einen schriftlichen Text zu einem Hörtext aufzubereiten – doch dazu wie gesagt im nächsten Kapitel. Ich hatte im vorangegangenen Abschnitt schon einen langen Satz konstruiert, und es sei noch einmal wiederholt, was ich oben feststellte: Man kann jeden Satz, und ist er noch so lang, vernünftig und verständlich vorlesen, doch ich würde als Regel aufstellen: Je länger ein Satz, desto schwieriger ist er zu lesen. Andererseits gilt aber auch: Je kürzer die Sätze sind, umso langweiliger drohen sie beim Lesen zu werden. Ich habe dazu einige Tests gemacht, die Sie sich auf der beiliegenden Kassette als Hörtext 4.9 anhören können. Versuchen Sie aber bitte zuerst selbst, die folgende kurze Geschichte laut zu lesen.
TEXT 4
Am Sonntag schien die Sonne. Sandra und Caroline waren eingeladen. Peter feierte Geburtstag. Das ganze Haus war voll von Gästen. Im Garten waren Tische aufgestellt. Auf einem der Tische standen Wein, Saft und Sprudel. Auf dem anderen befanden sich die Speisen. Sandra hatte großen Hunger. Sie lud sich allerhand auf ihren Teller. Sie aß mit großem Appetit. Für die anderen Gäste interessierte sie sich gar nicht. Caroline war viel zu aufgeregt zum Essen. Sie hatte Dominik unter den Gästen entdeckt.Vor zwei Wochen hatte sie ihn zum ersten Mal gesehen. Er war der Mann ihrer Träume. Doch Dominik träumte lieber von kaltem Braten. Nach dem Essen, dachte Caroline. Was meinen Sie: Haben Sie es so hingekriegt, dass es sich einigermaßen interessant anhörte?
4.2.7 Lexik
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4.2.7 Lexik Wie es lange und kurze Sätze gibt, gibt es auch lange und kurze Wörter. Die Schwierigkeit von Wörtern bemisst sich jedoch nicht nur nach ihre Länge, sondern vor allem nach ihrem Bekanntheitsgrad. In besonderer Weise gilt das für Wörter einer Fremdsprache und wahrscheinlich vor allem für Wörter der deutschen Sprache, weil es im Deutschen die Möglichkeit gibt, fast beliebig lange Wortungetüme zu bilden.Wahrscheinlich kennen Sie die Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänswitwenrente. Wie viel Inhalt in einem solchen Wort steckt, wird deutlich, wenn man es auflöst: „Die Rente einer Witwe eines Kapitäns auf einem Dampfschiff der Gesellschaft, die die Schifffahrt mit Dampfern auf der Donau betreibt.“ Die Regeln, nach denen derartige Wörter gebildet werden, sind ganz unterschiedlich; kennen Sie sie?
Lösen Sie bitte die folgenden Zusammensetzungen auf: AUFGABE 8
Gartenstuhl Holzstuhl Stahlrohrstuhl Kinderstuhl Beichtstuhl Schaukelstuhl Designerstuhl Lehrstuhl Stuhlgang
(Lösungsteil) Ich habe einen Text gefunden, in dem diese besondere Schwierigkeit des Deutschen in recht amüsanter Weise thematisiert wird. Das will ich Ihnen nicht vorenthalten, wenn es Sie auch wieder eine Aufgabe kostet.
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Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
Hören Sie bitte Text 4.10 auf der beiliegenden Kassette und stellen Sie die folgenden mit Hilfe des Genitivs auseinander genommenen Wörter wieder her. AUFGABE 9
Trubel des Festes Sträuße der Veilchen der Alpen AUDIO
Torte des Obstes der Beeren des Johannes Klosett des Plumpses Kapelle der Musik Konzert des Platzes Stück des Konzertes der Violinen Flöte des Blockes Klavier des Schiffes Essen des Mittags Klopse der Königsberger Salate des Kopfes des Grünen Brüder des Gesanges des Chores der Kirche Hemden des Obers Flasche Wein des Brandes Kaffee der Bohnen Milch der Büchse Kuchen des Napfes Stiche der Bienen Winde des Beutels Leber des Käses der Allgäuer Milch der Butter Wein des Rheines
4.2 Was ist ein freundlicher, was ist ein unfreundlicher Text?
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Wasser der Kirschen der Wälder des Schwarzen Stube des Schlafes Decke der Steppe Topf der Nacht Jammer der Katze Möpse der Rolle Schule der Hilfe
(Lösungsteil) Auf Ihre Frage, warum wir uns in einem Buch über Hörverstehen so ausführlich mit den Wortzusammensetzungen beschäftigen, gebe ich zwei Antworten; vorweg: die Wortzusammensetzungen stehen hier exemplarisch für alle grammatikalischen Schwierigkeiten des Deutschen. Unter dieser Voraussetzung: 1) Diese Zusammensetzungen sind auf Grund ihrer ganz unterschiedlichen Semantik immer wieder besonders gemeine Fallen. Es lässt sich zwar für – fast – jede Zusammensetzung eine grammatische Regel benennen, nach der sie entstanden ist, aber die muss man erst einmal parat haben! Wiederum: Das Lesen kann man unterbrechen, um in einer Grammatik nachzusehen, das Hören nicht. Andererseits: ein Deutscher (es sei denn, er ist Sprachwissenschaftler) kennt mit Sicherheit nicht die Hälfte der jeweils wirkenden Regeln und dennoch weiß er, wie die Zusammensetzungen zu verstehen sind. Diese Intuition kann man bei jemandem, der kein Muttersprachler ist, nicht voraussetzen, er muss entweder die Regeln lernen oder die Wörter. Natürlich kommt ihm der gesunde Menschenverstand zur Hilfe, der zu meiner zweiten Antwort überleitet. 2) Ich vermute, dass ab einer gewissen Sprachbeherrschung die meisten Zusammensetzungen zumindest auf einigermaßen vernünftige Weise aufgelöst und verstanden werden. Dass ein Gartenstuhl nicht dazu gedacht ist, dem Garten einen Sitzplatz zu bieten, und auf einem Designerstuhl nicht nur Designer sitzen dürfen, wird einleuchten; und wenn man als einzige Zusammensetzung mit „Stuhl“ den „Holzstuhl“ kennt, so versteift man sich beim Hören des Satzes „Was für ein praktischer Kinderstuhl!“ mit Sicherheit nicht darauf, dass Kinder auch ein Material für Stühle sind; man erschließt sich vielmehr um ein weiteres Stück die lexikalischen Möglichkeiten des Deutschen. Die Konsequenz aus diesen Überlegungen für die Auswahl von Hörtexten im
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Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
Fremdsprachenunterricht liegt auf der Hand: Man sollte sie nicht zu leicht machen und nicht alle grammatikalischen Schwierigkeiten vermeiden, sonst landet man irgendwann beim „Tag des Namens meines Vaters“. Allgemein: Freundlichkeit bedeutet nicht, möglichst nur Vertrautes und auf das erste Ohr Bekanntes zu präsentieren.
Nach diesen grundsätzlichen Überlegungen zur Kommunikatibilität (Textlänge, Kontext, Textanfang, Vortragsweise) und zu den sprachlichen Schwierigkeiten (Grammatik, Satzbau, Wörter) wollen wir uns nun mit dem 2. Februar 1999 beschäftigen. Es geht dabei um Texte, die ich als freundlich bezeichnen würde.
4.3 Ein Morgen in SWR2
AUFGABE 10
AUDIO
Die zweite Hälfte dieses Kapitels stützt sich auf 23 zusammenhängende Minuten Hörtext. Zum ersten Kennenlernen hören Sie bitte den gesamten Text. Es ist die Aufnahme 4.11 auf der beiliegenden Kassette. Schreiben Sie während des Hörens nicht mit. Am besten wäre es ohnehin, wenn Sie sich nicht mit gespitzten Ohren vor den Kassettenrekorder setzen, um aufmerksam zuzuhören, sondern den Text zum Beispiel während des Essens, des Spülens, Bügelns oder Aufräumens abspielen. Notieren Sie anschließend, welche Sendungen Sie gehört haben, was Ihnen an Informationen in Erinnerung geblieben ist und ganz allgemein, was Ihnen aufgefallen ist.
4.3 Ein Morgen in SWR2 / 4.3.1 Das Zeitwort
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Bevor wir uns den Text im Einzelnen ansehen, will ich Ihnen erklären, warum ich ausgerechnet die Aufnahme des 2. Februar 1999 als Beispiel heranziehe. Selbstverständlich hätte ich zahllose andere Radio-Mitschnitte heranziehen können; einen musste ich schließlich auswählen. Ausschlaggebend war für mich das „Zeitwort“ über Bertrand Russell. Der Autor Ludger Lütkehaus sieht sich offenbar vor der Aufgabe, ein schwieriges Thema verständlich darzustellen und zudem von Anfang an die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer zu gewinnen, die sich im Badezimmer, in der Küche, am Esstisch oder noch im Bett oder schon im Auto befinden.Vor dem Radio sitzt man üblicherweise nicht wie vor dem Fernsehgerät, sondern man macht etwas nebenher: Autofahren, Kochen, Bügeln und so weiter. Lütkehaus bedenkt eben diese Situation und bemüht sich, seinen Text gewissermaßen in das Ohr der Hörer hineinzuschmuggeln. Diese Vorgehensweise hat mich sehr überzeugt; deshalb fiel meine Wahl auf den 2. Februar. Was Sie in den 23 Minuten gehört haben, sieht im Programmheft folgendermaßen aus: 6.53 Zeitwort 6.58 Programmhinweise 7.00 SWR2 Aktuell 7.15 ... Gehen wir nun die einzelnen Texte durch und achten auf ihre Eigenheiten und Auffälligkeiten.
4.3.1 Das Zeitwort Textlänge: Die Lesung des Textes dauert exakt vier Minuten und funfzig Sekunden. Das scheint nicht viel zu sein, fünf Minuten sind oftmals so gut wie nichts, aber sie können auch ganz schön anstrengend und ermüdend sein. Fanden Sie das Zeitwort ermüdend, hat es Sie sehr viel Anstrengung gekostet, ihm bis zum Ende aufmerksam zuzuhören? Halten Sie solche Erfahrungen bitte fest, um bei ähnlichen Aufgabenstellungen an Ihre Schüler einen Anhaltspunkt zu haben und die von ihnen verlangten Leistungen einschätzen zu können. Kontext: Als Einleitung des Textes wird ein „Zeitwort“ angekündigt. Wer das zum ersten Mal hört,weiß nicht,dass jeden Morgen um dieselbe Zeit eine ähnliche Glosse zum Besten gegeben wird. Das anschließende „Heute: der 2.2.1970“ schafft jedoch weitgehend Klarheit. Aber Vorsicht! Beim zweiten und dritten Hören oder beim Lesen scheint einem das deutlich zu sein (zumal nach der Ankündigung des Zeitworts am nächsten Tag); hat man es aber auch wirklich beim ersten Hören begriffen? Denn wohlgemerkt: Das zu begreifen kostet Zeit und Aufmerksamkeit. Textanfang: Der Anfang des Textes ist sehr geschickt gewählt: Der Text selbst wird
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Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
problematisiert („Die Zeit des Zeitworts ... Heute Morgen schaffen wir Abhilfe ...“). Das aktuelle Zeitwort setzt sich von anderen Zeitworten ab; man kann das folgendermaßen verstehen: 'Heute wird etwas Anspruchsvolles geboten.' Allerdings – damit werden wir uns später beschäftigen – stehen weite Teile des ganzen Textes unter der Vorgabe dieses Anfangs. Man kann daraus den Schluss ziehen, dass der Autor bei der Formulierung seines Textes nicht so sehr von Bertrand Russell ausgeht, sondern von der Situation, in welcher der Text präsentiert werden soll, und von den Hörern, für die er gedacht ist. Das ist ein schöner Beleg dafür, dass man in einem Hörtext den Bezug zum Hörer nicht ernst genug nehmen kann, um ihn „bei der Stange zu halten“. Vortragsweise: Ich weiß nicht, wer den Text vorträgt, ob es der Autor selbst ist oder ein Sprecher des Senders. Jedenfalls scheint mir die Vortragsweise sowohl dem Inhalt als auch vor allem der Textgattung angemessen zu sein. Es wird sehr ruhig und leicht, unaufgeregt gesprochen; ohne zu hetzen wird der Text sehr zügig vorgetragen, vielleicht ein bisschen zu zügig. Einige Pausen an den richtigen Stellen würden vielleicht nicht schaden. Freilich muss dabei auch bedacht werden, dass es sich nicht um eine Bildungsveranstaltung handelt.Wie schon gesagt, werden nicht viele Leute gebannt vor den Lautsprechern sitzen, weil sie ausgerechnet am 2. Februar 1999 etwas über Bertrand Russell erfahren wollen. Der ganze Text ist eher so angelegt, dass er jedem ein bisschen bietet. Sprachliche Schwierigkeiten: Kommen wir zu den sprachlichen Schwierigkeiten. Gibt es welche? Grammatische Schwierigkeiten konnte ich keine finden. Der Text ist sprachlich recht einfach nachzuvollziehen. Das gilt auch für den Satzbau. Die Sätze sind fast durchgehend kurz; die wenigen langen bestehen zum großen Teil aus Reihungen, gleich der erste Satz ist ein gutes Beispiel.Wie steht es mit den Wörtern? Mir sind keine schwierigen Wörter aufgefallen. Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Einige Wörter und Wortkombinationen sind sehr inhaltsreich; ihre Bedeutung muss erst einmal zusammengefügt werden und das kostet Zeit. Wussten Sie auf Anhieb, was man sich unter einer „logischen Dehnübung“ vorzustellen hat, unter einem „intellektuellen Streckversuch“, einer „morgenfrühen Pointe“ oder einer „noch nachtfrischen Antwort“, was man unter „Erkenntnistheorie“ versteht, unter einem „akademischen Schreibtischtäter“?
Nicht jeder mündlich vorgetragene Text bedenkt seine Zuhörer. Ein Vortrag, in dem der Hinweis fällt: „wie wir oben gesehen haben“, wurde mit Sicherheit als Aufsatz am Schreibtisch entworfen ohne Rücksicht auf die besondere Vortragssituation und nur eine spätere schriftliche Veröffentlichung im Blick. Wie schon bemerkt, geht Ludger Lütkehaus in seinem Zeitwort in sehr besonderer Weise auf die Zuhörer als Hörer ein.
4.3 Ein Morgen in SWR2 / 4.3.1 Das Zeitwort
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Markieren Sie bitte im Textabdruck, den Sie im Anhang finden, alle Signale, die einen Hörerbezug herstellen. AUFGABE 11
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten des Hörerbezugs. Stellen wir sie hier einmal zusammen: a) Die Hörer können direkt angesprochen werden, standardisiert etwa zu Beginn eines Vortrags („Sehr geehrte Damen und Herren“) oder von Nachrichten („Guten Abend, meine Damen und Herren“). b) Sie können floskelhaft angesprochen werden: „Wie Sie sicherlich wissen“, „Auch Ihnen wird es schon passiert sein, ...“ c) Der Sprecher kann die Hörer auf seine Seite ziehen, indem er sie an der Entwicklung seiner Gedanken teilhaben lässt. „Wir haben gerade festgestellt“, „Wir haben gelernt, erkannt“ usw. Dieses „wir“ kann jedoch durchaus unterschiedlich interpretiert werden.Wenn Lütkehaus sagt, dass „wir“ die Lösung für unsere geistigen Frühsportprobleme verschweigen, können kaum die Hörer gemeint sein. Er allein verschweigt sie, und er spricht von „wir“, um als Autor im Hintergrund zu verschwinden. Er setzt damit seine Autorität herab und tritt hinter den Text zurück.(„die ich hier tunlichst verschweige“ könnte sich ein wenig danach anhören, als wolle er die Hörer ärgern.) Anders ist es jedoch in dem Satz: „Unter dieser Voraussetzung hätten auch wir gewiss noch Kapazitäten ... frei.“ Damit sind eindeutig alle gemeint, der Sprecher und die Hörer. Problematischer ist jedoch der Satz: „Schließlich wollen wir noch geistig gesund und unblutig rasiert unseren Arbeitsplatz erreichen.“ Sicherlich sind nicht nur Männer ohne Bart als Hörer zugelassen. Allerdings steckt in diesem Satz eine nette Pointe, die zudem elegant von den Marterproblemen überleitet zu den Fakten über Bertrand Russell. Natürlich besitzen wir als Hörer ein Bewusstsein für die Unpersönlichkeit gesprochener Texte, wir können eine Anrede innerhalb eines mündlich vorgetragenen Textes durchaus als kommunikative Geste schätzen, die uns das Zuhören leichter macht. Damit kommen wir zur vierten Möglichkeit, einen Hörerbezug herzustellen. d) Sie besteht darin, die – vermutliche – Lebenswelt des Hörers in den Text einzubeziehen. Lütkehaus tut dies in der zitierten Bemerkung über die unblutige Rasur. Auch hier gilt: Die Geste als solche ist mehr wert als der ganz exakte Bezug. Versuchen wir nun, die unterschiedlichen Hörerbezüge in einem Schema darzustellen:
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AUFGABE 12
Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
Schlagen Sie bitte eine Interpretation dieses Schemas vor, das für unpersönliche Texte gelten soll; anders formuliert: Fassen Sie die obigen Bemerkungen anhand dieses Schemas zusammen.
Der Text stellt sich auf den Hörer ein, nicht auf jeden einzelnen, was auch gar nicht möglich ist, da die Hörer ja unbekannt sind.Verdeutlicht habe ich das dadurch, dass ich die Vielzahl der Hörer zur „Hörerschaft“ zusammengefasst habe. Dennoch kann der Text diese anonyme Masse aufbrechen, indem er die Lebenswelt zumindest einiger konkreter Hörer aufgreift (die einzelnen Striche, die in die Hörerschaft hineinragen).Voraussetzung für das Funktionieren dieser kommunikativen Strategie ist jedoch das Bewusstsein des Hörers, dass er für den Sprecher anonym ist, sowie die Anerkenntnis des Bemühens des Sprechers, auf den Hörer in einer Weise einzugehen, die ihn aus der Anonymität heraushebt.
4.3.1 Das Zeitwort
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Wiederaufnahmestruktur des Textes
Bereits in Kapitel 3 haben wir festgestellt, dass die Wiederaufnahmestruktur eines Textes wesentlich zu seiner Verständlichkeit beiträgt.Wir wollen uns nun anhand des Zeitworts über Bertrand Russell nicht auf die rein inhaltliche Seite der Wiederaufnahme konzentrieren, sondern Assoziationen mit einbeziehen, die den Text sowohl zusammenhalten, als auch spannend und interessant machen. Ich schlage einige Stichwörter vor.
Markieren Sie im Textabdruck, den Sie im Anhang finden, bitte mit unterschiedlichen Farben alle Aussagen, die Sie folgenden Stichwörtern zuordnen würden: Arbeit – ungelöste Probleme – Zeit – Opposition – Erkenntnis
(Lösungsteil) Was den Text so anregend macht, ist die Fülle von Querbezügen sowohl zwischen Situation und Inhalt als auch zwischen den Informationen und Andeutungen über Russell. So wird spielerisch von der Morgengymnastik über das Kreta-Paradox zur modernen Philosophie übergeleitet und im Vorbeigehen ein weiterer Blick auf die Morgentoilette geworfen. Beides wird dann gebündelt auf Russell hin, ein etwas sensationell anmutendes Zitat wird gebracht („Ich glaube nämlich, dass in der Welt zu viel gearbeitet wird.“), das auf vergnügliche Weise erneut den bevorstehenden Weg zur Arbeit assoziiert und zugleich den Text auf das Lebenswerk des Philosophen hin öffnet, das ganz summarisch charakterisiert wird. Die Erwähnung der Logik lenkt zurück zu den anfänglich erwähnten Paradoxa. Der folgende Satz („Die Erkenntnistheorie, die Sprachphilosophie, die Ethik verdanken ihm bedeutende Beiträge“) fungiert dann als wichtiges Scharnier: Die „Erkenntnistheorie“ stößt an die Frühsportprobleme an, die „Ethik“ leitet über zum praktischen Handeln Russells, zu seinem Kontakt mit den Realitäten. Zugleich, um die Spannweite seines Schaffens anzudeuten, wird ein weiteres Mal die Logik erwähnt, mit deren Problemen der Text begann. Der politische Kampf und die Realitäten ermöglichen – mit Rückblick auf den Titel Russells als „Earl“, der in der Benennung „Aristokrat“ aufgenommen wird – die konkreten Informationen über die pazifistischen Aktivitäten, die in starkem Kontrast zu den bisher vermittelten Kenntnissen über den Philosophen stehen. Mit dem Satz „In seinem geistigen und politischen Temperament ...“, der nicht nur die beiden Betätigungsfelder Russells – Theorie und Praxis – zusammenfasst, sondern auch auf einen früheren charakterisierenden Satz zurückgreift („Für was nicht alles ... eines Genies und Temperaments vom Schlage Einsteins war.“), hebt die Schlusssequenz an, in der alles bisher Gesagte noch einmal erklärt wird. Das ist recht geschickt gemacht: Der „Glaube“ erinnert an die Bibel, von der gerade die Rede war, das „Denken“ an
AUFGABE 13
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Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
Russells Tätigkeit als Philosoph, dann jedoch folgt etwas ganz Neues, die „Leidenschaft“. Sie hat ihre Berechtigung darin, dass sie von Russell selbst genannt wird, und zwar an prominentem Ort. dem Beginn seiner Autobiographie. Die Schlusspointe greift dann Inhalt und Form des Textes in nuce zusammen: Russells wissenschaftliche und politische Tätigkeit und der auf den Hörer bezogene Beginn des Textes (die „eingangs bemühten logischen Vertracktheiten“). Wenn Sie meiner Beschreibung des Textes einigermaßen zustimmen können, werden Sie meine Meinung teilen, dass wir es mit einem ausgezeichneten, sowohl unterhaltsamen als auch anregenden und informativen Hörtext zu tun haben. Einwenden ließe sich lediglich, dass nicht allzuviele so genannte harte Fakten mitgeteilt wurden. Vergleichen wir aber einmal unser Zeitwort mit einem schriftlichen Text, der ungefähr die eineinhalbfache Länge hat und nur informieren will. Es handelt sich um einen Eintrag in dem CDROM Lexikon „Encarta“ von 1998.
TEXT 5
Russell, Bertrand Arthur William, 3. Earl Russell (1872-1970), britischer Philosoph, Mathematiker und Nobelpreisträger. Russell wurde am 18. Mai 1872 in Trelleck geboren und studierte am Trinity College an der Universität Cambridge, wo er später auch lehrte.
The Principles of Mathematics (1902) machten ihn schlagartig berühmt. In diesem Buch versuchte Russel der Mathematik einen exakten wissenschaftlichen Rahmen zu geben. Danach arbeitete er acht Jahre lang mit dem britischen Philosophen und Mathematiker Alfred North Whitehead an dem gewaltigen Werk Principia Mathematica (3 Bde., 19101913), in dem dargelegt werden sollte, dass die Mathematik mit Hilfe der Begriffe der allgemeinen Logik ausgedrückt werden könne. Es wurde zu einem Meisterwerk rationalen Denkens. Russell und Whitehead bewiesen, dass Zahlen als Klassen einer bestimmten Art definiert werden können, und entwickelten dabei logische Begriffe und eine Schreibweise, die die symbolische Logik zu einem wichtigen Spezialgebiet innerhalb der Philosophie machten. In seinem nächsten wichtigen Werk, The Problems of Philosophy (1912, Probleme der Philosophie), wagte sich Russell auch in die Gebiete Soziologie, Psychologie und Physik. Er wollte die Dogmen der damals führenden philosophischen Schule des Idealismus widerlegen. Nach idealistischer Auffassung waren alle Gegenstände und Erfahrungen Produkte des Intellektes. Der Realist Russell wollte hingegen nachweisen, dass alle Gegenstände, die von den Sinnen wahrgenommen werden, eine ihnen innewohnende Realität haben, die vom Geist unabhängig ist.
4.3.1 Das Zeitwort
Sozialist und Pazifist
Im 1.Weltkrieg verurteilte Russell öffentlich beide Seiten und wurde für seine Kritik am britischen Empire verhaftet und von seinem Lehrstuhl in Cambridge enthoben. Im Gefängnis schrieb er seine Introduction to Mathematical Philosophy (1919, Einführung in die mathematische Philosophie). Nach dem Krieg besuchte er die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik. In seinem Buch Practice and Theory of Bolshevism (1920) gab er seiner Enttäuschung über die Art des dort praktizierten Sozialismus Ausdruck. In den Jahren 1921 und 1922 lehrte Russel an der Universität Peking.Von 1928 bis 1932 leitete er in England eine Privatschule und von 1938 bis 1944 lehrte er an verschiedenen Bildungseinrichtungen in den Vereinigten Staaten. Die Lehrbefugnis für das College of the City of New York wurde ihm jedoch vom New York Supreme Court wegen seiner religionskritischen Schriften wie What I Believe (1925) und seiner Verteidigung der sexuellen Freiheit in Manners and Morals (1929) verweigert. Russell kehrte 1944 abermals nach England zurück und wurde wieder in das Trinity College aufgenommen. Zwar redete er nicht einem bedingungslosen Pazifismus das Wort und unterstützte auch das Eingreifen der Alliierten im 2.Weltkrieg, doch wurde er zu einem leidenschaftlichen und aktiven Gegner der atomaren Rüstung.1949 wurde ihm von GeorgVI. der Verdienstorden verliehen, 1950 erhielt er den Nobelpreis für Literatur und wurde als „Verfechter der Menschlichkeit und der Gedankenfreiheit“ bezeichnet. Gegen Ende der fünfziger Jahre war er Führer einer Bewegung, die die einseitige atomare Abrüstung befürwortete. Im Alter von 89 Jahren wurde er nach einer Antiatom-Demonstration nochmals verhaftet. Er starb am 2. Februar 1970. Philosoph und Schriftsteller
Neben seinem früheren Werk lieferte Russell einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des logischen Positivismus, einer starken philosophischen Bewegung der dreißiger und vierziger Jahre. Der bedeutende österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein, der einmal bei Russell in Cambridge studiert hatte, war stark von dessen ursprünglicher Vorstellung des logischen Atomismus beeinflusst. In seiner Suche nach dem Wesen und den Grenzen des Wissens war Russell einer der Hauptverantwortlichen für das Wiedererstarken der Philosophie des Empirismus (Erkenntnistheorie). In Our Knowledge of the External World
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Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
(1926) und Inquiry into Meaning and Truth (1962) versuchte er, alles Tatsachenwissen als aus unmittelbarer Erfahrung gewonnen zu erklären. Zu seinen weiteren Werken zählen The ABC of Relativity (1925, Das ABC der Relativitätstheorie,), Education and the Social Order (1932), A History of Western Philosophy (1945, Philosophie des Abendlandes), The Impact of Science upon Society (1952), My Philosophical Development (1959, Philosophie. Die Entwicklung meines Denkens,), War Crimes in Vietnam (1967) und The Autobiography of Bertrand Russell (Autobiographie, 3 Bde., 1967-1969). In diesem Artikel wird mit Sicherheit mehr Information geliefert als im Zeitwort. Andererseits dürfte es keine Frage sein, welcher der beiden Texte für die mündliche Kommunikation geeigneter ist. Außerdem: wie lange braucht man, um die aneinander gereihten Informationen aus dem Lexikon in ähnlicher Weise zu ordnen, wie es der Text von Ludger Lütkehaus tut? Es ist – vorläufig – eine theoretische Frage: Wie würden Sie vorgehen, wenn Sie aus dem Lexikonartikel einen konsumierbaren Hörtext anfertigen sollten? Halten wir fest: Es kann nicht das Anliegen eines Hörtextes sein, möglichst geballte Informationen zu liefern; sein Hauptaugenmerk muss vielmehr darauf gerichtet sein, die Informationen auch „rüberzubringen“. Auf das Wesentliche reduziert dargestellt sieht das folgendermaßen aus:
Oder vereinfacht in einem Satz gesagt: In einem schriftlichen Text steht der Inhalt im Vordergrund, in einem mündlichen der Hörer. (Dass dies nicht für alle schriftlichen Kommunikationsformen, schon gar nicht für persönliche wie einen Brief gilt, muss nicht betont werden.) Nach diesen ausführlichen Überlegungen und Bemerkungen zum Zeitwort sehen wir uns nun noch zügig die folgenden 17 Minuten des morgendlichen Radiomitschnitts an und bedenken dabei die rechte Seite des obigen Schemas:Welchen Einfluss hat der anzusprechende Hörer auf die Texte?
4.3.2 Die Programmhinweise Drei Programmhinweise folgen auf das Zeitwort. Programmhinweise wollen nicht nur informieren, sondern auch werben, sie sind nicht nur Ankündigungen, sondern auch Anpreisungen – es sind appellative Texte.Wenn drei dieser Ankündigungen sich mit zwei Minuten zufrieden geben müssen, bleiben nicht viele Möglichkeiten, um Interesse für die angepriesenen Sendungen zu wecken.
4.3.2 Die Programmhinweise
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Hören Sie sich die Programmhinweise noch einmal an. Auf welche Art und Weise versuchen sie, das Interesse der Hörer zu wecken? Wie gehen sie jeweils vor? AUFGABE 14
(Lösungsteil)
Wie würden Sie das Zeitwort über Bertrand Russell in einer kurzen Hörnotiz bewerben? Machen Sie bitte zwei – schriftliche – Vorschläge. Denken Sie bitte daran, dass keiner Ihrer Hörer Sie kennt und aus lauter Sympathie zu Ihnen um sieben Minuten vor sieben das Radio anschaltet. (Dass Sie hier zwei appellative Texte mit informativer Nebenfunktion schreiben sollen, ist Ihnen klar, oder?)
(Lösungsteil)
AUFGABE 15
Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
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4.3.3 Die Nachrichten Die Nachrichtensendung morgens um sieben in SWR2 ist relativ lang. Die üblichen Nachrichten im Hörfunk sind nach drei bis höchstens vier Minuten zu Ende. Hier aber gibt es nicht nur die reinen Meldungen, die im Studio vorgelesen werden, sondern auch Korrespondentenberichte. Beschränken wir uns auf einen einzigen Aspekt, dessen Auswahl Ihnen sicherlich einleuchten wird, wenn Sie sich die Nachrichten noch einmal anhören, oder spätestens, wenn Sie sie im Anhang nachlesen – beschränken wir uns auf den Satzbau. Wir wollen keine exakte syntaktische Analyse vornehmen, sondern uns mit einer groben Beschreibung begnügen. Dazu unterscheiden wir nach einstufigen, zweistufigen ... n-stufigen Sätzen. Um mir und Ihnen ausführliche Definitionen zu sparen, verdeutliche ich an einigen Beispielen, was damit gemeint ist: einstufig
1)Horst trinkt Gemüsesaft. 1)Horst trinkt Gemüsesaft, Inga hat Sekt lieber. zweistufig
1) Horst, 2)
trinkt Gemüsesaft. den ich seit fünf Jahren kenne,
1) Horst trinkt Gemüsesaft, 2)
weil er gesund bleiben will.
1) Adelheid sagt, 2)
Horst trinke Gemüsesaft.
1) Horst, 2)
trinkt Gemüsesaft, den ich seit fünf Jahren kenne,
weil er gesund bleiben will.
dreistufig
1) Adelheid sagt, 2) 3)
Horst trinke Gemüsesaft, weil er gesund bleiben will.
4.3.3 Die Nachrichten
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Werten Sie bitte die Nachrichten und die Kommentare aus.Tragen Sie in die unten stehende Tabelle ein, wie häufig jeweils die verschiedenen Satzformen in den Meldungen und den Kommentaren auftauchen. Die Ortsangaben zu Beginn der Meldungen und die Namen der Korrespondenten berücksichtigen Sie bitte nicht. Wahrscheinlich wird es Differenzen zwischen Ihrer und meiner Zählung geben, aber es lohnt sich in unserem Zusammenhang nicht, hier auf größere Genauigkeit zu achten. Worauf es ankommt, ist die Tendenz. einstufig
zweistufig
dreistufig
AUFGABE 16
vier- und mehrstufig
Meldungen Korresponden tenberichte
(Lösungsteil) Haben Sie dieses Ergebnis erwartet? Wenn wir annehmen, dass die Leute, die die Radio-Nachrichten machen, etwas von ihrem Geschäft verstehen, können wir vorerst zwei Regeln aus diesem Befund ziehen: 1) In Hörtexten sollten die Sätze ein möglichst einfaches Gerüst haben, konkret und in unserer Terminologie: möglichst einstufig sein. 2) Auch wenn das Gerüst der Sätze einfach ist, so können sie offenbar doch so gelesen werden, dass sie nicht langweilen – erinnern Sie sich an Hörtext 4.3. Mit Regel 2 werden wir uns im Band über den mündlichen Ausdruck beschäftigen; hinterfragen wir hier die erste Regel und sehen uns anhand einer einzigen Meldung noch einmal genauer an, was es heißt und was es nicht heißt, dass ein Satz ein einfaches Gerüst hat.
Nehmen wir als Beispiel die kürzeste Meldung der Nachrichten. Schreiben Sie in die rechte Spalte das Grundgerüst der Sätze. Lassen Sie alles weg, was nicht unbedingt notwendig ist, damit die Sätze korrekte deutsche Sätze sind. Die Senatoren der Vereinigten Staaten von Amerika werden sich heute um 14 Uhr mitteleuropäischer Zeit ein Video anschauen, in dem es um Lügen und Sex geht.
AUFGABE 17
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Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
Die ehemalige Praktikantin des Weißen Hauses Monica Lewinsky berichtet dort ein weiteres Mal über ihre Affäre mit USPräsident Clinton. Wenn Sie bei den Kürzungen radikal waren, sind folgende Sätze übrig geblieben: Die Senatoren werden ein Video anschauen. Die Praktikantin berichtet über ihre Affäre. Diese Sätze, isoliert gehört, sind keine besonders informativen Meldungen. Sie machen sehr deutlich, was mit dem Begriff „Grundgerüst“ gemeint ist. Das Gerüst – etwa eines Gebäudes – gibt die Form, die Größe und die Stabilität des Hauses vor, insofern bestimmt es auch sein Aussehen. Die Ausgestaltung, die Farbe, das sichtbare Material, die Innenausstattung und von daher auch die Funktion, all das ist frei veränderbar. Zwischen zwei Pfeilern eines Gerüsts kann eine Wand gespannt werden, man kann ein Fenster einfügen oder einen Balkon, alles in verschiedener Farbe, von verschiedenem Material, in unterschiedlicher Form und bis zu einem gewissen Grad in unterschiedlicher Größe. Man kann über ein und dasselbe Gerüst eine Lagerhalle, eine Disco, eine Produktionsanlage, mehrere Wohneinheiten, eine Kirche, ein Rathaus, eine Schule, vielleicht sogar einen kleinen Bahnhof entwerfen. Genau so ist es auch mit den Sätzen. Interessant und aussagekräftig werden sie durch ihre „Füllungen“. Natürlich gibt es auch Sätze, die ohne „Füllung“ interessant und aussagekräftig sind, Paradebeispiel: „Ich liebe dich.“ Aber kehren wir zu den Meldungen zurück und konzentrieren uns nun auf den zweiten Satz: Markieren wir zunächst, wo und wie das Gerüst erweitert ist: Die ..(1).. Praktikantin ..(2).. ..(3).. berichtet ..(4).. ..(5).. über ihre Affäre ..(6).. Sechs Erweiterungen gibt es.Welche Inhalte vermitteln sie?
Erläutern Sie bitte, welche Informationen Sie durch die Erweiterungen jeweils gewinnen. AUFGABE 18
Die ehemalige Praktikantin
des Weißen Hauses
4.3.3 Die Nachrichten
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Monica Lewinsky berichtet dort
ein weiteres Mal über ihre Affäre
mit US-Präsident Clinton.
Wie Sie sehen, stecken in den Erweiterungen (Adjektiv, Genitiv-Attribut, NominativErweiterung, Orts-, Zeit- und Präpositionalangabe) eine ganze Menge Auskünfte. Einige davon sind ziemlich trivial: Dass die Praktikantin einen Namen hat, ist selbstverständlich, und ob sie Monica Lewinsky oder anders heißt, spielt an sich keine Rolle. Anderes muss jedoch erschlossen werden. Wenn von Lewinsky als „ehemaliger“ Praktikantin die Rede ist, bedeutet das, dass sie derzeit keine Praktikantin mehr ist. Bedeutet es aber auch, dass sie irgendwann einmal eine Praktikantin im Weißen Haus war und irgendwann eine Affäre mit dem Präsidenten hatte oder dass sie nur während ihrer Praktikantenzeit eine Affäre mit dem Präsidenten hatte (und später nicht mehr)? (was die Frage aufwerfen würde, ob der Präsident mit allen Praktikantinnen ein Verhältnis hat [solange sie Praktikantinnen sind].) Eine ganz andere Frage ist hingegen, ob diese Informationslücken das Verständnis des Satzes beeinträchtigen. Das Problem dabei ist nur, dass der Satz selbst nicht zu erkennen gibt, ob die erwähnten Lücken von Bedeutung sind oder nicht, ob sie später noch gefüllt werden oder nicht. Ein ganz anderes Problem wirft die Ortsangabe auf: worauf bezieht sich „dort“? Auf das „Weiße Haus“, das als Genitiv-Attribut davor steht? Das wäre allerdings ein sehr ungewöhnlicher Bezug! Was kommt sonst in Frage? Das „Video“ aus dem Satz zuvor – aber müsste es dann nicht „darin“ heißen? Ich denke schon. Hier sind wir einer kleinen Ungenauigkeit auf die Spur gekommen, die aber doch ganz schön verwirrend sein kann, wenn man damit rechnet, dass deutsche Sätze im Radio strikt der deutschen Grammatik gehorchen, wie man sie im Fremdsprachenunterricht lernt. An dieser Stelle möchte ich Ihnen zwei Szenen schildern, in denen ich mich vorgestern wiederfand. Steffen Jacobi, der das Layout dieser Fernstudienbücher gestaltet, rief mich an, nachdem er mir die Druckfahnen des Buches über das Leseverstehens zugeschickt hatte, um mir zu erklären, dass „die auf den Seiten eingezeichneten Linien das griechische DIN A4-Format markieren“.Wenig später rief Dr. John (diesen Namen habe ich geändert), der seit einigen Jahren als Naturwissenschaftler in Tübingen tätig ist, in dem Computerladen an, in dem ich arbeite, um mich zu bitten, ihm für seinen Drucker Endlospapier zu besorgen, das einen knappen Zentimeter länger ist als DIN A4. Er habe bei allen möglichen Lieferanten angerufen, aber dort gäbe es nur DIN A4-Papier.
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AUFGABE 19
Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
Können Sie diese beiden Situationen erklären? Versuchen Sie bitte auch zu begründen, warum ich diese beiden Szenen hier erzähle. Zur Information: In einigen Katalogen ist Endlospapier für Computer-Drucker so beschrieben: Größe: DIN A4, Höhe: 12“.
(Lösungsteil)
AUDIO
Wenn es schon das DIN A4-Format schwer hat, sich im wahrsten Sinne der Abkürzung (Deutsche Industrie Norm) durchzusetzen, dann kann man den schriftlich in Grammatiken festgehaltenen „Normen“ der deutschen Sprache nicht mehr Erfolg zutrauen. Sprache ist vor allem insofern etwas Lebendiges, als sie nicht um ihrer selbst willen, sondern um der Kommunikation willen da ist, sie ist – sehen wir von poetischen Texten ab – nichts weiter als ein Mittel zum Zweck,und bei einem Mittel zum Zweck achtet man nicht so genau auf Korrektheit. Konstruieren wir ein sehr extremes Beispiel: Hören Sie Aufnahme 4.12 auf der beiliegenden Kassette. So eine Antwort hört man in Wirklichkeit natürlich nicht, und zwar deshalb, weil jeder sofort weiß, was gemeint ist, und niemand fragt, ob es auch korrekt gesagt wurde. (Erinnern Sie sich bitte auch an die beiden Kino-Einladungen in Text 2 aus dem Vorwort.) Ganz ähnlich ist es auch in den Nachrichten. Selbstverständlich ist der Sprecher vor dem Mikrophon in keiner Weise erregt, der Redakteur oder der Mitarbeiter der Nachrichtenagentur, der den Text schrieb, dürfte es hingegen gewesen sein, wenn auch aus ganz anderen Gründen als der Ertrinkende in der Szene, die Sie gerade gehört haben.Vermutlich stand er unter Zeitdruck, und dass einem dabei Fehler unterlaufen, dürfte einsichtig sein. Vielleicht wundern Sie sich darüber, dass ich so großen Wert auf diesen Aspekt lege,
4.3.3 Die Nachrichten / 4.3.4 Die Pressestimmen
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nur weil wir in der Nachricht einen doch recht kleinen Fehler entdeckt haben. Dieser Fehler an sich macht mir keine Sorgen. So etwas geschieht immer wieder. wieder. Was mich jedoch beunruhigt, ist die Tatsache, dass im Fremdsprachenun Fremdsprachenunterricht terricht auf solche Fehler und auf die Toleranz, Toleranz, die solche immer wieder auftretenden a uftretenden Fehler eigentlich verdient hätten, viel zu wenig vorbereitet vorbereitet wird. wird. Das ganz andere andere Problem, Problem, von dem ich ausging, will ich darüber darüber aber nicht nicht aus den Augen verlieren. verlieren. Man muss während während der kurzen Meldung über über den amerikanischen Senat und das Video sehr viel Wissen aktivieren, wenn man einigermaßen verstehen will,l, um was wil was es es geht. geht. Und das mus musss sehr sehr sch schnel nelll gehen gehen.. Eri Erinne nnern rn Sie sic sich: h: Die Nachrichten Nachri chten wurden wurden nicht gerade langsam gelesen. gelesen. Außer Außerdem: dem: In Nachrichten Nachrichten wird ohne Übergang von einem einem zum anderen anderen gesprungen. Dass man dabei dabei manches während des Hörens Hörens liegen lässt, kommt immer wieder vor vor,, will heißen: man versteht nicht nic ht alles alles,, was man man hört, hört, in jeder jeder Einz Einzelh elheit eit,, und das das muss muss man man ja auch auch nicht. nicht. Allerdings kommt kommt es auf gewisse Einzelheiten durchaus durchaus an, und man braucht schon einige Übung, um die wichtigen von den unwichtigen unterscheiden unterscheiden zu können.
4.3.4 Die Presses Pressestimmen timmen Wir haben gerade von von dem Redakteur gehandelt, der die Nachrichten geschrieben geschrieben hat. Ke Kein in Nachrichtensprecher setzt sich sich vor das Mikrophon Mikrophon und erzählt aus dem hohlen Bauch, was er weiß. weiß. Er hat einen schriftlichen Text vor sich, allerdings einen einen schriftlich fixierten Text, der für das Ohr geschrieben ist, für das Ohr des Hörers vor dem Radio. Der Adressat des letzten letzten Teils unseres Hörtextes ist ist hingegen kein Hörer,, sondern der Hörer der Leser einer Zeitung. Zeitung. Machen wir wiederum eine eine Analyse der der Satzstruktur. Werten Sie S ie bitte die Kommentare Kommenta re der Tagespresse aus. a us. Tragen Sie Si e in die unten stehende Tabelle ein, wie häufig jeweils die verschiedenen verschiedenen Satzformen in den zitierten zitie rten Auss Ausschnit chnitten ten vorkom vorkommen. men. Die einleitend einleitenden en Bemerkungen Bemerkungen und die die Eröffnung vernachlässigen Sie bitte. einstufig
zweistufig
dreistufig
vier- und mehrstufig
Pressestimmen
(Lösungsteil) Haben Sie einen wesentlichen Unterschied zu den vorangegangenen Nachrichten festgestellt? Immerhin sind die einen zum Hören geschrieben,die geschrieben, die anderen zum Lesen. Ein nennenswerter Unterschied ist dennoch nicht festzustellen. Wenn Sie darüber
AUFGABE 20
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Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
erstaunt sind, bedenken Sie, dass wir es hier mit Texten aus Zeitungen zu tun haben und – um einen komplex komplexen en Sachverhalt zu verallgemeinern: verallgemeinern: Die Sprache der Tageszeitungen gleicht sich immer mehr der gesprochenen gesprochenen Sprache an. Sie wird strukturell einfacher mit der Tendenz zur Einstufigkeit. Einstufigkeit. Bei der Auswahl von von Hörverstehenstexten für den Fremdsprachenunterricht sollte man das nicht vergessen:W vergessen: Wenn man schon auf keine keine Kassetten zurückgreifen zurückgreifen kann, dürfte man in Zeitungen am ehesten fündig werden. werden. Lesen freilich muss muss man die dort gefundenen Texte dann selbst – damit werden wir uns im Buch über den mündlichen Ausdruck beschäftigen, zumal ja auch Ihre Schüler Schüler laut lesen lernen lernen sollten.
4.3 Zusammenfassung Überblicken wir nun unsere Beobachtungen und Überlegungen und fassen zusammen. AUFGABE 21
a) Was sind freundliche Hörtexte? Ich erwarte hier keine endgültige Definition; viel besser besser wäre wäre es, es, wenn Sie Ihre Ihre Erwartungen Erwartungen,, die Sie Sie an einen einen Hörtext Hörtext richten, richt en, artikul artikulier ieren. en.
b) Beschreiben Sie Vor- und Nachteile des Einsatzes von Hörkassetten gegenüber Videokassetten im Hörverstehensunterr Hörverstehensunterricht. icht.
4.4 Zusammenfassung
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c) Wie stehen Sie zu kurzen und langen Sätzen in Hörtexten?
d) Wie sollte man Ihrer Meinung nach mit grammatikalischen und lexikalischen Schwierigkeiten in Hörtexten umgehen? Soll man sie in jedem Fall vermeiden, wenn sie über dem sprachlichen Niveau der Schüler liegen?
e) Charakterisieren Sie die Bedeutung des Hörerbezugs in Hörtexten.
(Lösungsteil)
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Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben Aufgabe 1: a) Hierbei handelt es sich um einen recht beliebig gewählten Ausschnitt aus einem längeren Gespräch über zu ändernde Änderungsverordnungen. Sehr deutlich gesprochen, insofern freundlich, verständlich ist der Text jedoch nicht, Sie haben deutlich gehört, warum: wegen der vielen „änder...“-Wortformen. b) Zweifellos ein freundlicher Text, gut verständlich, eine recht einfache und nachvollziehbare Syntax, und die Wörter sollten auch nicht allzu schwer, die genannten Namen bekannt sein. Insofern gibt es kein Problem. Allerdings ist dieser Text auf ganz anderer Ebene ein wenig unfreundlich, insofern die Fortsetzung überhaupt nichts mit der ehemaligen Sowjetunion zu tun hat. c) Ganz entsetzlich unfreundlich und doch sehr komisch. Eine Regierung, die unter dem Sparzwang dazu übergeht, Buchstaben zu streichen – das ist ein netter Einfall. An dem Gelächter hören Sie, dass das Publikum keineswegs verärgert ist; es geht nicht darum, dass dieser Text wörtlich verständlich ist, sondern dass er sich witzig anhört. Die Kategorie der Freundlichkeit versagt hier insofern, als das Ziel – innerhalb des gesamten Textes – eben nicht die Verständlichkeit ist, sondern die Parodie. d) Dieser Text ist wiederum sehr verständlich, kein Wort entgeht dem Hörer, aber wie steht er am Ende dieses Ausschnittes da? Wahrscheinlich kann man sich die Fortsetzung denken (nicht die Zigarrenspitze, sondern das Messer fliegt aus dem Fenster – und was passiert dann?). Beurteilt man diesen Textausschnitt als freundlich, dann akzeptiert man, dass es bei „Freundlichkeit“ allein um wörtliches Verständnis geht – und das hat durchaus Vorteile. Nehme ich einen Textausschnitt, der falsche Erwartungen weckt (wie in Text b), muss ich mir eher den Vorwurf gefallen lassen, ich sei unfreundlich – es sei denn, es liegt mir an dem offenem Ende und ich will die Phantasie meiner Zuhörer aktivieren. e) Unter dem Aspekt der einfachen Verständlichkeit ein sehr unfreundlicher Text. Heinz Erhardt spielt hier mit Doppeldeutigkeit, mit Verdrehern („grad halb acht – acht 'n halb Grad“), Doppeldeutigkeiten („Brillen“), Homonymen („V(W)illen“) und so weiter. (freundliche und unfreundliche Texte ...
Aufgabe 2: Ganz schafft man es wohl nicht, sich vom mündlichen Text zu lösen. Ich habe die
Anhang
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Umformung mehrmals überarbeitet; alle Mündlichkeitssignale konnte ich dennoch nicht tilgen. Das Problem dieser Aufgabe haben Sie sicherlich auch erkannt: „Sportreportage“ ist eine mündliche Textsorte, die in „Echtzeit“ funktioniert, das heißt: es wird das berichtet, was aktuell geschieht. Dies aber ist in schriftlichen Texten schlechterdings unmöglich, es sei denn, es soll – in einem narrativen Text – die Gegenwärtigkeit des Ereignisses suggeriert werden. Hansa Rostock kommt mit Fuchs über die rechte Seite, der seit wenigen Sekunden frisch im Spiel ist. Er versucht sich durchzusetzen, schlägt einen Querpass in die Mitte, auf den eingewechselten ..., der heute sein erstes Bundesligaspiel macht. Lehmann zeigt eine Unsicherheit, aber das Spiel ist abgepfiffen, der Treffer von Timo Lange zählt nicht, aber der Kapitän holt sich noch eine gelbe Karte ab, da bin ich mir ziemlich sicher, oh, das ist sogar die rote Karte gegen Timo Lange; der ließ sich gegen Jens Lehmann nämlich noch spektakulär fallen. Was passiert jetzt? Gelb? Gelbe Karte gegen Lange, der nach meinen Aufzeichnungen schon gelb hatte, und Jens Lehmann hat die rote Karte bekommen, obwohl das doch gar nichts war. Er hat ihm nur die Hand auf den Kopf gelegt. Jetzt wird's sehr interessant: Jens Lehmann geht vom Feld, der Schiedsrichter folgt Timo Lange, denn natürlich bekommt der noch die gelb-rote Karte. Der Kapitän hat im ersten Durchgang schon die gelbe Karte gesehen, da muss der Schiedsrichter ihm jetzt die rote Karte zeigen.Wolfgang de Baer kommt wieder mal zu einem Bundesligaeinsatz, nachdem er anderthalb Jahre warten musste. Er steht auf jeden Fall schon dort unten am Spielfeldrand, und es wird jetzt viel diskutiert. Schiedsrichter Dr. Helmut Fleischer hat alle Hände voll zu tun. Ich sortiere hier erst einmal meine Informationen, zwei zu null, bei dem Stand bleibt es; wer welche Karte bekommen hat, diese Information reiche ich später nach und gebe erst mal weiter nach Nürnberg zu Wolfgang Reichmann.
Aufgabe 3: Dass das Bild helfen würde, ist keine Frage. Darüber hinaus dürfte es aber schon hilfreich sein, die Geräusche deutlicher zu vernehmen. Natürlich unterstützen sich, wenn man das Bild sieht und das zugehörige Geräusch hört, beide einander.Wenn Sie einmal Hörspiele und Filme auf die Deutlichkeit und Dauer ihrer Geräusche vergleichen, werden Sie feststellen, dass Hörspiele – selbstverständlich – viel geräuschintensiver sind als Filme. Andererseits legen Filme gegenüber Büchern und auch Hörspielen die Phantasie fest. „Ein untersetzter Mann mit zusammengekniffenen Augen und einem hämischen Lächeln um die Mundwinkel“ kann ich mir so und so vorstellen; in diese Vorstellungen fließt viel meiner eigenen Erfahrung ein. Im Film sehe ich diesen Mann, und damit ist meine Phantasie abgeblockt. Den daraus sich ergebenden Vorteil von Hörtexten sollte man nicht unterschätzen. Je mehr das Gehörte selbständig koloriert wird, desto besser. Sich über die so entstandenen
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Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
Bilder zu unterhalten, dürfte ein sehr interessanter Beitrag zum Unterricht sein, sowohl unter dem Aspekt des Hörverstehens als auch unter dem Aspekt des mündlichen Ausdrucks.
Aufgabe 4: Wenn Sie den Anfang dieses Textes gehört haben, ahnten Sie möglicherweise schon die Fortsetzung. Die Begleitmusik ist ja nicht gerade unbekannt, und sollten Sie James Bond-Fan sein, wussten Sie ohnehin, um was es geht. Stellen Sie sich aber nun einmal diese Szene ohne Begleitgeräusche vor. Lesen Sie nur den Text im Anhang.Würden Sie darauf kommen, was hier passiert? – Nun drehen wir die Frage um: Stellen Sie sich jetzt die Szene ohne Text vor oder wegen mir in einer japanischen Fassung, Sie verstehen kein Wort und können eventuell doch recht genau bestimmen, was geschieht. Oder nicht? Lasse ich mich bei dieser Annahme zu sehr von meinem Vorwissen täuschen? Immerhin ist dies grundsätzlich zu bedenken: Bei der Vorbereitung lernt man einen Text häufig so gut kennen, dass man nicht mehr ohne weiteres in der Lage ist, sich vor sein eigenes erstes Hören zurückzuversetzen, was dazu führen kann, dass man seine Schüler überfordert.
Aufgabe 5: In der rechten Spalte finden Sie die Untertitel der Sendungen, die Ihre Erwartungshaltung sicherlich bestätigt oder aber korrigiert. 17.05 SWR2 Forum Viel Wahrheit – wenig Versöhnung
Parteien in Südafrika wehren sich gegen die Erkenntnisse der Wahrheitskommission
21.00 RadioART „Gönnt jedermann die Wahrheit
Jan Hus und das 15. Jahrhundert
23.00 SWR2 vor Mitternacht „Ich war doch mal berühmt, ich war sogar berüchtigt“
Ein Porträt des Kabarettisten Wolfgang Neuss
10.05 SWR2 Eckpunkt AGENDA 21
Wie kleine Orte internationale Umweltpolitik machen
23.00 Einsteins Gehirn
Funkerzählung von Andreas WeberSchäfer
10.05 SWR2 Eckpunkt Yasar Kemal – der einäugige
Ein Porträt des Friedenspreisträgers des deutschen Buchhandels 1997
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23.00 Die Welt will betrogen sein
Die Geschichte des Apothekers Johann Caspar Schleicher aus Wengen
21.00 Anwälte des Todes
Der Hexenwahn und seine Erforschung
21.00 Der Freiherr auf dem Laufrad
Das tragische Leben des badischen Erfinders Karl Friedrich Drais
10.05 Profile Die Zerbrechlichkeit des Glücks
Wilhelm Heinses Roman „Ardinghello“
Aufgabe 6: Petra versteht meine Aussage als reine Feststellung, für sie erschöpft sich das, was ich sage, in der Darstellungsfunktion , es ist „Symbol kraft seiner Zuordnung zu Gegenständen und Sachverhalten“; ich war wohl sehr nüchtern und sachlich. Klaus gegenüber habe ich mich wohl zu gelangweilt geäußert; er ist der Meinung, dass er aus meiner Intonation Rückschlüsse auf mein augenblickliches Befinden ziehen kann, seine Antwort lässt darauf schließen, dass für ihn die Ausdrucksfunktion im Vordergrund steht; was ich sage, ist für ihn „Symptom kraft seiner Abhängigkeit vom Sender“. Andrea bezieht meine Äußerung auf sich selbst als Hörerin und interpretiert sie als „Signal“; unterstützt wird dieses Verständnis auf die Appellfunktion hin durch die Begeisterung in meiner Stimme. Wie der Streit um Claudias Urlaubskarte an Renate vermuten lässt, ergibt sich das Verständnis nicht nur aus der Art und Weise, wie etwas geäußert wird, sondern auch aus der Befindlichkeit des Hörers, aus dessen Vorverständnis, dessen Einschätzung des Sprechers, der Situation und jeder Menge weiterer Faktoren.
Aufgabe 8 ñ
ñ
ñ
ñ
ñ
ein „Gartenstuhl“ ist ein Stuhl, wie er üblicherweise in einem Garten steht und wie man ihn üblicherweise im Garten als Sitzmöbel verwendet; ein „Holzstuhl“ ist ein Stuhl aus Holz; ein „Stahlrohrstuhl“ ist ein Stuhl, der unter anderem aus Stahlrohr gefertigt ist (wäre er nur aus Stahlrohr, könnte man es sich kaum auf ihm bequem machen); ein „Kinderstuhl“ ist ein Stuhl für Kinder; ein „Beichtstuhl“ ist ein kleines Gehäuse, in dem ein Katholik einem Priester seine Sünden bekennt
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Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
ñ
ein „Schaukelstuhl“ ist ein Stuhl, mit dem man schaukeln kann;
ñ
ein „Designerstuhl“ ist ein Stuhl, der von einem Designer entworfen wurde;
ñ
ein „Lehrstuhl“ ist die Bezeichnung für eine Professur an einer Universität;
ñ
der „Stuhlgang“ hat nichts mit irgendeinem der bisherigen Stühle zu tun, sondern mit Verdauung.
Aufgabe 9: Ich notiere die Auflösungen kommentarlos. Nicht in allen Fällen ist eine reine Rückverwandlung möglich; natürlich darf nicht vergessen werden, dass der Spaß im Vordergrund steht, dem die Exaktheit der Verwandlungen geopfert wird. Festtrubel – Alpenveilchensträuße – Pralinenschachteln – Johannesbeer(obst)torte – Plumpsklosett – Musikkapelle – Platzkonzert – Violinkonzertstück – Blockflöte – Schifferklavier – Mittagessen – Königsberger Klopse – Grüner Kopfsalat – Kirchenchorgesangsbrüder – Oberhemden – Weinbrandflasche – Kaffeebohnen – Büchsenmilch – Napfkuchen – Bienenstiche – Windbeutel – Allgäuer Leberkäse – Buttermilch – Rheinwein – Schwarzwälder Kirschwasser – Schlafstube – Steppdecke – Nachttopf – Katzenjammer – Rollmöpse – Hilfsschule Noch ein kleiner Tipp: Spielen Sie den Text doch einmal Ihren Schülern vor.Wer diese – und andere – Veralberungen der Sprache als solche versteht, hat ein beachtliches sprachliches Niveau erreicht.
Aufgabe 13: Ich stelle die Wiederaufnahme- und Assozationsfelder zusammen: Arbeit: unblutig rasiert unseren Arbeitsplatz erreichen – Herabsetzung der täglichen Arbeitszeit ... – nicht Russells eigene Arbeitszeit – logischen und mathematischen Grundlagenwerken – ... akademischer Schreibtischtäter – großer Praktiker – Gründer einer Privatschule – Professor – Russell-Tribunal ungelöste Probleme: ganz und gar ungelöste Problem – logischem Problem – KretaParadox – Marterprobleme – Barbier rasiert alle ... – Psychiatrie – hirnrissige Exempel – Lösung unlösbar scheinender logischer Probleme – logischen Vertracktheiten Zeit: Zeit des Zeitworts – morgenfrühe Pointe – nachtfrische Antwort – Morgenzeitung – Hören des Zeitworts – Heute Morgen – nicht vor der Zeit enden in der Psychiatrie – zu hohen Jahren – 2. Februar 1970 – 97-jährig – 1950 – täglichen Arbeitszeit auf vier Stunden – Die vier Stunden freilich waren nicht Russells eigene Arbeitszeit – Jahrhundertleben – Jahrhundertwende – 1916 – 1918 – ein halbes Jahr
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– noch 1964 – der 94-jährige – das Kind von seiner Großmutter Opposition: Kreta-Paradox – Barbier-Paradox – gesund/Psychiatrie – hirnrissige Exempel / ganz gesunder Kopf – für hirnrissige Exempel dieser Art verantwortlich / beizeiten versöhnt – Herabsetzung der täglichen Arbeitszeit auf vier Stunden / nicht Russells eigene Arbeitszeit – akademischer Schreibtischtäter / großer Praktiker – logische Atomist / Hautkontakt mit den Realitäten – Standesdünkel / Aristokrat – durch und durch ein Oppositioneller – puritanisch christlich gemeint / Aufforderung zum Widerstand – das Pathos und die Bewunderung / mitleidlos malträtiert Erkenntnis: Antwort auf das gestern Abend ganz und gar ungelöste Problem – antike Philosophie – Lügt er oder sagt er die Wahrheit? – moderne Philosophie – Lösung unlösbar scheinender logischer Probleme – Lösung für unsere geistigen Frühsportprobleme – Erkenntnistheorie
Aufgabe 14: „Die georgische Heeresstraße“ wird angepriesen offenbar mit einem Originalausschnitt aus der Sendung. Der Mönchsgesang zu Beginn, die Nennung der „Tuari“, der alten Hauptstadt, der Araqui Indicura, das Land – all das ist unbekannt, es deutet auf etwas Kommendes, es ist anaphorisch und weckt so Erwartungen. Erst die allerletzten Worte dieses Programmhinweises lösen einige der Rätsel auf. Die Lösung der anderen ist indirekt für die Sendung angekündigt. Die Ankündigung der nächsten Sendung kokettiert zunächst mit der Unbekanntheit von Paul Robson: Zwei Meinungen über ihn kommen zu Wort, passend wird an der richtigen Stelle eine Schallplattenaufnahme des erwähnten Songs eingeblendet, doch dann ist von Musik keine Rede mehr, stattdessen von Jura, politischem Engagement, Rassismus, von Sozialismus und konkret von der McCarthy-Ära. Ähnlich wie im Zeitwort über Bertrand Russell wird hier die Spannweite von Robsons Leben angedeutet, aber eben nur angedeutet – alles andere in der Sendung! Der dritte Tipp ist der kürzeste; hier wird nicht geworben, sondern das Thema muss für sich selbst stehen. Der Unterschied zu den vorher genannten Sendungen ist evident: Es geht nicht um ein Spezialthema, sondern um aktuelle gesellschaftliche Erscheinung. So etwas steht für sich selbst.
Aufgabe 15: Meine Vorschläge: 1) So alt wie ein Jahrhundert, Philosoph, Mathematiker, Literaturnobelpreisträger, ein streitbarer Pazifist mit dem Hang zum Paradoxen: Bertrand Russell, am 2. Februar vor 29 Jahren gestorben, morgen im Zeitwort um
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sieben vor sieben. – 2) „Es wird zu viel gearbeitet auf der Welt, vier Stunden am Tag genügen.“ Der diese Ansicht äußerte, war kein Gewerkschaftsfunktionär und kein weltfremder Phantast, er scheute keine politische Auseinandersetzung und keine wissenschaftliche, er war Logiker und Mathematiker, Philosoph und politischer Querkopf, in allem getrieben von dem Verlangen nach Liebe, dem Drang nach Erkenntnis und dem Mitgefühl für die Leiden der Menschheit: Bertrand Russell, morgen im Zeitwort, sieben vor sieben.
Aufgabe 16:
Meldungen (42) Korresponden tenberichte (32)
einstufig
zweistufig
dreistufig
vier- und mehrstufig
30 (71,43%)
9 (21,43%)
3 (7,14%)
– (0%)
14 (43,75%)
9 (28,13%)
8 (25%)
1 (3,12%)
Aufgabe 19: DIN A4 ist eine genormte Papiergröße, exakt 210 auf 297 Millimeter. Es gibt kein „griechisches DIN A4“ und das Endlospapier für Computerdrucker hat eine Größe von 210 auf 305 Millimeter (plus Perforationsstreifen an den Längsseiten). Dass beides dennoch mit dem Begriff „DIN A4“ belegt wird, liegt offensichtlich daran, dass „DIN A4“ in gewissen Kontexten auch allgemein für die übliche Papiergröße steht. Genauer: Das „griechische DIN A4“ meint das Papierformat, das in Griechenland offenbar ebenso üblich ist wie die 210x297 mm in Deutschland, und wenn in den Katalogen „DIN A4, Höhe 12 Zoll“ steht, soll das heißen, dass das Computerpapier eben nicht so hoch ist wie DIN A4-Papier, das als fast allgemein gültiger Anhaltspunkt dient. – Ich erzähle die beiden Szenen, um noch einmal deutlich zu machen, dass man sich – auch im Fremdsprachenunterunterricht – nicht immer auf Regeln und Normen verlassen sollte. Bedenken Sie auch, dass Papier nichts anderes als ein fast nur zweidimensionales geduldiges Etwas ist.
Aufgabe 20:
Pressestimmen (45)
einstufig
zweistufig
dreistufig
29 (64,45%)
14 (31,11%)
2 (4,44%)
vier- und mehrstufig
Anhang
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Aufgabe 21: a) Was sind freundliche Hörtexte? Ich erwarte hier keine endgültige Definition; viel besser wäre es, wenn Sie Ihre Erwartungen, die Sie an einen Hörtext richten, artikulieren. – Freundliche Texte zeichnen sich dadurch aus, dass sie dem Hörer das Hören und Verstehen leicht machen. Sie sind deutlich gesprochen, ungestört durch Nebengeräusche, können aber von Begleitgeräuschen gestützt werden. Sie sind nicht zu langweilig und nicht zu komplex, sie lassen dem Hörer Zeit zum Verständnis und kauen doch nicht alles vor. Sie wecken vielmehr Interesse und laden den Hörer zum Mitmachen ein, sind anregend, informativ, unterhaltsam. b) Beschreiben Sie Vor- und Nachteile des Einsatzes von Hörkassetten gegenüber Videokassetten im Hörverstehensunterricht. – Der Nachteil ist einfach zu benennen: Von einer hör- und sichtbaren Szene bleibt auf der Hörkassette nur noch der Text. Im Hörverstehensunterricht kann diese Reduktion jedoch von Vorteil sein: Sie ermöglicht zum einen die Konzentration auf die Sprache, zum anderen jedoch fördert sie die auditive Phantasie. c) Wie stehen Sie zu kurzen und langen Sätzen in Hörtexten? – Zu lang sollten sie nicht sein, aber auch nicht zu kurz. Beides ermüdet den Hörer, und zwar besonders, wenn sie nicht von geschulten Sprechern gesprochen werden. In einem gewissen Rahmen können lange Sätze ebenso Spannung aufbauen wie kurze, die Länge selbst ist nicht das Entscheidende. d) Wie sollte man Ihrer Meinung nach mit grammatikalischen und lexikalischen Schwierigkeiten in Hörtexten umgehen? Soll man sie in jedem Fall vermeiden, wenn sie über dem sprachlichen Niveau der Schüler liegen? – Grammatikalische Phänomene und Wörter, die den Schülern nicht bekannt sind, können einen Text unverständlich machen. Das sollte jedoch nicht zur Folge haben, dass man jeden Text genau auf das aktuelle Niveau der Schüler zurückschneidet. Auch muttersprachliche Texte enthalten ja häufig Wörter und Konstruktionen, die nicht bekannt sind, und solange sich die Fremdheit in Grenzen hält, sind sie dennoch verständlich. e) Charakterisieren Sie die Bedeutung des Hörerbezugs in Hörtexten. – Mehr als der Leser will der Hörer umworben werden; er erwartet, dass ihm Aufmerksamkeit und Verständnis entgegengebracht wird; um es in einem Bild zu sagen: der Hörer will an der Hand genommen werden, und dennoch sollte man ihm nicht das Gefühl vermitteln, dass er nicht selbst laufen kann. Daher sind Hörerbezüge (wenn auch nicht in allen Textgattungen) von kaum zu unterschätzender Bedeutung. Möglichkeiten gibt es viele: Der Hörer kann direkt angesprochen werden, der Sprecher kann sich mit seinen Hörern solidarisieren und sich bemühen, an der Lebenswelt der Hörer anzuknüpfen.
Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
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Quellen Text 1: Karl Bühler: Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Mit einem Geleitwort von Friedrich Kainz, Stuttgart-New York 1982 (Nachdruck der Ausgabe Jena 1934) [UTB 1159], S. 28. Text 3: Mark Twain, Ein Yankee aus Connecticut an Koönig Artus' Hof, Frankfurt/M. 1973 [Fischer 1087], S. 141. Text 5: Microsoft® Encarta® 98 Enzyklopädie: „Russell, Bertrand Arthur William, 3. Earl Russell“, © 1993-1997 Microsoft Corporation.
Nachweis und Abdruck der Hörtexte Aufnahme 4.1: Eva und Thomas: Keine Zigaretten Thomas: Wo sin die Zigaretten? Eva:
We- Was für Zigaretten?
Thomas: Ich hab dir vorher gsagt, du sollsch Zigaretten mitbringen. Eva:
Des hast du mir net gesagt.
Thomas: Doch, des hab i gsagt, drei Mal. Eva:
Wann hast du mir des gesagt, des hab ich nich gehört.
Thomas: Bevor du gangen bisch, hab i gsagt, du sollsch mir Zigaretten bringen, mitbringen, aber 's isch immer 's gleiche. Immer wenn i was zu dir sag, dann machs halt einfach net. Eva:
Ich hab's nich gehört.
Thomas: Natürlich hast's ghört. Du wollt's halt einfach net mitbringen. Eva:
Des stimmt nich. Ich hab's einfach net gehört. Ich weiß nich, wann du mir des gsagt hasch.
Thomas: Des isch immer Eva:
Ich het 'se dir scho mitgebracht.
Thomas: Des isch immer deine Ausrede, dass du sag'sch: Ich hab's einfach nich gehört. Du machst dir's immer leicht. Eva:
Also, ich hab 'se auf jeden Fall nich mitgebracht. Hol dir doch deine Zigaretten selber.
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Thomas: Um des geht's nich, weil wenn ich dir, wenn ich zu dir was sag, du sollsch's machen, dann machsch's es bitte auch. Eva:
Wenn ich's nich gehört hab, dann kann ich's auch net machen.
Thomas: Grad hasch dir aber widersprochen, weil vorher hasch gsagt, dass des gehört hättesch, und jetzt mach'sch auf einmal net. Eva:
Des stimmt nich, ich hab nich gesagt, dass ich's nich gehört hab, ich hab gsagt, ich hab's net mitgebracht, und deswegen holste 'se dir jetzt selber.
Thomas: Isch recht, 's merk i mir.
Aufnahme 4.2: a) aus: Joachim Bartels: Änderungen vorbehalten
1. Herr:
Genau, wir haben jetzt Mittagspause.
2. Herr:
Ja, aber, wir haben noch nicht eine einzige Änderung, geschweige denn die Änderung einer Änderung beschlossen.
1. Herr:
Mein lieber Doktor Stiepel. Nehmen Sie die Ersatzänderung der übergeordneten bindenden Änderungsverordnung in der geänderten Fassung, machen Sie aus dem Punkt in Paragraph 3 Absatz 4 Satz 2 ein Komma und nennen Sie das Ganze die geänderte Ersatzänderung der überordneten bindenden Änderungsverordnung in der geänderten Fassung.
b) Gerhard Kluchert: Immer Ärger mit der Jugend? Ein Glück, daß es die Forschung gibt! SWR2, 06.02.1999, 8.30 Uhr
„Eigentlich wollten wir nur das Beste“, sprach Viktor Tschernomyrdin unlängst in einem Anflug der Selbstkritik, „aber gekommen ist es dann wie immer“. Den Satz wird man sich merken müssen. So wie einst den von Gorbi: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“. c) Sparmaßnahmen (den Autor kenne ich nicht)
(Das dürfen Sie selbst ausknobeln. Den gesamten Text können Sie am Ende dieses Kapitels als Aufnahme ... nachhören) d) Victor Auburtin: Erlebt etwas
Zu diesem Zwecke klappte ich zuerst mein Taschenmesser auf, ein großes Schweizer Armeemesser, dick und schwer, und schnitt die Zigarrenspitze ab. Dann scheint meine Absicht gewesen zu sein, die Zigarrenspitze zum Fenster hinaus zu werfen, aber stattdessen irrte ich mich ...
Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
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e) Heinz Erhardt: Noch ein Gedicht und andere Ungereimtheiten, nach „The World of Humor & Kabarett“, ZYX Music 1997.
Nachdem ich mich he-ute, nee, Moment, heute, heute, heißt das, ja, also nachdem ich mich heute um dieses Mikrophon versammelt habe, ergreife ich außer der Gelegenheit auch noch das Wort, um es an Sie zu richten, richt euch, äh. Also, es war vor etzlichen Jahren, da erblickte ich das elektrische Licht der Welt. Meine Eltern, es waren zwei Stück, also waren sehr reich, mein Vater besonders, der hatte zwei V(W)illen gehabt, einen guten und einen bösen. Er machte Brillen, er war Tischler, er sagte schon immer: „Des Menschen Leben gleicht der Brille: man macht viel durch.“ Nun, also, der Sommer, in dem ich mich gebar, war sehr trocken, er war so trocken, dass die Bäume den Hunden nachliefen. Und der Winter, ganz im Geigentiel, der war also kalt. Es war grad halb acht, es waren acht 'n halb Grad, und ich lag zu Hause rum, nicht, was sollte ich sonst machen? Ich hatte ja schon Beine, aber ich konnte noch nicht laufen. Und ich fror so vor mich hin, denn meine Eltern waren ausgegangen, der Ofen auch. Und, ähm, da beschloss ich dann ein Dichter zu werden, denn alle berühmten Dichter haben ja in ihrer Jugend gefroren.
Aufnahme 4.3: Siehe oben im Text Aufnahme 4.4: Die witzigsten Werbespots der Welt, SAT1, 26. Juni 1999, 19.45 Uhr
1. Herr:
Gesundheit!
2. Herr:
Wieso? Ich ... Hatschi.
1. Herr:
Sie sollen wirklich mit so einer Erkältung in den Regen raus gehen.
2. Herr:
Regen? Was für ein Regen?
1. Herr:
Würden Sie bitte einen Schritt zur Seite gehen?
2. Herr:
ie wissen es.
1. Herr:
Samsung.Wir sind so fortschrittlich, dass das, was für die einen Zukunft ist, für uns schon die Vergangenheit bedeutet.
2. Herr:
Ich hätte getötet werden können. Sie haben mir das Leben gerettet.
1. Herr:
Nein. Heute ist doch Dienstag. Sie sterben nicht an einem Dienstag. Samsung. Für uns ist es schon morgen.
Anhang
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Aufnahme 4.5: James Bond – Man lebt nur zweimal; ORF 27. Juni 1999, 16.05 Uhr
1. Herr:
Tanaka, Sie können mich auf 410 MHz empfangen.
2. Herr:
Viel Glück, Bondsan.
1. Herr:
Wenn ich mich über der Insel befinde, melde ich mich bei Ihnen.
2. Herr:
Okay.
Dame:
Sei vorsichtig, Bondsan.
1. Herr:
Ich bin über der Insel. Unter mir ist ein Fischerdorf. Bis jetzt nichts Besonderes. – Hier gibt's 'ne Menge Vulkane. Sonst ist die Gegend ziemlich trübe. – Hallo, ich bin wieder da. Nelly wurde von vier ausgewachsenen Luftlümmeln belästigt, aber wir haben uns wacker gehalten. Sie hat ihre Ehre mit großem Erfolg verteidigt. Ich komm jetzt zum Tee.
2. Herr:
Bleiben Sie oben. Gehen Sie auf Kurs vier sechs Grad und erwarten Sie weitere Instruktionen.Wir sehen uns morgen. Ende.
1. Herr:
Verstanden. Ende.
Aufnahme 4.6: Siehe Kapitel 2, Aufnahme2. 2 und Kapitel 3, Aufnahme 3.4.
Aufnahme 4.7: aus: Alfred Hitchcock: Der Mann, der zuviel wusste (The Man Who Knew Too Much), USA 1956. Monsieur McKenna – ich bin Louis Bernard. Ein Mann – ein Staatsmann – soll getötet werden – ermordet – in London – bald – sehr bald – sagen Sie ihnen – in London – Ambrose Chappell.
Aufnahme 4.8: Der Freiburger SC verlor am vergangenen Wochenende nach hartem Kampf das mit Spannung erwartete Spiel gegen den Hamburger SV, der ebenfalls um den Klassenerhalt bangt. Der Freiburger SC hat am vergangenen Wochenende das mit Spannung erwartete Spiel gegen den Hamburger SV, der ebenfalls um den Klassenerhalt bangt, nach hartem Kampf gewonnen.
Aufnahme 4.9: Siehe oben im Text.
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Kapitel 4: Freundliche und unfreundliche Texte
Aufnahme 4.10: Udo Lemizev: Der Tag des Namens meines Vaters Zum Abschluss hab ich noch eine Geschichte für Sie, die mir widerfahren ist, könnte man fast sagen. Es kam ziemlich oft neulich ein Bekannter zu mir. Der hat einen schulpflichtigen Sohn, und er hielt da so einen Zettel in der Hand und sagte: „Mensch, Udo, sag mal, du schreibst doch ne Menge und du kennst dich doch aus in der deutschen Sprache, kannste, mein Sohn der muss en Aufsatz schreiben, ich blick da überhaupt nicht durch, kannste helfen?“ „Klar“, sag ich, „komm rüber mit dem Zeug.“ Soll ich noch gesagt haben. Ich hab ihn jetzt dabei, ich les ihn mal vor. Allein der der der der Titel ist schon so seltsam: es heißt „der Tag des Namens meines Vaters“. Ich nehme an, der Kleine meint wohl den Namenstag seines Vaters, nich, hat wohl etwas Schwierigkeiten mit dem zweiten Fall. Also, schau mer jetzt mal: in der vorigen Woche wurde bei uns der Tag des Namens meines Vaters gefeiert. Schon früh am Morgen des Sonntages am Tage des Namens meines Vaters begann der Trubel des Festes. Die Kinder der Nachbarn brachten Sträuße der Veilchen der Alpen und der Mutter Schachteln der Pralinen. Die Kinder bekamen Torte des Obstes der Beeren des Johannes. Die Folge war, dass sie unser Klosett des Plumpses eifrig benutzten. Da die Kapelle der Musik verhindert war, konnte das Konzert des Platzes nicht stattfinden. Dafür trug meine Schwester ein Stück des Konzertes der Violinen auf der Flöte des Blockes vor und mein Bruder begleitete sie auf dem Klavier des Schiffes. Zum Essen des Mittags am Tage des Namens meines Vaters gab es Suppe des Fleisches des Rindes, Braten des Schweines, Klopse der Königsberger und Salate des Kopfes des Grünen. Am Nachmittag des Tages am Tage des Namens meines Vaters,des Sohnes und h – halt nee nee da kommt man da kommt man so unweigerlich rein, nee es ist wahnsinnig. Ich beginne nochmals. Am Nachmittag des Tages am Tage des Namens meines Vaters kamen die Brüder des Gesanges des Chores der Kirche und des Kegelns zu uns. Mein Vater bekam zum Tage des Namens Hemden des Obers und eine Flasche Wein des Brandes.Mutter lud zum Bleiben ein. Es gab Kaffee der Bohnen und Milch der Büchse. Dazu aßen wir Kuchen des Napfes und Torte der Creme der Butter.Weiter tischte Mutter Stiche der Bienen, Winde des Beutels, Köpfe der Mohren und Küsse der Neger auf. Beim Essen des Abends gab es Salat der Kartoffeln, Gehacktes des Rindes, Eier der Russen – na he, na so was – und Leber des Käses der Allgäuer.Wir Kinder tranken Milch der Butter.Die Erwachsenen tranken Wein des Rheines und Wasser der Kirschen der Wälder des Schwarzen. Dann mussten wir in die Stube des Schlafes und deckten uns mit der Decke der Steppe zu. Ja. Der Halter des Stammes musste noch auf den Topf der Nacht. Am anderen Morgen weckte uns der Hahn auf dem Haufen des Mistes. Mein Vater hatte den Jammer der Katze und das Brummen des Kopfes. Er aß Möpse der Rolle. Im Halse hatte er das Brennen des Sodes. Er nahm Tabletten des Spaltes und verschwand im Zimmer des Bades. Dann ging er zur Stelle der Arbeit und wir Kinder zur Schule der Hilfe.
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Aufnahme 4.11: SWR 2, 2. Februar 1999 Zeitwort Heute: der 2. 2. 1970 – Bertrand Russell gestorben Die Zeit des Zeitworts ist die Zeit des Frühstücks oder der Gymnastik, je nachdem, aber wo bleibt denn da die geistige Gymnastik, die erste logische Dehnübung, der erste intellektuelle Streckversuch, wo die morgenfrühe Pointe und die noch nachtfrische Antwort auf das gestern Abend ganz und gar ungelöste Problem? Soll das alles sich etwa in der Lektüre der Morgenzeitung oder dem Hören eines Zeitworts erschöpfen? Heute Morgen schaffen wir Abhilfe, und zwar mit einem logischen Problem, das uns immer schon zur Weißglut getrieben hat – auf nüchternen Magen ist es genau das richtige. In der antiken Philosophie ist es als das KretaParadox bekannt. Aller Kreter lügen – sagt ein Kreter. Lügt er oder sagt er die Wahrheit? Und was ist mit seinem Satz, wenn er das eine oder das andere tut? Die moderne Philosophie ist uns ihre Marterprobleme ebenso wenig schuldig geblieben, etwa von der Art: ein Barbier rasiert alle, die sich nicht selber rasieren. Rasiert er unter dieser Voraussetzung sich selber oder nicht? Nun lassen wir das. Schließlich wollen wir noch geistig gesund und unblutig rasiert unseren Arbeitsplatz erreichen und nicht vor der Zeit enden in der Psychiatrie, obwohl, obwohl wir einräumen müssen, dass der Philosoph, der für hirnrissige Exempel dieser Art verantwortlich ist, eigentlich ein ganz gesunder Kopf war und es zu hohen Jahren gebracht hat. Am 2. Februar 1970 ist er 97-jährig gestorben, er, der dritte Earl of Russell mit dem Vornamen Bertrand, 1950 Nobelpreisträger für Literatur. Allerdings hat er uns auch beizeiten versöhnt, als er die Herabsetzung der täglichen Arbeitszeit auf vier Stunden propagierte und uns auch die triftige Begründung nicht vorenthielt: (Zitat) „Ich glaube nämlich, dass in der Welt zu viel gearbeitet wird.“ (Zitatende) Unter dieser Voraussetzung hätten auch wir gewiss noch Kapazitäten für die Lösung unlösbar scheinender logischer Probleme frei. Die vier Stunden freilich waren nicht Russells eigene Arbeitszeit. Für was nicht alles hat er in seinem Jahrhundertleben Kraft und Zeit gefunden, dessen Vitalität und Wandlungsfähigkeit die eines Künstlers vom Schlage Picassos, dessen Weite und Engagiertheit die eines Genies und Temperaments vom Schlage Einsteins war. Russell hat mit seinen nach der Jahrhundertwende entstandenen logischen und mathematischen Grundlagenwerken die moderne Logik revolutioniert und auch eine Lösung für unsere geistigen Frühsportprobleme gefunden, die wir hier indessen tunlichst verschweigen. Die Erkenntnistheorie, die Sprachphilosophie, die Ethik verdanken ihm bedeutende Beiträge. Doch er war alles andere als bloß ein akademischer Schreibtischtäter.Von der Sozialphilosophie bis zu Erziehungsfragen, von der Ehe bis zur Moral, vom Glück bis zur Sexualität, von der Religion bis zum Sozialismus hat ihn kaum ein Thema unberührt gelassen. Zugleich
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war er ein großer Praktiker. Gleich ob als Gründer einer Privatschule oder in seinen diversen Ehen – insgesamt vier an der Zahl –, als renitenter Professor oder im politischen Kampf hat dieser logische Atomist den Hautkontakt mit den Realitäten gesucht. Und welchen Standesdünkel hätte dieser Aristokrat nicht gekränkt, in welches politische Wespennest hätte er nicht gestochen? 1916 ist er wegen seines Pazifismus unters Berufsverbot gefallen, wegen seines Aufrufs zur Kriegsdienstverweigerung saß er 1918 gar für ein halbes Jahr im Gefängnis ein. Noch 1964 hat der 94-jährige gegen den Vietnam-Krieg das Russell-Tribunal initiiert. In seinem geistigen und politischen Temperament war er durch und durch ein Oppositioneller. Auf dem Vorsatzblatt der Bibel, die das Kind von seiner Großmutter geschenkt bekommen hatte, stand der Satz: „du sollst der Menge nicht folgen zum Bösen.“ Das war eher puritanisch christlich gemeint gewesen, Russell hat es indes stets als Aufforderung zum Widerstand interpretiert. Fragt man sich aber, woher er die Kraft für sein überbordend reiches und renitentes Leben gefunden hat, so ist die Antwort in den Eingangssätzen seiner Autobiographie zu finden: Nicht in einem Glauben und nicht im Denken, sondern der Leidenschaft. „Wofür ich gelebt habe:drei einfache doch übermächtige Leidenschaften haben mein Leben bestimmt: das Verlangen nach Liebe, der Drang nach Erkenntnis und ein unerträgliches Mitgefühl für die Leiden der Menschheit.“ (Zitatende) Bevor uns nun aber vollends das Pathos und die Bewunderung überkommen, erinnern wir uns, dass dieser Menschenfreund uns auch mit den eingangs bemühten logischen Vertracktheiten mitleidlos malträtiert hat. Sie hörten das Zeitwort von Ludger Lütkehaus. Morgen im Zeitwort: Der 3.2.1722 – Georg Philipp Telemann klagt Urheberrechte ein.
Kulturtips: 8 Uhr 30 SWR2 Wissen. Orthodoxe Mönche beim Gebet in der Tuari, der Kreuzkirche. Den schönsten Blick auf die alte Hauptstadt hat man von dieser Kirche aus, auf eine Anhöhe direkt über der Mündung des aus dem Norden kommenden Araqui Indiqura, den größten Fluss des Landes.Vom Leben in einem vergessenen Land zwischen Europa und Asien erzählt Elenor Krogmann in „Die georgische Heeresstraße“. SWR2 Wissen heute 8 Uhr 30 bis 9 Uhr. 14 Uhr 5: Dschungel. Paul Robson? Da fällt mir wirklich nichts ein. Nein, ich weiß leider nichts zu Paul Robson. Oh, da fällt mir ne Menge ein. Ich weiß, dass es hier in Berlin ein Archiv gibt, wo man ganz viel über ihn erfahren kann und auch hören kann. Ich habe selber Platten von ihm, ja, und hör ihn, wenn ich mich entspannen will, sehr gern, Old men river zum Beispiel. Bis 1943 machte er eine steile Karriere: Paul Robson, Sohn eines entlaufenden Sklaven und studierter Jurist. Dann wurde ihm sein Engagement gegen Rassismus und für die sozialistischen Staaten zum Verhängnis. Eine Stimme, in der dunkle Glocken klingen. Paul Robson war ein Opfer der McCarthyÄra – heute in Dschungel, 14 Uhr 5 bis 15 Uhr.
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SWR2 Forum, 17 Uhr 5: „Ist die Ehe kein weltlich Ding mehr?“ Immer mehr Menschen heiraten, lassen sich aber enttäuscht wieder scheiden.Das Thema in SWR2 Forum, 17 Uhr 5 bis 17 Uhr 50.
SWR2 Aktuell Es ist 7 Uhr. Am Mikrophon Thomas Ihm. Die Warnstreiks in der Metallindustrie gehen weiter. – Der Senat beschäftigt sich heute mit Monica Lewinskys Aussage auf Video. – Arafat und Clinton sprechen über die palästinensische Staatsgründung. – In den Pressestimmen: Einhundert Tage RotGrün und die Diskussion um den Atomausstieg. Das Wetter: Es wird wieder milder. Heute ist es bedeckt, gelegentlich Sprühregen, in Baden-Württemberg Glättebildung, im Schwarzwald Schnee. Die Temperaturen steigen auf bis zu 6 Grad. In der Nacht bleibt es nasskalt. Die weiteren Aussichten: Es wird weiter wärmer, bei Wolken und Regen. Hamburg: IG-Metall-Chef Zwickel hält einen Streik im Metall-Tarif-Streit für wahrscheinlich. Er sagte der Bildzeitung, die Beschäftigten hätten kein Verständnis für einen endlosen Verhandlungsmarathon. Entweder läge bis elften Februar ein vernünftiges Angebot der Arbeitgeber vor oder es gäbe dann in der Metallindustrie Urabstimmung und Streik. – Daniel Hechler. Zehntausende Beschäftigte in 200 Betrieben hat die Gewerkschaft zu Warnstreiks aufgerufen. Auch in zehn anderen Bundesländern wollen die Metaller mit Arbeitsniederlegungen weiter Druck auf die Arbeitgeber machen. In Darmstadt beginnt die dritte Verhandlungsrunde für die Metall- und Elektroindustrie von Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Im Südwesten wollen die Arbeitgeber morgen ein neues Angebot vorlegen. Die Gewerkschaften fordern für die bundesweit rund dreieinhalb Millionen Metaller 6,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt. Das Angebot der Arbeitgeber steht bislang bei zwei Prozent und einer gewinnabhängigen Einmalzahlung von 0,5 Prozent. In Bonn gehen heute die Tarifverhandlungen für die etwa 270000 Beschäftigten bei Post, Postbank und Telekom los. Die deutsche Postgewerkschaft fordert eine Erhöhung des Einkommens um 5,5 Prozent und die Anhebung des Urlaubsgeldes auf einheitlich 800 Mark. Außerdem will die Gewerkschaft erreichen, dass Post und Telekom alle Auszubildenden unbefristet übernehmen und die Beschäftigten am Erfolg der Unternehmen beteiligen. Köln – Der Tarifkonflikt in der Metallindustrie gefährdet nach Ansicht des Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages Stihl das Bündnis für Arbeit. Sollte die IG Metall einen Streik vom Zaun brechen, werde das Treffen möglicherweise nicht
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stattfinden, sagte Stihl der Zeitung „Express“. Er warf der Gewerkschaft vor, sie setze sich mit ihrer 6,5 Prozent-Forderung über die Interessen der Arbeitslosen hinweg. IG Metall Vize-chef Peters erklärte dagegen, die Tarifauseinandersetzung und das Bündnis für Arbeit seien zwei verschiedene Dinge. Die Forderung nach deutlichen Lohnerhöhungen sei unabhängig vom Bündnis für Arbeit. Belgrad – Die Regierung von Jugoslawien hat eine Sondersitzung des Weltsicherheitsrats verlangt.Sie erwartet, dass der Rat Luftangriffe der NATO wegen des Kosovo-Konflikts verhindert. Jugoslawien sieht in der Drohung der NATO einen Verstoß gegen die Uno-Grundsätze. NATO-Generalsekretär Solana hatte erklärt, dass ein Militäreinsatz ohne weitere Warnung möglich sei, falls die Konfliktgegner nicht bis zum Samstag mit Friedensverhandlungen beginnen. Inzwischen hat UNOGeneralsekretär Annan in einem Bericht an den Weltsicherheitsrat die jugoslawische Regierung und die Kosovo-Albaner dringend aufgefordert, ohne Vorbedingungen zu verhandeln. Washington – Die Senatoren der Vereinigten Staaten von Amerika werden sich heute um 14 Uhr mitteleuropäischer Zeit ein Video anschauen, in dem es um Lügen und Sex geht. Die ehemalige Praktikantin des Weißen Hauses Monica Lewinsky berichtet dort ein weiteres Mal über ihre Affäre mit US-Präsident Clinton. Clemens Derenkotte. Geschäftsmäßig, professionell, sachlich, mitunter sogar humorvoll – so sei die sechsstündige Vernehmung von Monica Lewinsky in der Präsidentensuite des Mayflower-Hotels in Washington verlaufen. Die 25-Jährige habe keine politische Bombe platzen lassen, hieß es anschließend aus Teilnehmerkreisen. Sie habe sich strikt an ihre bisherigen Aussagen gehalten und die Anklagevertreter höflich angehalten, präziser zu fragen. Sehr deutlich habe man Monica Lewinsky anmerken können, dass sie bemüht gewesen sei, dem Präsidenten mit keinem Wort zu schaden. Der republikanische Abgeordnete Ed Briand, der die Ex-Praktikantin vernommen hat, trat mit der kurzen, einsilbigen Erklärung vor die Mikrophone, dass er mit den eidesstattlichen Aussagen der jungen Frau zufrieden sei. „I think everyone must pleased with the – with the deposition.There were a number of parts ... Das halbe Dutzend US-Senatoren, das sich im Verlauf der gestrigen Vernehmung in der Rolle des Schiedsrichters abwechselte, verkündete auch nicht grade eloquenter, dass sich die übrigen 94 Senatoren das Lewinsky-Video ab 8 Uhr morgens anschauen dürften. „The deposition-video will be available for senators to begin reviewing at eight o'clock tomorrow morning.“ Für die einzige Überraschung sorgten dem Vernehmen nach die Clinton-Anwälte, die zum ersten Mal die Gelegenheit hatten, die ExPraktikantin direkt zu den Vorwürfen des Meineids und der Justizbehinderung zu befragen. Entgegen ihrer vorherigen oft in der Öffentlichkeit wiederholten Ankündigung richteten sie keine einzige Frage an die junge Frau. Stattdessen verlasen die Clinton-Vertreter eine kurze schriftliche Erklärung, in der sie sich im Auftrag des
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Präsidenten für den Ärger entschuldigten, den das Impeachment-Verfahren der 25 Jährigen bereitet habe. Diese wohlkalkulierte Zerknirschungsgeste Clintons diente offenkundig dem Zweck, der bis heute Präsidenten fixierten Lewinsky zu signalisieren,dass ihr der große mächtige Mann im Weißen Haus immer noch zugetan sei. Lewinsky verlässt heute wieder Washington in Richtung Los Angeles und macht die politische Bühne frei für den wohl letzten Aufzug der Clinton-Affäre. Heute und morgen werden jeweils ein Zeuge vernommen, am Donnerstag entscheiden die Senatoren, ob die Video-Aufzeichnung der Lewinsky-Affäre veröffentlicht werden soll, danach erhalten beide Prozess-Seiten die Gelegenheit für ihre AbschlussPlädoyers und dann schließlich am Freitag, den 12. Februar dürften die Senatoren bei ihrer abschließenden Abstimmung feststellen, dass es keine Zweidrittel-Mehrheit für die Amtsenthebung Clintons gibt. Washington – Führende palästinensische Politiker haben zu erkennen gegeben, dass der eigene Palästinenserstaat wohl doch nicht am erst – am vierten Mai ausgerufen wird. Grund hierfür ist die ablehnende Haltung Israels. Eine Staatsgründung würde dem Friedensprozess weiteren Schaden zufügen. Die USA hatten die palästinensische Seite deshalb vor einseitigen Schritten gewarnt. Heute ist Palästinenser-Präsident Arafat zu Gast in Washington. – Hans Czech. Der Besuch in den USA ist ein wichtiger Schritt im Bemühen Arafats, Stimmung für die Palästinenser zu machen und noch mehr internationale Unterstützung gegenüber Israel zu gewinnen. Konkret geht es um das im Oktober geschlossene NahostAbkommen von Wai, das laut Zeitplan am letzten Wochenende hätte vollzogen sein sollen, das aber bisher nur zu einem Drittel umgesetzt wurde. Der Friedensprozess liegt auf Eis. Israel leistet sich seit Bekanntgabe des Wahldatums um Weihnachten rund fünf Monate inoffiziellen und offiziellen Wahlkampf, und in dieser Zeit geschieht im Friedensprozess nichts, auch Arafat muss das hinnehmen. Geschickt nutzt er aber diese Periode, um sich für die Zeit nach der Israel-Wahl eine günstige Ausgangsposition zu verschaffen.Er wirbt für den Palästinenserstaat und er droht mit diesem Staat. Der 4. Mai ist das magische Datum, da sind die fünf Jahre vorbei, die in den Oslo-Verträgen vorgesehen sind, um das Verhältnis zwischen Israel und den Palästinensern endgültig zu regeln. Danach, so Arafat, sind die Palästinenser frei, ihren Staat auszurufen, ob Israel zustimmt oder nicht. Die israelische Regierung droht damit, sie könnte dann die noch israelisch besetzten Gebiete des West-Jordanlandes annektieren, in jedem Fall: der Friedensprozess wäre zu Ende, wenn der übrigens kaum lebensfähige Palästinenserstaat am 4. Mai ausgerufen würde, und die Konfrontation könnte dann sehr leicht in Gewalt enden. Man darf annehmen, dass Arafat den Staat am 4. Mai nicht ausrufen wird, schon deshalb nicht, weil er damit die israelischen Wahlen knapp zwei Wochen später entscheiden würde, nämlich zugunsten Netanjahus und der Rechten. Aber den Verzicht will Arafat sich bezahlen lassen, wenn die Wahl in Israel vorbei ist, dann möchte er internationalen, vor allem
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amerikanischen Druck auf die neue israelische Regierung, damit erstens das Abkommen von Wai mit dem weiteren Truppenabzug schnell umgesetzt wird und damit zweitens in den so genannten Endverhandlungen ganz klar die Weichen für den Palästinenserstaat gestellt werden, auf den Arafat dann nicht mehr noch einmal fünf Jahre warten will. Bonn – Die PDS hat anscheinend SPD und Grünen angeboten, mit einem eigenen Gesetzentwurf beim Atomausstieg zu helfen. Wenn dann der Bundestag das Verbot der Wiederaufbereitung von Atommüll beschließe, sei die Regierung nicht verantwortlich zu machen und damit nicht schadensersatzpflichtig gegenüber den Energiekonzernen, schreibt die Chemnitzer Zeitung „Freie Presse“. Umweltminister Trittin von den Grünen und PDS-Fraktionschef Gysi hätten darüber schon miteinander gesprochen. Karlsruhe – Schneefall und überfrierende Nässe haben den Autofahrern in Rheinland-Pfalz und im Norden von Baden-Württemberg zu schaffen gemacht. Allein im Regierungsbezirk Karlsruhe zählte die Polizei rund 200 Unfälle mit 29 Verletzten. Der Sachschaden geht in die Millionen. Im Westerwaldkreis kam eine 18-jährige Autofahrerin mit ihrem Wagen ins Schleudern und prallte auf ein entgegenkommendes Fahrzeug. Sie starb noch an der Unfallstelle. Auch aus Bayern werden spiegelglatte Fahrbahnen gemeldet. Ski alpin – Die 26. Skiweltmeisterschaften in Vail im US-Staat Colorado begannen mit einem Ausfall. Das Super-G-Rennen der Damen wurde wegen heftiger Schneefälle und Windböen abgesagt. Die deutschen Teilnehmerinnen Hilde Gerg, Martina Ertl und Regina Häußl hatten sich Medaillenchancen erhofft. Amerikanische Meteorologen bezweifeln, dass sich die Wetterlage in den nächsten zwei Wochen verbessert.
SWR2 Aktuell – die Pressestimmen vom Dienstag, den 2. Februar 1999. Die Kommentatoren der Tageszeitungen beschäftigten sich heute unter anderem mit den Äußerungen Wirtschaftministers Müllers, der über einen Wiedereinstieg in die Atom-Energie nachdachte und über die 100-Tage-Bilanz der Rot-Grünen Regierung. Elisabeth Brückner. Der „Mannheimer Morgen“: Das Kabinett Schröder regiert zuweilen wie die Echternacher Springprozession: drei Schritte vor, zwei zurück. Mit dem Learning by doing, dem Sich-herantasten, Ausprobieren und Zurückstecken muss allmählich Schluss sein. Irgendwann wollen die bislang noch geduldigen Wähler wissen, wohin die Reise geht. Dazu braucht Rot-Grün ein Gesamtpaket, in dem Steuerreform, Bündnis für Arbeit, Rentensystem und Familienförderung miteinander verschnürt
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sind. Die „Deutsche Tagespost“ aus Würzburg: Nach hundert Tagen rot-grünen Regierens fällt die Bilanz gelinde gesagt miserabel aus. Statt zielstrebiger Reformen erleben wir wackelige Gehversuche und Bauchlandungen. Der Kanzler indessen verkauft selbst das Chaos als brillantes Projekt. Dabei schwindet seine Glaubwürdigkeit. Dem Bündnis für Arbeit droht der Todesstoß durch die Tarifparteien, noch ehe sich Schröder als Moderator profilieren konnte. Die Steuerreform enttäuscht Wirtschaft und Privathaushalte, dass sie mehr Arbeitsplätze bringt, glaubt selbst Arbeitsminister Riester nicht. Statt klarer Linie gibt es Rhetorik, statt Planung Populismus, statt Verantwortung saloppe Sprüche. So lassen sich Wahlen gewinnen, regieren kann man damit nicht. Wenig geleistet, viel Vertrauen verspielt. Die „Saarbrücker Zeitung“ schreibt: Nein, diese Koalition hat ihren Tritt noch lange nicht gefunden. Dabei wird immer stärker sichtbar, wo die eigentlichen Schwächen von Gerhard Schröder liegen, nämlich nach wie vor in der Detailkenntnis bei wichtigen Themen. Immer deutlicher zeigt sich zudem sein ziemlich autoritärer Führungsstil, mit dem vor allem der grüne Koalitionspartner wiederholt öffentlich böse gedeckelt wurde. Das kann selbst das ewig smarte Lächeln des kalten Machtmenschen Schröder nicht verbergen. Der „Bonner Generalanzeiger“: Hundert Tage Rot-Grün, hundert Tage Bundeskanzler Schröder. Kaum jemand, der diese Periode deutscher Geschichte nicht in erster Linie als Abfolge von Flops und Pannen beschreibt. Doch der so Gescholtene sitzt zufrieden in seinem Kanzlerstuhl, zieht an der Zigarre und erfreut sich hervorragender Umfragewerte. Das passt nur zusammen, weil dreierlei zusammenkommt: ein aus Schröders Biographie erklärbares Selbstbewusstsein als Bundeskanzler nach dem Motto: Ich habe es bis ganz oben geschafft. Eine Union, die Schröder noch nicht wirklich gefährlich wird, und ein Umstand, den die meisten schon vergessen haben: Kaum jemand hat am Vorabend der Bundestagswahl tatsächlich mit Rot-Grün gerechnet, der Bundeskanzler zuletzt. Das heißt: die SPD war nicht darauf vorbereitet, die Macht mit den Grünen zu teilen, das Regiebuch sah die große Koalition vor. So gesehen ist das Chaos erklärbar. Themenwechsel: Es geht um die Atomkraft. Bundeswirtschaftsminister Müller hatte gestern erklärt, eine Rückkehr zur Atomkraft sei in ferner Zukunft denkbar. Dazu der Kommentar der „Bild“-Zeitung:Der geplante Atomausstieg in Deutschland – es geht hin und her wie auf einer Übungsfahrt mit dem Fahrlehrer. Umweltminister Trittin gibt Vollgas Richtung „Ausstieg sofort“. Der Kanzler erkennt die Gefahr, tritt kurz vor dem Crash mit der Atomindustrie voll auf die Bremse. Jetzt greift Wirtschaftsminister Müller ein, probiert bei laufender Fahrt den Rückwärtsgang, Motto:Vielleicht müssen wir ja doch zurück zum Atomstrom. Es knirscht und kracht
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im Getriebe und Atomgegner und -befürworter fragen staunend: Ja, wohin denn nun? Die „Nürnberger Nachrichten“: Bezeichnend ist, wie genüsslich der frühere VebaManager den grünen Koalitionspartner und vor allem seinen Kabinettskollegen Trittin hin und wieder reizt. Dieses Spiel, offenkundig auch zum Gefallen Schröders aufgeführt, dient nicht der reinen Unterhaltung des Publikums, dahinter steckt Kalkül. Durch ein Szenario eines Wiederausstiegs aus dem Atomausstieg sollen die Grünen gefügig gemacht werden. Das ist der Preis der Regierungsbeteiligung. Auch das „Offenburger Tageblatt“ kommentiert die Atompolitik: Man wischt sich verdutzt die Augen, ob man auch richtig gelesen hat. Erst die Atomkraftwerke abstellen, dann wieder neue bauen? Die Bürger von Schilda könnten das nicht besser ausbaldowern. Wenn es denn so ist, dass Energiesparen und regenerative Energien langfristig die Atomkraft nicht ersetzen können, dann ist das Bekenntnis zur Atomkraft unumgänglich. Ist dem nicht so, dann benötigt Deutschland, in welchem Zeitrahmen auch immer, die Kernspaltung nicht mehr. Haarspaltung ist jedoch auch nicht nötig. Dazu auch die „Badischen Neuesten Nachrichten“: Es fehlt am Gesamtkonzept. Kaum etwas wird wirklich zu Ende gedacht, alles sind Schnellschüsse aus der Hüfte mit der damit verbundenen Ungenauigkeit. Dabei wäre doch,während langer Jahre in der Opposition ausreichend Gelegenheit gewesen, durchdachte Konzepte auszuarbeiten. Die Zeit. 7 Uhr und 15 Minuten
Aufnahme 4.12: 1. Herr:Hi, hi, hi, he! 2. Herr:Ja bitte? Hallo! Was wollen Sie? Was wollen Sie? Was wollen Sie? Drücken Sie sich klar aus, bitte! Um was geht es? Hallo! Um was geht es? 1. Herr:H...
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Thema für eine Hausarbeit Nachdem wir uns lange mit dem Zeitwort über Bertrand Russell beschäftigt haben, fällt es vermutlich schwer, sich bei der folgenden Aufgabe von diesem Text zu lösen. Versuchen Sie es dennoch: Schreiben Sie ein „Zeitwort“ für's Radio. Suchen Sie sich irgendein historisches oder aktuelles Ereignis aus und formulieren Sie einen spielerisch-informativen Text. Beachten Sie dabei bitte – neben der Erkenntnissen, die sich aus unseren Beobachtungen ergeben: Die Sendezeit ist 12 Uhr mittags. Der Vortrag des Textes soll ziemlich genau fünf Minuten betragen. Schreiben Sie den Text auf und üben Sie, ihn zu sprechen, bis Sie Ihren Vortrag für so gut halten, dass Sie ihn so auch im Radio hören wollten. Sprechen Sie ihn dann auf eine Kassette.
Kapitel 5:
Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht
5.1 Einleitung Das Ziel dieses Kapitels ist es, die bisher angestellten Überlegungen vom Fremdsprachenunterricht her zu reflektieren, Übungsformen vorzustellen, die das Verstehen eines fremdsprachigen Textes trainieren, Hilfen zum Herstellen von Hörtexten zu geben. Wenn Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, sollten Sie in der Lage sein, Hörtexte und Erschließungsfragen zu Hörtexten selbst herzustellen.
5.2 Textgattungen – Die bisherigen Hörtexte Unsere Diskussionen in den vorangegangenen Kapiteln fanden nicht unter dem Gattungsaspekt statt, und wir wollen diesen Aspekt auch jetzt nicht in den Mittelpunkt stellen. Dennoch lohnt es sich, die Beispieltexte, die uns während dieses Teils der Studieneinheit begleiteten, noch einmal zu überblicken. Eine solche Übersicht scheint mir schon deshalb sinnvoll zu sein, weil wir uns auf diese Weise am besten der Lücken bewusst werden, die wir bisher offen ließen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergangen ist; vielleicht haben Sie die vorangegangenen Seiten sehr ungeduldig durchgearbeitet, in der Hoffnung, dass endlich auch solche Texte besprochen werden, wie Sie sie im Unterricht einsetzen wollen. Zum Beispiel: wenn Sie eher Anfängerunterricht für Kinder geben, sind Sie – was die Textauswahl angeht – bisher nicht auf Ihre Kosten gekommen. Auch aus einem zweiten Grund stelle ich die bisherigen Hörtexte hier, zu Beginn des letzten Kapitels über das Hörverstehen, zusammen: Es wäre gut, wenn Sie sich anhand dieser Texte noch einmal vergegenwärtigen, welche Aspekte des Hörverstehens wir bisher besprochen haben. Erinnern Sie sich noch an alles, auch warum einige Texte mehr als einmal vorkommen? Machen Sie sich Notizen.
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Kapitel 5: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht
0.1: Paula erzählt von Augsburg (mit Hörer) 0.2: Paula erzählt von Augsburg (ohne Hörer) 0.3: „Redest du mit mir?“ 0.4: Schwäbische Wegbeschreibung 0.5: „Mach's Fenster zu!“ 0.6: Buchtipp 0.7: „Wenn du Sportschau sehen willst ...“ 0.8: „Ich schreib dir mal.“ 0.9: Party-Treffen 0.10: Felix und die Seeräuber 0.11: Uli Keuler: Geli 0.12: Gebrauchsanweisung 0.13a:„Da is se ja wieder.“ 0.13b :„Wo bist du?“ 0.13c:„Wann kommt er denn an?“ 0.14: „Kannst du mir Brot geben?“ 1.1: „Hören ist ein sehr altes Wort.“ 1.2: Geräusche 1.3: Ich lese Hüsch, Die Bäcker von Beumelburg 1.4: Hüsch, Die Bäcker von Beumelburg 1981. 1.5: Hüsch, Die Bäcker von Beumelburg 1988. 1.6: „Der Lehrer sagt der Schüler ist ein Esel.“ 1.7: „Der Lehrer sagt der Schüler ist ein Esel“, sagt der Computer 1.8: Ich lese Loriot, Der Vampyr 1.9: Loriot, Der Vampyr 1.10: Gerhart Polt, Diese Natur.
5.2 Textgattungen – Die bisherigen Hörtexte
2.1: Luciano Pavarotti and the Spice Girls. 2.2: Verwüstung im nördlichen Arizona 2.3: Franz Hohler:Die Rede 2.4: Sabine und Christian zu Hohlers Rede 2.5: Julia und Steffen zu Hohlers Rede 3.1: Max Velthuijs: Eine Geburtstagstorte für den kleinen Bären 3.2: Steffen zur Geburtstagstorte ... 3.3: Benedikt und Hannah zur Geburtstagstorte ... 3.4: Computer und Kommunikation: Info-Update 3.5: Christian zum Info-Update (1) 3.6: Christian zum Info-Update (2) 3.7: Steffen zum Info-Update 4.1: Familienstreit 4.2: Freundliche und unfreundliche Texte 4.3: Fußballreportage 4.4: Filmausschnitt 4.5: noch ein Filmausschnitt 4.6: Meteoritenaufschlag und Info-Update 4.7: Letzte Worte 4.8: Gewinnt der Freiburger SC? 4.9: Einige Leute lesen: „Am Sonntag schien die Sonne“ 4.10: Udo Lemizev: Der Tag des Namens meines Vaters 4.11: SWR 2: Zeitwort – Programmhinweise – Nachrichten – Presseschau 4.12: „Hi-hi-hilfe!“
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Kapitel 5: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht
Welche Textgattungen vermissen Sie? AUFGABE 1
Es fällt natürlich auf, dass der längste zusammenhängende Text Uli Keulers „Dialog“ über Geli ist; er dauert – inklusive Gelächter und Geklatsche – ungefähr elf Minuten. Das ist nicht sehr viel. Für alle längeren Textgattungen haben wir keine Beispiele, kein Vortrag, kein Hörspiel,keine Podiumsdiskussion.Ist es notwendig, solche langen Texte hier zu besprechen? Meines Erachtens nur, um das Gedächtnis und die Aufmerksamkeit zu trainieren, aber dazu gibt es auch andere Möglichkeiten, wie wir später sehen werden. Was fehlt sonst noch? Eine Lücke habe ich oben schon benannt: Der einzige Text für Kinder ist die „Geburtstagstorte“.Text 4.9 ist zwar sprachlich sehr einfach, aber nicht gerade ein Kindertext. Lieder fehlen auch; was wir behandelt haben, sind nur gesprochene Texte, und es sind auch keine Gedichte dabei. Wir werden dem im Folgenden wenigstens eine kleine Abhilfe schaffen. Außerdem haben wir eine ganze Menge von Textgattungen und Textsorten nicht besprochen, denen wir täglich begegnen.Wäre das sinnvoll gewesen? Durchaus, und zwar unter der Fragestellung, wie diese Texte funktionieren. Es ist klar, dass ein Verkaufsgespräch anders funktioniert als ein Telefonat unter Freundinnen, eine Plauderei am Gartenzaun anders als ein Interview, eine Bundestagsrede anders als ein Vortrag über „die Reisegeschwindigkeit von Weinbergschnecken“. Ist aber auch das Hörverhalten in unterschiedlichen Sprachen ein anderes? Selbstverständlich, weil die Erwartungshaltung jeweils eine andere ist. Allerdings dürfte es dabei relativ wenige und nur mit sehr differenzierten Methoden feststellbare sprachspezifische Eigenheiten geben. Nur im weit fortgeschrittenen Unterricht wird man auf diese
5.2 Textgattungen – Die bisherigen Hörtexte / 5.3 Gedächtnisübungen
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Besonderheiten eingehen können. Wir müssen hier also nicht alle Lücken füllen; einige verdienen es aber doch. Dabei soll jedoch weiterhin nicht die Gattungstypologie im Zentrum stehen, sondern die Übungsformen. Obwohl diese nicht so ohne weiteres zu systematisieren sind, wollen wir zwischen Gedächtnisübungen, Aufmerksamkeitsübungen und Verständnisübungen unterscheiden.
5.3 Gedächtnisübungen Wissen Sie noch, welche Sätze Sie gestern nach dem Aufstehen als erstes hörten? Wahrscheinlich nicht. Achten Sie doch morgen früh einmal darauf und fragen Sie sich übermorgen, welche Sätze es waren. Der Unterschied liegt auf der Hand. a) Sie erinnern sich doch noch an Geli? Falls Sie auf Anhieb nicht wissen, wen und was ich damit meine, lesen Sie sich bitte zunächst die Fragen durch,die ich Ihnen dazu stellen will; es wird Ihnen dann schon wieder einfallen. Lassen Sie sich so viel Zeit, wie Sie wollen. a) Ist „er“ noch mit Geli zusammen? b) Mit was für einem Auto und in welcher Stadt fuhr „er“ durch eine Kaufhaus-Passage? c) In welchem Kapitel und als wievielten Hörtext in diesem Kapitel haben Sie den Text über Geli gehört? d) Welche drei Dinge gibt es auf der Welt, „die wirklich zählen“? e) Nach Gelis Meinung entwickelt „er“ sich zu einer Mischung aus ... und ...? f) Wie viele Wörter hat der Text? g) Was ist für „ihn“ das Größte? h) Gibt es nach „seiner“ Meinung gewaltigere Dinge als die Erotik? i) Warum ist das so?
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Kapitel 5: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht
b) Welche meiner Fragen halten Sie für sinnvoll, welche nicht? Begründen Sie bitte Ihre Entscheidung.
Ich kann natürlich nicht sagen, welche Fragen ich hätte beantworten können; eine jedoch mit Sicherheit nicht, nämlich die nach der Anzahl der Wörter. Auch dass es der 11. Hörtext war, wusste ich nicht mehr (an Kapitel 0 konnte ich mich erinnern). – Die Fragen zielen auf ganz verschiedene Dinge, auf Wichtiges und auf Unwichtiges. Sich an die Anzahl der Wörter eines Textes zu erinnern, wäre ein blödsinniges Lernziel – es sei denn, man wolle als skurriles Gedächtnisgenie auftreten. Frage a) trifft eher in das Zentrum des Textes als b). Bleiben wir einmal bei dieser zweiten Frage. Die entsprechende Textstelle lautet: Für mich ist der Messner viel mehr als Bergsteiger. Einer Gefahr ins Auge sehen, wenn wirklich nur die Ränder des Bewusstseins die Wirklichkeit streifen. Ich glaub, ich hab so was bloß einmal vorher erlebt, das war, wie ich mit meinem Schwager seinem BMW mit sieben Halbe und fünf Metaxa im Bauch in Schwäbisch Gmünd durch so eine Kaufhaus-Passage gefahren bin. Das war halt ganz spontan, nicht wiederholbar. Du hättest meinen Schwager hinten im Auto erleben sollen. Ob es ein BMW oder ein Mercedes oder sonst ein Auto war, mit der „er“ in Schwäbisch Gmünd, in Schwäbisch Hall oder in Hannover oder wo auch immer durch die Kaufhaus-Passage gefahren ist, spielt wirklich keine Rolle. Soll man tatsächlich trainieren, solche Informationen im Gedächtnis zu behalten? In dem Abschnitt kommen außer BMW und Schwäbisch Hall noch zwei andere Namen vor: Messner und Metaxa. Welcher Name sollte Ihrer Meinung nach am
5.3 Gedächtnisübungen
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ehesten erinnert werden? Ich denke, es ist „Messner“, zumal dieser Name mehrmals im Text vorkommt. Allerdings kann man überlegen, ob man ihn nicht besser zum Gegenstand einer Verständnisübung statt nur einer Gedächtnisübung macht. Wir scheinen in einer Sackgasse gelandet zu sein. Es hat wenig Sinn, auf diese Weise das Gedächtnis zu trainieren, zumal im Fremdsprachenunterricht.Wie dann? Das ist eine Frage mit einer banalen Antwort: So, dass die Spezifika der Fremdsprache im Gedächtnis behalten werden. Der Grammatikunterricht ist voll mit Gedächtnisübungen: Regeln werden auswendig gelernt oder derart eingeschliffen, dass sie durch wiederholte Anwendungen im Gedächtnis haften. Dasselbe gilt freilich für das Erschließen des Wortschatzes. Braucht man im Hörverstehen eigene Gedächtnisübungen und wenn ja, wofür und wie können Sie aussehen? Die erste Antwort ist einfach: Gedächtnisübungen sind sinnvoll, weil Gedächtnisleistungen in Prüfungen abgefragt werden. Zudem kommt man sehr häufig in Situationen, in denen man sich kurzfristig Informationen merken muss, sei es eine Telefonnummer, eine Wegbeschreibung, der Titel eines Buches. Andererseits spricht jedoch nichts dagegen, solche Informationen aufzuschreiben oder in einer entsprechenden Situation um einen Moment Geduld zu bitten, bis man sich Papier und Kugelschreiber geholt hat. Gedächtnisübungen im Fremdsprachenunterricht sollten auf etwas anderes abheben. Ich komme noch einmal auf das Info-Update zurück. Nachdem wir festgestellt haben, wie schwierig es selbst für einen Computerfachmann ist, sich an einen größeren Teil der Informationen des Info-Updates zu erinnern, ist es wohl kaum sinnvoll, einen ähnlichen Test im Fremdsprachenunterricht durchzuführen. Selbstverständlich könnte man die Testmethode ändern: Man fragt nicht einfach: „An was können Sie sich erinnern?“, sondern stellt eine Multiple Choice-Aufgabe. Dazu gibt es unzählige Möglichkeiten. Beschränken wir uns auf die erste Meldung aus den Computer-Nachrichten. Ich präsentiere Ihnen dazu einige Fragen und würde gerne von Ihnen wissen, welcher Art diese Fragen sind.
Beantworten Sie die Fragen a) – d) und kommentieren Sie die Fragen bitte im Anschluss. Den zugrundeliegenden Text können Sie sich noch einmal als Hörtext 5.1 auf der Kassette anhören. a) Um wie viel Prozent hat der Halbleiterbereich der Siemens AG im vergangenen Jahr den Umsatz gesteigert?
AUFGABE 3
Um 8,5 Prozent Um 12 Prozent Um 15 Prozent
AUDIO
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Kapitel 5: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht
b) Wie heißt der Satz im Text?
In Europa liegt Siemens als Chip-Produzent weiterhin auf Platz 2. Siemens liegt in Europa als Chip-Produzent weiterhin auf Platz 2. Auf Platz 2 als Chip-Produzent in Europa liegt weiterhin Siemens. Als Chip-Produzent liegt Siemens in Europa weiterhin auf Platz 2.
c) Wie heißt der Satz im Text?
Die Siemens AG will den Chip-Bereich ausgliedern und an Börse bringen. Die Siemens AG will den Chip-Bereich an die Börse bringen. Die Siemens AG will den Chip-Sektor ausgliedern und an die Börse bringen. Weil die Chips besser wurden.
d) Warum ging es dem Chip-Bereich der Siemens AG im vergangenen Jahr besser als zuvor?
Weil es Sparmaßnahmen und Entlassungen gab. Weil viele andere Firmen Pleite gegangen sind.
(Lösungsteil)
5.3 Gedächtnisübungen
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So gestellt lassen sich die Fragen wahrscheinlich beantworten, und es gibt zahlreiche Unterrichtssituationen, in denen sie ihren Sinn haben, gerade im Unterricht für Anfänger. Aber wie alt sind die Schüler, denen Sie einen solchen Text präsentieren? Es werden wohl keine Kinder sein. Erwachsene Schüler jedoch dürften sich an der Nase herum geführt vorkommen, wenn Sie ihnen die von mir vorgeschlagenen Antworten stellen würden. Zudem sollte man sich über die fremdsprachliche Relevanz des abgefragten Wissens im Klaren sein.Warum muss man sich in einem fremdsprachlichen Text an Informationen erinnern, die man in einem muttersprachlichen Text ohne weiteres überhören würde? Gedächtnisübungen dieser Art spiegeln ein Wissen vor, das mit der Fremdsprachenkenntnis herzlich wenig zu tun hat. Damit komme ich zur zweiten Antwort und zu einer ganz anderen Art von Gedächtnisübungen. Das Verständnis eines Textes hängt mitunter wesentlich davon ab, ob man in der Lage ist, Beziehungen zwischen verschiedenen Textpassagen herzustellen. Diese Feststellung ist sehr banal, wir bauten immer wieder auf ihr auf, hier ebenso wie im Buch über das Leseverstehen, wenn wir von der Wiederaufnahme handelten. Wiederaufnahme ist jedoch ein allgemeinsprachliches Phänomen. Immer, wenn ich über etwas spreche, egal in welcher Sprache, nehme ich den Gegenstand, über den ich spreche, wieder auf. Pedro wird als „er“, als „mein Freund“, als „der junge Mann“, als „der Krankenpfleger“, als „der Spanier“ usw. bezeichnet, und es ist doch jedes Mal Pedro gemeint. Muss man das einüben? Ja, zum Beispiel, wenn es um Personalpronomina geht. Wird im Text „sie“ verwendet, muss man aus seiner Erinnerung das letzte Substantiv mit weiblichem grammatischen Geschlecht herausfinden, das einen Sinn ergibt.In der Regel ist das nicht schwierig, unterschätzen sollte man die notwendige Verstehensleistung jedoch nicht. Eine Aussage wie die folgende kann schon einige Probleme aufgeben: „Petra lieh sich von ihrer Tante eine Gießkanne. Sie brachte sie ihr eine Woche später zurück.“ Die Bezüge sind selbstverständlich klar (sie 1 = Petra; sie2 = Tante, ihr = Gießkanne), doch darf man nicht vergessen, dass diese Bezüge erst einmal realisiert werden müssen, und zwar (wie es in der EDV-Branche heißt) in Echtzeit, das heißt: unmittelbar während der auditiven Rezeption. Wir hatten das ja schön öfters: das kostet Zeit und zieht die Aufmerksamkeit vom weiteren Text ab. Zwei Aspekte dürften hierbei jedoch eine Rolle spielen: Zum einen die Geläufigkeit, mit der Pronomina inhaltlich verstanden werden, und zum anderen die rein lautliche Geläufigkeit der Pronomina, zu der auch die Häufigkeit ihres Vorkommens in einem Text gehört.Wir wollen uns das an einem sehr vereinfachten Schema verdeutlichen:
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Kapitel 5: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht
Drei verschiedene Bezugsarten sind in diesem Schema veranschaulicht. 1) Petra, Tante und Gießkanne beziehen sich auf zwei verschiedene Menschen und einen Gegenstand der realen Welt. Man muss wissen, dass „Petra“ ein Frauenname ist, „Tante“ eine Verwandtschaftsbeziehung bezeichnet und „Gießkanne“ ein Gefäß zum Blumengießen ist. 2) „Brachte zurück“ versteht sich aus „lieh sich“. Es handelt sich zwar um keine Einszu-eins-Beziehung (ich kann auch etwas zurückbringen, was ich gekauft habe), die semantische Relation ist jedoch eindeutig. 3) Die Pronomina (ihrer, sie, sie, ihr) beziehen sich innerhalb des Textes zweimal auf Petra, auf die Tante, die Gießkanne und noch einmal auf die Tante; ansonsten sind sie jedoch offen, das heißt, sie könnten sich auf alles Mögliche beziehen. Wortbedeutungen kann man jederzeit und an jedem Ort lernen, die einzelnen Wörter bedürfen nicht einmal eines inneren Zusammenhangs, wenn sich der auch – wie bei „ausleihen“ und „zurückbringen“ – selbstverständlich ergibt; die Bezüge von Pronomina innerhalb eines Textes können jedoch nicht ein für alle Mal gelernt werden. Es handelt sich um horizontale Bezüge im Gegensatz zu den vertikalen Bezügen zwischen Wort und Bedeutung. Es sind demnach zwei unterschiedliche Gedächtnisleistungen, die beim Verständnis eines Textes zu erbringen sind; wir wollen Sie „Wortgedächtnis“ und „Textgedächtnis“ nennen. Das Wortgedächtnis speichert Wissen, das textunabhängig ist, das Textgedächtnis stellt sich auf den jeweiligen Äußerungszusammenhang ein. Das obige Schema vereinfachend, sieht das so aus:
Von hier aus kann ich nun noch einmal den Teil unserer Ausgangsfrage stellen, der bislang noch nicht beantwortet ist: Wie können Gedächtnisübungen im Hörverstehensunterricht aussehen? Die Bezüge von Pronomina abzufragen, dürfte nicht sehr spannend sein. Zudem sollten die Übungen die spezifischen Lautmerkmale des Deutschen trainieren, denn es ist klar,dass gehörte Texte zunächst einmal lautlich entschlüsselt werden müssen.Versuchen wir es spielerisch. Nicht zufällig zeichnen sich viele Kinderlieder dadurch aus, dass einzelne Wörter, Satzteile oder ganze Sätze wiederholt werden. Diese Eigenart kann man hervorragend nutzen, um Lautfolgen erinnernd einzuüben.
5.3 Gedächtnisübungen
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Können Sie singen? Hören Sie Text 5.2 auf der Kassette. Mein Vorschlag für eine Übung, die sich an dieses Lied anschließt, sieht so aus: Nachdem Sie das Lied ein oder zwei Mal gehört haben, singen Sie es gemeinsam mit Ihren Schülern und zwar zum Beispiel mit folgender Textverteilung: LEHRER
SCHüLER
Die Astronautin Erika Klose fliegt durch das Weltall, fliegt durch das Weltall die Erde wird ganz klein, da fällt ihr „Hallo Erde, wo geht ein Astronaut Wie macht ein Astronaut Die Astronautin kriegt keine Antwort,
etwas ein: hallo Erde, wo wo aufs Klo? wie wie Pipi?“ Erika Klose, kriegt keine Antwort.
Sie schwebt durchs Sternenmeer „Hallo Erde, wo Wie macht Die steigt auf dem Mond aus,
und kann schon bald nicht mehr. hallo Erde, wo wo geht ein Astronaut aufs Klo. wie wie ein Astronaut Pipi?“ Astronautin Erika Klose steigt auf dem Mond aus.
Da hüpft sie hin und her und schreit: „Ich „Hier Erde,
muss so sehr!“ hier Erde,
Ein Astronaut, der braucht dazu kein Klo, ein Astronaut, der macht es liebe Erika Klose, mach
einfach so, einfach in die Hose.“
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Kapitel 5: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht
Sie erkennen, um was es geht: Die Schüler sollen Wörter und Satzteile wiederholend artikulieren. Dazu müssen sie sich an den Lauteindruck erinnern und reproduzieren. – Die obige Textverteilung ist freilich nur ein Vorschlag; bei der Realisierung einer solchen Aufgabe muss man flexibel bleiben und man darf das Lernziel nicht aus den Augen verlieren. Dass hiermit nur ein kleiner Schritt zu einem besseren Textgedächtnis geschieht, ist klar, aber man sollte solche Spiele nicht nur als Tänzelei begreifen, denn diese Tanzschritte sind sehr wichtig, gerade im Anfängerunterricht. Darüber hinaus ist natürlich das Miteinanderartikulieren im Gesang überaus förderlich für die Einübung sprachlicher Lautmuster.
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Auch mit anderen Texten, vor allem mit Gedichten kann man jede Menge derartiger Übungen zum Trainieren des Textgedächtnisses machen. „Herz“ reimt sich auf „Schmerz“, auf „Sonne“ reimt sich „Wonne“ und auf „recht“ „schlecht“. Finden Sie die Reimwörter heraus, die in Text 5.3 auf der Kassette fehlen? Haben Sie alle richtig getroffen? In die Lücken passen nicht allzu viele Wörter; dennoch muss man im Gegensatz zur vorangegangenen Aufgabe den Text einigermaßen verstehen, und man muss über ein gewisses Repertoire an Wörtern verfügen.Wie sieht es bei folgendem Beispiel aus? Hören Sie Text 5.4. Sie erinnern sich vielleicht auch noch an die mittelalterlichen Zaubersprüche aus Kapitel 3 des Bandes zum Leseverstehen. Kriegen Sie so was Ähnliches auch hin? Beschwören Sie doch einmal einen Kuli oder ein Blatt Papier; lassen Sie die Reimwörter offen und machen Sie Ihre Schüler zu Ihren Zauberlehrlingen. Das kann sich ungefähr so anhören wie in Text 5.5 auf der Kassette. Das sind keine bedeutenden dichterischen Ergüsse, aber das spielt auch keine Rolle. Gelingen können solche Spiele allerdings nur, wenn man gemeinsam mit seinen Schülern Spaß an der Sprache entwickelt. Denn Sprache ist ja nicht nur Bedeutung, sondern sie ist Ton, Melodie und Rhythmus. Diese Seite der Sprache muss gerade im Hörverstehen – ebenso wie freilich im mündlichen Ausdruck – bedacht und eingeübt werden. Nicht nur Wörter müssen also erkannt werden, wie in den bisherigen Übungen, sondern auch der Rhythmus und die Satzmelodie. Sie kennen vielleicht die berühmte Rede, die Charlie Chaplin in seinem Film „Modern Times“ hält und mit der er Hitler nachahmt. Man versteht kein Wort; das keifernde Bellen sagt jedoch alles. Wir kommen später noch einmal darauf zurück.
5.4 Aufmerksamkeitsübungen
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5.4 Aufmerksamkeitsübungen Erinnern Sie sich noch an die Frage, die ich zu Beginn dieses Kapitels stellte? Vielleicht sind ja seither zwei Tage vergangen und Sie können die Frage beantworten, welche Sätze Sie gestern als erste hörten.Wenn wir den Unterschied zwischen der ersten und dieser zweiten Frage benennen wollen, so handelt es sich das eine Mal um die Frage nach Ihrem Gedächtnis, das andere Mal um eine Frage nach Ihrer Aufmerksamkeit. Dass es sich bei dieser Unterscheidung um eine starke Vereinfachung handelt, brauche ich nicht noch einmal zu wiederholen. Sie hilft uns jedoch – zumindest in der Darstellung – Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsübungen auseinander zu halten.
Gedächtnisübungen rekapitulieren das Gehörte, Aufmerksamkeitsübungen bereiten auf das Hören vor. Hören Sie Text 5.6 auf der beiliegenden Kassette und notieren Sie während des Hörens alle Zahlen, die im Text vorkommen. AUFGABE 4
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Haben Sie alle herausgehört? Das ist recht leicht gewesen, oder? Für Ihre Schüler, die die Zahlen gerade im Unterricht behandelt haben, dürfte es jedoch schon schwieriger sein. – Wie steht es mit folgenden Aufgaben: – Wie viele Fragen werden in dem Text gestellt? – Wie viele Sätze beginnen mit „Der“, „die“ oder „das“? – Wie viele Wörter beginnen mit „B“? Das sind natürlich alberne Fragen, die mit dem Inhalt des Textes nicht das Geringste
Kapitel 5: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht
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zu tun haben. Aber stellen wir uns folgende Unterrichtssituation vor: Sie lassen Ihre Schülern den Text einmal hören; dann teilen Sie die Klasse in vier Gruppen ein. Beim zweiten Vorspielen soll Gruppe A bei jeder Zahl, die im Text vorkommt, aufstehen bzw. sich hinsetzen; Gruppe B macht dasselbe bei den Fragen, Gruppe C bei den Sätzen, die mit „der/die/das“ beginnen, und Gruppe D bei den Wörtern mit „B“. Man kann solche Tests auf alle möglichen Textmerkmale ausdehnen (Relativsätze, Alliterationen [aufeinander folgende Wörter, die mit demselben Laut beginnen], Vergangenheitsformen, zusammengesetzte Substantive, Adjektive, usw.). Wozu sind derartige Aufgaben gut? Niemand muss wissen, wie viele Wörter mit „b“ beginnen oder wie viele Zahlen in einem Text vorkommen. Andererseits stellen Zahlen jedoch ein besonderes Problem im Fremdsprachenunterricht dar, und die anderen Aufgaben schulen das Gehör. Eine Frageintonation herauszuhören ist durchaus von Bedeutung, und wenn man einmal gelernt hat, sich auf Wort- und Satzanfänge zu konzentrieren, hört man bewusster die sprachlichen Eigenschaften eines Textes heraus, und dass die deutschen Vergangenheitsformen ziemlich unregelmäßig sind, brauche ich Ihnen nicht zu sagen.
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All das ist jedoch nicht das Entscheidende; aus einem anderen Grund lohnen sich derartige Aufgaben. Eine der Hauptschwierigkeiten beim Hören, zumal eines fremdsprachigen Textes, ergibt sich aus der Tatsache, dass das Verständnis von keiner visuellen Vorstellung gestützt wird. Hören Sie bitte Text 5.7 auf der beiliegenden Kassette. Haben Sie die Sätze auf Anhieb verstanden? So dürfte es leichter sein: Wenn vor Fliegen Fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach. Dass es in der Nacht gewindet hatte, ließ das Platanenblatt ahnen, das auf dem Weg lag. Wenn a Laus am Ohr is, pack sie, druck sie, bis sie tot is. Wenn Äbte mähn, mähn Abte Heu. Bei der Picknickpause in Pappelhusen aß Papa mit Paul zwei Pampelmusen. Doch bei dem Pampelmusengebabbel purzelte plötzlich der Paul von der Pappel mit dem Popo in Papas Picknickplatte, wo Papa die Pampelmusen hatte. „O Paul“, schrie Papa, „du bist ein Trampel! Plumpst mitten in meine Musepampel ich wol1lte sagen: in die Mampelpuse nein: Pumpelmase – nein: Pampelmuse!!“
5.4 Aufmerksamkeitsübungen
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Das gab vielleicht ein Hallo! Die Pappeln, der Papa, der Paul und sein Po, das Picknick, die Platte (um die war es schad') das war ein Pampelmusensalat! ref PRIVAT Wenn Sie mir zustimmen, dass ein Verständnis der Texte beim Lesen leichter fällt als beim Hören, sehen Sie ein, wozu Aufmerksamkeitsübungen gut sind. Eine etwas ausgefallene Art will ich Ihnen noch kurz vorstellen: Zwei Schülern wird ein beliebiger Satz vorgegeben, etwa: „Am Anfang der Kultur stand die Musik.“ Diesen Satz sollen sie derart in eine Rede oder eine Szene verpacken, dass die Wörter aus dem sonstigen syntaktischen und grammatischen Rahmen herausfallen. Dazu müssen sie deutlich sprechen. Das kann sich ungefähr folgendermaßen anhören: „Was hast du heute am zu Mittag gegessen?“ „Nudeln,Gemüse, Anfang, Lammbraten,und Nachtisch gab's auch noch.Und du?“ „Der Butterbrote, sonst nichts. Und was hast du heute Abend vor?“ „Keine Ahnung. Kultur, mach mal 'n Vorschlag.“ „Wie wär's denn mal stand wieder mit Kino?“ „Waren wir doch erst. Dann wär mir Disco die lieber.“ „Was anderes fällt dir Musik auch nicht ein ...“ Man kann diese Übung beliebig abändern, einfache und schwierige Sätze nehmen, einen oder mehrere Sprecher, gerade neu gelernte Wörter unterbringen usw. AUFGABE 5
Wörter kann man jedoch auch raffinierter verstecken. Welche Länder- und Städtenamen hören Sie aus Aufnahme 5.8 heraus? AUDIO
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Kapitel 5: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht
Nicht alles geht so kunstvoll, aber es gibt doch eine ganze Reihe Wörter, die man ebenso – möglichst unerkannt – in einem Text unterbringen kann. Das sind zum einen Wörter, die man zusammensetzen kann (Spiel: Spielplatz, Ballspiel, Ballspielhalle) und zum anderen solche, deren Silben in verschiedene Wörter trennbar sind. Es ist eine kleine Kunst, sie herauszuhören; versuchen Sie es einmal. Eva liest sie als Hörtext 5.9 auf der beiliegenden Kassette vor. Schreiben Sie bitte die Sätze, die Sie gehört haben, auf und markieren Sie die zusätzlichen Wörter, die darin verborgen sind.
AUFGABE 6
Es gibt selbstverständlich unzählige andere Übungen, mit deren Hilfe die sprachliche Aufmerksamkeit trainiert werden kann – werden Sie nicht müde, sie zu finden und anzuwenden! Je spielerischer sie sind, desto besser! Im Zentrum des Unterrichts im Hörverstehen steht aber ohne Zweifel die Einübung in das Verständnis eines Textes.
5.5 Verständnisübungen
AUFGABE 7
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Wir haben schon früh über den Kontext gesprochen.Werfen wir zu Beginn unserer Besprechung der Verständnisübungen einen Blick gewissermaßen auf den „internen Kontext“ und hören wir uns einige Textmelodien an. Was wird in den Textausschnitten, die ich zu Hörtext 5.10 zusammengefasst habe, gesagt? Charlie Chaplin ist es nicht,doch ich habe mein Bestes gegeben. Um was geht es?
5.5 Verständnisübungen
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Üblicherweise konzentrieren sich Verständnisübungen natürlich nicht auf Textmelodien. Ich halte sie jedoch in fast allen Stufen des Fremdsprachenunterrichts für wichtig und notwendig. Auch sie haben etwas mit dem Spaß an der Sprache zu tun. Allerdings will ich weitere Übungen nicht hier, sondern im Band über den mündlichen Ausdruck vorstellen. Nachdem wir Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsübungen voneinander abgegrenzt haben, sollten wir uns nun auch überlegen, wie sich Verständnisübungen von beiden abgrenzen lassen. Natürlich ist man auf sein Gedächtnis angewiesen, wenn man sein Verständnis nach einem Hörtext artikulieren soll, und aufmerksam muss man auch gewesen sein. Anhand der bereits miteinander verglichenen Texte des MeteoritenEinschlags und des Info-Updates können wir uns vergegenwärtigen, inwiefern Aufmerksamkeit und Gedächtnis das Verständnis beeinflussen. Dazu zwei Schemata:
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Kapitel 5: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht
Ich gebe zu, dass ich die Schemata sehr übertrieben habe. Das erste, das für kurze Texte steht, ist folgendermaßen zu lesen: Das Gedächtnis, in dem die bisher aufgenommenen Informationen gespeichert werden, greift bei kurzen Texten, vor allem, wenn mehrere aneinander gereiht sind, über den jeweiligen Text hinaus, da es vom vorangegangenen Text noch blockiert ist. Dass man bei der Erinnerung die verschiedenen Texte durcheinanderwirft, ist da nicht verwunderlich. Außerdem kommen sich die verschiedenen Gedächtnisinhalte in die Quere und überfahren sich gegenseitig. Damit hängt es zum Beispiel zusammen, dass man sich nach einem Witze-Abend häufig nur an relativ wenige Witze erinnert. Andererseits schießt die Aufmerksamkeit, die dem Text entgegengebracht wird,über dessen Grenzen hinaus, oder anders gesagt: Hat man sich gerade auf ihn eingestellt, ist er schon zu Ende und es beginnt möglicherweise ein anderer. Wenn Erinnern und Erwarten sich jedoch derart gegenseitig ins Gehege kommen und das Hören von so wenigen Erfolgserlebnissen begleitet wird, dann kann man sich nicht böse sein, wenn man das Gehörte ganz schnell wieder vergisst. Bei längeren Texten hingegen können sich sowohl Gedächtnis als auch Aufmerksamkeit immer wieder auf dem Text abstützen: das bisher Gehörte wird immer neu angereichert, es schränkt den Erwartungshorizont ein, die Aufmerksamkeit wird belohnt. Erfolgserlebnisse solcher Art (das Gehörte wird bestätigt, die Erwartung erfüllt) erleichtern und fördern selbstverständlich das Verständnis. Die wichtigste Regel, die sich aus diesen Feststellungen für den Hörverstehensunterricht ergibt, lautet: Die Texte sollten nicht zu kurz sein. (Natürlich gibt's in bestimmten Situationen auch sinnvolle kurze Texte, am besten:Witze!) Kommen wir zu der Frage, wie man das Verständnis schulen kann. Mit langen Texten allein ist es ja nicht getan. Sie erinnern sich vermutlich noch an die Verständnisinseln, von denen früher einmal die Rede war. Von diesen Inseln aus kann ein Text erschlossen werden.Wenn es nun darum geht, das Verständnis zu fördern, dürfte es angebracht sein, einige Inseln vorzuzeichnen, um das Verständnis vorzustrukturieren. Das entspricht auch den gerade angestellten Überlegungen. Gedächtnis und Aufmerksamkeit sollten sich abstützen können auf dem Text, und natürlich tun sie das am ehesten auf den Verständnisinseln. Denken wir nun noch an die Erwartungshaltung, die etwa durch eine Überschrift geweckt wird, und an den Kontext, dann können wir abschließend folgendes Modell formulieren:
5.5 Verständnisübungen
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Erläutern Sie bitte das oben stehende Modell. Der Strich unterschiedlicher Stärke in der Mitte stellt den Text dar. Erklären Sie den Zusammenhang der einzelnen Komponenten, wie er durch die Pfeile realisiert ist.Welche Folgerungen ziehen Sie daraus für den Einsatz von Texten im Hörverstehensunterricht?
AUFGABE 8
(Lösungsteil) Probieren wir es gleich aus.
a) Hören Sie Text 5.11 auf der beiliegenden Kassette. Lesen Sie ihn bitte nicht mit. Notieren Sie sich im Anschluss an das Hören zunächst die Schwierigkeiten, die Sie selbst beim Verständnis hatten. Formulieren Sie danach eine kurze Einleitung, die Ihre Schüler auf den Text vorbereiten soll. Sie können selbstverständlich auch Hinweise geben, wie zum Beispiel: „Achten Sie mal auf ...“
AUFGABE 9
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Kapitel 5: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht
b) Welche Fragen würden Sie an den Text stellen? 1)
2)
3)
4)
5)
(Lösungsteil) Wir kommen gleich auf die Fragen, die an einen Text gestellt werden, zurück, wollen jedoch zuvor einen kleinen Umweg über die artikulatorische Verständlichkeit eines Textes machen. Der Text, den Sie soeben gehört und aufbereitet haben, ist artikulatorisch nicht zu beanstanden. Er ist sehr gut und verständlich gelesen. Ich nehme nicht an, dass Sie es für nötig hielten, in Ihrer Einleitung auf die Aussprache hinzuweisen. – Wie würden Sie jedoch zu Uli Keulers Text über „Geli“ hinführen?
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Man kann den Schülern makellos gesprochene Texte bieten, wie Sie einen als Text 5.12 auf der beiliegenden Kassette hören. So werden sie zum Beispiel in Prüfungen geboten, und es spricht nichts dagegen, auf solche Prüfungen vorzubereiten. Im wirklichen Leben sind solche Texte jedoch nicht zu finden, auch nicht auf den Kassetten, die dieses Studienbuch begleiten.
5.5 Verständnisübungen / 5.6 Champions League
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Ich bin sehr entschieden der Meinung, dass es – auch im Anfängerunterricht – verfehlt ist, die normalsprachliche Artikulation eines Textes aus dem Unterricht auszublenden und so zu tun, als gäbe es eine „reine“ schriftsprachliche Aussprache. Daher habe ich zwei Freunde gebeten, das Interview mit Christine nachzusprechen (Hörtext 5.13). Sie hören wahrscheinlich heraus, dass die beiden den Text schriftlich vor sich hatten und ihn ablasen. Dennoch werden Sie mir zustimmen, dass der von ihnen hergestellte Hörtext lebendiger, lebensnaher ist als das im Studio produzierte Interview. Oder können Sie sich vorstellen, dass eine Schülerin so langweilig spricht und so steril artikuliert wie die Studio-Sprecherin?
5.6 Champions League Wie hört sich ein wirkliches „Forum“ an und was kann man damit im Hörverstehensunterricht anfangen? Bei dieser Gelegenheit wollen wir uns auch noch einmal ausführlicher mit den Fragen beschäftigen, mit deren Hilfe das Verständnis eines Textes nachgeprüft werden kann. Ganz Fußball-Deutschland wurde Anfang Mai 1999 durch eine Nachricht aufgeschreckt, die danach tagelang Medien und Kabarett beherrschte: der australische Medienmogul Rupert Murdoch hatte für den Sender TM3 die Rechte an der Übertragung der Champions League-Spiele gekauft. Blitzumfragen ergaben, dass nicht allzuviele Leute wussten, dass TM3 überhaupt ein Fernsehsender ist (viele hielten es für ein Arzneimittel); und was die Kabarettisten interessierte, war die Tatsache, dass TM3 ursprünglich als Sender speziell für Frauen gegründet worden war. Am 12. Mai 1999 befasste sich auch der Rundfunksender SWR2,den Sie aus dem vorangegangenen Kapitel schon kennen, mit dem Thema. Die ersten paar Minuten hören Sie als Aufnahme 5.14 auf der beiliegenden Kassette.
Charakterisieren Sie bitte die sprachlichen Unterschiede zwischen dem Gespräch über die Champions League-Rechte und dem Gespräch über die Berufsaussichten von Christine.Vergleichen Sie dazu auch die beiden Textabschriften im Anhang. Die inhaltlichen Unterschiede vernachlässigen Sie dabei bitte.
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AUFGABE 10
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Kapitel 5: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht
Wie Sie – mal wieder – feststellen, sind die wirklich gesprochenen Sätze keineswegs so makellos wie die in der Prüfung. Es sind nicht nur die grammatischen Fehler, die jemanden, der Deutsch strikt nach dem Wörterbuch und der Grammatik gelernt hat, verzweifeln lassen. Trotzdem soll man die Sätze verstehen, und sie sind ja auch verständlich. Fragen wir also nach dem Verständnis. Ich schlage Ihnen eine ganze Menge – und insgesamt doch nur eine kleine Auswahl aller möglichen – Fragen vor. Lassen Sie sich nicht von der Zahl der Fragen beeindrucken.
Ihre Aufgabe ist es zunächst, zu bewerten, welche dieser Fragen Sie für sinnvoll und welche Sie für sinnlos halten. AUFGABE 11
sinnvoll a) Wie teuer waren die deutschen Rechte an der Ausstrahlung der Champions League? b) Ist das Abendland in den letzten zehn, fünfzehn Jahren untergegangen? c) Wer hat die deutschen Rechte an der Übertragung der Champions League gekauft? d) Wie heißen die Gäste im Studio? e) Für die Zweitverwertung welcher Sportarten zahlen die öffentlich-rechtlichen Sender? f) War Marcel Reif bei Übertragungsrechte dabei?
den Verhandlungen
um
die
g) Wie ist Marcel Reifs Aussage zu verstehen: „Es spricht einiges
los
5.6 Champions League
dafür, dass es (das Abendland) jetzt wieder nicht untergehen wird.“? h) Hätten die Verhandlungsführer von RTL noch höher gehen können oder haben sie gemeint: Bis hierher und nicht weiter? i) Weil Marcel Reif schon lang im Sport dabei ist, hat er was gelernt? j) Auf welches Kartenspiel spielt der Moderator an? k) Von den wievielten Mainzer Tagen der Fernsehkritik ist die Rede? l) Was bedeutet es, wenn der Moderator sagt:„Murdoch hat 200 Millionen gezahlt, mehr oder weniger.“ m) Was bedeutet das „closed shop-Prinzip“? n) Was meint Marcel Reif, wenn er sagt, dass „die Verluste, die man mit der Geschichte einfährt, gar nicht mehr darstellbar sind“? o) Was hat Murdoch angekündigt? p) Was versteht man unter der Öffnung des Fernsehsystems? q) Wann übernahm RTL die Bundesliga-Rechte und von wem? r) Welcher Coup konnte bei den Verhandlungen um die Übertragungsrechte der Champions League-Spiele nicht durchgeführt werden? s) Wann wurde das Fernsehsystem in Deutschland geöffnet? t) War Marcel Reif überrascht von dem Deal? u) Was meint der Moderator, wenn er von „der Deutschen höchstes Sportgut“ spricht? v) Was weiß Marcel Reif definitiv über die Verhandlungen? w) Wer übernahm 1992 die Bundesliga-Rechte? x) n welchem deutschen Sender wird in Zukunft die Champions League gezeigt? y) Wie viel Geld hat RTL für die Übertragungsrechte geboten? z) Wie heißt die genannte Sportrechtagentur?
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Kapitel 5: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht
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Ich will nun versuchen, die Fragen zu kommentieren und daraus Schlüsse für die Formulierung von Fragen an Hörtexte zu ziehen. a) Wie teuer waren die deutschen Rechte an der Ausstrahlung der Champions League? Meines Erachtens ist das im Fremdsprachenunterricht eine überflüssige Frage; sie fragt das Gedächtnis ab (und allenfalls das Verständnis hoher Zahlen, das jedoch auf diesem Niveau eine Selbstverständlichkeit sein sollte). b) Ist das Abendland in den letzten zehn, fünfzehn Jahren untergegangen? Blödsinnige Frage. Natürlich ist es nicht untergegangen, aber auf die Idee kommt auch niemand. c) Wer hat die deutschen Rechte an der Übertragung der Champions League gekauft? Diese Frage lässt sich auf unterschiedliche Weise beantworten: Mit dem Namen (Rupert Murdoch) (das wäre die Antwort auf eine Gedächtnisfrage) oder aber – besser: mit einer Erklärung darüber, dass jemand die Rechte kaufte, mit dem niemand gerechnet hat. Will man jedoch eine solche Antwort, sollte man die Frage anders formulieren, zum Beispiel so:Warum hat es der deutschen Medienwelt einen Schock versetzt, dass Robert Murdoch die deutschen Rechte an der Übertragung der Champions League gekauft hat? d) Wie heißen die Gäste im Studio? Ist das wirklich wichtig? Wichtiger wäre es doch zu fragen, was die Gäste beruflich machen.Von der Kenntnis ihres Berufes her lässt sich die Relevanz der Diskussion erst einschätzen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich nach dem ersten Hören auch nicht mehr genau angeben konnte, wie die exakten Berufsbezeichnungen lauten. Meines Erachtens wäre es sinnvoller, eine Multiple-Choice-Frage etwa folgender Art zu stellen: Kreuzen Sie an, welche Berufe die Diskussionsteilnehmer bekleiden: Reporter
Werbefachmann
Fußballspieler
Frauenbeauftragte
Rechtehändler
Medienwissenschaftler
Inhaber eines Fernsehsenders
Schiedsrichter
Fernsehkritiker
Eine andere Möglichkeit wäre es, die Frage nach den Berufen der Diskussionsteilnehmer vor dem Hören des Textes zu stellen („Achten Sie einmal darauf, welche Berufe die Teilnehmer der Diskussion ausüben.“). Derartige
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texterschließende Fragen vor dem Hören haben durchaus ihren Sinn als Aufmerksamkeitsübung; sie nachträglich als Verständnisfragen zu stellen, halte ich für unlauter, da sie vorspiegeln, als käme es darauf an, jede einzelne Information des Textes exakt wiedergeben zu können. Mit Verständnis hat das jedoch wenig zu tun; dazu gehört lediglich, sagen zu können, dass sie alle beruflich mit Fußball oder den Medien zu tun haben. e) Für die Zweitverwertung welcher Sportarten zahlen die öffentlich-rechtlichen Sender? Auch hier gilt: Als Aufmerksamkeitsfrage vor dem Hören des Textes okay, als Verständnisfrage albern. f) War Marcel Reif bei den Verhandlungen um die Übertragungsrechte dabei? Nein, er war nicht dabei. Die Frage zielt zwar auf ein Detail der Textaussage, aber dieses Detail wird doch recht breit ausgetreten. Warum ist die Antwort Reifs so ausführlich? Warum sagt er nicht einfach: „Tut mir leid, ich war nicht dabei. Keine Ahnung.“? Eine so gestellte Frage würde jedoch über den reinen Text hinausgreifen. Ich könnte mir vorstellen, dass man darüber eine eigene ausführliche Diskussion führt. Dabei wäre es möglich, zum Beispiel auf die Diskrepanz einzugehen zwischen dem, was ins Mikrophon gesagt wird, und dem, was man weiß, aber – aus welchen Gründen auch immer – besser nicht öffentlich äußert. g) Wie ist Marcel Reifs Aussage zu verstehen: „Es spricht einiges dafür, dass es (das Abendland) jetzt wieder nicht untergehen wird.“? Hier sind eine Menge Antworten möglich, von „Wer die Champions League überträgt, ist doch eigentlich unwichtig“ bis „Verdammt noch mal, dass wir (RTL) die Rechte nicht gekriegt haben, aber irgendwie geht das Leben schon weiter.“ Will man eine bestimmte Antwort, muss man die Frage anders formulieren. Fragt man zum Beispiel: „Warum bringt Marcel Reif die Übertragung von Fußballspielen mit dem Untergang des Abendlandes in Zusammenhang?“, könnte man mit einem ganzen Essay rechnen, einerseits über die Stellung von Fußball in der deutschen Gesellschaft und andererseits über die Stürme im Wasserglas, die – wahrscheinlich nicht nur in Deutschland – entstehen, wenn die Medienlandschaft durcheinander gerät. Natürlich führt diese Frage sehr weit über den Text hinaus, mit Hörverstehen hat das nicht mehr viel zu tun, der Text wäre eher ein Anlass für mündlichen Ausdruck. h) Hätten die Verhandlungsführer von RTL noch höher gehen können oder haben sie gemeint: Bis hierher und nicht weiter? Das geht aus dem Text nicht hervor. Solche Fragen sind ziemlich fies, besonders wenn man von seinen Schülern annimmt, dass sie der Meinung sind, eindeutige Antworten geben zu müssen.Vagheit oder Unentschiedenheit wird häufig für Unwissen gehalten.
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Kapitel 5: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht
Außerdem wäre die Frage in dieser Form recht unfair; sie übernimmt eine Formulierung des Textes („noch höher gehen“), die, aus ihrem Kontext gelöst, nicht ohne weiteres verständlich ist. i) Weil Marcel Reif schon lang im Sport dabei ist, hat er was gelernt? Die Frage ist ungeschickt formuliert; besser wäre: „Was hat Marcel Reif während seiner langjährigen Berufstätigkeit im Zusammenhang mit dem Sport gelernt?“ Auch diese Version ist nicht sehr elegant – fällt Ihnen was Besseres ein? j) Auf welches Kartenspiel spielt der Moderator an? Wenn diese Frage schon gestellt wird, sollte man auch sie vor dem Hören stellen, denn dass der Moderator an einer Stelle „mitpokert“ sagt, ist für das Verständnis wohl nicht entscheidend. Und muss man annehmen, dass jeder Schüler weiß, dass Poker ein Kartenspiel ist? Mit der deutschen Sprache hat das jedenfalls wenig zu tun. k) Von den wievielten Mainzer Tagen der Fernsehkritik ist die Rede? Spielt das eine Rolle? l) Was bedeutet es, wenn der Moderator sagt: „Murdoch hat 200 Millionen gezahlt, mehr oder weniger.“ Natürlich ist folgende Antwort richtig: „Murdoch hat ungefähr 200 Millionen gezahlt.“ Diese Antwort ist vom Text her jedoch nicht intendiert, sie ist nicht gemeint; da sie dennoch zutreffend ist, muss ich zugestehen, dass die Frage falsch gestellt ist. Auch die Antwort, dass der Moderator nicht genau weiß, wie viel Murdoch gezahlt hat, wäre mir zu unpräzise. Die Aussage bezieht sich innerhalb des Textes ja auf die doch recht wichtige Bemerkung, dass in der Öffentlichkeit zwar Preise genannt werden, dass man ihnen aber nicht unbedingt Vertrauen schenken kann. Wörtlich heißt die Bemerkung im Text: „Man weiß ja nie so genau, ähm, wie stimmig diese Summen sind.“ Dazu ist zu sagen: Von Summen ist nicht die Rede, sondern von einem Betrag; und mit „stimmig“ greift der Moderator lexikologisch daneben, er meint: „Man weiß ja nicht so genau, ob der genannte Betrag stimmt.“ Um diese Ungenauigkeit der Formulierung, die für spontane mündliche Rede durchaus typisch ist, bewusst zu machen, könnte man fragen: „Was meint der Moderator, wenn er sagt: 'Man weiß ja nie so genau, ähm, wie stimmig diese Summen sind.'? Erklären Sie von da aus auch die folgende Aussage: 'Murdoch hat 200 Millionen gezahlt, mehr oder weniger.'“ Sehen Sie nun aber, wo wir mit dem Versuch, Frage l) zu retten, gelandet sind? Das hat eher etwas mit Lese- als mit Hörverstehen zu tun. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn die Prüfung unter dem Thema stünde: Charakterisieren Sie die Merkmale mündlicher Texte?
5.6 Champions League
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m) Was bedeutet das „closed shop-Prinzip“? Diese Frage finde ich gar nicht übel. Erstens ermuntert sie dazu, einen deutschen Text auch von seinen fremdsprachlichen Komponenten her zu verstehen, zweitens ist das Prinzip ja direkt im Text erklärt, drittens kann man aber die Übersetzung innerhalb des Textes („Dass also von draußen keiner reinkommt“) nicht wörtlich als Antwort benutzen. n) Was meint Marcel Reif, wenn er sagt, dass „die Verluste, die man mit der Geschichte einfährt, gar nicht mehr darstellbar sind“? Wahrscheinlich meint er, dass man die Verluste nicht mehr verantworten kann. In diese Aussage spielt die Tatsache hinein, dass die Übertragung von wichtigen Fußballspielen einerseits ein Prestigeobjekt der Sender sind, andererseits jedoch eine Menge Geld kosten, die über die Werbeeinnahmen nicht zu decken sind. Um eine solche Antwort geben zu können, muss man der Aussage gegenüber jedoch sehr tolerant sein. Denn was genau bedeutet „darstellbar“? Es ist eines jener Modewörter, deren genaue Bedeutung eigentlich keine Rolle spielt. Natürlich könnte man die Verluste „darstellen“, indem man Ausgaben und Einnahmen einander gegenüber stellt. Am nächsten kommt dem Gesagten wohl die Aussage, dass die Verluste so enorm hoch sind, dass man sie sich nicht vorstellen kann. o) Was hat Murdoch angekündigt? Nach meinem Geschmack hängt diese Frage zu sehr in der Luft, ich halte sie für unfair. Die korrekte Antwort wäre: „Dass er hier in diesen Markt investieren will.“ Wären Sie damit zufrieden? Man müsste meines Erachtens übersetzen: „Er hat angekündigt, dass er in Deutschland in den Markt der Sportübertragungen investieren will.“ Wenn ich das schon wissen will, würde ich die Frage vom Text her abstützen: „Viele Leute waren überrascht davon, dass der australische Medienmogul Robert Murdoch die Übertragungsrechte gekauft hat. Ist diese Überraschung nachzuvollziehen?“ p) Was versteht man unter der Öffnung des Fernsehsystems? Mit der „Öffnung des Fernsehsystems“ ist die Aufhebung des Monopols öffentlichrechtlicher Sender (= ARD und ZDF sowie die Dritten Programme) und die Zulassung von Privatsendern in Deutschland gemeint. Aus dem Text ist das nicht zu erfahren, es handelt sich vielmehr um eine komplexe Aussage, deren Bedeutung über die Summe der Bedeutungen ihrer Bestandteile hinausgeht. Wenn Sie eine Unterrichtseinheit über die deutsche Medienlandschaft oder über den deutschen Sportjournalismus gemacht haben, können Sie möglicherweise eine solche Frage stellen; dann handelt es sich um eine Frage nach dem kulturellen Kontext. So etwas kann ganz sinnvoll sein, auch im Hörverstehensunterricht; man testet damit, ob die
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Kapitel 5: Hörve Hörverstehen rstehen im Frem Fremdsprache dsprachenunterricht nunterricht
Hörer in in der kurzen Zeit, die ihnen zur Verfügung steht, auch komplexe komplexe Aussagen entschlüsseln können. q) Wann übernahm RTL die Bundesliga-Rechte und von wem? Eine reine Gedächtnisfrage und deshalb meines Erachtens überflüssig. r) Welcher Coup konnte bei den Verhandlungen um die Übertragungsrechte der Champions League-Spiele nicht durchgeführt werden? Eine schwierig schwierigee Frage. Natür Natürlich lich kann man antworten: antworten: „Der Coup, Coup, nicht jeden jeden Preis Preis zu bezahlen, konnte nicht durchgeführt durchgeführt werden.“ Ein „Coup“ setzt setzt jedoch voraus, dass etwas geplant ist,in ist, in diesem Fall: dass gemeinsam etwas geplant ist. ist. Man kann also vermuten, dass mehrere mehrere Fernsehsender sich sich zusammengetan haben, um den Preis für die Übertragungsrechte Übertragungsrechte nicht ins Unermessliche Unermessliche steigen steigen zu lassen. Das einzige Problem könnte man darin sehen, dass „Coup“ kein deutsches Wort ist, aber gehören die Fremdwörter nicht zur deutschen Sprache? s) Wann wurde das Fernsehsystem in Deutschland geöffnet? Dasselbe: über Dasselbe: überflüss flüssig. ig. – Wenn man hingegen Wert darauf legt, dass die Schüler mit Hilfe dieses Hörtextes etwas über die Geschichte der Sportübertragungen in Deutschland erfahren, erfahren, dann sollten sie dazu aufgefordert werden, werden, sich während während des Hörens Notizen zu machen. t) War Marcel Reif überrascht von dem Deal? „Ja.“ Lohnt sich jedoch jedoch diese Frage? Sinnvoller erschiene mir die Frage: „Gibt es Anhaltspunkte dafür, dafür, dass es Marel Marel Reif unverständlich unverständlich ist, von dem Deal überrascht überrascht worden zu sein?“ Das wäre dann freilich eine sehr schwierige Frage. u) Was meint der Moderator, Moderator, wenn er von „der Deutschen höchstes Sportgut“ Sportgut“ spricht? Fußball.Wenn ich mehr wissen will,sollte Fußball.Wenn will, sollte ich anders anders fragen, etwa so: „War „Warum um spricht der Moderator von 'der Deutschen höchstes Sportgut' und nicht einfach von 'Fußball'? Achten Sie bitte genau auf die Formulierung.“ Mit dieser Frage kann ich eher herau herausfind sfinden, en, ob die Schüle Schülerr verste verstehen, hen, dass „der Deutsc Deutschen hen höchs höchstes tes Sportgut“ eine durchaus ungewöhnliche Formulierung ist, mit deren deren Hilfe der Moderator Moder ator sich sich von dem, was er sagt, dist distanzie anziert. rt. Aller Allerdings dings stellt stellt sich sich auch hier die Frage, was das gerade mit Hörverstehen zu tun hat. v) Was weiß Marcel Reif definitiv über die Verhandlungen? Ebenfalls eine ungeschickt gestellte Frage, denn die Antwort „nichts“ wäre kaum zu zu korrigieren.Warum korri gieren.Warum soll man nicht fragen: „W „Was as antwortet Marcel Reif auf die Frage nach den Verhandlungen, die RTL RTL um die Champions League-Rechte geführt geführ t hat?“
5.6 Champions League
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Auf diese Weise könnte man zumindest herausfinden, ob von der nervösen Antwort Marcel Mar cel Reifs etwas etwas verstanden verstanden wurde. wurde. Und vielleicht vielleicht könnte könnte man auch noch nachfragen, warum er so nervös reagiert. reagiert. (Sagt er wirklich die Wahrheit? Oder tritt er als Sprecher Sprecher von RTL auf? Oder will er den Sender, Sender, für den er arbeitet, nicht bloßstellen?) w) Wer übernahm 1992 die Bundesliga-Rechte? Ich weiß das, weil es seit seit 1992 noch schwerer schwerer fällt, die Bundesliga-Berichterstattung Bundesliga-Berichterstattung im Fernsehen – bei SAT SAT 1! – zu verfolgen, aber man braucht schon ein sehr gutes Gedächtnis, sich an die entsprechende Aussage des Textes zu erinnern. Wer diese Frage richtig beantwortet, hat möglicherweise den Text nicht besser verstanden, sondern hat nur mehr Weltwissen. Das ist an sich nichts Schlechtes, doch es muss bei der Bewertung der Antwort bedacht werden. werden. x) In welchem deutschen Sender wird in Zukunft die Champions League gezeigt? Diese Frage ist nicht ganz so sinnlos, sinnlos, wie sie sich beim ersten Lesen Lesen anhört.Vielleicht verdient sie jedoch jedoch einen kleinen Zusatz: „Nennen Sie nicht nur den Namen.“ Dann könnte man als Antwort nicht nicht nur „TM3“ erwarten, sondern auch, dass es sich um den „Frauensender“ „Frauensender“ handelt. Darauf basiert ja die ganze Aufregung! y) Wie viel Geld G eld hat RTL für die Übertragungsrechte geboten? Ist das wichtig? z) Wie heißt die genannte Sportrechtagentur? Ich habe keine Ahnung.
Welche Folgerungen können wir nun aus dieser langen Liste ziehen? Wie Sie sehen, kann man an allen Fragen etwas aussetzen. Bei dieser Diskussion Diskussion ging es mir darum, die Fragen, Fragen, die man an einen einen Hörtext Hörtext stellen stellen kann, kann, zu proble problematisi matisieren eren.. Man muss muss sich vor ihrer Formulierung sehr genau überlegen, welche Antworten man will, will, und das heißt: ob man wirklich das Verständnis des Textes abfragt oder nur einzelne, möglicherw mögli cherweise eise belanglos belanglosee Angabe Angaben. n. Denk Denken en Sie stets stets daran, dass die Antworten Antworten nicht sinnvoller sein können als die Fragen!
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Kapitel 5: Hörve Hörverstehen rstehen im Frem Fremdsprache dsprachenunterricht nunterricht
Welche Art Fragen sollten gestellt werden und wie sollten die Fragen gestellt werden? Auf welche Aussagen eines Textes sollten sich die Fragen konzentrieren? AUFGABE 12
(Lösungsteil)
5.7 Wie macht man Hörtexte? Am Ende des Bandes zum Leseverstehen Leseverstehen finden Sie einige einige Hinweise darauf, wo Sie geeignete – oder ungeeignete – Texte für den Unterricht finden. An Texte für das Hörversteh Hörve rstehen en heranzukom heranzukommen, men, dürft dürftee noch schwieriger schwieriger sein. Drei Möglichk Möglichkeiten eiten gibt es: 1) Machen Sie Aufnahmen aus dem deutschen Hörfunk oder aus dem Fernseher Fernseher.. Ich weiß nicht, nicht, ob deutsche Fernsehsender über Satellit in Griechenland noch zu empfangen sind, mit einem einigermaßen guten Radio bekommen bekommen Sie aber mit Sicherheit zumindest den „Deutschlandfunk“, zur Not auf Mittel- oder Kurzwelle. Kurzwelle. 2) Warum soll man die Tatsache Tatsache nicht nutzen, dass Griechenland ein so beliebtes Urlaubsland der Deutschen ist? Würden Würden Sie sich scheuen, mit Kassettenrekorder Kassettenrekorder und Mikrophon auf Interviewjagd zu gehen? Legen Sie sich sich einige Fragen zurecht, zurecht, oder bitten Sie die deutschen Touristen, von ihren Urlaubserlebnissen Urlaubserlebnissen oder was auch immer zu erzählen. erzählen. Der unschätzbar unschätzbaree Vorteil bestünde bestünde darin, darin, dass Sie (und Ihre Schüler) wahrscheinlich alle möglichen dialektalen Einfärbungen des Deutschen zu hören bekommen werden. 3) Wenn beides nicht möglich ist, bleibt immer noch die Möglichkeit, Hörtexte selbst anzufertigen. Ich hoffe, hoffe, Sie sind, nachdem Sie dieses Buch durchgearbeitet haben, nicht
5.7 Wie macht man Hörtexte?
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der Meinung, man könne doch jeden x-beliebigen Text nehmen und ihn vorlesen. In einigen Fällen ist das durchaus möglich, ja, es gibt schriftliche Textsorten, die eigens für das Vorlesen oder eine mündliche Darbietung gedacht sind. Dazu gehören Kinderbücher und Dramentexte. Wahrscheinlich gibt es aber doch sehr viele Situationen, in denen Sie weder ein Kinderbuch noch ein Dramenausschnitt als Hörtext einsetzen wollen. Was darüber hinaus am ehesten geeignet ist, sind Kommentare aus Zeitungen – denken Sie an die Pressestimmen, die wir in Kapitel 4 besprochen haben. Natürlich können Sie auch eine literarische Lesung veranstalten; damit, wie überhaupt mit dem Thema Vorlesen werden wir uns im Band über den mündlichen Ausdruck beschäftigen. Abschließend wollen wir uns nun aber doch anhand wenigstens eines Textes vergegenwärtigen, wie man aus einem schriftlichen Text einen Hörtext anfertigt und was dabei zu beachten ist. Nehmen wir an, Sie machen mit jugendlichen oder erwachsenen Schülern gerade eine Unterrichtseinheit über Universitäten und Studium in Deutschland. Beim Surfen im Internet stoßen Sie auf folgenden Artikel: Keine reine Männersache Wie sich Studentinnen in technisch-naturwissenschaftlichen Fächern behaupten
Die Statistiken sprechen Bände. Während in der Biologie der Frauenanteil bei fast 60 Prozent liegt, fallen Studentinnen in der Physik regelrecht auf. Mit rund 15 Prozent halten ein paar wenige die Bastion. Nicht besser schaut es in der Informatik aus: Auf etwa zehn Studierende kommt eine Frau. Da heißt es Strategien entwickeln, um sich in den männerdominierten Fächern nicht unterbuttern zu lassen. Woran es liegt, dass Studentinnen in einigen naturwissenschaftlich-technischen Fächern unterrepräsentiert sind, kann Julia Wunner, die vor kurzem als Frauenbeauftragte in der Informatik abgelöst wurde, nur vermuten. Sicherlich stecke da eine verquere Einschätzung des Könnens der Frau dahinter, die auf überlieferten sozialen Rollenzuordnungen basiere. Dass Frauen und Technik auf Kriegspfad miteinander stünden, sei, so Wunner, ein altes Vorurteil, das sich hartnäckig halte. Die 27-jährige ist ein überzeugendes Beispiel dafür, dass sich solche Stereotype nicht bestätigen lassen – doch damit ist sie mitunter allein auf weiter Flur. Zur Zeit steht sie als eine von zwei Doktorandinnen in der Informatik ihre Frau, und wollte man mit bösen Zungen sprechen, nimmt sie dort eine Vorzeigerolle ein: als Alibifrau.
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Minderwertigkeitsgefühle und Scheu vor dem Schritt in die männerbeherrschte Technikwelt hemmten lange ihr Interesse – bis sie eines Tages „den großen Bluff samt seiner abgehobenen Sprache“ durchschaute und Zutrauen in ihre Fähigkeiten entwickelte. Für die Doktorandin ist das Ungleichgewicht der Geschlechter in ihrem Fach zum normalen Alltagsbild geworden. Ein Blick ins Neuphilologicum, wo eindeutig die Frauen Oberhand haben, empfindet sie „fast wie einen Schock“. Bei den Informatikern fühlt sie sich auch als Vertreterin einer Minorität integriert und reagiert auf „männliche Umgangsrituale“ mit einem Schmunzeln: „Ich habe mich daran gewöhnt, dass manche Jungs einem zur Begrüßung so auf die Schultern hauen, dass man in die Knie gehen muss.“ Ganz ohne einen Anpassungsprozess entstand dieses Zugehörigkeitsgefühl aber nicht. Für Wunner ist die unter den Studentinnen verbreitete Strategie des 'Nicht-Auffallen-Wollens' offensichtlich. Ob bewusst oder unabsichtlich, die Frauen kleideten sich männlicher – das heißt Röcke, Schminke oder auffällige Frisuren zählten zu den Tabus. Schillernde Figuren oder Frauen, die aus der Rolle fielen, könnten laut Wunner unter den knapp 70 eingeschriebenen Studentinnen an einer Hand abgezählt werden. Das wundert sie nicht, denn Konformität statt Konfrontation erscheint ihr als der einfachere Weg: „Es ist doch furchtbar anstrengend, immer aus einer Gruppe rauszuragen.“ Rückhalt und Austausch suchte Wunner während des Studiums im Kontakt mit anderen Studentinnen etwa in Lerngruppen. Für sie war das Schaffen von Frauen(frei)räumen eine positive Erfahrung in einer nach nach ihrem Geschmack zu männerlastigen Umgebung. Ganz anders sieht das Sonja Hilbert, Physikstudentin im 12. Semester, die sich „in dem Männerfach gut aufgehoben fühlt“. Sie hat kein Bedürfnis nach Frauensolidarität. Die Geschlechterfrage spielt für sie keine allzu große Rolle. Klassische Vorurteile oder diskriminierendes Verhalten schlugen der 26-jährigen bisher nicht entgegen, sondern vielmehr das Gefühl, in ihrem Fach akzeptiert zu werden. Da werde, so Hilbert, das Frausein sogar zum Bonus, „weil alle dein Gesicht kennen“. Oder gar zur Herausforderung. Denn: „Es macht Spaß, sich als Minderheit von der Masse abzuheben und sich unter all den Männern zu behaupten.“ Die schwindend geringe Zahl an Frauen in der Professorenriege macht der Physikerin, „die es gewohnt ist, von Männern unterrichtet zu werden“, nicht zu schaffen. Auch Chemiestudentin Claudia Bogenschütz
5.7 Wie macht man Hörtexte?
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stört sich nicht daran, dass lediglich eine Professorin in ihrem Fach zu finden ist. Eine Benachteiligung als Frau hat die 26-jährige an der Universität nie zu spüren bekommen, die strukturellen Missverhältnisse belasten sie in keiner Weise. Eines ist der angehenden Lehrerin allerdings klar: Der Stress kommt nach dem Studium. Als Frau hätte sie es in der freien Wirtschaft wesentlich schwerer unterzukommen, und die Aufstiegschancen seien geringer. Allein schon die Rahmenbedingungen legen den Frauen einen Stein in den Weg: Ein Angebot für Kinderbetreuung gibt es auf der Morgenstelle bisher nicht. Da bleibt vielen Müttern nur ein Teilzeitstudium oder gar eine Zwangspause übrig. Erstaunlich ist übrigens die Tatsache, dass im Ausland eine wesentlich ausgewogenere Geschlechterverteilung zu finden ist. In slawischen Ländern oder in Brasilien beträgt der Frauenanteil in Informatik gut die Hälfte. Der Mythos der besseren Befähigung der Männer zu Naturwissenschaften greift dort wohl nicht. Zentral finanzierte Frauenförderungsprogramme in naturwissenschaftlich-technischen Fächern gibt es, wie Susanne Weitbrecht vom Büro der Frauenbeauftragten betont, an der hiesigen Universität bisher nicht. Zwar wird fakultätsintern Geld zugeschossen, um etwa eine Tutorium nur für Frauen anzubieten, aber große Projekte stehen nicht an. Im Gegensatz zur Stuttgarter Universität, die an einem Tag im Jahr ausschließlich Abiturientinnen zu einem Schnuppertag einlädt, wird in Tübingen wenig getan, um die zum Teil niedrige Frauenquote durch Anreize und Aufklärung zu erhöhen. Ich möchte Ihnen eine Bearbeitungsstrategie in sieben Punkten vorschlagen. Dieser Systematik bediene ich mich aus zwei Gründen. Erstens kann ich selbstverständlich anschließen an die Kriterien für die Freundlichkeit eines Textes, die wir im ersten Teil des 4. Kapitels diskutiert haben (wenn ich auch die Reihenfolge ändern muss); zweitens werden meine Hinweise auf diese Weise nachvollziehbar und können akzeptiert oder aber kritisiert werden. – Und außerdem möchte ich doch anmerken, dass schon die Lehrbücher der antiken Rhetorik Strategien zur Herstellung einer Rede vorschlagen (wenn es dort auch nur fünf Punkte sind). Vorweg, denn dies ist das Wichtigste: Im Horizont der Textumwandlung muss stets der Hörer stehen; denken Sie an das Schema aus Seite ... in Kapitel 4. 1) Kontext Den Kontext haben wir bereits grob geklärt: Ihre Unterrichtseinheit über Universitäten und Studium in Deutschland. Natürlich muss von da aus zum speziellen Thema des Artikels übergeleitet werden. Am sinnvollsten wäre es, Sie können Informationen über
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Kapitel 5: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht
die Stellung der Frauen in naturwissenschaftlichen Studiengängen an griechischen Universitäten einbringen und an den Interessen Ihrer Schüler anknüpfen. 2) Textanfang Selbstverständlich – Sie kennen das – kämpft man auch beim Schreiben eines Textes mit der Eröffnung, es ist nicht nur unter Schriftstellern eine Binsenweisheit, dass der erste Satz der schwierigste ist, oder poetischer: nicht nur die Dichter packt die Furcht vor dem weißen Blatt (oder dem weißen Bildschirm). Für ihren schriftlichen Text hat die Autorin einen ganz guten Anfang gewählt.Wir sollten anders vorgehen. Für uns dürfte sich der beste Anfang aus der Einbindung in den Kontext ergeben. Einige Vorschläge: „Haben Sie als Frau schon einmal daran gedacht, in Deutschland Informatik oder Physik zu studieren?“ – „Wenn Sie Informatik oder Physik studieren wollen – was meinen Sie: Wie viele Studentinnen gibt es unter 100 Studenten?“ – „Naturwissenschaften sind auch hier ja nicht gerade die Standardfächer für Frauen. Aber meinen Sie, dass es in Deutschland anders ist?“ 3) Länge Der Text ist meines Erachtens zu lang. So spannend ist er ja auch nicht, dass man erwarten kann, mit ihm unbegrenztes Interesse zu wecken. Man kann ja nicht davon ausgehen, dass die Schüler tatsächlich einen persönlichen Bezug zum Thema herstellen können. Und so intelligent und beziehungsreich wie das Zeitwort über Bertrand Russell wird uns der Text wohl doch nicht gelingen. (Wenn Sie dennoch den Ehrgeiz haben, will ich Sie freilich dazu ermuntern, doch unterschätzen Sie die Aufgabe nicht. Denken Sie an die dynamische Gleichung, mit deren Hilfe wir uns in Kapitel 4 den Zusammenhang zwischen Inhalt und Vortragsweise einerseits und Interesse und Aufmerksamkeit andererseits klar gemacht haben.) Kürzen kann man auf verschiedene Weise: Zusammenfassen und Abschneiden. Aus einem 90-minütigen Fußballspiel, dessen Übertragung auf fünf Minuten gekürzt werden muss, werden wohl nur in Ausnahmefällen fünf zusammenhängende Minuten herausgeschnitten; normalerweise fasst man diejenigen Szenen zusammen, die am interessantesten sind. Wie gehen wir vor? Ich schätze, das ist zu 50% Geschmackssache und zu 50% Einschätzung des Publikums, das heißt:Was halten Sie für wichtig und interessant? Und was halten Ihrer Meinung nach Ihre Schüler für wichtig und interessant? Die erste Frage ist von Bedeutung, weil es viel leichter ist, das interessant und anregend zu formulieren, was uns selbst interessiert; die zweite ist wichtig, weil wir – gerade bei Hörtexten – das Interesse der Hörers nicht aus den Augen verlieren dürfen. 4) Lexik Welche Wörter sind Ihren Schülern vermutlich unbekannt? Wie kann man sie ersetzen oder umschreiben? Nehmen wir einen recht kurzen Satz, hier aus dem
5.7 Wie macht man Hörtexte?
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Zusammenhang gerissen: „Sicherlich stecke da eine verquere Einschätzung des Könnens der Frau dahinter, die auf überlieferten sozialen Rollenzuordnungen basiere.“ Welche Wörter oder Satzteile, meinen Sie, sind Ihren Schülern unbekannt? Wie würden Sie den Satz umformen? Mein Vorschlag: „Auch hier werden wohl die Fähigkeiten der Frau unterschätzt. So war's ja schon immer.“ Ich habe ziemlich radikal verändert. Stört das? Ich versuche mir klar zu machen:Wenn ich einen schriftlichen Text umarbeite zu einem Hörtext, bin ich der schriftlichen Fassung keinerlei Rechenschaft schuldig, wohl aber den Hörern gegenüber verpflichtet. Lassen Sie sich von der Schriftlichkeit keine Hemmschuhe anlegen! 5) Grammatik Der Text enthält an vielen Stellen indirekte Rede und damit Konjunktive. Muss das sein? Nein. Mündliche Rede verwendet den Konjunktiv viel seltener als die Schriftsprache. Lassen Sie sich also nicht zu sehr beeindrucken! Allerdings (und das ist sehr ernst zu nehmen): Zwar darf das meiste, was grammatikalisch schwer ist, mündlich – umgangssprachlich – vereinfacht werden, aber man muss schon wissen wie. Bevor Sie ein grammatikalisches Phänomen umgehen, von dem Sie meinen oder wissen, dass Ihre Schüler sie nicht verstehen, fragen Sie sich, ob die Aussage nicht trotzdem verständlich ist. Ansonsten formen Sie um; auch hier gilt: keine Hemmungen! 6) Syntax Natürlich müssen wir nicht die prozentualen Verhältnisse zwischen ein-, zwei-, dreiund mehrstufigen Sätzen einhalten, die wir in den Nachrichten festgestellt haben. Ohnehin sind mehr als dreistufige Sätze in nicht-wissenschaftlichen Texten vom Aussterben bedroht. Auch in unserem Text fehlen sie. Muss man also gar nicht eingreifen? Nehmen wir als Beispiel folgenden Satz: Minderwertigkeitsgefühle und Scheu vor dem Schritt in die männerbeherrschte Technikwelt hemmten lange ihr Interesse – bis sie eines Tages „den großen Bluff samt seiner abgehobenen Sprache“ durchschaute und Zutrauen in ihre Fähigkeiten entwickelte. Dieser Satz ist als Satz nicht schwierig, dennoch ist er nicht leicht vorzutragen.Wäre es nicht sinnvoll, zwei Sätze daraus zu machen und gleichzeitig zu ergänzen: Minderwertigkeitsgefühle hemmten lange ihr Interesse an einem Informatikstudium. Außerdem scheute sie sich vor dem ersten Schritt in die männerbeherrschte Technikwelt. Doch dann durchschaute sie „den großen Bluff“ und entwickelte Zutrauen in ihre eigenen Fähigkeiten. Seien Sie sich darüber im Klaren, dass eine Vereinfachung des Satzbaus häufig mit einer Erweiterung verbunden ist. Bedenken Sie das bei der Textkürzung.
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7) Vortrag Vortragsweise sweise Sprechen Sie frei! Wenn das nicht geht – zum Beispiel aus Nervosität – und Sie sich lieber an eine Vorlage halten, gestalten Sie diese diese so, dass Sie sich darauf verlassen können kön nen.. Mar Markie kiere renn Sie Bet Beton onung ungen, en, Verz erzöge ögerun rungen gen,, Bes Beschl chleun eunigu igunge ngen, n, tra tragen gen Sie Pausen ein. Passen Sie am besten auch das Schriftbild an, es schreibt Ihnen ja niemand vor,, die Zeilen ganz zu füllen und den Text einzeilig zu setzen. Lesen Sie einmal den vor gerade umgewandelten Satz laut vor vor, wie er oben steht. Und nun lesen Sie den Satz noch einmal: Minderwertigkeitsgefühle hemmten lange ihr Interesse an einem Informatikstudium. Außerdem scheute sie sich vor dem ersten Schritt in die männerbeherrschte Technikwelt. Doch dann durchschaute sie „den großen Bluff“ und entwickelte Zutrauen in ihre eigenen Fähigkeiten. Für alles Weitere, was die Vortragsweise angeht, verweise ich auf den Band über den mündlichen Ausdruck.
5.8 Zusammenfassung a) Auf was sollten sich Gedächtnisübunge Gedächtnisübungenn im Hörverstehens Hörverstehensunterricht unterricht sinnvollerweise konzentrieren? AUFGABE 11
b) Welche Bedeutung kann das gemeinsame Singen von Liedern für das Hörverstehen haben?
5.8 Zusammenfassung
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c) Skizzieren Sie einige einige Übungen, mit deren Hilfe Sie die die Aufmerksamkeit Ihrer Ihrer Schüler trainieren wollen.
d) Warum empfiehlt empf iehlt sich – gerade ge rade bei schwierig s chwierigeren eren Texten – eine ein e kurze ku rze Einleitung? Auf was würden Sie darin hinweisen?
e) Worauf sollte man bei der d er Formulierung Formul ierung von Verständn erständnisfrage isfragenn besonders bes onders achten?
f) Warum Warum lohnt es sich, einen geschriebenen Text vor der Präsentation als Hörtext umzuarbeiten?
(Lösungsteil)
ANHANG
Lösungen zu den Aufgaben Aufgabe 3: Welche Variante richtig ist, können Sie anhand des Hörtextes oder der Transkription im Anhang zu Kapitel 3 nachprüfen.
Aufgabe 8: Das Verständnis des Textes wird zunächst durch einige außerhalb des Textes liegende Faktoren Faktor en vorgeprägt vorgeprägt:: dur durch ch den Kontex Kontext, t, den Titel des des Textes und/ode und/oderr die Ankündigung, die insgesamt den den Erwartungshorizont ergeben.Titel und Ankündigung geben zudem einige Verständnisinseln vor, vor, von denen aus auch unverständliche Stellen im Text erschlossen werden können. Zusätzliche Verständnishilf erständnishilfee bietet das Gedächtnis, das das Gehörte und Verstandene immer wieder vom bisher Gehörten und Verstandenen sowie von Titel und Ankündigung her überprüfen und als richtig oder falsch bewerten bewerten kann. Andererseits kann sich der Hörer Hörer – von den oben oben genannten Faktoren, vor allem von der Ankündigung her – in spezifischer Weise auf den Text konzentrieren. konzentrieren. Für den Hörverstehensunterricht kann daraus gefolgert werde we rden, n, das dasss es sin sinnv nvoll oll ist ist,, ein einen en Text gut ein einzufü zuführe hren, n, um mögli möglichst chst viel Verständnismöglichkeiten bei den Schülern freizusetzen.
Aufgabe 9: Mein Vorschlag für die Einleitung: „Sind wir wirklich allein in der Welt? Oder gibt es doch anderes Leben, irgendwo auf fernen Planeten? Planeten? Beobachten diese fremden fremden Wesen uns vielleicht sogar? Wie Wie beurteilen beur teilen sie uns? Würden sie uns verstehen? Oder würde ihnen manches nicht ganz schön verrückt vorkommen?“ Mein Vorschlag für die Fragen: 1) Welche Perspektive nimmt der Außerirdische ein? Wie sieht er menschliche Gewohnheiten? 2) Essen und danach: Worin besteht der Witz in der Art und Weise der Beschreibung? 3) „Geräuschmaschinen“, „Geräuschmaschinen“, „Lärm“ und „kunstvolle Dachgitter“ – wie schätzt der Außerirdische die irdische Unterhaltungsindustrie ein? 4) Wozu dient Benzin laut dieses „Rapports“? 5) Wie sieht der „Außerirdische“ uns Menschen? Für was hält er uns?
Aufgabe 12: Die Fragen sollten nicht zu sehr ins Detail gehen; sich Details merken merken zu können, hat nichtss damit zu tun, ob man eine Fremdspr nicht Fremdsprache ache beherrscht beherrscht oder oder nicht. Die Fragen müssen natürlich natürlich exakt formuliert und unmissverständlich unmissverständlich sein. Nebensächliche Aussagen Aussa gen kann man man – in einem einem Gespräch Gespräch – in Nachfragen Nachfragen erschli erschließen; eßen; im Vordergrund sollten die Hauptaussagen des Textes stehen.
Anhang
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Aufgabe 13: Auf was sollten sich Gedächtnisübungen im Hörverstehensunterricht sinnvollerweise konzentrieren? – Nicht auf das Trainieren des Gedächtnisses als solches, sondern auf das spezifisch fremdsprachige Gedächtnis. Nicht auf die Informationen des Textes, sondern eher auf die sprachlichen Eigenarten des Textes. Welche Bedeutung kann das gemeinsame Singen von Liedern für das Hörverstehen haben? – Wenn man schon nicht – wie in Aufnahme 2 – mit verteilten Stimmen singt, so kann man sich die Tatsache zu Nutze machen, dass im Chor einer für den anderen singt. Die Artikulation des fremdsprachigen Textes fällt umso leichter, je mehr sie durch die Stimmen anderer Mitsänger getragen wird. Skizzieren Sie einige Übungen, mit deren Hilfe Sie die Aufmerksamkeit Ihrer Schüler trainieren wollen. – Das ist allein Ihre Aufgabe! Warum empfiehlt sich – gerade bei schwierigeren Texten – eine kurze Einleitung? Worauf würden Sie darin hinweisen? – Die Einleitung verstärkt die Erwartungshaltung auf einen Text und strukturiert ihn inhaltlich vor. Es ist gut zu wissen, um was es gehen wird, man kann sich darauf einstellen und besser verstehen. Daher ist es sinnvoll, auf die wirklich markanten Aussagen des Textes vorzubereiten, sei es, dass man sie verallgemeinernd vorwegnimmt, sei es, dass man mit Hilfe von Fragen oder Andeutungen auf sie hinführt. Worauf sollte man bei der Formulierung von Verständnisfragen besonders achten? – Zunächst selbstverständlich, dass die Antworten wirklich zu erkennen geben können, ob der Text verstanden wurde. Darüber hinaus müssen sie unmissverständlich sein, damit der – möglicherweise unsichere, nervöse – Schüler nicht noch mehr verunsichert wird. Warum lohnt es sich, einen geschriebenen Text vor der Präsentation als Hörtext umzuarbeiten? – Es ist notwendig, sich der Schwierigkeiten, die man beim Lesen möglicherweise überliest, bewusst zu werden und von daher die schrift-schrachlichen Eigenheiten des Textes zu vermeiden. Der Text muss auf den Hörer hin geöffnet werden, salopp gesagt: man muss versuchen, den Hörer „bei der Stange zu halten“.
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Quellen Text 1: http://www.uni-tuebingen.de/uni/qvo/at/attempto6/text6/att6-28.html am 25. Mai 1999.
Nachweis und Abdruck der Hörtexte Aufnahme 5.1: Siemens-Nachricht aus dem Info-Update, nachlesen können Sie den Text im Anhang zu Kapitel 3. Aufnahme 5.2: „Erika Klose“, aus: Die Sendung mit der Maus – Lieder 4; den Text finden Sie oben im Text. Aufnahme 5.3: Wilhelm Busch: Max und Moritz, nach: Das goldene Wilhelm Busch-Album, Hannover 131975, S. 19. Ach, was muss man oft von bösen Kindern hören oder lesen!! Wie zum Beispiel hier von diesen, Welche Max und Moritz hießen; Die, anstatt durch weise Lehren Sich zum Guten zu bekehren, Oftmals noch darüber lachten Und sich heimlich lustig machten. Ja, zur Übeltätigkeit, Ja, dazu ist man bereit! Menschen necken,Tiere quälen, Äpfel, Birnen, Zwetschgen stehlen Das ist freilich angenehmer Und dazu auch viel bequemer, Als in Kirche oder Schule Festzusitzen auf dem Stuhle. Aber wehe, wehe, wehe! Wenn ich auf das Ende sehe!! Ach, das war ein schlimmes Ding, Wie es Max und Moritz ging. Drum ist hier, was sie getrieben, Abgemalt und aufgeschrieben.
Aufnahme 5.4: Christian Morgenstern, Alle Galgenlieder, Frankfurt/M. 1972 [Insel-Taschenbuch 6], S. 23.
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Kroklokwafzi? Semememi! Seiokrontro – prafriplo: Bifzi, bafzi; hulalemi: quasti basti bo ... Lalu lalu lalu lalu la! Hontraruru miromente zasku zes rü rü? Entepente, leiolente klekwapufzi lü? Lalu lalu lalu lalu la! Simarar kos malzipempu silzuzankunkrei (;)! Marjomar dos: Quempu Lempu Siri Suri Sei []! Lalu lalu lalu lalu la!
Aufnahme 5.5: Zaubersprüche Kamisuli Trampoleder Jeder Kuli hat eine Feder . Mascheline Wondilarbe aus der Mine kommt die Farbe. Drubisatt Bagileiten nur ein Blatt doch zwei Seiten. Manoleiß Hunzipecken blütenweiß mit vier Ecken.
Aufnahme 5.6: Käpt'n Blaubär: Das wandelnde Lexikon, aus: Käpt'n Blaubärs Seemannsgarn 3: Schwertfischkampf, Ravensburg 1991. Zur Information: Käpt'n Blaubär ist der Großvater der drei Bärchen; er malträtiert sie – einmal in der Woche in der „Sendung mit der Maus“ – mit seinen Lügengeschichten. Hein Blöd (eine Ratte) ist der ehemalige Matrose des Käpt'ns und
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ansonsten, wie sein Name schon sagt. Bärchen:
Okay, Hein. Hier ist deine Frage:Wie hoch ist der Kilimandscharo?
Hein Blöd:
Äh. 400 g Zucker, 2 Eigelb und 200 g Weizenmehl. Gut durchkneten, über Nacht stehen lassen.
Bärchen:
Wie bitte?
Hein Blöd:
400 g Zucker, 2 Eigelb ...
Käpt'n Blaubär: Scho- schon gut, Hein, lass man sein. Wir haben verstanden. Lasst euch nichts anmerken, Kinders. Das ist 'n Schaden, den hat er sich damals geholt, mhm, aber das ist 'ne lange Geschichte. Bärchen:
Die wir uns jetzt nicht unbedingt anhören müssen.
Bärchen:
Wir spielen ein Gesellschaftsspiel.
Käpt'n Blaubär: Schon gut, schon gut, ja, ja, wer ist dran? Bärchen
:Ich, und du musst antworten.
Käpt'n Blaubär: Dann schieß mal los. Bärchen:
Wie heißt der Begründer der Iranistik? Und wann ist er gestorben?
Käpt'n Blaubär: Abraham Hyacinth Aquitil Duperon, am 18.1.1805. Brauchst du auch seine Schuhgröße? Bärchen:
Äh – nein.
Bärchen:
Was ist ein Aterom?
Käpt'n Blaubär: Eine durch Talgdrüsenverstopfung entstehende bis Hühnerei große gutartige Talggeschwulst im Unterhautzellgewebe mit breiartigem Inhalt. Nächste Frage. Bärchen:
Wie definiert man Beryllium?
Käpt'n Blaubär: Chemisches Element aus der Gruppe der Erdalkalimetalle. Schmelzpunkt 1300 Grad Celsius, Ordnungszahl 4, Massenzahl 9, Atomgewicht 9,012. Bärchen:
Das ist ja unheimlich. Du bist immer noch dran. Das ist die Masterfrage.
Käpt'n Blaubär: Dann mal los. Bärchen:
Was ist eine Braun'sche Röhre?
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Käpt'n Blaubär: Eine Elektronenröhre zur Sichtbarmachung schneller elektronischer Schwingungen, die zu oszillographischen Zwecken benutzt wird, und einer kalten Kathode, die mit einer Gasfülllung von 0,01 mm/hg Druck arbeitet. Bärchen:
Schon gut, schon gut, du hast gewonnen.
Bärchen:
Das ist doch nicht normal.
Bärchen:
Das ist jetzt schon das dritte Spiel, das du gewonnen hast.
Käpt'n Blaubär: Tja, ich bin nun mal 'n wandelndes Lexikon, da machste nix dran. Bärchen:
Und wie kommt das?
Bärchen:
Hast du etwa
Bärchen:
den Verstand mit Löffeln gegessen?
Käpt'n Blaubär: Nicht ganz. Aber so ähnlich war das damals schon. Ich war also zusammen mit Hein Blöd auf dem Weg zu den bibliothekarischen Inseln. Da leben ja bekanntlich die Leseratten. Für die hatten wir dicke Stapel Bücher an Bord geladen. Und wie wir da so lang schippern, fahren wir doch glatt Piraten in die Arme. Das waren die Videopiraten vom analphabetischen Ozean. Die Videopiraten sind ganz heiß darauf,Videokassetten zu erbeuten, damit die den ganzen Tag Video gucken können. Das ist für die das Größte. Weiß der Teufel, warum. Na ja. Und wie die sehen, dass wir nix anderes an Bord hatten als Bücher, da wurden die stinksauer.Vom Bücherlesen halten die Videopiraten nun mal gar nix. Aus Wut darüber haben die mein Schiff versenkt und mich zusammen mit Hein Blöd in 'ner Schaluppe ausgesetzt ohne Nahrung und Trinkwasser. Bloß die blöden Bücher hatten sie uns mitgegeben. Da trieben wir also steuerlos im analphabetischen Ozean: Hein Blöd, ich, ein Lexikon mit 25 Bänden und 46 Kochbücher. Nach wenigen Tagen fingen wir an, uns aus den Büchern vorzulesen, um uns vom Hunger abzulenken. Aber insbesondere die Rezepte aus den Kochbüchern machten uns fast wahnsinnig. In unserer letzten Verzweiflung beschlossen wir, die Bücher zu essen. Innerhalb von 14 Tagen verspeiste ich also das komplette Konversationslexikon. Gott sei Dank sind wir dann von 'nem vorbeikommenden Dampfer gerettet worden.Tja, und seitdem bin ich eben 'n wandelndes Lexikon. Haha, was soll ich da machen? Bärchen:
Und Hein Blöd? Wovon hat sich Hein ernährt?
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Käpt'n Blaubär: Der Hein? Haha. Der hat die Kochbücher gegessen.Weil er dachte, hahaha, die hätten mehr Vitamine. Und seitdem ist er ein wandelndes Kochbuch. Auf jede Frage gibt er 'n Rezept von sich. Soll ich's euch beweisen? Hein? Sag mal:Wie hoch ist der Eiffelturm? Hein Blöd:
250 g Lammhack, 4 Kartoffeln, 8 Schalotten, Tomatenmark, Petersilie. Die Knoblauchzehe sehr fein hacken, die Zwiebel in Scheiben schneiden, glasig dünsten, danach die Tomaten ...
Aufnahme 5.7: U.a. Hans Adolf Halbey: Pampelmusensalat, in: Westermanns Kinderbuch, herausgegeben von Käthe Boekhoff und Elisabeth Ekström, Braunschweig 1982, S. 148; siehe oben im Text. Aufnahme 5.8: (Bei der Transkription des folgenden Textes hatte ich mich [ebenso wie bei „Geli“] zwischen einer lautgetreuen Wiedergabe und einer schriftsprachlichen Version zu entscheiden. Ich habe die schriftsprachliche Version gewählt, musste aber trotzdem einige Kompromisse eingehen; am Ende des Textes finden Sie alle ausgesprochenen oder angelauteten Länder- und Städtenamen, die ich erkannt habe. Wo bayrische Lautung und hochdeutsche Schreibung zu sehr von einander abweichen, behelfe ich mich mit einer Klammer. Habe ich gar nichts Sinnvolles verstanden, setze ich ein Fragezeichen in Klammern.) Sie, ich komm gerade aus Tralien. Ich weiß nicht, kennen Sie Birien? Da haben wir's wieder. Ich mein, Sie waren doch bestimmt schon mal in Donesien. Sie, da hören Sie den ganzen Tag die Fidschi winseln. Ich bin nicht immer auf Reisen, ich bin auch schon einmal da geblieben (da blibn). In Asien, Sie, in Asien, da gibt es ein Gebiet, das besteht aus zwei Teilen Wasser und einem Teil Land. Da hat mich mal einer gefragt, ob ich mich mit ihm auf eine Bank hock. Sag ich: „Nein, wegen einem Erdbeben.“ Sagt er: „Hast Angst?“ Sag ich: „Ja, panisch.“ Er hat die ganze Zeit auf mich eingequatscht, und ich dachte mir: „Mei, was soll ich jetzt mit dem Laberer dort?“ Sein Name war Ludwig und er wollte unbedingt bei mir landen. Sag ich: „Das ist jetzt schad.Weil ich bin leider kein Homolulu. Und schau: du bist bestimmt ein ganz lieber Nese. Und eins muss ich sagen: Ich mag dich schon, aber ich werde heute Abend noch mit der Lisa bon (?).“ Die Lisa kommt aus einem Land, wo man Briefmarken nicht mit dem Mund befeuchtet, nein, da tut man das Porto gießen. Aber bei uns ist es auch lustig. In Hessen zum Beispiel sagt man zu Männerunterhose „Rüssels Heim“. Alles hat angefangen in München, als ich meine Capppuccino-Maschine abstauben wollte. Hab ich mir gedacht: Nimmst du jetzt einen kleinen Hadern oder einen Großlappen. Wohnen tu ich momentan in der Beringstraße, und zwar bei Ruth. Ach kennen Sie's (kenn's 'es)? Wobei ich auch ab und zu in Pnom penn. Das ist also jetzt eine reine Männer-WG, also lauter Burm ha, ist aber selten wer zu Hause. Okay, ab und zu ist der Flori da. Aber letztes Jahr zum Beispiel, da war gar keiner da. Aber das macht nichts, weil heuer ist wer da. Manchmal treffen wir uns alle beim Zähneputzen, sag
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ich neulich: „Geh, leih mir doch mal deinen Kamm, Bodscha.“ Er gibt ihn mir. Neulich, Sie, bin ich erschrocken, geh ich in den Waschraum, liegt so eine Art Kamel im Whirlpool drin, sag ich: „Was ist denn nachher [typisch süddeutsch] das. Dann sagt das Vieh: „Islam (?) ein Bad.“ Ansonsten wird bei uns wenig gesprochen, schau, der Braun schweigt, der Martin nickt, ganz zu schweigen von Karls Ruhe. Und unter dem Dach, Sie, da liegt seit drei Jahren ein kranker Narier, der heißt Mülheim und leidet an der Ruhr. Sie, ich kenne ein Lokal, da kann man unglaublich gut essen, zum Beispiel Salat, meine Mama sagt, das ist gut für die Verdauung, wenn ich ab und zu mal ein Moos kau. Aber neulich hab ich mir gedacht: „Nein, heute isst du einen Bullen.“ Eine halbe Stunde nach meiner Bestellung kommt der Koch zu mir an den Tisch und meint: er wollte gerade den Bull' garen, dreht sich um und plötzlich war der Ochs fort. Sag ich: „Das war bestimmt die Sau, die arabische.“ Was gibt's denn sonst noch?“ Sagt er: „Ja, ein Joko (Joghurt) haben wir.“ Sag ich: „Nein, den habe ich das letzte Mal gegessen, der war so scharf, dass ich gedacht habe, ich bell fast.“ Sag ich: „Nein. Dann hätte ich lieber diesen südamerikanischen Gebirgszug.“ Sagt er: „Tut mir leid, Anden sind aus.“ Ich habe mich dann zu einem kleinen Omelett entschlossen, und genau in dem Moment fällt dem Küchenlehrling das letzte Ei oa (runter). – So, ich glaube, da war jetzt für jeden was dabei, und ich meine, die paar Namen, die paar Namen, die kann man sich merken. Und noch was in eigener Sache: wenn ihr demnächst vorhabt, ins Gebirge zu fahren, dann dürft ihr Folgendes nicht vergessen: Festes Schuhwerk, sonst kann man nämlich abrutschen. Das hat bis jetzt noch keiner bereut. Ich danke für eure Aufmerksamkeit – Warschau! Australien – Sibirien – Indonesien – Fidschi-Inseln – Dublin – Thailand – Bangkok – Japan – Labrador – London – Tschad – Honolulu – Libanese – Mogadischu – Lissabon – Portugiesen – Rüsselsheim – Kleinhadern – Beringstraße – Beirut – Kansas – Pnompenh – Burma – Florida – Kanada – Hoyerswerda – Kambodscha – Ägypten – Islamabad – Braunschweig – Martinique – Karlsruhe – Gran Canaria – Mülheim an der Ruhr – Kamerun – Moskau – Istanbul – Bulgaren – Oxford – Saudi-arabische – Yokohama – Belfast – Anden – Iowa – Dubai – Panama – Vogesen – Abruzzen – Bayreuth – Warschau.
Aufnahme 5.9: Berta geht nach Hause.- Erna sehnt sich nach Klaus. - Selbst Papa pierct sich den Bauchnabel. - Ich habe die Kur verlassen, um früher nach Turin zu kommen. - Der Schrei Bennos brachte mich ganz aus der Fassung. – Er schrie laut: „Oh!“ – Ich will nicht beim Laufen sterben. – Jetzt wird's aber Zeit, ungeliebte Gäste rauszuschmeißen. – Das ist fast ein bisschen viel. – Rasch erholte er sich von seiner Krankheit. Aufnahme 5.10: Es war einmal ein Müller, der war arm, aber er hatte eine schöne Tochter. Nun traf es sich, daß er mit dem König zu sprechen kam, und um sich ein Ansehen zu geben, sagte er zu ihm: „Ich habe eine Tochter, die kann Stroh zu Gold spinnen.“ Der König sprach zum Müller: „Das ist eine Kunst, die mir wohl gefällt. Wenn deine Tochter so geschickt ist, wie du sagst, so bring sie morgen in mein
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Schloß, da will ich sie auf die Probe stellen.“ Als nun das Mädchen zu ihm gebracht ward, führte er es in eine Kammer, die ganz voll Stroh lag, gab ihr Rad und Haspel und sprach: „Jetzt mache dich an die Arbeit, und wenn du diese Nacht durch bis morgen früh dieses Stroh nicht zu Gold versponnen hast, so mußt du sterben.“ Darauf schloß er die Kammer selbst zu, und sie blieb allein darin.
Aufnahme 5.11: Rainer Brandenburg: Rapport eines Außerirdischen Die Bewohner des Planeten selbst nennen sich Menschen, sind sehr unruhig und unterteilen ihre Bewegungen in Arbeit und Sport. Das Vertrauen in ihre Fortpflanzungstechnik scheint nicht sehr groß zu sein, deshalb praktizieren sie sie ganzjährig, nicht selten unter Zuhilfenahme von Bild- und Filmmaterial, das ihre Artgenossen bei der Paarung zeigt. Der Mensch ist ein Allesfresser. Oft zwingt er sich, Dinge zu essen, nur weil sie selten sind. Die Nahrungsaufnahme findet in der Regel kollektiv statt. Für die Ausscheidung seiner Mahlzeiten zieht der einzelne Erdling sich in kleine Lesekabinette zurück, die bisweilen mit aufwendigen Wandmalereien und Inschriften verziert sind. Tritt ein Mensch in die bewusst verstreuten Exkremente der mit ihm durch eine Schnur verbundenen Vierbeiner, die sich vor allem durch das Fehlen von Nachnamen von den etwas größeren Erdlingen unterscheiden, so kann man stark ritualisierte Tänze und Beschwörungen beobachten. Haben ausgewachsene Erdbewohner eine Distanz von mehr als hundert Metern zurückzulegen, so bedienen sie sich so genannter Automobile, die über eine auffällig schlechte Treffsicherheit verfügen und oft weit über das anvisierte Ziel hinausschießen, da sie in den seltensten Fällen über den erforderlichen Anker beziehungsweise Parkplatz verfügen. Angetrieben werden diese Fahrzeuge durch einen Saft, den die Menschen durch das Anstechen ihres Planeten gewinnen. Überschüssige Mengen dieser glitzernden Flüssigkeit nutzen sie gern als bunte Wanderteppiche, die sie auf ihren Gewässern auslegen. Ihre Anführer heißen Politiker. Sie sprechen nur mit Mikrophon und können ihre Automobile weder selbst lenken noch öffnen. Besuchen sich zwei Politiker, so hat sich der Ankömmling an einer Reihe von grimmigen Helmträgern vorbeizuschummeln, denen er selten den Rücken zukehrt. Nach Bestehen dieser Mutprobe gratuliert ihm der Gastgeber und belohnt den Besuch mit dessen Lieblingsmusik. Nichts fürchtet der Mensch mehr als die Ruhe.Verlässt ihn die Kraft, selbst Lärm zu schlagen, macht er von zahlreichen Geräuschmaschinen Gebrauch, die ihn schon morgens aus dem Schlaf reißen. Spätestens nach Eintreten der Dämmerung kann man sie in mehr oder weniger großen Rudeln vor bunten Schaukästen (!), bis diese ihnen die Erlaubnis zum nächtlichen Rückzug erteilen. Ist der Erdling getrennt von Frischgeräuschen, mit denen jeder Bau durch kunstvolle Dachgitter zentral beliefert
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wird, so nutzt er Lautkonserven, die ihm den Aufenthalt im Freien bis zu mehreren Stunden erlauben. Besonders abgelegene Landstriche und Inseln, deren Versorgung mit Lärm unterentwickelt ist, werden in Abständen mit recht nachhaltigen Tests durchgerüttelt, die über- und unterirdisch veranstaltet werden können. Zu verschiedenen Jahreszeiten schwärmen die Menschen aus. Zu Tausenden, in komplizierten Formationen wechseln sie ihren Standort. Nehmen sie Fotoapparate, dunkle Augenschützer und Wörterbücher mit auf den Ausflug, spricht man von „Urlaub“. Diese Umzüge richten sich scheinbar stark nach dem Sonnenstand. Weitgehend unabhängig vom Wetter ist der eher unbefristete Marsch in gepanzerten Leihwagen. Am Ziel dieser Reisen werden die angestammten Artgenossen nicht fotografiert, sondern erlegt. Eine abschließende Empfehlung in Sachen Kontaktaufnahme erscheint zu diesem Zeitpunkt noch verfrüht. Weitere Zwischenberichte über die Erde und Intelligenzproben müssen abgewartet werden.
Aufnahme 5.12: Palso-Prüfung Mai 1997, Mittelstufe – Hörverstehen, im Studio gelesen. Es ist bekannt, dass die Berufsaussichten für Jugendliche nicht besonders rosig sind. Wir wollen hören, wie Leute, die diese Situation direkt betrifft, darüber denken. Zuerst frage ich Christine. Christine, Sie sind jetzt mit dem Studium fertig. Was ist Ihr Traumberuf? Und was haben Sie alles gemacht, um diesen Traum zu verwirklichen? In der Schule habe ich an einer Schülerzeitung mitgearbeitet. Das hat mir viel Spaß gemacht. Deshalb wollte ich Journalistin werden. Nach der Schule habe ich deshalb einen Job bei einer Tageszeitung angenommen. Ich wollte sehen, ob der Beruf, von dem ich träumte, mir auch liegt. Und welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Ich durfte nur Material sammeln und ich wurde dauernd rumgeschickt, von der Kulturredaktion in die Sportredaktion, von der Sportredaktion in die Anzeigenabteilung und so weiter. Das einzige, was ich in dem halben Jahr selbst geschrieben habe, war eine Filmkritik über einen blöden Krimi. Aber der Artikel wurde dann nicht mal veröffentlicht. Man sagte mir: Nur mit einem Diplom kannst du Journalistin werden. Danach habe ich dann fünf Jahre lang Soziologie studiert. Arbeiten Sie jetzt als Journalistin? Leider nicht. Ich habe nun zwar mein Diplom in Soziologie, aber ich bin bis jetzt noch nicht bei einer Zeitung oder im Rundfunk oder Fernsehen untergekommen. Inzwischen gibt es weit mehr Journalisten als entsprechende Stellen.
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Was können Sie sonst noch mit Ihrem Diplom machen? Als Soziologin kann ich vielleicht in einer Schule unterrichten oder bei einer Firma arbeiten. Aber ich wollte nie Lehrerin werden. Außerdem gibt es heute nur wenige freie Stellen in der Schule. Und welche Firmen stellen schon Diplomsoziologen ein? Wie gehen Sie mit dieser Unsicherheit um? Ich werde mich weiterhin bewerben. Aber wenn ich sehe, dass ich keine passende Stelle finde, dann mach ich eine Ausbildung als Stewardess. Wie kommen Sie ausgerechnet auf diesen Beruf? Man hat mir auf dem Arbeitsamt gesagt, dass der Tourismus und der Flugverkehr immer mehr zunehmen. Ich glaube, dass ich als Stewardess eher Arbeit finden kann. Und da ich auch gerne etwas von der Welt sehen möchte, wäre das für mich eine Alternative.
Aufnahme 5.13: Palso-Prüfung Mai 1997, Mittelstufe – Hörverstehen, nachgesprochen. Aufnahme 5.14: Forum regional – SWR 2 (12.5.99, 17:05 Uhr): Die 32. Mainzer Tage der Fernsehkritik Heute von den 32. Mainzer Tagen der Fernsehkritik der Kampf um die Spiele oder das Recht im Fernsehen Sport zu senden. Rupert Murdoch hat der deutschen Medienwelt einen Schock versetzt, er hat sich für die Rekordsumme von über 200 Millionen Mark die deutschen Rechte an der Ausstrahlung der Fußball-Champions League gesichert, im Frauensender, in TM3 soll jetzt der Deutschen höchstes Sportgut gezeigt werden. Mit dem Fußball macht man Quote, vielleicht macht man damit auch Gewinn, aber immer höher werden die Summen, die gefordert und die auch gezahlt werden, und auch die öffentlich-rechtlichen Sender zahlen mittlerweile auch immer mehr für die Zweitverwertung, für Olympia, für Tennis, für Formel 1. Gäste im Studio sind: Marcel Reif, der als Reporter und vorübergehender Redaktionsleiter bei RTL die Champions League betreute; der Medienwissenschaftler Professor Josef Hackford, ausgewiesener Sportpublizistik-Experte, und Michael Amsing, der für ARD und ZDF die Geschäfte der gemeinsamen Sportrechtagentur Sportart führt. RTL, Marcel Reif, hat, wie man hört, 160 Millionen geboten. Man weiß ja nie so genau, ähm, wie stimmig diese Summen sind. Murdoch hat 200 Millionen gezahlt, mehr oder weniger, ähm, was hat Ihre Firma da getan, RTL hat sich offensichtlich heftig verspekuliert beim Handel um die Champions League-Rechte. Das weiß ich nich, ich, nich, mag ja sein, dass man an einer Stelle gesagt hat, mehr zahlen wir nich, jetzt können Sie drüber spekulieren und ich auch nur drüber spekulieren, weil ich wirklich nicht dabei war und ich war auch nicht eingebunden in
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die, in die Verhandlung, das heißt, Sie können jetzt sagen, okay, die haben gezockt und wollten noch höher gehen, hätten noch höher gehen können, oder die haben gesagt: Nein, an der Stelle, mehr können, wollen wir nich, weil die Verluste, die man mit der Geschichte einfährt, sonst gar nich mehr darstellbar sind. Mhm. Das ist das, was ich definitiv weiß. Alles andere is, wie gesagt, da können wir herzhaft drüber spekulieren, aber ich hab gelernt, weil ich ziemlich lang im Sport dabei bin, auch mit Anstand zu verlieren. Ich frag gleich mal den Rechtehändler: Ähm, hat man denn in Ihren Kreisen nicht zumindest geahnt, dass der Murdoch mitpotert, mitpokert? So konkret und an dieser Stelle nich, würd ich mal denken, haben's die wenigstens erwartet, obwohl es an sich, äh, nachvollziehbar war, wenn man alles zusammen nimmt, was vorher war, es konnte und kann niemand ausgehen, dass äh Deutschland nach dem closed shop-Prinzip äh Rechte vergibt Dass also von draußen keiner reinkommt Er hat angekündigt, dass er hier in diesen Markt investieren will, ein paar Zeichen zusammen gelesen, die offensichtlich keiner oder fast keiner gelesen hat, hätte man nach all den Abfuhren, die (stotternd) man ihm in anderen Ländern ähm erteilt hat, in der Tat glauben können, dass so etwas irgendwann passieren wird. Professor Josef Hackford, hatten Sie Murdoch auf der Rechnung? Natürlich nicht, äh, ich habe aber im Gegensatz zu vielen Ihrer Kollegen die Aufregung in der vergangenen Woche nicht verstanden, weil wir seit 1984, seit der Öffnung unseres Fernsehsystems, nach einem Marktmodell schon häufiger einen solchen Wechsel erlebt haben. Ich erinnere an 1988, als RTL von der ARD sprich ZDF die Bundesliga-Rechte erwarb, dann an 1992,als ISPR bzw. SAT 1 die BundesligaRechte übernahm. Die Argumentationen, die veröffentlicht worden sind, waren erschreckend gleich lautend, und weil wir das schon zweimal erlebt haben und viele Ähnlichkeiten jetzt wieder auftauchen, bin ich nicht so erstaunt gewesen, wiewohl überrascht über den schnellen Zugriff und vor allen Dingen, dass der Coup ganz offensichtlich, nicht jeden Preis zu bezahlen, hier nicht durchgeführt werden konnte. Marcel Reif, wie überrascht waren Sie von der Geschichte, von dem Deal? Ja, genau so wie viele andere auch, aber noch mal, da kann ich Hackford nur bestätigen, ich mein, es hat keinen Zweck, dieses alte wohl bekannte Wehklagen auszubrechen. Das Abendland ist in den letzten zehn, fünfzehn Jahren bei diesen diversen äh Wechseln von von Rechten nicht untergegangen. Es spricht einiges dafür, dass es jetzt wieder nicht untergehen wird. ...
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Kapitel 5: Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht
Thema für eine Hausarbeit Nach den Vorarbeiten, die wir schon geleistet haben, fällt es Ihnen sicher nicht schwer, aus dem Text über das Studium von Frauen in naturwissenschaftlichen Fächern an der Tübinger Universität einen Hörtext anzufertigen: 1) Legen Sie ihn schriftlich nieder und üben Sie, ihn zu laut vorzutragen. 2) Stellen Sie dazu einige (ungefähr 6) angemessene Verständnisfragen. 3) Formulieren Sie die von Ihnen erwarteten Antworten.
Der Autor
Joachim Theisen, geb. 1958, Studium der deutschen Literatur und Kunstgeschichte in Tübingen. Promotion über Meister Eckhart, einen Mystiker des 14. Jahrhunderts. Von 1987 bis 1992 an der Universität Athen Lektor des Deutschen Akademischen Austauschdienstes für Linguistik und Deutsche Landeskunde. 1994 Habilitation an der Universität Tübingen über die deutsche Übersetzung von Boccaccios „Decameron“ aus dem 15. Jahrhundert. Privatdozent für deutsche Philologie, seit 1998 außerdem Geschäftsführer der „pc-online“ Computer Handels GmbH, auch das in Tübingen. Aufsätze zur deutschen Literatur vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert und das Kinderbuch „Festina Lente“.
Persönliche Notizen