Zum Sepher Jezira. Von L. B a e c k in Be Berrlin.
Das Sepher Jezira hat seine besondere Stellung in der Geschichte der der jüdischen Mystik. Mystik. Es bezeichnet bezeichne t den ersten Versuch, ein System S ystem mystischer Naturphilosophie Naturphilosophie zu gestalten. Und ebenso ebenso sehr sehr hat es es seinen Platz Pla tz in der der Geschichte Geschichte der hebräischen Sprache. In ihm ist es zum ersten Mal unternommen worden, Begriffe der griechischen Philosophie selbständig nachzuformen, sie mit den Mitteln der hebräischen Spra Sprache che zum Ausdruck zu bringen. bringen. Die Bildhaftig Bild haftigkeit, keit, die überall der mystischen Rede eigentümlich ist und sie immer wieder sprachschöpferisch werden läßt, beweist sich auch in unserem Buche. Einige Beispiele sollen es erläutern und zugleich dartun, daß das Sepher Jezira in seinen Gedanken wie in seiner Terminologie von von der der Lehre ehre des des letzten letzten der groß großen en Neupl Neuplat aton onik iker er,, des des P r o k l u s , abhängig ist, ja in seinen entscheidenden Abschnitten nichts anderes ist als die Uebertragung des Systems dieses griechisch schreibenden Scholastikers in jüdisches Denken und biblische Sprache. .
Im ersten Perek des Buches Buch es werden zehn als als die genannt, welche zusammen mit den zweiundzwanzig Buchstaben die Weg Wege (1 (1( bezeichnen, in in de denen di die Schöpfung sich vol vollzog, und viele von den Abschnitten dieses Kapitels beginnen emphatisch m it diesen W orten or ten:: . Was sind diese Sephirot, die im Midrasch Bemidbar rabba2 schon wie ein Bekanntes erscheinen, und die zu einem ständigen Begriff der jüdischen Mystik geworden sind? sind ? L. Goldschmidt G oldschmidt in seiner Ausgabe des Sepher Jezira erklärt erklärt sie als als die abstrakten Zahlen Zahlen,, die die ein Nichts Nic hts und und zugleich zug leich ein Etwas Etw as s in d /3 Bloch übersetzt: übersetzt: ,,Zah ,,Zahlen len,, in sich geschlossen“ gesch lossen“ und erläutert erläutert dies: ,,ohne irgend etwas, also abstrakt, rein für sich allein/'4 Daß es sich hier nicht um die Zahlen der Mathematik handelt, Za Z a h l ergibt sich daraus schon, daß hier an Stelle des üblichen dieser besondere besondere Terminus gebildet geb ildet worden worden i s t 5. Es ist daher zu vermuten, daß er auch zur Wiedergabe eines besonderen Begriffes dienen soll, der in einem eigenen Wort eine eigene Art der Zahl 1 Sepher Jezira I 1: . . Es ist ist möglich, daß dieses Wor Wort eine U e b e r t r a g u n g des griechischen σ ι χ ι ο ν wäre, da das sowohl die U r p r i n z i p i e n wie die B u c h s t a b e n wie auch die Bilder des T i e r k r e i s e s bezeichnet und Lin ie und gehen mit sei seine nem m Stamm tammwo wort rt ίχ Linie und sein seinem em Verb Verbum um εΤ geh für den des Griechischen und Hebräischen Kundigen das Gleiche wie das Wort sagen könnte. 2 Be Bemi midb dbar ar rabb rabbaa zu zu 4 . 3 Lazarus Goldschmidt, das Buch der Schöpfung, S. 80, Anm. 7. 4 Philipp Bloch, die jüdische jüdische Mystik My stik und Kabbala in ,,Winter ,,Wint er und Wünsche, die jüdische Litteratur“, III, 245. 6 Es Es ist is t möglich, mö glich, wie Mer Mer bemerkt sei, daß die, die, anders kaum erklärbare, dreifache Formung Formu ng des Stammwortes Stamm wortes , die , am Ende von I, 1, die drei Klassen von Zahlen, welche Proklus unterschied, bezeichnen
372 benannte. Welches dieser Begriff sein könnte, tritt uns nahe, wenn wir ·uns vergegenwärtigen, welches die Bedeutung der in unserem Buche ist. Sie sind hier die höchsten Prinzipien, von denen die Wirkung der Gottheit auf die Welt ausgeht. Dieses selbe hatte Proklus von den ü b e r w e s e n t l i c h e n Z a h l e n “ gesagt, die ein bestimmender Teil seines Systems sind, die er zwischen das Urwesen und das Intelligible gestellt hatte, und für sie hatte sich ihm der besondere Terminus geboten, der der α ό τ ο τ ε λ έ ΐ ς ένατες*. Auch sie stellen den vermittelnden Uebergang von dem Ureinen zur Vielheit dar, dasselbe so, wie in unserem Buche die . Es ist daher das Wahrscheinlichste, daß unser Autor das Wort gebildet hat, um ein en bestimmten Ausdruck für diese έ ν ά δ ε ς zu gewinnen1. Und wenn er ihnen das Beiwort beilegt, so sollten damit offenbar die Attribute der absoluten Einfachheit wiedergegeben werden, durch die Proklus das Wesen dieser ε ν ά δ ε ς zu verdeutlichen τ ο τ ε λ ε ΐς , γ έ ις , α τ α ι xaffi ε α sucht, der Attribute 2. Dem γεί Worte entspricht das ganz im Wörtlichen. Daß eine biblische Wendung3 für die Uebertragung gewählt wurde, ist nur dem Stile unseres Buches gemäß, für den auch das folgende Beispiel den Beleg gewähren kann.
. Der sechste Abschnitt des ersten Perek bringt eine der wichtigsten Darlegungen: Goldschmidt übersetzt: ,,Zehn Zahlen ohne etwas, ihr Aussehen wie die Erscheinung des Blitzes, ihr Ziel ist endlos, sein Wort ist in ihnen in Hin- und Herlaufen und auf seinen Befehl eilen sie wie ein Sturmwind; und vor seinen Thron werfen sie sich nieder.·'4 Bloch gibt folgende Uebersetzung: ,,ZehnZahlen, in sich geschlossen — ihr Anblick wie die Erscheinung des Blitzes und ihr Ziel hat keine Grenze, er führt sie in kreisförmigem Lauf und auf sein Wort jagen sie dahin wie der Sturm, und vor seinem Throne verneigen sie sich.“ Er erläutert seine Auffassung dahin, daß er von dem aramäischen = führen herleitet und als ,,hin und zurück , als Ausdruck für ,,kreisförmig“ auffaßt5. Beide Uebersetzungen vermögen nicht zu erklären, was durch diesen Satz gesagt wird. Sein Sinn wird erfaßt, erst wenn auch hier wieder erkannt wird, daß unser Autor durch die dem Merkaba-Kapitel des E zechiel6 entnommenen Worte einen bestimmten Begriff der Philosophie des Proklus zum Ausdruck bringen will. Das System des Proklus gründet sich auf die, schon bei Plotin vorgebildete, Lehre von der 1 Eine Umbildung des Wortes , die der Bezeichnung ς genau entsprechen würde, verbot sich, da dieses Wort zur Benennung des einen Gottes be zw. des Geistes Gottes — vergl. I, 7 und 9 — Vorbehalten bleiben mußte. 2 Siehe die zahlreichen von Zeller a. a. O. S. 853 ff. zusammengestellten Belege. Yergl. I, 5 3 Hiob 267.
373 triadischen Entwicklung. Sie geht davon aus, daß das Hervorgebrachte sowohl mit dem Hervorbringenden verbunden als auch von ihm verschieden ist, daß es darum einerseits in seiner Ursache ,,bleibt“, andererseits aus ihr h e r a u s t r i t t und doch wieder, da sie sich ihm mitgeteilt hat, sich zu ihr h i n w e n d e t “. Alles Werden, das ist das Charakteristische dieses Systems, ist in dieser Kreisbewegung des Heraustretens aus der Ursache und der Rückkehr zu ihr; alle Entwicklung der Dinge aus dem Urgründe vollzieht sich in diesem triadischen Gesetz der μ ο ν ή , des Seins des Hervorgebrachten im Hervorbringenden, der π ρ ό ο δ ο ς , des Hervorgehens aus ihm, und τ ρ ο φ , der Rückwendung zu ihm. Alles Erkennen ist ein der Erkennen dieses Triadischen1. Nichts anderes ist in unserem Satze des Sepher Jezira gesagt. Die π ρ ό ο δ ο ς und erscheinen hier als . Die τρο Worte bezeichnen das Sichmitteilen, in dem die μ ο ν ή gegeben ist; das Hervorbringende teilt sich dem Hervorgebrachten mit, sein Wort, seine Schöpferkraft ist in ihm. Mit der Neigung zu bildhaften Synonymen, die unserem Buche eigentümlich ist, wird dann der Begriff, der der wichtigste des triadischen Systems ist, der der τ ρ ο φ , nachdem er in das biblische Zitat gefaßt war, nochmals zum Ausdruck gebracht, zunächst mit dem dichterischen Satz: ,,zu seinem Schöpferwort streben sie, wie der Wirbelsturm, wieder hin“2 und sodann mit dem anderen Gleichnis, das dasselbe sagen will: ,,vor seinem Throne neigen sie sich“3. Der Erklärung bedürftig sind jetzt nur noch die Worte: i hr Ziel ist ihnen kein Ende“. Eine Bewegung, deren Ziel kein Ende bedeutet, ist die K r e i s b e w e g u n g . Es ist jene Kreisbewegung des Triadischen, in der Proklus sich alle Entwicklung vollziehen läßt. Das Bild dafür, das durch das Merkaba-Zitat gegeben war4, bietet der Blitzstrahl; er tritt aus dem Verursachenden hervor und bleibt doch in ihm und kehrt zu ihm wieder zurück. Und um die Stetigkeit dieser Bewegung bestimmter darzustellen, fügt unser Buch dann alsbald das andere durch das Merkaba-Kapitel gegebene Gleichnis an5: ,,Ihr Ende ist in ihren Anfang hineingesteckt und ihr Anfang in ihr Ende, wie die aufs teigende Flamme verbunden ist mit der Kohle“ 6. Es ist wieder das Bild für den Kreis, der von Gott ausgeht und zu ihm zurückkehrt. 1 Vergl. Zeller a. a. O., S. 853 ff. 2 Das Wort entspricht dem als sein Synonym; das Schöpferwort bleibt in den Henaden und sie wenden sich zu ihm zurück. hat hier die Bedeutung, die ihm in der talmudischen Sprache bisweilen zukommt: hinstreben, hindrängen, hinströmen. 3 Auffällig ist, auf bezogen, allerdings durch einen langen Satz davon getrennt, die maskuline Form & « . Es wäre daher möglich, das Verbum auf und zu beziehen; auch das Schöpferwort tritt aus Gott hervor und kehrt zu ihm zurück. 4 Ezech. 1 4: . 5 Ez. 113: . 6 Seph. Jez. I, . Unser Satz ist von Samuel ibn Mo tot in seiner Uebersetzüng der ,,Bildlichen Kreise,“ die einen Teil seines Jezira-Kommentars
374 Als Uebersetzung unseres Satzes ergibt sich nunmehr: Die zehn un vermischten Zahlen sind wie die Erscheinung des Blitzstrahles zu betrachten1: ihr Ziel ist ihnen kein Ende. Gottes Schöpfergedanke bleibt in ihnen, so daß sie aus ihm hervortreten und zu ihm zurückkehren; zu seinem Schöpferwort streben sie, wie der Wirbelwind, hin, und vor seinem Throne beugen sie sich/' .
Durch das Verständnis unseres Abschnittes gewinnt dann auch ein weiterer2 seine klare Bedeutung: ,,Zehn Zahlen, un vermischt d. i. geschlossen3, und das will dir sagen: verschließe deinen Mund, daß er nicht rede, und dein Herz, daß es nicht grüble. Tritt aber das Wort deines Mundes hervor, zu reden, und der Gedanke deines Herzens, zu grübeln, dann kehre zu dem,, Orte" zurück; denn das meint der Bibelsatz: ,^,die Chajot treten hervor und kehren zurück;“ hierdurch4 wird die Verbindung bewirkt/ In diesen Sätzen ist das Gesetz der Erkenntnis dargelegt, ganz wie in den vorher behandelten das Gesetz der Entwicklung. Alles dialektische Erkennen ist für Proklus ein Erkennen der triadischen Bewegung, also des ,* es besteht daher darin, daß der Verstand, welcher zu der Vielheit hinaustritt, sich zu dem ersten Ursprünge, zu dem ,,Orte"5 immer wieder zurückwendet6, daß er die Vielheit zur Einheit zurückführt und so den ,,Bund", die Verbindung mit dem Einen erfaßt. Aber über dieser Erkenntnis, über der ,,Wahrheit", wie er sie ς y der Glaube7, nennt, steht für Proklus eine höhere noch, die π der ein S c h w e i g e n , eine mystische Ruhe im Unaussprechbaren ist; denn durch den Glauben wird die Seele in Gott hineinversetzt. Diesen Glauben meinen die Worte , und von ihm spricht auch das letzte Kapitel des Buches, das von Abraham rühmt, daß er diesen Glauben hatte und daß er durch ihn Schöpferkraft gewann8. 1 Ueber die dem Buche Hechalot rabbati entstammende Bedeutung Erscheinung, Anblick, vergl. Bloch a. a. O., S. 244, des Wortes des Anm. 1. Es wäre aber auch möglich, daß hier das Her vor fließen, Her vor strömen, im neuplatonischen Sinne, bedeutete. 2 Seph. Jez. I, 8 p . 8 Das Wortspiel zwischen und ist der Haggada Chulin 89a entnommen. Yergl. auch Aruch sub voce , sowie Bachja ben Ascher zu Deut 3327, dessen Erklärung von wohl ein Zitat aus unserem Buche ist. 4 bedeutet hier dasselbe wie . δ Wortspiel zwischen den Bedeutungen von , einerseits Ort, Ausgangspunkt, andrerseits der Allgegenwärtige, Gott. Dasselbe, was hier durch die Worte ausgedrückt wird, ist in I, 4 mit den Worten gesagt: ,,laß den Schöpfer auf seinem Platze bleiben.“ Vergl. auch I, 5 , sowie I, 6 . 6 Durch unseren Satz gewinnt auch eine Stelle in einem Gedichte des Jehuda Halewi ihren klaren Sinn, Diwan ed. Brody III 231 (Strophe 4): . Wie sehr sich Jehuda Halewi mit unserem Buche befaßte, zeigen Kusari III, 17 (ed. Cassel, S. 230) und vor allem IV, 25. Yergl. auch V, 14 (ed. Cassel S. 406). 7 Proklus, The01. Plat. I, 24 ff. 8 Seph. Jez. VI, 15. Es ist bezeichnend, daß an dieser Stelle von
375 Deutlich tritt so hervor, was unser Abschnitt sagen soll: Willst du höchste Erkenntnis besitzen, so glaube schweigend. Bist du dessen noch nicht fähig und willst die ,,Wahrheit“ suchen, so wirst du sie finden, indem du alles zu seinem Ursprung zurückführst. Der dritte Abschnitt1 des ersten Kapitels hat den Erklärern immer besondere Schwierigkeiten geboten. Um sie zu lösen, muß zuerst erkannt werden, was unter den Worten zu verstehen ist. Wer zunächst der ist, zeigt der Vergleich mit den parallelen Wendungen in unserem Buche sowie 2 ; er zeigt, daß mit diesem Worte Gott benannt ist. Um die absolute Einheit Gottes, zum Unterschied von der Einheit der ersten Zahl3, also jenes Ureine des Proklus, das α ύ τ ό ε /4 zu bezeichnen, hatte unser Autor, 1 einem Ausdruck der Haggada folgend5, dieses Wort gewählt. Demnach bedeutet die Verbindung mit dem Ureinen. Auch das, was von diesem ausgesagt wi rd, , wird nun klarer, besonders wenn man wieder eine parallele Stelle heranzieht, wo von den sechs Erstreckungen und von dem Tempel des Heiligtums gesprochen ist, der in der Mitte feststeht und sie alle trägt6. Proklus hatte, darin Plotin folgend, das U r w e s e n als das χ έ ν τ ρ ο ν , den Mittelpunkt7 bezeichnet, der den ganzen Kreis des Seienden bestimmt und beherrscht8. So ist die Verbindung mit dem Ureinen die Verbindung mit dem Mittelpunkt. Von diesem Mittelpunkt spricht unser Satz. Und für ihn will er ein Symbol aufzeigen. Wie die makrokos mische Zehnzahl ihr mikrokosmisches Abbild am Menschen in den zehn Fingern oben und den zehn Zehen unten hat, so hat dieser bestimmende Mittelpunkt $ein Abbild in dem Organ des Wortes, dem 1 Seph. Jez. I, 3:
» . Für und , das die meisten Ausgaben haben, ist mit einer der Handschriften, zu lesen und . Denn und ist parallel dem . Daß und zu lesen sind, die ein Wortspiel bilden, zeigt ein Vergleich mit VI, 15. 2 Seph. Jez. I, 5 und 7; vergl. auch, falls diese Stelle echt ist, VI, 2: . 3 ibid. I, 9 und I, 14: . 4 Proklus, Theol. Plat. 24. 5 Ber. r. XXI, 5 zu 322. Pes. der Kah. 29b etc. 6 Seph. Jez. IV, 4: . — Es wäre an sich möglich, das Wort im Sinne von ,,entsprechend“ aufzufassen, wie es z. B. in dem Satze gebraucht wird Jer. Ber. 8c: . Aber der Gebrauch des gleichen Wortes in dieser anderen Stelle IV, 4, wo die Bedeutung ,,aufgerichtet, feststehend“ unzweifelhaft ist, verlangt diese selbe Bedeutung auch hier: Die Verbindung mit dem Ureinen, die im Mittelpunkt feststeht.“ 7 Siehe die von Zeller a.a.O., S. 554, Anm. 3 u. 570 Anm. angeführten Stellen. Zu dem vergl. besonders Plotin . I, 7! εΤ ν ιν α υ τ ό (τ ά γ α ο ν ), ρ ο ς α υ τ α δ ’ έ π ισ τ ρ έ φ ε ΐν ν τ α χ ε ρ χ ό χ λ ο ν ο ς χ έ ντ ρ ο ν άφ * ο υ 8 Vergl. Seph. Jez. I, 5: Dieses = ist I, 4 als
und IV, 4 , I, 5 als 6 ,1 ,
als 8 ,1 ,
.
376 oberen Zentrum, und in dem Organ .der Beschneidung, dem unteren Zentrum. Auch von diesen beiden wird darum das Wort rV""0-Bund, Verbindung gebraucht1. Unser Satz ist demnach zu übersetzen: ,,Die zehn un vermischten Zahlen sind entsprechend der Zahl der zehn Finger, fünf gegenüber fünf, und die Verbindung mit dem Ureinen, die durch den Mittelpunkt feststeht, ist entsprechend dem Worte der Zunge und der Beschneidung der Scham/'2 Die angeführten Belege, und es lassen sich noch manche anderen hinzufügen, besonders was die Lehre vom 1 anlangt, sollen es dartun, daß das Sepher Jezira in bestimmender Weise durch die Philosophie des Proklus beeinflußt ist. Ist dieser Beweis erbracht, dann ist auch die Frage nach der Zeit der Entstehung unseres Buches beantwortet. Der terminus ad quem steht fest, da Aharon ben Ascher es benützt und Saadja bereits einen Kommentar zu ihm geschrieben hat. Der äußerste terminus, a quo wäre nun die Zeit des Proklus, also das fünfte Jahrhundert. Wir werden das Buch wohl der letzteren Zeit näher zu rücken haben als der ersteren. Und es ergibt sich so ungef ähr die Epoche, in die Zunz3 es auf Grund sprachlicher KennZeichen gestellt hatte. Aber auch geistesgeschichtlich ist diese Abhängigkeit unseres Buches bedeutungsvoll. Am Ausgang der Antike steht, weithin auch die Schatten werfend, die Gestalt des Proklus. Auf dem Wege über die Schriften des Areopagiten hat er in den Kreis seines Einflusses das christliche Mittelalter gezogen. Durch das Sepher Jezira ist er so auch in das jüdische Mittelalter eingetreten.
Eine apologetische Mischna. Von A. M a r m o r s t e i n in London.
M. Joel hat in seiner noch immer lehrreichen und lesenswerten Schrift ,,Blicke in die Religionsgeschichte zu Anfang des zweiten christlichen Jahrhunderts'" (Breslau, 1880 und 1883), neue Gesichtspunkte für die Erforschung des Verhältnisses zwischen Urchristentum :und Judentum eröffnet. Jeder Forscher, der mir einigermaßen mit den rabbinischen Quellen vertraut ist, muß sich dessen bewußt sein, daß unsere Nachrichten über das Urchristentum und dessen Stifter aus alter Zeit, äußerst dürftige sind. Trotz der angeblich neuesten Entdeckung“ des russischen oder altslawischen Josephus mit der Nachricht über Jesus (vgl. übrigens meinen Aufsatz: Some remarks on the Slavonic Josephus“ in Quest, XVII, 1926, 143—157), ist es noch immer recht zweifelhaft, ob das palästinensische Schrifttum ·aus dem ersten Jahrhundert irgendwelche Hinweise auf die christliche Bewegung hat. Wie vorsichtig man die uns zur Verfügung stehenden 1 "Siehe v i , 1 5 : , ‘. 2 Vergl. oben S. 375 Anm. 6. 3 Siehe Zunz, Gottesdienstliche Vorträge S. 165 f. Vergl. auch Bloch
448
Leo Baeek
Die zehn Sephirot im Sepher Jezira. Von Leo Baeck.
In einem Aufsätze unserer Monatsschrift — 1926, S. 371 ff. — ist dargelegt worden, wie das Sepher Jezira in seinen grundlegenden Lehren, denen von der Sephira, dem triadischen Gesetz, dem Erkenntnisweg und dem Mittelpunkt, durch die Philosophie des Proklus bestimmt wird. Im folgenden soll an der Bedeutung der einzelnen Sephirot dieser Nachweis fortgeführt werden. Er soll zugleich Zeichen eines Persönlichen sein; er soll von der großen Dankbarkeit zeugen, die der Arbeiter auf jedem Gebiete der Wissenschaft vom Judentum dem Manne schuldet, dem dieses Heft in all seiner Mannigfaltigkeit zugeeignet sein darf. Der neunte und zehnte Abschnitt des ersten Kapitels sprechen, in dem unserem Buche eigenen emphatisch-liturgischen Stil, von den ersten beiden Sephirot. Die Sephira ,,Eins“ wird als ,,Geist des lebendigen Gottes“ und als ,,heiliger Geist“ bezeichnet, die Sephira ,,Zwei“ als Geist aus Geist“1. Aus jüdischen Gedankengängen, sei es haggadischen, sei es mystischen, kann diese Zweiteilung des Geistes nicht abgeleitet werden. Dagegen macht die Philosophie des Proklus, und erst sie, deutlich erkennbar, was diese beiden Begriffe meinen, und weshalb zwischen ihnen geschieden ist. Für die Lehre des Proklus ist nämlich eines vornehmlich kennzeichnend, und er weicht darin von seinen Vorgängern ab; er setzt über die Vernunft noch ein besonderes Vermögen der Seele. Die Erwägung, die ihn hierin leitet, ist die folgende: da, nach dem bekannten Grundsätze des Empedokles, Gleiches nur von Gleichem erkannt zu werden vermag, so kann das höchste Göttliche nicht durch die eigentliche Denkkraft erfaßt werden, sondern nur durch eine darüber hinausgehende Kraft. Da nun das erste Göttliche mit dem obersten Einheitlichen gleichgeltend ist, so kann es sich auch nur einem besonderen Einheitlichen der Seele darbieten. Diesem Einheitlichen gibt Proklus einen bildhaften Namen ; bald heißt es, mit einem Worte aus den sogenannten 1
Die zehn Sephirot im Sepher Jezira
449
Chaldäischen Orakeln, die ,,Blüte der Denkkraft“, ν &ο ς τ ο υ ν ο ΰ , ς ψ υ χ 1. Nur durch bald auch der ,,Gipfel der Seele“, χ ρ ό τ ψ dieses ,,Einheitliche unseres Wesens“, Tb■ Sv ς ο ς ] ν} reichen wir an das Göttliche heran und wird die Vereinigung mit dem Ureinen vermittelt2. Dieser begrifflichen Trennung einer obersten Denkkraft von der eigentlichen Denkkraft entspricht es ganz, wenn hier unser Autor einen obersten Geist von dem aus diesem erst hervortretenden Geist scheidet; Daß er den ersteren, diesen ,,Gipfel des Geistes“;als den ,,heiligen ,Geist“, den ,,Geist des lebendigen Gottes“ bezeichnet, ist seinem eigentümlichen Unternehmen gemäß, :Begriffe der griechischen Philosophie in das biblische Denken und die biblische Sprache zu übertragen. Dieser Benennung kam zudem die jüdische Ueberlieferung entgegen; sie hatte in dem ,,heiligen Geist“, von dem die Bibel spricht, — schon das Targum übersetzt so — die Kraft der Prophetie, diese höchste, offenbarende Erkenntnis gefunden, in der sich der Eine, Gott, dem Menschen erschließt3. Die eigentliche Denkkraft wird von unserem Autor ,,Geist aus Geist“ genannt, und diese Bezeichnung fügt sich dem Prinzip des Proklus ein, daß das Zweite immer Teil am Ersten hat4. Von dieser Denkkraft ist gesagt5: ,,Zehn Zahlen, in sich geschlossen, überwesentlich — Zwei ist Geist aus Geist. In ihn hat er Satzung 1 In Plat. Theol. I, 3 τ ή ν Bk τη τα το υ νο υ , ς , τ ο ά ν &ο ς ι τ ή υ π α ρ ξ ιν σ υ ν α π τ ε σ θ α ι π ρ ο ς τ ά ς ν α δ α ;: τ ω ν ο ν τ ω ν κ α ι δ ιά τ ο ύ τ ω ν π ρ ο ς υ τ ή ν τ πασώ ν τω ν θ ν άδω ν απόκρυφ ον σί . 2 In Crat. S. 51 ρ ς α τ ώ ν — sc. τ ώ ν θ ε ώ ν — ς σ’ ’ τ ο ς α ι γ ν ώ τ ο υ ς μ ό ν ω τ ψ ν θ ε ί τ ο ύ ν ο υ ε ω ε ιν τ α λ ε ί ε ι. Ibid. S. 70 τ φ γ ά ρ ά ν θ ε ι τ ο υ ου καί τξ υπ ρξει ουσίας ν α το ς να ' τεσ & ι ε( .εν. De prov. et fato cp. 24: fiat igitur unurn, ut videafc ο unum, magis autem, ut non videat co unum; videns enim in tellectua le videbit et non supra intellectum et qüoddam unum intelliget et non το autounum. 3 Vergl. in Ί *arm. V I, 52 κ τ ά τ ά ς ε α τ ώ ν α τη τα ς κ ι ενό τή ς ενθ τι ερ ί ο εν κ ί ι εΤ ι . Über den heiligen Geist vergl. Moore, Judaism I, 237 f. 4 Vergl. Zeller, Philos. der Griechen III, 25, S. 858. 5 Sepher Jezira I, 10: Monatsschrift, 78» Jahrgang
29
450 gebend eirigezeichnet und bestimmend eingegraben1 zweiundzwanzig; Urzeichen2: drei M ütter,; sieben Doppelte und: zwölf Einfache“ . Und auch dieser Satz weist auf Proklus zurück. Das System dēs !Proklus läßt nämlich zuerst innerhalb des ν ο υ ς , dieser eigentlichen Denkkraft, die ein! Denken des Ersten ist, eine Vielheit aus der Einheit hervorgehen, eine von der Einheit um faßte!Vielheit. Sie ist die; Welt des Paradigmas, der intelligiblen Ideen: oder, was hier; dasselbe ist; der intelligiblen Zahlen , die das Bindeglied zwischen der ieinheitlichen, intelligiblen und der intellektuellen: Welt darstellend. Eben dieses sagt auch unser S a t z i n den ^,,Geist: aus dem Geist“ is t 'eine 'erste Vielheit eingezeichnet, eingeschrieben, die: der :intelligiblen Zahlen-Ideen. Sie benennt unser Autor mit dem; Worte , welches sowohl· Zeichen, Paradigma wie aučh Buchstabe und Ziffer bedeutet. Wenn er den drei ersten: von ihnen den Namen ,1,Mütter“ gibt, so kann auch dies auf Proklus zurückgehen. In der für ihn üblichen Art, metaphysische Annahmen und religiöse Vorstellungen in einander zu setzen, so daß ihm die Zahlen zugleich die Götter sind, bezeichnete nämlich Proklus diejenigen Urzahlen, an denen das Moment des Hervorgehens, der π ρ ό ο δ ο ς 4, gegenüber denen des Bleibens und der Zurückwendung, bestimmender ist, als die drei weiblichen Götter; idie mütterlichen Kräfte.5 Ebenso konnten sich für unseren Autor die1sieben Doppelten, die sich ihm aus dem hebräischen Alphabet1ergäben, vielleicht an die plänetkrische Siebenzahl angelehnt;haben, nach der für Proklus die iritellektu1 Es ist unserem Autor eigentümlich, daß er neben W ortspielen wie und , I, 3, oder = in sich gesch lossen ,: sich selbst genügend, überwesentlich, und; , I, *8, .== Verschlossenheit, Mystik, auch doppeldeutige Worte liebt. So !hier == einzeichnen und = Gesetz geben, = eingraben und == bestim men. Vgl. Pro v. 8, 27 f. 2 . bezeichnet in ;unserem Buche ,das, woraus das Folgende ,hervorgeht, das · Paradigmatische. 3 Plat. Tlieol. III, 14, IV , 28., Die Sephirot sind, wie MG W.J 1926, S. 371 f. gezeigt, die überw esentlichen. Zahlen,. die absolut einfachen Einheiten, die, nach E igensch afte n, und;Kräften: verschieden, das überseiende Eins mit dem Seienden, das Urwesen mit seiner Offenbarung verknüpfen. Die sind die Ideen,, die, paradigmatische Welt. 4 Siehe MGWJ .1926, S. 372 f. 5 Plat. Theoll IV, 1 f.
Die zehn Sephirot im Sepher Jezira
451
eilen Göttersgeordnet sind; die den Uebergang des Intelligiblen an das geteilte Sein vermitteln1. -
!
< ·. ; . Von der folgenden Sephira wird gesagt: ,,Drei ist Wasser aus Geist. Darin hat er satzunggebend eingezeichriet und bestimmend eingegraben ein Tohu und Bohu, einen Schlamm und Lehm; er hat sie satzunggebend ,eingezeichnet ähnlich einem Beet, hat sie bestimmend eingegraben ähnlich einem Wall, hat sie fügend eingewirkt ähnlich einem Estrich2“. Auch zu dem Verständnis dieses Satzes leitet erst die Philo · sophie des Proklus. Das Triadische, mit dem dieser sein System durchgehend, bis zur Eintönigkeit,, ordnet, führt er auch in das Ganze der Denkkraft ein. ·Das Gebiet, das für seinen Vorgänger Plötin die eine Denkkraft, der ν ο υ ς ist, zerlegt er in drei Sphären, das Intelligible, das ν ο η τ ό ν , das er mit dem Sein gleichsetzt, das Intellektuell-Intelligible, das ν ο τ ό ν ο α xac ν ο ε ρ ν , das ei; als das Leben auch, bezeichnet, und das Intellektuelle, das ihm das Denken ist3 Von diesem Leben, das ihm ,,das aus den Prinzipien Hdrvergehende“, ο π ρ ό ιο ν π ο τ ν ρ χ ώ , ist4, sagt er, daß sein Symbol das Wasser sei5. Dieses intelligible Leben, das aus dem intelligiblen Sein folgt, konnte unser Autor dement : , if Plat. Theol. V,;l f. Vergl. Zeller, a. a> 0 .(S. 863. — Es wäre möglich, daß auch die Bezeichnungen und , in einer, unserem Autor eigenen, Doppeldeutigkeit sich an Gedanken des Proklus a,nschließen. Für diesen ist die Bewegung eine, der Entwicklung entsprechende, dreifache: die kreisförmige, die dem obersten Hervörgehenden ziilioihmt, dann die spiralförmige der Zurückwendung und schließlich die gerade des Bleibens — vergl. Hugo Koch, Ps. Dionysius Areopagita, S. 83 ff. und 151 f. Das Wort bezeichnete dann nicht nur: doppelt, zwiefältig — s. Seph. Jez. IV, 2 — , sondern auch: herumgelegt, gekrümmt, also spiralförmig, und nicht nur einfach, sondern auch gerade. 2 I, 11: . Auch das Wort hat hier seine Doppeldeutigkeit: durch weben, wirken, und bedecken, schützen. 3 Vergl. Zeller a. a. 0 . S. 857 f. 4 Plat. Theol. III, 9. 5 In Tim. 318 A: ρ το ιό m i βά δα κ αλουσ ούμβολον ν (sc. die Weltseele) /j; ς ζ030 0 ία . Plat. Theol. IV, 15 λει νε ογονί ς ρουα ι τό ΰδω ρ συ βολον. 29
452
Leo Baeck
sprechend Wasser aus Geist“ nennen. Er konnte hier zugleich einem haggadischen Satze folgen, der Wasser, Geist und Feuer vor der Welt erschaffen sein ließ1. Auch haggadischen Auslegungen des Genesiswortes vom Geiste Gottes, der über dem Wasser schwebte“2 schloß er sich damit an. Ganz so hätte sich ja auch Proklus auf einen seiner Vorgänger stützen können, dessen Worte er bisweilen anführt; auf Numenius aus Apamea, der, sich auf jenes Genesiswort einmal beruft3, denselben Numenius, für den sein Meister Plato ein attisch redender Moses“, ση ς άτ , gewesen war4. Von Proklus her wird auch verständlich, was unser Autor, entsprechend den Urzeichen im Geiste, nun in das Wasser“ eingeordnet sein läßt. Unser Satz nennt es Tohu und Bohu, Schlamm und Lehm“ . An sich schon ist es klar, daß der Vergleichungspunkt hier etwas, was gemischt istj sein soll. Aber ganz deutlich wird das, was gemeint ist, durch die Lehre des Proklus. Sie bezeichnet das erste Wirkliche, das zuerst Seiende, ο πρώ ς , das darum auch Wesen5, heißen darf, als . Es ist das Ergebnis von Grenze und das Gemischte, Tb Unbegrenztem6, und es gehört mit diesen beiden zu der ersten intelligiblen Trias hin7. Dieses Gemischte“ des Proklus erscheint in unserem Satze als Tohuund Bohu, Schlamm und Lehm“, und als Vergleiche für das Produkt von Grenze und Nichtbegrenztem werden Beet, Wall und Estrich hingestellt. Es ist nun unverkennbar, was diese Vergleiche besagen wollen. ’ 1 Exod, rabba XV, 22 Anf. 2 Gen. r. II , 5 f.; Chag. 12a und 14b; Jer. Chag. 77a und c. 3 Numenius bei Porphyr., De antro Nymph. 10: π ίξ ν (sc. Platon) τ ω υ δ τ ι τ ά ς ο κ ά ς '9 ε ο π ν ά ψ ο ν τ ι . δ ιά τ ο ύ τ ο κ α ι τ ο ν ο φ τ η ν ε ΐρ η έ ν ρ ε σ θ α ι π ά ν ω ο υ υ δ α τ ο ς 8 ο υ ν εύ μ . 4 Clemens Al., Strom. I, 342 C. 5 Plat. Theol. Ill, 9. 6 Plat. Theol. I ll , 9. Es ist möglich, daß ein in bezug auf die drei Mütter Gesagtes, III, 8 ff.: , sich auch auf die Grenze bezieht; verb. = umgeben, umschließen. 7 Plat. Theol. III, 12: η έν ο ν . . . ν νο πρ τι τη τρι , έρ ς, ει ν, τ ό ν . Vergl. Z e lle r a. a. O. S. 855 Anm. Über dem ικ stehen die ιγ ίς ; zu diesen vergl. M GWJ 1926, S. 372.
Die zehn Sephirot im Sepher Jezira
453
Der zwölfte Satz gilt der weiteren Sephira: Vier ist Feuer aus Wasser. Darin hat er satzunggebend eingezeichnet und bestimmend eingegraben den Thron der göttlichen Glorie, die Seraphim und die Ophanim und die heiligen Chajot und die Boten des Dienstes“1. Auch hier spricht wieder zuerst eine haggadische üeberlieferung mit; es war eine alte Anschauung, daß die höheren Wesen Feuer seien2. Dam it konnte sich ein Gedanke des Proklus wieder verbinden; er erklärte, im Anschluß an die alte stoische Lehre vom Feuer, daß die Leiber der Götter aus feinstem, immateriellem Lichte genommen seien3, das durch alles hindurchgehen könne4. Aber das Entscheidende ist hier ein anderes: die Sonderung der Sephirot entspricht hier wieder dem System des Proklus; für diesen heißt die erste Trias der intellektuell-intelligiblen Götter — er glaubt darin Platos Phädrus zu folgen — der überhimmlische Ort5, das also, was für den Juden der Thron der Herrlichkeit“ hieß. Sprachen also die vorangehenden Sätze unseres Buches von dem obersten Intelligiblen, so jetzt dieser Satz von dem obersten Intellektuell-intelligiblen.
. Von den letzten sechs Sephirot spricht der dreizehnte Abschnitt: ,,Fünf — er hat Höhe gesiegelt und hat hervorgehen lassen nach oben . . .; Sechs — er hat Tiefe gesiegelt und hat hervorgehen lassen nach unten . . . Sieben — er hat Osten gesiegelt und hat hervorgehen lassen nach vorn . . .; Acht — er hat Westen gesiegelt und hat hervorgehen lassen nach hinten . . .; Neun — er hat. 1 , « 2 Gen. r. 78, 1; Exod. r. 15, 7; Jer. Rosch hasch. 58a. Vergl. II Hen. 29; II Bar. 59, 11. 3 Vergl. Zeller a. a. 0. S. 872. Dionysius Areopagita, der ebenfalls von Proklus herkommt, sah Gott und die Engel im Bilde des Feuers, dargestellt als Feuergestalten, έμ τυ ι '. — Ep. 9, 2 — . 4 Zeller a. a. O. Anm. 1 u. 2. Vergl. die stoische κ ί; oCokuw, Von hier aus gewinnt auch das Wort Seph. Jez. II, 6 ,,Luft, die nicht festgehalten wird“, seine Erklärung. 5 plat. Theol. IV, 37.
454
Leo Baeck
Süden gesiegelt und hat hervorgehen lassen nach rechts . . .; Zehn — ei hat Norden gesiegelt und hat hervorgehen lassen nach links . . Alles, was hier gesagt ist, gewinnt wieder von Proklus her seine Bestimmtheit. Zunächst die Vorstellung vom Siegeln. Proklus will die έ &ε ξ , die Teilnahme am Höheren, durch die etwas mit der Idee erfüllt ist, bildlich erklären, und er gebraucht hierfür, neben dem alten platonischen Bilde vom Spiegel, auch das, schon von Philo und dann auch von Plotin gern gebrauchte2, vom Siegel. Die Ideen sind das Siegelnde, sie geben ί χ ν ο ς τ ι kau ν ι , ,,eine Spur und ein Gepräge yon sich“3. Ganz so 1 st das Bild hier gebraucht. Die Sephirot sind die überwesentliehen Einheiten der Raumerstreckung; sie sind deren Siegel, die der Schöpfer aufdrückte, so daß, wie vorher gesagt war, ,,sein Wort in ihnen ist“4. Sie sind nicht der Raum selbst in seinen sechs Erstreckungen, sondern, als dessen überwesentliche Ein heiten, eben dessen Siegel. Das, was in früheren Sätzen als ,,einzeichnen, eingraben“ bezeichnet worden war, wird hier, als Wort für Erstreckung, ,,hinwenden“, erstrecken, hervorgehen lassen, genannt. Ebenso geht die Vorstellung vom Raum, die hier zu Grunde liegt, auf Proklus zurück. Für diesen ist der Raum ein Göttliches und Beseeltes, ein feinstes Licht, der kugelförmige, alles durchdringende und durch nichts geteilte, Lichtkörper der 1 Diese sechs Teilvariationen im Tetragram mat on sind Bezeichnungen dafür, daß in den Raumerstreckungen je ein verschiedenes Siegel Gottes, d. h. eine verschiedene von Gott hervorgehende Kraft, aber doch nicht die ganze Kraft Gottes ist. Die BeZeichnungen für Kombination bzw. Kombinierbarkeit und Variation bzww Variationsfähigkeit sind in unserem Buche: ; = wechseln, verbinden, tauschen; = ausgleichen s. II, 4 u. IV, 6 ff. 2 Philo, De mundi opif. I, 17; de migr. Abr. I, 451 u. 466; leg. alleg. I, 107 Mang. Plotin Enn. I, 1, 7; III , 6, 9. 3 In Parm. V, 71 ff. 4 S. MGWJ 1926, S. 373.
Vergl. Seph. Jez> IH ,: 2 :
*
Die . zehn Sephirot. im Sepher Jezira
455
W elt1. Eben das ist er für ,unseren Autor: aus Feuei2, hervorgehend aus überwesentlichen Einheiten, aus Sephirot3. *
Mit der Lehre von den Sephirot, die durch das Sepher Jezira in das Judentum eingeführt worden ist, trat in dasselbe, besonders in seine Mystik, ein Problem ein, das seitdem das Denken nicht mehr losgelassen hat, das Problem, wie das Eine, das Schöpferische die Gegensätze und die Verschiedenheiten aus sich entläßt. So sehr sich Inhalt und Bezeichnung der Sephirot später änderten, das Problem war immer dasselbe. Eines ist hierbei in unserem Buche ein Charakteristisches und Bestimmendes und ist es in der jüdisehen Mystik stets geblieben: an dem einen, einzigen Gott, wie die Bibel ihn verkündet hat, hielt das Denken immer, auch in dieser Problematik, unbeirrbar fest. Die Gefahr eines eigentlichen Pantheismus und eines Pankosmismus blieb damit fern. Ebenso ist ein anderes in unserem Buche und dann später in der gesamten jüdischen Mystik feststehend: die Idee der Erwählung Israels. Abraham ist der zur mystischen Erkenntnis Berufene gewesen, so schließt unser Buch, er ist der Mann, dem sich die Sephirot erschlossen haben, der zum Mittelpunkt hingelangt ist. Mit ihm und zugleich mit seinen Nachkommen hat der eine Gott diesen Bund geschlossen. Auch damit war hier eine Gefahr der Mystik ferngehalten. Alle Mystik stellt das Individuum aus der Gemeinde heraus und damit leicht gegen die Gemeinde4. Durch die deutliche und stetige Betonung dieses Erwählungsgedankens wurde dem Individuum sein Platz in der Gesamtgemeinde, seine innerste Verbindung mit ihr gewahrt. 1 In Remp. II , 197 f. Vgl. Zeller a. a. O. S. 71 f. 2 Der Ableitung der Sephirot — zusammengefaßt I, 14: — entspricht es, wenn die Sephira ]Fünf, und durch sie die folgenden, aus Vier abgeleitet wird = . 3 Von den Sephirot des Raumes sind die des Raumes geschieden; s. IV, 4. 4 Vergl. Elbogen, Der jüdische Gottesdienst, Ergänz, zu den Anmerk, der 2. Aufl., zu § 44, 5 ff.