VOLKER BIERBRAUER
Archäologie und Geschichte der Goten vom 1.—7. Jahrhundert Versuch einer Bilanz „Eine Wanderung muß sich ja nicht unbedingt im archäologischen Fundgut abzeichnen, und selbst das historisch ganz Unwahrscheinliche bleibt immerhin noch möglich." (Rolf Hachmann, Die Goten und Skandinavien, 1970, S. 465) Vorbemerkung» S. 51. - 1. Kontinentale Ethnogenese oder Einwanderung aus Skandinavien? Die OksywieKultur der jüngeren vorrömischen Eisenzeit, die Wielbark-Kultur der älteren römischen Kaiserzeit und benachbarte Kulturgruppen, S. 52; 1. Die Wielbark-Kultur während der älteren und zu Beginn der jüngeren römischen Kaiserzeit (Bl-B2/Cl-Cla; etwa Anfang des l.Jhs. - 220/230 n.Chr.), S. 53; 2. Kontinentale Ethnogenese oder Einwanderung über See?, S. 75. — II. Die Verlagerung der Wielbark-Kultur aus Pommern und Großpolen in die Gebiete östlich der mittleren Weichsel (1. Expansionsraum), S. 87. - III. Die gotische Landnahme in Wolhynien, der Ukraine und Moldavischen Republik: die Cernjachov-Kolrur (2. Expansionsraum), S. 98. — IV. Das Ende der ternjachov-Kultur, S. 117. — V. Die gotische Landnahme in der rumänischen Moldau, in Muntcnien, der Walachei und in Siebenbürgen: die Sintana de Mureg-Kultur (2. Expansionsraum), S. 121. - VI. Das Ende der Sintana de Mure§-Kultur, S. 133. - VII. Die Ostgoten nach dem Ende der £ernjachov-Kultur bis zur Einwanderung in Italien, S. 134. — VIII. Die Ostgoten in Italien, S. 140. — DL Westgoten im 5.-7, Jahrhundert, S. 152; 1. Westgoten zwischen 376 und 418, S. 152; 2. Westgoten im tolosanischen Reich (418-507), S. 153; 3. Das spanische Westgotenreich (507-711), S. 155.
VORBEMERKUNG*
Zu einzelnen Aspekten und Problemen dieses Themas gibt es eine Fülle von Literatur, Monographien und Einzelstudien, sowohl von Althistorikern und Mediävisten als auch von Archäologen mit seit alters her wechselnden zeitlichen, inhaltlichthematischen und regionalen Schwerpunkten. Auf die Darstellung dieser mehr als 100jährigen Forschungsgeschiente wird einleitend dennoch verzichtet; wollte man diese ausreichend informierend und methodisch kritisch und fair zugleich referieren, käme ohne Zweifel eine Monographie zustande. Da mit Ausnahme des historischen Standardwerkes von Herwig Wolfram (ohne die spanischen Westgoten)1 ohnehin keine weiteren zusammenfassenden Monographien oder längere Einzelstudien zur GeVorbemerkung zur Ziticrwcwe: Aufsätze in polnischer Sprache sind dann in Deutsch oder fremdsprachig zitiert, wenn eine entsprechend betitelte Zusammenfassung beigefügt oder im Untertitel so angegeben ist; dies mit Blick auf den Leser, der dadurch besser den Inhalt dieser Studie erkennen kann. HLKVIC WOLFKAM, Die Goten, Von den Anfangen bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts, München 31990; dazu interdisziplinär in polnischer Sprache: JFKZV STKZIJJCZYK, Guci - Rzcczywistoia I legenda, Warschau 1984; für Polen (historisch): JAN CZAKNECKI, The Goths in ändern Poland (Univendty of Miami Frau) Carol Gable«, Florida 1975.
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schichte einerseits oder Archäologie andererseits der Goten vom 1.-7. Jahrhundert in einer westlichen Sprache vorliegen2, wird der Forschungsstand zu beiden Disziplinen erst in den einzelnen Kapiteln möglichst angemessen berücksichtigt. Eine interdisziplinäre, zeitlich übergreifende und überregionale Aufarbeitung gibt es bislang nicht; Ziel dieser Arbeit ist also vor allem der Versuch, die Archäologie der Goten erstmals zusammenhängend und dennoch ausreichend detailliert in ihren einzelnen Etappen darzustellen3 mit dem Bemühen, die archäologisch gewonnenen Ergebnisse auch interdisziplinär einzuordnen und zu bewerten, soweit dies dem Autor als Archäologen möglich ist.
jf I. KONTINENTALE ETHNOGENESE ODER EINWANDERUNG AUS SKANDINAVIEN? DIE OKSYWIE-KULTUR DER JÜNGEREN VORRÖMISCHEN EISENZEIT, DIE WIELBARK-KULTUR DER ÄLTEREN RÖMISCHEN KAISERZEIT UND BENACHBARTE KULTURGRUPPEN
Unbestritten lassen sowohl die Origo gentis' (Jordanes, Getica 1,9 und 25 f.; XVII,94 f.) als auch und vor allem die ältesten Nachrichten antiker Autoren über die Goten (Strabo, Plinius d. Ä., Tacitus, Ptolemaios; s. unten) deren kontinentale Wohnsitze in der älteren Kaiserzeit ganz allgemein im östlichen bzw. nordöstlichen Mitteleuropa erkennen, nach Strabo bereits 5/6 n. Chr. (terminus ante quem), und zwar vermutlich als östlichster germanischer Stammesverband mit den aistischen (westbaltischen), also wohl nichtgermanischen östlichen Nachbarn (dies trotz Tacitus, Germania 45-46; Aestorutn gmtts, hie Suebiaeßnis\ s. unten). Ein detaillierteres Eingehen auf diese Schriftquellen soll an dieser Stelle noch bewußt unterbleiben; diese grobe regionale Umschreibung genügt vorerst vollkommen, um mit archäologischen Quellen und Methoden die älteste Geschichte der Goten untersuchen zu können. Erst nach einem geklärten archäologischen Sachverhalt wird dieser mit den dann näher darzustellenden und zu bewertenden Schriftquellen und den daraus abgeleiteten Meinungen der historischen Forschung in Beziehung gebracht und verglichen; diese Vorgehensweise, also die strikte Trennung zwischen archäologischer und historischer Beweisführung und deren Ergebnissen als selbstverständliches methodisches Postulat (keine gemischte Ar-' gumentation), wird auch die Strukturierung der folgenden Kapitel bestimmen. Es empfiehlt sich - auch mit Blick auf die bereits kurz erwähnten ältesten Schriftquellen zu den älterkaiserzeitlichen Wohnsitzen der Goten ganz allgemein im örtlichen bzw. nordöstlichen Mitteleuropa —, sich zunächst mit den Kulturgruppen der älteren Kaiserzeit in diesem Räum, also in Nord- und Mittelpolen, zu befassen: Wie sind sie strukturiert, und vor allem inwieweit sind sie eigengeprägt, wo sind sie verbreitet,
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Zwei sogenannte Sachbücher, die sich auch an einen weiteren Leserkreis wenden wollen, können naturgemäß wissenschaftlich nicht voll ausreichend informieren: PEDRO DE PALOL-GISELA RIPOLL, Die Goten. Geschichte und Kunst in Westeuropa, Stuttgart-Zürich 1988 und MICHEL KAZANSKI, Les Goths (Icr-VHc siecle apres J.-C), Paris 1992. Erste kurze Darstellung bei: VOLKER BIERBRAUER, Die Goten vom 1-7. Jahrhundert n.Chr.: Siedelgebiete und Wanderbewegungen aufgrund archäologischer Quellen, in: ELDRID STRAUME-ELLEN SKAR (Red.), Peregrinatio Gothica III. Symposium Frederikstad, Norway, 1991 (Universitetets Oldsaksamlings Skrifter, Ny rekke 14) Oslo 1992, S. 9-43.
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kurzum: lassen sich auf dieser Grundlage schon gesicherte archäologische Kriterien finden, die erste Hinweise auf eine Verbindung mit der schriftlichen Überlieferung, also schon erste ethnische Interpretationen zulassen? Die archäologische Kulturgruppenforschung ist unter nahezu allen relevanten Gesichtspunkten im Osten der 'Germania libera' bereits sehr weit fortgeschritten (s. unten), jedenfalls weiter als im Westen4, auch— und dies ist wichtig für jedwede kulturgeschichtliche Interpretation — in fei n chronologischer Hinsicht Wie deutlich werden wirdj hat hier die polnische Forschung Vorbildliches geleistet. Im Zentrum der Ausführungen steht die WielbarkKultur der älteren (und jüngeren) Kaiserzeit, da sie schon seit alters her und nun erst recht durch eine erheblich verbesserte Quellenlage und ausreichende Publikationslage genügend Anlaß gab und gibt, in ihr auch Goten-Gutones der Schriftquellen zu sehen, warum? Befassen wir uns also zunächst mit der Wielbark-Kultur der älteren Kaiserzeit (= Phase Lubowidz), sodann kurz mit ihren Nachbarkulturen und schreiten dann zurück zu der der Wielbark-Kultur zeitlich und regional vorangehenden Oksywie (= Oxhöft)-Kultur der schriftlosen jüngeren vorrömischen Eisenzeit, um die Ethnogenese der Wielbark-Kultur verstehen zu können; hierbei ist man eo ipso mit dem Problem konfrontiert, das so alt wie die Forschung ist: der angeblichen Herkunft der Goten aus Skandinavien. 1. Die Wielbark-Kultur während der älteren und zu Beginn der jüngeren römischen Kaiserzeit (Bl—B2/C1—Cla; etwa Anfang des 1. Jhs.-220/230 n.Chr.) 5 Sie bildet sich am Übergang von der jüngeren vorrömischen Eisenzeit zur älteren Kaiserzeit heraus und ist als eigenständige Kulturfazies (Kulturgruppe) spätestens in Zusammenfassend und methodisch korrekt und vorsichtig zugleich, weil Quellen und Aussagemöglichkeiten nicht überfordernd, immer ooch: RAFAEL VON USLAR, Bemerkungen zu einer Karte germanischer Funde der älteren Kaiserzeit, in: Germania 29,1951, S. 44-47 mit Abb. 1; DERS., Archäologische Fundgruppen und germanische Stammesgebiete vornehmlich aus der Zeit um Christi Geburt, in: Historisches Jahrbuch 71,1952, S. 1-36 (mit Kartenbeilagc); DERS., Zu einer Fundkarte der jüngeren Kaiserzeit in der wesdichen Germania libera, in: Prähistorische Zeitschrift 52,1977, S. 121-147 (mit Karte Beilage 5); GERHARD MILDENBERGER, Sozial- und Kulturgeschichte der Germanen, Stuttgart 21977, Karten Abb. 1-2 S. 22 ££ Zur relativen und absoluten Chronologie des kaiserzcidichen Fundstoffcs in der 'Germania libera*, insbesondere in deren östlichen Regionen (Wiclbark- und Przcworsk-Kultur), vgl. die Arbeiten von Kazimicrz Godlowski (s. unten); sie sind methodisch gut begründet und feinchronologisch mittlerweile wen entwickelt: Stufe Bl (mit den drei Substufcn Bla, Blb und Blc): ca. Anfang des 1. Jahrhunderts80 n.Chr.; B2 (mit B2a und B2b): ca. 8
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Waffenlosigkcit und auffallende Beigabenarmut in den Männergräbern, die mit archäologischen Mitteln geschlechtsspezifisch also nur ausnahmsweise gesichert ausgesondert werden können (vor allem durch Sporen in den Gräbern Berittener in der ausgehenden älteren Kaiserzeit)9; dies impliziert eine ungleiche Behandlung beider Geschlechter in der Beigabensitte, da umgekehrt die Frauen im sog. normati-
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Fig, l Lage des Trachtzubchörs In Fraucngräbcrn der Wielbark-Kultur während der älteren Kaiserzeit und zu Beginn der jüngeren Kaiserzcit mit Fibeln, Gürtelschnalle (mit Gürtelbesatz und Riemenzunge)» Armreifen, Perlenkette (mit Schließhaken und birnenförmigem Anhänger). Nach TEMPELMANN-AI^CZYNSKA (wie Anm. 11) S. 207 Abb. 1.
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Zulem: PJOTK KACZANO«:MU~JAIU;» ZA&OKOWKI, Bemerkungen über die Bewaffnung der Bevölkerung der U'»ctt>ark'Kultur,, in: JAN Gu*AA~ANu*Zij KOKC«T>KI (RcA), Kulrura wielbarska w mlodszym ukrettc mmskim 1, ttMr> 198K, S. 221-239.
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Fig. 2 Kennzeichnendes Trachtzubehör und Schmuck der Wielbark-Kultur in Frauen- und Männergräbern während der älteren Kaiserzeit und der beginnenden jüngeren Kaiserzeit. Nach WOL^GIEWICZ, Kultury oksywska i wielbarska (wie Anm. 6) S. 146 Taf. 23.
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ven Bereich der Beigabensitte10 'komplett' ausgestattet sind* d. h. sie wurden in ihrer Tracht (Mehrfibeltracht und Gürtelbesatz) und mit ihrem Schmuck, der teilweise ethnographische Züge tragen kann (s. unten), beigesetzt (Fig. l—2)11. Gehörten drei Fibeln zur Tracht, so ist das dritte Exemplar meist von einem anderen Typ und kleiner; Fibelpaar und 'Drittfiber bzw. Einzelfibel gehörten zu verschiedenen Gewändern. — Das Trachtzubehör und der Schmuck sind fast ausschließlich aus Bronze gefertigt. Sicherlich nachgeordnet in der Wertigkeit zur Definition einer Kulturfazies sind Verbreitungsräume von Sachaltertümern, da sie zunächst nur Absatzgebiete von Werkstätten und/oder Vorlieben für bestimmte Typen widerzuspiegeln brauchen; häufen sich jedoch Verbreitungsschwerpunkte in jeweils übereinstimmenden Regionen und decken sich diese ganz oder überwiegend mit dem Verbreitungsraum einer Kulturfazies, die mit höherrangigen Merkmalen definiert werden konnte (Grab- und Beigabensitte; Tracht), so kommt ihnen stützende Funktion zu, vor allem dann, wenn es sich um besondere Ausprägungen eines überregional bekannten und verbreiteten Typs handelt; dies wird besonders deutlich bei den 'barocken' Ausführungen der Schildkopfarmringe (Fig. 3), aber auch bestimmten Fibelformen wie der Fibel Almgren 96 (Fig. 4) und bestimmten Tongefäßen mit spezifischem Dekor (Fig. 5 a—b)12; dies ist mehr oder weniger der Fall (vgl. die Verbreitungskarten zur Wielbark-Kultur: Fig. 6—7, 9). Gut erforscht sind durch die polnischen Kollegen auch die Verbreitungsgebiete der Wielbark-Kultur in ihrer zeitlichen Tiefe, d. h. die siedlungsgeschichtlichen Etappen und Veränderungen der älterkaiserzeitlichen Wielbark-Kultur sind kartographisch gut erkennbar an der Aufschlüsselung der Wielbark-Siedlung auf die Zeitstufen Bl, B2 und B2/C1—Cla; leider sind diese Karten nicht mit geomorpho10
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Eng mit der Person verbundene Ausstattungselemente, bei der Frau eben das Trachtzubehör: vgl. hierzu HERMANN FRIEDRICH MULLER, Das alamannische Gräberfeld von Hemmingen, Stuttgart 1976, S. 127-136, bes. S. 133 f£ MAGDALENAltMPELMANN-M^czvNSiCA, Das Frauentrachtzubehör des mittcl- und osteuropäischen Barbaricums in der römischen Kaiserzeit, Krakow 1989, S. 65-77; DIES., Die Frauentracht der WielbarkKultur und ihre Beziehungen zu den Nachbargebicten, in: GuRBA-KÖKOWSKi (Red.) (wie Anm. 9) S. 205-220; MALGORZATA SAJKCWSKA, An attempt of teconstructing the woman's cloths in die Wiclbark culture during the cariy period of roman influences, in: MAUNOWSKI (Red.) (wie Anm. 6) S. 245-262; JERZY MAIK, The use of texoles in mc dress of the Wielbark culcure pcople, in: ebd. S. 217-233. Z. B. KAZIMJERZ GODLÖWSKI, Gegenseitige Beziehungen zwischen der Wiclbark- und der PtzeworskKultur, Veränderungen ihrer Verbreitung und das Problem der Gotenwanderung, in: KMIECINSXI (Red.) (wie Anm. 7) S. 125-152» S. 128 f.; ferner: Fibel Almgren 96: GÄZEGORZ DOMANSKI, in: Przcglad Archeologiczny 2t, 1973, S. 147 Abb. 6; Schildkopfarmringe: TADEUSZ WOJCIK, Pommerschc Formen der Schildkopfarmringe aus der römischen Kaisetzeit, in: Materiaiy Zachodniopomorskie 24, 1978, S. 35-113; Keramik: RYSZAKÜ WOLAGJEWICZ, Die Chronologie der Keramik der Wielbark-Kultur, in: GURBA-.KOKOWSKJ (Red.) (wie Anm. 9) S. 145-155; J. V. KUCHARENKP, Mogil'nik Brest-Triiin, Moskau 1980, S. 30—43; TAUEUSZ GKARAKCZYK, Metajowe rzcmioslo artystyczne na Pomorzu w okresit rzymskim, Wroclaw ... 1983. * Umgekehrt gibt «.· Trachuubehör, das von der VWelbark-Bevölkerung nicht übernommen wurde, aber von den Nachbarkukuren, und das wie ein Kranz die Wicllurk-Kuhur von allen Seiten umtchliclit, so z, ß. die DoppeldornKhnaJlcn mit rechteckigem Rahmen: RENATA MADYIMI-LCUTKO, Doppcldornschnailcn mit rechteckigem Rahmen Im europitiichcD Barbaricum, in; Germania 68,1990, $. 551-585 mit Karte A4>b. 1.
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logischen bzw. bodenertragskundlichen Merkmalen unterlegt13. Dennoch sind diese Karten für das Verständnis der Wielbark-Kultur insgesamt von entscheidender Bedeutung, und zwar unter ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten: Der Verbreitungsraum in Bl (ca. Anfang 1. Jh.-80 n. Chr.): Er ist beschränkt auf den küstennahen Bereich Nord- und Nordostpommerns sowie im Landesinneren auf den westlichen Teil der krajenischen Seenplatte in Mittelpommern südlich des Oberlaufes der Rega und sodann auf das untere Weichseltal bis östlich von Elbing und einschließlich des westlichen Kulmer Landes (Fig. 6); siedelleer ist noch der größere Teil von Mittel- und Südpommern sowie Großpolen im Bereich von Netze und Warme. Die besiedelten Flächen beziehen sich somit weitgehend auf die guten Alluvialböden und Lößbedeckungen im Weichseltal und auf Braunerden/ Parabraunerden. Dieses sehr spezifische Siedelbild mit (weiterhin) besiedelten und (noch) unbesiedelten Landschaften ist in seiner Interpretation bedeutsam im Vergleich sowohl zum Siedelbild der vorangehenden Oksywie-Kultur während der jüngeren vorrömischen Eisenzeit (S. 76 ff.; Fig. 11) als auch zu den Nachbarkulturen in B l (Fig. 6). Mit Ausnahme der stark eibgermanisch geprägten Gustow- und Lebuser-Gruppe im unteren Odergebiet befindet sich die Wielbark-Kultur (noch) in einer Art Insellage, also ohne grenznachbarschaftliche Anrainersituationen zu den Nachbarkulturen im Süden, Südosten und Osten, was Grenzakkulturationen ausschließt: So liegen beträchtliche siedelleere Zonen zwischen ihr und der Przeworsk-Kultur mit ihren nördlichen Siedelgebieten im südlichen Großpolen, in Kujawien und Nordmasowien14 (zur Przeworsk-Kultur: S. 67 f£) und den westbaltischen Kulturgruppen (westbaltische Grabhügelkultur in Samland und Natangen und Bogaczewo-Kultur in Masuren)15 (Fig. 6). Die Wielbark-Kultur kommuniziert somit nicht oder nur unwesentlich mit ihren Nachbarkulturen, empfangt und gibt nicht von bzw. nach außen; dies ist wichtig, da entscheidende Veränderungen in der sich herausbildenden Wielbark-Kultur in B l im Vergleich zur regional und zeitlich vorangehenden Oksywie-Kultur daher sinnvoll nicht durch Einwirkungen dieser kontinentalen Nachbarkulturen erklärt werden können. 13
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RyszARD WOLAGIEWJCZ, Stan badan nad okresem rzymskim na Pomorzu, in: KAZIMIERZ GODLOWSKIRENATA MAITYDA-LECUTXO (Red.), Stan i potrzeby badan nad mlodszym okresem przedrzymskim i okresem -wplywow tzymskich w PoUce, Krakow 1986, S. 299—318, mit Karten als Beilagen (= Konferenz Krakow); GODLOWSKJ (wie Anm. 12) Karten 1-3; DERS., Germanische Wanderungen (wie Anm. 5) Karten 3-5; DERS., Przcmiany kulrurowe i osadnicze w poludniowej i srodkowcj Polsce w mJodszym okrcsie przedrzyraskim i w okrcsie rzymskim, Wrodaw ... 1985 mit Karten 3-5; DERS., PrzeworskKultur (wie Anm. 5) mit Karten 3—5; JERZY OKULJCZ-KOZARYN, Centrum kulturowe z pierwszych wtekow naszej ery u ujscia Wbty, in: JJEKZV OKUUCZ-KOZARYN-*WOJCIECH NCWAXOVC^KJ (Red.), Barbaricum 2, Warszawa 1992, S. 137-155 mit Karte Abb. 1. - Berücksichtigung von Geomorphologie und Bodengüte für ausgewählte Meine Zonen bei KRYSTYNA PRZEWOZNA, Strukrura i rozwuj zasiedienia rx>tudniowo»w&chodnic) strcfy aadbaltyckiej u schylku starozytnoici, Warszawa—Poznan 1974. Woj^Acitvicz und GODLOWSKI (wie Anm. 13) mit dct iewciiigcn Karte für Bl. WojCirjqH NOVAKOWSKI, Wielbark-Kultur und wcstbiüti»cher Kuharkreis, in: JAN GüKhA-ANDRZtj Kc>»· » (Rai.}, Kauliitta wielbafsk» w mkxfezym okresie rzymikim 2, Lüblin 1989, S. 143-159 mit Abb. 1; D&KS., Baltcs et proto-Siave» dans fAnriquite, Textes et archcologie, ia· DiaJogucs d*h»toirc ancienne 16,1, 1990, S. 359-402. S. 364 ff; DMA. J^idy na poJnocnc^wscnodnich skrajach Barbaric**. „Germania** Tacyta w iwieüe onaüzy zrt"xitJ archw>logicxnych, in: Meandcf 2-3, 1990, S. 75-96; Jtkzv OKUUCZ, MritgoAA\> and VJ^gorzirwr» <^f tbe West-Bait Cultuic groups and thtr problem of „Galindaj*4 and M&udifti>i** triben. ißi Roznik Bialo«tpcki 14.1981, S. 151-167 mit Kartr 1.
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Der Verbrcitungsraum in B2 (ca. 80-160 n.Chr.): In diesen Zeitabschnitt fallen - außer Siedelverdichtungen in den in Bl besetzten Räumen - bemerkenswerte Erweiterungen des Siedlungsraumes der Wielbark-Populationen. Er erstreckt sich nun in die zuvor siedelleeren Gebiete Mittel- und Südpommerns (pommersche Hochebene und Seenplatte mit Pommerellen und Tucheier Heide) bis in das nördliche Großpolen (Netze-Warthe-Raum), östlich der Weichsel bis zur Passarge und im Südosten bis in das Gebiet zwischen Dwerenz und Wkra (Ziema Dobrzynska) (Fig. T)16; in Pommern werden nun erstmals auch weniger gute Böden mit Eisen-Humuspodsol in Heide- und Sanderflächen besetzt, wobei jedoch extrem schlechte Böden weitgehend bzw. ganz ausgespart bleiben. In Zeitstufe B2 ist - wie oben schon erwähnt - die neue Bestattungsform mit Grabhügeln vom Typ Odry-We.siory-Grzybnica (Fig. 8) und mit Steinkreisen voll ausgebildet; bemerkenswert ist, daß beides, Grabhügel und Steinkreise, bei einer Ausnahme im Kreis Slupsk (Stolp) an die erst in B2 erweiterten Siedelgebiete gebunden sind (Fig. 8, im Vergleich zu Fig. 6)17. Abgesehen von der Frage, wie diese erhebliche Siedlungsverdichtung und Siedelerweiterung erklärt werden kann, was noch offen ist (demographische Gründe, Zuwanderungen?), bedarf auch die auffallende zeitliche und räumliche Koinzidenz zwischen dem Aufkommen dieser neuen Sitte und der Siedlungserweiterung nach Mittel- und Südpommern einer Erklärung; da die Grabhügel und Steinkreise seit altes her mit Einwanderungen (von Goten) aus Skandinavien in Verbindung gebracht wurden, sei auf diese Frage erst weiter unten im entsprechenden Kontext näher eingegangen (S. 85 ff.). Das in B2 erweiterte Siedelgebiet brachte die Wielbark-Kultur - abgesehen von der unveränderten Situation ganz im Nordwesten - nun erstmals in einen unmittelbaren Kontakt zu ihren Nachbarkulturen (Fig. 7). Die in B2a entstehende westbaltische samländische-natangische Kulturgruppe von Dollkeim/Kovrovo und auch die Bogaczewo-Kultur in Masuren, letztere mit nahezu unveränderter Westausdehnung gegenüber Bl, sind nun unmittelbare Nachbarn vor allem im Bereich der Passarge, was auch zu einer beachtlichen 'Wielbarkisierung' der Dollkeim-Kovrovo-Kultur führte (von der Übernahme von Sachgütern des Trachtzubehöres, Schmuckes und Keramik bis zur Bestattungssitte, d. h. der Übernahme der Körperbestattung); diese grenznachbarschaftliche Situation wirkte sich in umgekehrter Richtung wesentlich schwächer aus18. 16
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WOLAGIEWICZ und GODLOWSKI (wie Anm. 13) mit den jeweiligen Karten für B2; für Ziemia Dobrzynska: KRYSTINA HAHULA, Die Wielbark-Kultur in der Region Ziemia Dobrzynska, in: GURBA-KOKÖWSKI (Red.) (wie Anm. 9) S. 87-103. Grabhügel zuletzt: WOLAGIEWICZ, Kre.gi kamienne (wie Anm. 8) mit Karte Abb. 40; DERS., Die Goten (wie Anm. 8) S. 98 Abb. 17; Steinkreise zuletzt: ANDRZEJ KOKOWSKI, Zur Frage der Steinkreise in der Mittelzone von der Pommerschen Seenplatte, in: Folia Archaeologica 8, 1987, S. 63-79 mit Karte Abb. 6. - Kritische Anmerkungen zur Aussagekraft der Verbreitungskarten (zerstört in landwirtschaftlich stark genützten Gebieten wie z. B. im unteren Weichseltal) bei GODLOWSKI, Germanische Wanderungen (wie Anm. 5) S. 62; dem ist aber u. a. entgegenzuhalten, daß Grabhügel und Steinkreise auch weiter östlich im westpreußischen Seengebiet am Oberlauf der Passarge und der Dwerenz nördlich und südwestlich von Osterode fehlen, dort auch Wielbark-Gräberfelder in B2, Zuletzt ausführlich: NÖWAKOWSKI, Wielbark-Kultur (wie Anm. 15) S. 143 ff. mit Abb. 2-3; DERS., Kulturowy krag zachodniobaltycki w okresie wplywow rzymskich, in: Archeologia bahyjska, Olsztyn 1991, S. 42-66, bes. S. 52 f£ (= Konferenz Olsztyn); DERS., Baltes et Proto-Slaves dans l'Antiquite (wie Anm. 15) S. 359-402, bes. S. 370 ff.
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Nur noch gering sind nun auch die Abstände der Wielbark-Kultur zur PrzeworskKultur, deren nördlicher Siedlungsbereich gegenüber B l ebenfalls nahezu unverändert bleibt; in Kujawien 'trennt* nur noch die Weichsel beide Kulturen19. Im Südosten entsteht in der Stufe B2b (ca. 120-160) die Luboszyce-Kultur beidseits der mittleren Oder (Lebus-Land, ein Teil Niederschlesiens, die Lausitz und das östliche Brandenburg: Burgunder?), die eng mit der Przeworsk-Kultur verbunden ist, bei deren Ethnogenese aber wohl auch die Wielbark-Kultur beteiligt war20. Der Verbreitungsräum in B2/Cl-Cla (ca. 160-220/230 n. Chr.): Den Kulminationspunkt dieser beschriebenen und von der polnischen Forschung vorzüglich aufbereiteten Entwicklung bildet der Übergang von der älteren zur jüngeren Kaiserzeit bzw. die beginnende jüngere Kaiserzeit mit einer weiteren Siedlungsverdichtung in den alten Räumen und einer nochmaligen, wenn auch geringfügigen Siedelerweitefung in jene noch verbliebenen schmalen siedelleeren Zonen zu den Nachbarkulturen (Fig. 9). So schiebt sich die Wielbark-Siedlung nun direkt an die Westgrenze der beiden westbaltischen Kulturgruppen in Samland und Natangen sowie in Masuren (Dollkeim/Kovrovo- und Bogaczewo-Kultur) vor21 und im Süden sehr nahe an die Przeworsk-Kultur mit einer Gemengelage beider Kulturen in Kujawien (Fig. 9)22; die Darstellung der am Ende von B2 und in B2/C1 einsetzenden BesiedlungsVeränderungen im Bereich der Wielbark- und Przeworsk-Kultur erfolgt weiter unten (Kapitel II), da diese schon Teil der (gotischen) Südostwanderung von Trägern der Wielbark-Kultur sind. Die Nachbarkulturen: Die Umschreibung der Wielbark-Kultur durch kulturimmanente Determinanten während der älteren und beginnenden jüngeren Kaiserzeit erfolgte bereits oben (S. 53 ff.); genauso wichtig zu ihrer Kennzeichnung als eigenständige unverwechselbare Kulturfazies ist aber auch ihr Vergleich mit den Nachbarkulturen, die schon mehrfach bei der Darstellung der Siedelgebiete erwähnt wurden: die westbaltischen Kulturgruppen im Osten und die Przeworsk-Kultur im Südosten und Süden; deren Kennzeichnung erfolgt nur kurz und insoweit, als deren grundsätzliche Verschiedenartigkeit zum Verständnis der Wielbark-Kultur unbedingt nötig ist. Die Przeworsk-Kultur: Sie ist gut erforscht, vor allem durch Kazimierz Godiowski23; von der deutschen Vorkriegsforschung als „wandalische Kultur" bezeichnet24, ist die von der polnischen Forschung schon früh benützte Benennung Prze19
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Zuletzt GODUWSW, Przcmiany (wie Anm, 13) S. 53 ff, mit Karte Beilage 4; DERS. (wie Anm. 12) S. 128 mit Karte 2; DEKS.» Przcworsk-Kultur (wie Anm. 5) S, 29 £ mit Karte 4. GfcZEOQKZ DOMANSKI, Die Luboszyce-Kulrur und die Wiclbark-Kuitur, in: GURUA-KQKOWSKI (Red) (wie Anm. 15) S. 127-141 (mit alteret Literatur), V$. Anm, 18, besonders: NOVAKDWSKJ, Kulturowy kc?.g, Abb. 1.
22 Vg|, Anm. 19. 21 v
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gf< vor allem seine zuletzt erschienene und vorläufig abschließende* umfangreiche Studie: Pr*cwon>kKultur (wie Anm. 5). KUKT TACKUKUEKC, Die Wandalen in Niederschrien, Leipzig 1925; JAHN, Die Wandalen, in: VorgcKhichte' der deutschen Stämme, Leipzig 1940, S. 943-1032.
Fig. 9 Wielbark-Kultur (ausgefüllter Kreis) der Stufen B2/C1 und Cla mit Nachbarkulturen; zu den Signaturen: vgl. Fig. 6; dazu Luboszyce-Kultur: Balken (Kartierung nur bis Oder). Wielbark-Kultur und odergermanische Gruppen: WOLAGIEWICZ (wie Anm. 13) Karte 4; GODLOWSKI, Przeworsk-Kultur (wie Anm. 5) S. 32 Karte 5; Przeworsk- und Luboszyce-Kultur: GODLOWSKJ, Przeworsk-Kultur, S. 32 Karte 5; DERS., Germanische Wanderungen (wie Anm. 5) S. 65 Karte 5; DERS., Przemiany (wie Anm. 13) Karte 5; westbaltische Kulturgruppen: NOWAKOWSKI, Kulturowy krag (wie Anm. 18) S. 44 Abb. 1.
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worsk-Kultur h^ute allgemein gebräuchlich, dies nach dem großen Gräberfeld von Gac, nahe der südostpolriischen Stadt Przeworsk. Die Genese dieser Kultur vollzieht sich am Beginn der jüngeren vorrömischen Eisenzeit (zu Beginn von Stufe AI) etwa in der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. sehr wahrscheinlich auf der demographischen Grundlage der autochthonen Bevölkerungsgruppen (Pommersche Kultur bzw. Glokkengräberkultur) bei einem beträchtlichen Anteil eingewanderter Germanen aus dem Bereich der Jastorf-Kültur im Westen und Nordwesten sowie unter starkem Einfluß der keltischen Latenekultur25; das Verbreitungsgebiet dieser Kulturgruppe erstreckt sich in der jüngeren vorrömischen Eisenzeit zwischen mitderer Oder im Westen und mittlerer Weichsel im Osten, reicht dann östlich der Weichsel bis Kujawien und Masowien und im Buggebiet bis nach Podiasien, im Süden bis weit nach Schlesien im mittleren und teilweise noch oberen Odergebiet sowie an der oberen Weichsel bis in die Gegend von Krakau, die Nordausdehnung liegt etwa auf der Höhe von WartheThorn26. Abgesehen von zeitlich und regional unterschiedlichen Siedlungsreduktionen und Siedelverdichtungen und vor allem vom gänzlichen Ausfall der Besiedlung im Westteil der Przeworsk-Kultur in Niederschlesien und im nördlichen Großpolen am Ende der Stufe A2 bzw. am Übergang zur Stufe A3 um 50 v. Chr. (mit Abwanderungen nach Westen im Gefolge der Sueben-Expansionen)27, deren Darstellung hier entbehrlich ist, und abgesehen von tiefgreifenden Veränderungen im Verbreitungsgebiet östlich der mittleren Weichsel verbunden mit Süd- und Südostexpansionen am Ende der älteren Kaiserzeit, die weiter unten wesentlicher Teil unserer Thematik sein werden (S. 87 ff.), ändert sich am Siedelbild in den Kernräumen zwischen Oder und Weichsel während des gesamten Bestehens der Kultur in der jüngeren vorrömischen Eisenzeit und römischen Kaiserzeit (AI—C3) nur wenig (Fig. 6^7, 9)28. Zudem verläuft die Entwicklung der Przeworsk-Kultur — abgesehen von ihren zeitbedingten Ausformungen — in ihren grundsatzlichen Determinanten kontinuierlich, ohne entscheidende Brüche, wie sie in anderen Kulturen in vergleichbar längen Zeiträumen eher die Regel sind; dies ist bemerkenswert angesichts der 600jährigen Geschichte dieser Kultur. Die Eigenständigkeit im Kulturgefiige beruht im wesentlichen auf folgenden Merkmalen, die sie auch von den Nachbarkulturen, insbesondere von der WielbarkKultur, regelhaft scharf abgrenzen; sie betreffen die Grab- und Beigabensitte, Trachteigentümlichkeiten und deren Typen, Schmuck und andere Sachgüter: a. reine Brandgräberfelder (meist Brandgrubengräber; dann Brandschüttungs- und Urnengräber, die beiden letzteren in der älteren Kaiserzeit ansteigend), b. WafFenbeigabe beim Mann, c. Beigabe von Gerätschaften, d. reichhaltige Geschirrsätze, e. die Anfertigung des Trachtzubehörs und des Schmucks aus Eisen aus Eisenverhüttungszentren im Bereich der Przeworsk-Kultur, f. spezifische Formen und Ornamentik der Tonware und g. das weitgehende Fehlen von Typen des Trachtzubehörs und Schmucks, die in den 25
Zuletzt mit älterer Literatur: TERESA D^BROTSKA, Bemerkungen über die Entstehung der PrzeworskKuitur, in: Prihiston&che Eilschrift 63, 1988, S. 53-80; DIES.» Frühe Einflüsse der Pnxworsk-Kultur auf die Jastorf-KulouE, in: Zeitschrift für Archäologie 23,1988, S. 191-210; DIES., Wczc&ne fazy kultury przeworsloq. Chroncilogia-zasieg-powifzania, Warszawa 1988; CoDtowSKi, Przeworsk-Kultur (wie Anro. 5) S. 10-14. *<* Zutoi GODIX>*'$JU, Przcwottk-Kultur (wie Arun. 5) S. 12-22, ** Goouwsu, ebd. S. 17-19. ** Gou{x>«'&fcit ebd. paftsim mit Karten 1-7.
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Nachbarkulturen (auch in der Wielbark-Kultur) - oft sogar als interregionale Typen — verbreitet sind29. Trotz Verlust und Zugewinn von Territorien an der Peripherie dieser Kultur sind die mehrhundertjährige Siedelkonstanz in den Kerngebieten und das Bündel an hochrangigen kulturdefinierenden, stabilen Merkmalen von so grundsätzlicher Bedeutung, daß die Przeworsk-Kultur als eine in sich auffallend geschlossene Kulturfazies begriffen werden darf; ihr Verbreitungsgebiet war „von einer Bevölkerung bewohnt, die gemeinsame Sitten und religiöse Vorstellungen besaß und durch mannigfaltige, stabile Bande wirtschaftlicher ... Natur verknüpft war"30. Trotz aller Einheitlichkeit im Grundsätzlichen bestehen dennoch lokale Besonderheiten, und zwar im östlichen Zweig der Przeworsk-Kultur, also östlich der Weichsel (Fig. 6—7), besonders in der sog. Nidzica-(Neidenburger)Gruppe im nördlichen Masowien, die - wie oben schon erwähnt - in B l nahezu unmittelbar an die WielbarkKultur grenzt; vor allem wegen der fehlenden Waffenbeigabe weist die NidzicaGruppe Züge der Wielbark-Kultur auf31, was sich in Stufe B2, in der die NidzicaGruppe schon verschwindet (S. 90), noch verstärkt (Fibeln, Keramik vom WielbarkTyp)32 (Grenzakkulturation; Wielbarkisierung); obgleich sich dieser Wielbark-Einfluß auch sonst in Nordmasowien auswirkt, ist an der Zugehörigkeit Masowiens zur Przeworsk-Kultur wegen des Gesamthabitus dennoch nicht zu zweifeln. Diese östliche lokale Variante der Przeworsk-Kultur wurde deswegen erwähnt, und es ist weiter unten nochmals darauf zurückzukommen, da Rolf Hachmann in dieser masowischen Gruppe der jüngeren vorrömischen Eisenzeit und der älteren Kaiserzeit das kontinentale Siedelgebiet der Goten glaubte nachweisen zu können33. Die westbaltischen Kulturgruppen: Auch diese sind — vor allem was ihre beiden westlichen Kulturgruppen betrifft, die sowohl an die Wielbark- als auch an Przeworsk-Kultur angrenzen - gut erforscht, insbesondere durch die Arbeiten von Jerzy Okulicz und Wojciech Nowakowski: die Dollkeim/Kovrovo-Kultur in Samland sowie in Natangen (zwischen Pregel, Passarge und Alle) und Nadrauen (am Unterund Mittellauf der Pissa) und die Bogaczewo-Kultur in Masuren (Fig. 6-7, .9). Die Dollkeim-Kultur entsteht am Anfang der Stufe B (B2a) in den letzten Jahrzehnten des 1. Jahrhunderts n.Chr. auf der Grundlage der autochthonen eisenzeit1 liehen westbaltischen Hügelgräberkultur34 mit sehr spezifischen unverwechselbaren Merkmalen: a. als gebräuchlichste Bestattungsart Urnengräber, daneben auch Brand29 30 31
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GODLOWSKI, ebd. S. 50-52. GODLOWSKI, ebd. S. 52. Zuletzt JERZY OKULICZ, Gravefields from roman period on „Lysa Gora" and „Zwierzyniec" in Grodki, Ciechanow Voievodship, in: Rocznik Olsztynski 14/15,1983, S. 172-178 und S, 183. TERESA DABROWSKA, The cultural changes of Masovia and Podlasia in the roman influences, in: Wiadomosci Archeologiczne 54, 1980, S. 45-58; DIES., The eastern border of the Przeworsk-Culture in the Late-La-Tene and the Early Roman Periods, in: Materialy Starozytne i Wczesnosredniowieczne 2,1973, S. 127-253. ROLF HACHMANN, Die Goten und Skandinavien, Berlin 1970, S. 251-279, S. 432 ff., S. 444 ff.; dazu die. Rezension von KAZIMIERZ GODLOWSKI, in: Sprawozdania Archeologiczne 24,1972, S. 538-541; ferner: GODLOWSKI (wie Anm. 12) S. 130 f. und weitere Reaktionen — vor allem von historischer Seite - auf dieses wichtige Werk zusammengestellt bei JERZY STRZELCZYK (wie Anm. 38) S. 5 Anm. 12. L. OKULICZ, Kultura kurhanow zachodniobaltyjskich we wczesnej epoce zelaza (The West Balt Barrow Culture in the Early Iron Age], Wroclaw-Warszawa-Krakow 1970.
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grubengräber sowie Grabhügel und Steinkreise, Grabsitten also, die in der lokalen eiseozeitlichen Tradition wurzeln (vor allem Hügelgräber), ferner auch Körpergräber, die als Sitte aber aus der Wielbark-Kultur übernommen wurden; b. Pferdebestattungen; c. Männergräber mit Waffen (wenn auch selten), mit Sporen und mit Zaumzeug und cL Frauengräber mit einer sehr spezifischen Frauentracht und Typen (vor allem Gürtel), einschließlich der Haubentracht?5. Die Herausbildung der Bogaczewo-Kultur erfolgte bereits in der jüngeren vor römischen Eisenzeit (AI—A3) und ist in A3 in der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts v, Chr. voll ausgebildet, auch unter starker Prägung durch die Przeworsk-Kultur, die bis in die ältere römische Kaiserzeit fortwirkt; dies und die bemerkenswerte Unterschiedlichkeit zur Dollkeim/Kovrovo-Kultur äußern sich im Fehlen der Hügelgräber, Steinkreise und der Körpergrabsitte (üblich flache Brandgräberfelder), in der regelhaften Waffenbeigabe und auch in von der Dollkeim-Kultur stark abweichenden Sachgütern36. Zusammenfassend ergibt sich für die ältere und beginnende jüngere Kaiserzeit im östlichen Mitteleuropa und Osteuropa somit ein klares Bild der Kulturgruppengliederung, in jenem Raum also, in dem auch bei vorsichtigster Wertung der Schriftquellen ganz ohne Zweifel die kontinentalen Wohnsitze der Goten-Gt/tones gelegen haben müssen. Drei Kulturgruppen lassen sich also methodisch ausreichend gesichert erkennen und voneinander absetzen: die Wielbark-Kultur, die PrzeworskKultur und die beiden östlich benachbarten sog. westbaltischen Kulturgruppen (Dollkeim/Kovrovo und Bogaczewo); ihre Verbreitungsräume (Fig. 6—7, 9) wurden oben beschrieben samt ihren wesentlichen Veränderungen während der älteren Kaiserzeit. Dieser durch die weit fortgeschrittenen und vorzüglichen Ergebnisse der polnischen Forschung voll geklärte archäologische Sachverhalt kann nun interdisziplinär mit den Schriftquellen bzw. mit den Ergebnissen der historischen Forschung verglichen und konfrontiert werden; dies ist merkwürdigerweise nach Reinhard Wenskus (196l)37, der in den 50er Jahren sich freilich noch nicht auf einen auch nur annähernd vergleichbar guten archäologischen Forschungsstand beziehen konnte, von Seiten der historischen Forschung kaum versucht worden38, wohl aber immer wieder durch die archäologische Forschung. Ohne auf die verzweigte Diskussion ausreichend differenziert eingehen zu können, hat sich in den beiden letzten Jahren auf Seiten der Archäologie ein Forschungskonsens zur ethnischen Interpretation der genannten Kulturgruppen herausgebildet; trotz der zum Teil vagen und auch widersprüchlichen Angaben in den Schriftquellen (s. unten) ließ sich vorsichtig wertend folgendes gut begründetes interdisziplinäres ethnographisches Bild entwickeln. ™ Zuletzt NOTAKCWSKI (wie Anm. 18);DERS.f Das Samland in der römischen Kaiscrzeit und seine Verbindungen mit dem römischen Reich und der barbarischen Welt, Bonn (im Druck). /.ulcm NOWAKOWSKJ (wie Anm, 18) und DKRS., Die Bogaczcwo-Kultur in Masurcn vom Ende der jüngeren vorrömischen Eisenzeit bis zum Beginn der spätrömischcn Kaiscrzeit, in: Material)- Starozytne i Wc2esnosredniowiecznc 7,1993 (im Druck). 3 ~ RFJNHAKU Vii.NSKU^ Stammesbildung und Verfassung, Das Werden der frühmittelalterlichen gentcs, Koln-Gra* 1961, S. 398 £, 462-4S5. ** Von polnischer Seite vgL jedoch die informative interdisziplinäre Studie von JEKZY STRZtxczYH, Kinigc Bemerkungen zur Diskussinn über die Frühgeschichte der Goten, in: KIAUS-DETI.LV GKDTMUSI.NKuuu* ZiJiNAC* ( | ). Europa Slavica - Europa Orkmafo. i?e$tschrift fiir Herbert Ludat, Berlin 1980, S. 1-29; v$. DERS, (wie Anm. 1); ferner kurz: * S. Bimw«, Pcrsuing the carly gothic rnigrations, in: Ac» Archaeoiogica Academiae Scicndarum Hungaiicae 31.1979, S. 189-199. 36
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a. Die Wielbark-Kultur In ihrem Bereich siedelten die Gutones-Goten und sehr wahrscheinlich auch die Lemovier und (Ulmi-)Rugier, dazu noch die Gepiden nach Jordanes; da die Wielbark-Kultur nach möglicherweise existierenden Regionalgruppierungen vorerst noch nicht untersucht ist, läßt sich eine Lokalisierung dieser Populationen (vor allem Lemovier und Rugier, auch Gepiden) (noch) nicht vornehmen (zu den Gepiden: S. 96 ff.). Klar ist aber immerhin, daß sie sich in ihrer kulturellen Ausprägung kaum oder gar nicht voneinander unterschieden haben dürften, da — wie ausgeführt — die Wielbark-Kultur eine in allen grundsätzlichen Determinanten sehr eigene und homogene Kulturfazies bildet. Für die nähere Lokalisierung der,Goten im Bereich der Wielbark-Kultur ergeben sich gleichwohl archäologisch begründete und gesicherte Anhaltspunkte, dies aber - wie noch gezeigt werden kann - erst rückschließend durch die einschneidenden Siedlungsveränderungen ab der Stufe B2/C1 und Cla am Übergang von der älteren zur jüngeren Kaiserzeit bzw. zu Beginn der jüngeren Kaiserzeit: Gemeint sind die Aufgabe älterkaiserzeitlicher Siedelgebiete in Pommern und Großpolen, also im mitderen und westlichen Verbreitungsraum der Wielbark-Kultur, und die damit verbundene Verlagerung ihrer Siedelgebiete in den 1. Expansionsraum östlich der mittleren Weichsel (Fig. 16) und sodann in den 2. Expansionsraum in Wolhynien und in der Ukraine; mit dieser Südostbewegung kann dann ein weiterhin voll geklärter archäologischer Sachverhalt mit einem erstmals auch voll geklärten historischen Befund verbunden werden (S. 106); dieser zeitlich rückschreitende Weg ist ohnehin das überzeugendste (interdisziplinäre) methodische Instrumentarium, ethnische Interpretationen für die Wielbark-Kultur der älteren Kaiserzeit zu erreichen. Demnach sind — dies bereits als Vorgriff auf noch folgende Beweisführungen - die Siedelgebiete der Goten in der älteren Kaiserzeit in Pommern und im nördlichen Großpolen zu lokalisieren, also etwa zwischen Rega im Westen bis nach Pommerellen im Osten (unter Ausschluß des unteren Weichseltales) und Netze/Warthe im Süden (wobei in Küstennähe wohl noch die Rugier anzunehmen sind, dies mit Blick auf die Schriftquellen, aber noch ohne archäologische Evidenz). Auch die Siedelgebiete der Gepiden lassen sich auf ähnliche Weise ab B2/Cl-Cla zurückschließend mit guten Gründen im unteren Weichseltal und östlich der unteren Weichsel bis zur Passarge vermuten (S. 96 ff.). Dies ist alles nicht neu und entspricht weitgehend dem Konsens in der jüngeren polnischen Forschung39. b. Die Przeworsk-Kultur Sie wurde und wird mit mehr oder minder großer Bestimmtheit mit den Lugiern der älteren Kaiserzeit identifiziert40; unabhängig von dem nach wie vor nicht überzeu-
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Zuletzt GODLOWSKI (wie Anm. 12) S. 131 ff.; DERS., „Superiores Barbari" (wie Anm. 5) S. 339; DERS., Germanische Wanderungen (wie Anm. 5) S. 59, 64 f.; ANDRZEJ KOKOWSKI, Die Wielbark-Kultur in der jüngeren römischen Kaiserzeit, in: GURBA-KDKOWSKI (Red.) (wie Anm. 9) S. 15-31, S. 16 ff. Zuletzt GODLOWSKI, Przeworsk-Kultur (wie Anm. 5) S. 53 ff.; DERS., Przemiany (wie Anm. 13) S. 135 f. und 210; inwieweit noch andere Stämme oder Stammesgruppen im Bereich der Przeworsk-Kultur gesiedelt haben, ist unklar (Burer, auch Burgunder?).
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gend gelösten und aufgrund der Schriftquellen wohl auch nicht lösbaren Problem, ob sich hinter den Lugiern eine Gruppe von mehreren Stämmen — etwa im Sinne einer Kultgemeinschaft — verbirgt, was umgekehrt in derselben Problematik genauso für die VinM- *Vandtö (Plinius, Hist Nat IV,99-100) bzw. die Vandaliiaes Tacitus (Germania 2,2) gilt41, stehen beide Stämme oder besser Stammesgruppen in einem offenbar engen, vermutlich weitgehend synonymen Verhältnis zueinander. Für die Lokalisierung der älterkaiserzeitüchen Goten ist dieses Problem jedoch ohne größere Bedeutung, und es genügt die Bezeichnung der Przeworsk-Kultur als lugisch-wandalisch. c. Die westbaltischen Kulturgruppen Klar unterscheidbar in ihren Kulturdeterminanten und vor allem in ihrer lokalen eisenzeitlichen Tradition von der Wielbark- und Przeworsk-Kultur sind die beiden westlichen Kulturgruppen des westbaltischen Kulturkomplexes: die Dollkeim/Kovrovo- und Bogaczewo-Kultur. Sie können mit großer Sicherheit mit den Acstü des Tacitus (Germania 45) gleichgesetzt werden42, hinter denen dann die Fenni (Germania 46) zu lokalisieren sind; ob man im Sinne von Tacitus: Hie Suebiaeßnis die Aestii noch als östlichsten germanischen Stamm bezeichnen darf43, ist eine andere Frage, die in unserem Kontext jedoch ohne große Bedeutung ist. Trotz der Kargheit und Widersprüchlichkeit in den antiken älterkaiserzeitUchen Schriftquellen über die Wohnsitze der Goten läßt sich deren oben schon kurz skizzierte interdisziplinäre Lokalisierung im Bereich der Wielbark-Kultur, vornehmlich durch die archäologischen Fachvertreter (S. 57), somit auch bei einer näheren Prüfung vollauf rechtfertigen44: Der Grieche Strabo ist der erste antike Geograph, der die Goten kannte und nannte (Geographia ,l,3); seine Nachricht ist jedoch nur aus chronologischen Gründen wichtig, da als terminus quo oder ante quem kontinentale Wohnsitze der Goten bereits für 5/6 n. Chr. belegt sind, in der Nachbarschaft u. a. von Lugiern, also zweifelsohne im östlichen bzw. nordöstlichen Mitteleuropa. Territorial eingrenzend ist ebensowenig bei dem Älteren Plinius (Hist. Nat. IV,14,99) um die Mitte des I.Jahrhunderts zu erfahren, außer daß er Goten (und Burgunder) als Teile der Vmdlli — * Vandali nennt. Ein geographisches Bezugsgeflecht — und dies ist wichtig — ist erstmals bei Tacitus um die Jahrhundertwende zu finden mit der berühmten Reihung: Trans Lugtos Gofones regnantur, ... Protinus deinde ab Oceanu Rugü et Lttnovn (Germania 44,1), immerhin Goten jenseits = nördlich der Lugper und offenbar - legt man die Quelle im strengsten
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2, B. HACHMANN (wie Anm. 33) S. 131 £, 241; WENSKUS (wie Anm. 37) S. 464,503 f.; LUDWIG SCHMIOT, Geschichte der Wandalen, München 21942, S. 4 ff. Zuletzt Now'Axowsiu (wie Anm, 18 und 35). WojcitcK NowAfcCwsKi, „Hie Sucbiae Ftnis** - Conccpt of the Border of die Barbarous World at the liast Bälde Coasr in the Romin Period, in: OKUUCZ-KOZAKYN-NCWAKOWSKI (Red.) (wie . 13) S. 218-230. Die Qudlen zulmt alle zusammengestellt bei HACHMANN (wie Ancru 33) S. 498 f., ferner ebd. S. 135140, 240 ft% 453 Ä; v$. auch WOLFKAM (wie Anm, 1) S. 30 ff. mit Anm. 8-12 und zuletzt JERZV OKU· ucz, Dss GrahtrfcJd von Wekhce. Zur Befcicdlungsgc&chichtc dei Weichxeldeitaraumes in der römischen , in: Arche*>lo#w 40, 1989, S. 115-127, & 115-117.
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Sinne wörtlich aus, was man so nicht muß45 - keine Anrainer an die Ostsee und ferner: Die Nachbarschaft von Goten und Lugiern (Strabo) wkd bestätigt. Nichts Neues bietet die letzte älterkaiserzeitliche Schriftquelle, Ptolemaios um die Mitte des 2. Jahrhunderts, da auch hier nur das durch Tacitus schon bekannte Bild bestätigt wird: Goten (vielleicht am linken Weichselufer) hinter Küstenstämmen, darunter wiederum die Rugier im Westen (undAestii im Osten) (Geographia 11,11,16 und 111,5,80). Bei aller Kargheit der Quellen ergibt sich für die Siedelgebiete der älterkaiserzeitlichen Goten dennoch 1. gesichert nördlich der Lugier = Vandalii, 2. in Nachbarschaft zu Rugiern und Lemoviern als Küstenanrainer (und vielleicht hinter diesen) und eben 3. 5/6 n. Chr. bereits in kontinentalen Wohnsitzen. Dies ist hinsichtlich auch nur halbwegs präziser Lokalisierungen von Stammes- bzw. Siedelgebieten natürlich wenig, zugleich aber viel in Verbindung mit dem archäologischen Befund: Interdisziplinär kann somit kein Zweifel sein, daß Goten (sowie Rugier und Lemovier) im Bereich der Wielbark-Kultur siedelten, dazu die Gepiden nach der späten Überlieferung bei Jordanes (S. 96 ff.) und Lugier bzw. Wandalen im Bereich der Pzeworsk-Kultur sowie östlich anschließend die Aeistorum gentes (als westlicher Teil der westbaltischen Kulturgruppen)46. Dem widerspricht auch nicht die späte gotische Überlieferung in der Origo gentis' beijordanes, der auf Cassiodor fußt (Getica IV,25—26)47; die oben schon angesprochene nähere Lokalisierung der Goten im Bereich der Wielbark-Kultur (Pommern, nördlicher Teil von Großpolen) und ihre Abgrenzung von den Gepiden ist aber nicht mit den archäologischen Quellen für die ältere Kaiserzeit möglich (noch fehlende Möglichkeiten einer Binnengliederung der Wielbark-Kultur), sondern erst möglich mit den am Übergang von der älteren zur jüngeren Kaiserzeit einsetzenden einschneiden45
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Aus Tacitus ist m. E. nicht zu folgern, daß ausschließlich Rugier und Lemovier Küstenanrainer waren; vgl. STRZELCZYK (wie Anm. 38) S. 6. Diese Zwischenbilanz zu den Goten des 1-2. Jahrhunderts weicht nur unwesentlich von der Analyse der Schriftquellen durch Rolf Hachmann (strikte Ablehnung gotischer Wohnsitze an der Küste) in seiner beeindruckenden Goten-Monographie ab (wie Anm. 33, S. 135 ff.), jedoch von seiner archäologischen Analyse: 1. die Lokalisierung der Goten in der (territorial sehr begrenzten!) „Masowischen Gruppe" (ebd. S. 251-279, 432 ff., 447 ff., 458 f., 464 ff.) läßt sich in keiner Weise mit dem oben geschilderten klaren Befund der Kulturgruppengliederung im östlichen Mittel- und Osteuropa während der jüngeren vorrömischen Eisenzeit und älteren Kaiserzeit vereinbaren, und 2. läßt sie sich nicht einfügen in die Siedlungsveränderungen ab dem Ende der älteren Kaiserzeit bzw. zu Beginn der jüngeren Kaiserzeit (Südostexpansion der Wielbark-Kultur in den 1. und 2. Expansionsraum mit Folgen für die PrzeworskKultur östlich der milderen Weichsel, insbesondere in Masowien; vgl. hier S. 87 ff.). Die 'Gründe für diesen Irrtum liegen vermutlich teilweise in der Quellenlage und dem Forschungsstand zur Zeit der Abfassung dieses Buches und vor allem in der Nichtberücksichtigung der 2. Hälfte des 2.-4. Jahrhunderts zur Archäologie und Geschichte der Goten, in der der eigentliche aussagekräftige 'Schlüssel' für die Bewertung des 1-2. Jahrhunderts liegt (archäologisch: kulturgenetisch zeitlich rückschreitende Arbeitsweise). Diese Kritik ändert nichts oder nur wenig an dem Gesamtinhalt dieses Werkes meines Saarbrücker Lehrers, der die archäologische und interdisziplinäre Forschung auf vielfache Weise befruchtet hat (methodisch; überregionale Betrachtungsweise, siedlungsarchäologisch, Reflexion über Wanderbewegungen etc.). HACHMANN (wie Anm. 33) S. 140-143; ferner u. a. JOSEF SVENNUNG, Jordanes und die gotische Wandersage, in: Studia Gotica, Uppsala 1970, S. 20-56, S. 28 (= Kongreß Stockholm), der im Gegensatz zu Hachmann aus der Jordanes-Stelle auch küstennahe Wohnsitze nicht ausschließt. Der Auswertung der älterkaiserzeitlichen Schriftquellen durch CZARNECKI (wie Anm. 1) vermag ich nicht zu folgen: Goten im 1. Jahrhundert n.Chr. im mittleren Odergebiet (ebd. S. 51-100) und im 2. Jahrhundert im Kulmer Land und in Kujawien (ebd. S. 101-134).
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den siedlüngsgeschichdichen Veränderungen, auf die dann in Kapitel II näher eingegangen wird48. Zuvor ist aber noch das seit alters her die Forschung beschäftigende (und faszinierende) Problem der 'Herkunft der Goten' zu behandeln. 2. Kontinentale Ethnogenese oder Einwanderung über See? „Das Problem der festländischen Gotensitze ist der Angelpunkt für die Behandlung und Beantwortung aller nun noch offenen Fragen. Davon hängt alles andere ab: Hat man erst die Sitze der Festlandgoten und kennt man ihre archäologische Kultur, so kann man diese auf Anzeichen einer Einwanderung hin untersuchen. Dann könnte man im Norden nach kulturellen Spuren der Vorfahren der Goten ... suchen."49 Nach den bisherigen Ausführungen - so denke ich - sind beide Postulate erfüllt: Wir kennen ihre festländischen Wohnsitze und auch ihre archäologische Kultur. Trotz der Skepsis von Rolf Hachmann zum Nachweis von Wanderungen (siehe sein Zitat, das dieser Arbeit vorangestellt ist) soll dieser methodisch allein korrekte und zielführende Weg beschritten werden. Die Forschungsgeschichte zu dem Problem „Die Goten und Skandinavien" war und ist auch heute noch geprägt durch die Wandersage bei Jordanes: ,Von dieser Insel Scand^a, wie aus einer Werkstatt der Völker oder von einer Mutter der Nationen (offidna gentium, vagina nationum\ sollen also nach der Überlieferung die Goten (Gothi} mit ihrem König Berig ausgefahren sein. Und sobald sie ihre Schiffe verließen und an Land stiegen, gaben sie dem Platz sogleich einen Namen (nomen). Denn noch heute heißt, sagt man, der Platz Cothiscand^a. Von da (unde) rückten sie später (mox) vor ins Land (ad seäes) der Ulmerugi, die damals an der Meeresküste (Oceani ripas) saßen, schlugen ein Lager auf, lieferten ihnen eine Schlacht und vertrieben sie aus ihren Wohnsitzen (sedibus). Ihre Nachbarn, die Vandalen (victnos Vandalos}, unterwarfen sie schon damals und nötigten sie durch ihre Siege zum Anschluß* (Getica 25—26, hg. von Theodor Mommsen [MGH AA 5,1] Berlin 1882, S. 60). Nach dieser gotischen Eigenüberlieferung (Origo Gothica) stammen die (amalischen) Goten also aus Skandinavien, was durch wichtige Indizien der Sprachwissenschaft noch gestützt wurde50: „Skandinavien ist also die Urheimat der Goten."51 Dem ethnischen Interpretationsmodell von WOLAGIEWICZ, Die Goten (wie Anm. 8) S. 63—98 und DLRS., Kultura wieibar&ka (wie Anm. 6) vermag ich aus unterschiedlichen Gründen nicht zuzustimmen; er gliedert den Verbreitungsbereich der Wielbark-Kultur in vier bzw. in sechs Bcsiedlungszoncn (A-O und E—F), die er ethnisch interpretiert mit Goten und Gepiden in Zone C, wo die Gräberfelder mii Grabhügeln und Steinkreisen verbreitet sind (Typ Odry-WcViory-Grzybnjca), die frühestens am Ende von B l einsetzet) und in B2a» also erst in der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts, gesichert nachweisbar sind (vgL hier S. 85 f.). Dieses Modeil scheitert m. E. allein schon daran, daß Goten in kontinentalen Wohnsitzen ja bereits um Christi Geburt aufgrund der Schriftqucllen bezeugt sind. Zur Ableitung dieser Be&tattungssiuc aus Skandinavien, auf die VCblagiewicz zu Recht hinweist (S. 65—69), und der damit eventuell verbundenen Problematik gotischer Zuwanderungen vgL hier S. 87, — Vgl. zu Wolagiewicz auch: GoiHXWSiu, Germanische Wanderungen (wie Anm, 5) S. 72 und OKÜUCZ (wie Anm. 44) S. J18 ff. HACHMAVN (wie Anm. 33) S. 240. > Die IVtfsdkiung»gc&c&chte bei HACHMANN (wie Aam. 33) Kapitel 11-IU; ferner u. a. SVENNUNC (wie Anm. 47). NORJU.HT WACNI R, Geoca. Untersuchungen zum Leben de« jordane* und zur frühen Geschichte der Goten, Berlin 3967, S. 214 - Vgl. differenzierter NX-oi J-RAM (wie Anm. 1) S. 47-50, -* CZAKNIOJ (wie
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Die Forschungsgeschichte ist in diesem Punkt von Anfang an gekennzeichnet durch Interdisziplinär!tat, wogegen nichts einzuwenden ist; von Nachteil war aber die nicht zu verkennende gemischte Argumentation: Fachspezifisch nicht geklärte bzw. strittige Sachverhalte wurden zu früh miteinander vermischt, was vor allem auf die frühgeschichtliche Archäologie zutrifft52; es wird deutlich, daß die (späte) Nachricht bei Jordanes und die Ergebnisse der Sprachwissenschaft die archäologische Forschung von Anfang an dominierten und einseitig lenkten, und man darf vermuten, daß ohne Jordanes bzw. bei methodisch korrekter Trennung zwischen historischer und archäologischer Quellenüberlieferung die archäologische Forschung anders verlaufen wäre53. Erst mit Jerzy Kmiecinski (1962) setzte die methodische Kurskorrektur in der frühgeschichtlichen Archäologie ein, indem er ohne den interdisziplinären 'Ballast' der Skandza-Überlieferung, die ja topos-Charakter haben kann, sich auf die eigenständige fachimmanente Analyse und den Aussagewert der archäologischen Quellen verließ54 und die Diskussion damit auch dorthin zurückführte, wohin sie angesichts der interdisziplinären Quellenlage und künftigen Atissicht auf Erfolg hingehört: nämlich wieder in die Fachkompetenz der Archäologie, deren Quellenlage quantitativ und qualitativ sich stetig erweitert und deren Fachmethodik weiter verfeinert wurde und wird. Diese Umorientierung durch J. Kmiecinski wurde - außer durch R. Wolggiewicz55 (S. 82) in diesem wichtigen Punkt, d. h. zur Ethnogenese der Wielbark-Kultur und der damit verbundenen Frage möglicher Zuwanderungen aus Skandinavien, leider nicht mehr vertiefend weitergeführt; diese Zurückhaltung der polnischen Forschung - so ist zu vermuten - liegt in der Publikationslage56, die mit der mittlerweile vorzüglichen Quellenlage aus verständlichen (ökonomischen) Gründen nicht Schritt halten konnte. Die von der polnischen Nachkriegsforschung erschlossenen großen Gräberfelder sind größtenteils noch unpubliziert bzw. nur in Vorberichten zugänglich. Es ist also wohl nicht die Quellenlage, sondern eher der Publikationsstand, der ein weiteres Aufgreifen dieser Problematik (noch) nicht zuließ, denn das methodische Instrumentarium zum generellen Nachweis von Migrationen, namentlich die Koppelung der Befunde und Funde zwischen Auswanderungs- und Einwanderungsraum, ist mittlerweile weithin erprobt, weiterentwickelt und verfeinert worden. Angesichts dieser Publikationslage ist somit nach wie vor Zurückhaltung geboten, besonders für einen außenstehende'n Autor. Was läßt sich dennoch jetzt schon formulieren? Bemerkenswert und hochrangig ist die Sepulturkontinuität in einer Vielzahl von Nekropolen in bestimmten Gebieten, belegt von der Oksywie-. zur WielbarkKultur, also schon seit Beginn der jüngeren vorrömischen Eisenzeit (A1WV3; seit der Anm. 1) S. 1-16 und 51-66 mit Auswanderung aus Västergötland in der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. in das mildere Odergebiet. 52 Die Forschungsgeschichte detailliert bei HACHMANN (wie Anm. 33) S. 221-432 (Kapitel III). « HACHMANN, ebd. S. 221-235. 54 JERZY KMIECINSKI, Zagadniene tzw. kultury gocko-gepidzkiej na Pomorzu Wschodnim w okresie wczesnorzymskim, Lodz 1962. 55 WOLAGIEWICZ, Die Goten (wie Anm. 8). 56 VgL etwa Anm. 7.
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1. Hälfte des 2. Jahrhunderts v.Chr.) (Fig. l O)57: im unteren Weichselraum bis ins Kulmer Land (= Besiedlungszone A nach Wolagiewicz)58 und im küstennahen Pommern einschließlich des Oberlaufes der Rega (= Besiedlungszone B); dem entspricht somit auch das fast deckungsgleiche Verbreitungsgebiet der Wielbark-Kultur in B l mit dem der Oksywie-JCultur (Fig. 6 und 11). Diese Übereinstimmung ist auch deswegen bemerkenswert, weil sich das Verbreitungsgebiet der Wielbark-Kultur in Bl deutlich von dem dann expandierenden in B2 (Fig. 7) unterscheidet (S. 64)59. Das methodisch geeignetste und zweifelsohne zielfuhrende Instrumentarium, eben die Strukturanalyse jener großen Gräberfelder mit Belegungskontinuität von der jüngeren vorrömischen Eisenzeit (Oksywie-Kultur) bis zur römischen Kaiserzeit (Wielbark-Kultur) auf dem Hintergrund belegungschronologischer Analysen, ist derzeit — wie schon angemerkt — wegen der schlechten Publikationslage (noch) nicht anwendbar. Das Wenige, was derzeit dennoch schon erkennbar ist, wurde von mir schon zusammengetragen: Es besteht nicht nur Sepulturkontinuität, sondern eben auch Bevölkerungskontinuität (Gräberfeld von Pruszcz Gdanski/Praust-Danzig X); Brüche sind nicht feststellbar, jedenfalls keine Veränderungen, die auf Zuwanderungen von außen schließen ließen60. Mit Ausnahme des Gräberfeld-Typs Odry-Wesiory-Grzybnica (Grabhügel, Steinkreise in B2; s. unten und Fig. 8) und mit Ausnahme von vereinzelter punktueller Mobilität von Personen (am Übergang A2/A3; s. unten) fehlen relevante Hinweise im Kulturgefüge der Oksywie-Kultur und der Wielbark-Kultur, die mit umfangreichen Zuwanderungen von außen verbunden werden könnten, weder kontinentaler noch skandinavischer Herkunft; dies gilt besonders für die Zeit einschneidender Veränderungen in der Grab- und Beigabensitte am Übergang von der einen zur anderen Kultur in der Zeit um bzw. kurz nach Christi Geburt (Aufgabe der Waffenbeigabe und Aufkommen der Körpergrabsitte), also auch zu jener Zeit, in der die überaus starken Gemeinsamkeiten der Oksywie-Kultur mit der (kontinentalen) Przeworsk-Kultur der Zeitstufen AI—A3 verlorengehen und mit der Wielbark-Kultur eine eigen geprägte und nunmehr von der Przeworsk-Kultur sehr unterschiedliche Kulturfazies entsteht.
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Zuletzt: WOL&CIEWICZ, Die Goten (wie Anm. 8) S. 70 f. mit Abb. 13; DERS., Kultura wielbarska (wie Anm. 6); DERS., Kultura pomorska a kultura oksywska, in: Problemy kuitury pomorskiej, Koszalin 1979, S. 33-67; DERS., Kuitury oksywska i wielbarska (wie Anm. 6); DERS., Der östliche Ausdehnungsbereich der Jastorf-Kultur und *cin siedlungsgeschichdiches Verhältnis zur pommerschcn Gesichtsurncnkulmr und der jüngeren vorrömischen Umerweichsclgruppe, in: Zeitschrift für Archäologie 2,1968, S. 178191; DERS., Cultural and setdement changcs in the jastorf culturc area and its eastern boundary, in: PtzemJany ludnosciowc i kulturowc i tysiadeaa p. n. e. na ziemlich miedzy Odra a Dnieprem, Wroclaw 1982, S. 83-106 mit Karte Abb. 5 & 105; D&BWJWSKA, Wczesne fazy kuitury przeworskiej (wie Anm. 25) S. 63 ff. m« Karte 2. w WOL^CIEWICZ, Die Goten (wie Anm. 8) S 70 f£ mit Korrekturen für das Elbinger Gebiet bei OKUUCZ (wie Anm. 44) S. 118t; Dtxs. (wie Anm. 13) mit Karte Abb. 1-2; die Gräberfelder setzen hier nicht schon - wie sonst in Zone A - in der Oksywie»Kulrur, sondern erst mit dem Ende 4er Stufe 31 (Widbark- Kultur) ein. womit auch entsprechende Korrekturen auf den Oksywic-Vcrbrcitungskarten för deren Ofctperiphcric anzubringen »int!. ** Weitere Nachweise bei 3 : » * (wie Anm. 3) S. 10. *' BiuuMAUMt (wie Anm. 3) S. U f.
1. NOWI OOBRA 2.WIEL 3. SKOWAHCZ . NOWVTAM 5. ClCPtE 6. LASY 7. KROSNO ». IUKOWIEC . START TARO 40. PRUSZCZ 12. PRUSZCZ 1». BYSTRZEC 1 . ELBLAjQ P0l£ NOWOM. 15. WIEKUCE 1l. 1T. 1 . 19. 20. 11.
RUDZIENICE TOMARYNY PIEBZCHAIV ZWIERZEWO PO4.OW1TE BORNICE
2ZOSIEK 25 OKSYWIE 2% ZUKCZYN 2% OUWA 26. RUMIA 27. MACIEJEWO 2». GRUBNO 29. RZAD2 30. CHEtMNO 3V POOWIESK 32. GOSTKOWO FOtSAG 95.RÖZE Vf. Z BOWO 39. JANOWO 30. POOWIESK 4
HINTERPOMM. MEERESKÜSTE
93. M. 55. 56. 57. 5 . 59.
KASSUBISCHEN UND
LUTOM SiOPANOWO POZNAN-S2EUG KO.SCIELNIA JANIA OSIE BABIMOST BROJCE
KRAJENISCHEN SEENPLATTE
UNO NORDGROSSPOLEN
60. MlCHAiKOWO 61. KOZIOWKO 6Z. KITKI 63. WARSZAWA-KAWECZYN M. KiOCZEW 63. NADKOLE 60. BRUUNO-KOSK! 67. CECELE 68. OROHICZYN 69. SARNAKI 70. NIEDANOWO 71. PAtUKI 72. PAJEWO-SZWEUCE 73. KLESZEWO T\. KOtOZAB 75. TUCHUN 78. STARA WlEi 77. KRUPICE . OPOKA n. . 1. 82. 83.
Q
MASOWIEN
UNO POOLACHIEN
BREST-TRISIN UUBOML OITYNICI BAJEV MAStOMECZ - WIELBARK-KULTUR
l±—D- PRZEWORSK-KULtUR
VZZZZ2 - CERNJACHOUKULTUR
Fig. 10 Belegungsspanne der Gräberfelder der Oksywie- und Wielbark-Kultur von der jüngeren vorrömischen Eisenzeit bis zum Ende der römischen Kaiserzeit im Ausgangsräum (Besiedlungszonen -D) und der Wielbark-Kultur am Übergang von der älteren zur jüngeren Kaiserzeit und in der jüngeren Kaiserzeit im 1. Expansionsraum (Besiedlungszonen E-F). Nach WOL^GIEWICZ, Die Goten (wie Anm. 8) S. 94 Abb. 13.
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Die immer wieder von der älteren archäologischen Forschung - eben wegen der späten Jordanes-Überlieferung - (fast krampfhaft) gesuchten Verbindungen zu Skandinavien lassen sich für unseren Untersuchungsraum nicht nachweisen, abgesehen von den erwähnten und noch zu behandelnden Ausnahmen, von denen die frühestens am Ende des 1. Jahrhunderts n.Chr. neu aufkommende Grabsitte (Grabhügel und Steinkreise) ohnehin erst in eine Zeit fällt, als kontinentale Wohnsitze von Goten durch die Schriftquellen längst schon bezeugt sind. Es ist das Verdienst von Rolf Hachmann, diesen wichtigen Gesamtbefund, einschließlich fehlender gesichert nachweisbarer Verbindungen in der Sachkultur zu Skandinavien, sehr ausfuhrlich und sorgsam nachgewiesen zu haben61, woran sich auch bei inzwischen erheblich verbesserter Quellenlage nichts geändert hat. Seine Ausführungen brauchen hier nicht wiederholt zu werden, zumal sie — was die Sachformen betrifft — eine Auflistung im Sinne einer Negativbeweisführung wären. Zu ähnlichen Ergebnissen kam schon kurz zuvor Jerzy Kmiecinski, der zudem auch noch die autochthone Genese der WielbarUCultur betonte62. Dies gilt gleichermaßen für die älterkaiserzeitliche Wielbark-Kultur wie für die Zeit der Oksywie-Kultur der beiden Jahrhunderte vor Christi Geburt; letzteres ist besonders wichtig, da, mit Blick auf die Schriftquellen (terminus quo bzw. ante quem 5/6 n. Chr.), eine gutonisch-gotische Einwanderung von außen - von Skandinavien ja in die Zeit vor Christi Geburt fallen müßte; aus diesem Grund hatte Rolf Hachmann auf diese Zeit auch zu Recht seine Untersuchungen zentriert. Wie steht es aber nun mit den erwähnten wichtigen Veränderungen in der Grabsitte am Übergang von der Oksywie- zur Wielbarkkultur, also der Aufgabe der Waffenbeigabe einerseits und dem Aufkommen der Körpergrabsitte andererseits, wobei Skandinavien - vornehmlich Götaland, Väster- und Östergötland, auch Gotland - aus den bekannten Gründen besondere Aufmerksamkeit verdient? Der Befund ist klar; an den Feststellungen von Hachmann hat sich auch bis heute - wie gesagt - nichts Grundsätzliches geändert: Waffenbeigabe ist in Skandinavien in der jüngeren vorrömischen Eisenzeit — also zur Zeit der Oksywie-Kultur in Pommern - nicht die Regel und kommt in Südschweden - im Gegensatz eben zu Mitteldeutschland, Mecklenburg und Dänemark (A1-A2) - erst in der Spätphase der jüngeren vorrömischen Eisenzeit (A3) auf und wird dann kennzeichnend für die römische Kaiserzeit63. Diese Entwicklung in Skandi61
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HACHMANN (wie Anm. 33) S. 221-239, 389-431, 451-474, bes. S. 430 ff. (mit der Einschränkung, „daß (aufgrund der Sprachwissenschaft etc.] zwischen skandinavischen und festländischen Goten ein enger Zusammenhang bestand, den die Archäologie offenbar nicht zu zeigen vermag" [ebd. S. 433]) und S. 466 ff. (mit ähnlichen [theoretischen] Einschränkungen). - Gleiches trifft auf Godand zu (ausfuhrliche Hinweise verdanke ich W. Nowakowski, der während einer Godand-Reise dies - auch aufgrund von unpubliziertem Material - nachprüfen konnte). KMIECINSKI (wie Anm. 54) S. 154 f.; DERS., Die Bedeutung der Germanen östlich der Oder während der ersten Jahrhunderte nach Christi Geburt im Lichte der neueren Forschungen, in: Studia Gothica, Stockholm 1970, S. 72-80. HACHMANN (wie Anm. 33) S. 233; DERS., Die Chronologie der jüngeren vorrömischen Eisenzeit, in: Berichte der Römisch-Germanischen Kommission 41, 1961, S. 1-276, S. 203, 218, 241 ff.; INGEGERD SÄRLVIK, Paths towards a stratified society. A Study of Economic Cultural and Social Formations in South-West Sweden during the Roman Age and the Migration Period, Stockholm 1982, S. 67-73 mit Karte 8 S. 74 f. und S. 103. Vgl. den weitgehend übereinstimmenden Befund auch in Öland, wo die Waffenbeigabe ebenfalls erst in der Zeit um Christi Geburt mehr und mehr üblich wird und dann die ältere und jüngere Kaiserzeit (bis C3) bestimmt: Zuletzt: ULF ERIK HAGBERG—BERTA STIERNQVIST-
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navien, die von d6r kontinentalen Przeworsk-Kultur (und ihrer Schwester-Kultur Oksywie) mit Waffenbeigabe seit AI ausgeht64, hat in ihrer zeitlichen Andersartigkeit, ja Gegenläufigkeit somit nichts mit der Aufgabe der Waffenbeigabe am Übergang von der Oksywie- zur Wielbark-Kultur zu tun (A3/B1)65. Auch die kontinentalen Nachbarkulturen können in diesem Sinne nicht auf die Wielbark-Kultur eingewirkt haben: In der Przeworsk-Kultur werden weiterhin den Männern Waffen mit ins Grab gegeben, was ab Beginn von Bl auch dazu beiträgt, die Distanz zur Wielbark-Kultur im Vergleich zur Oksywie-Kultur zu vergrößern66; auch die westbaltischen Kulturgruppen scheiden aus, vor allem schon deswegen, weil in der fraglichen Zeit die räumliche Distanz zur ausgehenden Oksywie- und sich herausbildenden Wielbark-Kultur zu groß war, um Grenzakkulturationsprozesse auszulösen (Dollkeim/Kovrovo-Kultur = 'Phase Null* und Phase l nach Nowakowski sowie die Bogaszewo-Kultur = A3-B1), entsprechende Hinweise auf interkulturelle Kommunikation fehlen somit67. Ohne Erfolg bleiben auch Bemühungen, die neu aufkommende KörpergrabsitteinBl im Bereich der Wielbark-Kultur von außen abzuleiten: Körpergräber (mit Baumsärgen) sind in der Dollkeim/Kovrovo-Kultur erst ab B2 belegt, und zwar als Übernahme aus der Wielbark-Kultur68, sowie regelhaft Flachgräberfelder mit Brandbestattung in der Bogaczewo-Kultur69 und in der Przeworsk-Kultur70; in Skandinavien spielte die Körperbestattung vor Christi Geburt gleichfalls keine Rolle71, ebenso wurde im eibgermanischen Gebiet brandbestattet. Beide bemerkenswerten Veränderungen in der Beigabensitte und im Grabritus der entstehenden Wielbark-Kultur lassen sich somit nicht mit Migrationen verbinden; man muß sich mit der Feststellung begnügen, daß beide indigene Prozesse sind, wobei die Waffenlosigkeit in den Männergräbern künftig bis ins 6./7. Jahrhundert als besonders konservative Beigabensitte den gesamten gotischen Wander- und Siedelbereich kennzeichnen wird. Dennoch läßt sich mit archäologischen Mitteln skandinavischer Zuzug zum einen in den Verbreitungsraum der Oksywie-Kultur und zum anderen in den der Wielbark-Kultur nachweisen. Im ersteren Fall (Oksywie-Kultur) betrifft dies Gürtelzubehör und auch Fibeln aus vier Brandgräbern (Gräber 146, 148-149, 228) im großen, aber leider weitgehend unpublizierten Gräberfeld von Nowy Targ bei Elbl^g/Elbing östlich der Weichselniederung (1974—1979: 509 Brand- und Körpergräber; belegt im 7./6. Jahrhundert v. Chr. und sodann wieder ab der älteren vorrömischen Eisenzeit bis
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MONIKA RASCH (Red.), ÖJaods järnalders-grafvalt 2, Stockholm 1991, S. 499 £ - Anders die Situation in Godand, jedoch dort mit abweichendem Grabritus (Mehrfachbestattung): HACHMANN (wie Anm. 33) S. 207 ff. - Abweichende Bestattungssitten (bis hin zur Ocrnjachov-Kultur) auch bei N. A. MOCIL'NIKOVA in: E. A. SYMONOVIC (Red), Mogtf'niki cernjachovskoj kul-tury, Moskau 1979, S. 142-162. DABROVSKA, Frühe Einflüsse (wie Anm, 25) S. 191 ff. mit Karte Abb. 1. HACHMANN (wie Anra. 33) S 233. GoDtxwsiu Przeworsk-Kultur (wie Anm. 5) S. 15. NowAKOV'SKf (wie Anm. 18 und 35). WALÜNTA, FunctaJ ritcs in Late-Laten «nd Roman periods (wie Anm. 7) S. 78-92. NOWAT^WSKJ (wie Anm. 18). GoDixwsm, Przcwowk-Kultur (wie Anm, 5) S. 15. HACHMANN (wie Anna. 33) S. 231 f.; Dtns. (wie Anm, 63) S. 218 f.; ferner: HACHLKC u. a. (Red.) (wie Anm. 63) S. 500 (in Steinkisten); EKIJC , » Die jüogere verrämische Eisenzeit Godands, Unp»ala 1955, & 588.
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in die Zeit um 400 n. Chr.)72. Auf die klaren Beziehungen zu Gotland wies schon die Ausgräberin hin73; obgleich durch den Brandritus nur noch fragmentarisch erhalten (Fig. 12), läßt sich das Trachtzubehör (aus Frauen- und Männergräbern?) am ehesten in die Stufe C nach der gotländischen Chronologie von Erik Nylen, d. h. in die späte Mittelphase der jüngeren vorrömischen Eisenzeit nach Rolf Hachmann datieren, was etwa dem jüngeren Abschnitt der Stufe A2 entspricht (etwa 1. Hälfte des 1. Jahrhunderts v.Chr.); eine Datierung in die gotländische Stufe D (etwa A3, 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts) ist jedoch nicht auszuschließen74 (Fig. 13). Da dieses gotländische Trachtzubehör leicht als fremd im Bereich der Oksywie-Kultur zu erkennen ist und weitere ähnliche Befunde von der polnischen Forschung bislang auch nicht bekannt gemacht wurden, darf man annehmen, daß dieser einmal punktuell nachweisbare Zuzug über See im 1. Jahrhundert v.Chr. sehr wahrscheinlich die Ausnahme sein dürfte und keinen Rückschluß auf eine Einwanderung größeren Umfanges zuläßt. Im zweiten Fall (Wielbark-Kultur) ist skandinavischer Zuzug nur zu vermuten, jedenfalls nicht auszuschließen und auch dort in Skandinavien regional nicht näher eingrenzbar; er ist verbunden mit der schon mehrfach angesprochenen Bestattungssitte der Hügelgräber mit Steinkonstruktionen und mit Steinkreisen vom 'Typ OdryWesiory-Grzybnica' (Fig. 8), vielleicht schon am Ende von Bl in der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts einsetzend, jedenfalls in B2 regelhaft nachweisbar75. Das Aufkommen dieser neuen, in Pommern zuvor unbekannten Sitte fällt somit zweifelsohne in eine Zeit, in der Goten auf dem Kontinent durch die Schriftquellen bereits längst bezeugt sind (5/6 n. Chr.)76; diese Hügelgräber und Steinkreise können wegen der Diskordanz zwischen archäologischem Befund und schriftlicher Überlieferung somit nicht als Belege einer gutonischen Einwanderung in der Zeit um oder vor Christi Geburt gewertet werden, zumindest nicht einer erstmaligen. Aus diesem Grund ist auch das schon . erwähnte ethnische Interpretationsmodell von Ryszard Wola.giewicz für die WielbarkKultur abzulehnen, der erste gotische Zuwanderungen nach Pommern mit dieser neuen Sitte verbinden will (Zone C; S. 75)77. Aus den kontinentalen Nachbarkulturen ist diese neue und aufwendige Bestattungsform ebenfalls nicht ableitbar,-weder aus dem Eibgermanischen78 noch aus der Przeworsk-Kultur79, auch nicht aus den westbal72
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EWA KAZIMIERCZAK, Burials from the late Latene and early Roman periods from Nowy Targ, province of Elblag, in: Sprawozdania Archeologiczne 32,1980, S. 135-159; zum Gräberfeld ferner: DIES.-EWELINA WICHROWSKA, in: Badania archeologiczne w woj. elblaskin w latach 1980-1983, Malbbrk 1987, S. 289-338. KAZIMIERCZAK, Burials (wie Anm.72) S. 151 ff.; ferner: NYLEN (wie Anm. 71) S. 382-388, 298 f. mit Abb. 273, S. 441 f£, S. 452 ff., 465 ff., 476. NYLEN (wie Anm. 71) S. 388 ff., 400. WOLAGIEWICZ und KOKOWSKI (wie Anm. 17). Vgl. S. 74. WOLAGIEWICZ, Die Goten (wie Anm. 8) S. 70 ff.; ferner hierzu: GODLOWSKI (wie Anm. 12) S. 127 f.; DERS., Germanische Wanderungen (wie Anm. 5) S. 72. Steinkreise hier nur in der frühen Jastorf-Kultur (6./5. Jahrhundert v. Chr.): ACHIM LEUBE, Eisenzeidiche Steinsetzungen im nördlichen Mitteleuropa, in: Zeitschrift für Archäologie 13, 1979, S. 1-22. HELENA JANICZAK, Hügelgräber der Przeworsk-Kultur, in: Przeglad Archeologiczny 37, 1990, S. 121155 (die vergleichbaren Hügelgräber mit Steinkonstruktionen datieren hier später, ab B2/d, und sind aus der Wielbark-Kultur ableitbar); in der Nidzica-Gruppe der Przeworsk-Kultur am Ende von B2 (OKULJCZ [wie Anm. 31]).
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FJJ». 12 Gotlandi»cbe$ Trachccubtbor (Schnallen) in Grabern der Oksywic-Kuhur der jüngeren vorromisehen hkcnzen von Nowy Targ (oben: Grab 149; Mine: Gräber 79 und 146; unten: Grab 228). Nach KAZJMIEHC2AX, BuriaJ* (wie Antn. 72} S. 154 Abb. 17, S. 150 Abb. 19.
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Fig. 13 Grabausstattungen und Chronologieschema der jüngeren vorrömischen Eisenzeit auf Gotland (hier auch die Gürtelschnallen von Fig. 12). Nach NYLEN (wie Anm. 71) S. 399 mit Abb.
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dschen Kulturgruppen von Dollkeim/Kovrovo und Bogaczewo80. Die einzige überzeugende Herleitung der Hügelgräber mit ihren spezifischen Steinkonstruktionen und auch der Steinkreise ist nach wie vor die aus Skandinavien, was durch Ryszard Woi^giewicz nunmehr außer Frage steht81; eine regionale Eingrenzung dieser Sitte dort ist jedoch nicht möglich, da die verschiedenen Konstruktionsdetails, die in der WielbarkKultur vertreten sind, z, T. sehr unterschiedliche Verbreitungsschwerpunkte in Skandinavien besitzen (z.B. Fig. 14). Bemerkenswert ist aber zweierlei: 1. daß diese neue Sitte — wie schon erwähnt — in Pommern in B2 zeitlich zusammenfallt nicht nur mit einer Siedlungsverdichtung im alten Siedelraum in Bl, sondern auch mit einer erheblichen Siedlungsausweitung der Wielbark-Kultur in B2 nach Süden, also nach Mittelund Südpommern bis hin nach Großpolen über die Netze/Warthe hinaus (Fig. 8 und 7) und daß 2. diese neue Grabsitte fast ausschließlich auf diese neu gewonnenen und zuvor in B l noch siedelleeren Gebiete begrenzt bleibt (Fig. 6). Sind also diese Grabhügel und Steinkreise mit ihren besonderen Konstruktionen, in denen ich — entgegen der Meinung der polnischen Forschung — 'Sippenbestattungen' und kein soziologisches Phänomen erkennen kann82, einleuchtend nur aus Skandinavien abzuleiten, so dürfte mit ihnen — so muß man folgern — auch eine Zuwanderung verbunden sein; eine solche spezifische Sitte verbreitet sich kaum als Idee — dies wäre nur bei grenznachbarschafüichen Verhältnissen bzw. bei einer Grenzakkulturation denkbar —, sondern doch wohl nur auf dem Hintergrund der Mobilität von Personengruppen; so ist es also logisch und verlockend, die erwähnte zeitliche Koinzidenz zwischen dem Aufkommen dieser neuen Sitte und der bemerkenswerten Siedelerweiterung (B1/B2) auch aus vielleicht demographischen Gründen mit Neuankömmlingen (aus Skandinavien) zu verbinden. Dennoch eröffnen sich gravierende Probleme, die mit einer solchen Annahme nur schwer in Einklang zu bringen sind, denn: Nichts unterscheidet die in diesen Grabhügeln bestatteten Männer, Frauen und Kinder von den zeitgleichen Brand- und Körpergräbern in den sog. konventionellen Flachgräberfeldern, in die ja auch diese Hügel und Steinkreise83 ohne besondere Lagemerkmale integriert sind, insbesondere nicht in der oben beschriebenen Beigabensitte (unterschiedliche Behandlung der beiden Geschlechter; Waffenlosigkeit) und im Grabritus (Brand- und Körpergräber), auch nicht in der Tracht und deren Typen, ein merkwürdiger Befund also, wenn man skandinavische Zuwanderer aber aufgrund der Grabbauten vermuten darf, ja muß! Auch die noch einzige denkbare theoretische Erklärung einer sehr schnellen und dann eben archäologisch nicht mehr erkennbaren Akkulturation ** NOWAKOWSKJ (wie Anm. 35) (Hügelgräber in der Dollkeim-Kovrovo-KuJrur in B2 und B2/Cl-Cla» aber anders konstruiert; Bogaczewo-Kukur ohne Hügel). ** Woi^ciEwicz, Die Goten (wie Anm. 8) S, 65-69 mit Fundlisten 1-5 und Abb. 1-12; DCRS., Kregi kamicnne (wie Anm. 8); KQKOW&KI (wie Anm. 17); ferner für Südwestschweden: SARLVIK (wie Anm. 63) S. 67 ff. mit Tabelle l (h für Öland: HACBKRG u. a, (Red.) (wie Anm. 63) S. 497; Tür Norwegen z. B. HEID RLSI, Gravplas&en Hunn i Ostfold, Oslo 1086, S. 59. ** VouttR BirjuiKAULR, Ostgcrmanische Oberechichigräber der römischen Kaiscrzcit und des frühen Mittclaltcr*, irr JCÄZY KMIF.CIKSKI (Red.), Percgtinatio Gothica (Archaeologia BaJtica 8) ludst 1989, & 39106, S. 52-55. *" Kindcrgräbcr: CRZIIAKCNCS-KA, ChUdren burial ground of Widbark culture in Odry, in: Acra Umversiwm Ixxizicrai*. Folia Archaeotogica 12, 1991, S. 73-103. - Die Funktion der Stemkrttsc als Bcgrabnivplauee ist um*rrium-. z. B. Woi^Cftwicz, Kregi kamicrme (wie Anm* H) S. 57 ff,; INOOLI· EKICSSO.N\ StanJaxasc in Asfccfctocp, Schweden, m: Oßa 38, 1981, S. 237-244.
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Fig. 14 Grabhügel mit Steinkonstruktionen (mit äußerem Steinring) in der Wielbark-Kultur und in Skandinavien. Nach WOL^GIEWICZ, Die Goten (wie Anm. 8) S. 88 Abb. 1.
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von Zuwanderern überzeugt nicht sonderlich84; auszuschließen ist skandinavischer Zuzug, auch im Sinne Rolf Hächmanns, dennoch nicht (vgl. Motto). Will man diesen Widerspruch oder besser die über die Grabform hinausreichende fehlende archäologische Evidenz für skandinavische Zuwanderer annähernd auflösen, so könnte allein folgende Hj'pothese weiterhelfen: Wie beim godändischen Zuzug in die OksywieKultur in der 1. Hälfte des 1. Jahrhunderts vor Christi Geburt könnten es nur kleine Personenverbände gewesen sein, die in Pommern einwanderten, die aber über die neue und auch aufwendige Bestattungssitte hinaus nicht prägend auf die längst existente Wielbark-Kultur einwirkten und deren archäologischer Nachweis (noch?) nicht möglich ist85; ich bezweifele aber sehr, ob auch bei künftig weiter verbesserter Quellenlage sich an diesem merkwürdigen Befund viel ändern wird, da die Quellenlage schon jetzt vorzüglich ist. Als gesichertes Ergebnis bleibt somit nur, aber immerhin: eine erste oder gar die gotische Einwanderung aus Skandinavien ist mit den Hügelgräbern und Steinkfeisen sicher nicht zu erweisen. Alles zusammengenommen, besteht derzeit also kein Anlaß, mit umfangreichen Einwanderungen über See in den beiden Jahrhunderten vor und nach Christi Geburt zu rechnen, schon gar nicht in der Zeit um Christi Geburt, in die die erwähnten auffallenden Veränderungen in der Beigabensitte (Aufgabe der Waffenbeigabe) und Grabsitte (Aufkommen des Körpergrabes) von der Oksywie- zur Wielbark-Kultur fallen; die Genese der Wielbark-Kultur verläuft prägend auf autochthoner Grundlage. Dies bedeutet zugleich aber auch, daß die Überlieferung in der gotischen Wandersage bei Jordanes mit einer Einwanderung der bzw. aller Goten von der Insel Skandza im archäologischen Befund keine Stütze findet, sie sehr wahrscheinlich — wie auch bei den Langobarden — als topos zu begreifen ist86. IL DIE VERLAGERUNG DER WIELBARK-KULTUR AUS POMMERN UND GROSSPOLEN IN DIE GEBIETE ÖSTLICH DER MITTLEREN WEICHSEL (1. EXPANSIONSRAUM)
Bereits am Ende der älterkaiserzeitlichen Stufe B2a bzw. am Übergang zu B2b, also noch vor der bzw. spätestens um die Mitte des 2, Jahrhunderts, machen sich die ersten, freilich räumlich noch sehr begrenzten Siedlungs- und Kultur Veränderungen im Bereich der Wielbark-Kultur bemerkbar, da zu dieser Zeit ein Teil der Nekropolen in Zicmia Chehninska (Kulmer-Land; im Weichsel-Knie östlich des Flusses: z. B. Rz^dz-Rondsen, Cheimo-Kulm, Podwiesk; vgl. Fig. 10 Nr. 29-31) endet, Gräberfelder also, die bereits seit der jüngeren vor römischen Eisenzeit (Oksywie- Kultur) belegt sind; andere Friedhöfe — wohl die Mehrzahl — kontinuieren jedoch (Fig. 9—10 und 15). In Pommern, westlich der Weichsel und in Großpolen - also überregional brechen die Nckropolen (und Siedlungen) hingegen erst im Zeitraum von der ausgehenden älteren Kaiscrzeit bis zum Beginn der jüngeren Kaiserzeit ab (ausgehende M
JFR/Y OKUUCZ, Sriulia nad precmianami kulturowymi i osadniczymi w okresic tzym*kim na Pomorzu Wvchodnim, Mazowmi iftxUa&iu,in; Ajchcologiä Maki IS, 1970, S 419-492, S. 489-491; seine Thesen - g. a. v> Vf>L auch die (hypothetischen) Ausführungen von Goi>mWi»Kj, Germanische Wanderungen (wie Anm. 5} S. 5' -64. *· Vgl auch HACHMANN feie Anm. 33) S. 451-474.
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Fig. 15 Besiedlungsveränderungen im Oder-Weichseigebiet an der Wende von der älteren zur jüngeren Kaiserzeit; A Gräberfelder der Przeworsk-Kultur mit Abbruch im älteren Abschnitt von B2; B Gräberfelder der Przeworsk-Kultur mit Abbruch gegen Ende von B2; C Gräberfelder der Przeworsk-Kultur mit Beginn gegen Ende von B2 oder in B2/C1; D Gräberfelder der PrzeworskKultur östlich der mittleren Weichsel noch mit Fundstoff der Stufe Cl; E Gräberfelder, gemeinsam benutzt von Wielbark- und Przeworsk-Kultur; F Gräberfelder der Wielbark-Kultur mit Abbruch im älteren Abschnitt von B2; G Gräberfelder $ler Wielbark-Kultur .mit Abbruch gegen Ende von B2 oder in B2/C1; H Gräberfelder der Wielbark-Kultur mit " Beginn in B2/C1; I Gräberfelder der Luboszyce-Kultur mit Beginn gegen Ende B2 oder in B2/C1. Nach GODLOWSKI, „Superiores barbari" (wie Anm. 5) S. 330 Abb. 1.
Stufe B2, sodann B2/C1 und Cla; ca. Mitte des 2. bis zum 2. Viertel des 3. Jahrhunderts), jedoch mit einem territorial sehr unterschiedlichen und daher bemerkenswerten Befund: Im Weichseltal westlich des Flusses trifft dies nur teilweise zu (Fig. 10, Besiedlungszone A), hingegen ausnahmslos im übrigen Pommern und in Großpolen (Fig. 10, Besiedlungszonen B-C und Fig. 15-16)87. An ihre Stelle tritt hier in Mittel- und 87
WOL^GIEWICZ, Kultury oksywska i wielbarska (wie Anm. 6) S. 138 ff., 165 ff.; DERS., Relative Chronologie (wie Anm. 5); GODLOWSKI, „Superiores Bärbarj" (wie Anm. 5) S. 329 f.; DERS. (wie Anm. 12) S. 134; DERS., Germanische Wanderungen (wie Anm. 5) S. 65 f. (jeweils mit Literaturverweisen).
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Wesrpommern (bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts) ab Clb dann die völlig anders geartete und teilweise eibgermanisch geprägte De.bczyno-Gruppe (Fig. 16)88. Mit diesem klaren Befund ist der generelle Vorgang der Verlagerung von Wielbark-Populationen aus Pommern und Großpolen verbunden; da hier die WielbarkKultur erlischt und sie auch keine Fortsetzung in der De.bczyno-Gruppe findet, muß die Wielbark-Bevölkerung in Gänze abgewandert sein, ein totaler Abwanderungsvorgang also, der aber nicht kurzfristig erfolgte, sondern sich - wie erwähnt - über knapp drei Generationen erstreckte (ca. 150-220/230 n. Chr.). Pommern westlich des unteren Weichseltales und Großpolen sind somit als Abwanderungsraum zu bezeichnen. Wohin diese Abwanderungen erfolgten, ist von der polnischen (und russischen) Forschung mittlerweile gut geklärt, nämlich nach Südosten in die Gebiete östlich der mittleren Weichsel: Masowien, Podiasien und Polesien einschließlich der Gegend um Brest am (oberen) Bug-Knie sowie im Süden bis in den Lubliner Raum (Fig. 15-16), wo wiederum bemerkenswerte Siedlungs- und Kulturveränderungen im Bereich der Przeworsk-Kultur eben in diesem Zeitraum stattfinden (s. unten); beides ist kausal unmittelbar miteinander verknüpft89. Diese Gebiete östlich der mittleren Weichsel möchte ich somit als 1. Expansionsraum der Wielbark-Kultur bezeichnen. Seit der jüngeren vorrömischen Eisenzeit gehörte dieser Raum östlich der mittleren Weichsel zur Przeworsk-Kultur (Fig. 11, 6-7, 9)90, dies trotz lokaler Eigenheiten besonders in der schon erwähnten Nidzica-Gruppe im oberen Flußgebiet der Wkra (Soldau) und Orzyc (Orschütz) im Neidenburger Land91. Hier im Bereich der NidzicaGruppe brechen die Gräberfelder überwiegend bereits am Ende des älteren Abschnitts der älteren römischen Kaiserzeit (B2a) und Übergang zu B2b ab, nur wenige weisen Belegungskontinuität auf (Fig. 15), diese dann — wie auch neu angelegte — im Habitus der Wielbark-Kultur; im gesamten übrigen Bereich der östlichen Przeworsk-Kultur östlich der mittleren Weichsel enden die Gräberfelder erst später, meist am Ende der Stufe B2, teilweise auch noch in B2/C1 (Fig. 7, 9, 15-16). Wie in Pommern und Großpolen beim Abbruch der Wielbark-Gräberfelder kann auch dieser klare Befund nur mit Abwanderungen von Przeworsk-Populationen erklärt werden. Wie oben schon kurz angemerkt, ist das weitgehende Erlöschen der PrzeworskKultur in diesen Gebieten östlich der mittleren Weichsel kausal aufs engste verknüpft 88
KAZIMIERZ GODLOWSKI, s. v. D^bczyno (Denzin), in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 5, 3-4, Berlin-New York 1983, S. 266-271; HENRYK MACHAJEWSKI, Aus den Studien über Siedlungsformen von dem 3. bis zu den Anfängen des 6. Jh. in Mittelpommern, in: Fontes Archaeologici Ppsnanienses 33,1982-1984, S. 26-60, S. 46-54; DERS., Siedlungsformen in Debczyno bei Bialogard (Mittelpom-' mern) aus dem 3-6. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Archäologie 20,1986, S. 39-50. 89 GODLOWSKI, „Superiores Barbari" (wie Anm. 5) S. 329 ff.: DERS., (wie Anm. 12) S. 134 ff.; DERS., Przemiany (wie Anm. 13) S. 67-88; DERS,, Przeworsk-Kultur (wie Anm. 5) S. 31 ff.; DABROWSKA, The cultural changes (wie Anm. 25); DIES., Kultura przeworska a kultura wielbarska na Mazowszu i Podlasiu, in: MALINOWSKI (Red.) (wie Anm. 6) S. 117-125; JERZY ANDRZEJOWSKI, Die Probleme der Kontinuität der Gräberfelder in der Ostzone der Przeworsk-Kultur, in: GURBA-KOKOWSKI (Red.) (wie Anm. 9) S. 103-125; JERZY OKULICZ, Les aspects demographiques des migrations de la population de la civilisation de Wielbark en Mazurie, en Mazovie et en Podlasie, in: KMIECINSKI (Red.) (wie Anm. 82) S. 135158; ANDRZEJ KOKOWSKI, Lubelszczyzna w mlodszym okresie przedrzymskim i w okresie rzymskim, Lublin 1991; DERS. (wie Anm. 39) mit Karte Abb. 2 und Fundstellennachweis; DERS., La genese des elements culturels sur la territoire de la Pologne sud-est et de l'Ukraine ouest dans la periode des influences romaines, in: KMIECINSKI (Red.) (wie Anm. 7) S. 153-173. 90 Vgl. S. 69; GODLOWSKI, Przemiany (wie Anm. 13) S. 64 f. 91 Vgl. Anm. 32 und S. 70.
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mit der Landnahme von Wielbark-Populationen, vor allem aus Pommern westlich der unteren Weichsel und aus Großpolen; beide Vorgänge sind generell gut geklärt92. Es handelt sich also überwiegend nicht um einen Kulturwechsel, sondern um einen Bevölkerungswechsel, bei dem durch Wielbark-Einwanderer der größte Teil der Przeworsk-Bevölkerung verdrängt wurde und nur ein wohl kleinerer Rest verblieb, der dann wielbarkisiert wurde; dies äußert sich in einer Reihe klarer Anhaltspunkte. a. Zunächst ist dies die zeitliche Koinzidenz zwischen beiden Vorgängen: einerseits am Ende der Stufe B2 einsetzend, dann vor allem in B2/C1 und Cla Abwanderungen der Wielbark-Populationen westlich des unteren Weichseltales (= Abwanderungsraum) mit Anlage neuer Gräberfelder der Wielbark-Kultur östlich der mittleren Weichsel in B2/C1 (= 1. Expansionraum; Fig. 15—16) und andererseits das mehrheitliche Abbrechen der Przeworsk-Gräberfelder am Übergang von der älteren zur jüngeren Kaiserzeit am Ende von B2, vereinzelt noch in B2/C1. So gehören zu den jüngsten Funden in den Przeworsk-Gräberfeldern als Leitformen des jüngeren Abschnittes der Stufe B2 vor allem die Fibeln der Serien 8 und 10 der Gruppe V nach Almgren (A 123-128,148-149), ferner Almgren 132 sowie frühe Formen der östlichen Rollenkappenfibeln (A 49) und späte stark profilierte Fibeln der Almgrenschen Gruppe IV; die ältesten Leitformen in den neu angelegten Wielbark-Gräberfeldern markieren die B2/C1-Typen der genetisch-typologisch noch älterkaiserzeitlichen Fibeln mit den spätesten Varianten der Gruppe V nach Almgren, nämlich die Dreisprossenfibeln A 96 (Fig. 17,5.10.12) und späte gedrungene Formen der Kopfkammfibeln A127-130 (Fig. 17,2.9.13.16-17), ferner auch die späten Formen der Rollenkappenfibeln A 40/41 (Fig. 17,1.3—4.6—8.11.14—15), d. h. die jüngsten Formen im Abwanderungsraum (Fig. 2) und die ältesten im Einwanderungsraum (= 1. Expansionsraum) entsprechen sich93. Diese kultur- und siedlungsgeschichtlichen Veränderungen am Übergang von der älteren zur jüngeren Kaiserzeit betreffen den gesamten 1. Expansionsraum der Wielbark-Kultur östlich der mitderen Weichsel, d. h. im Süden bis in den Nord- und Ostteil des Lubliner Gebietes (im Westteil erst ab C2) mit der sog. Maslom^cz-Gruppe, die in den letzten Jahren intensiv von Andrzej Kokowski erforscht wurde und noch weiter wird94, 92
Diskrepanzen nur darüber, wie lange dieser Prozeß in etappengeschichtlich-regionaler Hinsicht dauerte bzw. wann er östlich der mittleren Weichsel seinen Höhepunkt erreichte und wie stark der verbleibende Rest der Przeworsk-BevöJkerung war (z. B. GODLOWSKI und ANDRZEJEWSKI: vgl. Anm. 89). 'n Auf einen näheren formenkundlich-chtonologischen Nachweis wird verzichtet; Belege in der in Anm. 89 zitierten Literatur (mit Weiteren Verweisen); vgl. ferner: GODLOWSKI (wie Anm. 12) S. 137. 04 Trotz auffallender Jnbumationsriten {nichtanatomische, aber komplette Bestattung; Teilbestattung) weist die Maslome.cz-Gruppe vor allem in ihrer älteren Phase (C1-C2) alle wesentlichen Merkmale der Wielbark-Kultur bis hin zu Übereinstimmungen in der handgemachten Keramik auf, ebenso dann in ihrer jüngeren Phase (C3) Übereinstimmungen zur Ccrnjachov-Kukur Wolhynicns und der Ukraine; in der jüngeren Phase dann auch sarmatisch geprägte Gräber: zuletzt KQKOWSKJ (wie Anm. 89); Dtas., Die Maslomccz-Gruppc als Ausdruck der Kulturwandlungen im Raum von Lublin in der späten Kaiscrzeit, in: Archacologia Polona 28, 1988, S, 149-169; DEHS., Moslomexz-Gruppc - Stand und Perspektiven der Forschung, in: ^Archaeologia Imerrcgicmalis". Intcrrcgional Cultural Relations Between PoJish Territoriei and Adjaccnt Region» of Central and Eastcrn Europe, Krakow-Warszawa 1990, S. 153-169 (jewwl» mit weit. Literatur}; D{;J&, Auf den Spuren der Goten. Die Gräber der Maslomccz-Gruppe, in: Da* Altertum 38,1992, S. 81—93; DERS., Neue Materialien aus dem oberen Buggcbict, iru MAtftm-LLGUTKö (Red,)* Probleme der relativen und absolut «MI Chrunulo&ic ab b« zum ftühmittctalter. Symposium Krakow - Karniowicc 1990, Krakow 1992, S. 213226.
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Fig. 17 Fibeln der Stufen B2/C1 im 1. Expansionsraum: l Rostohy, 2-3Cecele, 4-5Paluki, 6-13 Brest-. Trisin, HLuboml, ISMasev, 16-17 Velickovici. lJASKANIS (wie Anm.95) S.236 Abb. 13a; 2-3DERS. in: Rocznik Bialostocki 12,1974, S. 432 Abb. 2; DERS. in: Sprawozdania Archeologiczne 24,1972, S. 93 Abb. 9; 4-5 W? LA BAUME, Altpreußen 1943, l, S. 3 Abb. 2, if m.; 6-15 KUCHARENKO (wie Anm. 12) passim; 16-17 Kratkie SoobScenija 119,1969, S. 82 Abb. 39.
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und im Osten bis in das Gebiet um Brest am (oberen) Bug-Knie; siedlungsgeschichtlich voll stabil ist der 1. Expansionsraum erst ab Gib. b. Wegen der Übereinstimmung in allen wesentlichen Determinanten der kulturellen Erscheinungsformen zwischen dem Auswanderungsraurn — wie sie oben beschrieben wurden (S, 54 ff.) — und dem 1. Expansionsraum steht außer Zweifel, daß die Einwanderer Wielbark-Populationen waren. Dies äußert sich besonders in der so spezifischen Sitte der Grabhügel mit ihren Steinkonstruktionen, die im 1. Expansionsraum neu auftreten, und zwar schon ab B2/C1 bzw. Cla, also — da vorher hier unbekannt — ein besonders eindrucksvoller Beleg für diesen WanderungsVorgang sind95 (Fig. 8) und nicht nur dies: Diese Sitte ist es auch, die es — außer dem generellen Abbruch der Wielbark-Gräberfelder in Pommern und Großpolen — zusätzlich erlaubt, die Auswanderungsgebiete der im 1. Expansionsraum einwandernden Wielbark-Bevölkerung im weiten Verbreitungsraum der Wielbark-Kultur näher einzugrenzen, nämlich mehrheitlich westlich des unteren Weichseltales (Fig. 8); im unteren Weichseltal und östlich des Flusses ist diese Sitte nämlich nicht verbreitet. Abwanderungen aus Pommern und Großpolen in B2/C1 erfolgten aber wohl auch ins untere Weichseltal und in den weiter östlich gelegenen Verbreitungsraum der Wielbark-Kultur, da hier zu dieser Zeit bemerkenswert viele Gräberfelder neu angelegt werden (Fig. 15)96. c. Neu angelegte Gräberfelder (und Siedlungen) der Wielbark-Kultur liegen in unmittelbarer Nachbarschaft zu in B2/C1 aufgegebenen Przeworsk-Gräberfeldern (und Siedlungen), so z. B. in der Mikroregion des Flüßchens Wilga um Gozdzik und Garwolin97 und an der Mündung des Liwiec in den Bug mit Kamienczyk und Nadkole I und H98. d Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Przeworsk-Gräberfelder wird in die jüngere Kaiserzeit hinein kontinuierlich weiterbelegt, wobei Grabsitte, Beigabensitte und Typen zunehmend und dann ganz die Merkmale der Wielbark-Kultur tragen; hierbei handelt es sich also um die im Lande verbliebene und wielbarkisierte PrzeworskBevolkerung". Der l. Expansionsraum (Fig. 16) bleibt durch die Träger der Wielbark-Kultur bis an das Ende der jüngeren römischen Kaiserzeit (C3) und vereinzelt(?) noch bis in die frühe völkerwanderungszeitliche Stufe Dl (370/80-400/10) besetzt; mit Siedelreduk95
Leicht abweichende Konstrukdonsdctails (Typ Rostolty) ändern nichts an dieser grundsätzlichen Bewertung: zuletzt JAN JASKANJS, Kurhany typu rostoickicgo, in: GODLOWSW (Red.) (wie Anm. 6) S. 215—251. 9A GODLOVSKJ, „Superiores Barbaxi" (wie Anm. 5) S. 330 Abb. 1. 97 AKDRZEJ NIEVIGLOWSKI, Two cemeteries of die roman period at Gozdzik, Commune af Borowie, Province of SiedJcc, in: Sprawozdania Archeologicznc 35» 1985, S. 131-159; DEK»., Cmemarzysko kultury przeworskiej w Gaxwolinie, woj. sicdleckie, Warszawa 1991; fernen DEI&, Rcchcrches sur h periode de la Tcne II! et sur la periode romaine en Mazovie moridionalc, in: Archacologia Polona 7/8, 1964/ 65, S 149-161. ** DAkKuw&KA (wie Anm, 89); DJES.-ANNA POZARZVCKA^UKBANSKA, in: Sprawuzdania Archeologiczne 30, 1978, S. 151-174 (Kamicrkzyfc); ANÖWO^JÜWSKJ (wie Anm. 89) S. 124; GOI>LCWSW (wie Anm. 12) S. 135 mit Anm. 56. Und freundliche Mitteilungen und Materialcriäuterungcn von Frau Teresa Dabniwska (VCarschau). 99 & (wie Anm. 89); Dits. in: Vftadomasci Archcologicznc 43* 1978, S. 62-81 (Graberfdd von KozariVwka); Dos. in: esixt 37, J972, S. 484-503 (Gräberfeld von Stara Wie«); Amnw JGWSKI (wie Anm. 89); GuuuatftKJ, Prascrruany (wie Anm. 13) S, 76 ff.; D*J& (wie Anm. 12) S. 135.
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tionen im 4. Jahrhundert (C3) ist zu rechnen, doch ist dies systematisch feinchronologisch und siedlungsarchäologisch noch nicht aufgearbeitet100. Vor allem durch die Forschungen von Kazimierz Godiowski wissen wir, wohin die von der Wielbark-Bevölkerung aus ihren angestammten Wohnsitzen verdrängte Przeworsk-Bevölkerung abgewandert ist: zum einen vermutlich in seit alters her besetzte 'Kern'-Siedelgebiete der Przeworsk-Kultur zwischen Weichsel und Oder^ da hier auffallend viele Gräberfelder gegen Ende der Stufe B2 und in B2/C1 (ca. 150-220/230) neu angelegt werden (Fig. 15)101, und gesicherter zum anderen in neu gewonnene Gebiete im Süden und Südosten, wohin die Przeworsk-Kultur etwa zur selben Zeit expandierte (Ende B2-Cla): nach Südpolen ^ind vor allem in das obere Theißgebiet südlich der Karpaten (Karpatoukraine, östliche Slowakei, Nordostungarn) sowie in das obere Dnjestr-Gebiet und in das südwestliche Wolhynien, wo die Przeworsk-Kultur an die hier ebenfalls schon in B2/C1 weiter südostwärts expandierende Wielbark-Kultur grenzt (Fig. 16; S. 116)102. Archäologisch ist also die Abwanderung von Wielbark-Populationen im wesentlichen aus Pommern westlich der unteren Weichsel und aus Großpolen und deren Landnahme im 1. Expansionsraum östlich der mittleren Weichsel in Grundzügen geklärt: Wie deutlich wurde, handelte es sich l. nicht um einen einmaligen kurzfristigen Wandervorgang, sondern um eine Verlagerung der Siedelgebiete im Verlauf von etwa drei Generationen, deren Höhepunkt, wenn der gegenwärtige chronologische Forschungsstand nicht trügt, in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts liegt (B2/C1), und 2. um einen totalen Abwanderungsvorgang aus dem beschriebenen Auswanderungsräum, da hier alle Wielbark-Gräberfelder abbrechen. Es wanderte also - wie sich noch weiter aus dem interdisziplinären Befund des 3./4. Jahrhunderts methodisch rückschreitend zeigen läßt (S. 106) - der gesamte Stamm ab103, nämlich der der älterkaiserzeitlichen Goten. Die Gründe, die zur Abwanderung führten, lassen sich gegenwärtig, vor allem wegen noch fehlender ausreichend detaillierter Kenntnis siedlungsarchäologischer Prozesse in der Mikro- und Makroregion, archäologisch (noch) nicht befriedigend beschreiben. Auch die Schriftquellen vermitteln keine konkreten Hinweise; nur in der 'späten' Wandersage des Jordanes klingt an, daß es demographische Gründe gewesen sein könnten: ,Als nun die Zahl des Volkes immer mehr zunahm 100
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Für das Lubliner Gebiet noch am besten: vgl. KOKOWSKI (wie Anm. 89) S. 202 ff. mit Karte Abb. 92 (C3-D) im Vergleich zu C2 Abb. 90 und sonst z. B. die Karten bei GODLOWSKI, Przemiany (wie Anm. 13) Karten 6 (Clb-C2) und 9 (D); WOL&GIEWICZ, Kultury oksywska i wielbarska (wie Anm. 6) S. 178-189. Dies kann jedoch - wie im Bereich der Wielbark-Kultur - auch demographische Gründe haben; vgl. GODLOWSKI, „Superiores Barbari" (wie Anm. 5) S. 331 f. mit Karte Abb. 1. GODLOWSKI, ebd. S. 332 ff. mit Karte Abb. 2; DERS., Przemiany (wie Anm. 13) S. 81 ff. mit Abb. 5-6 und Karten 5-6; DERS., Germanische Wanderungen (Wie Anm. 5) S. 66; V. V. KROPOTKIN, Denkmäler der Przeworsk-Kultur in der Westukraine und ihre Beziehungen zur Lipica- und Cernjachov-Kultur, in: Symposium: Ausklang der Latene-Zivilisation und Anfänge der germanischen Besiedlung im mittleren Donaugebiet, Bratislava 1977, S. 173-193; D. N. KOZAK, Psevors'ka kul'tura u Verchn'omu Podnistrov'i i Zachichnomu Pobuzzi, Kiev 1984. Anders WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 52 f., dabei mit falschem Verweis auf die Archäologie: ebd. Anm. 4 S. 391 („daß nicht alle Gräberfelder [im Abwanderungsraum] abbrechen"); die 'totale Auswanderung' wird als topos eingestuft; vgl. auch GODLOWSKI (wie Anm. 12) S. 147, der eine Rückkehr der Gepiden in das alte Siedelgebiet im unteren Weichseltal und östlich der Weichsel für wahrscheinlich hält.
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(M rnro magiapoputi numerositate crescente} und ungefähr (pew) der fünfte König nach Berig herrschte, nämlich Filimer, der Sohn des Gadarich, faßte dieser den Entschluß (consilio sedit\ in bewaffnetem Zug mit Weib und Kind auszuwandern (/// exinde wm famitiis Cothorum promöveref exemtus}'' (Getica 26—27 [MGH AA 5,1] S. 60); aber das kann — nicht nur hier — ein topos sein. Möglich ist die von Jordanes genannte 'Überbevölkerung* gleichwohl, und zwar wegen der stetigen Verdichtung der Siedlung und der Siedelerweiterungen in der älteren Kaiserzeit (Fig. 6-7, 9). Die genannte Quelle ist dennoch bedeutsam genug, da sie immerhin von einem offensichtlich totalen Abwanderungsvorgang berichtet und dann auch noch dessen Richtung und Zielgebiete nennt: ,Als er [Filimer] nach geeigneten Wohnsitzen und passenden Orten (aptissitHas sedes locaque) suchte, kam er in die Lande von Skythien (Skythias terras), welche in ihrer Sprache Oium heißen. Die fruchtbaren Gegenden (magna übertäte regonum} gefielen dem Heer'; nach der Episode über die eingestürzte Brücke in einer ,Gegend, die, wie erzählt wird, von einem Abgrund mit unsicherem Moor umgeben ist,* fährt Jordanes fort: ,Der Teil der Goten also (ergo pars Gothorum\ der unter Filimer über den Fluß setzte und nach Oium kam, bemächtigte sich des ersehnten Bodens. Gleich darauf (nee mora ilico) kamen sie zu dem Volk der Spaler, lieferten ihnen eine Schlacht und gewannen den Sieg. Im Siegeslauf gelangten sie dann (exinde} bis an den entferntesten Teil Skythiens (ad extremam Scythiae partem), der an den Pontus grenzt (Ponto man viana)' (Getica 27 f., S. 60 f.). Diese Quelle und noch andere jüngerkaiserzeitliche, also zeitgenössische Schriftquellen ab 238 n. Chr. werden für die ethnische Interpretation archäologischer Befunde in Wolhynien, der Ukraine und Teilen Rumäniens von Belang sein (2. Expansionsraum: Cernjachov- und Sintana de Mure§~Kultur, Kapitel III-VL Mißlich ist nun, daß die einzige Nachricht, die über die gotische Wanderung berichtet, eben die bei Jordanes, zeitlich nicht einzuordnen ist, da sie nur eine relative Abstands-Chronologie enthält fünf (Königs-)Generationen nach Berig, bezogen auf die angebliche Übersiedlung aus Skandinavien (Skandza) auf den Kontinent (Gothiskandza)104. Archäologisch und damit auch interdisziplinär stellt sich nun die Frage, ob die 'Wanderung' der Goten nach O/tfw/Skythien schon auf den Abwanderungsvorgang aus Pommern und Großpolen in die Gebiete östlich der mittleren Weichsel zu beziehen ist oder erst - auch wegen der Gleichsetzung von Oium mit Skythien bei Jordanes — auf das weitere Vordringen der Wielbark-Goten nach Wolhynien und in die Ukraine/Moldau» Die Quelle bei Jordanes läßt eine eventuelle etappengeschichtliche Zweiteilung dieser 'Wanderung* oder des „Zuges zum Schwarzen Meer" (H. Wol&am) nicht klar erkennen, weder die Episode um die eingestürzte Brücke an jenem Fluß, den (dann?) angeblich nur noch ein Teil der Goten überschritten habe, noch das zeitlich vielleicht nachgeordnete (jxinde\ also vielleicht weitere Vordringen der Goten in den ,cntfcrntesten Teil Skythicns, der an den Pontus grenzt* (s. oben); dies kann im Sinne eines Vg). hierzu z. B. zuletzt die nur etwas mehr als eine Druckseite langen Ausführungen bei WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 52 f,, bei denen mehrheitlich ohnehin auf die Archäologie verwiegen wird, und GOIÄOW&KI (wie Anm. !2) $. 143 f.; ferner WOLFRAM. S 49. Unergiebig» da durcheinander geraten, Jordanes, Gates» 39~42 VgJ, aocfc* Hie interdisziplinäre Stwiie de* Histufi&crii BUKNS (wie Anm. 38), archäologisch jedoch mit vielen Feldern«
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Nacheinanders so sein, muß es aber nicht, da eine zeitliche Staffelung allein aus exinde nicht gesichert abgeleitet werden kann. Bleibt also die Frage, ob die Rekonstruktion des 'Wander'-Vorganges durch die Archäologie diese und noch andere offene Fragen beantworten kann, was den Fachvertretern der Alten Geschichte und Mediävistik wegen der dürftigen, weil allzu vage und summarisch gehaltenen Quelle bei Jordanes verwehrt ist. Möglich ist dies, jedoch nur unter Einbeziehung Wolhyniens, der Ukraine und der Moldau, was in Kapitel III versucht werden soll. Die Antwort auf die Frage, ob mit der 'Wanderung' nach Qium/ Skythien schon die Abwanderung aus Pommern und Großpolen und die Landnahme östlich der mittleren Weichsel gemeint ist, wird also wesentlich davon abhängen, ob die Inbesitznahme der weiter südöstlich gelegenen Räume zur selben Zeit und auch in derselben Intensität erfolgte wie jene östlich der mittleren Weichsel. Die oben gebrauchte Bezeichnung 1. Expansionsraum für Masowien, Podiasien bis ins Lubliner Gebiet läßt schon erkennen, welcher Auffassung der Autor in diesem noch nicht ausreichend behandelten Problem zuneigt; sie impliziert die Inbesitznahme eines 2. Expansionsraumes weiter südöstlich zu einem späteren Zeitpunkt. Nicht konkret auf die Goten, aber allgemein auf germanische Stämme tief im Inneren der 'Germania libera' beziehbar ist die bekannte zeitgenössische Quelle im Zusammenhang mit der Auslösung der Markomannenkriege in den 60er Jahren des 2. Jahrhunderts, die von dort in Bewegung geratenen gentes bzw. deren Kettenreaktion und Druck auf in der Nähe der Reichsgrenze siedelnde Germanen berichtet: Vtctualis et Marcomannis cuncta turbantibus alüs etiam gentibus, quae pulsae a superioribus barbaris fugerant, nisi redpmntur, bdlum inferentibus (Vita Marci 14,1 [Scriptores Historiae Augustae]). Diese Quelle über die supenons barbari wkd von der Forschung schon lange außer auf andere germanische Stämme - z. B. Langobarden von der Niederelbe auch auf Goten und Wandalen bezogen; dies entspricht gut dem oben beschriebenen Befund der nach Süden und Südosten expandierenden wandalischen Przeworsk-Kultur und der gotischen Abwanderung, vor allem in zeitlicher Hinsicht105. Aber auch aus dieser Quelle ist nichts über die offenen Fragen des gotischen Wandervorganges zu erfahren. Ebenfalls nur in zeitlicher Hinsicht (terminus post quem) von Interesse ist die jüngste der älterkaiserzeitlichen Quellen zu den Goten, die 'Geographia' des Ptolemaios, der die Goten um 150 noch an der Weichsel, also in ihren alten Wohnsitzen nennt (S. 74). Die archäologisch gewonnene Chronologie über den Abwanderungszeitraum am Übergang von der älteren zur jüngeren Kaiserzeit in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts entspricht somit gut diesen beiden Schriftquellen. Die Wielbark-Kultur und die Wohnsitze der Gepiden: Zuvor sei aber die noch offene Frage in aller Kürze behandelt, wer in der älteren (und jüngeren) Kaiserzeit (Bl-B2/Cl/Cla) im unteren Weichseltal und östlich davon siedelte,, also dort, wo - wie oben dargelegt (S. 90) offenbar keine Goten gesiedelt haben. Maßgebend hierfür waren der Abbruch der 105
Zuletzt GODLOWSKI, „Superiores Barbari" (wie Anm. 5); DERS. (wie Anm. 12) S. 139 f.; DERS., Germanische Wanderungen (wie Anm. 5) S. 66; WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 24; HORST WOLFGANG BÖHME, Archäologjsche Zeugnisse zur Geschichte der Markomannenkriege (166-180 n.Chr.), in: Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 22,1975, S. 153-217, bes. S. 156.
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Wielbark-Nekropolen am Übergang von der älteren zur jüngeren Kaiserzeit westlich des unteren Weichseltales bei Sepulturkontinuität in den östlich gelegenen Verbreitungsgebieten der Wielbark-Kultur (Fig. 9 und 16 im Vergleich) und das Fehlen der Nekropolen mit Grabhügeln und Steinkreisen im unteren Weichseltal und weiter östlich (Fig. 8), beides Kriterien, die mit der abwandernden Wielbark-Bevölkerung = Goten in Verbindung gebracht werden konnten. Der abweichende archäologische Befund in der jüngeren Kaiserzeit im unteren Weichseltal bis hin zur Passarge im Osten wurde schon in der deutschen Vorkriegsforschung, vor allem durch Reinhard Schindler106 mit den Siedelgebieten der Gepiden in Verbindung gebracht und zu Recht auch bis heute bei nun entscheidend verbesserter Quellenlage107. Die Argumentationen hierfür basieren derzeit aber weiterhin nur auf dem oben bereits beschriebenen Befund — sozusagen im Ausschlußverfahren zu den abwandernden Goten —, da bislang noch keine gesicherten Kriterien erkennbar sind, die auf eine kulturspezifische regionale Sonderstellung des unteren Weichseltales bis hin zur Passarge im Osten im so einheitlichen Kulturgefiige der Wielbark-Kultur der älteren Kaiserzeit hinweisen (Grabsitte, Beigabensitte; Keramik etc.). Die Annahme gepidischer Siedelgebiete ist dennoch die einzige sinnvolle Erklärung für diesen bemerkenswerten Befund und dies in Verbindung mit der bekannten Schriftquelle bei Jordanes, zwar spät aufgezeichnet, aber die einzige über die Gepiden, die auf Verhältnisse offenbar der älteren Kaiserzeit abhebt: die Erzählung über die drei Schiffe, mit denen auch die Goten von der Insel Skandza zum Diesseitigen Ufer des Ozeans nach Gothiskandza* gekommen seien, die Gepiden in dem dritten 'verspäteten' Schiff; abgesehen von den lästerlichen Bemerkungen über die Eigenschaften der Gepiden, die Jordanes daran knüpft, vermittelt er dann sehr konkrete Angaben darüber, wo die Gepiden siedelten: ,in Spesis auf einer Insel, die ringsum von den Untiefen der Weichsel (Vtscla) umgeben ist, die sie in ihrer Sprache Gepidaios nannten* (fordanes, Getica 94—96), also dort, wo später die Vidivarier siedelten; diese topographischen Angaben werden weiter gestützt und präzisiert, da Jordanes an anderer Stelle im Zusammenhang mit den Vidivariern , der Küste des Ozeans, wo sich in diesen die Weichsel mit drei Mündungen ergießt* (Getica 36) spricht und ferner davon, daß ,die Weichsel in drei Mündungen in den nördlichen Ozean fließt* (Getica 17). Wie Jerzy Okulicz kürzlich gezeigt hat108, lassen sich diese ohnehin schon konkreten Angaben über das Weichselmündungsdelta durch die Beschreibung von Spem-Gepiddios naturräumlich noch weiter präzisieren, nämlich auf die Elbinger Höhe (Elblag), die von allen Seiten durch versumpfte Niederungen eingeschlossen ist, ein relativ großes Gebiet, begrenzt im Westen und Süden durch Drauen-See und ElbingerFließ und im Osten durch das Sumpfgebiet an der Passarge (Pasl^ka) und Drewenz (Drw^ca), also ziemlich an der Ostgrcnze der Wielbark-Kultur. Die erwähnte Uniformität der Wielbark-Kultur von Pommern im Westen bis zur Passarge im Osten in ihrem Gesamthabitus bedeutet aber auch, daß sich die Bevölkerungsgruppen westlich und östlich der unteren Weichsel - also Goten und "* SCHINDLE* (wie Anm, 6) S. 104 f£ lirr Zuletzt GouLOW'SKJ (wie Anm. 12) & 147; OKUUCX (wie Anm. 44); DEKS. (wie Anm. 13); FundstellenVerzeichnis bei Woi^Git«rJC2 (wie Anm, 13) S. 299-317 und JEKZV ANDRZI:JCW$JU-*AL£KSAN£>£H BUKscHt, Stan i potreeby badan nad okrcscm rzymskim na wschod öd dolnq Wisly, in: . U.c>jTfco (wie Aora. 13) S, 319-342, »'* OKUUCS (wie Anm, 44) S. 117,119; DIAS, (wie Anm. 13) S. 139 ff.
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Gepidcn - nicht oder nur wenig voneinander unterschieden haben; auch dies würde den Angaben bei Jordanes gut entsprechen, der an der engen stammlichen Zusammengehörigkeit von Goten und Gepiden keinen Zweifel läßt: Gepidarum natio ... inparentibus; Getae Gepidas qm suntparentes; nam sine dubio ex Gothorum prosapie et hi trahent originem (Getica 94-96 (MHG AA 5,1] S. 82). Das Siedelgebiet der Wielbark-Kultur im unteren Weichselraum, den ich regional erweiternd zu J. Okulicz ebenfalls noch mit den Gepiden verbinden möchte, und die Gebiete östlich der unteren Weichsel sind - mit Siedelreduktionen in C3, also im 4. Jahrhundert, deren Intensität noch nicht näher untersucht ist - bis an das Ende von C3, vereinzelt noch bis D1/D2 in der 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts besetzt. Diese Siedelreduktionen können, ja dürften mit den Unternehmungen unter dem Gepidenkönig Fastida zusammenhängen, der - nachdem er die Burgunder ,fast bis zur Vernichtung* geschlagen hatte — 291 vom Brudervolk der Goten unter König Osthrogota Land forderte; die Schlacht bei dem oppidum Galtis am Flusse Auha^ dessen Lokalisierung innerhalb oder außerhalb des Karpatenbogens umstritten ist, der in jedem Falle aber fernab von den angestammten gepidischen Siedelgebieten liegt, endete für die Gepiden verlustreich und: Fastida kehrte mit seinem Heer in seine Heimat zurück (Fastida rex Gepidarum properavit ad patnam] (Jordanes, Getica 97-100), ob wieder ins untere Weichselgebiet nach Gepidaios oder in ,das mit Waffen erweiterte väterliche Gebiet* oder in das gegenüber Osthrogotha beklagte schlechte Siedelgebiet, das , schroffen Gebirgen eingeschlossen sei und von dichten Wäldern eingepfercht* (Getica 98), ist aufgrund der Schriftquellen völlig unklar, ebenso deren Lokalisierungen109. Festzuhalten bleibt, daß die Siedelgebiete der Gepiden im unteren Weichseltal und östlich davon - wie schon betont - auch noch im 4. Jahrhundert besetzt sind, also keinesfalls der gesamte Stamm vor 291 abgewandert sein kann; die jüngerkaiserzeitliche Geschichte der Gepiden ist historisch und archäologisch aber nicht Gegenstand dieser Untersuchung. III. DIE GOTISCHE LANDNAHME IN WOLHYNIEN, DER UKRAINE UND MOLDAVISCHEN REPUBLIK: DIE CERNJACHOV-KULTUR (2. EXPANSIONSRAUM)
Die Situation am Übergang von der älteren zur jüngeren Kaiserzeit und zu Beginn der jüngeren Kaiserzeit: 'Exploratores' und die formative Phase d«r Cernjachov-Kultur Wie oben schon formuliert, hängt die Rekonstruktion des Wandervorganges nach 0/#////Skythien entscheidend davon ab, wann die weiten Räume östlich, südlich und 109
WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 68 mit Änderungen gegenüber der 1. Auflage des Gotenbuches wegen der Kritik des ungarischen Archäologen ISZTVÄN BONA, der die gotisch-gepidische Auseinandersetzung von 291 „wahrscheinlich irgendwo im Tal des Szamos" lokalisiert und gepidische Siedelgebiete am mittleren Mure§ und im Some§-Becken im 4. Jahrhundert annimmt (Artand-Gruppe; Acta Archaeolögica Academiae Scientiarium Hungaricae 23,1981, S. 363-371, bes. S. 367), dies auch wegen der Beschreibung bei Jordanes: indusum se montium asperitaie, die nur auf die Gegend innerhalb der Karpaten passe; DERS., Völkerwanderung und Frühmittelalter, in: BELA KÖPECZI (Hg.), Kurze Geschichte Siebenbürgens, Budapest 1990, S. 66 f. mit Karte 4.
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südöstlich des nördlichen oberen Bug, also Wolhynien, die Ukraine und MoldaUj von Wielbark-Goten in welcher Siedlungsintensität erreicht und besetzt wurden. Der sog. 1. Expansionsraum reichte in B2/C1 bzw. Cla — wie schon ausgeführt — im Osten bereits bis in die Gegend von Brest am (oberen) Bug-Knie mit dem bekannten Brandgräberfdd von Brest-Trisin (75 Gräber) und z. B. dem Fundort Velickovici110 (Fig. 17) sowie im Süden bis in den Nord- und Ostteil des Lubliner Gebietes, also unmittelbar bis zum westlichen Oberlauf des (oberen) Bugm (S. 90 ff.; Fig. 17.16-17); zu diesem 1. Expansionsraum gehörten auch die beiden Sepulturen von Luboml und Masev, in der Nord-Süd-Traversale wenig östlich des Bug in der Höhe von Lublin und auch naturräumlich getrennt von Polesien und den Pripjat-Sümpfen und dem südlich anschließenden Wolhynien, beide Fundorte ebenfalls schon mit B2/C l-Materialien (Fig. 16-17.14-15)112. Die Situation in Wolhynien, der Ukraine und Moldau ist chronologisch derzeit nur schwierig zu beurteilen, obgleich die Quellenlage — im Gegensatz zum Publikationsstand (trotz eines umfangreichen Schriftrums) — gut ist. Der entscheidende Grund für diese Schwierigkeiten liegt vor allem in der feinchrönologisch so schwer beurteilbaren handgemachten Keramik (s. unten), ein Umstand, der auch auf die WielbarkKulrur der älteren (und jüngeren) Kaiserzeit zutrifft113. Tatsache ist, daß das feinchronologisch so wichtige Trachtzubehör am Übergang von der älteren zur jüngeren Kaiserzeit und zu Beginn der jüngeren Kaiserzeit (B2/C1—Cla) fast vollständig fehlt, besonders die Fibeln, und auf ihm basierten fast ausschließlich ja auch die etappengeschichtlichen Ergebnisse zur Wielbark-Kuhur während Bl-B2/Cl/Cla (z. B. Fig. 4). Da die russischen und ukrainischen Archäologen — gut vertraut mit dem WielbarkFundstoff dieser Zeit — auf diesen besonders achten114, ist daher kaum vorstellbar, daß dieses Trachtzubehör in nennenswertem Umfang unerkannt oder unpubliziert noch in den Museumsmagazinen liegt, wie gelegentlich angenommen115. Das weitgehende Fehlen dieses frühen Trachtzubehörs kann auch nicht mit einer sich zu dieser Zeit verändernden Grab- und vor allem Beigabensitte erklärt werden; hiergegen sprechen eindeutig die Verhältnisse im 1. Expansionsraum, wo dies nicht der Fall ist, und auch die Bestattung in Tracht in den folgenden Stufen C2 und C3 in Wolhynien und der Ukraine (Cernjachov-Kultur; s. unten) die Regel ist, auch wenn man diese Tracht 110
KÜCHARENKO (wie Anm. 12); V. C BARAN-Ü. A. GEJ, Chronologija mogU'riika Brest-Trisin, in: GLTRBAKDILOWSKI (Red.) (wie Anm. 9) S. 183-193; GODLOWSKI, Przcmiany (wie Anm. 13) S. 70 ff. mit Karte 5; KOKCWSKJ (wie Anm. 39) mit Karte 2 (beide Arbeiten mit Fundstellenverzeichnis); M. B. SZCZUKJN, /Cabytki wielbarskie a kultura czerniachowska, in: MAUNOWSKI (Red.) (wie Anm. 6) S. 135—144 (mit weiterer Literatur); erstmals j, V. KUCHAKENKQ, Lc probleme de la civilisation „Gotho-gepide" en Po)csie et cn Woihynk, in: Acta Baltica-Slavica 5t 1967, S. 19-40. 111 KOKOVSKI (wie Anm. 89 und 94). 112 KUCHARCNKO (wie Anm, 12) S. 77 ff. mit Taf. 27 und 28,1V; SZCZVKJN (wie Anm. 110) S. 142£ mit Abb. 4. 11 * fcszAJO» WOLAC&WICZ, Die Keramik-Chronologie der Wjelbark-Kdrur im Lichte des bisherigen Standes der Forschungen, in: AtcheologMi Poiski 32,1987, S, 169-208; DJ;K&., Die Chronologie der Keramik der Wtdbark-JCuitur, in: Guiu^Kpxowso (Red.) (wie Anm. 9) S, 145-155. 114 V$- *- & Anm. 110 und 112 oder auch Gotodok am Gorym V. V. KROPOTIÜN, iru Sweukaja ArcheoloKÜa 1972 (2), S. 255i.;ftrju*AgcK
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'reduziert' bezeichnen mag116, Fibelpaare an den Schultern bleiben nach wie vor kennzeichnend. Gut in B2/C1 und Cl datierbares Fundgut - besonders Trachtzubehör aus den tausenden germanischen Gräbern und von Hunderten von Siedlungen im Bereich der Cernjachov-Kultur, das wie im 1. Expansionsraum östlich der mittleren Weichsel so sicher mit den aus Pommern und Großpolen auswandernden Goten verbunden werden kann, ist nur sehr, sehr vereinzelt nachweisbar, so in der wolhynischen Siedlung von Lepesovka (raj. Chmelnickij) einmal eine Fibel vom Typ Almgren 129 (B2/C1)117 (Fig. 18.18). Dieser Befund ist auch deswegen real und aussagekräftig, da besonders Wolhynien — wegen seiner Verbindungen zur Wielbark-Kultury— vergleichsweise gut erforscht ist118. Im Vordergrund der Datierungen des frühen Wielbark-Fundstoffes stand und steht hier - wie in der Ukraine (S. 102 ff.) - daher die handgemachte Ware, die sich mit jener der Wielbark-Keramik während B2-B2/C1-C1 verbinden läßt; sie ist an den meisten Fundstellen mit z. T. erheblichen Mengenanteilen vertreten, so z. B. in der Siedlung von Lepesovka mit 39 Prozent119 (z.B. Fig. 18.1-6). Das Problem ist aber - wie schon erwähnt -, daß sie sich in den Gräbern - vorwiegend Brandbestattungen - wegen fehlenden Trachtzubehörs nicht ausreichend scharf datieren läßt, ebenso und erst recht nicht in den Siedlungen, und feinchronologisch für diese Ware und ihre verschiedenen Typen nach der Klassifikation von Reinhard Schindler120 auch im Bereich der Wielbark-Kultur noch Datierungsschwierigkeiten bestehen121. Im Rahmen dieses interdisziplinär ausgerichteten Beitrages macht es wenig Sinn, auf diese Problematik allzu detailliert einzugehen; kurz zusammengefaßt ergibt sich folgender Befund: Von den 18 durch Schindler (1940) für die Wielbark-Kultur herausgearbeiteten Keramik-'Gruppen' der älteren und jüngeren Kaiserzeit auf der Grundlage von immerhin 1100 Gefäßen mit chronologisch bereits eindrucksvollen Ergebnissen, die 116
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MAGDALENA TEMPELMANN-MACZYNSKA, Das „reduzierte" Trachtmodell der gotischen Frauen und seine Ursprünge, in: KMIECINSKI (Red.) (wie Anm. 82) S. 203-230; ferner DIES, (wie Anm. 11).. M. A. TICHANOWA, Raskopi poselenija u s, Lepesovka, in: VI1C Congres International des Sciences Prehistoriques et Protohistoriques, 1966, Prag 1970, S. 1061 Abb. 2,18; KUCHARENKO (wie Anm. 12) S. 68 f. - Zu diesem Fibeltyp, am häufigsten in der Przeworsk-Kultur belegt, zuletzt KAZIMIERZ GODLOWSKI, Jakuszowice, eine Siedlung der Bandkeramik, älteren Bronzezeit, jüngeren vorrömischen Eisenzeit, Römischen Kaiserzeit und der frühen Völkerwanderungszeit in Südpolen, in: Die Kunde N. R 37, 1986, S. 103-131, S. 116 mit Verbreitungskarte Abb. 8 S. 115. Zuletzt D. KOZAK, Vielbarska kul'tura na Volyni, in: GURBA-KDKOWSKI (Red.) (wie Anm. 9) S. 116-136 (mit weiterer Literatur); DERS., Poselenie wielbarskoj kul'tury Boratyn I na Volyni, in: Sovetskaja Archeologija 1989 (2), S. 169-181; ferner P. J. CHAVIJUK, ebd. S. 136-144; ferner J. V. KUCHARENKO, Volynskaja grupa pol'ej pogrebenij, in: Sovetskaja Archeologija 1958 (4), S. 219-226; M. SMISKO-J. SVE§NIKOV, Mogilnik II1-1V stolit' n. c. u s. Ditinici, Rovenskoj oblasti, in: Materialy i doslidzennja z archeologii Prikarpattja ta Volini 3, Kiev 1961, S. 89-106; M. A, HCHANOVA, E§ce raz k voprosu o proischozdenii cernjachovskoj kul'tury [= Nochmals zur Frage der Entstehung der Oernjachov-Kultur], in: Kratkije Soobscenija 121,1970, S. 89-94; E. B. MACHNO, Pam'jatniki tipa Ditinici u Kompanivs'kogo mogil'nikä, in: Archeologia (Kiev) 19, 1976, S. 95-102; SZCZUKIN (wie Anm. 110) S. 145 ff. (mit ausführlichem Literaturnachweis). M. B. , Poselenie Lepesovka: Wielbark ili £erniachov?, in: GURBA-KOKOWSKI (Red.) (wie Anm. 15) S. 195-216; immerhin sind aus Lepesovka insgesamt rund 100000 Scherben von Hand- und Drehscheibenware bekannt, dazu 7000 zu Gefäßen rekonstruiert: vgl. TiCHANOVA (wie Anm. 118) S. 89. SCHINDLER (wie Anm. 6). WoLAGiEWicz(wieAnm.ll3).
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Fig. 18 FundsiotT aus d
Wol^giewicz bei wiederum deutlich verbesserter Quellenlage (2200 Gefäße) neu beurteilt werden konnten122, sind mehrere in Wölhynien vertreten. Diese sind in ihrer Bcnüuungszeit mit ihren jüngsten Vorkommen aber nicht sicher in B2/C1 und Cla cingrcnzbar, auch wenn sie gehäuft in dieser Zelt bclegbar sind; dies trifft auf die eiförmigen großen Gefäße mit gerauhtem Unter- und Mittelteil (Fig. Sa; Formen >ie Anm, 115).
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und D), auf die zweihenkligen Töpfe der Formen II-IV (Fig. 5 b; Form III), auf die trichterartigen Gefäße XB und auf die kleinen Fußbecher XIIIB zu, die alle auch noch während der gesamten Stufe Cl vorkommen können123, und: die Mehrzahl der in der älteren Kaiserzeit gebräuchlichen Typen wird bis in die Stufe C2 benützt, so z. B. die Tassen mit weit abstehendem Henkel (Fig. 19; Form XV)124. Unabhängig von diesen Datierungsproblemen ist diese Wielbark-Keramik natürlich prinzipiell wichtig für die Inbesitznahme Wolhyniens durch Wielbark-Goten. An dieser grundsätzlichen Bewertung ändert auch nichts, daß in der Literatur umstritten ist, wie man kulturspezifisch den Fundstoff der jüngeren Kaiserzeit in WoIhynien - die sog. wolhynische Gruppe (Volynskaja grupa) - bewerten soll: als Wielbark-Kultur mit Cernjachov-Elementen, als Cernjachov-Kultur mit Wielbark-Tradition oder als Cernjachov-Denkmäler vom Typ Danceny/Lepesovka? Diese Diskussion wird pointiert deutlich in der jüngst erschienenen Studie von M. B. Scukin zur wichtigen Siedlung von Lepesovka (S. 109 ff.) mit dem bezeichnenden Titel „Wielbark oder Cernjachov?"125. Trotz aller Diskussionen um den polyethnischen Charakter der Cernjachov-Kultur und deren Herausbildung (S. 114 ff.) hat M. B. Scukin sicherlich recht, wenn er diese Beurteilungsprobleme unter den russischen und ukrainischen Kollegen mit der Formulierung kennzeichnet: „Derzeit redet man mehr über Terminologien und weniger über ihren Inhalt"126, und er fügt sehr zu Recht hinzu, daß man sich dabei vor allem auch um eine verbesserte Chronologie der Cernjachov-Kultur bemühen sollte, vor allem eben der Keramik, sowohl und insbesondere der handgemachten als auch der dann in der Cernjachov-Kultur neu hinzukommenden Drehscheibenware. Scukin hat recht: Diskussionen dieser Art fuhren weg vom Kern des Problems, sind doch diese und ähnliche Bewertungen nichts anderes als zwei Seiten ein und derselben Medaille; sie spiegeln chronologische und regionale Entwicklungsstadien ein und derselben Kultur wider, die man weiter nördlich sich angewöhnt hat 'wolhynische Gruppe' und weiter südlich und südöstlich 'Cernjachov-Kultur* zu nennen (S. 105 ff.). Zurück zum chronologischen Aspekt: Nach meiner Meinung gibt es derzeit keine gesicherten Anhaltspunkte, handgemachte Ware vom Wielbark-Typ der älteren Kaiserzeit und vom Beginn der jüngeren Kaiserzeit feinchronologisch und formenkundlich klar in ausreichenden Mengenanteilen zu verifizieren, die eine vergleichbare Beurteilung Wolhyniens mit dem 1. Expansionsraum erlauben. Gleiches gilt für den Wielbark-Fundstoff der Stufen B2/C1 und Cla in der Ukraine und der Moldau, für die ebenfalls zahlreiche Veröffentlichungen vorliegen, sowohl Einzelstudien als auch Monographien (vor allem mit Gräberfeldediti&nen)127; 123
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WOLAGIEWICZ, Keramik-Chronologie (wie Anm. 113) passim und S. 172 f., Abb. 5 nach S. 176 und S. 207 f.; DERS., Chronologie (wie Anm. 113). V. V, KROPOTKIN, Mogü'nik cernjachovskogo tipa u s. Rizino, Cerkasskoj oblasti, in: Siavia Antiqua 18, 1971, S. 197-205 mit Abb. 5 (hier in Fig. 19 als Punkt, dazu die Zweihenkeltöpfe der Gruppe II nach Schindler als Dreieck). SCUKIN (wie Anm. 119) S. 212. Ebd. S. 213. Aus der Fülle der Literatur zur Cernjachov-Kultur sei nur genannt: M. A. TICHANOVA, Lokal'ny varianty cernjachovskoj kul'tury, in: Sovetskaja Archeologija 1957 (4), S. 168-194; M. B. SOUKIN, Das Problem der Cernjachov-Kultur in der sowjetischen archäologischen Literatur, in: Zeitschrift für Archäologie 9, 1975, S. 24-42; DERS., O nacal'noj date cerjachovskoj kul'tury, in: GODLOWSKI (Red.) (wie Anm. 6) S. 303-317; ALEXANDER HÄUSLER, Zu den sozialökonomischen Verhältnissen in der Oernjachov-Kultur,
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daß er vorhanden ist, ist auch hier unbestritten, wie die ausgewählten Verbreitungskarten zur Keramik (Fig. 5 und 19) dies verdeutlichen, auch eine Gesamtverbreitungskarte von 1975128, unklar ist aber aus denselben Gründen wiederum, wie dieser Fundstoff— eben die handgemachte Keramik — feinchronologisch zu interpretieren ist. Wegen des nur höchst selten nachweisbaren Wielbark-Fundstoffes vom Übergang der älteren zur jüngeren Kaiserzeit und zu Beginn der jüngeren Kaiserzeit (B2/ Cl—Cla) und der angesprochenen Keramikproblematik muß man m. E. annehmen, daß nicht nur Wolhynien, sondern auch die Ukraine und Moldau nicht zeitgleich mit dem 1. Expansionsraum im Sinne einer als regekechte Landnahme zu bezeichnenden Migration besetzt wurden; zwar ist auch im 1. Expansionsraum eine Stabilisierung erst in Gib erreicht, dennoch sind die Unterschiede zwischen diesem und Wolhynien und der Ukraine in B2/C1 und Cla zu groß. Nachdem Quellen- bzw. Publikationslage und eine eventuell sich zu dieser Zeit verändernde Grab- und vor allem Beigabensitte keine hinreichenden Erklärungsmöglichkeiten für diese abweichenden Befunde bieten, sind diese auch nicht in dem denkbaren Erklärungsmodell zu suchen, daß sich eine Einwanderergeneration nur schwer nachweisen ließe; auch dem steht der Befund im 1. Expansionsraum entgegen. In dieselbe Richtung weisen - außer dem weitgehend fehlenden Trachtzubehör - auch die Kämme, da B2/C1- und Cl-zeitliche Formen fehlen, ab C2 die Kammbeigabe aber regelhaft nachweisbar ist129. Wie an anderer Stelle schon vertreten130, bin ich daher der Meinung, daß der so spärliche frühe Wielbark-Fundstoff in Wolhynien, der Ukraine und Moldau nicht mit einer mehr oder minder planmäßigen Landnahme zu verbinden sei, sondern nur mit (sehr?) kleinen Gruppen von Wielbark-Goten, die über den 1. Expansionsraum hinaus schon weiter nach Süden und Südosten vordrangen und die man 'exploratores* bezeichnen könnte; sie bildeten eine Art formativer Phase für die Cernjachov-Kultur. Dies bedeutet im Sinne der oben gestellten Frage, wie die 'Wanderung' nach Oium/ Skythien Qordanes) zu interpretieren ist, einen zeitlich gestaffelten, also etappengeschichtlich zu verstehenden Wanderungsvorgang: Mit der Inbesitznahme des 1. Expansionsraums in B2/C1 und Cla in der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts und in der Zeit um 200 gelangten 'exploratores' auch schon bis nach O/#/ff/Skythien; eine Landnahme in Wolhynien und in der Nordmoldau (sowie sehr eingeschränkt auch in der Ukraine) erfolgte deutlich später, erst ab Ob, also etwa ab 220/230, Und ab C2 kurz vor der oder um die Mitte des 3. Jahrhunderts dann ausgeprägt auch in der Ukraine (S. 105 ff.)131. Aus diesen Gründen möchte ich Wolhynien und vor allem die Ukraine als 2. Expansionsraum der Goten bezeichnen. Ist diese Auffassung richtig, »so heißt
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in: ebd. 13,1979, S. 23-65; V. D. BARAN, Öernajovska kul'tura, Kiev 1981; DERS., Siedlungen der Cernjachov-Kultur am Bug und oberen Dnestr, in: Zeitschrift für Archäologie 7, 1973, S. 24—66. — Zum frühen Wielbark-Fundstoff- außer Anm. 118 - noch die Beiträge von J. S. ViNOKUR-B. V. MAGOMEDOV, in: GURBA-KOKOWSKI (Red.) (wie Anm. 15) S. 218-247. A. T. SMILENKO, Slov'jany ta ich susidy v Stepovomu Podniprov'i ( st. n. e.), Kiev 1975, S. 31 mit Abb. 6. . G. F. NIKJTINA, Grebni cern'jachovskoj ktiTtury, in: Sovjetskaja A*cheolpgija 1969 (1), S. 147-159, bes. Abb. 1—3; M. B. SCUKIN, Sovremennoje sostojanie gotskoj problemy i cernjachovskaja kui'tura, in: Archeologiceskij Sbornik 18, 1977, S. 79-91 mit Abb. 1. BIERBRAUER (wie Anm. 3) S. 22. Anders GODLOWSKI (wie Anm. 12) S. 143, der von der 1. Welle von Wielbark-Goten spricht; vgl. Anm. 115.
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dies zusammenfassend und vergleichend aber auch, daß die Inbesitznahme der beiden Expansiönsräutne unterschiedlich verlief: Handelt es sich bei der Inbesitznahme des 1. Expansionsraumes um einen totalen AbwanderungsVorgang aus den alten Siedelgebieten (Pommern und Großpolen) und wanderte der gesamte Stamm, so sind die Landnahmevorgänge im 2. Expansionsraum anders zu interpretieren: Sie erfolgten im wesentlichen132 aus dem schon besetzten 1. Expansionsraum; da dieser bis an das Ende der jüngeren Kaiserzeit (C3) und vereinzelt noch bis Dl, also bis in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts und die Zeit um 400, von Goten besetzt blieb, wanderte von dort nur ein Teil der Goten ab. Eine gotische Migration eines den gesamten Stamm einschließenden und mehr oder minder kurzfristigen Wanderzuges — ein 'Zug zum Schwarzen Meer' im engeren Wortsinne — war es also nicht. Der Vergleich dieser nur durch die Archäologie rekonstruierbaren gotischen 'Wanderung' mit der Wandersage des Jordanes ist naturgemäß schwierig, da diese, wie oben ausgeführt, außer territorialen Angaben in den entscheidenden Fragen keine hinreichend präzisen Einsichten vermittelt. Ist — wie oben gefragt — mit dem Zug nach O//ws*/Skythien bereits die Abwanderung aus den älterkaiserzeitlichen Wohnsitzen in den 1. Expansionsraum gemeint133 oder erst die Überquerung der eingestürzten Brücke und des Flusses in sumpfig-moorigem Gelände (Pripjat?) nur noch durch einen Teil der Goten unter Filimer, die dann (exinde) bis in den »entferntesten Teil Skythiens, der an den Pontus grenzt* gelangten? Beides ist möglich, auch eine etappengeschichtliche Zweiteilung, wie sie der archäologische Befund mit seinen von mir angenommenen beiden Expansionsräumen vermittelt; eine Entscheidung wäre aber spekulativ, da die Schriftc[ueile eine sichere Übertragung des archäologischen Befundes nicht zuläßt. Die Cernjachov-Kultur Wie oben dargelegt, erfolgte die zunehmend flächendeckende Inbesitznahme Wolhyniens, der Nordmoldau und der Ukranine erst ab Gib (um 220/30) in Wolhynien134 und der Nordmoldau135 und ab C2 (um die Mitte des 3. Jahrhunderts) in der 132
BIERBRAUER (wie Anm. 3) S. 19 f. J33 GODLÖWSKI, Germanische Wanderungen (wie Anra. 5) S. 65 £; DERS. (wie Anm. 12) S. 143; vgL auch Anm. 128. 134 SZCZUKIN (wie Anm. 110) S 146 ff. mit Abb, 5 und 7 (stellvertretend das Gräberfeld von Dytmici, ebd. S« 146 Anm. 62 und MACHNO (wie Anm. 118]); ferner das Oberschichtgrab eines Mannes von Rudka ba" Ternopol (Clb): ERNST PETERSEN, Ein reicher gepidischer Grabfund aus WoJhynien, in: Gothisskandza 3, 1941, S. 39-52. dazu: BIERBRAUER (wie Anm. 82) S. 71 f. 1JS Stellvertretend das Gräberfeld von Daoceny (333 Gräber), allerdings schon im Mitteheil der Republik Moldau bei Kisinev: J. A. RAFAtovia, Danccny, Mogfl'nik cernajochovskoj kultury l IM V w. n. e., Kisinev 1986, mit einem Beitrag zur Chronologie des Gräberfeldes von M. B. SCUKIN S. 177-219; zuleorr. JOACHIM WFLKNJEÄ, Danccny und Brangstrup, Untersuchungen zur £ejrnjachov-Kulrur zwischen Sercih und Dnestr und zu den 'Reichtums-Zentren* auf Pünen, in: Bonner Jahrbücher 188, 1988, S. 241-285 {zur Chronologie: S. 244 rT.). Nach Scuktn sem die Nekropolc bereits in B2/Cl-Cla ein (vgj. auch ebd. Tabelle 10), was nicht zutrifft: Aufgrund einer detaillierten formenkundlichen und bclc^ungschronologischen Analyse durch Annette Wagner im Rahmen einer Bonner Semesterarbeit und durch d«n Verfasser la$kcn sich dr«i Stufen ermitteln: Stufe I * Qb~C2, Stufe H ~ C2 und C3 alt, Stufe III =? C3 alt-C3 jung; die vor allem im Norden und Soden nicht komplett gegrabene Nekropolc entwickelt $ich wm einem kleinen Zentrum aus (I) über «inen umgebenden größeren Mittelteil {bh zu den Grabuegsgreiuen im Norticn und Süden; U) jcu
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Ukraine und übrigen Moldau136; diese Gebiete dürfen daher als 2. Expansionsraum der Wielbark-Kultur bezeichnet werden, der nun zweifelsohne im Sinne von Jordanes mit 0/>/w/Skythien gleichgesetzt werden darf. Diese Expansion ist verbunden mit der Herausbildung und Verbreitung der Cernjachov-Kultur, benannt nach einem großen, zwischen 1899-1901 ausgegrabenen Gräberfeld bei kiev137; sie ist mit mehr als 2500 Fundstellen vor allem im Schwarzerdegebiet der Waldsteppe und im angrenzenden Steppenstreifen am Mitteldnepr und über diesen östlich ausgreifend bis Charkov (Donez) und Sumy sowie im Gebiet des (südlichen) Bug und des Dnjestr beheimatet (Fig. 20 a)138. Die Cernjachov-Kultur entwickelt sich in ihren kennzeichnenden Kulturmerkmalen aus der Wielbark-Kultur und ist mit dieser genetisch aufs engste verbunden (Grab- und Beigabensitte, Tracht etc.; S. 108 f.); trotz aller,polyethnischen Interpretationsmöglichkeitert und 'lokaler Varianten' (S. 114 ff.) ist sie in ihrem Kern (ost-)germanisch, also mit Blick auf die Südostbewegung der Wielbark-Kultur und auf die Schriftquellen (S. 119 f.) gotisch, was durch weitere hochrangige archäologische Merkmale (vor allem kultisch-religiöser Bereich: Amulette; Runen; Siedlungswesen; S. 108 ff.) verstärkt wird. Die Chronologie der Landnahme fügt sich auch gut zu den in der jüngeren Kaiserzeit wieder einsetzenden Schriftquellen zu den Goten, da ab 238 für mehr als eine Generation in regelmäßiger Folge die Balkanhalbinsel von verheerenden Gotenstürmen heimgesucht wird, Jahrgelder an die Goten gezahlt werden, was auf vertragsähnliche Beziehungen zum Imperium schließen läßt, und noch konkreter: ab 257 n. Chr. setzten die gotischen Flottenunternehmungen ein; „die logistische Voraussetzung dafür war die Gewinnung der Nord- und Nordostküste des Schwarzen Meeres durch die Goten", 268 war Tyras (bei Odessa) gotisch139.
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also im Prinzip kreisförmig. - Vgl. zur Moldau zuletzt auch: ION IONIJA, Die Fibeln mit umgeschlagenem Fuß in der Sintana de Mure§-Cernjachov-Kultur, in: STRAUME—SKAR (Red.) (wie Anm. 3) S. 77— 90, bes. S. 82 f. mit Abb. l. . . Einzelnachweise — auch stellvertretend — können wegen der Fülle von Literatur, insbesondere Gräberfeldeditionen, nicht gegeben werden; übereinstimmend ergibt sich aber, daß die Nekropolen der Cernjachov-Kultur regelhaft erst in C2 einsetzen: vgl. SCUKIN, O nacal'noj date (wie Anm. 127) S. 303-317 mit Abb. 4 (dort Nachweise zu wichtigen Gräberfeldern); DERS., Das Problem (wie Anm. 127) S. 33; DERS., K voprosu chronologii cernjachovskich pamjatnikov Srednego Podneprovja, in: Kratkie Soobscenija!21, 1970, S. 104-113. Zuletzt: V. P. PETROV, Cernjachovskij mogiTnik, in: Materialy i issledovanija po archeologii SSSR 116, 1964, S. 53-117; Nachgrabungen: E. A. SYMONOVIC, in: ebd. 139, 1967, S. 5-27 und DERS.', in: Sovetskaja Archeologija 1979 (3), S. 155-170. Karten z. B. bei: TICHANOVA (wie Anm. 127) mit Abb. 1; E. V. MACHNO, Znovu pro lokal'ni varianti cernjachovskoj kulturi, in: Archeologija 24, 1970, S. 49-58 mit Abb. S. 57; DERS: ähnlich in: Kratkie Soobscenija 121, 1970, S. 60-64 mit Abb. 17 S. 62; E. A. SYMONOVIC, in: Materialy i issledovanija po archeologii SSSR 116,1964, S. 7—43 mit Abb. 1; O. A. GEJ, £ernjachovskie pamjatniki severnogo pricernomor'ja, in: Sovjetskaja Archeologija 1980 (2), S. 45-50 mit Abb. S. 49; M. B. SCUKIN, Nekotorije problemy chronologii cernjachovskoj kuTtury i istorii rannich Slavjan, in: Rapport du IIP Congres International d'Archeologie Slave, Bratislava, 2,1980, S. 399-411 mit Abb. 5. - Für die Ostausdehnung bis in das Gebiet von Sumy vgl. zuletzt die 1973 entdeckte Nekropole von Sad: A. N. NEKRASOVA, in: Archeologija 50, 1985, S. 75-80. ANDREAS SCHWARCZ, Die gotischen Seezüge des 3. Jahrhunderts, in: Die Schwarzmeerküste in der Spätantike und im frühen Mittelalter (Schriften der Balkan-Kommission, Antiquarische Abteilung 18) Wien 1992, S. 47-57, bes. S. 49 (Zitat); WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 53-65.
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Fig, 20 a £ernjachov- und Sintana de Mureg-Kultur. Nach O. A. GEJ in: Sovetskaja Archeologjja 1980 (2), S. 49 mit Karte.
In der Forschung war die ethnische Interpretation der Cernjachov-Kultur lange umstritten, in der sowjetischen Forschung z, T. aus durchsichtigen Gründen; von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, zeichnet sich im Prinzipiellen schon seit vielen Jahren ein immer deutlicher werdender Konsens ab140, dies trotz aller noch ungelösten Pro*** Z. B, zuletzt den wichtigen Beitrag von TftcHANOVA (wie Anm. 118) bes. S. 89 f. und 94; SCTUKIN (wie Anm. 127 und 129); DEK&, K predistoni cernjachovskoj kuTtury, m: Atcheologiceskij Sbornik (Petersburg) 20, 1979» S. 66-89, bes. $.81 f£; GODIOWSKJ, Germanische Wanderungen (wie Aßm. 5) S. 68; $TRZi.iczYii (wie Anm. 38) $. 18£; zur Porschungsgeschidite: SCUKIN, Das Problem (wie Anm. 127); VCTJINF..R (wie Arun. 135) S. 246 mit Anm, 18; DEKS,, Zur Herkunft und Ausbreitung der Antcn und Sklavenen, in: Actcs du VIII* Congrcs Iniernationiü des Sciences prchistoriques et protohistoriques l, Belgrad 1971, S 243-252, S. 245 f. (übersetzt ins Russische: Sovetskaja ArcheoJogija 1972. 4, S. 102115, S. HK>f.) sowie die Beitrage in Kratkie Soob&cenija 121. 1970, S.3-113, darunter besonders]. V. KucHAttf.NKO, Vr>l\Tiv,kaja gnjppa polej pogrebenij i problcma tak nazyxracmoj goto-gcpidskoj kul'run; S. S7ff.; ferner OfRS. (wie Aam. l K» und 118). - Ferner TIOIANOVA (wie Anm. 127) und MACHNO, /In'.nu pro lokaTtii variand fu-ic Anm. 138), der hinsichtlich der lokalen Gruppen ethnische Interpretationen — etwa im Srnn* von M. A, 'iichanova -*· ablehnt; fünf Lokalgruppen definiert Alachno auf der Grundlage der Keramik (Schcibcnwarc/Handwarc) in ihren Mcngcnanteäcn /ueinandct, zweifelt aber dennoch nicht ani „m^ndithi^heo'* Charakter 4ct ^>rniÄchov-Kultur mit ihren kennzeichnenden Elc(mit Karte S, 57); DUÄ. ähnlich in: Kratkie S*K>bSceniia 121, 1970, S. 6CHM,
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bleme im einzelnen, vor allem der sog. lokalen Varianten. An der grundsätzlichen ethnischen Interpretation dieser Kultur als im Kern germanisch-gotisch ist nicht (mehr) zu zweifeln. Diese Bewertung kann sich auf folgende Argumentationen stützen, die sie damit zugleich von anderen Kulturen absetzen, seien es Vorgänger, mit denen sie vielleicht noch in Berührung kam, seien es Nachbarkulturen, an die sie grenzte (S. 114 ff.): 1. die Grabsitte mit birituellen Gräberfeldern (wie zuvor), meist zu Anfang der Belegung in Gib bzw. C2 mit einem Übergewicht oder sogar ausschließlich mit Brandgräbern141, die Bestattung im Hügel wird im Gegensatz zum 1. Expansionsraum merkwürdigerweise nicht weitergeführt; 2. die gegenüber der Wielbark-Kultur unveränderte Beigabensitte, nämlich in der Regel waffenlose Männergräber und in Tracht (1—3 Fibeln, meist Fibelpaare und eine Drittfibel) sowie/mit Schmuck beigesetzte Frauen, einschließlich solcher Spezifika wie z. B. die Beigäbe von Kästchen (Schlüssel, Schloßbeschläge), ferner die Beigabe von Kämmen142, beinernen Nadelbüchsen, von Spielsteinen143; 3. die Keramik vom Wielbark-Typ oder in dessen Tradition; 4. bestimmte Sachformen wie beim Schmuck achterförmige Bernsteinperlen144, eimerförmige Berlocken145, sog. Krückennadeln (Klöppelnadeln, 'Spindelhaken")146 und 5. im symbolträchtigen, magischen Bereich: Eisenkämme147 und verschiedene Amulette, die die Goten in der Cernjachov-Kultur auch mit Südskandinavien, besonders Fünen, in C2-C3 (in beiden Richtungen) verbanden148, ferner Donaramulette als prismatische Knochenanhänger149, Cypräen150 und Gehäuse der Purpurschnecken151 und nicht zuletzt Runeninschriften auf 'monströsen' Fibeln, wiederum mit auch personalen Verbindungen zu Skandinavien (und dem unteren Oderraum)152, und auch auf Keramik (in Lepesovka) (Fig. 20 b)153. Mit Ausnahme der Keramik verbinden diese Sachformen die
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Z. B. Ruzicanka in der Nordukraine, Budegti und Danceny in der Moldau: ION , Chronologie der Sintana de Mureg-Cernjachov-Kultur (I), in: KMIECINSKI (Red.) (wie Anm. 7) S. 295-351, S. 309 ff.; Danceny: vgl. Anm. 135. 142 Zur Tracht vgl. Anm. 110 und zur Kammbeigabe vgl. Anm. 129. 143 E. A. SYMONOVIC, Igralno-scetnie zetoni na pam'jatnikach cernjachovskoj kuTtury, in: Sovetskaja Archeologija 1964 (3), S. 307-311. 144 SCUKIN (wie Anm. 129) S. 85 Abb. 4.8. i« WERNER (wie Anm. 135) S. 263 mit Anm. 57. 146 WERNER (wie Anm. 135) S. 253 f. mit Anm. 31-32. 147 JOACHIM WERNER, Eiserne Wollkämme der jüngeren Kaiserzeitaus dem freien Germanien, in: Germania 68,1990,5.608-611. 14 » WERNER (wie Anm. 135) S. 262 ff. mit Abb. und Karten 14-19 und S. 281. 149 JOACHIM WERNER, Herkuleskeule und Donar-Amulett, in: Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 11,1964, S. 176—197; DERS., Zwei prismatische Knochenanhänger („Donar-Amulette'*) von Zlechov, in: Casopis Moravskeho Musea 57, 1972, S. 133-140. 150 WERNER (wie Anm. 135) S. 263 mit Anm. 58. 151 MECHTHILD SCHULZE-ÜÖRLAMM, Gotische Amulette des 4. und 5. Jahrhunderts n. Chr., in: Archäologisches Korrespondenzblatt 16, 1986, S. 347-355. . 152 Zuletzt WERNER (wie Anm. 135) S. 247 ff. mit .Abb. 5 und S. 281. 153 M. A. TICHANOVA, Starse runiceskie nadpisi, in: E. A. MELNIKOVA, Skandinavskie runiceskie nadpisi, Moskau 1977, S. 133-139 und S. 140 f.; DIES., New finds of Scandinavian Runic Inscriptions from the USSR, in: Runov och runinskrifter (Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien, Konferenser 15) Stockholm 1987, S. 163-173; SCUKIN (wie Anm. 129) S. 85 mit Abb. 4.7; KUCHARENKO (wie Anm. 12) S. 69 mit Abb. 17.
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Fig. 20 b Runeninschriften. Nach KUCHARENKO (wie Anrn. 12) S. 69 Abb. 17.
Cernjachov-Kultur mit der Germania libera154. Hinsichtlich der Beigabensitte trifft dies insbesondere auf die Ausstattungsmerkmale der gotischen Oberschichtgräber zu155. Wichtig für die kulturgeschichtliche (und ethnische) Interpretation der Cernjachov-Kultur sind auch das Siedlungswesen und die Wirtschaftsweise, die gleichfalls eng mit der Germania libera verbunden sind. Obgleich eine Vielzahl von Siedlungen meist allerdings in nur sehr begrenzten Ausschnitten untersucht ist — dies ganz irn Gegensatz zur Wielbark-Kultur, in der Siedlungen bislang kaum erforscht sind —, erschwert die noch unbefriedigende Publikationslage eine schon umfassende Beurteilung; immerhin läßt sich in Grundzügen folgendes Bild erkennen156. Die Siedlungen sind unbefestigt und liegen meist in leicht abfallender Hanglage oder auf Plateaus oberhalb eines Flusses oder Baches oder auch neben beiden; sie sind oft langgestreckt angeordnet mit ihren Bauten in parallelen Reihen. Soweit bekannt, scheinen die Siedlungen eine beachtliche Größe erreicht zu haben, zwischen 10-35 ha; so erstreckt sich die Siedlung von Lepesovka in Wolhynien in zwei Reihen über eine Länge von etwa 1000 m und über eine Breite von 180-200 m mit 12 Großhäusern, 19 Herdstellen und zwei Töpferöfen (Ausschnitt: Fig. 21 a)157. Grundsätzlich 1
** Für idlc genannten SachforrjKin hat Vferfl Vcrbrehungftkattcn erstellt, die aus Raumgründen jedoch nicht abgebildet u-crdcn können. IW BfCLfcBRAUf.K (wie Anm. 82} S. 70-75, '**· Auf den Nachweis von Binxclbcfundcn — außer Lepespvka — wird verzichtet; vgl. zusammenfassend in deutscher Sprache; HAUSUA (wie Anmu 127); & , Siedlungen {wie Anm, 127). K7 M. A. TICMANCWA, RaskopkJ na posderui 3-4 w. u,s. jwepcsovka v 1957-1959, in: Sovetskaja Arcbeologifa 1%3 (2), S. 178-191; DIEL, Dnesirov$fa>-vcjiyaska|a ük*pedicija *96(M961 g&, in: KratlcicSoobScenija 1112, 1964, S, 48*56; Dn$.9 Rasfcopk» iKwclcnjja i».$. Lepetovki, m: Doklady i Sfx>b&cenija wcheolof?ov SSvSR, ,Mo4:au 1964, S. 209-214; DIES, (wie Anm. 11T;.
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sind zwei verschiedene Haustypen nachweisbar, nämlich eingetiefte Hütten und Grubcnhäuser einerseits und ebenerdige Wohnbauten andererseits. Die zwischen 0,50-1,50 m in den Boden eingetieften Hütten mit Seitenwänden und Firstkonstruktion (Pfostenstellungen in den Ecken oder in der Mitte gegenüberliegender Wände) hatten in der Regel einen quadratischen Grundriß mit einer Fläche von meist nur 5—16 m2; die Wände bestanden aus Rutengeflecht mit Lehmverstrich, im Hausinneren mit einem Estrich aus Stampflehm fand sich die (hufeisenförmige) Herdstelle. Liegt das Wohnniveau tiefer, so handelt es sich um das sog. Grubenhaus (etwa 2,5 X 6 m) ohne aufgehende Wände aus Rutengeflecht, d. h. die Dachkonstruktion lag auf den Grubenwänden auf; diese Bauten waren in aller Regel Werkstatthäuser unterschiedlicher Funktion. > Die ebenerdigen, meist rechteckigen Bauten (zweigeteilte zwei- oder dreischiffige Pfostenbauten) waren beträchtlich größer (11—16x6-8 m; 65-120 m2) und dienten als Wohnhäuser, oft auch — besonders kennzeichnend für die Germania libera — als Wohnstallhäuser mit einem größeren Wohnteil im Osten (mit Lehmboden) ausgestattet sowie mit einem oder mehreren Öfen und einem kleineren Stall (mit Boxen) im Westen; die Wände bestanden aus lehmverstrichenen Ruten- oder Holzkonstruktionen, Pfostenlöcher an den Schmalseiten belegen die Firstkonstruktion des Daches, so auch in Lepesovka (Fig. 21 b)158. Des weiteren fanden sich noch Ställe, Scheunen und Vorratsgruben. Wichtig ist, daß nicht nur die Analogien zu diesem Siedlungstyp — wie erwähnt — in der Germania libera beheimatet sind, sondern daß dieser im 2. Expansionsraum keinerlei Vorläufer besitzt159. Zahlreich und vielfaltig sind die Hinweise auf die Wirtschaftsweise; nachgewiesen sind (auch) die gewerbliche Produktions- und Erwerbsgrundlage durch die erwähnte Töpferei (z. B. Lepesovka, Fig. 21 a)160 und teilweise auch Glasproduktion161, ferner durch Kammacherwerkstätten (z. B. Velikaja Snitinka bei Kiev)162 sowie durch Lederund Wollverarbeitung (Webgewichte) wie auch durch Metallverarbeitung (Eisenschlakken, Luppen; handwerkliche Geräte; Schmelztiegel und Guß formen). Die primäre Erwerbs- und Existenzgrundlage war aber in der Regel die Landwirtschaft (z. B. Pflugscharen, Sicheln, Mahlsteine) und die Viehhaltung (hoher Anteil an Tierknochen, vor allem Rind, sodann Schwein und Schaf/Ziege)163. 158 159
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TICHANOVA, Lepesovka 1957-1959 (wie Anm. 157). Hierauf wies M. A. TICHANOVA (wie Anm. 118) schon sehr deutlich 1970 hin: (S. 91-93); zur jGermania libera vgl. BENDIX TkiER, Das Haus im Nordwesten der Germania libera, Münster 1969. M. A. TICHANOVA, Goncärnye peci na poselenii u.s. Lepesovka, in: Kratkie Soobscenija 133, 1973, S. 129-137. Glas Werkstatt in Komarov am Oberlauf des Dnestr: M.J. SMISKO, Poselennja 3-4 st. n.e. iz slidami skljanogo virobnictva bilja s. Komariv, £ernieveckoi öblasti, in: Materialy i doslidzennja z archeol. Prikarpattja ta Volini 5,1964, S. 67—80 (Tonmodel sog. optisch geblasener Glasbecher). Ausgrabungen B. V. Magomedov 1988-1989. Z. B. E. A. RIKMAN, Cernjachovskoe selisce Delakeu, in: Materialy i issledovanija po Arch. SSSR 139, 1965, S. 165-196 (vor allem Grubenhäuser mit Webstuhl/Webgewichten: ebd. S. 120 ff. mit Abb. 1213). - Nicht eingegangen werden kann im Rahmen dieser Studie auf die starken Einflüsse der noch weiterhin stark hellenistisch geprägten Zentren der Schwarzmeerküste auf die £ernjachov-Kultur, die sich auch und insbesondere bei der Produktion der nun neu aufkommenden Drehscheibenware mit besonderen Formen, Ziertechniken und Mustern äußern, auch nicht auf die in dieser Hinsicht besonders bedeutsamen Keramikfunde in der weit entfernten Siedlung von Lepesovka in Wolhynien (dort
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Fig. 21 a Siedlung von Lepesovka (Wolhynien). Nach TICHANOWA, ekspedicija 1960-1961 (wie Anm. 157) S. 49 Abb. 17.
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Vig, 21 b SjcdJunß von ixpeiovka (V^ölhynicn), flat» i. Nach TICHANCWA (wie Anm. 117) $. 1060 Abb. 1.
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In kulturgeschichtlich-ethnischer Hinsicht bedeutsam für die Cernjachov-Kultur ist auch die nach den Landnahmevorgängen weiterhin anhaltende Mobilität von Personenverbänden im Verlauf der jüngeren Kaiserzeit in den Stufen C2-C3. Außer in den in der Verlaufsrichtung in C2 und C3 wechselnden Verbindungen zu Südskandinavien, auf die Joachim Werner hinwies164, äußert sich dies beispielhaft in dem Typ der sog. Doppelovalschnalle, einer sehr spezifischen und selten vorkommenden Form der Gürtelschnalle in Stufe C2 mit direkten Personenkontakten von Norden nach Süden: Wielbark, Grab 554 im unteren Weichselraum165 - Derevnoje in Wolhynien166 — Danceny in der mittleren Moldau167 sowie Rakovec bei Ternopol und Cernjachov-Romaski (Nachgrabungen, Grab 43) in der Ukraine168. Ähnliches — also offene Räume - läßt sich auch an bestimmten länglichen, gerippten Eimerberlocken169 und wohl auch bestimmter Drehscheibenware zeigen170. Nicht behandelt werden in dieser Studie Fragen der inneren Chronologie der Cernjachov-Kultur. Ihre Erforschung ist im Sinne einer Feinchronologie innerhalb der Stufen C2-C3 - besonders in handwerklich-methodischer Hinsicht - noch längst nicht gelöst; richtungsweisend sind hierfür die Arbeiten von J. Tejral aus den letzten Jahren (Fig. 22)171. Diese noch offenen Fragen sind für unsere Betrachtungen letztlich jedoch ohne großes Gewicht, obgleich chronologisch differenzierte Siedlungskarten wie für die Wielbark-Kultur der älteren Kaiserzeit deswegen leider fehlen. Weitgehend geklärt ist jedoch die Chronologie für das Ende der Cernjachov-Kultur (Kapitel IV; S. 117 ff.). Wichtig, weil unverzichtbar und ergiebig für die Zielsetzung dieser Studie, ist vergleichbar zum 1. Expansionsraum - jedoch die Frage, ob die landnehmenden Go-
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hergestellt: Töpferofen mit Inhalt), z. B. mit floralem Dekor und griechischen Inschriften, die die Ausgräberin M. A. Tichanova zu Recht mit Verschleppten bzw. Gefangenen von der Schwarzmeerküste verbindet (Sovetskaja Archeologija 1963 [2], S. 178 ff.); zur Drehscheibenware vgl. ferner: E. A. SYMONOVIC, Cernjachovska kerafnika Podneprov'ja [= Dneprgebiet], in: Archeologija (Kiev) 43,1983, S. 26— 42 und generell: M. A. TICHANOVA, Zu Fragen des Austausches und Handels im Zeitabschnitt der Cernjachov-Kultur, in: Symposium. Ausklang der Latene-Zivilisation und Anfange der germanischen Besiedlung im mittleren Donaugebiet, Bratislava 1977, S. 343-359. Wie Anm. 135. SCHINDLER (wie Anm. 6) S. 86 Abb. 56. KUCHARENKO (wie Anm. 12) S. 121 Taf. 28,11. RAFALOVIC (wie Anm. 135) S. 182 Abb. 3. I. S. VINÖKUR-M. J. OSTROVSKIJ, in: Materialy i issledovanija po Arch. SSSR 139,1965, S. 150 Abb. 8,7; E. A. SYMONOVIC, in: Sovetskaja Archeologija 1979 (3), S. 162 Abb. 6,12. BIERBRAUER (wie Anm. 3) S. 20. ANDRZEJ KOKOWSKI, Z studiow nad ceramika wykonana na kole w kulturze wielbarskiej, in: GURBA— KOKOWSKI (Red.) (wie Anm. 9) S. 157-176. JAROSLAV TEJRAL, Fremde Einflüsse und kulturelle Veränderungen nördlich der mitderen Donau zu Beginn der Völkerwanderungszeit, in: KMIECINSKI (Red.) (wie Anm. 7) S. 175-238; ferner: NIKITINA (wie Anm. 129) im Sinne einer Art von Kombinationsverfahren von Objekten^ die mit Kämmen vergesellschaftet sind, sowie u. a. die Arbeiten von SZCZUKIN (wie Anm. 110), DERS., O nacal'noj date (wie Anm. 127) und DERS., K voprosu (wie Anm, 136); MICHEL KAZANSKI-RENE LEGOUX, Contribution a l'etude des temoighages archeologiques des Goths en Europe Orientale a Pepoque des Grandes Migrations: La Chronologie de la culture de Cernjachov recente, in: Archeologie Medievale 18, 1988, S. 7— 53; in wesentlichen Punkten kann ich die Ergebnisse von Kazanski-Legoux nicht teilen, so in der Synchronisierung der Phasen I-V mit der üblichen Stufeneinteilung, deren Inhalten (C2—C3) und deren absoluter Chronologie, auch nicht deren Enddatierung in D2, also bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts(!).
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H& 22 a Pundsfoff der ftemjacbov· Kultur »u§ der Phase O alt; b Fundstoff der £ernjachov*KuIrur aus der Phase O jun& Nach TJ^RJUL <*ic Anrn. 1^5) S 234 Abb. 5 und & 236 Abb, 6.
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ten in / /Skythien in gänzlich siedelleere Räume einrückten, was wegen der Weite des Verbreitungsgebietes der Cernjachov-Kultur prinzipiell höchst unwahrscheinlich ist, und wenn nicht, auf welche Bevölkerungsgruppen sie stießen; fand hier ein ähnlicher Verdrängungsprozeß statt oder hat die 'Vorbevölkerung', falls sie in nennenswertem Umfang im Lande verblieb, auf die Kultur der Einwanderer eingewirkt? Diese Fragen haben auch Konsequenzen für die Art und Weise, wie die CernjachovKultur sich herausbildete bzw. weiterentwickelte. Hierüber ist von der russischen und ukrainischen Forschung seit vielen Jahren viel geschrieben und auch unterschiedlich geurteilt worden. Das von M. B. Szukin 1977 sehr detailliert entworfene Bild der Siedelverhältnisse vom 1.—4. Jahrhundert überzeugt am meisten (Fig. 23)172: Das weite Gebiet zwischen Dnepr im Osten (und darüber hinaus) und Dnestr bis hin zum Pruth im Westen - zuvor gesichert überwiegend von Sarmaten besetzt - scheint nicht mehr dicht besiedelt zu sein, da gesichert ins 3. Jahrhundert datierbarer, quantitativ relevanter Fundstoff offenbar fehlt (vielleicht mit Ausnahme von 'Rest'-Sarmaten an der Schwarzmeer-Küste bei Cherson; z. B. Gräberfeld von Gorodok-Nikolajewka). Zweifelsohne gilt dies für die Zarubincy-Kultur, die am Mittellauf des Dnepr territorial noch Cernjachov-Gebiet berührt; sie erlischt bereits um die Mitte des l. Jahrhunderts als Folge von sarmatischen Expansionen, so zum Beispiel nachweisbar am Mittellauf des Dnepr um und südlich von Kiew, wo Sarmaten unmittelbar auf die ZarubincyBevölkerung folgten; chronologisch und inhaltlich nicht befriedigend geklärt sind die in der Literatur immer wieder auftauchenden 'Postzarubincy-Gruppen*173. Trotz der noch unsicheren Feinchronologie des sarmatischen Fundstoffes scheint die Masse der Sarmaten die von ihnen besetzten Gebiete in der Ukraine aber bereits vor der Landnahme der Goten um die Mitte des 3. Jahrhunderts verlassen zu haben. M. B. Scukin nimmt zu Recht eine Siedlungslücke im Dnepr-Gebiet vom Ende des 2. bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts an (in Zeitstufe Cl, vor allem Gib)174, zu einer Zeit also, als sich die Wielbark-Kultur in Wolhynien (hier jedoch ohne sarmatische Vorgänger) bereits ausgebildet hatte. Die an der Nordperipherie der Cernjachov-Kultur entstehende Kultur vom sog. Kiever Typ steht ebenfalls in keiner bislang chronologisch und kulturspezifisch sicher nachgewiesenen Verbindung zur Cernjachov-Kultur und ist nur für die slawische Ethnogenese von Belang175. Anders verhält es sich hingegen im Nqrdwesten der Wielbark-Cernjachov-Kultur, wo die (wandalische) Przeworsk172 173
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SCUKIN, K predistorii (wie Anm. 140). Sarmaten-Zarubincy-Kultur: M. B. SCUKIN, Sarmatskie pamjatniki srednego Podneprov'ja Lieh sootnosenije s sarubineckoj kulturoj, in: Archeologiceskij Sbornik 14,1972, S. 43-52, bes. Abb. 2 S. 49. Ferner: E. V. MAKSIMOV, Zarubineckaja kul'tura na territorii USSR, Kiev 1982; zuletzt: A. M. OBLOMSKIJ, in: Sovetskaja Archeologija 1987 (3), S. 68 ff.; K. V. KASPAROVA, Sootnosenija wielbarskoj i zarubineckoj kultur v Pripjatskom, Polesje, in: GURBA-KOKOWSKI (Red.) (wie Anm. 15) S. 263-282, bes. Abb. 10 und S. 276. — 'Postzarubincy'-Gruppen: Zuletzt: MICHEL KAZANSKI, Les relations entte les Slaves et les Goths du IIIC au Vc siede. L'apport de Tarcheologie, in: Revue des Etudes Slaves 65,1, 1993, S. 7-20, mit weiterer Literatur (= Veneter als Vorfahren der slawischen Kultur vom sog. Kiever Typ am Mittelund Oberlauf des Dnepr). SCUKIN, K predistorii (wie Anm. 140) S. 81. - Vgl. auch die Karten Abb. 1-2 bei BARAN, Cernjachovska kultura (wie Anm. 127) S. 4 und 16 (für den Sachverhalt kartographisch instruktiv; vgl. sonst Anm. 179). SCUKIN, K predistorii (wie Anm. 140) S. 83; TICHANOVA (wie Anm. 163) S. 349 f. (Hiatus von „mindestens 100 Jahren"); anders zuletzt KAZANSKI (wie Anm. 173) S. 10 ff. mit Abb. 3 mit einigen CernjachovBelegen, angeblich im Kontext mit der Kiev-Kultur,
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Kultur ab B2/C1 am Oberlauf des Dnestr und am Oberlauf des (oberen) Bug durch Zuzug nochmals eirie Siedlungsverdichtung erfährt; beide Kulturen grenzen in Westbzw. Südwestwolhynien unmittelbar aneinander, liegen z. T. in Gemengelage und durchdringen einander auch176. Ebenso klar ist mittlerweile auch die lokale Variante der Cernjachov-Kultur im nördlichen Schwarzmeergebiet durch B. V. Magomedov177; sie ist geprägt durch die starken Einflüsse der noch in 'hellenistisch-spätskythischer* Tradition stehenden 'graeco-römischen' Bevölkerung, namentlich in den Küstenstädten, was sich vor allem im Siedlungswesen (Steinbauweise mit bestimmten Grundrissen), in der Grabsitte und auch in der Wirtschaftsweise äußert. Trotz aller lokalen Unterschiede im Bereich der Cernjachov-Kultur, die Scukin m. E. zu stark für Wolhynien und oberes Dnestr-Gebiet einerseits und das Dn^pr-Gebiet andererseits betont178, besteht für ihn kein Zweifel, daß die Goten-Wanderung im Sinne des Jordanes zur "Entstehung der Cernjachov-Kultur' geführt hat und diese keineswegs als 'Summe der Vorgänger-Kulturen' zu verstehen ist, da deren Anteile quantitativ und qualitativ wohl schwach waren, jedenfalls archäologisch nicht klar beurteilbar sind179, d. h.: Die 176
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KROPOTKIN (wie Anm. 102); GODLOWSKI (wie Anm. 102); KOZAK (wie Anm. 102). - Vgl. z. B. die Nekropole von Oselivka bei Ternopol: G. F. , in: V. V. KROPOTKIN (Red.), Mogü'niki cernjachovskoj kul'turi, Moskau 1988, S. 5-97, S. 67 (Grab 70 mit Waffenbeigabe). B. V. MAGOMEDOV, Cernjachovskaja kul'tura severo-zapadnogo Pricernomor'ja, Kiev 1987; SCUKIN, K predistorii (wie Anm. 140) S. 83; Verbreitungskarte von Amphoren bei A. V. und V. V. KROPOTKIN, in: KROPOTKIN (Red.) (wie Anm. 176) S. 168 ff. mit Abb. 1. SCUKIN, K predistorii (wie Anm. 140) S. 80 f., dies nicht nur bezogen auf das zeidiche Nacheinander von etwa „60-70 Jahren" (Clb/C2). Ebd. S. 83 f.; DERS. zuletzt: The balto-slavic forest direction in the archaeological study of the ethnogenesis of the Slavs, in: Wiadomosci Archeologiczne 51, 1986—1990, S. 3—30; GODLOWSKI, Germanische Wanderungen (wie Anm. 5) S. 68. — Hinzuweisen ist noch auf die anthropologischen Ergebnisse von T. S. KONDUKTOROVA, die auf der Grundlage von 200 untersuchten Individuen keine sarmatischen Züge feststellen kann, auch.keine lokalen Gruppen, in: E. A. SYMONOVIC (Red.), Mogü'niki cernjächovskoj kuTtury, Moskau 1979, S. 163—204, bes. S. 164. — Zu den Ausnahmen von der Regel — als Hinweise auf 'Rest'-Sarmaten — seien beispielhaft genannt Grab 9 von Kaborga IV und Ranzevoje Grab 21, diese im Kontext von Cernjachov-Nekropolen ( [wie Anm. 135] S. 80), und der wichtige Befund von Cholmskoje am unteren Bug, wo eine särmatische Nekropole des 3. Jahrhunderts nur 400 m südlich eines Cernjachov-Gräberfeldes liegt: A. V. GUDKOVA-M. FOKEEV, Zemledel'cy i kocevniki v. nizov'jach Dunaja I—IV w. n. e., Kiev 1984, S. 6-32, Lageplan Abb. l S. 6. — Ganz anders hingegen immer noch als einer der wenigen Vertreter einer Gegenposition V. D. BARAN, Zur Frage nach dem Ursprung der Cernjachov-Kultur, in: Archäologie als Geschichtswissenschaft. Festschrift Karl-Heinz Otto, hg. von JOACHIM HERRMANN (Schriften zur Ur- und Frühgeschichte 30) Berlin 1977, S. 309-315, der die Zeitgleichheit von Cernjachov-Kultur und den erwähnten Vorgängerkulturen betont (Sarmaten; Spätzarubincy-Kultur), wofür archäologisch — wie erwähnt — aber keine gesicherten Anhaltspunkte benannt werden können; außerdem trennt er in genetischer Hinsicht die Wielbark-Kultur in Wolhynien von der Cernjachov in der Ukraine ab, was trotz aller lokalen Komponenten falsch ist. Die CernjachovKultur sei demnach in ihrem Kern keineswegs als gotisch zu bezeichnen. Vgl. auch DERS., Cernjachovska kuTtura (wie Anm. 127). — Ähnliche Positionen wie Baran vertreten auch E. A. SYMONOVIC hinsichtlich der Zeitgleichheit von Cernjachov-Kultur und der Kultur vom Kiever Typ: Cernjachovskaja kul'tura i pamjatniki kievskogo i kolocinskogo tipov, in: Sovetskaja Archeologija 1983 (1), S. 91—102 und KAZANSKI (wie Anm. 173) mit Hinweis auf weitere Autoren, vor allem R. V. Terpilovskij. Vgl. hierzu WERNER (wie Anm. 140) und DERS., Bemerkungen zum nordwesdichen Siedlungsgebiet der Slawen im 4.—6. Jahrhundert, in: Arbeits- und Forschungsberichte zur Sächsischen Bodendenkmalpflege. Festschrift für Werner Coblenz (Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte 1) Berlin 1981, S. 695-701. - MICHEL KAZANSKI ist schließlich der Meinung, daß die Goten „exerceraient une domination politique sur une population en majorite non germanique": Contribution a retude des migrations des Goths a la fin du IV* et au
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gotische Landnahme in der Ukraine erfolgte sehr wahrscheinlich in bereits weitgehend siedelleeren Gebieten, ein Verdrängungsprozeß (Sarmaten) ist nicht nachweisbar. Da ein solcher im 1. Expansionsraum durch die Goten gut nachweisbar ist (wandalische Przeworsk-Kultur) und auch die Kontinuität von (autochthonen) Vorgängerkulturen im Bereich der 'Schwester-Kultur* zur Cernjachov-Kuitur, der Sintana de Mure§-Kultur in Rumänien, ebenfalls mit archäologischen Mitteln klar nachweisbar ist (GetoDaker, Karpen; Sarmaten; S. 127 ff.)> besteht kein Grund, an dem geschilderten Befund in der Ukraine zu zweifeln. TV. DAS ENDE DER CERNJACHOV-KULTUR
Sind die Probleme der inneren Feinchronologie der Cernjachov-Kuitur noch nicht in wünschenswerter Klarheit gelöst180, so gilt dies nicht für das Ende dieser Kultur. Schon lange vermutet, ist heute klar, daß — von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen — die Nekropolen im Sinne der 'klassischen' Cernjachov-Kuitur relativchronologisch mit der Stufe C3-jung (C3b; Fig. 22 b), also am Ende der römischen Kaiserzeit abbrechen; hiermit korrespondiert, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil der Siedlungen abgebrannt ist, belegt durch kompakte Brandschichten in ihrem gesamten Siedlungsareal, so etwa in Budesti (Moldau)181, in Leski (Ukraine, mittlerer Dnepr)182, Ivankoviciy bei Zitomir (Wolhynien)183 und Lukasevka (III; Moldau; hier mit einem Schatzfund von 42 Münzen, t. p. 361—363)184. Nach den vor allem von Jaroslav Tejral erarbeiteten absolutchronologischen Ergebnissen kann kein Zweifel sein, daß die Stufe C3-jung um 370/380 n.Chr. endet (mit einer maximalen Überlappung in Einzelfällen mit der folgenden Zeitstufe Dl; ca. 370/380-400/410 n.Chr.)185. Diesen Befund
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Vc siedest les § ^ de l'archeologie, in: PATRICK PERIN (Hg.), Galle-Romains, Wisigoths et Francs en Aquitanie, Septifnanie et Espagne. Actes des Vlle Journees Internationales d'Archeologie Merovingienne Toulouse 1985, Roucn 1991, S. 11; ähnlich DERS., Les Goths et les H uns. A propos des reladons entre les Barbares sedeataires et les nomades, in: Archeologie Medievale 22, 1992, S. 191-229 mit irrigen kulturhistorischen und chronologischen Einordnungen und Justierungen des archäologischen Fundstoffs (vgL auch DERS., Anm. 171). TK.JRAI, (wie Anm. 171) S. 185-195 und Anm. 185. E. A. RIKMAN in: Material}· i issledovanija po Archeobgii SSSR 82, 1960, S. 302-327, S. 307 ff., 313, 316-319,321 mit Abb. 2,3. A. T. BRAJCEVSKAJA-M.J. BRAJCEVSKIJ in: Kratkie Soob^enija 8,1959, S. 48-54 mit Abb. 2. L S. ViNotüR in: Matcrialy i issJedovanija po Archeologii SSSR 116, 1964, S. 176-185, S. 180ff. mit Abb. 6 und 8,1. G. B. FEDEHOV in: Material)· i isslcdovanija po ArcbeoJogii SSSR 82, 1960, S. 254-301. TtjRAJ. (wie Anm. 171) S. 189f£, 194 fc, 211; DERS., Zur Chronologie und Deutung der südöstlichen Kulturclemcme m der frühen Völkcrwanderungszcit Mitteleuropas, in: WILFRIED MENGHIN (Red,), Die Volkerwandeningszeit im Karpatenbecken (Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg 1987) Nürnberg 1988, S. 11-46, bes. S. 12-20; DERS., Zur Chronologie der frühen Völkcrwanderungszeit im mittleren Donauraum, in: Archaeolpgia Austriaca 72, 1988, S. 223-304, bes. S. 225; DERS., zuletzt: Einige Bemerkungen zur Chronologie der späten römischen Kaiserzeit in ^Mitteleuropa, in: GoDLCwsiu-MAim>A-I^
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Fig. 24 Blechfibeln (A/G) und Gürtelschnallen (B/D) der Stufe C3 (nicht ausgefüllte Signaturen) und der Stufe Dl (ausgefüllte Signaturen). Nach TEJRAL (wie Anm. 171) S. 223 Karte 2.
verdeutlicht eine Karte von J. Tejral (Fig. 24)186, in der einerseits das jüngste Trachtzubehör der Cernjachov-Kultur (Blechfibeln und Gürtelschnallen; Fig. 22 b) eingetragen ist und andererseits die nächstjüngeren Typen der Stufe Dl; auf letztere, die nicht nur die Diffusion ostgermanischen Fundstoffs auf die Krim, das Nordkaukasus-Vorland und vor allem nach Westen in der Zeit um 400 anzeigen, sondern auch mit der seit alters her diskutierten Frage zusammenhängen, wo die Cernjachov-Goten verblieben sind, wird noch näher einzugehen sein (S. 120 f.). Die wenigen Ausnahmen, die noch völkerwanderungszeitlichen Fundstoff (Dl) im Verbreitungsgebiet der Cernjachov-Kultur belegen, ändern nichts an dem geschilderten regelhaften Befund: Privolnoje Grab 26 bei Zaporozje am unteren Dnepr187,
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TEJRAL (wie Anm. 171) S. 223 Karte 2. J. V. KUCHARENKO, Poselenija i mogil'nik polej pogrebenij v sele Privolnom, in: Sovetskaja Archeologija 22, 1955, S. 142 Taf.4, 17; RENATA MADYDA-LEGUTKO, The buckles with imprint ornamentation, in: Wiadomosci Archeologiczne 43, 1978, S. 3-15, bes. S. 12; JOACHIM WERNER, Zu einer eibgermanischen Fibel des 5. Jahrhunderts aus Gaukönigshofen, Ldkr. Würzburg. Hin Beitrag zu den Fibeln vom „Typ Wiesbaden" und zur germanischen Punzornamentik, in: Bayerische Vorgeschichtsblätter 46, 1981, S. 225-252, bes. S. 246.
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Zuravka Gräber 3 und 5 im mittleren Dnepr-Gebiet188, Kosanovo Grab 21 bei Winiiiza am Oberlauf des (unteren) Bug189, Belenkoje Grab 131 bei Odessa190, Ranzevoje Grab 14 bei Chersori191 sowie an der Nordostperipherie jenseits des Dnepr Sad bei Sumy192, ferner Lazo in der Moldavischen Republik193; ihre Datierung zwischen C3jung und Dl ist im. Einzelfall umstritten194. Die meisten dieser Gräber sind Belege für ein nur kurzes vereinzeltes Nachleben bis in die Zeit um 400, vor allem dann, wenn sie — was meist der Fall ist — aus größeren Nekropolen stammen, die mit der Masse ihrer Gräber gesichert mit C3-jung enden. Auch wenn noch weitere Belege hinzukommen, weisen sie nur auf außerordentlich kleine Restgruppen der CernjachovBevölkerung hin195. Das Erlöschen der Cernjachov-Kultur als kulturhistorisches Gesamtphänomen, als historisches Gebilde, bleibt dadurch unberührt; es impliziert den Abzug ihrer Träger, also im wesentlichen der Goten. In die Zeit der Goten in O/W/v/Skythien fällt die Spaltung des Gotenvolkes, die erstmals 291 bezeugt ist: Fortan „gab es zwei Abteilungen, deren westliche TerwingiVesi und deren östliche Greutungi-Ostrogothi hießen"196; obgleich präzise territoriale Angaben fehlen, siedelten erstere wohl westlich und letztere östlich des Pruth. Die
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Unpubliziert; Gräber 3 und 5: T. B. BARCEVA-G. A. VOZNESENSKA-E. N. CERNYCH, Metall cernjachowskoj kuTtur>; in: Aiaterialy i issledovannija po Archeologii SSSR 187» 1972, S. 79 Abb. 13,3-4; BIERBRAUER (wie Anm. 185) S. 564 mit Anm. 70. 189 N. M. KRAVCENKO, Kosanovskij mogü'nik, in: Materialy i issledovannija po Archeologii SSSR 139,1967, S. 77-135, S. 89-91,109-111, Taf. 10,16. 190 Unpubliziert; Grabungen von A.A. Rosochatskij 1986-1991 (freundl. Mitteilung B. V. Magomedov, Kiev); Vorberichte A. V. GUDKOVA, Mogil'nik IV, v.n.e.v s. Belenkoje, in: Novye issledovanija po archeologii Severnogo Pticernomorja, Kiev 1987, S. 56-66 (Gr. 1-19; dort auch Grab 9, das ebenfalls vielleicht Dl-zeitlich sein kann) und A. A. RDSOCHATSKIJ, ebd. S. 143-149 (Gr. 8); J. V BRUDKO-A. N. LEWINKSIJ-A. A. ROSOCHATSKIJ in: Materialy i issledovanija po Archeologii i Etnografii Moldovi, Kisinev 1992, S. 149-158 (Grober 47,51-52). 191 E. A. SYMONOvie, Mogü'niki cernjachovskoj kul'tury, Moskau 1979, S. 93-111 mit Abb. 21,1-4 und 25,7-8,12-13. lv2 NEKRASOVA (wie Anm. 138) S. 75—79; Nekropole auch mit west-Östlich orienderter Bestattung, einem Polyederring und einem Grab mit deformiertem Schädel w * Neuerdings das wichtige Grab 28 von Lazo mit einem Silberblechfibclpaar des l. Viertels des 5. Jahrhunderts: BRUDKO u. a. (wie Anm. 190) S. 153 f. mit Abb. 3, S. 155; zu diesem Fibel typ: VOLKER BIERBRAUER, Bronzene Bügdfibeln des S. Jahrhunderts in Südosteuropa, in: Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte 72, 1989, S. 141-160, S. 141 f£ mit Abb. 1. - VgJL auch die Karte von SCUKIN (wie Anm. 138) S. 407 Abb. 5 mh sechs Fundorten, die ins 5. Jahrhundert gehören (ohne Fundstellennachweis). m VgJ. TEJRAI. (wie Anm. 171 und 185) und BIERBRAUER (wie Anm. 185). m Die sich schon abzeichnenden Veränderungen in der Grab- und Bcigabensitte (Aufkommen von westöf dich ausgerichteten Gräbern, zunehmende Beigabenlosigkcit, Wegfall der Speisebeigabe mit umfangreichen Geschimätzen bei gleich zeitiger Reduzierung auf Trachtzubehör/Schmuck und Trachtbeigabc; Tendenzen einer Separierung von Gräbern einer Oberschicht), die bereits die Spczifika ostgermanischer Graber in weiten Teilet! Südostcuropas 'vorwegnehmen*, gehören noch voll in die Spätphasc der Cernjachov-Kultur: VouaR BiKRBKAiri*, Zur chronologischen, soziologischen und regionalen Gliederung des o$t£ermam$chen Fundttoffc de* 5. Jahrhundert* in Südosteuropa, in: HrjiwiG WOLFRAM-FALKO DAIM (Hg^>, Die Volker 90 der mittleren und unicrcti Donau im fünften und sechsten Jahrhundert. Symp^ium Xwctd 1978, Wien 19SO, S. 131-142. IVt · WOURAM (wie Anm, 1) S. 34 ff.; «rii (^»siodw d«nnt Ougottn/Vi'estgotcn als geographisches Unicr&chied&merkndl (ebd. >· 3 >; fcrnci ebd. & 65 ff.
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Cernjachov-Kultur in Wolhynien und der Ukraine ist in ihrem Kern und ihren wesentlichen Determinanten interdisziplinär daher ostgotisch. Im Gegensatz zu den terwingischen Westgoten ist historisch über das greutungische Ostgotenreich nur wenig bekannt, da noch zu abseits zum Imperium gelegen19?; dies gilt auch für die 'Grenzen' des Ostgotcnreiches, die es ohnehin nicht gab198. Zeitweilige politische Dominanz — jedenfalls nach Jordanes (Getica Hoff.) über die nördlichen Völker (arctoigentes), über die Heruler iuxta Meotida palude und die Vknetht, Antes, Sclaveni sowie die Aesti ripam Oceani Germania und wie immer man sie als glaubhaft beurteilen mag199 — und Siedelbzw. Stammesgebiete sind natürlich auseinanderzuhalten, und letztere lagen nur im Bereich der Cernjachov-Kultur. Entscheidender in unserem Kontext ist hingegen, daß das ostrogothische Ermanarich-Reich der Westexpansion der Hunnen 375 erlag, die nach der Unterwerfung der Don-Alanen in die ,weiten und reichen Gebiete* der Ermanarich-Goten eingefallen waren (Ammianus Marcellinus XXXI 3,2)20°. „Nach dem Tode Ermanarichs im jähre 375 spalteten sich Stamm und Königssippe. Die Mehrheit unterwarf sich den Hunnen, die Minderheit leistete Widerstand. Es dauerte ungefähr ein Jahr, bis die freien Ostrogothen entweder unterjocht oder abgezogen waren", so Herwig Wolfram201; in diesen Formulierungen ist auch jene Problematik enthalten, die die historische Forschung seit alters her beschäftigt hat und die von ihr bis heute kontrovers beurteilt wird, eben das Schicksal und der Verbleib der Ostrogothen nach 375. Bezugsquelle ist außer Ammianus Marcellinus wiederum Jordanes: ,Von ihnen steht fest, daß sie nach dem Tode ihres Königs Ermanarich und ihrer Scheidung von den Vesigothen in Abhängigkeit von den Hunnen in demselben Lande blieben (Hunnorum subditos diaoni, in eadempatnam remorassey (Getica 246 [MGH AA 5,1] S. 121) und der an anderer Stelle bei ihm zu findende Hinweis, daß sie ,immer noch in Skythien unter der Unterdrückung der Hunnen seufzten (qui adbuc in Scythiae terras Hunnorum oppressionibus subiacebanty (ebd. S. 103). Also: Verbleib der Ostgoten in ihren alten Siedelgebieten im Sinne von Jordanes (eadem patriam) (bis 454: S. 134 ff.) oder doch Abzug (nach 375)? Das einzige, was durch die Schriftquellen klar ist, ist, daß die Goten unter hunnischer Herrschaft verblieben, was aber - territorial eingrenzend - nach 375 nicht viel besagt; Stolperstein für eine nach wie vor unterschiedliche Beurteilung dieses Problems ist die antike Großbezeichnung Skythiae terras, die sich nach Wolfram „nach Westen verlagert hatte"202. Der Wiener Mediävist Herwig Wolfram ist es auch, der zuletzt eine eher vermittelnde Position in dieser Kontroverse bezog; er nimmt an, daß die „hunnisch gebliebenen Ostgoten" (schon) 404/405 „gezwungenermaßen westwärts gewandert seien"203. Es' ist evident, daß die Schriftquellen diese Fragen nicht lösen können. 197
Vgi. oben S. 106 mit Anm. 139; WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 95-98 und 123 f.; zu den arctoi gentes vgl. MICHEL KAZANSKI, Les arctoi gentes et „Tempire" d'Hermanaric, in: Germania 70, 1992, S. 74-122. 198 OTTO J. MAENCHEN-HELFEN, Die Welt der Hunnen, Wien-Köln-Gtaz 1978, S. 20; WOLFRAM (wie Anm. 1)8.95 f. 199 Vgl. z. B. die Anm. 196—197, vor allem die historischen Literaturhinweise bei Kazanski, vor allem auf Gottfried Schramm in Anm. 31. 200 WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 98; MAENCHEN-HELFEN (wie Anm. 198) S. 20. 201 WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 98. 2 2 ° Ebd. S. 256. 203 Wie Anm. 198.
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Aufgrund des oben geschilderten klaren archäologischen Sachverhalts zum Ende der Öernjachov-Kultur ist es völlig ausgeschlossen, daß die Cernjachov-Goten bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts noch in ihren alten jüngerkaiserzeitlichen Siedelgebieten verblieben20^; auch ein Verweilen bis 404/405 — im Sinne von H. Wolfram —, also noch eine volle Generation, ist aus archäologischer Sicht eher unwahrscheinlich. Ist diese historisch kontroverse Frage archäologisch beantwortet, so bleibt als Konsequenz noch das Problem zu lösen, wohin die Ostgoten abzogen, was im Kapitel VII versucht wird (S. 134 ff.). Noch nicht behandelt wurde die 'Schwesterkultur9 zur Cernjachov-Kultur, die Sintana de Mure§-Kultur; aus chronologischen und kulturgeschichtlichen Gründen muß dies vorab erfolgen, da sie zum 2. Expansionsraum der Goten gehört. V. DIE GOTISCHE LANDNAHME IN DER RUMÄNISCHEN MOLDAU, IN MUNTEN1EN, DER \VALACHEI UND IN SIEBENBÜRGEN: DIE SINTANA DE MURES-KULTUR (2. EXPANSIONSRAUM)
Die Sintana de Mureg-Kultur, benannt nach dem 1903 erforschten Gräberfeld (ungarisch: Marosszentanna) am Marös in Siebenbürgen (79 Gräber)205, ist in bestimmten Teilen Rumäniens verbreitet: im Westen in Oltenien bzw. Kl. Walachei bis zum Ölt (nur wenige Fundorte weiter westlich), im Süden an der Donau entlang und weiter nördlich in Muntenien bzw. Gr. Walachei, im Osten und Nordosten in der Moldau und Bukowina sowie in Siebenbürgen (Fig. 25), also mit Ausnahme Siebenbürgens außerhalb des Karpatenbogens206 (Kartierungen zur Sintana de Mure§-Kultur 204
Die archäologische Chronologie bei M. Kazanski, der einen Fortbestand der Cernjachov-Kultur bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts annimmt, ist nicht haltbar und damit auch nicht ein sukzessiver Abzug der Goten aus ihren alten Siedelgebieten „avec le depart definitif des Goths pour la Pannonie, qui coincide precisement avec la fin de cette culture" (KAZANSKI, Contribution [wie Anm. 179] S. 11; vgl. ferner DERS. (wie Anm. 171]); DERS. (wie Anm. 173) S. 15; DERS. (wie Anm. 2) S. 39 und 66 ff. (Ein Teil der Fundorte ebd. S. 68 ist chronologisch falsch eingeordnet, und der Autor suggeriert, daß die Gräberfelder der Cernjachov-Kultur bis zur Mitte des S.Jahrhunderts kondnuieren; wie von mir oben ausgeführt, ist dies nicht richtig: Es sind nur einzelne Gräber in sehr wenigen Nekropolen, die aber gesamthaft aufgegeben wurden.) — Ähnlich äußerten sich , K voprosu (wie Anm. 136) und E. L. GOROCHOVSKIJ, Chronologjja cernjachovskich mogl -nikov Jesostepnoj Ukrainij, in: Trudy V. Mezdunarodnogo Kongressa Archcologov - Slavistov 4, Kiev 1982, S. 34-46, bes. S. 45, die ebenfalls für ein Kondnuieren bis weit in die 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts, z. T. bis 454 plädieren und damit für die Verbindung der Cernjachov-Kultur mit dem pannonischen Ostgotenreich; dies ist archäologisch nicht haltbar. 2 '* ISTVAN KOVACS, A marosszcntannai nepvandorlaskori temeto, in: Dolgozaiok 3,2, 1912, S. 250-342; vgL auch E. BRENNER, Der Stand der Forschung über die Kultur der Merowingerzcit, in: 7. Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 1912, S. 253-351, S. 262-267. 206 Keine der Verbreitungskartcn ist auf dcrn neuesten Stand; sie stammen alle aus den 60er Jahren: ION , Contribud cu privire la coltura Sintana de Mure? - öcrnjachov pe territoriul Republicii Socialistc Rotmna,in: Archeologja Moldova 4,1966, S. 189-259, Karte Abb. l und S. 192; GHEORGHE DIACONU, Einheimische und Wandcrvölkcr im 4. Jahrhundert u. Z. auf dem Gebiete Rumäniens (Tirg?or-Gheri&eniAraramc), im Dam $, 1964, S. 1-16, Karre Abb. l S. 2; ION , Probleme der Sintana de Murc>-£emiachov-KuJtur auf dem Gebiete Rumäniens, : ULF ERIK HAGISERG (Hg.), Srudia Gotica, Stockholm 1970, S. 95-104, Karte Abb. l S. 97; unverändert nachgedruckt in: ION MJCHIA-RAI>U Fu> Rtscu, Daco*Ri>manü 1. (ohne Ort) 1980, Karte S, 36 f. - Die FundsteUertÄ&hl i*t heute wesentlich Hoher. ~ Nur für Siebenbürgen scheint eine vollständige Kartierung vorzuliegen; BÖNA, Völkerwanderung (wie Anm. 109) S» 68 Karte 4. -»Eine Nckropolc mit gtrmanisch-weetgooschen Gräbern de« 3.—4. Jahrhundert* liegt auf ifcmischem Gebiet: Piatra FrecÄtci, Kr. TuJcca, auf dem Territorium de* anükcn
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Fig. 25 Sintana de Mure§-Kultur in Rumänien; l Siedlungen (offener Kreis), 2 Gräberfelder (ausgefüllter Kreis). Nach IONITA, Probleme der Sintana de Mure§-£erniachov-Kultur (wie Anm. 206) S. 97 Abb. 1.
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enden an der rumänischen Grenze am Pruth: vgl. Anschlußkarte Fig. 20 a). Auffallend ist, daß — mit Ausnahme der Fundorte Siebenbürgens und der wenigen westlich des Ölt — alle außerhalb der höchstwahrscheinlich 275 aufgegebenen römischen Provinz Dacia Traiana liegen (Fig. 25 im Vergleich zu Fig. 28). Dies ist interdisziplinär bemerkenswert, da in den Schriftquellen spätestens seit der Mitte des 4. Jahrhunderts und dann in der gotischen Überlieferung die Dacia mit Gothia in Verbindung gebracht wird, gleichsam als Gegenstück zum ostrogothischen O///w/Skythien. Obgleich einige große Gräberfelder entweder nur mit wenigen Gräbern in Vorberichten — wie Birlad in der Moldau mit 538 Bestattungen207 — oder unvollständig publiziert wurden — wie z. B. Hrg§or in Muntenien208 —, ist der Publikationsstand zur Sintana de Mureg-Kultur dennoch insgesamt befriedigend; leider fehlt aber noch ein relativchronologisches Gerüst, so wie es — mit allen Einschränkungen — für die Cernjachov-Kultur immerhin vorhanden ist. Was vorliegt, ist eine Reihe von sehr detaillierten formenkundlichen Aufbereitungen des Fundstoffes durch Ion lonifca als Ausgangspunkte für eine in Arbeit befindliche Synthese209. Diese und die Durchsicht der Literatur - auch mit eigenen belegungschronologischen Studien zu Tir.gs.or. und Sintana de Mure§210 — erlauben folgende Schlußfolgerungen: Die Landnahme der Träger der Sintana de Mure§-Kultur erfolgte erst in der späten Stufe C2, also frühestens im letzten Viertel des 3. Jahrhunderts oder gar erst gegen 300211; eine ältere Phase — wie in Wolhynien und in der Ukraine im Sinne von 'exploratores* — ist nicht erkennbar212, auch keine zeitliche Differenzierung zwischen den einzelnen von der Sintana de Mures.-Kultur eingenommenen Räumen. Dies impliziert, daß auch jener Fundstoff fehlt, der — wie in Wolhynien, in der Ukraine und in der Moldavischen Republik — noch direkte Rückverbindungen zu den in Pommern und Großpolen auswandernden und östlich der mittleren Weichsel im 1. Expansionsraum landnehmenden Goten erkennen läßt. Die Landnahme der Träger der Sintana de Mure§-Kultur in den genannten Gebieten Rumäniens außerhalb des Karpatenbogens erfolgte daher erst nach der Stabilisierung der gotischen Siedelgebiete in O////v/Skythien (um bzw. ab der Mitte des 3. Jahrhunderts) und daher aus diesen Räumen heraus nach Westen; somit sind Entstehung
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Bcreo in der Skythia Minor (Dobrudscha), hier bezeichnenderweise mit Bestattungskontinuitär der provinzialrömischen Bevölkerung bis in das frühe 7. Jahrhundert: AUREUAN PETRE, La romanite cn Scythie Mineure, Bukarest 1987. VASILE PAIADE, Nccropole du IV* et commencemcnt du V* siecle de n. e. a Biriad-Valea Seacä (Inventaria Arcliaeologica Roumanie, fasc. 12) Bukarest 1986; DERS.» Importadons romaines rares decouvertes dans deux sepultures de. U necropole de Birkd-Valea Seacä, in: Studi s.i Cercetäri de Istorie Veche s.i ArcheoJogie 32, 1981, S. 205-226; dazu weitere Vorberichte zu einzelnen Grabern und unterschiedlichen Aspekten, zitiert z. T. in den folgenden Anmerkungen. Gw.ORCt DIACONU, Tirgjor, Necropola din sccolcle III.-IV. e.n,, Bukarest 1965; vgl. (wie Anrn. 141) S, 2%. JONITA (u-ic Anm. 141) S. 295-351; PERS. (wie Anm. 135); GHEQRGI- DIACONU, Über die Fibel mit umgeschlagenem Fuß» in: Dacia 15, 1971, S. 239-267; DKRS,, Über die Fibel mit halbkreisförmiger Kopfplatt« und rautenförmigem Fuß aus Dazicn, in: Dacia 17, 1973, S. 257-275. UnpuUiziari. VgJ. 2. B. 2uktzi (wie Anin. 135) passim. f>cs. S, 82. Ausnahme das Grab von Todireni (Clb-C2 »lt)j ION , Die Rcimcr-Daker und die Wandervölkcr im dijnauländifcchcn Karpatenraum im 4. Jahrhundert, in: WOIJRAM-DAIM (Hgg.) (wie Anm. 195) S. 126 mjf Abb. 2, 15-16.
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und Verbreitung der Sintana de Mure§-Kultur nichts anderes als eine später erfolgte Erweiterung des 2. Expansionsraumes der Cernjachov-Kultur nach Westen; Mobilität zu dieser Zeit und später aus dem 1. Expansionsraum heraus, der ja von den Goten bis in die Zeit um 400 besetzt blieb, ist möglich213. Ab der Stufe C3-alt (C3a), also am Beginn des 4. Jahrhunderts, ist das Verbreitungsgebiet der Sintana de Mure§-Kultur flächendeckend besetzt, die Kultur stabilisiert (Fig. 25). Trotz der Autochthonie- und Kontinuitätsströmung, die die rumänische Forschung lange Zeit sehr stark und eingeschränkt auch noch heute kennzeichnet214, läßt sich auch für die Sintana de Mure§-Kultur ihr germanischer Charakter und besonders ihre genetisch enge Abhängigkeit zur Cernjachov-Kultur klar erkennen; wieder sind es die gleichen kennzeichnenden Merkmale (Fig. 26—27), die'oben schon für die Cernjachov-Kultur herausgestellt wurden, und auch diese unterscheiden die Sintana de Mure§-Kultur klar von den vorangehenden und jedenfalls außerhalb der Provinzgrenzen fraglos kontinuierenden zeitgleichen autochthon-einheimischen Kulturen (Daker, Karpen und Sarmaten): 1. Birituelle Gräberfelder, wieder mit einem Übergewicht an Brandgräbern zu Anfang der Belegung215; 2. waffenlose Männergräber sowie mit Tracht (1—3 Fibeln, meist Fibelpaare, Gürtelschnallen) und Schmuck beigesetzte Frauen216, ferner die Beigabe von Kämmen und beinernen. Nadelbüchsen; 3. bestimmte Sachformen wie beim Schmuck achterförmige Bernsteinperlen und eimerförmige Berlocken, sog. Krückennadeln und 4. im symbolträchtigen, magischen Bereich: Eisenkämme, verschiedene Amulette, dabei wieder die Donaramulette als prismatische Knochenanhänger217, Eisenkämme sowie 5. eine Runeninschrift218; auch sind umfangreiche Geschirrsätze für Trank- und Speisebeigabe kennzeichnend, die jedoch — als 213 214
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KOKOWSKI (wie Anm. 170). 2. B. MIRCEA Rusu, Bodenständige und Wandervölker im Gebiet Rumäniens (3.-9. Jahrhundert), in: Acta Musei Napocensis 12, 1980, S. 139-157; D. PRQTASE, Problema continuitapi in Dacia in lumina archeologiei §i numismaticii, Bukarest 1966; LIGIA BÄRZU, Continuity of the Romanian people's material and Spiritual production in the territory of Former Dacia, Bukarest 1980; 2um innerrumänischen Streit zuletzt z. B. KURT HOREDT, Germanen und Romanen in Siebenbürgen, in: Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde N.S. 6 (2), 1983, S. 169 ff.; DERS., Das archäologische Büd der romanischen Elemente nach der Räumung Daciens, in: Dacoromania l, 1973, S. 135-148; DERS., Siebenbürgen in spätrömischer Zeit, Bukarest 1982; vgl. auch die Bemerkungen von M. PETRESCU-DIMBOVITA, Die wichtigsten Ergebnisse der archäologischen Forschung über den Zeitraum vom 3.—10. Jh. östlich der Karpaten, in: Dacoromania l, 1973, S. 162-173 (auch hier: „autochthone Komponente der Sintana de Mure§-Cernjachov-Kultur", S. 164). — Dazu der (personalisierte) Streit zwischen Vertretern der ungarischen und rumänischen Forschung über Siebenbürgen: zuletzt RADU HARHOIU in: Dacia 34, 1990, S. 291 ff und auch E. TOTH in: Acta Archaeologica Academiae Scientiarum Hungaricae 37, 1985, S. 431 ff. Zuletzt IONITA (wie Anm. 141) passim und Tabelle 2 S. 317; die Zuordnung von bestimmten Brandgräbertypen zur autochthonen Bevölkerung innerhalb der Sintana de Mure§-Gräberfelder ist nicht haltbar: DIACQNU (wie Anm. 206; = Tirg§or-Gheräseni-Variante); DERS. (wie Anm. 208) S. 30 ff. Vgl. Anm. 116. Anders GHEORGE DIACONU, Nordöstliche Elemente in der-Tschernjachov-Sintana de Mure§-Kultur, in: Dacia 9,1965, S. 305; DERS., A propos des pendantifs prismatiques en os de la necropole de Tirgs.or, in: Studii §i Cercetari de Istorie Veche 13, 1962, S. 1-45; DERJS., Spätsarmatische Elemente in der Sintana-Tschernjachow-Kultur, in: Pacia 10,1966, S. 357-364. CATALINA BLOSIU, A runic inscription discovered in the IV-th Century necropolis from Letcani-Iasj, in: Memoria Antiquitas l, 1969, S. 167-180; WOLFGANG KRAUSE, Die gotische Runeninschrift von Letcani, in: Zeitschrift für Vergleichende Sprachforschung 83,1, 1969, S. 153-161.
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l·^ 2(> Gr berfeld von Simana de M.urc$ (Mafos&zcntanna): a Fil/cln, b G rtelschnallen (im Kreis Grabrmmoicro). Nadi Βκί:ΝΝΐ·κ (wie Anm, 205) S. 263 ff. Abb. 1-3.
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15 Fig. 27 Gräberfeld von Sintana de Mureg (Marosszentanna): Perlen und Kämme (im Kreis Grabnummern). Nach BRENNER (vgl Fig. 26).
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Ausdruck des Mit- und Nebeneinanders mit den romanisierten Geto-Dakern und Karpen — weitgehend dem einheimischen Geschirrmarkt entnommen sind (S. 130). Wie im primären 2. Expansionsraum östlich des Pruth können die so gekennzeichneten Graber in der Regel gut von in die Zeit der Sintana de Mure§-Kultur kontinuierenden Bestattungen der 'GetoDaker9 bzw. Daker und Karpen sowie Sarmaten unterschieden werden, vor allem in Grab- und Beigabensitte, in der Tracht, im Schmuck und in der Keramik219. Es hat in diesem Kontext .nun keinen Sinn, auf ethnische Interpretationsprobleme innerhalb dieses 'autochthonen* Fundstoffs, d. h. vor allem auf die Trennung zwischen sog. karpischem und dakischem Fundstoffeinzugehen, die gesichert m. E. ohnehin nicht möglich ist220. Wichtiger ist in unserem Zusammenhang, daß diese Bevölkerungsgruppen, einschließlich der Sarmaten, auch nach der Landnahme der Sintana de Mureg-Bevölkerung in ihren alten Siedelgebieten außerhalb der alten Provinzgrenzen verblieben221, und vor allem, daß sich die Neuankömmlinge dort niederließen (vgl. Fig. 25 mit Fig. 28 und 29)222; man siedelt in Gemengelage dicht nebeneinander223, ja z. T. offenbar auch in Siedelgemeinschaften (z. B. Siedlung und Gräberfeld von Birlad — Valea Seacä)224. An dieser Bewertung ändert prinzipiell nur wenig, daß sich die Siedelgebiete der Sintana de Mure§-Kultur 219
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D. PROTASE, Considerations sur les rites runeraires des Daces, in: Dacia 6, 1962, S. 173-197; ION loNrrA—VASiLE URSACHE, Nouvelles donnees archeologiques concernant des rites funeraires des CarpoDaces, in: Studii §i Cercetäri de Istorie Veche 19,2, 1968, S. 211-226; IONITA (wie Anm. 212), DERS,, Din istoria §i civilizatia dacilor liberi, Ia§i 1982; GH. BICHIR, Geto-Dacii din Muntenia in epoca romana, Bukarest 1984; ION IONITA, Valeni, o märe necropolä a dacilor Üben, Ia§i 1988; DERS., Die Fibel als Kleidungszubehör in der Tracht der Daker, in: Folia Archeologica (Acta Universitatis Lodziensis) 16, 1992, S. 179-189. Z. B. GH. BICHIR, The Archaeology and History of the Carpi from the second to the fourth centur}' AD. (British Archaeological Reports, Suppl. Ser. 16,1-2) London 1976; dazu die Rezension von VOIJCER BIERBRAUER in: Historische Zeitschrift 233,1981, S. 648-652. Z. B. IONITA (wie Anm. 212) S. 124 f.; DERS., Din istoria (wie Anm. 219) S. 86-113; PETRESCU-DIMBO(wie Anm. 214) S. 164 f.; ferner DERS., Problemes concernant ia population autochtonc de la Moldavie durant les II'-V* siecles de n.e., in: Cri§ia 1972, S. 183-198; DERS., La nccropolc dace de Stinca, in: Hierasus (Boto$ani) 5, 1983, S. 89-104; DERS., Quelques problemes concernant la continuite dace a l'est des Carpatcs au cours des IIMV6 s. de n. cre, in: Actes du II* Congres International de Thracologie 1976, 2, Bukarest 1980, S. 331-338; DERS., Nouvelles decouvertes de tombes sarmates sur Je territoire de la Moldavie, in: Archeologia Moldovei 2-3, 1964, S. 311-328; dazu: VASIU PALADE in: Cercetin Istoricc N.& 9-10, Ia$y 1978/79, S. 247-260; DERS. in: Hierasus ßoto§ani) 1981, S. 69-82. Karten fiir den dakischcn/karpischen Fundstoff u. a. bei IONITA, Din istoria (wie Anm. 219) Abb. 8; MICLEA-FLORJESCI/ (wie Anm. 206) S.36£ (mit Gegenkarticrung von Sintana de Mure?); DUMITRU BERCIU, Daco-Romania, München 1978, Karte A S. 180 f.; für den sarmatischcn Fundoff: IONITA Abb. 18; DEKS., Nouvelies decouvejrtes (wie Anm, 221) Abb. l S. 313. MicttA-FLORjscu (wie Anm. 206) S. 36 C ION , Les claments autnchtones dans ia civilisation Sintana de Mure« (TV* siede n.e.) en Moldavie, in: Carp'tcz (Bacäu) 1971, S. 197 &; PfcTRtscü-Du«i»ovrTA (wie Anm. 214) S. 164 f.; (wie Anm. 212} S. 124 f.; VASIU PAIADE, FHemcnts goto-daccs dans le sitc Sintana de Murc^ de Birlad-Valea Scüci, in; Dacia 24, 1980, S. 223-253; Kammacherwcrkstatt in Grubenbaus mit dakischcr Keramik (C2/C3 alt): VASIU PALAI>* in: Archeologia Moldova 4,1966» S. 261-277; DÜRS. ausführlicher in: Studi §i G^municäri de uume a dviii/ajici populäre din Kr>maoia l, äbiu 1981, S. 179-215; Töpferöfen des 4. Jahrhundert« von Fmände: DEKS, in: Metnonta Anriquius ], 1969, S. 339-361. ~ Für die Walachei betonten dieses Nebeneinander schon 1964 ß. MrnuiA-C PKEIM, Qudques problemes aj-jint* trans aus necropolcs de rypc isintana-Tcherniakhov dccuuv
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Hfc 2V Sarmari*chc Gräberfelder. Nach lüNffA, Dir» i&toria (wie Anm. 219) Abb. 18.
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und die der Daker/Karpen in ihren Schwerpunkten in der Moldau unterscheiden: 1. Sarmaten im Vergleich zu Dakern/Karpen mehr östlich in den Tälern des Pruth und Birlad und 2. Sintana de Mures.-Kultur mehr zwischen Sereth und Pruth und die Daker/Karpen noch weiter westlich bis zu den Rändern der Ostkarpaten; in Muntenien bzw. in der Großen Walachei bestehen ohnehin keine lokalen Unterschiede (Fig. 25, 28-29). Dieser Überschichtungsprozeß bot Voraussetzungen für Akkulturationsprozesse auf beiden Seiten; hinsichtlich der Sintana de Mure§-Kultur macht sich dies aber kaum bemerkbar, da die obengenannten Charakteristika, die sie als germanisch kennzeichnen, auch im Verlauf des gesamten 4. Jahrhunderts stabil bleiben mit der einzigen Ausnahme: Man bedient sich auf dem 'einheimischen' Geschirrmarkt, d. h. die in die Gräber mitgegebenen Gefäße (Hand- und Scheibenware) sind großenteils diesem entnommen225, auch von dieser Seite her ein eindrucksvoller Beleg für die Kontinuität der 'einheimischen* Bevölkerung. Dies ändert aber nichts an der ethnischen Bewertung der Gräber bzw. Gräberfelder vom Typ Sintana de Mure§; sie sind germanisch bzw. gotisch, und Versuche der rumänischen Forschung, auch und gerade mit Hilfe der Keramik 'einheimische' Bevölkerungsgruppen in den Sintana de Mure§Nekropolen nachzuweisen226, sind verfehlt, da Keramik, jedenfalls ohne zusätzliche höherrangige Indizien, ethnisch nicht interpretierbar ist. Bei der Landnahme der Cernjachov-Goten aus O///w/Skythien nach Westen über den Pruth gegen Ende des 3. Jahrhunderts und in der Zeit um 300, die ich als Erweiterung des schon zuvor besetzten 2. Expansionsraumes bezeichnen möchte und die archäologisch als Installierung der Sintana de Mures_-Kultur faßbar wkd, war die Situation also ganz anders als bei der gotischen Landnahme in Wolhynien und in der Ukraine; westlich des Pruth rückten die Goten keineswegs in weitgehend siedelleere Gebiete ein, sondern in dicht besiedelte und auch teilweise romanisierte Landschaften227, wenn auch nicht so stark wie in der Provinz Dacia Traiana selbst, und anders als im 1. Expansionsraum wurden diese 'einheimischen' Bevölkerungsgruppen nicht verdrängt. Ober die Intensität der gotischen Besiedlung westlich des Pruth läßt sich derzeit - zumindest für einen Außenstehenden — kein verläßliches Bild entwerfen, da die publizierten Verbreitungskarten veraltet sind und auch schon damals kein repräsentatives Bild vermittelten; so berichtet Ion lonifa 1970, auf den die hier vorgelegte 225
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Dies kann hier nicht detailliert begründet werden, ergibt sich aber leicht im Vergleich zu den Siedlungen · und Gräberfeldern der dakisch-karpischen Bevölkerung: so z. B. die Keramik aus der Sintana de Mure§Nekropole von Tirg§or (loNifA [wie Anm. 141] mit Typen und belegungschronologischen Karten Abb. 11—26) etwa im Vergleich zu den Nachweisen in Anm. 219. Z.B. DIACONU (wie Anm. 208) S. 136-139 und S. 147f. (Typus Chilia-Militari-Matasäru; dazu: GH. BICHIR in: Dacia 24, 1980, S. 157-180); GH. BICHIR, Nouvelles donnees concernant la Romanisation de la Valachie, in: Studii sj Cercetari di Istorie Veche §i Arheologie 29,3, 1978, S. 385-395; DIACONU (wie Anm. 206) (ethnische Interpretation von bestimmten Brandgrabsitten); DERS., Die Siedlung und das Gräberfeld von Gheräseni-Buzau. Neue Beweise für die Kontinuität der einheimischen Bevölkerung an der unteren Donau, in: Studii §i Cercetari di Istorie Veche sj Arheologie 28,3, 1977, S. 431—457. Vgl. dies am Beispiel der Amphoren und Münzen: ION IONFJA, Formations territoriales des Daces libres ä Test des Carpathes aux IMIIC siecles de n. e., in: Muzeul National 5 (Bukarest) 1981, S. 103108. - Generell: SILVIU SANIE, Civilisapa Romanä la Est de Carpati §i Romanitatea pe Teritoriul Moldovei (sec. II i.e.n. - III e.n.), lasj 1981; VIRGIL MIHÄILESCU-BIRLIBA, La monnaie romaine chez les Daces orientaux, Bukarest 1980.
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Karte zurückgeht, allein fiir die Moldau von etwa 400 Siedlungen und Friedhöfen228, was zumindest hier auf eine dichte Sihtana de Mure§-Siedlung schließen läßt» Die ethnische Interpretation der Sintana de Mures.-Kultur als gotisch bzw. als terwingisch/vesigotisch ergibt sich interdisziplinär durch die Schriftquellen. Seit 291 ist die Spaltung des Gotenvolkes in die westlichen Terwngi-Vksi und die östlichen Greutung-Ostrogothi belegt, wobei erstere höchstwahrscheinlich westlich des Pruth siedelten; im Gegensatz zu den Ostrogotbi ist dies für die Vesigoti des 4. Jahrhunderts durch Schriftquellen nun auch territorial zwar nicht präzise, so doch etwas konkreter belegbar, was hier nicht näher ausgeführt zu werden braucht229. Zusammenfassend ist zeitlich gestaffelt festzuhalten, daß bei den Gotenstürmen auf die untere Donau und bei den verheerenden Einfallen der Goten in die Balkanhalbinsel ab 238, zunächst im Bunde mit den Karpen, in der Regel (noch) nicht zwischen Teranngt und Ostrogothi unterschieden werden kann. Somit ist auch unklar, von welchen Ausgangsräumen aus sie vorgetragen wurden, aus mehr östlich oder westlich gelegenen; da diese Goteneinfalle nach 250 in dichten Abständen erfolgten, 238, 251 und 271 das Imperium auch Jahrgelder an die Goten zahlte (vertragsähnliche Zustände) und 242 sich Goten im römischen Heer gegen die Perser befanden, dürften die Ausgangsräume nicht allzuweit von der Reichsgrenze entfernt gelegen haben. Wie die gotischen Flottenunternehmungen ab 25723° erfolgten alle diese Unternehmungen wohl noch aus dem Gebiet der Cernjachov-Kultur (also etwa östlich des Pruth), was auch wegen des archäologischen Befundes nicht anders möglich ist. Wie erwähnt, ist der Beginn der Sintana de Mure§-Kultur nicht vor das späte 3. Jahrhundert zu datieren. Die Schriftquellen zu den Tenvingt des 4. Jahrhunderts lassen sich — wenn genauere Ortsangaben erkennbar sind — grosso modo auf Goten im Bereich der Sintana de Mure§-Kultur beziehen231, so etwa mit der Bezeichnung der Donau als ripa gotbica 337232. Polyethnie in der 'dakischen Gothia* wird — wie geschildert — auch im archäologischen Befund deutlich durch dako-karpische Bevölkerungsgruppen und Sarmaten, wogegen die stets mit Goten genannten Taifalen archäologisch unbekannt sind233. Hinsichtlich der ebenfalls schon erwähnten Tradition seit der Mitte des 4. Jahrhunderts (und danach), die die Dacia mit der Gotbia geradezu gleichsetzt234, für die es in den Schriftquellen — außer der ripa gothica im Süden — jedoch keine 'Grenz'Beschreibung gibt235, ist archäologisch aber klar, daß diese Gothia - außer den Fundorten in Mittelsiebenbürgen am mittleren Mure§ und in Südostsiebenbürgen (Dacia superior) sowie nur sehr wenigen Fundstellen westlich des limes transalntanus bzw. westlich des Oh — nicht die Dacia Traiana gewesen ist. Das Hauptsiedelgebiet der westgoti226
IONIJA. Probleme der Sintana de Murc^-Cerniachov-Kulrur (wie Anm. 206) S. 96. - Für Siebenbürgen vgj. hingegen BON A (wie Anm. 109). »" WOLFIMM (u'te An«. 1) S 53-84, 99-104. 2*' & 106 mit Anm. 139. 2M WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 67-104; BONA, Völkerwanderung (wie Anm. 109) S, 66-75. *32 VEbuiuuf (wie Anm. 1) S. 70. **» Ebd. S. 67 und 100 f£ •M Kutropius f364<-369), der Panegyriker von Valero, mit der bfilcanmen Steile: jetst beherrschen die laifalcn, Vikto&lco und Terwtngen die eim%e RÖmcrpwwif«! Dakten*: WOU'KAM (wk Anra, 1) S. 67 4. (w«r Anm. 1) S. 1U2,
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sehen Sintana de Mures.-Kultur liegt eben außerhalb der Provinzgrenzen (Fig. 25 im Vergleich zu Fig. 28); der weitaus größte Teil der Provinz wurde also nicht von den Westgoten besetzt, obgleich sie mit allen ihren Vorteilen einer noch in Resten weiterbestehenden Infrastruktur nach 250 Landnahmevorgängen offengestanden hätte. Das foedus zwischen Konstantin und den Goten, „der erste von einem Zeitgenossen überlieferte Vertrag zwischen Rom und einem gotischen Volk", und eventuelle weitere Vertragsabschlüsse in der Zeit zuvor236 bezogen sich also überwiegend auf nichtreichsangehörige Goten, auf 'äußere* Foederaten. Nicht nur dies ist bemerkenswert; es fallt ferner die zeitliche Koinzidenz zwischen der (spätestens) 291 erfolgten Spaltung der zuvor vereinigten Goten — nach Jordanes war Ostrogotha einmal noch gemeinsamer König, ein andermal schon König der Ostrogothen (Jordanes 98 und 82) — und der gotischen Landnahme westlich des Pruth auf; ein Zusammenhang ist denkbar. Damit verbunden ist auch die zeitgleiche Geschichte mit den Gepiden von König Fastida, die von Ostrogotha wegen ihrer schlechten Siedelgebiete Land fordern (S. 98). Folgt man der Interpretation von Istvan Bona, daß die Beschreibung der schlechten Siedelgebiete (inclusum se montium qumtans aspentate silvanimqw densitate constrictum; Jordanes, Getica 98) nur auf Gebiete innerhalb der Karpaten zutreffe, dann saß Fastida mit seinen Gepiden zu dieser Zeit schon in Siebenbürgen; die Auseinandersetzung mit den Goten sei unter Bezug auf einen Panegyricus vom 1. April 291 auf die Westgoten zu beziehen, da sie als Tenvingi pars alia Gothorum gegen die Gepiden (und Wandalen) gekämpft haben237. Dies impliziert jedoch leider nicht sicher, daß auch die Goten, also wahrscheinlich Tenvingi, bereits in der Nähe der Gepiden gesiedelt haben, also das Zeugnis des Panegyrikers als zusätzlicher historischer terminus ante oder ad quem für die Anfangsdatierung der Sintana de Mure§-Kultur benutzt werden kann; der archäologische Befund würde dem aber nicht widersprechen. Abschließend sei noch in knapper Form auf die Sintana de Mure§-Kultur in Siebenbürgen eingegangen, über die in den letzten Jahren viel und unterschiedlich geschrieben wurde, einschließlich der Kontroversen zwischen Vertretern der rumänischen und ungarischen Archäologie, hauptsächlich bezogen auf das Kontinuitätsproblem romanischen Lebens nach Aufgabe der Provinz Dacia 275 (und auf die gepidischen Wohnsitze nach 29l)238. Nach meiner Einschätzung kann zwar ein Beginn der gotischen Siedlung im mittleren und südöstlichen Siebenbürgen erst in Stufe C3 alt, also erst „im fortgeschrittenen 4. Jahrhundert" erwogen werden239, gesichert ist dies 236
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Ebd. S. 7l; den Ausführungen von EVANGELOS CHRYSOS, Von der Räumung der Dacia Traiana zur Entstehung der Gothia, in: Bonner Jahrbücher 192, 1992, S. 175—193 zu dem angeblichen foedus von 295, durch das „die Okkupation' des Landes [Dacia} durch die Goten rechtlich anerkannt wurde" und das geschlossen worden sei, weil „sich die Goten im geräumten Dakien etabliert hatten und folglich auch dort bleiben durften", vermag ich nicht zu folgen (S. 186); anders und überzeugend: WOLFRAM, S. 69. ISTVAN BONA, Bemerkungen zu einer historisch-archäologischen Bearbeitung der Visigotenzeit in Dazien, in: Acta Archaeologica Academiae Scientiarum Hungaricae 33, 1981, S. 363—371, bes. S. 366; DERS., Völkerwanderung (wie Anm. 109) S. 66; Wolfram nimmt dies in die dritte Aufläge seines Gotenbuches auf: WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 68. Vgl. Anm. 214 und RADU HARHOIU, Die Beziehungen zwischen Romanen und Barbaren in Siebenbürgen in der Sicht einer ungarischen Geschichte Transsilvaniens, in: Dacia 31,1987, S. 119-129; BONA, Völkerwanderung (wie Anm. 109) S. 52-84. BIERBRAUER (wie Anm. 195) S. 133 f.
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aber nicht; der entscheidende, weil auch immer noch größte Fundkomplex, die Nekropole von Sintana de Mure§ mit 79 Gräbern, ist — dies ergibt sich durch die Belegungschronologie klar — in seinem ältesten Teil gestört, ein Vergleich etwa mit dem anderen großen belegungschronoldgisch analysierbaren und schon am Ende von C2 bzw. in C3 alt einsetzenden Gräberfeld von Tirgs.or240 ist also spekulativ. Formenkundlichrelativchronologisch verfehlt, weil nicht mit der Chronologie des Cernjachov-Sintana de Mures.-Fundstoffes insgesamt vereinbar, sind die Bewertungen der Nekropole von Sintana de Mure§ durch Kurt Horedt, der deren Belegungsbeginn erst mit dem Ende von Tirgior verbindet und — gemischt argumentierend — eine Datierung zwischen 376 bis etwa 425 vornimmt, also die hier Bestatteten wie auch insgesamt die siebenbürgischen Fundorte der Sintana de Mure§-Kültur erst mit einer Landnahme der Athanarich-Goten 376 in Caucalandensis focus241 bei ihrem Rückzug vor den Hunnen verbindet242; dies ist — wie gesagt — archäologisch hinsichtlich der Anfangsdatierung von Sintana de Mure§ nicht haltbar, VI. DAS ENDE DER SINTANA DE MURE§-KULTUR
Zwar endet — wie in der Cernjachov-Kultur — die große Mehrzahl der Nekropolen der Sintana de Mure§-Kultur mit Ausgang der Stufe C3-jung (etwa 370/380), jedoch besteht Grund zu der Annahme, daß hier einige Nekropolen mit möglicherweise nicht unbeträchtlichen Gräberzahlen erst im Verlauf der Stufe Dl (etwa 370/ 380-400/410) enden, erkennbar an Trachtzubehör, aber auch an dem Aufkommen von west-östlich orientierten Gräbern, vermehrter Beigabenarmut und Beigabenlosigkeit, beides oft zusammenfallend; beide Phänomene, die bereits deutlich auf das 5. Jahrhundert hinweisen, beginnen schon in C3-jung, jedoch ist — auch wegen der beigabenlosen Gräber — unklar, wie viele bereits der Stufe Dl angehören. Die Hinweise auf dieses verstärkte 'Nachleben* betreffen keineswegs, wie oft zu lesen ist, nur die siebenbürgische Fundgruppe (Fig. 26-27)243, sondern auch Muntenien und die Moldau244. Dennoch kann kein Zweifel sein, daß das Erlöschen der Sintana de Mures.Kultur als ganzheitlicher Kulturkomplex mit dem Abzug der Mehrheit der Westgoten unter Fritigern über die Donau 376 und deren Aufnahme im Römischen Reich zusam246
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Vgi. z. a IONITA (wie Aom. 135) S. 78 ff, - Ein Belegungsbeginn im Gräberfeld von Sintana de Mure$, wie BONA ihn annimmt (Völkerwanderung [wie Anna. 109J S. 70)» ist gut möglich. WOLFRAM (wie Anm. I) S. 82. KURT HOREDT, Queiques problemcs conccroant ia diffasion de Ja civiiisarion de Sintana de Mure§TchcTneakhov en Rcmmanie, in; Studii $i ccrcetiri de istorie veche 18,1967, S. 577-592; DERS. unverändert in: Siebenbürgen in spütarömischer Zeit (wie Anm, 214) S. 110- 7 und in: Siebenbürgen im Friihmittdahef; Bonn 1986, S 8-13; in demselben Sinne auch HARHOIU (wie Anm. 238) S. 121 und 124 und z. B. auch KAZANSKI (wie Anm. 2) S. 68. — Gegen eine solche Spätdatierung sprechen sich zu Recht au» ION NESTOR, Zur Geschichte Siebenbürgens im IV Jh. u. Z., in: Dacia 19,1975, S. 9-15 und BONA (wie Anm. 237} S. 368-370; Dm., Völkerwanderung (wie Anm. 109) S. 76. Hier verbindet man sie mit den Aihanarkh«Goten nach 376, was nicht beweisbar ist; vgL Anm. 242. Nachweise bei BujubÄAüi* (wie Anm, 195) S. 133 f. und Dna. (wie Anm. 185) S. 568 mit Anm. 105 fmit Verweisen au/die Arbeiten von J. TejraJ); ferner die Siedlung von Ja»« ION JONTTA, Eine Siedlung der jüngeren römischen Kat&crzeir und der VMkerwandcrungtiZcit in Ia$i*Nieolma (Rumänien), in: Puiavt und iiune. Beiträge ?4 Bauen und Wohnen im Altertum. Symposium der Atounder von Humboldtuan~&ad God>bcrg, Berlin 1979» Mainz 19H2» S. 568*586.
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menhängt, wiederum ausgelöst - wie bei den Ostrogothen - durch die Westexpansion der Hunnen bzw. durch ihre Angriffe auf Athanarich zwischen Pruth und Dnestr sowie in der Moldau 376245. Der kurzfristige Rückzug von Athanarich mit einer Minderheit ihm verbliebener Anhänger nach Caucalandensis locus (Siebenbürgen?) blieb Episode, da er 381 ins Exil nach Konstantinopel ging246. Zu den Westgoten bzw. VisiGoten des 5.—7. Jahrhunderts, wie sie nun künftig bezeichnet werden, vgl. Kapitel IX. VII. DIE OSTGOTEN NACH DEM ENDE DER CERNJACHOV-KULTUR BIS ZUR EINWANDERUNG IN ITALIEN
Historisch formuliert, betrifft dieses Kapitel die Ostgoten zwischen 375 und 488, also zwischen der Zerstörung des Ermanarich-Reiches durch die Hunnen und der ostgotischen Abwanderung aus dem Donauraum 488 nach Italien. Bei der Behandlung des Endes der Cernjachov-Kultur, die im wesentlichen als ostgotisch eingestuft werden darf, wurden bereits zwei Fragen berührt, die die historische Forschung unsicher oder kontrovers beurteilt: 1. Verblieben die Ostgoten nach 375 noch in ihren alten jüngerkaiserzeitlichen Wohnsitzen (im Sinne von Jordanes) und wenn ja, wie lange und eventuell sogar bis zur Auseinandersetzung zwischen den Hunnen (zusammen mit den Ostgoten?) und einer gentil-germanischen Koalition am Nedao (454 oder 455)? Oder 2. wenn nicht, wo lagen die ostgotischen Siedelgebiete nach 375? Klar ist nur, daß sie weiter unter hunnischer Herrschaft verblieben247, aber dies hilft territorial bekanntlich nicht weiter. Immerhin gibt es aber den Hinweis bei Jordanes, daß die Ostgoten in tadempatna verblieben sein sollen, jedoch ohne zeitliche Begrenzungsangabe. Es fallt somit schwer, „eine wirkliche Geschichte der hunnischen Goten zu schreiben. Zwischen den Niederlagen der Jahre 375/376 und dem AttilaZug von 451 fehlen so gut wie alle absoluten Daten über Zeit und Ort des Geschehens"248; es hat nun keinen Sinn, auf alle jene Probleme einzugehen, die sich aus der Bewertung der nur wenig aussagekräftigen Schriftquellen ergeben, weder aus der Sicht der 'Origo Gothica' noch aus der der zeitgenössischen Quellen249. Das entscheidende Augenmerk muß — vor allem aus der Retrospektive der pannonischen und italischen Ostgoten - bei den 'hunnischen' Goten bleiben. „Die Entstehung der Ostgoten* ist das Werk derjenigen Amaler, die erstmals im Reich Attilas, und zwar spätestens zum Jahre 451, als Könige aller hunnischen Goten nachweisbar sind. Das Ansehen der einstigen greutungisch-ostrogothischen Königssippe hatte ... so wenig gelitten, daß zumindest ein Zweig der Amaler imstande war, die Herrschaft über die nichtromischen Goten innerhalb des werdenden hunnischen Großreiches wieder zu erringen und synchron mit dessen Konsolidierung zu verstärken. Ihren Rückhalt bildete die 'den Hunnen eidlich verpflichtete und treu ergebene' Mehrheit der 375/376 unterworfenen greutungischen Ostrogothen"250; nur am Rande verfolgt werden hier die römischen Greutungen, d. h. die duces Alatheus und Safrax mit ihrer Dreivölker-Konföderation 245
WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 79-82 und 126 ff.; BONA, Völkerwanderung (wie Anm. 109) S. 75 f. WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 82. 247 Vgl. oben S. 120 (Jordanes, Getica 246; dazu noch Jordanes ebd. 248-249). 248 WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 250 f. 249 Vgl. WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 250-259. «o Ebd. S. 250. 246
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aus greutungischen, alanischen und hunnischen Gruppen, die 379 oder 380 als Foederaten Gratians in Pannonien angesiedelt wurden251, und die Krim-Goten252, während Abspaltungen wie die des Odotheus ganz außer Betracht bleiben. Leider ist — wie erwähnt — zur Chronologie und zu den Wohnsitzen der hunnischen Ostgoten bis 451 aufgrund der Schriftquellen kein gesichertes Bild zu ermitteln; der zuletzt von Herwig Wolfram gemachte Vorschlag läuft auf eine vermittelnde Position hinaus, indem er annimmt, daß die „hunnisch gebliebenen Ostgoten" (schon) 404/405 „gezwungenermaßen westwärts gewandert seien" und „daß sich die attilazeitlichen Ostrogothen in der Nähe ihres Herrn befanden"253; die entscheidende Frage, wo weiter westlich, bleibt unbeantwortet, und die Annahme, daß sie „westlich und südlich der Karpaten" saßen als östliche Nachbarn der Theiß-Gepideri, gründet allein auf ethnischen Interpretationen von Grab- und Schatzfunden dieser Zeit durch die frühgeschichdiche Archäologe254 (S. 137 f.). Was kann die Archäologie zu diesem Problem aussagen? Festgestellt wurde schon, daß der klare archäologische Befund zum Ende der Cernjachov-Kultur einen längeren Verbleib der Ostgoten in ihren alten jüngerkaiserzeitlichen Wohnsitzen nach 375/376 nicht zuläßt; trotz der noch vorhandenen Probleme in der Feinchronologie am Übergang der jüngerkaiserzeitlichen Stufe C3 (370/380) zur frühvölkerwanderungszeitlichen Stufe Dl (370/380—400/410) ist ein Kontinuieren der CernjachovKultur als Gesamtkomplex bis in die Zeit um 400 auszuschließen. Über die schon genannten sehr wenigen Dl-zeitlichen Anhaltspunkte innerhalb des Verbreitungsgebiets der Cernjachov-Kultur hinaus255 vermittelt auch der weitere Dl- und D2-zeitliche ostgermanische Fundstoff bis zur Mitte des 5, Jahrhunderts außerhalb des Verbreitungsraumes dieser Kultur ein aufschlußreiches Bild: Er findet sich ebenfalls sehr vereinzelt nördlich und nordöstlich z. B. in Borki bei Rjasan (Oberlauf des Don), in Porschnino (Kruglica) bei Orel und im Schatzfund von Nezin bei Tschernigov256, ferner in beträchtlichem Umfang auf der Krim, der Halbinsel Kertsch, auch noch an der Nordküste des Asowschen Meeres (z. B. Sinjavka an der Don-Mündung) und im 251
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2 " ** *< **
Ebd. S. 251 £ und zuletzt: LASZLO VÄRAin; Pannonica: Ergänzende Notizen zum letzten Jahrhundert Pannoniens, in: Bonner Jahrbücher 190, 1990, S. 175-200, bes. S. 176-184. N. RILFNTXOFF, Quelques cimederes des Pays des Goths de Crimee, in: Bulletin de la Commission Imperiale Archcologiquc 19,1906, S l f£; zuletzt zu den wichtigsten Nekropolcn von Suuk-Su, E$kiKarmen, Tschufut-Kale und Lutchistojc tu a,: V. V. KROPOTKJN, Mogü'nik Suuk-Su, in: Sovctskaja Archeologiia 1959 (1), S. 181-194; DEKS^ Mogil'nik Tschufut-Kale, in: Kratkie Soobscenija 100, 1965, S. 108-115; A. J. AJRABTN, Chronotogija mogü'nikov Kryma pozdnerimskogo i rannesrcdncvekogo vrcmeni, in: Matcrialy po Archeoiogu, Istotii i Etnografii Tavtii l, Simfcropol 1990, S. 5-86 und S. 175241 m« Abb. 1-56 und Ta£ 1-11; DERS., in: 2, Simferopol 1991, S. 43-51 mit Abb. 1-7; ferner das neu veröffentlichte große Gräberfeld von Skalistojc: E. V. VEJMARN-A. J. AJBABIN, Skaüsönstie Mogü*nik, Kiev 1993 (mit 794 Bestattungen); ALKXANDRE AIUAJHN, \A fabticaüon des gajrnirures de ceintures et des fibules a Chcrsone&e, au Bosphore Cimmerien et dan* la Gothic de Crimoc aux VI-VIII siecles, in: CHKjsTtANt. fli:utfc£ (I Ig.), OutUs et atdicrs d'ocfcvrcs des tcrnps ancicn& (Antiquitis Nationales, Mcmoirc 2. Sociöte des Amis du Muscc des Andquites Nationale» et du Chätcau de Saint-Gurmaincn-ljqc) Momagnac 1993, S. 163-170; J. S. PIORD, Kiimskaja gooja, Kicv 1990; v$, auch Anm. 258. VCbuHAw (wje Anm. I) S. 256. Ebd. S. 256. \&. oben S, 118 f. fkuuAAUiJ» (wie Anm. 185) S, 562 and 566 mit Abb. 14,3 und
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Nordkaukasus-Vorland (2. B. Djurso bei Novorossijsk)257. Höchstwahrscheinlich darf man dieses Fundbild mit 'versprengten' Goten verbinden, die im Nordkaukasus-Vorland und oberen Kuban bei Alanen und Sarmaten Aufnahme fanden und dort akkulturiert wurden258, und sodann mit Goten, die auf der schon in der jüngeren Kaiserzeit von der Cernjachov-Kultur erreichten Krim dann als Krim-Goten in die Geschichte eingingen259. Diese 'versprengten' Goten bzw. die Krim-Goten verblieben zwar auch unter hunnischer Herrschaft, aber es kann nicht der traditionsvermittelnde Hauptteil der hunnischen Goten gewesen sein, an die Valamir dann ,in der Nachfolge der Väter' Mitte des 5. Jahrhunderts anknüpfen konnte260. Dies ist weder möglich mit Hilfe der Geschichte des Vinitharius, der nach der Origo Gothica' gegen die Anten kämpfe, noch mit der des Vithimiris, der nach Ammianus Marcellinus die Alanen besiegte261; auch die Krim-Goten scheiden hierfür aus, die historisch wie archäologisch fortan eigene Wege gehen, auch wenn die Krim und benachbarte Räume durch hohe personale Mobilität im 5. Jahrhundert mit dem Donauraum verbunden bleiben262. Gelegentliche Versuche, die Cernjachov-Kultur sowohl bis weit in die l. Hälfte des 5. Jahrhunderts hinein fortbestehen zu lassen als auch sogar die genannten ostgermanischen Befunde der 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts von der nördlichen Peripherie der erloschenen Cernjachov-Kultur, von der Krim und aus dem Nordkaukasus-Vorland sogar an das pannonische Ostgotenreich (456/457-473) archäologisch anzubinden, überzeugen nicht263. Immerhin kann nach meiner Meinung als gesicherter Beitrag der Archäologie zu einem historisch nicht lösbaren Problern somit festgehalten werden, daß die Ostrogothen 375 oder kurz danach ihre alten Siedelgebiete verlassen haben; ihre Wohnsitze lagen danach weiter westlich, auch hier unter hunnischer Herrschaft. Aufgrund der Schriftquellen ist ihre nähere Lokalisierung nicht möglich, und hilfsweise wird auf die Archäologie verwiesen264. Kann sie in dieser Frage weiterhelfen?
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TEJRAL (wie Anm. 171) S. 190 f., 196 ff.; DERS. (wie Anm. 185) S. 29-39; BIERBRAUER (wie Anm. 185) S. 564 ff. 258 Vgl. Anm. 257 und BIERBRAUER (wie Anm. 3) S. 23 f. (jeweils mit Nennung der wichtigsten russischen und ukrainischen Literatur); ferner: A. K. AMBROZ, Chronologija drevnostej severnogo Kavkaza, V—VII. w., Moskau 1989; vgl. ferner A.J. AJBABIN, Materialy k etniceskoj istorii Kryma VII v. do. n.e. - VII v. n.e., Kiev 1987; MICHEL KAZANSKI, The sedentary elite in the 'empire' of the Huns and its impact on material civilisation in Southern Russia during the early middle ages (5 —7th Century AD), in: JOHN CHAPMANN—PAVEL DOLUKHANOV (Hgg.), Cultural transformations and its interactions in Eastern Europe, Newcastle-upon-Tyne 1993, S. 211-235. 259 Z. B. GUSTAV KARLSSON, Goten, die im Osten blieben, in: HAGBERG (Hg.) (wie Anm. 206) S. 165-174; JOHANN TICHLER, Neu- und wiederentdeckte Zeugnisse des Krimgotischen (Innsbrucker Beiträge zur Sprachwissenschaft. Vorträge und Kleinere Schriften 21) Innsbruck 1978. — Archäologie: vgl. Anm. 252, 257-258. 260 WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 253. 261 Ebd. S. 252-254; historisch und archäologisch abweichend: KAZANSKI (wie Anm. 173) S. 13 mit Anm. 8. 262 BIERBRAUER (wie Anm. 185) S. 564-569; DERS. (wie Anm. 193); vgl. auch zuletzt: KAZANSKI (wie Anm. 258) mit Abb. 2-3. 263 Vgi Anm. 204; ferner: MICHEL KAZANSKI, Les Goths et les Huns. A prqpos des relations entre les barbares sedentaires et les nomades, in: Archeologie Medievale 72, 1992, S. 191-229; DERS. (wie Anm. 2) S. 66 ff. 264 Vgl. oben S. 135 mit Anm. 254.
Archäologie und Geschichte der Goten vom 1.-7. Jahrhundert
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Sie kann nicht, weder für die Zeit vor dem pannonischen Ostgotenreich (456/ 457) noch für dessen Dauer (bis 473) und auch nicht bis zur Einwanderung nach Italien (488), nach 456 .nun sogar wieder mit guter historischer Quellenlage. Warum dies nicht möglich ist, kann im Rahmen dieser Arbeit nur zusammenfassend und generell argumentierend ausgeführt werden; eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Vielzahl der archäologischen Arbeiten zur Formenkunde, Chronologie und ethnischen Interpretation des ostgermanischen Fundstoffes, der ab der Stufe D2 während der 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts überdies zunehmend reiternomadisch geprägt ist, kann aus Raumgründen nicht erfolgen. Das Problem, das es kurz zu skizzieren gilt, liegt für das ausgehende 4. J a h r h u n d e r t bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts nicht in einer unpräzisen relativen und absoluten Chronologie265, sondern in der ethnischen Interpretation dieses Fundstoffes; sie ist für weite Teile des Donaugebietes nur möglich mit einer allgemeinen Klassifizierung als ostgermanisch, nicht jedoch stammesbezögen konkretisierbar, jedenfalls was ostgermanische gentes und Bevölkerungsgruppen in dem für unsere Fragestellung relevanten Raum betrifft: Westungarn mit seinen römischen Provinzen (Pannonia I—II, Valeria, Savia) und Ostungarn sowie Rumänien; ausgenommen sind, weil für unsere Problematik zu abseits gelegen, die norddanubischen Gebiete Niederösterreichs, die Tschechische Republik und der Westen der Slowakischen Republik266. Die ethnische Interpretation als nur allgemein ostgermanisch liegt in mehreren Phänomenen begründet, die die 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts nun auch grundlegend von der jüngeren Kaiserzeit im östlichen Barbarikum unterscheiden, insbesondere von der Sintana de Mure§- und Cernjachov-Kultur. Dies betrifft vor allem eine veränderte Grab- und Beigabensitte. Es werden nicht mehr — wie zuvor — die Oberschichten gemeinsam mit der Masse der Bevölkerung (popufas) beigesetzt, sondern die Oberschichten separiert in eigenen kleinen Grablegen, auch in Einzelgräbern; von Ausnahmen abgesehen^67, ist aztpopulus offenbar beigabenlos und daher archäologisch unbekannt beerdigt worden. Auch die Beigabensitte ist nun anders. Die Oberschichten werden in der Regel nur noch in ihrer Tracht und Schmuck beigesetzt (reduzierte Beigabensitte); echte Beigaben sind die Ausnahme (Kamm; Toilettbesteck), die umfangreichen Geschirrsätze entfallen, und nur die Trankbeigabe wird besonders in reich versorgten Gräbern noch beibehalten (Kanne/Krug, Becher). Diese Veränderungen setzten bereits in der Spätphase der Cernjachov-Sintana de Mure§Kultur ein268. Hinzu kommen die archäologisch im Vergleich zu den Frauengräbern sehr viel seltener nachweisbaren Männergräber, da Waffenbeigabe nicht die Regel ist269. Erschwert allein schon diese quantitativ begrenzte und kulturgeschichtlich weTrjKAL (wie Anm. 185); DERS., Zur Chronologie der frühen Völkerwanderungszcit im mittleren Donauraum, in: Archacologta Austriaca 72,1988, S. 223-304; BIERBRAUER (wie Anm. 185). > JAROSLAV TrjRAt, Unsere Lander und der römische Donauraura zu Beginn der Völkerwanderungszeit, in: PamaUy Archcolo^ckc 76, 1985, S. 308-397; DERS., Archäologischer Beitrag zur Bekenntnis der vüUcerwanderungfizätljchcn Etfcnostrukturen nördlich der mittleren Donau, in: HERWIG PUKSINGEKFAUO DAIM (Hgg,)» Typen der Ethnogcnesc unter besonderer Berücksichtigung der Bayern. Symposium Zwctd 1986, Wien 1990, S. 9-87. BUJUSKAUJIK (wie Anm. 193) S. 141 und die von Romanen und Germanen gemeinsam benutzten Gräberfelder vom Typ Csafc^r-Szabadbattyan-Mdcz; DEHS. (wie Anm. 195) S. 141 (. · BiL*B*AL*f fc (wie Anm. 195) S. 131-135. ' BiuuKAU*.* (wie Anm. 19$) S. 141 ton. Abb. 19, bei der jedoch mehrere Fundrninkfe ~ tcilweisr durch Neufundc - am Oberlauf der Theiß und in Nordwcstsiebenbürgcn nachzutragen sind; *u Wcsumgam
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niger komplexe Quellenlage ethnische Interpretationsmöglichkeiten, so werden diese vollends unmöglich durch ein anderes, weit höher einzuschätzendes Phänomen. Mit der Diffusion des ostgermanisch und teilweise auch noch stark reiternomadisch geprägten Fundstoffes in bzw. ab Dl von der Schwarzmeerküste (und vom Nordkaukasus-Vorland) aus über weite Teile des Donauraumes als Folge der hunnischen Westexpansion entsteht für die ostgermanischen Oberschichten ein erstaunlich einheitliches Bild, das ich als Koine bezeichnen möchte oder die man im Sinne von Jaroslav Tejral auch als „donauländischen oder donauländisch-ostgermanischen Kulturkomplex" bezeichnen kann270. Besonders die wegen der veränderten Grab- und Beigabensitte für die Gräberkunde wichtigen, weil mehr oder minder reich ausgestatteten Frauengräber einer Oberschicht lassen in ihrem sozusagen internationalen Gepräge mit kostbarem Trachtzubehör und Schmuck eine gesicherte ethnische Interpretation nicht (mehr) zu; sie sind sich von Rumänien über Ungarn bis nach Niederösterreich so ähnlich, daß man ihre Inventare fast beliebig austauschen kann271. Mit archäologischen Methoden sind diese Grabinventare ethnisch also nicht interpretierbar, womit sich auch die sinnvolle Suche nach den Ostrogothen der l. Hälfte des 5. Jahrhunderts erübrigt. Besser steht es um die frühgepidischen Wohnsitze dieser Zeit, die man mit großer Wahrscheinlichkeit am Oberlauf der Theiß und in Nordwestsiebenbürgen glaubt nachweisen zu können272. Folgt man dieser Interpretation zu den Gepiden, so macht es aber immer noch keinen Sinn, die Ostrogothen approximativ oder territorial ausschließend in den noch verbleibenden weiten Teilen des Donauraumes „westlich und südlich der Karpaten" eventuell in östlicher Nachbarschaft zu den Gepiden273 finden zu wollen; auf dem Wege ausschließender Argumentation gälte dies dann auch für die Annahme, daß die hunnischen Ostrogothen nicht vor 427 bzw. 433 im Gebiet einer oder mehrerer pannonischer Provinzen Pannoniens gesiedelt haben können, da die 'äußeren' Hunnen erst dann per Vertrag hier einrückten274. Es bleibt — wie man es historisch und archäologisch auch wendet - im Spekulativen. Genauso spekulativ sind - abgese-
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vgl. ATTILA Kiss, Völkerwanderungszeitliches Langschwert von Dunapentele/Dunaujvaros, in: Alba Regia 19, 1981, S. 145-164 mit Abb. 4. TEJRAL (wie Anm. 265) passim. BIERBRAUER (wie Anm. 195) S. 138—142 mit den Verbreitungskarten ostgermanischer Frauengräber der l, und 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts, zwar nicht mehr vollständig, aber noch repräsentativ; DERS. (wie Anm. 185) passim; TEJRAL (wie Anm. 265) passim. Zuletzt BONA (wie Anm. 109) bes. S. 367; KAROLY MESTERHAZY, Beiträge zu den gepidisch-thüringischen Beziehungen im 5.—6. Jahrhundert, in: Folia Archaeologica 35, 1984, S; 77-84; DERS., Ethnische und Handelsbeziehungen zwischen der Weichselmündung und der ungarischen Tiefebene in der römischen Kaiserzeit, in: KMIECINSKI (Red.) (wie Anm. 82) S. 185-202; ESZTER ISTVÄNÖVITS, Some data on the late roman — early migration period chronology of the upper Tisza region, in: GODLOWSKI—MADYDALEGUTKO (Red.) (wie Anm. 94) S. 89-101. - Vgl. ferner zuletzt: A. Kiss, Die Schatzfunde l und II von Szilagysomlyo als Quellen der gepidischen Geschichte, in: Archaeologia Austriaca 75,1991, S, 249-260 und DERS., Die „barbarischen" Könige des 4.-7. Jahrhunderts im Karpatenbecken als Verbündete des römischen bzw. byzantinischen Reiches, in: Communicationes Archaeologicae Hungariae 1991, S. 116120; BONA, Völkerwanderung (wie Anm. 109) S. 76 f., 80 ff. mit Karten 4-5. - Zu Rumänien: RADU HARHOIU, Das norddonauländische Gebiet im 5. Jahrhundert und seine Beziehungen zum spätrömischen Kaiserreich, in: WOLFRAM-DAIM (Hgg.) (wie Anm. 195) S. 101-115, bes. S. 106 ff.; DERS., Rumänien in der Zeit der Ostgoten, in: I Goti. Ausstellungskatalog Mailand 1993, S. 154—163. WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 256. LASZLO VÄRADY, .Das letzte Jahrhundert Pannoniens 376-476, Budapest 1969, S. 303 ff.
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hen von den Gepiden — trotz aller Bemühungen und auch einiger Indizien die Versuche, die ostrogothische Teügruppe in der Dreivölkerkoalition der duces Alatheus und Safrax, die irgendwo in der pannonischen Diözese nach 379/380 angesiedelt wurde, archäologisch zu finden, auch mit Hilfe der viel diskutierten sog. Foederatenkeramik*75, Da cthnisch-stammesbezogene Interpretationen durch die frühgeschichtliche Archäologie, also Zuordnungen von Kulturgruppen oder Kulturkomplexen, natürlich nur interdisziplinär erfolgen können, sollten diese wieder für die Mitte und 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts möglich sein, da — jedenfalls für die Ostgoten <- Schriftquellen wieder reichlich vorhanden sind: für das pannonische Ostgotenreich (456/457—473) und für die Ostgoten in Niedermösien (473—488)276; wenn also im Sinne der nicht gemischten Argumentation nun für die Ostgoten — vor allem für deren Siedelgebiete und Migrationen — ein historisch gut geklärter Sachverhalt vorliegt, wie steht es um die Aussagekraft des archäologischen Befundes, der, eventuell befriedigend geklärt, dann mit diesem verglichen werden könnte? Es sind wieder die gleichen Gründe wie in der 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts, die stammesbezogene ethnische Interpretationen der ostgermanischen Gräber, wiederum mehrheitlich Frauengräber, meist nicht zulassen277. Erschwerend kommt hinzu, daß der archäologischen Chronologie Grenzen gesetzt sind; die Generationenfolge von etwa 25 Jahren wird sie nicht unterschreiten können278. Auf das pannonische Ostgotenreich bezogen, das etwa vom Plattensee bis in das Gebiet von Sirmium die Südteile der Provinzen Valeria und Pannonia I, Teile der Savia und überwiegend die Pannonia II umfaßte279, heißt dies: Zwar sind ostgermanische Gräber aus dem Gebiet des pannonischen Ostgotenreiches bekannt, aber sie sind nicht Jahrzehnt- und erst recht nicht jahrgenau datierbar; dies wäre jedoch erforderlich, um sie interdisziplinär als ostgotisch ansprechen zu können. Mit einigem Wohlwollen kann man im Sinne der Wahrscheinlichkeit noch die Auffassung vertreten, daß unter den ostgermanischen Gräbern der Zeitstufen D2b-D2b/D3 und D3 (etwa 420/430-480/490), deren Fundorte im Bereich des pannonischen Ostgotenreiches liegen, sich auch solche befinden, die ostgotisch sein müßten. Der eErtrag* dieser sehr zurückhaltenden ethnischen Interpretation ist also für das Anliegen dieser Arbeit gering, vor allem auch deshalb, weil Goten 1-ücr folge ich der Meinung von TEJRAL (wie Anm. 265) S. 252, ferner S. 233, 244 und 292; DERS.» Unsere Länder (wie Anm. 266) S. 345 f£ mit Karte Abb. 37 S. 365. · WOLFRAM (wie Anm. 1) & 259-268; ANDREAS SCIIWARCZ, Die Goten in Pannonien und auf dem Balkan nach dem Ende des Hunnenreiches bis zum Italienzug Theoderichs des Großen» in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 100,1992, S. 50-83; ferner mit Einschluß der übrigen ffUfa: FRIEDRICH LOTTER, Die germanischen Stammesverbände im Umkreis des Ostalncn-Mitteldonauraumcs nach der literarischen Öberiieferung im Zeitalter Sevcrins, in: HERWIG WOLFRAM-ANDRIAS SCHVARCZ , 185). ' VC-bu HAM (wie Anm. 1) S. 262; SCHWAKCZ (wie Anm. 276) S. 521
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in der Zeit der großen Migrationen nach 375/376 erstmals im kulturgeschichtlichethnographischen Kontext archäologisch nicht mehr erkennbar sind; dies liegt keineswegs an dem fehlenden methodischen Rüstzeug der Archäologie — wie die archäologischen Ergebnisse zur kaiserzeitlichen Geschichte der Goten dies lehren —, sondern an den grundlegend veränderten kulturhistorischen Rahmenbedingungen im 5. Jahrhundert. Vielleicht ist aber dieser wegen fehlender positiver archäologischer Evidenz als gering eingestufte 'Ertrag' im interdisziplinären Kontext doch von Belang, da in der archäologischen Literatur oftmals andere, auch sich widersprechende, meist aber prinzipiell sehr viel optimistischere Auffassungen zur stammesbezogenen ethnischen Interpretation des archäologischen Fundstoffes zu finden sindj80; der Autor dieses Beitrages vermag sie nicht zu teilen, jedenfalls dann nicht, wenn - gemischt argumentierend (oft nicht ausreichend geklärte) historische Sachverhalte und ereignisgeschichtliche Daten einem archäologisch-kulturgeschichtlich nicht genügend differenzierbaren Befund 'übergestülpt* werden. Was für die Archäologie des pannonischen Ostgotenreiches festgestellt wurde, gilt auch für den Aufenthalt der Ostgoten in Niedermösien zwischen 473-488, wohin sie nach der Ausplünderung Pannoniens Qordanes, Getica 283) abgezogen waren. Auch hier ist ostgermanischer Fundstoff des 5. Jahrhunderts, auch der 2. Jahrhunderthälfte, belegt, aber aus denselben Gründen wie zuvor ethnisch nicht auf die Ostgoten beziehbar; ein solches Unterfangen würde darüber hinaus — wie in Pannonien — wiederum an den Möglichkeiten der archäologischen Chronologie scheitern; die Mobilität der Ostgoten zu dieser Zeit ist zu hoch, die Dauer ihrer Foederatenreiche in Makedonien (knapp 3 Jahre) und in Niedermösien (knapp 12 Jahre) ist zu kurz, wiederum wären jahrgenaue Datierungen für den archäologischen Fundstoff erforderlich281. VIII. DIE OSTGOTEN IN ITALIEN
Will man Einwanderungsvorgänge archäologisch zweifelsfrei nachweisen, so ist die Kenntnis des Abwanderungsraumes unabdingbare Voraussetzung; am 'Beispiel der Goten des 1.—4. Jahrhunderts wurde dies deutlich. Historisch sind die Abwanderung der Ostgoten aus Niedermösien und ihre-Einwanderung in Italien 488 unter Theoderich gut bekannt, auch ihr Hintergrund, der 280 Djes güt nicht nur für die Ostgoten, sondern auch für andere ostgermanische genfes, insbesondere nach dem Zusammenbruch des Hunnenreiches. — Vgl. aus der Fülle der Literatur etwa die älteren Arbeiten von ATTILA Kiss, Ein Versuch, die Funde und das Siedelgebiet der Ostgoteri in Pannonien zwischen 456-471 zu bestimmen, in: Acta Archaeologica Academiae Scientiarum Hungaricae 31, 1979, S. 329339; DERS., Die Skiren im Karpatenbecken, ihre Wohnsitze und ihre materielle Hinterlassenschaft, in: ebd. 35, 1983, S. 95-131; DERS., Germanischer Grabfund der Völkerwanderungszeit in Jobbägyi. Zur Siedlungsgeschichte des Karpatenbeckens in den Jahren 454-568, in: Alba Regia 19,1981, S. 167-185; DERS., zu den Ostgoten seine älteren Arbeiten einschränkend und korrigierend: Die Ostrogothen in Pannonien aus archäologischer Sicht (456-473), in: I Goti (wie Anm. 272) S. 164-179. - Auch in den älteren Arbeiten von A. Kiss und anderen Autoren, die aus Raumgründen nicht genannt werden können, sind immer wieder (kurze) Vorbehalte solcher Art enthalten; vor allem ohne diese vermitteln sie dem Historiker nach meiner Meinung ein nicht zutreffendes Bild über die Aussagemöglichkeiten der Archäologie zu den ethnischen Problemen des 5. Jahrhunderts. 281 WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 268-278; SCHWARCZ (wie Anm. 276) S. 66 ff. - Zur Archäologie zuletzt: BIERBRAUER (wie Anm. 185) S. 589-592. ' .
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Vertrag zwischen dem Qstgötenkönig und Kaiser Zeno, ,wonach Theoderich nach der Beseitigung Odoakers für seine Mühen an der Stelle des Kaisers in Italien herrschen solle, bis dieser dorthin kommt* (Anonymus Valesianus 11,49)282. Obgleich beide Seiten ihre eigenen Vorstellungen über diesen Vertrag hatten, war eigentlich vieles klar; Theoderich kam nicht als Usurpator nach Italien, aber in der Erwartung, erstmals die Unabhängigkeit von der kaiserlichen Staatskasse zu erlangen und endlich eine dauerhafte Reichsbildung zu erreichen. Im Sommer 488 brach das Gotenheer in einer geschätzten Kampfstärke von etwa 20—25 000 Mann auf, was einer drei- bis vierfachen Kopfzahl entsprechen dürfte. Nicht alle Goten wanderten ab; was in den oströmischen Balkanprovinzen verblieb, war jedoch nicht stark genug, als ethnische Einheit weiterzubestehen283. Archäologisch ist die ostgotische Einwanderung aus mehreren Gründen schwierig zu beurteilen. Einer der Gründe wurde schon genannt; es ist die fehlende Kenntnis eines spezifischen Fundstoffes, der mit den niedermösischen Goten verbunden werden kann. Dennoch könnte jenes nur als allgemein ostgermanisch interpretierbare Fundmaterial aus den Gebieten des pannonischen und niedermösischen Ostgotenreiches, unter dem sich sicherlich auch ostgotische Gräber befinden, in Italien interdisziplinär als ostgotisch identifiziert werden, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt wären: einerseits die klare Abgrenzung zur archäologischen Hinterlassenschaft der Romanen und andererseits keine Verwechselungsmöglichkeiten zu anderem eventuell in Italien vorhandenen germanischen Fundstoff. Archäologisch sind Germanen in Italien zumindest mit ihrer Einwanderungsgeneration und der ersten im Lande lebenden Generation, also noch nicht akkulturiert, ohne Schwierigkeiten von den Romanen zu trennen284; diese Voraussetzung ist für die Gräberkunde wegen der völligen Andersartigkeit der romanischen Grab- und Beigabensitte also prinzipiell gegeben. Anders verhält es sich mit dem germanischen Fundstoff in Italien; er ist für das gesamte 5. Jahrhundert nachweisbar und auch antiquarisch-chronologisch in etwa auf die beiden Jahrhunderthälften eingrenzbar. Seine ethnische Interpretation kann — wie immer wieder betont — nur mit Hilfe der schriftlichen Überlieferung bzw. mit den Ergebnissen der Alten Geschichte und Mediävistik erfolgen. Für die l. Hälfte und Mitte des 5. Jahrhunderts lassen sich die meist aus dem Donauraum stammenden ostgermanischen (Grab-)Funde am besten mit in Italien garnisonierenden germanischen Söldnertruppen verbinden, 'inneren foederati* also, die historisch besonders gut belegt sind für die Zeit des comes bzw. magister wilitum Ricimer (456-472)285. Liegt dieser Zeithorizont archäologisch-chronologisch noch ausreichend (wie Anm. 1) S. 278-299. SCHWARCZ (wie Anm. 276) S. 82 f. M Zuletzt: VOLKXK BIERBKAUCK, Zum Stand archäologischer Siedlungsforschung in Oberitalien in Spätantike undfrühemMittelster (5.~7. Jahrhundert). Quellenkunde - Methode - Perspektiven, in: KLAUS I-EHN u. a. (Hgg,), Genetische Siedlungsforschung in Mitteleuropa und seinen Nachbarta'umcn 2, Bonn 1988, S. 637-659, S. 639-649; DLKS., Lln&cdiamcnto del pcriodo cardoantico e altomcdievale in Trentinc» — Alto Adige (V—VII secolo), in: GIAN CARLO MENIS (Hg.), Italia longobarda, Venedig 1991, S. 123-133; Drns.f Die Landnahme der Langobarden in Italien aus archäologischer Sicht, in: MICHAEL Mt'u.K*-VC'iujt-REiNMAJU> ScHNUütR (Hgg.), Ausgewählte Probleme europäischer I-andnahme des Früh- und Hochmittelaitci«, Teil l (Vortrage und Forschungen 41) Sigmaringen 1993, S. 103-172. * VoiJ&ft Bi£*jjRAUEfc, Germanen des 5. und 6. Jahrhundert* in Italien, in: JACQUES DUAKUN-RJCCAKIO (Hgg.), 1-a *corä dell'aho medioevo naliano (VI-X sccolo) a&t lucc dell'archcologia (Bidi Aichcologw Medievak) Fircn/c 1993 fim Druck). RJ
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abseits der ostgotischen Einwanderung 488, so folgt diese aber nur 18 Jahre später auf die der Skiren und anderer Germanen (Rugier, Heruler) unter Odoaker 469/470286. Es ergeben sich prinzipiell also dieselben Interpretationsprobleme für den germanischen Fundstoff in Italien, wie sie für das 5. Jahrhundert im Donauraum schon erörtert wurden: die Unmöglichkeit einer jahrzehntgenauen archäologischen Chronologie und die fehlende ethnisch-stammesbezogene Differenzierung ostgermanischer Grabfunde; auch die Skken (und Heruler/Rugier) waren vor ihrer Abwanderung nach Italien im Donauraum beheimatet287, ohne daß man sie dort aus den genannten Gründen archäologisch erkennen kann. Dies bedeutet für Italien, daß der hier überlieferte (ost-) germanische Fundstoff, der im Donauraum in die Zeitstufen D2b-D2b/D3 und D3 gehört (vor 440/450-480/490), mit den Odoaker-Germanen und den TheoderichGoten nach Italien gelangt ist. Eine Trennung zwischen beiden Einwanderungen in Italien ist aus chronologischen und ethnischen Gründen regelhaft daher nicht möglich288. Selbst ein um 440/450 gefertigtes und vielleicht von einer Ostgotin in Pannonien (456/457—473) getragenes Trachtensemble aus Fibelpaar und Gürtelschloß kann noch von dieser — via Niedermösien — nach Italien mitgebracht worden sein, wenn sie mit Theoderich in fortgeschrittenem Alter nach Italien einwanderte289. Exemplarisch deutlich wird dies an den sog. Maskenschnallen mit rhombischem Beschlag, die in die Zeit um die Mitte und in die zweite Hälfte (3. Viertel?) des 5. Jahrhunderts zu datieren sind (Fig. 30)290; im Donauraum sind sie zudem weit verbreitet, sowohl im Gebiet des pannonischen Ostgotenreiches als auch zwischen Donau und Theiß und am Oberlauf der Theiß, wo man zu dieser Zeit gerne Skiren und Gepiden ansiedelt, ein weiterer beispielhafter Hinweis auf die Schwierigkeiten, ostgermanische Gräber im Donauraum (und in Italien) zu dieser Zeit bestimmten gentes zuzuordnen. Angesichts dieser Problematik stellt sich die Frage, ob Ostgoten in Italien archäologisch überhaupt nachweisbar sind. Methodisch zweifelsfrei ist dies kaum beantwortbar, da der eine oder andere ostgermanische Grabfund der Zeit um 500 und der 1. Hälfte des 6. Jahrhunderts natürlich auch noch mit im Lande verbliebenen OdoakerGermanen verbunden werden könnte. Je weiter man zeitlich von den beiden Einwanderergenerationen, vor allem der unter Odoaker 469/470, entfernt ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, daß in den ostgermanischen Gräbern Italiens Ostgoten beigesetzt sind291; hierfür sprechen auch die hohe Zahl der ostgotischen Einwanderer und 286
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LÄSZLO VÄRADY, Epochenwechsel um 476. Odoaker, Theoderich d. Gr. und die Umwandlungen, BonnBudapest 1984, S. 30 ff. Z. B. LOTTER (wie Anm. 276) S. 30, 47 ff.; WALTER POHL, Die Gepiden und die gentes an der mittleren Donau nach dem Zerfall des Attilareiches, in: WOLFRAM-DAIM (Hgg.) (wie Anm. 195) S. 240-305, bes. S. 273 f., 277 ff.; Kiss, Germanischer Grabfund (wie Anm. 280) und DERS., Die Skiren (wie Anm. 280). Hierzu ausführlich: VOLKER BIERBRAUER, Historische Überlieferung und archäologischer Befund. Ostgermanische Einwanderer unter Odoaker und Theoderich nach Italien. Aussagemöglichkeiten und Grenzen der Archäologie, in: GODLOWSKI-MADYKA-LEGUTKO (Red.) (wie Anm. 94) S. 263-277, bes. S. 273 ff.; DERS. (wie Anm. 185) S. 583 ff. BIERBRAUER (wie Anm. 185) S. 586 und 588. JOACHIM WERNER in: GIOVANNI ANNIBALDI—JOACHIM WERNER, Ostgodsche Grabfunde aus Acquasanta, Prov. Ascoli Piceno (Marche), in: Germania 41,1963, S. 365-373; VOLKER BIERBRAUER, Die ostgotischen Grab- und Schatzfunde in Italien, Spoleto 1975, S. 133 ff. Es ist daher reichlich spekulativ, wenn der größte Anteil des ostgermanischen Fundstoffes der 1. Hälfte des 6. Jahrhunderts in Italien mit den OdoakerrGermanen verbunden wird, dies auch wegen falscher
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der Befund der Schriftquellen, da Odoaker-Germanen zur Zeit des italischen Ostgotenreiches keine Rolle mehr spielen. Die Kennzeichnung des ostgotischen Fundstoffes in Italien basiert auf Grabfunden; Siedlungen sind nicht bekannt, mit Ausnahme eines neu entdeckten Castrums vom Monte Barro am Südostende des Corner Sees, dessen Struktur gut zur Beschreibung ostgotischer Wehranlagen in den Cottischen Alpen paßt292. Grab- und Beigabensitte sowie die Tracht entsprechen mit einigen hochrangigen Merkmalen dem, was entweder schon zuvor für die Goten kennzeichnend war oder, wie sich vor allem mit Blick auf Spanien zeigen wird (S. 155 ff.), was die gotischen Siedelgebiete im 6. Jahrhundert kennzeichnen wird293. , 1. Wieder sind es die fehlende Waffenbeigabe in Männergräbern und generell die unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau in der Beigabensitte; Männergräber lassen sich — ohne anthropologische Untersuchung — in der Regel nur durch bestimmte Gürtelschnallen eines schmalen Leibriemens erkennen294; beides unterscheidet die Goten von allen anderen merowingerzeitiichen Großstämmen. 2. Die ostgotische Frau wird mit ihrem in der Regel kostbaren Trachtzubehör aus Fibelpaar und großem Gürtelschloß mit rhombischer, meist aber rechteckiger Beschlagplatte und mit kostbarem, oft stark mediterran geprägtem Schmuck beigesetzt (Fig. 31— 32). Entscheidend sind Trageweise und Zusammensetzung des Trachtzubehörs; die Fibelpaare, silbervergoldet und gegossen oder auch kloisonniert, wurden an den Schultern (zum Heften eines mantelartigen Umhanges?)295 und das große Gürtelschloß in Beckenlage für einen breiten Gürtel sichtbar getragen. Vor allem das Fibelpaar an den Schultern unterscheidet ihre Trägerinnen ab dem späten 5. Jahrhundert wiederum von der Tracht anderer Germanen, auch im Donauraum, verbindet sie aber mit den Befunden auf der Krim und in Spanien, weswegen diese Tracht im 6. Jahrhundert als kennzeichnend gotisch bezeichnet werden darf296. Mit ihr ist ihre Trägerin als solche somit in anderen germanischen Stammesgebieten (z. B. Exogamie) gut als Fremde zu erkennen297, aber auch in Italien, wo die romanische Frauentracht durch die Einfibeltragweise gekennzeichnet ist (zum Verschluß eines mantelartigen Umhanges auf der Brust)298. Auch das große
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Datierungskriterien, so durch MANFRED MENKE, Archäologische Befunde zu Ostgoten des 5. Jahrhunderts in der Zone nordwärts der Alpen, in: KMIECINSKI (Red.) (wie Anm. 7) S. 239-282, S. 245 mit Karte Abb. 19 S. 281; hierzu BIERBRAUER (wie Anm. 185) S. 584 mit Anm. 190. Prokop, Bellum gothicum 11,28: ,Dort wohnten seit langem schon zahlreiche edle Goten mit ihren Weibern und Kindern und versahen die Grenzwacht.' — GIAN PIETRO BROGIOLO-LANFREDO CASTELLETTI (Hgg.), Archeologia a Monte Barro I: U grande edificio e le torri, Lecco 1991. So schon zusammenfassend JOACHIM WERNER, Die archäologischen Zeugnisse der Goten in Südrußland, Ungarn, Italien und Spanien, in: I Goti in Occidente. III. Settimana del Centro Italiano di Studi sulTAlto Medioevo 1955, Spoleto 1956, S. 127-130. BIERBRAUER (wie Anm. 290) S. 153 ff. VOLKER BIERBRAUER, Zu den Vorkommen ostgotischer Bügelfibeln in Raetia H, in: Bayerische Vorgeschichtsblätter 36, 1971, S. 133-147; DERS. (wie Anm. 290) S. 71-80. BIERBRAUER (wie Anm. 295). Vgl. z. B. die zahlreichen Beispiele spanischer Westgotinnen im Frankenreich Chlodwigs: S. 164 f. VOLKER BIERBRAUER, Frühgeschichtliche Akkulturationsprozesse in den germanischen Staaten am Mittelmeer (Westgoten, Ostgoten, Langobarden) aus der Sicht des Archäologen, in: Atti del 6° Congresso Internazionale di Studi sulTAlto Medioevo Milano 1978, Spoleto 1980, S. 89-105, S. 97; zuletzt DERS., Kreuzfibeln in der mittelalpinen romanischen Frauentracht des 5.—7. Jahrhunderts: Trentino und SüdtK,.
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31 Ostgotiftchcr Grabfund au* der 'Rotnagna' (Italien), Nach W. MKNGMIN, Gotische und langobardi· *Chc Funde au* haben, Nürnbctg 19H3, S. 31 Taf. 3.
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Fig. 32 Rekonstruktion der Tracht und des Schmuckes der adeligen Dame von Domagnano (Republik Sah . Marino). Nach D. KYDD in: I Goti (wie Anm. 272) S. 194.
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Gürtelschloß mit rechteckiger Beschlagplatte ist in Italien weiterhin ein ethnisch aussagekräftiges Merkmal299. 3. Anders als bei den anderen kontinentalgermanischen Stämmen und auch bei den Romanen werden die Ostgoten in Italien nicht in Gräberfeldern bestattet; nur eine Oberschicht wird in Einzelgräbern und kleinen 'Familien'-Grablegen abseits des beigabenlos bestatteten populus beigesetzt, womit die Grabsitte des 5. Jahrhunderts in weiten Teilen des Donauraumes fortgeführt wird300. 4. Bezeichnend ist auch die selektive Rezeption zoomorpher Motive; nur die Adlersymbolik als pars pro toto und als Ganzfigur am Trachtzubehör oder als Fibel (Fig. 32) wird von Goten 'verstanden', sei es in Italien oder in Spanien, nicht aber die germanische Tierornamentik, die sonst die germanische Kunst stilistisch und symbolverstanden prägt. Beigabensitte und Frauentracht tragen daher unverwechselbare, weil besonders konservative Züge; sie sind von besonderem Gewicht, da sie mit den Jenseitsvorstellungen (Beigabensitte) und mit ethnographisch relevanten Verhaltensweisen (Tracht) zusammenhängen, wie sie über 600 Jahre hinweg bei keinem der anderen germanischen Großstämme mit ihren Ethnogenesen seit der jüngeren vorrömischen Eisenzeit oder der älteren Kaiserzeit zu finden sind. In diese althergebrachten Jenseitsvorstellungen versucht Theoderich durch ein Schreiben aus den Jahren 507/511 an den königlichen Vollzugsbeamten in den Provinzen, an den sah Duda, einzugreifen301. Auf dem Hintergrund einer zu dieser Zeit intensiv betriebenen Ausgleichspolitik zwischen orthodoxen Romanen und arianischen rol, in: ftßscellanea di studi in onore di Giulia Mastrelli AnzÜotti, Florenz 1992, S. 1-26. - Diese Tracht *- fibelgeschlossener mantelartiger Umhang — ist trotz MechthiJd Schulze-Dörlamm auch schon seit dem späten 4. Jahrhundert üblich, wie weitere bildliche Darstellungen dies zeigen: HELMUT ScHLUNK-TßiEODOR HAUSCHILD, Hispania Antiqua. Die Denkmäler der frühchristlichen und westgotischen Zeit, Mainz 1978, Taf.25c-d (Anfang 5. Jh.); DAVID H. WRIGHT, Der Vergilius Vaticanus. Ein Meisterwerk spätantiker Kunst, Graz 1993, Farbtafel S. 33 (um 400) und Tafel S. 104 (spätes 4. Jh.); die von MECKTHILD SCHULZE-DÖRLAMM, Romanisch oder Germanisch? Untersuchungen zu den Armbrustund Bügelfibeln des 5. und 6. Jahrhunderts aus den Gebieten westlich des Rheins und südlich der Donau, in: Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuscums 33, 1986, S. 593-720, S. 687 mit Abb. 103-104 vertretene Auffassung, daß die romanische Fraucntracht im 5, Jahrhundert eine Zweifibdtragwcise sei, ist in dieser Gegenüberstellung falsch, da die von ihr angeführten Bildbclcgc funktional etwas völlig anderes betreffen, nämlich ein trägerartiges Kleid. 299 Die zuletzt von M. Martin vertretene Auffassung, daß die sog. gotischen Schnallen mit großen Rechteckbeschlägen — nicht nur die zellwerkverzicrtcn - für „die weibliche Oberschicht der gesamten, größtenteils romanischen Bevölkerung bestimmt war" und „ein guter Teil der 'gotischen* Schnallen ... nur den kleinen, dank ostgcrmanjscher Beigabensitte überlieferten Rest einer weit größeren Produktion darstellen fdürftenj", vermag ich nicht zu teilen: MAX MARTIN, Zur frühmittelalterlichen Gürteltracht der Frau in der Burgundia, Francia und Aquitania, in: L'art des invasions cn Hongrie. Acres du colioque tenu au Muscc royal de Mariemom du 9 au 11 avrü 1979 (Monpgraphies Musee royal de Mariemont 6) Mariemonr 1991, S 31-64, S. 75; eine begründete Kritik wird an anderer Stelle gegeben, jedoch sei vorab schon generell darauf verwiesen, daß trotz einer Fülle romanischer Funde in Italien (einschließlich Siziliens) und in Sardinien des 5.-6. Jahrhunderts kein einziger romanischer Grabfund mit solchen Guftefochnallen bislang nachweisbar ist; sind Beifunde vorhanden, so ist e$ eben germanisches Tracht* zubchor mit einer» Fibel paar (Etx£N RimtJt, Romanische Grabfunde des 5.-Ö. Jahrhunderts in Italien. J99J). (wie Anm, 2SD> $. 6l ff. *" 2u diesem Brtef ausführlich: B«.«*u4%ft. ebd. S, 53 fC
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Ostgoten ordnet Theoderich an (iussione decerniruus}, daß seine Ostgoten die heidnisch verwurzelte Bestattungs- und Beigabensitte aufgeben sollen; als Vorbild empfiehlt er ihnen statt dessen die beigabenlos bestattende romanische Bevölkerung. Der große König erklärt, daß die reichen Beigaben aus Edelmetall (talenta, aurea vel argenturn] den Verstorbenen nutzlos mit in die Gräber gegeben würden (illis in nullam partem profutura linquuntur), ja daß es geradezu schuldhaft sei, dies weiterhin zu tun (inutiliter abditis nlinqmre mortuorum}\ man solle künftig nicht nur beigabenlos bestatten, sondern — bezogen auf die Oberschicht - wie die Romanen auch aufwendige Grabbauten (aedificia) anlegen und diese mit Säulen und Marmor schmücken (columnae vel marmorn ornant sepulcra) (Cassiodor, Variae IV,34, hg. von Theodor Mommsen (MGH AA 12] Berlin 1894, S. 129). Außer in seiner Einmaligkeit in der germanischen Welt des 6. Jahrhunderts — bestritten wird immerhin eindeutig die Notwendigkeit der Zurüstung der Verstorbenen für ein Weiterleben im Jenseits - ist dieser Brief Theoderichs auch für das Verständnis der archäologischen Hinterlassenschaft der Ostgoten in Italien von außerordentlicher Bedeutung. Natürlich wurde die Anordnung des Königs nicht strikt befolgt, da ja ostgotische Bestattungen mit Trachtzubehör und Schmuck vorhanden sind, aber sie dürfte dazu beigetragen haben, daß eben nur so wenige Gräber bekannt sind, alles in allem von nur 70 Fundorten im gesamten Ostgotenreich, also einschließlich seiner Gebiete auf dem Balkan (Savia/Dalmatia); läßt man die apokryphen Fundorte und die Schatzrunde mit ostgotischem Trachtzubehör weg, so entfallen auf Italien nur 32 gesicherte Grabfunde mit Trachtzubehör (Fig. 33)302. Wieweit die Ostgoten Theoderichs Anweisung folgten, läßt sich quantitativ und regelhaft nicht feststellen, da beigabenlose Gräber nicht interpretierbar sind; daß seine Anordnung aber befolgt wurde, beweisen die immerhin 19 beigabenlosen Männer- und Frauengräber mit Grabsteinen, die wegen ihrer ostgotischen Personennamen dennoch identifizierbar sind303. Bezeichnenderweise gehören die hier beigesetzten Ostgoten dem Adel an, vor allem in den großen Städten (Rom, Ravenna, Pavia, Mailand); sie sind damit auch Ausdruck einer Romanisierung. Außerdem gibt es auch eine Mischung aus beiden Elementen des Theoderich-Briefes, d. h. Nichtbefolgung hinsichtlich der Beigabensitte, aber Übernahme der aufwendigen Bestattungsart romanischer Oberschichten anstelle des konventionellen schlichten Erdgrabes304. Im Gegensatz zu den kaiserzeitlichen Siedelgebieten ist das Siedelbild der Ostgoten in Italien nicht flächendeckend305. Es ist nicht die geringe Zahl an Fundorten, die auffällt - sie wurde zuvor begründet —, sondern deren Verteilung (Fig. 33), die keine denkmalpflegerischen Gründe hat. Dieses Fundbild erschließt wichtige Einsichten über die Art und Weise der gotischen Ansiedlung, die aus den reichlich vorhande302
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304 305
Mit einigen unsicheren Befunden der Frühzeit (Odoaker-Germanen): Liste und Karte bei BIERBRAUER (wie Anm. 290) S. 252 ff. mit Karte Abb. 20 nach S. 210 und $. 8; Nachträge: BIERBRAUER (wie Anm. 3) S. 38 Anm, 16 mit Karte Abb. 9 S. 27. - Das schüttere Fundbild hängt auch damit zusammen, daß Einzelgräber und kleine Grabgruppen denkmalpflegerisch ungleich schwerer auffindbar sind als große Gräberfelder. BIERBRAUER (wie Anm. 290) S. 39 ff. mit Karte Abb. 5 S. 41, Ebd. S. 56 ff. Zu den Grenzen des Ostgotenreiches: BIERBRAUER (wie Anm. 290) S. 17-24; WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 290-302, S. 315-324 und S. 286-290.
Archäologe und Geschichte der Goten vom l .-7. Jahrhundert
O vorosigoien/emtche Grabfunde • GM 0ot sehe Grabfunde
· Scnat/funde Fundort nicht gesichert (Grabfund?)
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ostgermanischer Grabfund. Erhmkum. unsicher
F'ifc 33 Ost^ermanische, vorwiegend oitgoüschc Fundorte in Italien (Mitte und 2» Häufte de* S. und der 1. Hälfte de* 6. Jahrhunderts), Nach Bff.RfcRAUTR (wie Anm. 3) S. 2? Abb. 9.
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Volker Bierbrauer
nen zeitgenössischen Quellen, vor allem Cassiodors 'Variae', so nicht erkennbar ist. Man bemerkt einerseits Fundkonzentrationen in Oberitalien in Teilen der Lombardei, in der Romagna und in den adriatischen Küstenprovinzen (Picenum, vor allem Marche) und andererseits weite Gebiete ohne ostgotische Grabfunde in Sizilien, in Süditalien, an der gesamten Westküste und auch im Nordwesten (Ugurien, Piemont). Erst in Kombination mit einigen Hinweisen in Prokops 'Gotenkrieg' ergibt sich ein stimmiges interdisziplinäres Bild: Die Ansiedlung der Ostgoten in Italien war von strategischen Gesichtspunkten gelenkt, war von Anfang an ausgerichtet gegen eine byzantinische Bedrohung von Süden und Osten, wie diese durch den Vertrag mit Kaiser Zeno schon zu erwarten war und wie diese dann auch durch de^n ostgotisch-byzantinischen Krieg (536-552) Wirklichkeit wurde. Grundsätzlich ist also zu unterscheiden zwischen länger andauernder Siedlung von Goten als ,Nachbarn und Genossen* der Römer (vicini et consortes} und gotischer Militärsiedlung mit gotischen Soldaten, die kaserniert waren (milites\ In diesem Sinne waren frei von gotischer Siedlung im wesentlichen Sizilien und ganz Süditalien bis etwa in die Höhe der Linie Rom - Pescara; hier lagen nur gotische Truppen als Besatzungen in befestigten Städten. Der gesamte Raum südlich der Fernstraße Via Salaria (Rom - Pescara) war folglich ein mit nur schwachen mobilen Verbänden belegtes 'strategisches Vorfeld9, und erst nördlich davon setzte gotische 'Landsiedlung' ein mit den benannten und ebenfalls strategisch erklärbaren Schwerpunkten306. Wegen einer schlechten Fundüberlieferung (Fundumstände, Grabform, Geschlossenheit der Inventare)307 läßt sich aus archäologischer Sicht nur wenig über die soziologische Struktur der Ostgoten aussagen; nur zwei Gräber können aus den ostgotischen Bestattungen, die wegen der schon erwähnten spezifischen Grabsitte (separierte Einzelgräber, Grabgruppen) ohnehin nicht aempopulus zuzuordnen sind, ausgesondert und als sogenannte Adelsgräber bezeichnet werden: das Frauengrab von Domagnano (Fig. 32) und das Männergrab von Ravenna mit der wohl qualitätsvollsten Goldschmiedearbeit des frühen Mittelalters (kloisonnierte Sattelbeschläge)308. Kennzeichnende Merkmale für einen herausgehobenen sozialen Status treffen auch auf die Familie zu, in deren Besitz sich der Schatzfund von Reggio Emilia befand; ähnliches gilt für den Fund von Desana, auch wenn nicht alle Objekte aus dem Schatzfund selbst stammen sollten309. Wie in allen germanischen Staatengründungen am Mittelmeer, aber auch sonst bei Überschichtungsvorgängen, sind Akkulturationsprozesse zu erwarten, insbesondere dann, wenn politisch-militärisch dominante Minderheiten auf kulturell-zivilisatorisch noch strahlungskräftige Kulturen treffen; liegen Schriftquellen wie für die germanischen Reiche am Mittelmeer vor, so kann der Historiker diese Akkulturationsprozesse in allen ihren Facetten beschreiben (Sprache, Gesetzgebung, Religion etc.). Auch ihre Verlaufsrichtung ist klar: „Auch in ihrem Inneren lassen alle diese Reiche nichts von einer fortschreitenden Germanisierung erkennen, die man doch voraussetzen 306
307 308 309
Alles dies ausführüch dargestellt bei BIERBRAUER (wie Anm. 290) S. 25-41 und 209-211; WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 290-299, bes. S. 297. BIERBRAUER (wie Anm. 290) S. 8-13. BIERBRAUER, ebd. S. 207 und S. 193 ff.; DERS. (wie Anm. 82) S. 84 f. BIERBRAUER (wie Anm. 290) S. 198-207; DERS. (wie Anm. 82) S. 85 f.
Archäologie und Geschichte der Goten vom 1.—7. Jahrhundert
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müßte, wenn in ihnen das germanische Element den eigentlich prägenden Faktor gebildet hätte. Die kleine germanische Minderheit öffnet sich vielmehr, wie besonders an den Königshöfen beobachtet werden kann, überall in steigendem Maße der spätantiken Kultur und der Romanisierung"310, so auch die Ostgöten. Die Einsichtmöglichkeiten der Archäologie sind hierzu entsprechend ihren Quellen eingegrenzt, erst recht, wenn man sich nur der Gräberkunde bedienen kann; dennoch läßt sich auch hier die Romanisierung der italischen Ostgoten erkennen. Die entscheidenden Befunde wurden im Zusammenhang mit dem Schreiben Theoderichs an sah Duda bereits genannt, die beigabenlosen Gräber mit ostgotischen Personennamen, vor allem dem "Adef in den Städten zugehörig; hierher gehören auch 'beigabenfuhrende* Gräber, die in ihrem aufwendigen Grabbau romanischen Oberschichten folgen, und vor allem ostgotische Bestattungen, die sich nicht mehr im gentilen Verband von separierten Familiengrablegen befinden, sondern in stadtrömische Friedhöfe eingebracht wurden, noch dazu — wie in Rom und Mailand — ad martyres oder ad sanrtos nach orthodoxem Brauch311. Ende und Untergang des Ostgotenreiches sind durch die Schriftquellen gut bekannt und vielfach beschrieben worden. In der letzten Schlacht am Mons Lactartus (Müchberg) bei Salerno, in der Teja fiel, endet Offiziell' die Reichsbildung; ein neuer König wurde nicht mehr erhoben. „Mit diesem Eingeständnis der Schwäche endete ein halbes Jahrtausend gotischer Geschichte."312 Archäologisch läßt sich über „Die letzten Ostgoten"313, die sich „nach Tejas Tod nicht in Luft auflösten"314, nichts sagen; unverwechselbar gotische Gräber aus der Langobardenzeit sind nicht bekannt315. Aus den Schriftquellen ist die germanische Polyethnie im Ostgotenreich hinlänglich bekannt; sie bezieht sich nicht nur auf die von Odoaker 487 besiegten Rugier, die sich unter Friedrich 488 den einwandernden Theoderich-Goten angeschlossen hatten und sich in Italien ein hohes Maß an Eigenständigkeit bewahrten316, sondern auch auf kleinere Gepidengruppen317 sowie auf herulische318 und vor allem alamannische Flüchdinge319, die im Reiche Theoderichs Schutz und Aufnahme vor Verfolgung fanden. Zu Herulern und Rugiern kann die Archäologie nichts beitragen, wenig zu Gepiden und viel zu Alamannen. Mit AJamannen hat sich der Autor dieses Beitrages mehrfach ausführlich beschäftigt320; kurz zusammengefaßt, ergabt sich folgender Befund. Bekannt sind mittlerweile I
" KARI FRJEDJUCH STROH , Die geschichtliche Stellung der ostgermanischcn Staaten am Mittelmeer, in: Sacculum 12, 1961, S. 139-157, S. 146; wieder abgedrückt in: DEKS., Germanentum und Spätantikc» Zürich 1965, 5,101-133. S113; BIERBRAUER, Frühgcschichtliche Akkultutationsprozesse (wie Anm. 298) S. 102-104. 11 BitfcÄRAUEK (wie Anm. 290} S. 56-58. TOUU-KAM (wie Anm. 1) S. 352-360, S. 360. ! * l>t;cwic SCMMIITT, Die letzten Ostgoten (Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Jahrg 1943, phii.-hiw. KL Nr. 10) Berlin 1944. 14 \Vou KAM (wie Anm, 1) S, 249. 3< * Zürn jüngeren <>st£otischcn Fundstoff: BIULBKAULR (wie Anm. 290) S. 108-114. "· VCx/uRAM {wie Anm. 1) S. 278 und 300, «* Mbd. S. 301 und 32l f€ »" Ebd. S.31B. '"* Kbd. S. 301 und 317. '··" YUUU.R BiLüjULAUJtJt, AUiionfihcht: Funde der frühen Ostgorenzett au» OhcriuHm, in: GM>KC L'u&irr (Hgg.;, Studien zur vor- und frubgctchichtlichcn Archiiologic Festschrift
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sieben Fundorte mit Grabfunden, die sich wegen formenkundlicher, vor allem aber trachtgeschichtlicher Bezüge gesichert mit dem alamannischen Siedelgebiet Südwestdeutschlands verbinden lassen und nicht mit ostgotischen Gräbern verwechselt werden können; chronologisch gehören sie in das späte 5. und frühe 6. Jahrhundert, also in die Theoderich-Zeit. Fünf der Fundorte mit alamannischen Frauen- und Männergräbern liegen in Oberitalien nördlich des Po in der östlichen Lombardei und in Venetien. Dieser archäologisch gut geklärte Sachverhalt für diese alamannischen Personenverbände läßt sich nun interdisziplinär mit zeitgenössischen Schriftquellen vergleichen; sie sind altbekannt, aber in ihrer Aussage entweder vage oder falsch. Konkret geht es 1. um den Schutz von Alamannen vo^r dem Zugriff der Franken nach einem gescheiterten Aufstandsversuch (Brief Theoderichs an Chlodwig 505/506; Cassiodor, Variae 11,41)321, 2. um Alamannen bzw. um alamannische Territorien, die angeblich unter ostgotischer (Schutz-?) Herrschaft gestanden hätten (Ennodius, Panegyricus cap. 15 und Agathias, Historiarum Libri 1,6)322. Im ersten Fall ist nicht klar, wo territorial Theoderich den flüchtigen Alamannen Schutz gewähren konnte bzw. gewährt hat. Im zweiten Fall ist der panegyrische Lobpreis falsch, da die Alamanniae generalitas sich niemals unter ostgotischer Herrschaft befand; die Überlieferungen bei Ennodius und Agathias sind für Italien ohnehin ohne Belang323. Die archäologisch nachweisbaren Alamannen in Oberitalien präzisieren nun zumindest ein, wenn nicht das Fluchtgebiet der Alamannen. Ihre Fundorte innerhalb des Ostgotenreiches passen gut zu den Formulierungen des in der ostgotischen Staatskanzlei in Ravenna ausgefertigten, offiziellen Schreibens von Theoderich an seinen Schwager Chlodwig über das Fluchtgebiet der Alamannen: ßnes nostri und pars, quam ad nos cognitispertinere; man kann, aber muß sie nicht mehr in der Raetia I und II oder in der Savia suchen324. Gepidisches Trachtzubehör ist durch drei Fibeln von drei Fundorten in Italien nachgewiesen; durch engste formenkundlich-stilistische Kriterien sind sie mit einer Fibelgruppe der Zeit um 500 und des 1. Drittels des 6. Jahrhunderts im gepidischen Theißgebiet verbunden. Da Trachtzubehör nicht verhandelt wurde und wohl auch keine gepidischen Goldschmiede 'fremde* Fibeln in Italien fertigten, waren ihre Trägerinnen Gepiden325. IX. WESTGOTEN IM 5.-7. JAHRHUNDERT 1. Westgoten zwischen 376 und 418 Das Erlöschen der westgotischen Sintana de Mure§-Kultur am Ende der jüngeren Kaiserzeit (C3-jung; 370/380) korrespondiert mit dem Abzug der terwingischen Vesi-
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für Joachim Werner, München 1974, S. 559-577; DERS. (wie Anm. 285) und HERMANN BÜSING-ANDREA BüsiNG-KouBE-VOLKER BIERBRAUER, Die Dame von Ficarolo, Prov. Rovigo, in: Archeologia Medievale 20, 1993, S. 303-332, S. 318-332. Die Quellen u. a. bei BIERBRAUER (wie Anm. 295) S. 160-163. Ebd. S. 161-163. Sie werden mit unterschiedlichen Bewertungen für die Nordausdehnung des Ostgotenreiches benutzt: vgl BIERBRAUER (wie Anm. 321) und zuletzt WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 315 ff. Literatur bei BIERBRAUER (wie Anm. 295) S. 161 ff. BIERBRAUER (wie Anm. 290) S. 125 f.; Nachtrag: DERS. (wie Anm. 285).
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goten aus ihren alten Stammessitzen bzw. mit ihrer Aufnahme im römischen Reich durch Kaiser Valens; nun vollends im Blickpunkt des Imperiums als Reichsangehörige mit jeweils neuen föedera und wechselnden Landzuweisungen und mit im reinsten Wortsinne verheerenden Folgen für das Ostreich (bis 401) und das Westreich (bis 418), ist die Geschichte der 42jährigen westgotischen Wanderzeit detailliert erzählbar326. Selbst in Grundzügen braucht diese hier nicht memoriert zu werden, da für sie — vielleicht mit einer Ausnahme — keine positive archäologische Evidenz erweisbar ist. Dieser Negativbefund ist nicht verwunderlich, da es nirgendwo zu einer länger andauernden 'Siedeltätigkeit' kam; die mit Abstand längste Verweildauer sind jene neun Jahre nach atmfoedus von 382 im Norden der Diözesen Dacia und Thracia, also im heutigen Nordbulgarien, alles andere ist Mobilität, sind Wander- und vor allem Plünderungszüge. Angesichts dieser Konstellation scheidet die Anlage von längerfristig benützten Nekropolen aus; aber auch dies ist Vermutung, da die Grabsitte der Vesigoten nach 375 unbekannt ist. Auch sie können Ende des 4. und im 5. Jahrhundert — wie andere Ostgermanen, so auch die Ostrogothen — nur Angehörige ihrer Oberschicht mit 'Beigaben* in Einzelgräbern und kleinen separierten Grabgruppen beigesetzt haben; ihre Auffindung wäre wegen der hohen Mobilität reiner Zufall, und auch dann wäre es sehr die Frage, ob solche (Frauen-)Gräber angesichts der oben beschriebenen Internationalität ostgermanischen Fundstoffs (S. 137 ff.) ethnisch-stammesbezogen interpretierbar wären. Ein solcher Zufall ist das Frauengrab von Villafontana bei Verona, das leider ohne Kenntnis der Fundumstände bereits 1888 entdeckt wurde327; erhalten ist ein Silberblechfibelpaar, kennzeichnend für die ostgermanische Tracht und Frauengräber der Stufe Dl (etwa 370/380-400/410)328. Das möglicherweise nicht vollständige Inventar ist zugleich der älteste (ost-)germanische Grabfund in Italien329. Deswegen und wegen seiner Zeitstellung kann die aus dem Donauraum (oder auch von der Schwarzmeerküste) stammende und in Italien fremde Dame interdisziplinär mit den Migrationen der Alarich-Goteri zwischen 401 und 402 oder 408-410/412, so auch in Oberitalien330, zusammenhangen; gesichert ist dies nicht. 2. Westgoten im tolosanischen Reich (418—507) Wie die 40jährige Migrationszeit ist auch die Geschichte des tolosanischen Reiches, des bedeutendsten 'Nachfolgestaates' des weströmischen Reiches im 5. Jahrhunden, in fast allen wesentlichen Bereichen durch Schrift quellen gut bekannt, vor allem seine politische Geschichte, das Verhältnis der Goten zur romanischen Bevölkerungsmehrheit und die Etappen seiner territorialen Erweiterungen331; unter Eurich *> WOLFÄAW (wie Anm. 1) S. 125-177. *** \touc*R BitRBRAULÄ, Das wtstgoüschc Fibdpaar von VülÄJfontana, in; OTTO VON HESSEN; l Ritrovamcna barbana neue coüeziüm civiche vcroncsi dd Mu$co di CastcUvecchio, Verona 1968, S. 75-82; zuletzt DEKV (wie Anm. 285). 126 BftwsRAüEK (wie Anm. 185) & 569 ff. w ' BiEKURAUi* (wie Anro. 285). JV ' Vfou-ftAM (wie Anm. 1} S. 158 ft 351 WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 8-248; DftrwcH Cuaurt» Geschichte 4er Westgoten, Stuttgart u.a. 1971), S. 28-53; Miora. Ruua«e, L'Aquitaine de* WMgoCh» «Ä Arabe», Pfcm 1979.
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(466-484) umfaßte der Gotenstaat fast die gesamte gallische Präfektur mit dem Ziel „einer geschlossenen Patria Gothorum mit der 'nassen Grenze' Loire, Rhone, Durance gegenüber dem übrigen Gallien, mit den Seealpen gegenüber Italien und der offenen iberischen Halbinsel als gotischem Hinterland"332. Weitgehend unklar bleiben jedoch die Zahl der tolosanischen Goten - geschätzt zwischen 100000 und 200000, sehr wahrscheinlich um die 100000 - und die Siedelverhältnisse333. „Die gotischen 'Gäste* hinterließen kaum Spuren in der Sprache und in den Ortsnamen und noch weniger in den archäologischen Funden Aquitaniens."334 Die offenkundigen Probleme der Sprachwissenschaft335 sind nicht Gegenstand dieser Arbeit, wohl aber die archäologische Hinterlassenschaft der Westgoten. Durch die lange Existenz des tolosanischen Westgotenreiches von mehr als drei Generationen sind alle Voraussetzungen zu ihrem archäologischen Nachweis gegeben, sei es durch Einzelgräber und Grabgruppen oder durch große Friedhöfe; die hier Bestatteten müßten - zumindest in der Frühzeit, da noch ohne die Akkulturationsproblematik — in einer völlig anders gearteten romanischen Umwelt ethnisch als germanische Fremdgruppen gut erkennbar sein, auch entfallen Probleme der Feinchronologie bei 90 Jahren. Die archäologische Grundkonstellation wäre somit prinzipiell vergleichbar mit der der Ostgoten in Italien oder mit der im spanischen Westgotenreich (S. 155 ff.). Dennoch kann von einer archäologischen Hinterlassenschaft der tolosanischen Westgoten keine Rede sein; ihr Nachweis ist nicht möglich. Konnte man noch lange Zeit - so wenig wahrscheinlich dies auch war - darauf hoffen, daß der betreffende Fundstoff unerkannt und unpubliziert in südfranzösischen (Provinzial-)Museen lagerte, so ist auch dies nach der Bearbeitung der Merowingerzeit Südwestgalliens nicht mehr möglich336; der Negativbefund ist real. Hieran ändern auch sehr wenige Fundstücke des 5. Jahrhunderts — in der Regel Fibeln — von nur etwa einem halben Dutzend Fundorten nichts337, so etwa drei Fibeln von Herpes und Monsegur338 oder der Streufund eines Kammes der Zeitstufe C3-jung-Dl (etwa 350/360-400/410) aus dem merowingerzeitlichen großen Gräberfeld von La Turraque-Beaucaire-sur-Bai'se (Gers)339. Die eindeutig westgotischen Grabfunde in der Narbonnensis I bzw. in Septimanien - etwa die große Nekropole von Estagel, Dep. Pyrenees-Orientales340 oder 332
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WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 194. Ebd. S. 229 ff. Ebd. S. 229. Ebd. S. 231. EDWARD JAMES, The Merovingian Archaeology of South-West Gaul (British Archeological Reports, Supplementary Series 25) Oxford 1977. KAZANSKI (wie Anm. 2) S. 91-95; JAMES (wie Anm. 336) S. 196. Zuletzt: MICHEL KAZANSKI, La diffusion de la mode danubienne en Gaule (fin du IV* siecle - debut du Vlc siecle): essai d'interpretation historique, in: Antiquites Nationales 21, 1989, S. 59-73, S.-67 Abb. 6,1—2; DERS., A propos de quelques types de fibules ansees de l'epoque des grandes invasions trouvees en Gaule, in: Archeologie Medievale 14, 1984, S. 7-27, S. 27 Taf. 1,7-8. MARY LARRIEUX-BERNARD MARTY-PATRICK PERIN, La necropole merovingienne de La Turraque, Beaucaire-sur-Baise (Gers), Toulouse 1985, S. 257-268. RAYMOND LANTIER, Le cimetifcre wisigothique d'Estagel, in: Gallia 1,1,1943, S. 153-188 und 7,1,1949, S. 55-80.
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im Dcp. Herault341 — sind hingegen Zeugnisse aus der Zeit des spanischen Westgotenreiches* zu dem auch Septimanien gehörte342. Dieser Negativbefund ist nach meiner Meinung nicht erklärbar, und der Streit „der Nachkommen über ein mageres Erbe"343 befriedigt bislang keineswegs. Die meist gebrauchte Erkiärungsmöglichkeit, daß die Gräber der eingewanderten Westgoten nicht von denen der Romanen zu unterscheiden seien344, entbehrt jeder methodischen Beweiskraft und ist spekulativ. Stets sind Einwanderer in einer fremden Umgebung, erst recht bei Überschichtungsvorgängen, archäologisch nachweisbar, wobei nur auf die Goten der Kaiserzeit selbst oder auch auf die Langobarden und die Franken in Gallien345 verwiesen zu werden braucht. Genausowenig überzeugt, die Masse der Goten, also das Gotenheer, in den Städten wohnen zu lassen, wo sie dann, früh romanisiert, archäologisch ebenfalls nicht mehr nachweisbar wären346. Es muß bei der Feststellung bleiben, daß weder die landnehmende Gotengeneration des foedits von 418 noch die folgenden Generationen archäologisch nachweisbar sind; Edward James formulierte zutreffend: ,>Ohne historische Quellen könnte kein Archäologe die Ansiedlung der Westgoten in Aquitanien von 418—507 vermuten."347 Dieser seltsame Befund, den ich nicht zu erklären vermag, gerät vollends zum archäologischen Miraculum, wenn man bedenkt, daß die ab Ende des 5. Jahrhunderts in Spanien landnehmenden Goten wiederum archäologisch nachweisbar sind; konkret formuliert bedeutet dies: Man kennt archäologisch die Einwanderergeneration in Spanien mit einer spezifischen Grab- und Beigabensitte, nicht jedoch dieselbe Generation, die aus dem westgotischen Gallien auswanderte, ein wahrhaft einmaliger Befund. Die einzig verbleibende Möglichkeit, diesen Widerspruch aufzulösen, wäre, daß die in Spanien landnehmenden Westgoten in ihrer ersten Generation (noch) 'beigäbenlos' bestattet wurden und dann (erst) zur 'Beigabensitte' übergingen; daß dem nach meiner Meinung nicht so ist, wird im folgenden Abschnitt darzulegen sein. 3. Das spanische Westgotenreich (507-711) Bereits seit 494 und 497, vielleicht schon seit 483, erfolgten nach Angaben in den Schriftquellen die ersten westgotischen Einwanderungen auf die iberische Halbinsel. Zwar war der größte Teil Spaniens mit den Provinzen Tarraconensis, Carthaginensis und Lusitania bereits 469/473 unter gotische Herrschaft geraten, damit D. RouQurrrE, Les parurcs wistgothiques de Matseülan (Herault), in; Revue archeologique de Narbonnaisc 2, 1969, S. 197-205. JAMLS (wie Anm. 336) S. 170f,, 196f£, 247ff. mit Abb. 47 S. 244. Irreführend hierzu die Äußerungen von RJPOU. (wie Anm. 2) S* 85, wo nicht ausreichend zwischen Septimanien der spanischen Westgorenzdt und dem westgotischen Gallien getrennt wird. Wou IUVM (wie Anm- 1) S. 229. Z. B. KAZAK$KJ (wk Antn. 2) S. 92. Langobarden: BfLR&RAUF.R (wie Aam. 284). — Franken: HERMANN AMHNT, Franken und Romanen im Merowingerreich als archäoJogiedbrs Foachu^gsproblcm, in: Bonner Jahrbücher 178,1978, S, 377-394. JAMI.V (wie Anm. 336) S. 198, HuwAüft JAMKS, Les, proUcmcns arch^ologiqucs du »ud-ouest wisigothtque et franc, in: PfjUN (Hg,) (wie Anm. 179} S. 149, - Eine kennzeichnend we&tgtm&che Architektur und SteJnrnetzkun&t gibt es ebenfalls mcht: vjjl. /ulct*t
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scheint aber keine gotische Landnahme verbunden gewesen zu sein348; Gleiches gilt für die militärischen Unternehmungen nach 456349. Diese und politische Oberhoheit einerseits sowie gotische Siedlung andererseits sind strikt zu trennen. Für die Archäologie der Westgoten sind somit die ersten regelrechten Einwanderungen nach Spanien erst in den letzten beiden Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts im interdisziplinären Vergleich als terminus ante quem non von Belang350, die einen weiteren Höhepunkt nach der verlorenen Schlacht der Westgoten gegen die Franken 507 bei Vouille nahe Poitiers erfuhren: Regmtm Tolosanwn destructus est (Chronica Caesaraugustana, a. 507); wegen der unvollständigen Eroberung Aquitaniens durch die Franken erfolgte weiterer Zuzug von in ihrer alten Heimat verbliebenen Goten auch noch bis 53l351. Nur das wirtschaftlich bedeutsame Septimanien mit den Städten Narbonne, Nimes und Carcassonne blieb auch weiterhin Bestandteil des spanischen Westgotenreiches352. Wichtig für den Archäologen ist ferner zu erfahren, was die Schriftquellen über die Siedelgebiete der Westgoten auszusagen vermögen. Die suebischen Siedelgebiete im Nordwesten der iberischen Halbinsel, die erst 585/586 gotisch wurden, und die byzantinischen Eroberungen im Süden und Südwesten ab 522, die erst 570/572 auf einen schmalen Küstenstreifen zurückgedrängt wurden, können ausgeklammert werden, da sie — wie sich zeigen wird - für die Archäologie der Westgoten ohne Belang sind. Wie im tolosanischen Reich kann der Historiker zum Siedelbild nichts Verläßliches beitragen außer dem Hinweis, daß „sich vornehme Goten schon früh in den Städten niederließen" und „daß der westgotische Adel im Land verstreut wohnte, wobei die Umgebung von Cordoba und Merida bevorzugt wurde"353; über die vom Adel getrennte gotische 'Landsiedlung' erfährt man nichts. Auch hier ist — wie in Aquitanien — der Historiker gezwungen, auf die Ortsnamensforschung und die Archäologie zu verweisen. Da aus den 80 germanischen Toponymen von Ernst Gamillscheg mit einer Konzentration ohnehin im Nordwesten der Halbinsel mittlerweile fast keine mehr als gesichert gotisch gelten können, scheidet auch diese Überlieferung weitgehend aus354. Auch über die Zahl der Westgoten läßt sich - wie meist - nur spekulieren, ebenso über die der Romanen355. Ansonsten ist die Geschichte des spanischen Westgotenreiches wegen .einer reichhaltigen Quellenüberlieferung in allen Bereichen sehr gut erforscht: politische Geschichte, Prosoprographie, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Kirchengeschichte und damit zugleich auch das Verhältnis der Westgoten zur Provinzialbevölkerung mit einschließend356; Gleiches gilt für die Kunstgeschichte357. Aus der Fülle des hierzu gesi348
CIAUDE (wie Anm. 331) S. 59; WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 190, 193, 196. ™ CLAUDE (wie Anm. 331) S. 32 ff.; WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 190. 350 Anders RIPOLL, so z. B. (wie Anm. 2) S. 235 (gotische Siedlung in Spanien schon zur Zeit Eurichs). 351 WOLFRAM (wie Anm. 1) S. 246 ff. 352 Ebd. S. 245 ff. 353 CLAUDE (wie Anm. 331) S. 61. 354 GERD KAMPERS, Personengeschichtliche Studien zum Westgotenreich in Spanien, Münster 1979, S. 172176. / 3 *5 CLAUDE (wie Anm. 331) S. 61. 356 Vor allem durch die Arbeiten von D. Claude, E. A. Thompson, K. Schäferdiek, K. F. Stroheker und L. A. Garcia Moreno: vgl. die einschlägigsten Titel nach 1970 (CLAUDE [wie Anm. 331]) bei DE PALOL— RIPOLL (wie Anm. 2) S. 280 ff. 357 SCHLUNK—HAUSCHILD (wie Anm. 298); zuletzt zusammenfassend ACHIM ARBEITER, Aspetti delTarte in Spagna, in: I Goti (wie Anm. 272) S. 328^347.
Archäologie ujfid Geschichte der Goten vom 1.-7. Jahrhundert
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cherten Wissens ist für den archäologischen Kontext nur die Konsolidierung und Erneuerung des Westgotenteiches unter Leowigild (568/569—586) von Bedeutung, der „nicht nur nach außen durch zahlreiche Feldzüge und kluge Diplomatie den Westgoten ihre Machtstellung wiedergab, sondern auch im Inneren eine staatsmännische Tätigkeit entfaltete, die einer Neugründung des Reiches gleichkam"358. Außer in der Unterwerfung des Suevenreiches (585/586) und der Zurückdrängung der Byzantiner im Süden (570-572) äußert sich dies vor allem in drei Punkten: 1. Dies ist zunächst die Umgestaltung des westgotischen Königtums nach imperialen Gesichtspunkten. Die zuvor getragene \vestgotisch-gentile Tracht wird aufgegeben; an ihre Stelle treten nach spätrömisch-byzantinischem Vorbild Königsornat und Thron. Ab 575 werden Goldmünzen mit dem Bild und Namen des jeweiligen westgotischen Herrschers geprägt (oft mit Diadem, Krone oder Helm)359. 578 wird in Innerspanien die Stadt Reccppolis gegründet, benannt nach dem zweiten Sohn Leowigilds Reccared; als erste Stadtgründung eines germanischen Königs sollte sie die Hauptstadt des Reiches werden360. 2. Bei der innenpolitischen Neuordnung wird mit Hilfe der Gesetzgebung zum einen die Sonderstellung der Goten gegenüber den Romanen weitgehend zurückgenommen und zum anderen das Eheverbot zwischen beiden Bevölkerungsgruppen aufgehoben. Die Romanisierung der Goten wird damit genauso nachhaltig gefördert wie 3. durch die konfessionelle Einigung, denn unter Reccared I. (585—601), dem Nachfolger Leowigilds, traten die arianischen Westgoten zur Orthodoxie über361. Der reichhaltigen schriftlichen Überlieferung mit einem vielfaltigen Wissen über die Geschichte der Westgoten in Spanien entspricht eine weitgehend befriedigend zu nennende archäologische Quellenlage, die tragfahige Ergebnisse und s.omit einen interdisziplinären Vergleich ermöglicht. Zwar fehlt nach dem beeindruckenden und in chronologischer wie kulturgeschichtlicher Hinsicht nach wie vor weitgehend zutreffenden Standardwerk von Hans Zeiss von 1934362 eine systematische Neubearbeitung, doch ist durch die Publikation weiterer, Zeiss noch unbekannter Gräberfelder, vor allem der großen Nekropole von Duraton, Prov. Segovia in Kastilien363, dem Archäologen ein ausreichend einsetzbares Arbeitsinstrumentarium an die Hand gege3SÄ 350
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KARL FFULDRICH STROHEKER, Leowigild, 10: Die Welt als Geschichte 5,1939, S. 449, Zuletzt: MIQUEL CRUSAJONT i SABATER, Monete suche e visigote, ini l Goti (wie Anm. 272) S. 348356; G. C. MILES, The coinage of the visigoths of Spain. Leowigild to Achila 11, New York 1962, S. 4346; XAVILR BARRAL i ALTET, La circulation des monnaies sucves et visigothjqucs (Beihefte der Francia 4) München 1976, S. 53 f£ DJETWCH OLAUDE, Studien zu ReccopBs, in; Madrider Mitteilungen 6, 1965, S. 167-194; KLAUS RAI>UATZ, Rcccopoüs, Eine wcst^otbche Stadt in Kasülien, in: Vor- und Frühformen der europäischen Stadt im Mmelahet. Symposium Rcinhattsen 1972, Teil l, Göttingen 1973, S 152-162; zuletzt: LAURO OLMO ENRKO, La ciudad de Recopolis y e! habitat en la zona central e la pcninsola ibcrica dünnte U epoca vjsigoda, in: PfeRiN (Hg.) (wie Anm. 179) S. 71-81. CLAÜDL (wie Anm. 331) S66fC; DIRS., Geotfle und terrhooale Staauidee« im Wcs^tenreich, in: Fri&mJrtelaltefüche Studien 6, 1972, S. 1-38; DEHN., Adel, Kirche und Königtum im Westgotenrcich fVVjrträgc und Ftxr»chuftgen, Stmderband 8) Sigmaringen 1971, S. 55-91. HAN* Zuss, Dtc Grabfunde aus dem &pam*chcn Wcs^otenrekh» Berlin-Leipaiig 1934. 7M Duraton arulcrzt mit der OrigjnalHarran«·; Gfiu> Kt?i:Nio s.v. Duraton, in: Reallcxikon der Gcrmani· »eben Altrmimskunde 6, BcrUn-New York 198$, S. 284-294.
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ben364. Für belegungschronologische Studien ist die Nekropole von Duraton mit 666 Gräbern und mehr als 1000 Bestattungen leider nur teilweise benutzbar, da nur die ersten 291 Gräber mit einem numerierten Gräberfeldplan publiziert sind (Duraton I), die anderen ohne Plan (Duraton II)365; entscheidend ist aber, daß diese wichtige Nekropole durch das Kombinationsverfahren (Vergesellschafrungspfinzip) relativchronologisch dennoch gut auswertbar bleibt. Auf dieser methodischen Grundlage — mit Berücksichtigung weiterer Gräberfelder mit geschlossenen Grabfunden, darunter vor allem Madrona mit 347 Gräbern366 und Carpio de Tajo mit 272 Gräbern367 - läßt sich eine verläßliche relative Chronologie für die archäologische Hinterlassenschaft der spanischen Westgoten entwickeln. Nach der Arbeit von Hans Zeiss und einem Versuch des Verfassers in einem anderen Kontext liegt eine" solche in publizierter Form detailliert begründet jedoch noch nicht vor368. Die auf der Grundlage ihrer unpublizierten Doktorarbeit369 von Gisela Ripoll mehrfach veröffentlichte relative und absolute Chronologie370 ist wegen nur summarischer Begründungen noch nicht ausreichend nachprüfbar; soweit beurteilbar, scheint sie zu grob und nach meiner eigenen Durcharbeitung des spanischen Fundstoffes in Teilen auch nicht richtig zu sein. Im Rahmen dieser Arbeit ist es nicht möglich, die von mir erarbeitete Chronologie vorzulegen371; die entscheidenden Abweichungen zu dem Chronologieschema von G. Ripoll werden - soweit sie für den Kontext dieser Studie relevant sind -*· genannt. Wie oben ausgeführt, sieht sich der Archäologe mit dem absonderlichen Befund konfrontiert, die Abwanderergeneration im tolosanischen Reich in den letzten beiden Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts und der Zeit um 500 nicht zu kennen, wohl aber — nach meiner Meinung - die Einwanderergeneration in Spanien zu dieser Zeit. Ihr Nachweis bereitet prinzipiell, also zunächst in ethnischer Hinsicht, keine Probleme, da sich die Westgoten durch eine kennzeichnende, weil sehr spezifische Grabund Beigabensitte leicht von ihrer romanischen Umwelt unterscheiden lassen und auch von vereinzelt nachweisbarem älterem germanischen Fundstoff in Spanien, der vielleicht mit den militärischen Unternehmungen der Westgoten zusammenhängen 364
GERD KOENIG, Zur Gliederung der Archäologie Hispaniens vom fünften bis siebten Jahrhundert, Magisterarbeit Freiburg 1977 (ungedruckt; 309 Seiten, dazu 24 Seiten Literaturverzeichnis) und zahlreiche Arbeiten von GISELA RIPOLL aus den letzten Jahren: zuletzt mit Nennung ihrer anderen Arbeiten: Materiales funerarios de la Hispania visigoda: problemas de cronologia y tipologia, in: PERIN (Hg.) (wie Anm. 179) S. 111—132. Ihre umfangreiche Doktorarbeit von 1986 ist leider noch ungedruckt, vgl. vorerst den zusammenfassenden Auszug: GISELA RIPOLL LOPEZ, La ocupacion visigoda en epoca romana a traves de sus necropolis (Hispania). Col. leccio deTesis Doctorals Microrfitxades num. 912, Barcelona 1991. 365 ANTONIO MOLINERO PEREZ, Aportaciones de las excavaciones y haUazgos casuales (1941-1959) al Museo Arqueologico de Segovia (Excavaciones Arqueologicas en Espana) Madrid 1971, S. 19-49 mit Taf. 1-61. Unnumerierter Gräberplan bei KOENIG (wie Anm. 363) S. 290 ff. und DERS. (wie Anm. 364) passim. ** KOENIG (wie Anm. 364) S. 49-64. 367 GISELA RIPOLL, La necropolis visigoda de el Carpio de Tajo (Toledo), Madrid 1985. 368 ZEISS (wie Anm. 362); BIERBRAUER, Frühgeschichtliche Akkulturationsprozesse (wie Anm. 298) S. 92 ff. 369 Vgl. Anm. 364. 370 Zuletzt RIPOLL, Materiales funerarios (wie Anm. 364); vgl. auch WOLFGANG HÜBENER, Temoins archeologiques des Wisigoths en Espagne, in: PERIN (Hg.) (wie Anrn. 179) S. 133-139 mit Abb. 1. 371 Diese ist für eine ausführliche Studie in Vorbereitung.
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kann3725 und auch von solchem^ der wahrscheinlich wandalisch ist373. In diesem anders gearteten kulturellen Unifeld werden unvermittelt und fremdartig große Gräberfelder angelegt, in denen die "Verstorbenen in West-östlich ausgerichteten Erdgräbern bestattet werden. Entscheidender ist die 'Beigabensitte*: die Frauen werden in ihrer Tracht beigesetzt, regelhaft bestehend aus einem großen Bronzefibelpaar an beiden Schultern, gelegentlich noch mit einer kleineren dritten Fibel in Brustmitte bzw. unter dem Hals (Armbrustfibel)374 und mit einer großen Gürtelschnalle mit rechteckiger Beschlagplatte im Becken für einen sichtbar getragenen Leibgurt, dazu mit Schmuck aus Perlenkette, Ohrringpaar, Armreifpaar und Fingerring (Fig. 34.1-5; 35.1-4; 36); 'echte' Beigaben in Form von Speise- und Trinkgeschirr fehlen. Die Männergräber sind - von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen — waffenlos; da in der Regel anthropologische Untersuchungen fehlen, sind sie unter jenen Bestattungen zu suchen, die nur eine Schnalle ohne Beschlag, meist mit Schilddorn, für einen schmalen Leibgurt enthalten, gelegentlich dazu noch ein Messer. Diese spezifische Bestattungssitte ist gentil-gotisch, wobei hierfür allein schon der Hinweis auf die Waffenlosigkeit in den Männergräbern und die unterschiedliche 'Beigabensitte' bei Mann und Frau seit dem 1. Jahrhundert im gesamten gotischen Siedel- und Wanderbereichgenügen würde. Hinzu kommt die Zusammensetzung und die Trageweise des Trachtzubehörs bei der Frau, einschließlich der auf den Schmuck reduzierten Grabausstattung, wie sie für die Ostgoten in Italien (und auch für die Krim-Goten) kennzeichnend ist375; ebenso werden — wie in Italien — Adlerfibeln in der Frauentracht getragen376. Bemerkenswert ist auch die enge formenkundliche Abhängigkeit der ältesten Fibeln in Spanien, der Blechfibeln (Fig. 35.1—4), von silbernen Exemplaren in ostgermanischen Frauengräbern des Donaugebietes im 2. Viertel des 5. Jahrhunderts (S. 137£). Da mit Ausnahme der Anlage großer 'Reihengräberfelder' Beigabensitte, Tracht und deren Typen den übrigen germanischen Stammesgebieten zudem völlig fremd sind, bestehen keinerlei Zweifel an der ethnischen Bewertung der so Bestatteten als westgotisch. Die relativchronologische Gliederung von mehreren hundert geschlossenen Grabfunden mit Hilfe des Vergesellschaftungsprinzips (Kombinationsverfahren) ergibt fünf aufeinanderfolgende, mehr oder minder stark miteinander verzahnte Stufen ( — 7)377. Die Stufen l—III sind gekennzeichnet durch die obengenannten gentil-gotischen Merkmale, also durch die Bestattung der Frauen mit Fibelpaar und Gürtel-
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GERD G. KOLKIG, Archäologische Zeugnisse wcstgcmscher Präsenz im 5. Jahrhundert, in: Madrider Mitteilungen 21, 1980, S. 220-247. '~* GERD G. KOENIG, Wandalische Grabfunde des S. und 6, Jhs., in: Madrider Mitteilungen 22, 1981, S. 299-360. **4 So schoa juuo SANTA-OLAUA, Zur Ttagcweise der Bügelfibcl bei den Westgoten, in: Germania 17, 1933, S. 47-50; ferner z. B. BIEKBKAUEK. (wie Anro. 295) S. 136C - Wie die Gräbcrfcldsittc »u erklären ist, ist offen: vgl BUJCBRAUEK (wie Antn. 3) S. 34. *** So schon Zu« (wie Anm. 362) S. 99 f. und WERNER (wie Anro. 293). r6 juuo MAJRTIKEZ SANTA-QLMIA, Wcstgotische Adler6bein aus Spanien, in: Germania 20, 1936, S. 4752; MARIA oa. CARMEN P*4tco FÜRNANDEZ DEL CAMPO. Nucvas fibuln aquiUCormc* del ccntro de E&pana, in: Acts» do U €ongrcs«o NacionaJ de Angueoiogia, Coimbra 1971, S. 535-541. •w V^. Anm. 371.
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Fig. 34 Lage des Trachtzubehöres im westgotischen Gräberfeld von Duraton (Spanien): Gräber 526 (1), 79 (2), 176 (3), 192 (4), 75 (5), 76 (6), 229 (7). Nach KOENIG (wie Anm. 364).
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6 Wc&tgoifcchc* GcübeifcUi vi>o Domtp» in Ka&tüicn (Spanien): Gräber 526(1), 79(2), S25 (3). 5S3 (4), 344/5), 331 (6). Nach MOUNIJSO Pfou* (wie Anra. 36Sj j>a*Äim.
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LA TOREUTICA
VISIGODA
DE
LA
PENIN8ULA IBERICA
8IGLO8
V-VIII.-
Fig. 36 Chronologie-Schema der westgotischen Gräberfelder in Spanien nach G. Ripoll; durch Rasterung ist aus Stufe II der älteste Fundstoff in Spanien hervorgehoben, der als Stufe I zu bezeichnen ist. Nach RIPOLL, Materiales funerarios (wie Anm. 364) S. 120 Abb. 1.
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schnalle; die beiden jüngsten Stufen (IV—V) sind gut erkennbar durch das Fehlen dieses Trachtensembles, an dessen Stelle mediterranes Gürtelzubehör tritt, ferner durch die Frauengräber, die nur noch mit Schmuck ausgestattet sind und — belegungschronologisch nachweisbar — durch die gehäufte Beigabenlosigkeit der Bestattungen"*. Die Stufe I ist eindeutig die älteste, und mit diesen Gräbern setzt auch die Belegung in den westgotischen Nekropolen ein. Es gibt keine gesicherten Anhaltspunkte für eine noch ältere Phase, die kombinationsstatistisch eventuell nicht zu fassen wäre, also dann im wesentlichen aus Grabern bestehen müßte, in denen die Verstorbenen beigabenlos bzw. die Frauen ohne Trachtzubehör bestattet worden wären; Vermutungen in dieser Hinsicht, die wegen der Beigabenlosigkeit der westgotischen Gräber im tolosanischen Reich natürlich bedenkenswert sind, wurden geäußert, so von Gerd Koenig379 und Gisela Ripoll380. Stufe I ist gut erkennbar durch ein dichtes Vergesellschaftungsnetz von Grabfunden, bestehend aus folgenden Typen des Trachtzubehörs: Armbrustfibeln (Bronze und Eisen; Fig. 35.5—6), Bronzeblechfibeln der sog. donauländischen Form, also mit Palmettenblechen um die Bügelenden, Seitenleisten und vogelkopfförmigen Appliken auf der Kopfplatte (Fig. 35.1—4), Gürtelschnallen mit meist geometrisch verzierter Preßblechauflage (Fig. 35.3), der größte Teil der Eisenschnallen mir einem oder mehreren Cabochons (Fig. 35.2.4—6), und Bronzeschnallen mit bestimmten kloisonnierten Beschlagplatten (Fig. 35.1); auch sind schon kleine Scheibenfibeln vertreten. Alle diese Typen sind auch in Stufe II bei Frau Ripoll enthalten (Fig. 36)38t, in die aber auch noch andere Typen integriert sind, vor allem Bügelfibeln jüngerer Typen. Der beschriebene und nach meiner Meinung älteste Fundstoff ist in Fig. 36 durch Rasterung kenntlich gemacht. Der Fundstoff meiner Stufen II—III setzt sich aus den Typen jenes Trachtzubehörs zusammen, das - jünger als meine Stufe I - noch in Stufe II bei Ripoll eingeordnet ist (Fig. 36, nicht gerastert), und aus ihrer Stufe III, wobei in Stufe III .u. a. die kerbschnittverzierten Bügelfibeln einzuordnen sind. Die Zusammensetzung der Stufen 1
* BIERBRAUER, Frühgeschichdiche Akkulcurationsprozesse (wie Anm. 298) S. 94 mit Taf. III-V. "^ KOENIG (wie Anm. 363) S. 289 mit dem reichlich spekulativen Hinweis auf „Beisetzung ohne Tracht, was einige tiefliegende und stratigtaphisch "alte*.Bestattungen ohne Beigaben ,.. vermuten lassen*1 und: „In diesen Horizont gehören aber auch Frauen mit bronzenen Armbrusrübelpaaren (später auch eisernen), kleinen Rechteckbcscblägen und Männer, gegürtet mit Schnallen an 'nierenformigera* Beschlag". Hierzu ist festzustellen: 1. eine der beiden nierenförmigen Schnallen aus Grab 189 ist ohne Beifunde, die zweite ist mit einer Armbrustfibel aus Bronze vergesellschaftet; 2. diese Armbrustfibeln aus Bronze und Eisen sind kombinationsstatistisch voll in Stufe l verankert; 3. Gleiches gilt für die Schnalle mit kleinem kloisonaierten Rechreckbeschlag aus Frauengrab 565 (= Stufe ilJ), das zweite Exemplar aus Grab 286 besitzt keine Bcifunde. Hinzu kommt, daß auch die Belegungschronologie keinerlei Hinweise für diesen Fundstoff vor Stufe I liefert (vgl etwa KDENIG, Abb. (58). *" Der Hinweis bei G. fUrou in ihrer Doktorarbdt auf eine Jfase arcaica*4 ist nicht überprüfbar (wie Anm. 364, S. 5); wegen dieser Phase beginnt das Chronologieschcma auch mit Stufe U (vgl. hier Fig. 36). ** Zum Chronolog»e*chema vgj. RIPOLL, Mateaales runerarios (wie Anm, 364); DIES., Probleme* de Chronologie et de lypoiogjc a propos du mobiler funeraire raspano-wi$jgothique, in: CHRISTIAN LANDES (Hfc), Gaule merovingicnnc et monde mcdiicrranecn. Actes des IX* journ&rs d'Archeologie M£covingknne Latte», Monrpeilkt 1988, S. 10J-l 07; DIL&, Reflexion« «obre ar^ucologia funeraru, artesanos y produdori arustica de b Hit-pania Viiigoda, in: XXIV Corso di cultura suü'artc ravennate e bizantarta, ftax-cana 19^.
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II—III im Sinne des Verfassers kann hier nicht näher erläutert werden382; es mag der Hinweis genügen, daß diese weiterhin durch Bestattungen in gotischer Tracht gekennzeichnet sind. Den Übergang zur Stufe IV markieren u. a. einige wenige Inventare mit jüngeren gegossenen Fibeln, wie sie für die Stufen II-III üblich sind, nun aber bereits vereinzelt mit mediterranen Schnallen (Duraton Gräber 182, 400, 591) als Leitformen der Stufe IV. Absolutchronologisch sind Beginn und Ende der fünf Stufen in Spanien selbst nicht sicher datierbar, da anders als in den merowingischen Stammesgebieten ein Münzspektrum für die westgotischen Gräber in Spanien fehlt; nur zwei Frauengräber enthalten eine Münze: Grab 526 einen Solidus nach Anastasius, geprägt unter Theoderich (durchlocht und eingehängt in eine Perlenkette; Fig£ 35), und Grab 294 einen stempelfrischen Solidus des Anastasius aus der 1. Prägeperiode (491^492). Immerhin ist Grab 526 ein kennzeichnendes Inventar der Stufe I; Gleiches gilt für eine der beiden Bestattungen in Grab 294 mit zwei Armbrustfibeln und einem kloisonnierten Gürtelschloß. Auch belegungschronologisch gehören beide Gräber zu den ältesten Arealen der Nekropole, die sich kreisförmig nach allen Seiten von ihrem nördlichen Mittelteil aus entwickelt383. Sie vermitteln einen terminus ad oder post quem in Stufe I, mehr als Anhaltspunkte sind es aber nicht. Dieses Defizit wird ausgeglichen durch die 'Außendatierung9. Eine große Zahl von spanisch-westgotischem Trachtzubehör (einschließlich Septimaniens) gelangte ins westliche Frankenreich, sicherlich durch Mobilität der Person; meist aus Altgrabungen des letzten Jahrhunderts stammend, also leider regelhaft wegen nicht geschlossener Inventare und auch belegungschronologisch wegen fehlender Gräberfeldpläne zeitlich nicht näher einzuordnen384, kennt man nun Inventare aus modern gegrabenen fränkischen Nekropolen, so z. B. aus Vicq (Yvelines) Grab 76 oder Nouvion-en-Ponthieu (Pas-de-Calais) Grab 140385. Neufunde wie Altstücke stammen meist aus Gräberfeldern westlich der Somme aus dem Gebiet des ehemaligen Syagrius-Reiches, gehören 382
383
384 385
Zu einer weitgehend ähnlichen relativen Chronologie — vor allem zu dem ältesten Fundstoff— gelangte PABLO G. CIEZAR, Seriation de la necropole wisigothique de Duraton (Segovie, Espagne), in: Histoire et Mesures 5, 1990, S. 107-144. BIERBRAUER, Frühgeschichtliche Akkulturationsprozesse (wie Anm. 298) S. 94 f.; KOENIG (wie Anm. 363) S. 289 („zwiebelschalenförmige" Entwicklung). Z. B. ALFRED GÖTZE, Gotische Schnallen, Berlin 1907, S. 20 ff. Vicq: E. SERVAT, Exemple d'exogamie dans la necropole de Vicq (Yvelines), in: Association Frangaise d'Archeologie Merovingienne, Bulletin de Liaison l, 1979, S. 40—46; das große Gürtelschloß ist werkstattgleich mit dem von Grab 445 aus Duraton mit einem Blechfibelpaar der Stufe I. — Nouvion: DANIEL PITON, La necropole de Nouvion-en-Ponthieu (Dossiers Archeologiques, Historiques et Culturels du Nord et du Pas-de-Calais 20) (ohne Ort) 1985, S. 75 mit Taf. 31 (östlich der Somme, auch mit Gräbern des 4./5. Jahrhunderts). — Frenouville Grab 529 (südöstlich von Caen): CHRISTIAN PILET, La necropole de Frenouville (British Archaeological Reports, International Series 83,3) Oxford 1980, Taf. 125 und 141 mit einem spanisch-westgotischen Armbrustfibelpaar vom Typ Estagel aus dem fränkischen Teil der Nekropole. Zu den spanisch-westgotischen Armbrustfibeln des späten 5. und frühen 6. Jahrhunderts im Frankenreich: ScHULZE-DöRLAMM (wie Anm. 298) S. 643-650 und 689. - Zur Kontinuitätsfrage germanischer Nekropolen westlich und östlich der Somme vgl. HORST-WOLFQANG BÖHME, Die Eingliederung des spätrömischen Nordgalliens in das Frankenreich, in: KURT BÖHNER (Hg.), Les relations entre l'empire romain tardif, l'empire franc et ses voisins. Colloque XXX, IXe Congres. Union Internationale des Sciences Prehistoriques et Protohistoriques, Nizza 1976, S. 71-87, bes. Karte Abb. 2.
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also meistens nicht vor die Zeit Chlodwigs; sind sie — wie die Neufunde — datierbar, gehören sie in die Zeit um 500 oder ins frühe 6. Jahrhundert386. Ohne die beiden spanischen Gräber mit Münzen und ohne den gesicherten zeitlichen Bezug des spanisch-westgotischen Trachtzubehörs zum Frankenreich Chlodwigs wäre es leicht möglich, die spanischen Bronzeblechfibeln mit Palmetten, Seitenleisten und vogelförmigen Appliken (Fig. 35) mit formenkundlich weitgehend übereinstimmenden ostgermanischen Silberblechfibeln der Stufe D2b (420/430-430/440) im Donauraum zu verbinden3&7 und sie auch in Spanien entsprechend früh zu datieren. Wie diese bemerkenswerte Abhängigkeit, die nicht zufallig sein kann, zu erklären ist, ist unklar, da man die archäologische Hinterlassenschaft der Westgoten des 5. Jahrhunderts ja nicht kennt. Als Zwischenglieder und Vorlagen kann man allenfalls auf die wenigen Silberblechfibeln der 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts in Spanien verweisen, die vielleicht mit den westgotischen MiUtärunternehmungen zusammenhängen388; diese und auch andere Silberblechfibeln aus etwa zeitgleichen ostgermanischen Grabfunden von Fundorten außerhalb des tolosanischen Reiches389 wurden vermutlich auch von Westgotinnen im tolosanischen Reich des 5. Jahrhunderts getragen, die aber — wie ausgeführt — offenbar regelhaft ohne ihr Trachtzubehör beigesetzt wurden. Stufe l ist in Spanien also die älteste, und mit ihr setzen auch die Gräberfelder ein; einen älteren, mit Blick auf das tolosanische Reich weitgehend durch Beigabenlosigkeit gekennzeichneten Horizont kann ich in der Struktur der Nekropolen belegungschronologisch nicht erkennen390. Die äbsolutchronologischen Anhaltspunkte verweisen auf die Zeit um 500; seit Hans Zeiss ist diese Datierung des ältesten spanisch-westgoti3
*> So z. B. auch Vicq Grab 576 und Nouvion Grab 140; vgl. ferner z. B. Fridingen, Kr. Tuttlingen Grab 139: ALEXANDRA VON SCHNURBEIN, Der alamannische Friedhof bei Fridingen an der Donau, Stuttgart 1987, S. 41 f. Ta£ 31. 367 BIERBRAUER (wie Anm. 185) S. 546 f£ - Dies tut auch CHRISTIAN PILET in: JEAN-YVES MARIN, Attila, les influences danubiennes dam Touest de TEurope au V* siede. Ausstellungskatalog Caen, Caen 1990, S. 94 ff., vor allem am Beispiel des Grabes 359 von Saint-Martin-de-Fontcnay; außer den sicher in die Chlodwig-Zeit datierbaren Analogien berücksichtigt er nicht» daß die Blechfibeln im Donauraum alle aus Silber bestehen, die spanischen und Ins Franken reich gelangten Exemplare hingegen alle aus Bronzeblcch gefertigt sind, gelegentlich mit Silberblechauflage, und: die Gürtelschnallen im Donauraum unterscheiden sich alle von den in Spanien und Frankreich gefundenen Exemplaren. Es ist völlig unmöglich, daß die in Saint-Martin-de-Fontenay oder etwa auch in Vicq/Nouvion Bestatteten aus dem Donauraum des 2. Viertels des 5. Jahrhunderts stammen. Von dort stammen hingegen die ostgermanischen Damen aus den bekannten Grabfunden von Hochfelden bei Straßburg, von Airan im Calvados und aus Ballcurc im Maconnais der 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts, zuletzt abgebildet in MARIN* S. 67 ff. und KAZANSKJ, La difruskm (wie Anm. 337) mit z. T. falschen Bewertungen S. 67 mit Abb. 4,3-10. >** Vgl. oben S 158 f. mit Anm. 372; ähnlich schon ZEISS (wie Anm, 362) S. 99. 169 Z. B. Hochfelden, Airan und Bailcure: vgl Anm. 387. ytn Vgl Anm. 379-380. - Merkwürdig und mir nicht erklärbar ist aber, daß die im tolosanischen Reich noch bis 507 bzw. 531 verbliebenen Westgoten nicht auch - wie ihre Summcsgenosscn südlich der Pyrenäen — diese 'neue* Grabsitte übernommen haben, vgL hierzu EDWARD JAMES, Septimania and its Froniicr: An archaeologjcaJ Approach, im DEK&. (Hg·), Visi#omic Spain; New Approaches, Oxford 198U. S. 236 f.; hieran ändern einige wenige Fundorte kaum etwas, zumal nicht in allen Fällen wegen unsichcxer Bezüge zu dem wcftgotncWpanischen Material und nicht immer rmigUchor Feincbtxmologie Wcstjiotcn nicht gesichert sind: vgL die Fundorte bei JAMES (wie Anm. 336) Karie Abb. 47 und JEANMtCMft LASS,t HI , La necropolc wiiugothiqtte de* Mätricls & Giroussons (T**1*)» * : P£HIN (Hg.) (wie Anm. 179) S. 205*223,
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sehen Fundstoffes unumstritten (Fig. 36)391. Dieser archäologische Befund entspricht voll und ganz dem Bild der Schriftquellen, die westgotische Einwanderungen mit Siedelkonstanz erst ab den letzten beiden Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts erwarten lassen. Stufe I ist also die der Einwanderergeneration. Läßt sich die Stufe I noch einigermaßen gut datieren, so wird dies für die folgenden Stufen II—V zunehmend schwieriger. Die Stufen II-III im Sinne des Verfassers, die teilweise Stufe II und fast gänzlich Stufe III nach Ripoll entsprechen (Fig. 36) und prinzipiell noch überwiegend durch Bestattung in gotischer Tracht gekennzeichnet sind, können in sich nicht absolutchronologisch fixiert werden; erst das Ende von Stufe III mit dem Aufkommen der mediterranen Schnallen mit festem Beschlag - mit und ohne Mittelrippe, durchbrochen und nicht durchbrochen - kann deutlich nach der Mitte des 6. Jahrhunderts angenommen werden, da solche Schnallen nicht vor das letzte Drittel dieses Jahrhunderts datiert werden können392. In diese Zeit bis etwa um die und nach der Mitte des 7. Jahrhunderts sind entsprechend die Stufen IV—V mit weiteren byzantinischen Schnallen typen zu setzen (Fig. 36)393. Nach der Mitte des 6. Jahrhunderts wurden die Westgotinnen also nicht mehr in ihrer national-gotischen Tracht beigesetzt, sondern überwiegend nur noch mit Schmuck oder beigabenlos, deutliche Hinweise auf einen zu dieser Zeit bereits fortgeschrittenen Romanisierungsprozeß (S. 157). Ober die Art und Weise der westgotischen Siedlung in Spanien ist aus den Schriftquellen so gut wie nichts zu erfahren, auch nicht über die Qrtsnamensforschung; gesichert ist nur, daß der Adel getrennt von der Masse der Bevölkerung über das Land verteilt vorwiegend in Städten wohnte. Die Verbreitungskarte der westgotischen Gräberfelder auf der iberischen Halbinsel (Fig. 37) zeigt eine Bindung an Alt- und Neukastilien im Inneren der Halbinsel. Dieses nicht flächendeckende Verbreitungsbild fiel der Forschung seit langem auf und hat sich trotz Neufunden nicht wesentlich verändert394; die Hoffnung von Hans Zeiss, daß „glückliche Entdeckungen diese Lücke [Aragonien, Katalonien] bald ausfüllen"395, hat sich nicht erfüllt, die heute bekannte Verbreitung vermittelt also ein reales Bild. Sie wurde in dieser territorialen Begrenzung stets als auffallend konstatiert, aber nie überzeugend erklärt; gelegentliche Versuche einer ökonomischen Begründung mit dem Hinweis, daß in der kastilischen Meseta die meisten ausgedehnten spätantiken Latifun391 392
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ZEISS (wie Anm. 362) S. 74 ff. mit Abb. S. 81, S. 99 ff. und S. 134 f.; RIPOLL (wie Anm. 364 \ihd 381). . GERHARD FINGERLIN, Eine Schnalle mediterraner Form aus dem Reihengräberfeld Güttingen, Ldkr. Konstanz, in: Badische Fundberichte 23, 1967, S. 159-184; zuletzt: URSULA IBLER, Studien zum Kontinuitätsproblem am Übergang von der Antike zum Mittelalter in Nord- und Westjugoslawien, ungedruckte Dissertation Bonn 1990, vorerst: Dissertationsdruck 1991, S. 136 ff. BIERBRAUER, Frühgeschichtliche Akkulturationsprozesse (wie Anm. 298) S. 95; RIPOLL (wie Anm. 364 und 381). Die hier vorgelegte Verbreitungskarte richtet sich nach KOENIG (wie Anm. 364) Abb. 98 S. 201; sie ist an Fundorten und territorial enger gefaßt als die nach de Palol (1966) immer wieder abgedruckte Verbreitungskarte, die auch einige wenige Fundorte in Südspanien enthält: zuletzt RIPOLL (wie Anm. 2) Abb. 60 S. 236. Diese Karte ist ethnisch weniger verläßlich, da sie auf der Kartierung von Einzelmerkmalen (z. B. Gürtelschnallen) beruht, ohne den Gesamtkontext einer gesicherten westgotischen Nekropole zu berücksichtigen; aber auch sie ändert an dem nicht flächendeckenden Verbreitungsbild nur sehr wenig. ZEISS (wie Anm. 362) S. 96.
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dien liegen, boten erste Erklärungsansätze, nicht aber strategische Überlegungen (gegenüber dem Suebenreich)396. Zielführend können zwei Beobachtungen sein: 1. Die soziologische Struktur der Gräber: Von wenigen Ausnahmen abgesehen (z. B. Castiltierra und Daganzo de Arriba)397, fehlen Gräber, die man eindeutig mit einer Oberschicht verbinden darf; die mehreren tausend Bestattungen in den westgotischen Nekropolen sind sehr gleichförmig ausgestattet und vermitteln das Bild einer agrarisch strukturierten 'ländlichen' Bevölkerung. 2. Die Nekropolen liegen ferner bemerkenswerterweise in einem Raum, in dem außer der Hauptstadt Toledo und der westgotischen Gründung Reccopolis sich keine westgotenzeitliche Münzstätte befindet; diese Münzstätten umschließen dagegen als Monetarlandschaft - die Halbinsel flächendeckend - wie ein Kranz den archäologisch bekannten westgotischen Siedelraum in der kastilischen Meseta (Fig. 38)398. Ganz offensichtlich war dieser stärker naturalwirtschaftlich strukturiert als die umliegenden Gebiete, was gut dem Bild einer 'ländlich* strukturierten Bevölkerung entspricht399. Zu diesen beiden Befunden fügen sich nun weiter sehr gut Untersuchungen, die Gerd Koenig in seiner leider ungedruckten Magisterarbeit zur Lage der Gräberfelder (und Siedlungen) in ihrem Naturraum gemacht hat400; es ergibt sich ein aufschlußreicher Befund, der die beiden zuvor gemachten Beobachtungen vertieft und konkretisiert. Die Nekropolen liegen alle in den Randzonen der Meseta, vor allem an den Nordhängen der Sierra Guadarrama in der Grenzzone zwischen semihumider und semiarider Landschaft und somit in einer klimatisch begünstigten Zone, die noch Regenfeldbau zuläßt; diese Randzonen der Meseta weisen erheblich bessere Böden auf als die humiden Gebirgsregionen. Drei natürliche Faktoren sind also maßgeblich: 1. ausreichend qualitätvolle Böden, 2. Klimazonen, die Regenfeldbau ermöglichen, und 3. Klimalandschaften, die den Getreideanbau begünstigten. Diese Interpretation verstärkt wesentlich das Bild einer 'ländlich'-westgotischen Bevölkerung innerhalb der Meseta 396
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Zuletzt GISELA RIPOLL, Characteristicas generales del poblamiento y la arqueologia funeraria visigoda de Hispania, in: Espacio, Tiempo y Forma (Rivista de la Facultad de Geografia e Historia. Prehistoria, Serie 1,2) Madrid 1989, S. 399 ff. Castiltierra: JOACHIM WERNER, Ornamentacion de cuerdar trenzads en la joyeria visigoda del tiempo de la invasiones, in: Actas y memorias de la Sociedad Espaftola de Antropologia, Etnografia y Prehistoria (Corona de Estudios 1) Madrid 1941, S. 347-353; DERS., Die Ausgrabung des westgotischeh Gräberfeldes von Castiltierra (Prov. Segovia) im Jahre 1941, in: Forschungen und Fortschritte 18,1942, S. 108 f.; DERS., Las excavaciones del Seminario de Historia Primitiva del Hombre en 1941, en erCementerio visigodo de Castiltierra (Segovia), in: Cuadernos de Historia Primitiva l, 1946, S. l ff.; L. VAZQUEZ DE PARGA, Ajuares de sepulturas del cementerio visigodo de Castiltierra (1932—1935), in: Memorias de las Museos Arqueologicos Provinciales 16/18, 1955/57, S. 04 f. - Daganzo de Arriba: S. FERNANDEZ GODI'N-J. PEREZ DE BARRADAS, Excavaciones en la necropolis visigoda de Daganzo de Arriba (Madrid), in: Memorias de la Junta Superior de excavaciones y antigüedades 114, 1930. Karte bei PEDRO DE PALOL, Demografia y Arqueologia Hispänicas. Siglos IV—VIII. E,nsayo de cartografia, in: Boletin del Seminario de Estudios de Arte y Arqueologia (Valladolid) 32, 1966, S. 1-55, Karte 11; ganz ähnlich die Verbreitung westgotischer Münzen: BARRAL i ALTET (wie Anm. 359) S. 44. Dieser Befund gewinnt nach den jüngsten Ausführungen an Gewicht, da westgotische Trienten auch. von der „Landbevölkerung" bzw. von „einfachen Leuten" als Münzgeld benutzt wurden (Steuerzahlung, Kauf von Lebensmitteln): DIETRICH CLAUDE, Zur Funktion des Münzgeldes im hispanischen Westgotenreich, in: Münstersche Beiträge zur Antiken Handelsgeschichte 8.2, 1989, S. 32-51; RIPOLL (wie Anm. 2) S. 278. KOENIG (wie Anm. 364) S. 200-205 mit Abb. 98a-b.
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Zentralspaniens, nicht jedoch dessen Begrenzung auf diese, da auch in Teilen Südspaniens ähnliche Bedingungen gegeben sind. Von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen401, sind westgotische Oberschichtgräber nicht vorhanden; der Adel war früh romanisiert und ist wie in Italien vereinzelt noch durch beigabenlose Gräber mit Grabsteinen und Inschriften der Verstorbenen nachweisbar, die teuer sind, so der der Immafritha (Toledo; 579) für drei ?//*//402; in der Meseta fehlen sie. Auch die 'ländliche' Bevölkerung wird im Verlauf des 6. Jahrhunderts romanisiert; erste Anzeichen hierfür sind in den Stufen II—III, in denen noch mehrheitlich gotische .Tracht getragen und in ihr auch bestattet wurde, die Übernahme nichtgotischer, genuin mediterraner Fibeltypen in die Tracht (Scherbenfibeln, Tierfibeln, Kreuzfibeln; Fig. 36), zunächst zusätzlich zu den Bügelfibelpaaren (an den Schultern) als Drittfibel unterhalb des Halses, also noch im Kontext der germanisch-gotischen Tracht (Fig. 34.5), dann aber auch paarweise; ihre Lage einerseits in der Position der Bügelfibeln (Fig. 34.7) deutet vielleicht auf eine ähnliche Funktion hin (Heftfunktion?), andererseits in Brustmitte untereinander auf eine andere Funktion (Schließen eines mantelartigen Umhanges wie in der romanischen Frauentracht — etwa im Sinne der Verdoppelung der Einfibeltrageweise wie im Grab der Arnegunde in Paris-St. Denis?) (Fig. 34.6)403. Trachtgeschichtlich ist die Verwendung dieser Kleinfibeln weitgehend unbekannt404. Die gentil-gotische Tracht (Fig. 34.1-4), die die Gotin gegenüber ihrer Umwelt, sei es in Spanien und anderswo (Exogamie), als solche erkennbar machte, wird nach der Mitte des 6. Jahrhunderts aufgegeben, zumindest wird sie nicht mehr in ihr beigesetzt. Im letzten Drittel des 6. Jahrhunderts lassen sich Westgotinnen, da nur noch mit Schmuck, gelegentlich auch mit mediterranen Schnallentypen (Fig. 36; Stufen IV—V) oder beigabenlos beerdigt, nicht mehr von der einheimisch-romanischen Bevölkerung unterscheiden405. Dieser Prozeß fallt zeitlich sicherlich nicht zufallig zusammen sowohl mit der unter Leowigild noch vor 580 verfugten Aufhebung des Eheverbotes zwischen Westgoten und Romanen als auch mit dem 589 erfolgten Übertritt der arianischen Westgoten zum orthodoxen Bekenntnis der Romanen; beides bereitete einem weiteren schnelleren Zusammenwachsen beider Volksgruppen den Weg, was sich im archäologischen Befund deutlich widerspiegelt. Die Grundlagen für die 'Entgentilisierung', für die Bildung einer Nation auf territorialer Basis waren nun gegeben (gemeinsame Sprache und Konfession, gemeinsames Recht, königliche Herr401
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Daganzo de Arriba mit 35 Gräbern, Westgruppe (Gräber l, l (M 2): u. a. mit Waffenbeigabe und Bronzegeschirr, und Castiltierra Grab 211 mit Waffenbeigabe, silberner Gürtelschnalle und Silberteller. Zuletzt CLAUDE, Gentile und territoriale Staatsideen (wie Anm. 361) S. 12 f. PATRICK PERIN, Pour une revision de la tombe d'Aregonde, epouse de Clotaire Ier, decouverte en 1959 dans la basilique de Saint-Denis, in: Archeologie Medievale 21, 1991, S. 21-50, S. 48 f, Abb. 8-9. Dies gilt sowohl für die Verwendung als Bügelfibelersatz, weil die Exemplare zu klein und fragil sind, als auch aus denselben Gründen für die Lage untereinander in Brustmitte; vielleicht entspricht letztere der Trageweise merowingerzeitlicher Kleinfibeln. Wie bei der Frage nach der Anlage der 'Reihengräberfriedhöfe* in Spanien wäre auch hier zu klären, ob diese Sitte aus dem westfränkischen Gallien übernommen wurde. BIERBRAUER, Frühgeschichtliche Akkulturationsprozesse (wie Anm. 298) S. 94 ff. Zur Kritik an der Bewertung des Gräberfeldes von Duraton durch KOENIG (wie Anm. 363) zu Westgoten und Romanen vgl. vorerst BIERBRAUER (wie Anm. 3) S. 38 Anm. 17; eine nähere Begründung erfolgt in der in Anm. 371 angekündigten Arbeit.
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schaft); entscheidend ist nun weniger die objektive Abstammung, sondern das neue Selbstverständnis der subjektiven Zuordnung. Hispani und Hispania sind dann am Ende des 7. Jahrhunderts vor dem Untergang des Westgotenreiches die neuen Benennungen in den Schriftquellen, die den Abschluß dieses für die gens Gothorwn so bedeutsamen Prozesses kennzeichnen406. 406
CLAUDE, Gentile und territoriale Staatsideen (wie Anm. 361) S. 13 ff.
NACHTRAG Nach Abschluß des Manuskriptes erschien die Monographie von RSTSZARD WOL^GIEWICZ, Ceramika kultury wielbarskiej migdzy Baltykiem a Morzem Czarnym, Die Tongefalße der Wielbark-Kultur im Raum zxwschen Ostsee und Schwarzem Meer, Szczecin 1993.