Anmerkungen zu Daniel Bellingradt, Bernd-Christian Otto: Magical Manuscripts in Early Modern Europe. The Clandestine Trade In Illegal Book Collections. Palgrave Macmillan 2017 Rick-Arne Kollatsch 01.02.2018 Gegenstand der Fallstudie ist eine umfangreiche Sammlung von Magiehandschriften, die zu Anfang des 18. Jahrhunderts im ganzen oder in Teilen anscheinend verkauft werden sollte, sowie ein zugehöriger gedruckter Katalog in Quart, Catalogus rariorum manuscriptorum betitelt, den der mutmaßliche Verkäufer erstellen ließ. Als Glücksfall der Geschichte ist die Sammlung in ihrem Bestand weitgehend erhalten geblieben und wird heute unter der Bezeichnung codices magici („cod. mag.“ ) in der Leipziger Universitätsbibliothek verwahrt. Die Universitätsbibliothek übernahm den Bestand von der Leipziger Stadtbibliothek, die 1832 aus der Leipziger Ratsbibliothek hervorgegangen war. Als weiterer Glücksfall der Geschichte ist ein Aktenvorgang der kursächsischen Bücherkommission in Leipzig mitsamt einem Exemplar eines der seinerzeit gedruckten Verkaufskataloge überliefert. Einer der Autoren stieß im Stadtarchiv Leipzig auf diesen Vorgang – und Vorgang und Katalogexemplar bilden nunmehr den Anlaß zu der Fallstudie. Über die Leipziger Sammlung von Magiehandschriften waren mir bisher folgende historische Nachrichten bekannt: 1. Der Hebraist Johann Christoph Wolf (1683–1739) erwähnt zwei Kataloge der Sammlung, einen älteren in Oktav und einen erweiterten jüngeren, in seiner Bibliotheca Hebraea. Er vermerkt im siebenten, mit De Cabala Judaeorum überschriebenen Teil des zweiten Bandes von 1721: So erinnere ich mich, vor nicht so vielen Jahren einen von dem Augsburger Buchhändler Kühtze auf halbem Bogen in Oktav herausgegebenen Katalog lateinischer, italienischer und deutscher magischer und kabbalistischer Handschriften gesehen zu haben, der 117 Schriften darbot und wenig später um 21 Schriften vermehrt neu gedruckt wurde. Den 117 Kodizes schrieb man einen Wert von 5.000 Gulden zu.1
Entweder sind die Zahlen von 117 sowie 21 zusätzlichen Schriften, um die der Neudruck erweitert gewesen sein soll, Druckfehler oder ein Versehen Wolfs. Denn tatsächlich umfaßt der von dem Augsburger Buchhändler Kühtze herausgegebene ältere Katalog 119 Schriften, nämlich 117 durchnumerierte magische Handschriften und zwei antitrinitarische Texte, deren Inhalt Michael Servetus zugeschrieben ist und die keine Numerierung haben. Der Neudruck im Quartformat, den die Autoren mit ihrer Fallstudie behandeln, führt dagegen 23 zusätzliche Magiehandschriften auf, umfaßt jedoch insgesamt nur 140 Titel, weil die beiden antitrinitarischen Texte entfallen sind. Ein Exemplar des älteren Handschriftenkataloges lag dem Hebraisten Wolf vor; es hat sich im Bestand der Staats- und Universitätsbibliothek 1
Johann Christoph Wolf: BIBLIOTHECAE HEBRAEAE PARS II. Hamburg 1721, S. 1216: „Sic memini, ante annos non ita multos me videre catalogum mss. magicorum & cabbalisticorum Latinorum, Italicorum & Germanicorum dimidia plagula in 8. a Kühtzio, bibliopola Augustano, editum, ac 117. volumina exhibentem, & paulo post 21. voluminibus auctiorem recusum. Codicibus illis 117. pretium 5000. florenorum dictum erat.“
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Hamburg erhalten.2 Der Handschriftenkatalog findet darüber hinaus in dem 1733 erschienenen dritten Band der Bibliotheca Hebrea mehrfach Erwähnung, ohne daß Wolf hier eine Unterscheidung zwischen älterem und jüngerem Katalog vornimmt. 2. Der Büchersammler Zacharias Conrad von Uffenbach (1683–1734) nennt in einem Brief den älteren Katalog von 117 Magiehandschriften („ejusmodi librorum Indicem plus centum complectentem“ ). Uffenbachs Briefe wurden nach seinem Tod von dem Theologen Johann Georg Schelhorn (1694–1773) herausgegeben.3 Schelhorn ergänzte die Briefstelle, die den Katalog erwähnt, durch eine Fußnote 4, in der er mitteilt, Uffenbach habe von Heinrich Wilhelm Marschalch (seine Person ist im Zusammenhang mit der aufkommenden Freimaurerei schemenhaft bekannt) einen Katalog von 140 Magieschriften („index [...] libros magicos quadraginta plus centum complectens“ ) zugesandt erhalten; Schelhorn zitiert aus dem deutschen Brief Marschalchs, daß ein Leipziger Arzt mittels des Kataloges versucht haben soll, seine Sammlung von Magieschriften zu verkaufen; der Buchhändler, der den Katalog vertrieb („debitierte“ ), soll von einem „D. Loescher“ („D.“ ist eine in der frühen Neuzeit nicht nur bei Theologen übliche Abkürzung für „Doktor“; Löscher freilich war Theologe, zu ihm unten mehr) angezeigt worden sein. Der Katalog sei von den „Gerichten“ konfisziert worden, der Besitzer der Sammlung soll aber rechtzeitig von der Behördenaktion erfahren haben, und so sei ihm gelungen, die Sammlung in Sicherheit zu bringen. Bald darauf aber soll der Besitzer gestorben sein und die Magiehandschriften der Leipziger Ratsbibliothek vermacht haben. Schelhorn führt in der Fußnote darüber hinaus einen späteren Druck des jüngeren Kataloges an, und zwar 3. einen Nachdruck, den der Buchhändler und Verleger Friedrich Roth-Scholtz (1687–1736) unter dem Titel CatalogVs rariorVm LIBRORVM ET manVscriptorVm MAGICOCABBALISTICO-CHEMICORVM aus buchkundlichem Interesse veranlaßte.5 Roth-Scholtz steuerte dem Nachdruck eine Vorrede bei, in der er anmerkt, Besitzer der Handschriften sei der Leipziger Arzt Samuel Schröer 6 gewesen; Schröer habe den Katalog 1710 in Großquart zu Verkaufszwecken drucken lassen, und er selbst, Roth-Scholtz, habe die Handschriften bei Schröer des öfteren gesehen. Ob die Handschriften nach Schröers Tode in die Kurfürstlich-Sächsische Bibliothek (in Dresden) gelangten, wie behauptet werde, wisse er, RothScholtz, nicht zu sagen.7 Nummer 2 und 3 dieser historischen Nachrichten sind gleichfalls den Autoren der Fallstudie bekannt, und sie fügen ihnen mit dem Aktenvorgang der Leipziger Bücherkommission und dem aufgefundenen Catalogus rariorum manuscriptorum in Quart historische
Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Sup. ep. 4° 6, fol. 208r–211v Johann Georg Schelhorn (Hrsg.): Commercii Epistolaris Vffenbachiani Selecta. Fünf Teile. Ulm und Memmingen 1753–1756 4 ebd. PARS I., S. 184–186 5 als Anhang zu Friedrich Roth-Scholtz: VETERVM SOPHORVM SIGILLA ET IMAGINES MAGICÆ. Herrnstadt 1732 6 Nach dem Zedler wurde Samuel Schröer 1669 in Bautzen geboren, 1694 in Erfurt promoviert, dozierte in Leipzig und starb dort 1716 (Groſſes vollstÇndiges UNIVERSAL LEXICON aller Wiſſenschafften und KÍnſte. Band 35. Leipzig und Halle 1743, Sp. 1233) 7 CatalogVs rariorVm LIBRORVM ET manVscriptorVm MAGICO-CABBALISTICO-CHEMICORVM, S. 2. (Der Katalog hat eigene Pagina.) In: Roth-Scholtz: VETERVM SOPHORVM SIGILLA ET IMAGINES MAGICÆ 2
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Zeugnisse hinzu, die helfen, den Gehalt der oben angeführten Nachrichten zu überprüfen und einzuordnen. Man kann den Autoren zu dem Fund nur gratulieren – um so mehr ist es schade, daß die Fallstudie nicht das leistet, was sie hätte leisten können. Ich referiere zunächst den Aktenvorgang der Leipziger Bücherkommission: 8 Mit Schreiben vom 16. November 1714 9 wandte sich das Dresdner Oberkonsistorium an die Bücherkommission in Leipzig und teilte ihr mit, man habe erfahren, bei dem Leipziger Buchhändler Martini würden Magiehandschriften, die ein dem Schreiben beigelegter Katalog 10 aufführe, zum Verkauf angeboten; das Oberkonsistorium forderte die Kommission auf, den Buchhändler zu der Angelegenheit zu vernehmen und sowohl die magischen Handschriften als auch allfällig noch vorhandene Verkaufskataloge zu konfiszieren und zum Oberkonsistorium nach Dresden zu übersenden.11 Am 19. November vernahm die Bücherkommission die Buchhändler Martini (es gab deren zwei): Der erste, Augustus Martini, stritt ab, etwas mit Sammlung und Katalog zu tun zu haben, der zweite, Johann Christian Martini, räumte ein, er habe den Katalog für einen „guten Freund“ in 100 Exemplaren drucken lassen, wies aber darauf hin, daß der Katalog „vor einigen Jahren“ schon einmal in Augsburg von dem Buchhändler Kühtze gedruckt worden sei; die magischen Handschriften selbst habe er nie gesehen, und von dem Katalog sei kein Exemplar mehr vorhanden. Auf weitere Befragung verriet er auch den Namen des „guten Freundes“, für den er tätig geworden war: der Leipziger Arzt „D. Schröer“ („D.“, wie gesagt, für „Doktor“).12 Zuvor hatte der Buchhändler ferner den Namen des beauftragten Druckers genannt, der dann am 20. November vernommen wurde. Der Drucker bestätigte, den Katalog in 100 Exemplaren vor „wohl schon“ zwei Jahren gedruckt zu haben, betonte jedoch, daß er den Auftrag vor Ablegung seines Buchdruckereides ausgeführt hätte; er sei zudem der Meinung gewesen, schon Gedrucktes dürfe ohne erneute Zensur nachgedruckt werden.13 Die Bücherkommission sandte daraufhin mit Datum vom 20. November einen Bericht über die Vernehmungen an das Oberkonsistorium und bat um weitere Anordnungen.14 Am 22. November legte man den Vorgang ab. Konfisziert wurde bei der Aktion nichts, weder Handschriften noch Exemplare des Handschriftenkataloges. Dies ist der ganze Vorgang, wie er sich in den Akten der Leipziger Bücherkommission findet. Ich referierte ihn nach den Originalakten, denn in der Fallstudie der beiden Autoren sucht man nach einer zutreffenden Darstellung des Vorganges, der doch eigentlich Kern ihres Falles ist, vergebens. In den Akten liegen folglich nicht mehr als nur das Schreiben des Oberkonsistoriums samt mitgeschicktem Handschriftenkatalog, das Protokoll der Vernehmungen sowie der Entwurf des Berichts der Bücherkommission an das Oberkonsistorium vor. Obwohl der Vorgang schmal ist, hat er alle Zutaten für eine Fallstudie, die womöglich aufschlußreich hätte werden können. 10 11
Stadtarchiv Leipzig, Tit. XLVI Nr. 152, Vol. IV ebd. fol. 46r–46v ebd. fol. 47r–48v Das Oberkonsistorium war eine Behörde, die für den sächsischen Landesherrn das Kirchenregiment wahrnahm und ferner Zuständigkeit für das Schulwesen und für Zensurangelegenheiten hatte; die Bücherkommission in Leipzig war dem Oberkonsistorium unterstellt. 12 Stadtarchiv Leipzig, Tit. XLVI Nr. 152, Vol. IV, fol. 49r–49v 13 ebd. fol. 49v–50r 14 Ebd. fol. 51r–51v; fol. 50v ist leer. 8
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Den ersten Teil ihrer Arbeit gliedern die Autoren in fünf Kapitel: zunächst eine Einführung (S. 1–3), dann drei Kapitel, die unter den Schlagworten „Außergewöhnlichkeit“ (S. 5–28), „Seltenheit“ (S. 29–45) und „Illegalität“ (S. 47–66) stehen, und schließlich ein Fazit (S. 67–71). Unter die genannten Schlagworte suchen die Autoren nun die Leipziger Sammlung zu subsumieren. So sei sie zum Beispiel deswegen außergewöhnlich, weil sie eine äußerst umfängliche Sammlung größtenteils deutscher Magieschriften vom Beginn des 18. Jahrhunderts sei (mit zahlreichen Übersetzungen aus dem Lateinischen), weil sie sich nahezu vollständig erhalten habe und weil zu der Sammlung ein historischer Verkaufskatalog existiere. Man kann den Autoren zu den drei Punkten grundsätzlich recht geben; ich erlaube mir jedoch anzumerken, daß mir die einzelnen Magiehandschriften der Sammlung für sich so außergewöhnlich nicht erscheinen. Aus der großen Anzahl deutscher Handschriften in der Sammlung leiten die Autoren ab, die „Demokratisierung“ und „Popularisierung“ frühneuzeitlicher gelehrter Magie und ihr Übergang in die deutsche „Volkskultur“ (ich verstehe das Wort „deutsch“ als Sprachbezeichnung) könne früher stattgefunden haben, als es der Ansicht von Volkskundlern entspreche, die eine solche „Popularisierung“ erst für das 18. und 19. Jahrhundert ansetzten (S. 13–14). Ich bin mir nicht sicher, ob die Leipziger Sammlung diese Ansicht wirklich in Frage zu stellen vermag. Die deutsche Sprache spielte in magischer Literatur des 17. Jahrhunderts eine Rolle – diese Beobachtung dürfte nicht neu sein. Die deutsche Sprache war auf dem Wege zur Literatursprache, und dies auch anscheinend auch auf dem Gebiet der magischen Literatur. Nur darf man meines Erachtens die „Verdeutschung der Magie“ nicht kurzerhand mit ihrer „Demokratisierung“ und „Popularisierung“ (beide Begriffe sind nach meinem Dafürhalten von den Autoren, auch wenn sie sie mit Gänsefüßchen versehen, unglücklich gewählt, aber man versteht, was gemeint ist) in eins setzen; daß jemand, weil er „gebildet“ war und nicht zum „Volk“ gehörte, in der frühen Neuzeit ausschließlich lateinische Texte las, wäre eine abwegige Vorstellung; daher läßt deutsche Textsprache durchaus keinen Schluß auf den Rezipientenkreis zu. Die Autoren selbst geben einen Hinweis, wer durch sein Vorbild Anstoß für die „Verdeutschung“ der Magieliteratur gegeben haben könnte: Paracelsus (S. 22, Endnote 73). Der mutmaßliche Besitzer der Leipziger Handschriftensammlung jedenfalls, der Arzt Schröer, hätte seine Texte ohne weiteres auf Latein lesen können, trotzdem überwiegen die deutschen Handschriften in seiner Sammlung bei weitem. Freilich sind Feststellungen, wie sie der von den Autoren angeführte Volkskundler Bachter (S. 12) in Berufung auf Daxelmüller seiner Anleitung zum Aberglauben zugrunde legt, wonach sich im Mittelalter und der frühen Neuzeit [...] Ritualanweisungen [...] [nur] nachweisen lassen, die mit präzisen Angaben zur Dämonenevokation auch in die Nähe der magia daemoniaca geraten, [...] [soweit] sie in lateinischer Sprache mit griechischen, hebräischen und aramäischen Einschüben verfaßt
seien,15 in dieser Ausschließlichkeit in der Tat verfehlt. Ein bezeichnender Gegenbeleg ist Des Juden Abraham von Worms Buch der wahren Praktik von der alten Magie, das ich in Kürze in einer kritischen Edition herausgebe; sein Text entstand zwischen 1595/96 und mutmaßlich 1610, ist originär auf deutsch verfaßt und stellt in meinen Augen einen der gelungensten ma Christoph Daxelmüller: Die Erfindung des zaubernden Volkes. In: Jahrbuch für Volkskunde. NF 19 (1996), S. 75; zitiert bei Stephan Bachter: Anleitung zum Aberglauben. Hamburg 2005, S. 30
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gischen Texte der frühen Neuzeit überhaupt dar.16 Ein bezeichnender Gegenbeleg ist dieser Text deshalb, weil er sich in der Fiktion an nahezu alle Personen, faktisch aber an vermögende Personen wendet – nur sie sind in der Lage, die nötige Auszeit von ihrem Erwerbsgeschäft zu nehmen, um sich der anderthalbjährigen Magierinitiation zu unterziehen –, und zugleich denjenigen von ihnen, die kein Hebräisch beherrschen, ans Herz legt, bei dem Ritual ihre Muttersprache zu gebrauchen. Man muß bei solcherlei Fiktionen indes beachten, daß sie auch funktional sind: Der oder die Verfasser des Textes mögen schon allein deshalb zur Muttersprache geraten haben, weil sie selbst des Hebräischen nicht mächtig waren; die gleichwohl in dem Text zahlreich vorkommenden hebräischen Zauberwörter entnahmen sie der Palthenischen Ausgabe von Heinrich Decimators Sylva vocabulorum von 1595/96 17, was sich an den Druck- und sachlichen Fehlern erweist, die sie als Sprachunkundige kritiklos übernahmen. Die „Verdeutschung“ magischer Literatur ist meines Erachtens kein zwingender Beleg ihrer „Demokratisierung“ und „Popularisierung“ im 17. Jahrhundert, sie wird aber die Voraussetzung für diese Vorgänge im 18. und 19. Jahrhundert gewesen sein. Man sollte auch erwägen, ob das Vordringen des Deutschen in der magischen Literatur womöglich weniger mit dem Rezipienten- als vielmehr mit dem Produzentenkreis zu tun haben könnte. Die Autoren der Fallstudie lassen jedenfalls außer acht, wenn sie die Ansicht Bachters, Daxelmüllers und anderer Volkskundler zu erschüttern versuchen, was sie an anderer Stelle stets betonen: die horrenden Preise, die für Magiehandschriften zu bezahlen waren und die einer „Popularisierung“ wirksam im Wege gestanden haben sollten. Eine „Popularisierung“ konnte vermutlich erst eintreten, als die Handschriften im aufgeklärten Geist der Zeit bei denjenigen, für die sie ursprünglich produziert waren, ihren Wert verloren und mehr und mehr Magieschriften auch gedruckt vorlagen; das aber geschah erst mit dem 18. Jahrhundert. Während das Kapitel, das unter dem Schlagwort „Außergewöhnlichkeit“ steht, noch unmittelbar auf die Leipziger Sammlung Bezug nimmt, verliert sich dieser in den beiden Folgekapiteln. Was die beiden Autoren hier ausführen, ziehen sie nach meinem Eindruck vor allem aus Sekundärliteratur und ließe sich ebenso zu jeder beliebigen anderen Sammlung solcher Schriften oder auch zu jeder beliebigen einzelnen magischen Handschrift der frühen Neuzeit anbringen. Besonders unbestimmt verbleiben die Ausführungen in dem Kapitel, das der „Illegalität“ gewidmet ist; es gelingt den Autoren nicht zu umreißen, was in der frühen Neuzeit denn nun an magischer Literatur im allgemeinen und an der Leipziger Sammlung im besonderen „illegal“ war. Man kennt heutzutage verschiedene Aspekte oder Grade der „Illegalität“: Allein der Besitz von Kinderpornographie – mir fällt auf Anhieb leider kein anderes Beispiel ein – ist strafbar, bestimmte Drogen darf man besitzen und konsumieren, aber nicht herstellen oder verkaufen, andere Drogen darf man besitzen, konsumieren, herstellen und verkaufen, aber teilweise keine Werbung dafür machen, auch darf man sie nicht Kindern und Jugendlichen verkaufen usw. Wo waren in einem vergleichbaren Spektrum in der frühen Neuzeit Besitz, Lektüre, praktischer Gebrauch, Herstellung, Vervielfältigung und öffentlicher
Harold Jantz’ Hypothese von einem lateinischen Original des Buches der wahren Praktik, die er in Geschichte und Fiktion. Einige pseudohistorische Werke des 17. Jahrhunderts. In: Daphnis. Heft 12. Amsterdam 1983, S. 73–86 vertritt, beruht auf der Fehldeutung einer historischen Quelle und ist unbegründet. 17 Zacharias Palthenius (Hrsg.): SYLVÆ QVINQVELINGVIS VOCABVLORVM ET PHRASIVM. PARS PRIMA und PARTIS I. PARS II. Frankfurt in zwei identischen Ausgaben 1595 und 1596 16
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oder privater Verkauf magischer Literatur einzuordnen? Der bloße private Besitz magischer Literatur ließ Behörden offensichtlich nicht tätig werden, zumindest wenn Besitzer war, wer dem Gelehrtenstand angehörte. Man hielt ja durchaus nicht hinter dem Berg, daß man magische Handschriften zu seiner Bibliothek zählte, und anders läßt sich womöglich auch nicht erklären, daß die Behörden den Leipziger Arzt Schröer in dem Fall, den die Autoren behandeln, unbehelligt ließen, obgleich ihnen klar sein mußte, daß die zu konfiszierenden Magiehandschriften sich bei ihm befanden. Es wäre weiter zu vermuten, daß ein Verkauf von privat zu privat unter Gelehrten gleichfalls keine Behörde zum Handeln veranlaßt hätte, wäre er ruchbar geworden. Mutmaßlich rief die Behörden in dem vorliegenden Fall allein auf den Plan, daß aus Sicht des Dresdner Oberkonsistoriums bei dem Buchhändler Martini quasi-öffentlich Magiehandschriften zum Verkauf standen und noch dazu mit dem Katalog Werbemittel eingesetzt wurden. Als dann durch die Vernehmungen der Leipziger Bücherkommission klar wurde, daß die Dresdner Sicht nicht zutraf (und Werbemittel nicht mehr aufzufinden waren), konnte man die Causa zu den Akten legen. In der Fallstudie erhält man auf die Frage nach der Illegalität magischer Literatur in der frühen Neuzeit jedenfalls keine rechte Antwort, weder im allgemeinen noch im besonderen in bezug auf die Leipziger Sammlung. Nach den Autoren soll sich die Illegalität magischer Literatur aus der behördlichen Qualifizierung als „heikel“ und „gefährlich“ herleiten (S. 49).18 Nun hilft dieses Kriterium im Konkreten nicht weiter, denn es wäre nur notwendiger, aber offenbar nicht hinreichender Anlaß für behördliches Handeln gewesen: Die Leipziger Bücherkommission nahm, wie gesagt, anscheinend durchaus keinen Anstoß daran, daß der Arzt Schröer „heikle“ und „gefährliche“ Handschriften besaß. Doch zu den Punkten der Fallstudie, die einer Richtigstellung und Ergänzung bedürfen: Den Autoren ist unbekannt, daß es außer dem Katalog, von dem sie ein Exemplar in den Akten der Leipziger Bücherkommission auffanden, einen weiteren, und zwar älteren gedruckten Katalog der Leipziger Sammlung gab. Führt der von ihnen aufgefundene Katalog 140 Magietitel auf, so sind es in dem älteren nur 117. Daß die Autoren von der Erwähnung beider Kataloge in Wolfs Bibliotheca Hebraea nichts wissen, ist verzeihlich, man kann nicht jeden Text gelesen haben – unverständlich ist aber, daß sie dennoch einen handschriftlichen Katalog, den Wolf selbst abschrieb, in ihrer Fallstudie anführen (S. 35), sogar die Signatur nennen, unter der diese Abschrift in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg aufbewahrt wird (S. 41, Endnote 47), sich aber offensichtlich die kleine Mühe sparten nachzuschlagen, was der Bibliothekskatalog zu der von ihnen angeführten Abschrift zu berichten hat. Der Hamburger Bibliothekskatalog hätte die Autoren der Fallstudie auch ohne Kenntnis der Bibliotheca Hebraea auf die Spur zu dem älteren Handschriftenkatalog geführt; so aber bleibt ihnen dessen Existenz verborgen. Der Fall zeigt sich mit zwei verschiedenen Handschriftenkatalogen mithin schon in seinen Anfängen komplizierter, als es die beiden Autoren erahnen. Der ältere Katalog setzt die Aussagen des Buchhändlers und des Druckers vor der Leipziger Bücherkommission ins Zwielicht, sie hätten nur einen bloßen Nachdruck des Kühtzeschen Kataloges angefertigt; einige Divergenzen in der historischen Überlieferung – die verschieden angegebenen Anzahlen der Magiehandschriften in Uffenbachs Brief und Schelhorns Fußnote,19 Bei den Autoren lauten die Begriffe „delicate“ und „harmful“. Sie übernehmen sie aus deutscher Sekundärliteratur; ich weiß nicht, wie sie dort original lauten. 19 einerseits „mehr als hundert“, andererseits „140“ 18
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die jeweils verschiedenen Summen, die der Verkäufer laut Uffenbachs Brief und Marschalchs Brief für die Handschriften angeblich verlangte,20 sowie die wechselnde Numerierungsweise auf den Titelblättern der Handschriften 21 – erhellen sich erst bei Kenntnis des älteren sowohl als des jüngeren Handschriftenkataloges. Die Autoren arbeiten den Fall in ihrer Studie letztlich nur an, denn sie versäumen, weitere Spuren zu verfolgen, die eigentlich auf der Hand liegen. Auf S. 53 spekulieren sie, die versuchte Konfiskation von Handschriften und Katalog sei von dem Dresdner Hof, ja „alarmierten“ Ministern ausgegangen, und der Kurfürst (der zu der Zeit zugleich König von Polen war) habe die Maßnahme am Ende gegenüber der Leipziger Bücherkommission angewiesen. Natürlich kann man nicht ausschließen, daß ein Minister oder gar der Kurfürst selbst von der Anordnung des Oberkonsistoriums unmittelbar in Kenntnis war. Die Spekulation über die Beteiligung von Hof, Ministern und Kurfürst geht, so muß man annehmen, darauf zurück, daß die Autoren den Briefkopf des Schreibens vom 16. November 1714, das an die Bücherkommission ging, hinsichtlich des Absenders verkennen – sie halten es für ein Schreiben des Kurfürsten (S. 57, Endnote 39) –, weil sie anscheinend die Unterschrift nicht entziffern oder zuordnen konnten. Zwar beginnt das Schreiben mit „Von GOTTES Gnaden, Friedrich Auguſtus, König in Pohlen [...]“, doch war das Oberkonsistorium die Behörde, die für den Kurfürsten das Kirchenregiment wahrnahm – der „Briefkopf“ gibt also nur wortwörtlich an, in welchem Namen das Oberkonsistorium handelte. Unterzeichnet ist das Schreiben von Johann Georg von Ponickau (1669–1725), der seit 1713 Oberkonsistorialpräsident war.22 Auch daß der Bericht der Bücherkommission mit „Allerdurchlauchtigſter pp Als E[uer] Kön[igliche] Mai[estä]t und Churf[ürstliche] D[urchlaucht] [...]“ anhebt, heißt nicht zwingend, die Kommission hätte den Kurfürsten direkt angeschrieben, vielmehr nimmt dieser Beginn lediglich den „Briefkopf“ des Oberkonsistoriums wieder auf. Da die Autoren der Fallstudie das Schreiben des Oberkonsistoriums nicht als Schreiben des Oberkonsistoriums erkennen, unterlassen sie, beim Sächsischen Staatsarchiv die erforderliche Akteneinsicht vorzunehmen, die sich bei der Bearbeitung des Falles an dieser Stelle hätte anschließen müssen; im Sächsischen Staatsarchiv in Dresden werden die historischen Akten des Oberkonsistoriums verwahrt. Ich weiß nicht, ob sich zu dem Vorgang, den die Autoren in den Akten der Leipziger Bücherkommission vorfanden, ein entsprechender Vorgang in den Akten des Oberkonsistoriums über die Jahrhunderte erhalten hat – eine Nachprüfung wäre es wert, könnte man sich doch definitive Aufklärung darüber erhoffen, wer die Konfiskationsmaßnahme einst angestrengt hatte und weshalb das Verfahren auf den Bericht der Bücherkommission hin allem Anschein nach eingestellt wurde. Doch auch ohne solche Akteneinsicht hätten in der Fallstudie nun die Fragen einsetzen müssen, die für das, was die Autoren behandeln – u. a. die angeführte „Illegalität“ magischer Literatur in der frühen Neuzeit – Antworten erbringen könnten. Wenn die Handschriften in
5.000 Gulden in Uffenbachs Brief (und Wolfs Mitteilung), 4.000 Reichstaler in Marschalchs Brief laut Schelhorn. Der Gulden galt ⅔ Reichstaler, das Verhältnis von ³³³³⁄₄₀₀₀ aber entspricht fast genau dem von ¹¹⁹⁄₁₄₀. 21 Einerseits als „Num. 1.“ bis „Num. 117.“, andererseits als „118.“ bis „140.“ – nur „Num. 119.“ und „Num. 135.“ fallen aus der Reihe. 22 Franz Blanckmeister: Die ſächſiſchen Konſiſtorien. Aus dem Verfaſſungsleben der Landeskirche. In: Aus dem kirchlichen Leben des Sachſenlandes. Kulturbilder aus vier Jahrhunderten. 9/10. Heft. Leipzig 1893, S. 45 20
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Leipzig noch vorhanden waren, so hätte sich die Bücherkommission, wie erwähnt, an fünf Fingern abzählen können, wo sie zu finden wären: bei dem Arzt Schröer. Warum bestellte die Kommission Schröer nicht zur Vernehmung ein? Warum unternahm sie nicht den geringsten Versuch, die womöglich bei ihm noch befindlichen Handschriften zu konfiszieren? Hinderte sie wirklich notorische Unfähigkeit und Ineffektivität, wie die Autoren der Fallstudie insinuieren? Konnten die Vernommenen bei der Kommission vielleicht den Eindruck erwecken, Schröer sei nur der Zuträger des Kataloges gewesen und habe mit den Handschriften selbst gar nichts zu tun? Mußte die Kommission feststellen, daß die Magiehandschriften nicht etwa zum Warenangebot eines Buchhändlers gehörten, wie man anscheinend in Dresden angenommen hatte, sondern sich im Besitz einer Privatperson befanden und hier ihre rechtlichen Befugnisse endeten? Oder kniff sie bloß, weil es nun plötzlich nicht mehr um einen Buchhändler, sondern mit Schröer um ein vermögendes Mitglied der Leipziger „Gesellschaft“ ging? In der Darstellung der ergebnislosen Konfiskationsmaßnahme bringen die Autoren der Fallstudie Angaben aus den historischen Quellen durcheinander: Es war nicht, wie sie schreiben, der Buchhändler August(us) Martini, es war der Buchhändler Johann Christian Martini, der in der Vernehmung bekannte, den Druck des Handschriftenkataloges veranlaßt zu haben; der bei der Vernehmung erwähnte „gute Freund“ war nicht, wie die Autoren unnötig spekulieren, der Augsburger Buchhändler Kühtze, der „gute Freund“ war, wie Protokoll und Bericht festhalten, der Leipziger Arzt Schröer; der Name des Augsburger Buchhändlers ist in dem Protokoll nicht „Küsze“ geschrieben; weder der Buchhändler noch der Drucker geben an, Kühtze habe seinen Katalog 1710 gedruckt – die Jahreszahl kommt in dem Text des Protokolls nicht vor (alles S. 53); überdies ist nicht korrekt, wenn die Autoren behaupten, es seien „wenige Dutzend“ Kataloge konfisziert worden – das Vernehmungsprotokoll und der Bericht an das Oberkonsistorium sagen eindeutig, daß kein Exemplar des Kataloges mehr vorhanden war –, und es trifft nicht zu, daß eines der konfiszierten Exemplare nunmehr dem Aktenvorgang beiliege (S. 58, Endnote 41) – das Katalogexemplar, das sich in dem Vorgang befindet, übersandte vielmehr das Oberkonsistorium an die Bücherkommission. Wie die Jahreszahl „1710“ und die Sache mit dem Katalogexemplar in den Akten zeigt, mengen die Autoren fälschlich Informationen, die sie aus anderen Quellen bezogen, in die Darstellung des Aktenvorganges ein. Die Autoren selbst führen keine umfangreicheren Zitate aus Vernehmungsprotokoll und Bericht der Bücherkommission an; da das Protokoll recht kurz ist, teile ich an dieser Stelle eine Transkription als Auszug aus dem Aktenvorgang mit: Den 19. Novembris 1714. Auguſtus Martini, Bürger und Buchhändler p 23 Erſchien auf erfordern und ſagte auf befragen, er habe die in dem vorgezeigten Catalogo benante MScripta nicht, auch den Catalogum nicht drucken laßen. eod.24 Joh. Christian Martini, Bürger und Buchhändler Erſchien auf ebenmäßiges erfordern und ſagte auf befragen, er habe keinen Bogen von dieſen Mstis geſehen, den Catalogum aber von einem guten Freunde bekosen, darauf er einige Exemplaria drucken laßen, und Ich gebe das Auslassungszeichen der Einfachheit halber als „p“ wieder („etc. pp“). Abkürzung für lat. „eodem“ = „am selben [Tage]“
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gedachtem guten Freunde zu gefallen ausgegeben, den hieſigen Druck habe Rothe, der Buchdrücker verrichtet und wären 100 ſtück gedruckt worden + 25, der Catalogus ſey ſchon vor einigen Jahren von Kühzen zu AugſPurg gedrucket worden, auf befragen, wer obiger guter Freund ſey, will er anfänglich denſelben nicht nennen{,} auf weiteres bedeuten, den nahmen anzugeben, nennet er den Medicum h€.26 D. Schröern, was er vorherſtehend ausgeſaget, ſey die Warheit und ſeinen Bürger€. pflichten gemäs. Den 20. ejusdem 27 Gottfried Rothe, Bürger und Buchdrücker p Erſchien auf erfordern und ſagte auf befragen, er habe den vorgezeigten Catalogum gedrucket, und zwar im anfange ſeiner druckerey, der Buchhändler habe ihm ſolchen nachzudrucken gegeben, als er ſelbigen gedrucket, habe er den Buchdrucker Eyd noch nicht abgeleget, über dieſes er gehöret, daß was ſchon vorher gedruckt ſey, wohl ohne cenſur nachgedrucket werden könne, es wäre wohl ſchon 2. Jahr, da der druck geſchehen und wären von dem Catalogo 100. Exemplaria gedrucket worden, Carl Friedrich Menſer OberStadtſchr mpr 28 29
Es fällt auf, daß die Autoren in ihrer Fallstudie kaum Informationen, die ihnen der Aktenvorgang und die übrigen historischen Nachrichten darbieten und die für den Fall vielleicht erhellend wären, aufgreifen und erörtern. Was hat es konkret damit auf sich, daß der Drucker betonte, er habe den Buchdruckereid noch nicht geleistet gehabt, als er den Nachdruck des Kataloges fertigte? War es tatsächlich, wie Buchhändler und Drucker vorschützten, an dem, daß ohne Vorzensur nachgedruckt werden durfte, was schon einmal gedruckt war? Und wie steht es um den „D. Loescher“, den der aus Leipzig berichtende Marschalch in seinem Brief an Uffenbach als Anstifter der Behördenmaßnahmen erwähnt und den die Autoren in ihrer Fallstudie gänzlich übergehen? Es ist keine umfängliche Recherche erforderlich, um herauszubekommen, daß zu der Zeit, da sich die ergebnislose Konfiskationsmaßnahme zutrug, in Dresden ein Superintendent namens Valentin Ernst Löscher amtierte (1673 a. S./1674 n. S.– 1749; Dresdner Superintendent seit 1709), der sogar eine gewisse historische Bekanntheit hat. Qua Superintendentenamt war Löscher zugleich Mitglied des Dresdner Oberkonsistoriums.30 Es könnte somit durchaus, wie Marschalch sagt, Löscher gewesen sein, der, nachdem er irgendwie ein Exemplar des in Leipzig gedruckten jüngeren Kataloges in die Hände bekommen hatte, als Mitglied der vorgesetzten Behörde, des Oberkonsistoriums, die Konfiskationsmaßnahme der Leipziger Bücherkommission ins Rollen brachte. Richtigzustellen sind einige weitere historische Nachrichten, die die Autoren in unzulassiger Weise auslegen. So heißt es in der Fallstudie immer wieder, die Leipziger Sammlung sei 1710 verkauft worden (S. 1, 2, 6, 8 usw.). Für einen stattgefundenen Verkauf der Sammlung im ganzen gibt es in den historischen Nachrichten keinen Beleg, weder in dem, was Uffenbach, am Rande ergänzt: „+ davon aber kein Exemplar mehr übrig,“ Abkürzung für „Herrn“. „€“ bezeichnet den „l“-ähnlichen Abbrechungshaken, der beliebige vom Leser leicht zu erschließende Teile eines Wortes ersetzt. 27 lat. „desselben [Monats]“ 28 Abkürzung für lat. „manu propria“ = „mit eigener Hand“ 29 Stadtarchiv Leipzig, Tit. XLVI Nr. 152, Vol. IV, fol. 49r–50r. In der Handschrift sind „B/b“ und „D/d“ nicht immer genau auseinanderzuhalten, Majuskel und Minuskel unterscheiden sich nur leicht in Sorgfalt der Ausführung und Größe. 30 Blanckmeister: Die ſächſiſchen Konſiſtorien, S. 27–28 25
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was Wolf, was Marschalch, was Schelhorn oder was Roth-Scholtz angeben, noch in dem, was aus dem Aktenvorgang der Leipziger Bücherkommission hervorgeht; eventuell jedoch wurden einzelne Handschriften verkauft, dazu weiteres unten. Es läßt sich allerdings mutmaßen, was die Autoren zu ihrer Behauptung vom Verkauf der Sammlung veranlaßte. In der Vorrede zu dem CatalogVs rariorVm LIBRORVM ET manVscriptorVm MAGICO-CABBALISTICO-CHEMICORVM von 1732 schreibt Roth-Scholtz: VOn dieſer ſchönen Sammlung rarer Bücher und Manuscriptorum von No. 1. bis 142 31 war der nun Seel. Herr SAMVEL SCHRÖER Doct. & Med. Pract. Lipſienſis, Beſitzer, davon Er An. 1710. dieſen Catalogum in groß Quart drucken ließ, um ſolche an einen Liebhaber um VIER TAVSEND REICHS-THALER zu überlaſſen, die ich bey Ihme, als meinem Hochwehrteſten Freunde und Gönner öfters geſehen habe.32
Man versteht die Stelle nur korrekt, wenn man die Majuskelgraphien beachtet: Das groß geschriebene „Ihme“ bezieht sich auf das ebenso groß geschriebene „Er“ und dieses wiederum auf den „Seel. Herr[n] SAMVEL SCHRÖER“. Die Autoren übersehen vermutlich den besonderen Gebrauch der Majuskeln in der Stelle und lesen plan, mit dem „Freunde und Gönner“ sei der angeführte „Liebhaber“ als vermeintlicher Käufer der Magiehandschriften gemeint. Die Stelle besagt aber tatsächlich, daß Schröer der „Freund und Gönner“ von Roth-Scholtz war und Roth-Scholtz die Magiehandschriften bei Schröer sah. Der „Liebhaber“ bleibt hingegen textlich unspezifiziert: Schröer ließ, so hat man die Stelle aufzufassen, einen Katalog drucken, um seine Magiehandschriften an irgendeinen Liebhaber zu verkaufen; daß ein solcher Verkauf wirklich gelang, daß sich überhaupt irgendein Liebhaber fand, der sich an einem eventuellen Kauf der gesamten Sammlung auch nur interessiert zeigte, kann man aus der Stelle nicht ableiten. Ein tatsächlicher Verkauf der Sammlung im ganzen erschiene bei der enormen Summe, die Schröer laut den historischen Nachrichten für seine Sammlung forderte, ohnehin unwahrscheinlich; die Autoren selbst setzen den Betrag von 4.000 Reichstalern für die 140 Magiehandschriften den Baukosten von zwei bis drei Häusern mittlerer Größe in Leipzig gleich (S. 1).33 Es gibt im übrigen eine zeitgenössische Stimme, die einen Verkauf der Sammlung zu dem verlangten Preis gleichfalls für so gut wie ausgeschlossen hielt: Auf dem freien Seitenraum des letzten Blattes und des Titelblattes des älteren Handschriftenkataloges mit 117 Magietiteln, der in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg verwahrt wird, hielt eine Hand die 23 zusätzlichen Titeln aus dem jüngeren Katalog fest und vermerkte: Diesen [gemeint ist der ältere Katalog] schickte der Buchhändler P. KÜTHZE aus Augsburg und teilte mit, der Besitzer verlange 5.000 Gulden für die Zauberlieder [„næniis“]. Von anderswoher bekam ich auch einen anderes, nach Format und Anzahl [der Handschriften] größeres Verzeichnis [...] ich glaube kaum, daß sich ein Käufer finden wird, der seine Reue so teuer bezahlt.34 Der von Roth-Scholtz veröffentlichte Katalog führt zwei weitere Titel auf, die die beiden älteren Kataloge nicht enthalten. 32 CatalogVs rariorVm LIBRORVM ET manVscriptorVm MAGICO-CABBALISTICO-CHEMICORVM, S. 2. In: Roth-Scholtz: VETERVM SOPHORVM SIGILLA ET IMAGINES MAGICÆ 33 Leider führen die Autoren nicht an, woher sie Angaben zu Baukosten von Häusern mittlerer Größe in Leipzig bezogen haben. 34 Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Sup. ep. 4° 6, fol. 208r: „Hunc transmiſit P. KÜTHZE Bibliopola Auguſt[a] vinde[licorum] nunciavitq[ue] poſſeſſorem qvinq[ue] millia florenorum pro hiſce næniis exigere. 31
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Die Hand ist die Uffenbachs, wie der Bibliothekskatalog sagt 35 und wie man es sich – dies zeigt sich gleich – aus der eigentümlichen Bezeichnung „næniæ“ für die Magieschriften auch ohne nähere Kenntnis seiner Hand erschließen kann. Das Verzeichnis, das Uffenbach „von anderswoher“ erhielt und aus dem er die 23 zusätzlichen Titel übertrug, muß der in Leipzig gedruckte jüngere Katalog mit den 140 Magietiteln gewesen sein. Irritierend ist, daß die Autoren der Fallstudie Uffenbach bald Schelhorns gesamte Fußnote in der Ausgabe von Uffenbachs Briefen, den Commercii Epistolaris Vffenbachiani Selecta, (S. 41, Endnote 50; S. 54), bald, was Schelhorn darin aus Marschalchs Brief mitteilt, in den Mund legen (S. 53, 54). In mir nicht erklärlicher Weise mißdeuten die Autoren die Stelle in Uffenbachs Brief, zu der Schelhorns Fußnote gehört: Uffenbach schreibt auf Latein, er hätte sich niemals vorstellen können, daß die gebildete Welt mit so vielen Zauberliedern („næniis“, auch: „Zauberformeln“) erfüllt sei, wenn ein Augsburger Buchhändler, Kühtze, nicht ein Verzeichnis solcher Schriften („ejusmodi librorum Indicem“), das mehr als hundert umfasse, an den Tag gegeben hätte. Die Autoren der Fallstudie deuten die Wörter „librorum Index“ als Hinweis auf den „Index Librorum Prohibitorum“, das Verzeichnis verbotener Bücher, das die katholische Kirche führte (S. 51, S. 57 Endnote 30; schon auf S. 2 ist von „indizierten Büchern“ die Rede). Aus der Stelle ist freilich klar ersichtlich, daß mit dem „ejusmodi librorum Index“, dem „Verzeichnis solcher Schriften“, nichts anderes als der von Kühtze gedruckte Katalog der Leipziger Magiehandschriften gemeint wird. Den zweiten Teil der Fallstudie machen eine „textkritische Edition“ (S. 73–151) des in den Akten vorgefundenen Catalogus rariorum manuscriptorum sowie dessen Wiedergabe als „Faksimile“ (S. 153–157) aus. Die „Edition“ wurde von dem Autor Otto, der für diesen Teil der Fallstudie allein verantwortlich zeichnet, durch Angaben zum Text der knapp 140 überlieferten magischen Handschriften angereichert. Zu zwei Handschriften, mit denen ich mich im Zusammenhang der Edition des Buches der wahren Praktik von der alten Magie näher befaßte, möchte ich einige Richtigstellungen und Ergänzungen anbringen. Zuvor eine allgemeine Bemerkung. Die Sammlung besteht zwar aus nahezu 140 Handschriften, es ist aber augenfällig, daß die Handschriften nicht von 140 Schreiberhänden gefertigt wurden. Man hätte also erwarten können, daß sich Otto über die Zahl der Schreiberhände und ihre Zuordnung zu den Handschriften äußert, denn dies könnte Informationen zur Entstehung der Sammlung liefern. Wichtig ist ebenso die Numerierung der einzelnen Handschriften; hier ist anscheinend nicht nur eine einzige Hand zu erkennen, die die gesamte Numerierung durchführte, sondern mindestens zwei (oder noch mehr?). Auch zu diesem Punkt fehlen in der Fallstudie Angaben.
Aliunde alium etiam, et forma et numero majorem [...] Indicem accepi [...] vix tamen credo emtorem reperturum qvi tanti poenitere emat.“ – Eventuell ist das originale „Auguſt. vinde€“ richtiger als „Auguſt[anus in] vinde[licis]“ also „Augsburger“ aufzulösen. Das „seine Reue so teuer bezahlt“ ist eine Anspielung auf die „Attischen Nächten“ des Aulus Gellius; dieser erzählt, Demosthenes habe, als er hörte, für welche Summe die Hetäre Lais in Korinth zu haben sei, gesagt: „Ego paenitere tanti non emo.“ (I, 8, 6) 35 Wenigstens sagt dies der Bibliothekskatalog, der die Abschrift Wolfs, welche die Autoren der Fallstudie nennen, beschreibt (Elke Matthes: Katalog der Handschriften der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Band XI. Die Codices historiae litterariae. Stuttgart 2009, S. 130). Der Bibliothekskatalog, der den gedruckten Handschriftenkatalog mit den 117 Magietiteln anführt, spricht hingegen fälschlich von der Hand Wolfs (Nilüfer Krüger: Katalog der Handschriften der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Band VIII, Zweiter Teilband. Supellex epistolica Uffenbachii et Wolfiorum. Hamburg 1978, S. 1155).
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In jedem seiner Handschriftenartikel führt Otto zunächst den Titel an, den die Handschrift im Katalog führt, und sodann den Titel, den die Handschrift im Original hat; es finden sich in dieser Hinsicht bei den knapp 140 Handschriften der Sammlung kleinere und größere Abweichungen. Für die erste Handschrift, deren Artikel (S. 77–78) ich anspreche, – der historischen Numerierung nach handelt es sich um die Nummer 5 – ist der Titel laut Katalog: „Abrahami eines Sohnes Simonis, Praxis cabalæ albæ, i. e. die wahre Practica von der alten und Göttlichen Magie“. In der in Leipzig vorliegenden Handschrift aber heißt es auf dem Titelblatt: „CABALA MYSTICA Ægyptiorum et Patricharum daß ist daß Buch [...]“. Otto ist nachzusehen, daß er die erhebliche Differenz der Titel nicht zu erklären weiß. Tatsächlich liegt just hier und bei der folgenden besprochenen Handschrift der Fall vor, daß die Leipziger Sammlung einst zwei nahezu inhaltsgleiche Handschriften verschiedenen Titels unter derselben Nummer enthielt. Die zweite Handschrift, auch sie ist wie die in Leipzig verbliebene Handschrift mit „Num. 5“ bezeichnet, hat überdauert und befindet sich in einer Schloßbibliothek in Tschechien. Was nun die Angaben zu der Handschrift angeht, übernimmt Otto bedauerlicherweise „Informationen“, die aus einer augenfällig unseriösen Quelle stammen. So heißt es in Ottos Artikel, der erste Druck der Handschrift sei 1725 bei „Peter Hammer“ in Köln erschienen; inzwischen sollte jedoch bekannt sein, daß es historisch nie einen Drucker oder Verleger dieses Namens in Köln gegeben hat, vielmehr „Peter Hammer“ oder auf französisch „Pierre Marteau“ seit dem 17. Jahrhundert als Impressum sozusagen ein „running gag“ waren, mit dem Verleger Zensoren narrten.36 Der genannte Druck stammt tatsächlich aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und wurde von Johann Scheible unter diesem fingierten Impressum veranstaltet. Der Autor übernimmt aus seiner Quelle ferner die „Information“, in Wolfenbüttel werde eine weitere Handschrift des Textes verwahrt, und zwar unter der Signatur „Codex Guelfibus“ (S. 78; so auch schon S. 21, Endnote 71). Ein „guelfibus“ gibt es nicht – die Wolfenbüttler Signatur „Cod. Guelph.“ bedeutet aufgelöst: „Codex Guelferbytanus“, und das heißt: „Wolfenbüttler Kodex“. Quelle dieser verqueren Angaben ist eine Ausgabe des magischen Textes, die ein Esoteriker zusammengeklittert hat. Die Inhaltsbeschreibung, die der Autor von dem Handschriftentext gibt, beschränkt sich auf zwei Sätze und ist durchaus korrekt. Der Bedeutung, die dem Inhalt dieses Textes im Spektrum der magischen Literatur der frühen Neuzeit zukommt, können diese zwei Sätze freilich nicht gerecht werden. Korrekt ist der Hinweis auf die Wirkung, die der Text wesentlich später auf esoterische Kreise in England zu Anfang des 20. Jahrhunderts entfaltete; doch, so möchte ich berichtigen, nicht dieser Text, sondern eine stark entstellende französische Übersetzung des 18. Jahrhunderts, die 1898 ins Englische weiterübersetzt wurde. Von dem Text gibt es, so ergänze ich, eine weitere, von der genannten unabhängige französische sowie eine italienische und eine fragmentarische hebräische Fassung (nicht aramäische, wie der Autor vermutlich seiner Esoterikerquelle entnimmt), außerdem haben sich mindestens zwanzig deutsche Handschriften mit unterschiedlichen Fassungen erhalten – wie gesagt, die einzelnen Handschriften der Leipziger Sammlung scheinen für sich größtenteils nicht außergewöhnlich zu sein. Vgl. Karl Klaus Walther: Die deutschprachige Verlagsproduktion von Pierre Marteau/Peter Hammer, Köln. Zur Geschichte eines fingierten Impressums. Leipzig 1983. Auch im Netz: http://www.pierre-marteau/c/walther/marteau/set-1.html.
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Anmerkungen zu Bellingrath, Otto: Magical Manuscripts
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Der nächste Artikel (S. 78–79), der die Handschrift mit der Numerierung „Num. 6.“ erläutert, führt wiederum divergierende Titel aus dem Katalog und aus dem Handschriftenoriginal an: „Abrahami Judæi Wormensis Cabala, so er seinem andern Sohn Joseph auf Pergament geschrieben hinterlassen“ im Katalog gegenüber „TRANSLATION eines kleinen Ebreyschen Pergamen Büchleins in teutscher Sprache“ im Original. Der Autor meint hier eine „Konfusion“ auszumachen, insofern in dem Katalog seiner Vermutung nach eine zweite Version der vorausgehenden „Num. 5.“ aufgeführt sei. Von Konfusion kann keine Rede sein; es trifft hier vielmehr wiederum zu, daß es unter der Nummer einst in der Sammlung zwei weitgehend inhaltsgleiche Handschriften verschiedenen Titels gab. In diesem Fall hätte der Autor die vermeintliche Konfusion mit Recherche leicht aufklären können: Denn ebenfalls in der Universitätsbibliothek Leipzig liegt eine Handschrift mit der Signatur Ms. 0471 vor, die nicht zu den codices magici zählt und die den Titel „Translation eines kleinen Ebräischen Pergamen Büchleins, in teutsche Sprache i. e. Abrahami Hebraei Judaei Wormensis Cabala Filio alteri Josepho in charta pergamena scripta et legata“ trägt – die also beide divergierenden Titel in einem Titel vereint. Diese Handschrift hat den gleichen Inhalt wie die Handschrift „TRANSLATION eines kleinen Ebreyschen Pergamen Büchleins in teutscher Sprache“ aus der Sammlung der codices magici. Die Handschrift mit dem Doppeltitel weist keine Numerierung auf und gehörte auch ehedem nicht zu den codices magici, sie kam auf anderem Wege in die Universitätsbibliothek. Die ursprünglich zu den codices magici gehörige Handschrift mit dem alleinigen Titel „Abrahami Judæi Wormensis Cabala [...]“ muß man vorerst als verschollen ansehen; vielleicht aber befindet sie sich in der Staatsbibliothek Berlin, denn dort verwahrt man eine Handschrift mit dem Titel „Abrahami Hebraei Judaei Wormensis Cabala Filio alteri Josepho in charta pergamena scripta et legata“ (Ms. germ. qu. 1169). – Der Autor gibt den Inhalt der Leipziger Handschrift im übrigen korrekt in vier Sätzen wieder. Daß hier einige Textzeugen den Namen des Abraham von Worms im Titel führen, ist lediglich eine pseudoepigraphische Zuweisung zu der fiktiven Gestalt, die das Buch der wahren Praktik von der alten Magie erfindet. Bemerkenswert erscheint, daß diese Textzeugen nicht allein Abrahams Namen, sondern auch eine konkrete Fiktion aus dem Buch der wahren Praktik in ihren Titel übernehmen: Denn das Buch der wahren Praktik ist der Fiktion nach von Abraham zwar als Vermächtnis für seinen jüngstgeborenen Sohn Lamech geschrieben, mehrfach ist aber die Rede davon, daß Abraham für seinen erstgeborenen Sohn Joseph gleichfalls Schriften verfaßt habe, nämlich ein Werk über die Kabbala und eines über den Talmud. Außer mit ihrem Titel haben die Textzeugen, die sich auf Abraham von Worms berufen, mit dem Buch der wahren Praktik nichts zu tun. Die Autoren weisen im ersten Teil der Fallstudie auf den Katalog der Naturaliensammlung des Leipziger Apothekers Heinrich Linck (1638–1717) hin; ein Erbe von dessen Sammlung, der Enkel Johann Heinrich Linck (1734–1807), erstellte den Katalog.37 Die Sammlung umfaßte auch magische Handschriften, und die Autoren der Fallstudie bemerken Übereinstimmungen zwischen einigen Titeln aus der Linckschen Sammlung und Titeln des Catalogus rariorum manuscriptorum (S. 40, Endnote 46). Interessanterweise nun scheint der Lincksche Katalog gerade die Titel der Zweitexemplare der Handschriften „Num. 5.“ und „Num. 6.“ aus dem Johann Heinrich Linck: INDEX MVSAEI LINCKIANI, oder kurzes ſyſtematiſches Verzeichniß der vornehmſten StÍcke der Linckiſchen Naturaliensammlung zu Leipzig. Drei Teile. Leipzig 1783–1787
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Catalogus aufzuführen, die heute in der Leipziger Sammlung nicht mehr vorhanden sind.38 Man mag spekulieren, ob Heinrich Linck einst diese Handschriften Schröer abkaufte. Wie erwähnt, gibt es entgegen der Behauptung der Autoren keinen historischen Beleg, daß die Leipziger Sammlung im ganzen jemals verkauft worden wäre, bevor sie in den Bestand der Ratsbibliothek überging. Einzelne Handschriften, insbesondere die heute fehlenden, könnten aber sehr wohl verkauft worden sein. Doch ist zu beachten, daß der Enkel Johann Heinrich Linck genauso wie sein Vater gleichen Namens die ererbte Naturaliensammlung noch erweiterten, und so könnten es auch erst er oder sein Vater es gewesen sein, die die magischen Handschriften für die Sammlung erwarben. Zu dem Fund des Handschriftenkataloges in den Akten der Leipziger Bücherkommission kann man den beiden Autoren der Fallstudie nur gratulieren. Eine Studie, die den gesamten Fall der ergebnislosen Konfiskationsmaßnahme im Jahre 1714 erfaßt, ist aber noch zu schreiben. Wer sich selbst ein Bild von den Leipziger Magiehandschriften machen möchte, kann es bequem im Netz tun; alle Handschriften sind digitaliert und frei einsehbar.39
ebd. Dritter Theil, S. 242 https://histbest.ub.uni-leipzig.de/servlets/solr/select?q=cbu_shelfmark%3ACod.mag.*
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