U ocrÖEij, xat 'tEAELÖV 'utov. E p i p h a n i u s (h. LXXVII, 26, 2): El ,;otvuv cra~,>xa EtJ.l]tpEv ö Myo~ •.. li~,>a YE ou?t i]t..anro'frlJ EJ.ftwv ö Myo~, &.t..J.' Ef.LELvEv EV 'U tötq. LO~ :n:a~,>&. 'tO'V :rtU'tEQU. Die endgültige offizielle Ablehnung des Verwandlungsschemas ist ausgesprochen im XII. Anathema der ersten sirmischen Formel (Hahn, S. 197 f.). alvE'tUL 'tU fJt.t.heea ÖLU 1:oü · 1:0 A.oyLxov 1:0 öA.ov q>avEv'ta ÖL' fJt.t.iiq, XQLO''tOV YEYO'VEVUL .•• öoa YUQ 'ltllAiiiq, ad Eq>i}t\y~U'V'tO xat dipov ol q>LAOO'O((lfJO'IlV'tE; 1i 'VO!.I.Oi}E'tfJ· ouvnq, ?ta'ta Myou t.t.Epoq, IIL' eupiJoero; ?tat i}eroelaq, EO''tL novf!i}Ev'ta a.u1:0i:q,. l;netöi) öi; ou na'V'tll 'tU 'tOÜ Myou EYVOOQLO'U'V, Öq, EO''tL XQLO''to;, %0.L EvO.'V'tLU Ell\J'tOi:q, 1COAAU'ItLq, Einov. 0 r i • EU"{OUCJL'V ot freA.onE,; CJOO~ECJfrut. P s.- Cl e m. Ho m. (Epist. Clem. 14): itotXEV "{U(l öl..ov ,;o :lt(IU"{fl.U ,;Tj,; EXXAT]CJLU\; 'VT]t fl.C"{UATI, Öta CJq>OÖQOÜ l(:EL· flrovo,; llvöQu,; q>EQoucrn tx noi..A.rov ,;o:n:rov Öv,;u,; xut fl.LU'V -nva &.yufri'j,; ßucrti..Eiu,; n6A.tv otxEi:v 1}1\/..ov-ru,;. aÄTj, 1t(IOI1q:>U'tOJ~ 1tE(IL 't-/j'V raJ..a'tL(l'V dvaq:>UEi:aa. In der Tat ist die paulinische Anschauung vom befristeten Messiasreich offiziell zur Häresie erklih·,t durch die ausdrückliche Bestimmung des Nicaeno-Constantinopolitanum: ou ,;ij~ ßaatÄEta~ oil% EO''tat 'tEÄo~. 20 M a r c e 11 v. An c y r a (bei Eu s e b, c. Marceil. II, 4, 1): f..LEYLI1'tO'V Ttf..LL'V f..LUI1'tTJ(ILO'V Ev'taüt}a ö U1tOI1'tOÄO~ uvax.aÄU1t'tEL, 'tEÄO~ f..LE'V EI1EO't}at q:>aax.rov 'tij~ )(;(ILI1'tOÜ redet, die fälschlicherweise das Paradies in den Himmel verlegen, was offenkundig mit der Schilderung Gen 2 nicht zu vereinbaren sei. 0 r i g e n es (de princ. II, 11, 6): puto enim quod sancti quique discedentes ex hac vita permauebunt in loco aliquo in terra posito, quem «paradisum» dicit scriptura divina. Met h o d i u s (de resurr. I, 55, 1): JtQÖnov ynQ Ö JtaQ6.1'lELIJo~, Mev xat 1\~eß}..i}{}fliJU'V i\v -c(i> JtQOJ'tOJtÄ6.1J·np, i\x -caU'tfl~ EIJ'tL -cij~ yij~ JtQOI'li}}..ro~ 'tOJtO~ t~alQE'tO~, JtQO~ ÜAUJtO'V U'VQJtUUIJL'V xat ÖLUj'Olj'ft'V 'tOi~ ayloL~ U
287
In nicht geringere V erlegenheil geraten die großkirchlichen Theologen im Streit mit den Häretikern um die Fleischesauferstehung, da sie gezwungen sind, alle Beweise, die die Gegner gegen dieses Dogma mit Leichtigkeit aus den paulinischen Aussagen beibringen, um jeden Preis und mit offenkundiger Gewalttätigkeit in Beweise für die Fleischesauferstehung umzudeuten 52 • Alle die scharfen Urteile des Paulus über das Wesen des «Fleisches», die immer wieder zuletzt irgendwie in den Gedanken ausmünden, daß Erlösung auch Vernichtung des Fleisches, Erlösung vom Fleische bedeuten muß, dürfen nach großkirchlicher Auffassung einfach nicht so verstanden werden, wie sie lauten und wie die Häretiker sie für sich in Anspruch nehmen. So hilft man sich mit der Auskunft, daß sie sich gar nicht auf das Fleisch als solches, sondern lediglich auf die schlimmen «Werke» des Fleisches beziehen 53 • Allein dies ist ein Verlegenheitsargument. Begreiflich, daß Tertullian einmal ärgerlich gegen die so schlagfertige Auswertung paulinischer Aussagen durch die Markioniten losfährt: Man soll doch nicht immer nur mit Schriftworten fechten, die das Fleisch «anschwärzen»! Schließlich sage ein Jesaja (!) auch dies, daß «alles Fleisch das Heil Gottes sehen soll» 54 • Im Streit gegen die Häresien und die Beurteilung des «Fleisches» tritt zutage, daß die Großkirche sich hier auf der ganzen Linie in einem klaren und scharfen Gegensatz zu Paulus befindet. Und zwar ist dieser Gegensatz von ganz grundsätzlicher Art und hat weittragende Bedeutung. Das kommt unmißverständlich schon bei Irenäus zum Aus~ druck in dem gewichtigen Urteil, daß die Häretiker mit ihrer Berufung auf den wörtlich verstandenen programmatischen Satz des Paulus, daß «Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht erben können» (I Cor 15, 50), geradezu die ganze Heilsordnung Gottes umstürzen 55• In scelere pollutus, propter hoc perdita carne. salvus erit in poena? ergo poeuam sine carne censehit contraria interpretatio? sie resurrectiouem carnis amittimus. Superest igitur ut eum spiritum dixerit, qui in ecclesia censetur. 5 2 Siehe S. 690-693. 53 Te r tu ll i an (de anima 40): nam etsi caro peccatrix, secundum quam ince· dere prohihemur, cuius opera damnantur, concupiscentis adversus spiritum, ob quam carnales notantur, non tarnen suo nomine caro infamis. Siehe auch C y r i ll von Je r u8 a I e m (Horn. in Paral. 17, MG XXXIII, 1152) zu Rm 7. 5: ou TUl)'t'I]V n.eyev 'tftV atigxu t\v 1CEQLßeß1-:t1~te'itu, &J.A.O. Ta~ OUQ'liL'liU~ ngti!;eL~. 54 Te r tu ll i an, de resurr. carnis 10. 55 Iren ä u s (adv. haer. V, 13, 2): oil'too xat ulgenxot TO" <
288
analoger Weise protestiert Tertullian gegen den auf Paulus sich herufenden Doketismus des Markion mit dem Argument, dieser· «reiße das ganze Heilswerk Gottes nieder» 56 • In dem Kampf gegen die paulinische Lehre vom Fleische und seiner durch Tod und Auferstehung Jesu in Gang gehrachten Vernichtung kündigt sich also die Tatsache an, daß die Großkirche hier von einer der paulinischen Auffassung völlig entgegengesetzten, neuen Erlösungs· lehre aus argumentiert. In der Tat steht eine solche neue Erlösungslehre im Hintergrund der ganzen Auseinandersetzung. Wo sie sich ungezwun· gen ausspricht, gerät sie ganz unwillkürlich in Aussagen hinein, die nicht nur in der Lehre vom Fleisch, sondern auch in anderer Hinsicht un· versehens das strikte Gegenteil dessen behaupten, was Paulus gelehrt hat. So wenn Irenäus einmal erklärt: «Denn der Herr ist gekommen, um das verlorene Schaf wieder zu suchen, und das verlorene Schaf war der Mensch. Und deshalb ist kein neu es Geschöpf geworden» 57 • II Cor 5, 17 ~;~teht bekanntlich etwas ganz Anderes. Man kann geradezu sagen, daß gewissermaßen die Lehre vom «Fleisch» der Punkt gewesen ist, an dem die nachapostolische Kirche die entscheidende Umschaltung zunächst eben der Erlösungslehre, damit aber schließlich des gesamten Dogmas überhaupt, aus dem eschatologisch bestimmten Glauben in eine neue, uneschatologische katholische Kirchenlehre in Gang gehracht hat. An diesem Punkte bleibt von den charakteristisch paulinischen Gedanken nichts mehr übrig. Selbst seine Lehre, daß durch Tod und Auferstehung Jesu den Gläubigen die Auferstehung garantiert ist, erhält in dem neuen kirchlichen Dogma einen wesentlich andern Sinn.
Fünftes Kapitel Der kritische
Mo~ent
im Prozeß der Enteschatologisierung
Nicht im chronologischen, wohl aber im problemgeschichtlichen Sinn durchläuft der hisher geschilderte Prozeß der Enteschatologisierung des urchristlich-paulinischen Dogmas von der Heilsbedeutung des Todes und der Auferstehung J esu nachweislich einen sehr kritischen Moment. Es ist an früherer Stelle gezeigt worden, wie in der ersten nachapostolischen Zeit unter dem D1·uck des Problems der dauernden Parusieverzögerung, als man die ganze erste und vermeintlich zugleich letzte Ge58
57
Te r tu ll i an (adv. Mare. 111, 8): eversum est igitur totum dei opus. I r e n ä u s , Epideixis 33
289
neration der Gemeinde der Gläubigen, endgültig in ihrer Naherwartung getäuscht, dahingehen sah, bereits das ganze eschatologische Grunddogma ins Wanken geriet (S. 118 ff.). Beispielsweise in der von kleinasiatischen Judenchristen aus der Parusieverzögerung gezogenen, scharfsichtigen Schlußfolgerung, daß die Auferstehung Jesu noch gar nicht stattgefunden haben könne, sondern erst beim Anbruch der eschato~ logischen Ereignisse zu erwarten sei, war letzten Endes das. Dogma grundsätzlich schon preisgegeben. Die werdende Großkirche wollte sich in der Preisgabe des Ursprüng~ liehen nicht so selbstmörderisch weit treiben lassen. Sie half sich in erster Linie mit der strikten Leugnung der Tatsache, daß Jesus und das Urchristentum ihren eschatologischen Erlösungsglauben im Sinne der unmittelbaren Naherwartung vertraten. Sodann gab sie damit zugleich die dieser Naherwartung entsprechende eschatologische Grundbedeutung der paulinischen Lehre von der Heilsbedeutung des Todes und der Auferstehung J esu preis. Auf diese Weise machte sie sich die Hände frei für den V ersuch, an der paulinischen Lehre in der Art festzuhalten, daß sie die konkreten, speziellen Explikationen des eschatologischen Grunddogmas als selbständige Lehrsätze isolierte und mit der Absicht einer Neufassung und Neubegründung diskutierte. Nachdem nun fest~ gestellt ist, welchen V erlauf dieses Unternehmen an den einzelnen Punkten nahm und zu welchen Ergebnissen es führte, muß die damit geschaffene Gesamtlage ins Auge gefaßt werden. Auf der ganzen Linie, in den Fragen der Aufhebung des Gesetzes, der Überwindung der Engel- und Geistermächte, der Vernichtung der Sünde und der natürlichen Fleischesleiblichkeit, schließlich auch des Sühnetodes fällt das Ergebnis entweder problematisch oder gar rein negativ aus. Aufs Ganze gesehen steuert der Gang der Dinge also doch in eine offensichtlich unhaltbare Situation hinein. Die durch die Not~ wendigkeit der Enteschatologisierung bedingte dogmengeschichtliche Entwicklung der überlieferten Lehre von der Heilsbedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu drängt unvermeidlich auf einen toten Punkt. Es liegen hinreichend deutliche und gewichtige dogmengeschichtliche Belege dafür vor, daß in der geschilderten neuen Lage eine Theorie über das durch Jesu Tod geschaff,ene Erlösungswerk überhaupt nur noch möglich ist unter der Bedingung, daß eine neue einheitliche Konstruktion gelingt, die von der verschärften Problematik des überlieferten alten Dogmas im wesentlichen nicht unmittelbar betroffen wird. Eine
290
solche neue Theorie wird geschaffen: Es ist die sakramentale. Zugleich ist jedoch festzustellen, daß da, wo sie nicht übernommen wird, sich in irgendeiner Form die grundsätzliche Preisgabe der Lehre von der Heilsbedeutung des Todes Jesu überhaupt ankündigt. Dieser Fall tritt zunächst mehrfach ein in den gnostischen Systemen. Bei den ophitischen Sethianern erfordert es die Analogie zur Entstehung des Menschen, daß für dessen Erlösung die Jungfrauengehurt und die Taufe des aus dem Lichtreich herabkommenden Logos von ent~ scheidender Bedeutung werden. Tod und Auferstehung Jesu sind hier unerheblich 1 • Nach dem Baruchbuch des Ophiten Justinus ergibt sich aus der Lehre von der Schöpfung und Erlösung als heilsnotwendige Tat Jesu lediglich dies, daß er den Menschen die ihm vom Elohimengel Baruch überbrachte Botschaft vom «Vater» und von dem «Guten» verkündigt. Damit dies gelinge, darf Jesus (der hier als Sohn Josephs und der Maria selber einfacher Mensch ist) sich nicht wie Moses und die Propheten vom Eden~Engel Naas verführen lassen. Muß er dann den Kreuzestod erdulden, so trifft ihn damit lediglich die Rache des erzürn~ ten Naas. Er läßt den Leib am Kreuzesholz zurück und, steigt zu dem «Guten» empor. Irgendwelche Heilsbedeutung kommt dem Kreuzestod nicht zu und von einer Auferstehung ist überhaupt nicht die Rede 2 • Die Karpokratianer beschreiben ebenfalls das Erlösungswerk Christi ohne Bezugnahme auf Tod und Auferstehung 3 • Die Lehre der Valenti~ nianer ist an diesem wie an andern Punkten nicht einheitlich geblieben. Von Valentinus selbst zitiert Clemens Alexandrinus einmal eine Stelle aus einer Homilie, in welcher die Überwindung des Todes und der Welt als Aufgabe des Gnostikers dargestellt wird. Dieser bringt also selbst zustande, was der gewöhnlichen, von der .paulinischen Lehre herkommenden Auffassung als ein Erfolg des Todes und der Auferstehung Jesu galt. Clemens verfehlt nicht, diesen Sachverhalt festzustellen 4 • Dem entspricht, daß nach dem Bericht des Irenäus in der valentiniaNach. der Darstellung des Hip p o I y t, Refut. V, 19, 20. So nach Hip p o I y t, Refut. V, 26. Ähnliches berichtet über die ophitische Lehre auch I r e n ä u s , allerdings ist das mythologische Material ein anderes. 3 Nach Iren ä u s, adv. haer. I, 25. 4 CI e m e n s AI e x. (Strom. IV, 89, 1-3): OüaÄEV'tL'VO~ 1>6 EV 'ttVt O(ltÄ[~ xcml i..E~w ygaqJEt" ci.n:'ci.gx.ij~ ci.ß-avu,;ot tau xut 'tExvu ~roij~ E
2
ijil'ilÄE'tE f!>EQt
291
nischen Lehre die Passion Jesu sich verflüchtigt zu einer typologischen Darstellung der Beziehung zwischen Achamoth, Christus und dem Stauros-Horos. Das Leiden Jesu stellt das Leiden der Achamoth dar5. In der Basilidianischen Gnosis hat das geschichtliche Erscheinen J esu überhaupt, und so auch sein Leiden, besondere Bedeutung als der Anfang der «Scheidung des Vermischten», zuhöchst der Befreiung des Geistigen aus der Verstrickung in die Materie 6• Aber gerade die Passion Jesu bleibt in dieser Lehre problematisch. Sein Leiden bleibt ein bloß scheinbares. Ja, schon Irenäus gibt als Basilidianische Lehre die Erzählung wieder, Jesus habe überhaupt nicht gelitten, sondern heim Gang nach Golgatha mit Sirnon von Kyrene die Gestait vertauscht, so daß irrtümlicherweise Sirnon an seiner Stelle gekreuzigt wurde, während er selber dabei stand und die solchermaßen Irregeführten auslachte. Wer daher Jesum als den Gekreuzigten bezeichne und bekenne, bekunde damit, daß er noch nicht aus der Versklavung unter die niedern Mächte, welche die Körper schufen, befreit sei 7 • Was in dieser Lehre das Wesen der Erlösung ausmacht, die «Scheidung des Vermischten», verwirklicht sich in Jesus prinzipiell nicht so, daß dieser Prozeß von ihm aus auch für die andern und in den andern in Gang gesetzt würde. Sondern die Gnostiker müssen nun selber für sich und in sich das Nämliche bewirken, was erstmals an Jesus geschehen ist, und sie können es, sofern Jesus ihnen in seiner Lehre das Wissen um das Wesen und die Möglichkeit dieser Erlösung verkündigt hat s. Symptome der grundsätzlichen Preisgabe der Lehre von der Heilshedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu treten jedoch keines5 Iren ä u s (adv. haer. I, 8, 2): x.at 'tU n6.ih1 mhij; & enattEv EltLOEO'IJflEtÖJo{tm ,;ov x.upwv cpaox.ouotv ev ,;i('l o,;aupi('l, x.at ev ,;i('l Ei:n:Eiv· «Ö ttE6; flOU, Etr; TL eyx.a-r;ß. AL:rtB<; flE»; flEfl'ljVUX.EVIlt ll'Ö't6v, lht d:rtEAELqJit'lj dno 'tOÜ cpro,;or; fJ ~ocpta, x.at EX.roAUit'lj u:n:o ,;oü "Opou ,;ijr; Et<; 'tOVfl:rtpoottEv ÖQfli'j<;. ,;Tjv öE AVlt'IJV a'Ö,;ijr;, ev ,;i('l Etmiv· 1tEQlAU1t6<; eonv fJ 'I!'U:XTJ flOU 8ror; itava,;ou. IV, 35, 3: rursus 'autem passionem domini typum esse dicentes extensionis Christi superioris, qua extensus Horo formavit eorum matrem. 6 Nach Hip p o I y t s Darstellung, Refut. VII, 27, 8 ff. Eine zusammenfassende Formulierung sagt: ,;ijr; oüv cpuAOX(ItvljoErot; tt1tllQ%TJ yeyoyEv ö 'l'ljooür;, x.at 'to ~tattor; o'Öx. lf/,Aou Ttvor; :xupw yeyovEv (t\) 'Ö~tEQ ,;oü cpu/,ox.Qtv'ljttijvat ,;u ouyx.EJtUflBVa. 7 Iren ä u s (adv. haer. I, 24, 4): quapropter neque passum eum, sed Simonem quendam Cyrenaeum angariatum portaase crucem eins pro eo; et hunc secundum ignorantiam et errorem crucifixnm, transfiguraturn ab eo, uti putaretur ipse esse Jesus; et ipsum autem Jesum Simonis .accepisse formam, et stantem irrisisse eos .•. si quis igitur, ait, confitetur crucifixum, adhuc hic servus est et sub potestate eorum, qui corpora fecerunt. 8 E p i p h a n i u s , der hier dem Bericht des lrenäus folgt, fügt als Aussage des Basilides über Jesus bei (h. XXIV, 3, 4): x.at o:O,;or; fJ OOl't'IJ(ILil TJflÖJV ö e/,{trov x.at TJfl'iV Jl.OYOtt; ttltOX.IlAV\jJil<; 't!lV't'ljV 'tTJV
292
wegs nur in der Gnosis auf. Es wurde schon früher betont, daß die Grenzen zwischen Gnosis und großkirchlicher Theologie durchaus fließende sind. Mindestens in dieses Grenzgebiet gehören die Johannesakten 9 • Zu den zahlreichen auffälligen Eigentümlichkeiten dieses auch in der Großkirche gelesenen 10 Buches gehört die völlige Abkehr von jeglichen Gedanken über den Tod Jesu als Erlösungswerk. Solche Gedanken fehlen nicht nur, sondern sie werden in Cap. 96-103 als unmöglich ausgeschaltet. Während auf Golgatha vermeintlich die Kreuzigung Jesu in Scene gesetzt wird, flieht der ·Jünger Johannes auf den Ölberg hinüber. Plötzlich steht Jesus neben ihm zum Beweis, daß die drunten in Jerusalem vor sich gehende Kreuzigung nur eine Täuschung sei. Er zeigt alsdann Johannes ein Lichtkreuz (genannt «Logos» usf.), und von diesem Lichtkreuz her wird seine Stimme hörbar. Sie bestätigt dem Jünger: «Nichts also von dem, was man von mir sagen wird, erlitt ich», und erteilt ihm eine Belehrung, die im wesentlichen die wahre Bedeutung des Leidens Jesu darin bestehen läßt, daß es ein Sinnbild der Leiden des Menschen überhaupt ist. Der Logos ist zu dem Zweck vom Vater gesandt, daß wir unser menschliches Leiden verstehen lernen und dadurch von ihm loskommen sollen 11 • Nur in den Verfolgungsleiden der Christen leidet Christus mit, wird seine Kreuzigung irdische Realität12. Die geschilderte Scene schließt: «Und als ich (sc. Johannes) hinabgestiegen war, lachte ich über jene alle, da er mir gesagt hatte, was sie über ihn geredet haben; nur das beherzigte ich bei mir, daß der Herr alles symbolisch und heilsordnend zu des Menschen Bekehrung und Rettung veranstaltete» 13. Innerhalb der Großkirche selber sind es die christlichen Alexandriner, bei denen der kritische Punkt der grundsätzlichen Preisgabe der Lehre vom Heilswerk Christi in seinem Tode und seiner Auferstehung deutlich in Sicht kommt. Clemens und Origenes stehen beide in der großkirchlichen Tradition, wenn dies auch bei jenem weniger deutlich zutage tritt als bei diesem. Bei Clemens fließen die Aussagen über die 9 Siehe Henne c k e, S. VII: <
°
13
A c t a J o h. 102.
293
Heilsbedeutung des Todes Jesu verhältnismäßig spärlich. Aber es fehlen nicht die Belege dafür, daß er die verschiedenartigen Themen der alten Lehre kennt 14• Er bewegt sich jedoch mit seinen Gedanken nicht gerne auf diesem Gebiet. Er will sich in der chaotischen Mannigfaltigkeit der hier herrschenden Vorstellungen nicht verlieren und verstricken. Tatsächlich ist ihm dies alles so problematisch geworden, daß er die fundamentalen Leitgedanken zur systematischen Erfassung der christ~ liehen Wahrheit nicht mehr aus diesem einstmals zentralen und ent~ scheidend bedeutsamen Bereich der ursprünglichen apostolischen Lehre zu entnehmen wagt. Die kritisch-mißtrauische Haltung des Clemens kommt zum Ausdruck in Versuchen zur Abschwächung, Umdeutung, ja Ablehnung der überlieferten Anschauungen. Überwindung des To~ des durch Christus? Ist diese Behauptung nicht schließlich bloß ein ohn~ mächtiger und anmaßlieber V ersuch, die Schöpfungsordnung Gottes berichtigen zu wollen 15 ? Ist es nicht sicherer, sein Vertrauen darauf zu setzen, daß dem Gläubigen gerade der durch göttliche Ordnung selbst gesetzte Tod Erlösung bringt 16 ? Die Vorstellung von der Überwindung der Geistermächte durch den Tod Jesu verfällt der Abschwächung und der symbolisierenden Umdeutung 17 • Und plötzlich kann er auch die 14 Die Vorstellung vom stellvertretenden Opfer: Quis div. salv. 38, 3 f.; Paed. I, 23, 1 f.; der Logos als Hohepriester: Strom. V, 34, 7; VII, 13, 2; die Überwindung der Geistermächte: Protrept. 111, 2; die Hadesfahrt Christi: Strom. VI, 46, 1 ff.; die Überwindung des Todes im Tode Christi: Strom. IV, 91, 2. 15 C I e m e n s macht bezeichnenderweise diesen Einwand da geltend, wo er sich mit dem Gegensatz befaßt, der hier zwischen gnostischer und großkirchlicher Auffassung von der Überwindung des Tode.s besteht (Strom. IV, 91, 3): &.'J../..0. ?til:v Et ouv :x;~ao-.:1{) ?ta..:ao..:eant'ieoihu ,;oii itavchou 'J..eyoLEV (sc. die Gnostiker), ÖtLo'J..oyouv..:rov ,;o MyJ.La ..:o ?tE?t(JUJ.LJ.LEvov,
294
Sühnopfervorstellung ablehnen 18 • So zerrinnt ihm die alte Lehre unter den Händen. Und das neue kirchliche Dogma von der Heilsbedeutung des Todes Jesu, das sakramentale, kennt er zwar ebenfalls, wie gelegentliche Anspielungen beweisen 19 • Aber es ist ihm auf alle Fälle zu massiv und wohl auch im Neuen Testament zu spärlich bezeugt. Damit gerät er aber unvermeidlich auf den toten Punkt: Er muß auf eine Lehre von der Heilsbedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu grundsätzlich verzichten. Dieser prinzipielle Bruch mit der überlieferten Lehre kommt darin zum Ausdruck, daß Clemens ausdrücklich behauptet, das Leiden des Herrn sei nicht auf Grund einer Willensverfügung Gottes erfolgt, also keine göttliche Heilsveranstaltung 20 • Dieses bedeutsame Urteil ist dadurch mitbedingt, daß Clemens auf seine Weise in der Beurteilung der Passion Jesu eingeht auf die in der Kirche bereits üblich gewordene Zusammenstellung des Leidens Jesu mit den Verfolgungsleiden der Gläubigen. In der kirchlichen Anschauung wird die Beziehung hergestellt durch den Gedanken, daß die Verfolgungsleiden der Gläubigen als Satisfaktionsleistung den Sühnwert des Leidens Christi ergänzen im Hinblick auf die nach der Taufe begangenen Sünden 21 • Für Clemens steht nicht dieser Gedanke im Vordergrund. Er beurteilt den Märtyrertod des Gläubigen nicht in Analogie zum Sühnopfer Christi, sondern eher umgekehrt die Passion Christi in Analogie zum Märtyrertod des Gläubigen: Christus hat als erster von seinen Verfolgern den Tod erlitten; die Apostel aber und die wahren Gnostiker haben sein Beispiel nachgeahmt, indem auch sie als Märtyrer gelitten haben 22 • In beiden Fällen ist das Martyrium von Gott bloß zugelassen. Aber seine Vorsehung fügt es so, daß diese Leiden erzieherisch zum Guten wirken, das Leiden Christi in bezug auf die Sünden anderer, das Leiden der Gläubigen in bezug auf ihre eigenen Sünden 23 • Damit ordnet Clemens seine Anschauung vom Sinn des Leidens (nicht Siehe S. 282, Anmerkung 40. Siehe S. 500 f. 2° C I e m e n s Aiex. (Strom. IV, 86, 2): olln yuQ 18
19
o %UQLO~
ih::i.:ru.un-L enuiiEv ,;o\i
l'tU"tQ6~.
Siehe S. 278. CI e m e n s AI e x. (Strom. IV, 75, l f.): ltQÖno~ (diese LA zieht S t ä h I in in st>iner Ciemensausgahe mit Recht der Variante f.L6vo~ Yor) TOt'VU'V o %UQLO~ ÖLU -ri]v Tiiiv limßoui..Eu6v-.;rov mhip %UL Tiiiv an[o-.;rov &tto%uiluQoW emEv -.;o ttOTYJQlOV" öv f.LLf.LOU· J.IE'VOL ot att6CJ"tOAOL ro~ U'V "tlp l>vn yvroCJ"tL%0L %
22
0
•
0
295
ausschließlich des Todes) Jesu ein in seine charakteristische Gesamtauf~ fassung vom Erlösungswerk: Dieses besteht im wesentlichen darin, daß in Christus der Logos Mensch wurde zur religiösen und sittlichen Be~ lehrung und Erziehung der Menschheit 24 • Daher deutet Clemens gelegentlich das Blut Jesu, von dem I Joh 1, 7 gesagt wird, daß es uns reinigt, ganz einfach als symbolischen Ausdruck für die Lehre Jesu 25• Wie Clemens diese Anschauung in den Rahmen einer wesentlich hellenistischen Religionsphilosophie hineingestellt hat, braucht hier nicht dargetan zu werden. Der Sachverhalt ist durch die moderne Dogmen~ geschichte geklärt. Schärfer und auffälliger noch als Clemens vollzieht Origenes die grundsätzliche Preisgabe der Lehre von der Heilsbedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu. Der Sachverhalt tritt bei ihm greller heraus, weil er sich abhebt von einer ungewöhnlich reichen Kenntnis alter und ältester christlicher, gerade auch urchristlicher Lehrüberlieferung, die Origenes sich erworben hat im Verlaufe seiner ausgedehnten exegetischen Arbeit am Neuen Testament. Die große Energie, mit der er sich der Erforschung dieser Überlieferung widmete, zeugt nicht nur für das Interesse, das er ihr entgegenbrachte, sondern läßt auch die Größe der Aufgabe ermessen, die sich ihm stellte im Zwang zur dogmatischen Auseinandersetzung mit ihr. In der Fülle des Traditionsstoffes, den er in seinen Werken zusammengetragen hat, tritt dessen chaotischwiderspruchsvolle Mannigfaltigkeit so greifbar deutlich zutage, daß sie ihm selber unvermeidlich zum dogmatischen Problem werden mußte. Dies gilt nicht zuletzt auch von der Lehrüberlieferung zum Thema der Heilsbedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu. Dieses Chaos in einer dogmatisch haltbaren Weise zu meistern und zu ordnen, war ein unmögliches Unternehmen. Das Problem kompliziert und verschärft sich ihm zudem dadurch, daß es ihm beständig in der noch umfassenderen Frage nach dem Verhältnis zwischen «Tradition» und Schrift entgegentritt. Von wieviel schwerem Ringen mit den Problemen zeugt der Ausspruch des Origenes: Nicht nur im Alten, sondern auch im Neuen Testament gebe es den tötenden Buchstaben 26 ! 24 Diese die Theologie des C 1 e m e n s beherrschende Anschauung ist Protrept. 7. 3 folgendermaßen formuliert: ... E3tE\f'UV1J
296
Zu einer sachlichen Entwirrung des Knäuels ist für ihn der Weg in jeder Weise versperrt; denn es fehlt begreiflicherweise völlig eine durchgreifende Erkenntnis vom Wesen der Ge s c h ich t e der ganzen Tradition. So bleibt ihm der ganze Tatbestand im Grunde rätselhaft. Durch sein intensives Erforschen der kirchlichen Tradition gerät er also in eine widerspruchsvolle Lage: Er kennt diese Tradition vielleicht besser als irgendwer in der Kirche seines Zeitalters, und als treuer Sohn dieser Kirche fühlt er sich auch zum grundsätzlichen Festhalten an ihr unentwegt verpflichtet. Und doch kann er, da er des WiderspruchsvollChaotischen nicht Herr zu werden vermag, davon nicht leben und geistig daran Genügen finden. So ist er erst recht aus innerer Notwendigkeit wie Clemens darauf angewiesen, außerhalb ~ieses problemati_schen Bereichs dogmatisch festen Fuß zu fassen. Sichere Grundlage wird ihm die neuplatonische Philosophie. Und was er von dieser Grundlage aus durch die Kunst der Umdeutung aus dem Schatz der kirchlichen Tradition zu assimilieren vermag, das wird ihm persönlich als Inbegriff der christlichen Wahrheit erkenntnismäßig gewiß. Die Fülle aber der Tradition als solche mit ihrer ungeklärten reichen Mannigfaltigkeit und ihren Widersprüchen bleibt Gegenstand des bloßen Glaubens. Ist so Objekt des Glaubens immer das Unverstandene, so muß sich notwendig die Erkenntnis dem Glauben überordnen. Und was in diesem Zusammenhang nun das Wesentliche ist: Im System der Erkenntnis spielt bei Origenes irgend eine Lehre von der Heilsbedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu keine Rolle mehr. Er selber erläutert mehr als einmal gerade an diesem Sachverhalt den Unterschied von Glauben und (höherer) Gnosis, «somatl~chem» und «pneumatischem» Evangelium: Nur der einfältige Glaube hält sich lediglich an den gekreuzigten Christus; hier gilt der Grundsatz I Cor 2, 2, wonach der Prediger des Evangeliums («unter den Fleischesmenschen», fügt Origenes von sich aus bei!) «von nichts weiß als von Jesus Christus, und zwar dem Gekreuzigten». Und so breitet Origenes selber als kirchlicher Lehrer immer wieder die Fülle der Tradition zur Belehrung und Erbauung der Gläubigen aus, ganz nach dem Bedürfnis des jeweiligen Moments, und oft genug ohne sich viel um die Widersprüche zu kümmern, die dabei unvermeidlich auftreten. Der fortgeschrittene, vollkommene christliche Gnostiker dagegen hat volles Genügen an der reinen Erkenntnis des göttlichen Logos und vermag in dies e m Sinne wiederum mit Paulus zu sagen: «Wenn wir auch den Christus nach dem Fleische gekannt haben, so kennen wir ihn jetzt nicht mehr so» (II Cor 5,
297
16) 27 • Dies ist die Art und Weise, wie Origenes die grundsätzliche Preisgabe der Lehre von der Heilsbedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu vollzieht. Daß es falsch wäre, die Stellungnahme der Gnosis und der christlichen Alexandriner zur überlieferten Lehre von der Heilsbedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu ausschließlich und in erster Linie erklären zu wollen aus einer Übermacht der die urchristliche Tradition zurückdrängenden Einflüsse des Hellenismus 28 , zeigt schließlich das V erhalten der Großkirche im Streit gegen die Arianer. In diesem Streit kämpft die Kirche nicht nur gegen die arianische Lehre von der Person Christi. Vielmehr lautet ihr Einwand gegen den Arianismus, in seinem vollständigen und wesentlichen Sinn erfaßt, dahin: Dieser vertrete eine Auffassung vom Wesen der Person Christi, die es unmöglich mache, ihm als sein Erlösungswerk das zuzuschreiben, was die Großkirche darunter versteht; ist Christus nur Geschöpf, dann konnte er nicht Erlöser der Geschöpfe sein, sondern bedurfte selber der Erlösung. Dieses 0 r i g e n e s (Comm. I, § 43 in J oh): 11L6rrEQ ö.vayxai:ov, JtVE'UfW'tLKiiic; xat :X:QLO''ttavt~nv. xat örrou llEV :X:QlJ 'tO O'CO!l!l'tLXOV X'I]QU!H1ELV ruayy€J..tov, q>aaxov'ta «lll]ÖEv EtMvm» ev 'toi:c; O'aQxlvotc; «1\ 'l'l]ooiiv :X:QLO'tOV xal 'tOÜ'tOV EO''tUUQ
aro~-ta-nxiiic;
298
Argument ist von einer neuen Theologie aus formuliert 29 , die Erlösung im wesentlichen als «Vergottung» des Menschen versteht und daher voraussetzt, daß im Erlöser göttliche Substanz mit dem Wesen des Menschen «physisch» vereinigt sei 30 , womit auch· die Möglichkeit gegehen ist, daß durch seinen Kreuzestod die die Erlösung vermittelnden sakramentalen Substanzen geschaffen werden. Arius kann diese neue Erlösungslehre legitimerweise nicht vertreten, da ihm die ihr entsprechende Auffassung vom Wesen der Person Christi in der Tat fehlt. Sein Verbrechen besteht aber nur darin, daß er in einer Zeit, da die Mehrheit der kirchlichen Theologen nunmehr auf dieser in Wahrheit lange schon gehahnten und wohlgepflasterten via moderna zu marschieren beginnt, auf der in Verfall befindlichen via antiqua bewußt zurliekgeblieben ist. Das wird ersichtlich u. a. aus dem, was er als seine Lehre von der Heilsbedeutung des Todes Jesu vertritt. Besitz~n wir hieriiher auch nur wenige direkte Nachrichten, so zitiert doch Athanasius selber einmal eine arianische Aussage, nach welcher Christus uns von dem «Fluche» erlöst hat (vgl. Gal 3, 13) 31 • Dies ist ein Satz aus dem Gedankenkreis der alten Lehre. Und daß es bei Arius nicht der einzige war, läßt schon des Athanasius ganze Polemik gegen Arius erschließen, wird aber bestätigt durch alles, was man in dieser Hinsicht bei dem den Arianern ursprunglieh nahe stehenden Euseh von Caesarea findet. Auch dieser weicht der neuen Erlösungslehre und ein überwältigender Einfluß des Hellenismus so und so viele einzelne überlieferte kirchliche Vorstellungen über die Wirkungen des Todes Jesu gar nicht unbedingt zu verdrängen. Vielmehr bot dieser manchen christlichen Vorstellungen sogar selber Anknüpfungspunkte, die denn auch benützt wurden: Origenes hat «eine Fülle antiker (heidnischer) Vorstellungen in bezug auf Sühne und Erlösung in die Kirche einzuschleppen geholfen, indem er überall irgendeine Bibelstelle fand, an die er anknüpfte» (A. Harn a c k, S. 683). Die primäre Ursache, die Origenes veranlaßte, in seinem, den reinen Glaubenswahrheiten übergeordneten hellenistischen religionsphilosophischen System die Lehre von der Heilsbedeutung des Todes und der Auferstehung Jesn auszuschalten, lag in der innern Problematik dieser überlieferten christlichen Lehre selbst, die Origenes schwerer als andere kirchliche Theologen zu spüren bekam gerade deshalb, weil er energischer als andere diesen Traditionen nachging. 29 At h an a s i u s (Orat. c. Arian. II, 69, MG XXVI, 293): :rtaJ.tv TE Et %'tLOf1U fjv ö ui6~, Efl.E'VE'V ö iiv~QW:rto~ oui\Bv ~nov ~'V'I]'t6~, !LTJ ouva.m6f1Evo~ ,;0 ~E0. ou yuQ %'tLOf1U cruvfjmE ,;u %TLCJf1a.'ta. ,;0 ~E0, ~l']'tOU'V %UL a.u,;o ,;ov ouvam:ov ra.. oUI38 1:0 f1EQO~ ,;Tj~ %'tLCJEW~ CJW't'I]QLa. ,;Tj~ %'tLCJEW~ Cl.v E'tl'], ÖEOf.tE'VO'V %at a.u,;o OW'tl']Qia.~. 30 At h an a s i u s (Orat. c. Arian. II, 70, MG XXVI, 296): OU% Cl.v E~EOJtOLTJ~'I] ö liv~Qw:rto~, Et f.tTJ cpuCJEL E% ,;ou :rta'tQO~ %UL aÄ.'I]~L'VO~ %UL töLO~ a.thoii fjv ö i..6yo~, ö yfv6f1E'VO~ aaQ;. Ötu ,;ou,;o yaQ 'tOLUU't'l] yeyovEv f] ouvaqJT), tva. 1:0 %U'tU cpuaLV ,;Tj~ -&e6't1']'t0~ auval)Jn 'tO'V qJUOEL liv~QW:ItO'V,%UL ßeßa.ia. YE'Vl']'tll.L f] (J(O'tl']QLU %UL r, ~E01tOL'IJOL~ mhou. 31 At h an a s i u s (Orat. c. Arian. li, 68, MG XXVI, 292): &.A.A.' i)Mva.,;o, cpa.cri, %a.t %'tLOJ.l.a.'to~ öno<; ,;oü ow,;fit>o~ J.t6vov Ebt~::iv ö ~Eo~ %at A.uoa.L ,;i)v %U'tUQav.
21
299
dem ihr entsprechenden neuen Dogma von der (sakramentalen) Heilshedeutung des Todes Jesu aus. Aber die verschiedenen Einzelthesen der alten, auf Paulus zurückgehenden Lehre vom Kreuzestod Jesu finden sich in seinen Schriften verhältnismäßig häufig und in mannigfachen Abwandlungen 32. - Es nützL nun aber Arius gar nichts, daß er sich gegenüber der neuen nicaenischen Theologie an diesem Punkte als gut altgläubig ausweisen kann. Und vor allem nützt es ihm nichts, klar zu machen, daß Christus, um im Sinne der altüberlieferten Lehre sein Heilswerk in Kreuzestod und Auferstehung vollbringen zu können, gar nicht Gott im strengen Sinne zu sein brauchte, da es vielmehr lediglich darauf ankomme, daß er sowohl als der präexistente Weltschöpfer wie auch als der Erlöser als von Gott beauftragtes und bevollmächtigtes «Ürgan» handle 33 • Mag diese Auffassung auch durchaus schriftgemäß sein 34 , ja tatsächlich sogar schriftgemäßer als die neue nicaenische Lehre, es nützt dennoch alles nichts, und zwar deshalb, weil für die Gegner des Arius nunmehr einzig die neue Lehre von der Erlösung als der V ergottung des Menschen und die ihr entsprechende Auffassung von Person und Heilswerk Christi entscheidend ins Gewicht fällt. Dies ist aber untrügliches Symptom für die nunmehr vorherrschende Einstellung der gesamten nichtarianischen Großkirche zum Inbegriff der alten, auf Paulus zurückgehenden, aber im Enteschatologisierungsprozeß der Auflösung verfallenden Lehre von der Heilsbedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu: Sie bestreitet diese Lehre nicht; aber sie läßt sie nicht mehr als das Wesentliche und Primäre gelten, sondern anerkennt ihre Sätze nur noch als sekundäre Beigabe zu der nun ent15cheidend in den Vordergrund gestellten Vergattungslehre und der ihr entsprechenden neuen sakramentalen Auffassung von der erlösenden Wirkung des Todes Jesu. Damit fällt diese Großkirche grundsätzlich doch zutiefst die gleiche Entscheidung über die alte Lehre wie 32 Das alles macht verständlich, daß das gegen Arius ausgesprochene Anathema des Nicaenum ·325 keinen einzigen arianischen Satz über die Heilsbedeutung des Todes Jesu verdammt oder auch nur kritisiert. 33 A r i u s bei At h a n a s i u s , Orat. c. Arian. II, 68 (siehe Zitat S. 299, Anmerkung 31). Ale x an der von Ale x an d r i e n gibt als arianische Lehre den Satz wieder (Rundschreiben von a. 319, MG XVIII, 575): ÖL' TJftÜ~ y&.Q nmotrp:aL (sc. ö vt6~), 'Lva f!~tä~ ÖL' a\rroü ffi~ ÖL' ÖQyuvov x-rton ö 1te6~. Ebenso referiert At h a n a s i u s (Orat. c. Arian. I, 26, MG XXVI, 65): ELQi]xa-rE '(UQ, llQyavov 8av-r!p -rov vtov EX -roü ftTJ llvro~ xa-reoxeuaoev, 'Lva ÖL' mhoü nmi]on -ra nav-ra. 34 Man denke nur schon an die neutestamentlichen Aussageil über Christus als den «Knecht Gottes».
300
Origenes, sie tut es nur in anderer Form und jedenfalls weniger systematisch, bewußt und folgerichtig. Die Entscheidung wird offenbar und wirksam als Tendenz einer spontanen Reflexbewegung, ausgelöst durch den Widerstand einer «Häresie». Dem entspricht, daß man zwar um diese Zeit nach dem Bericht des Pamphilus von Cäsarea dem Origenes alle möglichen Häresien zum Vorwurf macht, nicht aber - merkwürdigerweise seine These, daß das Heilswerk Christi in seinem Tod und seiner Auferstehung für den vollendeten christlichen Gnostiker keine wesentliche Bedeutung habe 35 • Einen Augenblick könnte man meinen, auch ein Autor wie Lactanz habe die alte Lehre vom Heilswerk Christi grundsätzlich preisgegeben, da er in seinem apologetischen Werk die ganze Fülle dieser überlieferten Gedanken fast völlig beiseite läßt und statt dessen Leiden und Tod Jesu bald allegorisiert 36, bald lediglich im Sinne des ethischen Vorbilds wertet 37 • Indessen verfährt er hier selber bewußt nach dem von ihm in der Kritik an den Werken früherer christlicher Apologeten geltend gemachten Grundsatz, daß man in apologetischen Schriften, in denen man zu den Heiden spricht, nicht von den eigentlichen christlichen Mysterien reden soll 38 • Eine grundsätzliche Preisgabe der alten Lehre vom Heilswerk Christi wäre auch erstaunlich bei einem Theologen wie Lactanz, der in seiner Zeit in wichtigen Dingen nicht weniger altertümlich anmutet als Arius.
35 Siehe die Aufzählung der Häresien des Origenes bei P a m p h i 1 u s , Apologia (Routh, IV, S. 317). 36 La c tanz, div. inst. IV, 26. 37 L a c t an z , div. inst. IV, 23. 38 L a c tanz, div. inst. V, 1.
301
Zweiter Teil
Die Beseitigung der urchristlichen Lehre von der Person des Christus
Erstes K·apitel Das Wesen des Christus nach der urchristlichen Lehre (Eugelchristologie) Der Theologie des nachapostolischen Zeitalters ist das richtige V erständnis der ursprünglichen christologischen Lehre von vornherein schon dadurch erschwert, daß die Deutung wichtiger christologischer Würdebezeichnungen der ältesten urchristlichen Überlieferung (älteste Schicht der Synopse, Paulusbriefe, älteste Quellenstücke der Acta) nicht von deren unmittelbar gegebenem Wortsinn ausgehen kann. Dieser Umstand ist in der israelitisch-jüdischen Herkunft und Geschichte dieser messianischen Termini «Christus», «Sohn Gottes» und «Menschensohn» begründet. Diese Namen gelten im Urchristentum, weil sie eine und dieselbe Person bezeichnen, als Wechselbegriffe und werden auch als solche verwendet: Der «Christus» ist der «Sohn des Hochgelobten» d. h. Gottes, zugleich aber der «Menschensohn» 1 . Ohne jede Schwierigkeit können die drei Bezeichnungen in der ältesten urchristlichen Überlieferung einander vertreten, wenn auch speziell Panlos nie vom «Menschensohn» redet (wohl aber vom «himmlischen Menschen»). Das eigentliche Wesen dieser Persönlichkeit ist hier weder durch irgend welche «Salbung» 2, noch durch menschliche oder gar göttliche Abstammung begründet oder bezeichnet. So können synoptische Aussagen wie Mc 8, 38 ganz selbstverständlich, ohne die geringste Problematik zu verraten oder zu erregen, von Gott als dem Vater des Menschensohnes reden. Der besondere Sinn dieser urchristlichen messianischen Bezeichnungen läßt sich nur erheben aus dem Gesamtsinnzusammenhang der Mc 14, 61; 8, 38. Lc 4, 18 ist sekundäre Sondertradition. Von Salbung ist hier in einem alttesta· mentlichen Zitat die Rede, nnd zwar handelt es sich um die «Salbung» des Propheten mit dem Geist. 1
2
302
Aussagen der ältesten Quellen, in denen sie eine Rolle spielen, und aus ihrem offenkundigen sachlich-historischen Zusammenhang mit den entsprechenden Anschauungen der spätjüdischen Apokalypsen. Grundlegend ist die Kennzeichnung des «Christus» als des königlichen Herrschers 3 • Der Name «Sohn Gottes» setzt ihn in eine besonders nahe Beziehung zu Gott, wobei jedoch nicht an eine göttliche Zeugung gedacht ist 4 • Vielmehr ist schon aus den Aussagen der synoptischen Überlieferung 5 und des Paulus 6 über den «Sohn Gottes» erkennbar, was auch aus dem IV. Esra ersichtlich wird 7, daß diese besondere Beziehung des messianischen Herrschers zu Gott auf seiner Er w ä h I u n g durch ·Gott beruht. Ausdrücklich bestätigt wird der Erwählungsgedanke durch die Aussagen der Henochapokalypse über d·en «Menschensohn», zu denen die synoptische Menschensohnchristologie geschichtlich in engster Beziehung steht. Hier heißt der Menschensohn «der Auserwählte» 8 • Den henochisch-altsynoptischen Aussagen über den «Menschensohn» kommt überhaupt eine entscheidende Bedeutung zu für die genauere Erfassung der Grundzüge der urchristlichen Lehre von der Person des Christus. Daß der messianische «Menschensohn» durch göttliche Erwählung in die nächst Gott selbst höchste himmlische Würdestellung («zur Rechten Gottes») gelangt, liegt an den außerordentlichen Machtbefugnissen, die Gott ihm überträgt : Durch göttlichen Auftrag und Vollmacht wird der Menschensohn zum übernatürlichen Weltherrscher des übernatürlichen neuen Äon der zukünftigen Welt (Bezwinger der satanischen Mächte, Weltrichter etc.). Daß der Menschensohn aber nur durch Er w ä h I u n g in diese einzigartige Stellung gelangen kann, hä~gt daran, daß er von Haus aus ein kreatürliches Wesen neben andern ist,
5
Mc 12, 35 f.; 15, 32; I Cor 15, 25. Siehe besonders Mt 11, 27. Mc 1, 11 (Lc 9, 35; 23, 35).
6
Rml,4.
3 4
Siehe IV. Es r a 13, 25 ff. Es liegt kein zwingender Grund vor, diese Stellen als unecht zu erklären . . 8 He noch 46, 3: «Dies ist der Menschensohn, der die Gerechtigkeit hat, bei dem die Gerechtigkeit wohnt, und der alle Schätze dessen, was verborgen ist, offenbart; denn der Herr der Geister hat ihn auserwählt.» 49, 2 ff.: «Denn der Auserwählte steht vor dem Herrn der Geister, und seine Herrlichkeit ist von Ewigkeit zu Ewig· keit ... auserwählt ist er vor dem Herrn der Geister nach seinem Wohlgefallen.>> 51, 3: <
303
genauer, nach henochischer Anschauung: ein Wesen der höhern Engelwelt9. Die Erkenntnis, daß der spätjüdische apokalyptische Messi~ höheres Engelwesen ist, ist nicht neu. Beispielsweise W. Bousset, A. Harnack, Alb. Schweitzer und Rud. Otto haben in neuerer Zeit auf diesen Sachverhalt hingewiesen 10 • Allein man hat in der Auffassung der Ein.zelheiten der urchristlichen Lehre von der Person des Christus diese ihre nächste religionsgeschichtliche Voraussetzung viel zu wenig mit in Betracht gezogen. Dies trotzdem nicht nur der Zusammenhang der urchristlichen Christologie mit dem Messiasbild der spätjüdischen Apokalyptik anerkanntermaßen offenkundig zutage liegt, sondern sowohl in der S~ps~ie ~l-~~11!~s in mehreren Einzelheiten die Auffassung des Messias als eines höhern Engelwesens sich deutlich bekundet 11 • J\uch in der ~e wird der Menschensohn als Engelfürst dargest~Er erschemt mit der Schar seiner «heiligen Engel», die ihm als dienende, untergeordnet~:iltefiir~hr~g seiner Aufgabe zur Verfügung stehen 12 • Kraft göttlicher Erwählung ist der Menschen9 He noch 46, 1: «Ich sah dort den, der ein betagtes Haupt hat, und sein Haupt war weiß wie Wolle; bei ihm war ein anderer, dessen Antlitz war voll Anmut gleich eines von den heiligen Engeln.» 61, 10: wird «der Auserwählte» ausdrücklich eingerechnet unter <
304
sohn mehr als ein gewöhnlicher Dienstengel (angelos). Für das Verständnis dieser apokalyptisch-urchristlichen Auffassung vom Messias ist es unerläßlich, den Zusammenhang der Christologie mit der Vorstellung einer streng hierarchisch gestuften, vielschichtigen Ordnung des himmlischen Engelreiches zu beachten, wie sie der ausgebildeten Engellehre der spätjüdisch-altchristlichen Apokalyptik eigen ist. Hier ist der gewöhnliche allgemeine Name «Angelos» zur besondern Bezeichnung der Engelwesen einer niedern, hierarchischen Stufe geworden. Über alle diese niedern Engel ist der Messias-Menschensohn erhaben und sie sind ihm untertan. Dies aber nicht deshalb, weil er selbst kein Engelwesen wäre, sondern weil er durch Gott zur Ausführung eines besondern Auftrags aus den Scharen der Engel erwählt und an die Spitze der hierarchischen himmlischen Ordnung gestellt worden ist. Daß der himmlische Christus nicht von Anfang an an dieser Spitze stand und diese höchste Würde- und Machtstellung auch nicht in alle Zukunft behalten wird, sondern nur vorübergehend durch Gott zur Erfüllung einer besondern Aufgabe mit ihr betraut worden ist, sagt Paulus selbst sehr deutlich 12a. Schon dieser grundlegende Zug der paulinischen Christologie bekundet, daß auch für sie, entsprechend ihrem Zusammenhang mit der spätjüdischen Apokalyptik, der Christus ein (höheres) Engelwesen ist. Aber auch davon abgesehenegibt es bei Paulus entscheidende Argumente nur für, nicht gegen diese Auffassung. Die Ewigkeit des ungewordenen göttlichen Seins kommt nach Paulus dem Christus nicht zu. Auch der präexistente Christus ist als Kreatur «geworden" und kann in dieser Hinsicht als der zweite. Adam in Analogie zu dem ersten geschaffenen Adam gestellt werden 13 • Zwar existierte der präexistente Christus «in göttlicher Gestalt»; aber Paulus selber verneint, daß damit ein «Gott gleich sein» im strengen Sinne behauptet sein könnte, durch das der Christus wesensmäßig ebenso streng von allen andern Kreaturen, nicht bloß den Menschen, sondern auch der Engeln prinzipiell unterschieden wäre 14 • Es ist daher falsch, aus der Bezeichnung des Christus als des «Ehenbildes» Gottes einen derartigen Unterschied ableiten zu wollen, etwa in dem Sinne, daß der Christus gegenüber aller andern Kreatur als eine unmittelbare Emanation Gottes ausgezeichnet wäre 15 • Ebensowenig Phil 2, 9 ff.; I Cor 15, 28. I Cor 15, 45. · 14 Phil 2, 6. 15 So deutet M. B r ü c k n e r (Die Entstehung der paulinischen Christologie, S. 78 f.) die Etx.oov ~oü hoü II Cor 4, 4. 12a 1~
305
läßt sich derartiges schließen aus dem messianischen Namen «Sohn Gottes». Daß der paulinische Christus «Sohn Gottes» heißt, hat er gemeinsam mit andern Engelwesen 16, und «Ebenbild» Gottes ist nach Paulus selbst auch der Mann, nicht nur der Christus 17 • Sehr zu beachten ist, daß nicht einmal die Aussage, «durch ihn» seien alle Dinge geworden 18, den Christus den Engeln als Gott wesensmäßig überordnet. Zunächst steht die Auffassung von Christus als dem Schöpfungsmittler in gewisser Hinsicht in Parallele zu den andern paulinischen Aussagen, durch die der Apostel in Übereinstimmung mit spätjüdischen Anschauungen die Verwaltung und Regierung der Welt bestimmten Engelmächten zuschreibt und auch das Sinaigesetz dem Volk Israel nicht durch Gott, sondern durch Engel gegeben sein läßt. Alle diese Anschauungen sind in gleicher Weise Ausdruck der spätjüdischen Tendenz zu jener Transzendentierung Gottes, durch die jedes unmittelbare Eingreifen und Einwirken Gottes in die Welt und ihren Lauf ausgeschaltet werden soll. Die Aussage, daß auch schon die Schöpfung der sichtbaren Welt nicht durch Gott selbst («aus dem» zwar letztlich doch alle Dinge irgendwie kommen, I Cor 8, 6), sondern durch den Christus erfolgt sei, bringt diese Transzendentierung lediglich zum folgerichtigen Abschluß. Zugleich aber läßt sie den zu kosmischer Bedeutung erhobenen himmlischen Christus als ein Erzeugnis jener Mittelwesenspekulation erkennen, die durch die Tendenz zur völligen Transzendentierung Gottes ganz unvermeidlich veranlaßt wurde und sich uns konkret eben in der vom Spätjudentum so weitschichtig ausgebildeten Engellehre darstellt. Die unzweideutige historische Bestätigung dieses ganzen Sachverhalts haben wir in der Tatsache, daß sogleich in der frühsten nachapostolischen Zeit die ältesten (gnostischen) Häresien, die besonders energisch an der Lehre des Paulus festzuhalten suchen, mit großer Selbstverständlichkeit ausdrücklich Enge I zu Weltschöpfern machen 19 • Soweit sie mit dieser Lehre von den Weltschöpferengeln über Paulus hinausgehen, tun sie dies doch nur so, daß sie ihre Auffassung von der He n o c h 6, 2 sind Engel als <
17
306
Weltschöpfung in innere Übereinstimmung bringen mit den Tendenzen der von ihnen grundsätzlich übernommenen paulinischen Auffassung von dem Erlaß des Sinaigesetzes durch die Engelmächte. Eben um dieser scharf dualistischen Tendenzen willen lehnt dann die Kirche beides ab: die paulinische Lehre von der Engelgesetzgebung nicht weniger als die gnostische Lehre von der Weltschöpfung durch die Engel. Sonderbarerweise ist bisher viel zu wenig beachtet worden, daß die urchristliche Übertragung des Kyriostitels auf den Christus offenkundig zusammenhängt mit der Auffassung des Christus als eines höhern Engelwesens. Diese Erkenntnis wurde lange verhindert durch die voreilig gebildete Meinung, es handle sich einfach um die Übertragung des Gottesnamens der Septuaginta auf den Christus, dann neuerdings durch den V ersuch, den Kyriostitel als Messiasnamen unter Beiziehung hellenistischer Analogien aus der Entwicklung des urchristlichen Kultus zu erklären 20 • Bei der Ableitung aus der Septuaginta übersah man, daß Paulus zwar allerdings Aussagen der Septuaginta über den ,
307
Auch die spätjüdische Apokalyptik kennt die Bezeichnung «Herr» als traditionellen Gottesnamen 23 • Aber die Übertragung des Kyriostitels auf die Engel kündigt sich bereits an in der Bezeichnung Gottes als des «Herrn der Herren» 24 • Und im IV. Esra ist «Herr» häufige Engelbezeichnung. Dementsprechend nennt sich der Apokalyptiker im Gespräch mit dem Offenbarungsengel, wie Paulus sich selbst im Verhältnis zum Christus, dessen «Knecht» 25 • Ebenso wird in der Baruchapokalypse der Offenbarungsengel von Baruch, dann aber auch der Engelfürst Michael von den niedern Dienstengeln als «Herr» angesprochen 26 • Auch in der altchristlichen Apokalypsenliteratur hat sich diese Übertragung des Kyriostitels auf die Engel erhalten. Schon Apoc Joh 7, 13f. ist doch wohl hiefür ein Beleg 27 • Ganz klar bezeugt ist aber der Tatbestand in apokalyptischen Schriften wie dem «Hirten» des Hermas 28 , in einer Stelle der Ascensio Jesajae, die in anderm Zusammenhang noch näher zu erörtern sein wird 29 , in der Sophoniasapokalypse so und in der Apokalypse des Abraham 31 • Aus den nichtapokalyptischen Belegen der nachapostolischen altchristlichen Literatur sei hier nur einer um seiner frappanten paradoxen Eigentümlichkeit willen festgehalten. Es handelt sich um die von dem Gnostiker Justinus geschilderte Szene, in welcher der Engel Baruch, der dritte der Vaterengel des Paradieses, dem zwölfjährigen Jesus, dem Sohn Josephs und der Maria, erscheint, wo dieser auf der Weide die Schafe hütet. Hier redet J esus selber den Engel Baruch mit «Kyrie» an 32 !
.
23 So beispielsweise He noch 5, 4; 9, 4; 10, 4. 9. 9. 11; 14, 24; 81, 3; 97, 5; 98, 11. IV. Es r a 3, 4; 5, 23. 28; 6, 38. 55. 57; 8, 10. 24 H e n o c h 9, 4. Dementsprechend erscheinen H e n o c h 61, 10 die liyyef..ot -cij~ KUQLO"CTJ"CO~ als eine besondere Klasse der Engelhierarchie. 25 IV. Es r a 4, 3. 5. 22. 38. 41; 5, 33. 34. 35. 38. 56; 6, 11. 33; 7, 3. 10. 75, 132. 26 G r i e c h. B a r u c h 3. 4. 5. 6. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 27 V gl. W. B o u s s e t zur Stelle (Kommentar zur Apok. Joh., 1906, S. 285): «Die Anrede (sc. KUQLE) hätte, wenn die ngeoßungoL nur Vertl'eter der Gemeinde sein SC)llen, etwas Befremdliches und läßt darauf schließen, daß die :n:geoßungot als Engelwesen gedacht sind.» 28 Ganz wie der Offenbarungsengel im IV. Esra, so wird von Her m Ii s häufig der Bußengel als <
308
Zwischen den Zeugnissen der spätjüdischen und der altchristlichen Apokalypsen liegen nun aber einige deutliche Belege der neutestamentlichen Überlieferung. Act 10, 3 f. redet Cornelius den ihm erscheinenden Engel mit «Kyrie» an und mit derselben Anrede antwortet Petrus Act 10, 13 einer anonymen Himmelsstimme. Besonders beachtenswert ist aber die Stelle Act 9, 5. Hier erkennt Paulus den ihm auf dem Wege nach Damaskus erscheinenden verklärten Jesus zunächst nicht und muß daher fragen: .«Wer bist du?» Allein, er spricht die ihm noch unbekannte himmlische Erscheinung ohne weiteres mit «Kyrie» an. Klar ist ihm vorerst nur, daß er es mit einem himmlischen Wesen (sicher aber nicht mit Gott selbst, der im Spätjudentum nie mehr so erscheint!) zu tun hat. Und einem solchen gebührt auf alle Fälle die Anrede «Kyrie». In all dem handelt es sich tatsächlich durchaus nicht um eine dogmatisch belanglose bloße Höflichkeitsform, die der Mensch im Verkehr mit den Engeln als überirdischen Wesen zu wahren hat. Diese Auffassung ist unmöglich gemacht durch die Tatsache, daß sich der Kyriostitel zur Bezeichnung einer Engelklasse der himmlischen Hierarchie entwickelt hat. Mehrfach begegnet der Titel in diesem Sinn im Neuen Testament in der Form «Kyriotes» 33 • Etwas anderes als eine Engelklasse bezeichnet dieser Ausdruck im Neuen Testament überhaupt nicht. Aber auch der Name Kyrios ist in diesem Sinne belegt. Wir sind hier nicht einmal· auf spätere Belege angewiesen wie die bereits erwähnte Stelle aus der Sophoniasapokalypse, die ausdrücklich redet von Engeln, die «als Kyrioi bezeichnet» oder auch «angerufen» werden, Kyrioi «heißen» 34, oder die Pistis Sophia, die in ihrer Aufzählung der Engelklassen die «Kyrioi» neben die Erzengel stellt 35 • Das Nämliche bezeugt schon Paulus selbst, wenn er I Cor 8, 5 von den vielen «Kyrioi» redet, die es neben den vielen «Göttern» tatsächlich gibt, denen er nun aber den Christus als den Einen Kyrios gegenüberstellt, mit dem es die Gläubi, gen begreiflicherweise einzig zu tun haben wollen, womit er jedoch faktisch den Zusammenhang der spätjüdisch-urchristlichen Christologie mit der apokalyptischen Engellehre bezeugt. Unter den vielen Kyrioi-Engeln ist Einer als der von Gott zum Christus, zum Weltherrscher der Endzeit «Auserwählte» in einzigartiger Weise ausgezeichnet. Paulus meint - als etwas für sein spätjüdisch-apokalyptisches Denken Selbstverständliches - nichts anderes, als was gelegentlich in anderer Form auch in aa Siehe Eph. 1, 21; Col1, 16: Jud 8: II Pt 2, 10. c I e rn e n 8 AI e x. (a. a. 0.): EihlOOQO\JV a:yyz!J.. ou\; 35 P i 8 t i s S o p h i a 1, 2.
34
XClAOUflEvOU\; X\J(ILO\J\;.
309
der spätjüdischen Henochapokalypse und, wiederum anders, in der christlichen Ascensio Jesajae zutage tritt. Henoch 61, 10 wird der Christus ohne weiteres in die Engelscharen eingereiht und dabei vor allem zusammen genannt mit den «Engeln der Herrschaften» (li:yydm 1:&v XUQLO'tf). 1:rov), aber als «der Auserwählte», der den Thron Gottes als Weltrichter besteigen wird und der Anbetung würdig ist. Und die Ascensio Jesajae zeichnet folgende charakteristische Szene: Im Moment, da Jesaja auf seiner Himmelfahrt durch die Engelheere der fünf untern Himmel in die höchste Region, in den sechsten und siebenten Himmel aufzusteigen im Begriffe ist, in den unmittelbaren Machthereich Gottes, in dem mit ihm der höchste Engelfürst Christus und der Engel des heiligen Geistes regieren, redet J esaja den ihn begleitenden Engel mit der Frage, was es hier zu sehen gehe, unbefangen als «Kyrie» an. Da weist der Engel diese Anrede zurück: «
310
J
e s. 8, 4 f.
im nachapostolischen Zeitalter Jahrhunderte voll leidenschaftlichen gewaltigen Dogmenstreits kaum fertig zu werden vermochten, gerade in der entscheidenden Zeit der Entstehung des neuen Christusglaubens, im Urchristentum selbst, überhaupt nichts zu bemerken ist. Die Behauptung, die im nachapostolischen Zeitalter in so gewaltigen Erschütterungen sich auslebende Problematik des christologischen Dogmas sei im Urchristentum keimhaft latent angelegt gewesen, ist eine in jeder Hinsicht unerweisliche Hypothese, mit der man das große geschichtliche Paradox auf wohlfeile Manier loszuwerden trachtet. Die Hypothese einer latenten christologischen Problematik des Urchristentums, wie immer man sie ausführen mag, ist nichts als ein Nebel, mit dem man sich völlig verdeckt, was im christologischen Dogma des Urchristentums und im Sachverhalt seines geschichtlichen Zusammenhanges mit der Messiaslehre der spätjüdischen Apokalyptik offenkundig vor aller Augen zutage liegt. Sobald man von diesem konkret und tatsächlich gegebenen und feststellbaren Geschichtlichen ausgeht, wird ersichtlich, daß jene christologische Problematik der nachapostolischen Jahrhunderte mit ihrem so verworrenen Knäuel von dogmatischen Schwierigkeiten im Christusglauben des apostolischen Urchristentums auch nicht latent, sondern gar nicht vorhanden ist. Sie ist hier nicht vorhanden, weil zu ihrer Entstehung überhaupt kein Grund ersichtlich und wirksam ist. Daß aber jeglicher Grund oder Anlaß hiezu fehlt, liegt an der Tatsache, daß nach der urchristlichen Grundauffassung der Christus ein hohes Engelwesen ist. Denn diejenigen christologischen Fragen, die für das Urchristentum im Augenblick der Entstehung des neuen. Messiasglaubens als des Glaubens an den Messias, den Christus Jesus von Nazareth, entstehen können und wirklich entstehen, sind ohne die Mühe des Umwegs über irgendwelche dogmatische Diskussion in befriedigender Weise lösbar und nach Ausweis der ältesten Quellen auch tatsächlich gelöst mit den in der Grundanschauung von Christus als einem hohen Engelwesen traditionsgemäß gegebenen Mitteln. Ist für das Urchristentum, für das Judenchristentum der urapostolischen Gemeinde ebenso wie für Paulus, der Christus in Übereinstimmung mit der spätjüdischen Apokalyptik ein Wesen der höhern Engelwelt, von Gott erschaffen und auserwählt zu der Aufgabe, am Ende der Zeiten den neuen Aeon des Reiches Gottes im Kampf mit den Geistermächten der bestehenden Welt heraufzuführen, so braucht irgendein neues Problem in bezug auf das Verhältnis des Christus zu Gott überhaupt nicht zu entstehen. Tatsächlich entsteht ein solches auch
311
nicht. Die Frage nach diesem Verhältnis ist für das Urchristentum so gelöst, wie sie für das apokalyptische Spätjudentum gelöst ist. Weder für dieses noch für jenes gibt es irgendwelche «trinitarische» Fragestellungen im Sinne des nachapostolischen Zeitalters. Und so werden auch keine solchen diskutiert. Weit entfernt davon, auch nur in latenten Ansätzen irgendwie vorhanden zu sein, können sie überhaupt erst entstehen, wenn die grundlegende Auffassung von Christus als dem hohen Engelwesen durch eine prinzipiell andersartig.e ersetzt wird. Klar ist jedoch, daß von der Engelchristologie her für den neuen urchristlichen Glauben an die Messianität Jesu von Nazareth als neues Problem sich die Frage stellen muß, wie das Verhältnis des Christus zu diesem geschichtlichen Menschen zu denken sei: Wie kann Jesus von Nazareth als der Christus gelten, wenn dieser ein hohes Engelwesen ist? Wie sich das Problem für Jesus selbst von seinem messianischen Berufungsbewußtsein aus stellte, zeigt Mc 12, 35-37: Ist der Christus Davids «Herr», gehört er also einer höhern Ordnung an, wie kann er zugleich Davids Sohn sein? Das Bewußtsein der messianischen Berufung Jesu läßt sich also nicht eindeutig im Sinne der einfachen Identifikation Jesu als des geschichtlich-irdischen Menschen mit dem Christus als dem hohen, himmlischen Engelwesen interpretieren. Tatsächlich setzt denn auch Jesus in Worten wie Mc 8, 38 sich selbst zum «Menschensohn» in das Verhältnis nicht der einfachen Identität, sondern der Solidarität. Aber der eigentliche Sinn dieses Solidaritätsverhältnisses ist schließlich doch offensichtlich der, daß Jesus nach seiner eigenen Auffassung zwar jetzt als irdischgeschichtlicher Mensch der himmlische Messias-Menschensohn noch nicht ist, aber irgendwie künftig in Wesen und Würde dieses Menschensohnes erhoben werden soll. Oder hat er selber schon sein menschliches Dasein als die Erschei.nung des präexistenten himmlischen Menschensohnes in irdischer Niedrigkeit aufgefaßt 37 ? Jedenfalls hat die älteste synoptische Überlieferung kein einziges Herrnwort erhalten, das diese Annahme direkt be. zeugen würde, was übrigens auf keinen Fall verwundern kann. Dagegen tritt vor allem in gewissen charakteristischen Zusammenhängen dieser 3 7 A 1 b. Sc h weit z er (Geschichte der Lehen-Jesn-Forschung 1913, S. 310) hält d1es für möglich, wenn auch nicht für wahrscheinlich, und macht imhesondere darauf aufmerksam: Worte wie Mt 11, 25-30 «können aus dem Bewußtsein der Präexistenz heraus gesprochen sein>>.
312
Überlieferung 88 jene Erwartung ] esu hervor, die dann besonders in der Inkanischen Tradition über die Ereignisse im Jüngerkreis nach Jesu Tod sehr deutlich ausgesprochen wird: Daß er aus seiner irdisch-menschlichen Daseinsweise durch Leiden, Tod und Auferstehung «zu seiner (sc. des Christus) Herrlichkeit gelangen werde» 89• Mehrfach und sehr bestimmt bekundet jedenfalls die Apostelgeschichte als Lehre der ältesten Urgemeinde die Anschauung, daß der «Nazoräer Jesus», «ein Mann von Gott ausgewiesen durch Machttaten, Wunder und Zeichen» 40 , der geweissagte Prophet 41 , der «Knecht» Gottes 42 , der «Gerechte» und «Heilige» 43, durch Leiden, Tod und Auferstehung hindurch von ·Gott «erhöht», «Verherrlicht» d. h. zum Kyrios und Christus «gemacht», zum «Fürsten und Heiland» erhöht worden sei, als der er nunmehr zur Rechten Gottes im Himmel sitzt 44 • Als allererste Lösung des durch den neuen Christusglauben gestellten christologischen Problems ist also festzustellen der Gedanke einer Erhebung des Menschen Jesus von Nazareth zu Würde und Wesen des himmlischen Christus durch dessen in Tod und Auferstehung erfolgende Verwandlung. In der ältesten Überlieferung fehlt jede Spur, die verraten würde, daß diese Lösung des Problems erst auf dem Wege irgendwelcher dogmatischer Diskussionen und Auseinandersetzungen gefunden und gesichert worden sei. Tatsächlich waren solche Bemühungen überflüssig: Die Lösung brauchte nicht gesucht zu werden. Sie lag bereit, und zwar in derjenigen spätjüdisch-apokalyptischen Theologie, zu der die Lehre Jesu in engster geschichtlicher Beziehung steht: In der henochischen. In den Bilderreden Renochs begegnet man der Paradoxie, daß zunächst der himmlische Menschensohn als präexistentes hohes Engelwesen vorgeführt 45, dann aber zum Schluß berichtet wird, wie der in den Hirn· 38 V gl. Mc 10, 32-45; 14, 22-25; 14, 62. Das Beachtenswerte ist hier die Tat· sache, daß von der kiinftigen Herrlichkeit des Menschensohnes und seines Reiches jeweilen im Zusammenhang mit vorausgehenden Erörterungen des Todesleidens und der Auferstehung Jesu oder unmittelbar im Angesicht dieses bevorstehenden Todesleidens die Rede ist. Woraus ersichtlich wird, daß Jesus gerade durch seinen Tod und seine Auferstehung zur Würde des himmlischen Menschensohnes erhoben zu werden erwartet. 39 Lc 24, 26: ou:x:t "tllÜ"ta SÖEt :n:ail-EL'V "tO'V :X:(IlO'"tO'V xat ElaEA.il-EL'V EL~ -ri)v Ml;av
a'Ö'toü; 40 41 42 43
44
45
·
Act 2, 22. Act 3, 22; 7, 37. Act 3, 13 f.; 4, 27; 8, 32 ff. Act 3, 14; 7, 52. Act 2, 22. 24. 32. 33. 36; 3, 13 f., 18; 5, 30 f.; 7, 56. H e n o c h 46, 1 ff.
313
mel entrückte Henoch selbst zur Würde des Menschensohnes erhoben wird, und zwar durch eine Verwandlung, die mutatis mutandis dem entspricht, was nach urchristlicher Auffassung Tod und Auferstehung für Jesus bedeuten. Henoch erzählt nämlich: «Mein ganzer Leib schmolz zusammen, und mein Geist verwandelte sieh» 46. Bestätigt wird die urchristliche Auffassung der Erhöhung des Menschen Jesus zur Herrlichkeitsgestalt des himmlischen Christus durch Tod und Auferstehung als eine übernatürliche Verwandlung im synoptischen Verklärungsbericht Mc 9 (und Parr.). Die hier berichtete «Verwandlung» (Metamorphose) J esu in eine übernatürliche Lichtgestalt ist in der alten Kirche mit Recht in dem Sinne verstanden worden: In dieser verwandelten Herrlichkeitserscheinung zeige sich J esus den Jüngern so, wie er nachmals durch die Auferstehung verklärt worden sei und am Ende der Zeiten wiederkommen werde 47 • Paulus vertritt eine andere, kompliziertere Lösung der Frage, wie der aus Davids Geschlecht stammende Mensch Jesus als der himmlische Christus aufzufassen sei. Aber auch seine Anschauung ist durch die Grundvorstellung von der Verwand I u n g bestimmt. Das Verwandlungsschema spielt bei ihm sogar eine noch allgemeinere Rolle 48 • Zunächst bezeugt er ausdrücklich die Auffassung, daß Auferstehung überhaupt nicht bloß als Wiederbelebung des verstorbenen Menschen zu verstehen sei, sondern als Verwandlung in eine neue übernatürliche Daseinsform. Was diejenigen, die die Parusie des Christus noch bei Leibesleben erleben dürfen, durch eine übernatürliche «Verwandlung» werden sollen, das werden die in diesem Zeitpunkt bereits «in Christus» Entschlafenen durch die Auferstehung 49 : Indem der Christus die verstorbenen Gläubigen bei seiner nahen Wiederkunft auferstehen läßt, verwandelt er auch sie, wie die überlebenden Christen, in eine neue DaseinsfQrm, die der verklärten Leiblichkeit des himmlischen Christus selbst gleich oder ähnlich ist 50• Es handelt sich um die eschatologische Auferstehung, durch welche diejenigen, die der endzeitliehen Gemeinde des Messias angehören, eine «neue Schöpfung» werden und damit in 4R
H e n o c h 71, 11.
So 0 r i g e n es, in Matth. XII, 31; CI e m e n s AI e x., Exc. ex Theod. 4, 5; t r a c t. 0 r i g e n i s II (ed. Batiffoi, S. 16). 48 Man trifft bei ihm nicht nur das synoptische f1E'tttftoQ!pOiicr{}m, sondern auch uAf..aCJCJECJitttL und flE'tttCJ:X:TjflU'tLl;,EOitttL. 49 I Cor 15, 51 f. so Phil 3, 2lj II Cor 3, 18. 47
314
die übernatürliche Existenzform des anbrechenden neuen Aeon versetzt werden sollen 51 • Aber eben diese eschatologische Auferstehung hat ja bereits mit der Aufersteht~ng Jesu begonnen. Er war der erste unter vielen, die ihm nun folgen werden. Auch seine Auferstehung war also eine solche Verwandlung des Natürlichen in ein Übernatürliches, nur daß sie für ihn geradezu die Verwandlung in die himmlische Herrlichkeitsgestalt des Christus bedeutete, was Paulus in der Aussage zum Ausdruck bringt: Seit und infolge seiner Auferstehung sei Jesus eingesetzt zum «Sohne Gottes in Macht» (Rm 1, 4). Allein nun nimmt Paulus bekanntlich die Vorstellung von der Präexistenz des Christus als des hohen himmlischen Engelwesens ganz ernst, muß daher schon den irdisch-menschlichen Jesus selbst irgendwie als eine Erscheinung des himmlischen Christus auffassen. Auch hier hilft sich Paulus, das ist das Wesentliche an seiner Lösung dieses neuen Problems, mit der Vorstellung einer Verwandlung im Sinne eines Gestaltwandels. Das wird daran eindeutig erkennbar, daß Paulus geflissentlich sich so ausdrückt: Der überirdische präexistente Christus habe sich seiner «göttlichen» (himmlischen) «Gestalt» (morphe) entäußert, sie vertauscht mit der «Gestalt» eines Sklaven (sc. der weltbeherrschenden Engelmächte) d. h. er sei in menschenähnlicher Gestalt aufgetreten, habe «in seiner ganzen Haltung (cr:x:ijfA.a) einem Menschen geglichen» 52 • So habe ihn Gott gesandt «in der Gestalt des Sündenfleisches» 53 • So stellt und löst sich also zwar das Problem der Beziehung des Menschen Jesns zum himmlischen Christus im Urchristentum, für Jesus und die urapostolische Gemeinde einerseits und Paulus andererseits, in verschiedener Weise. Allein diese verschiedenen Lösungen stimmen doch darin überein, daß überall als Grundschema die Vorstellung einer Verwandlung wiederkehrt. Dies ist nun wiederum keineswegs zufällig. Daß Paulus auch für die Lösung des für ihn unausweichlich gestellten hesondern Problems, wie der präexistente Christus in dem Menschen Jesus erschienen sein könne, ganz selbstverständlich das Schema der Verwandlungsvorstellung verwerten kann, ist nur ermöglicht durch die Grundanschauung von Christus als einem hohen Engelwesen. Zum Wesen der Gottheit gehören nach spätjüdisch-urchristlicher 51 Auch nach Lc 20, 35 f. werden die zur Teilnahme am neuen Aeon Erwählten durch die Auferstehung zu engelgleichen, geschlechtslosen Wesen. 52 So übersetzt sinngemäß M. D i b e I i u s Phil 2, 7 (Handbuch z. NT von Hans Lietzmann, .Bd 111, 2. Hälfte, S. 54). 53 Rm 8, 3: ÖfA.OLWfA.a'tL O'a(?XO~ d.fA.a(?'tLa~.
ev
22
315
Theologie die Absolutheitsmerkmale der strengen Unveränderlichkeit und Transzendenz: in Gott «gibt es keine Veränderung» 54 • Wäre der himmlische Christus Gott, so könnte von ihm ein Erscheinen auf Erden ebenso wenig ausgesagt werden wie von Gott, dem Vater, selbst 55 • Wohl aber ist die Möglichkeit solcher Verwandlung den Engeln eigentümlich 56, und zwar mit Notwendigkeit deshalb, weil eben sie ja das Reich der Mittelwesen darstellen, die die Beziehungen zwischen dem schlechthin transzendenten, absoluten Gott und der Welt zu vermitteln haben. Lassen schon die jüngern Schriften des Alten Testaments nicht mehr Gott selbst, sondern nur noch die Engel in Menschengestalt auf Erden erscheinen, so setzt sich diese Tradition auch in der neutestamentlichen Literatur fort 57 • In der paulinischen Auffassung des irdischen Jesus als der Erscheinung des präexistenten himmlischen Christus ist also die Vorstellung einer Verwandlung der himmlischen in eine irdisch-menschliche Gestalt von den Engeln auf den Christus übertragen. Diese Übertragung ist nur deshalb ohne jegliche dogmatischen Schwierigkeiten vollziehbar, weil der himmlische Christus selber als ein Engelwesen gilt. Gerade so wie Paulus vom Satan sagen kann, daß er sich (in verführerischer Absicht) in die Gestalt eines Lichtengels verwandle (II Cor 11, 14), so kann er vom himmlischen Christus sagen, daß er (zum Zweck der Erlösung) vorübergehend die Gestalt eines gewöhnlichen Menschen angenommen habe. Auch der Satan gilt als ein hoher Engelfürst, der freilich von Gott abgefallen und aus den höchsten Himmeln in die untern Regionen gestürzt worden ist. Die Übertragung des Verwandlungsschemas auf den himmlischen Christus im Sinne der paulinischen Kenosislehre ist auch an andern Stellen des Neuen Testaments anzutreffen, und zwar in der besondern Form, daß der Christus J esus auch nach seiner Auferstehung und Verklärung gelegentlich in verwandelter m e n s c h I i c h er Gestalt wiederkehrt 58 • Es ist nun aber im Hinblick auf die spätere dogmengeschichtliche Entwicklung wichtig, sich die Rolle, die das Verwandlungsschema als Jac 1, 17; Joh 1, 18; I Tim 6, 16. Act 14, ll f.; 28, 6 ist im Sinne des r e 1 a t i v ist i s c h e n Gottesbegriffs der h e i d n i s c h e n Religion ~ie Verwandlungsvorstellung auf Götter übertragen: oi -&tot OJ.totOl'frEV'tE~ uv'frgoo3tOL~ %UtEßTJO'!lV. Hier kehrt das Of.tOLOlfl!l des paulinischen Verwandlungsschemas wieder. fiR Siehe F. webe r' Jüdische Theologie, 1897, s. n3. 57 Siehe Mc 16, 5; Lc 24, 4; Act 1, 10. 58 So erscheint der Auferstandene EV S'tEQ~ f.tOQq:>Ü zweien ~einer Jünger Mc 16, 12 (unechter Markusschluß), und Joh 20, 14 f. erkennt Maria den erscheinenden Auferstandenen nicht wieder; sie glaubt den Gärtner zu sehen. . 54
55
316
Lösung des christologischen Problems speziell bei Paulus spielt, in ihrer ganzen Bedeutung zu vergegenwärtigen.· V ergliehen mit der Art und Weise, wie nach der Tradition die Engel verwandelt in Menschengestalt aufzutreten pflegen, erscheint die paulinische Vorstellung von der Verwandlung des präexistenten himmlischen Christus in dem Menschen Jesus in problematischer Weise kompliziert dadurch, daß Paulus der Tradition der Urgemeinde über den geschichtlichen Jesus Rechnung tragen und daher die Erzeugung und Geburt Jesu aus dem davidischen Geschlecht in seine Gesamtanschauung ·einordnen muß. In der nachapostolischen Zeit ist diese Komplikation tatsächlich als solche empfunden worden, derart, daß von da her die Geburt Jesu zu einem umstrittenen dogmatischen Problem wurde 59 • Davon ist nun wiederum bei Paulus selbst nicht die geringste Spur zu bemerken. Die spärlichen Worte, die er über Erzeugung und Geburt Jesu verliert, behandeln diese Tatsachen vielmehr als so völlig problemlose Selbstverständlichkeit, daß Paulus es nicht einmal für der Mühe wert hält, sich darüber auszusprechen, ob es sich um natürliche oder übernatürliche Vorgänge handle. Steht die Geburt Jesu aus Davids Geschlecht historisch fest, wie die Überlieferung ,der Urgemeinde bezeugt, dann hat eben die Verwandlung des Christus aus der himm· lischen Daseinsform in eine menschlich-irdische Gestalt durch solche Geburt stattgefunden. Damit ist dieses Problem für Paulus ebenso vollständig erledigt wie das andere, wie es möglich war, daß der präexistente Christus lange vor seiner Menschwerdung dem Volk Israel zu seiner Rettung auf der Wüstenwanderung in der Gestalt eines wandernden, wasserspendenden pneumatischen Felsen erscheinen konnte 60 • Aus all diesen Einzelheiten wird erst die ganze Tragweite, die dem Verwandlungsschema bei Paulus für die Lösung des christologischen Problems zukommt, mit voller Deutlichkeit ersichtlich. Unterwirft man das neue christologische Dogma, daß in Jesus von Nazareth der himmlische Christus erschienen sei, rein als solches für sich der dogmatischen Reflexion und der begrifflichen Analyse, so könnten sehr wohl eine Reihe Einzelfragen über das Wie aufbrechen. Beispielsweise: Wie steht es um das Verhältnis des Menschlich-Irdischen zum Himmlisch-Überirdischen in der Erscheinung Jesu? Wie kann von einem Tode Christi die Rede sein? Von der überlieferten Engellehre her steht jedoch für Paulus die Vorstellung der Verwandlung eines himmlischen Wesens in 59
Siehe S. 367 f.
so
I Cor 10, 4.
317
die Gestalt eines irdischen in der Weise als Dogma fest, daß es ihm als die vorausgegebene Generallösung aller nur denkbaren derartigen Einzelfragen dienen kann. Andererseits führt er in seiner Auffassung von· der Menschwerdung des Christus das Verwandlungsschema auch nur soweit konkret durch, als dies für den Gesamtzusammenhang seiner eschatologischen Lehre erforderlich ist. Brechen alsdann im nachapostolischen Zeitalter alle jene christologischen Einzelfragen auf, zu denen der Glaube an Jesus als die Erscheinung des himmlischen Christus Anlaß geben kann, so ist dies ein . sicheres Symptom dafür, daß das Recht zur Geltendmachung der V erwandlungsvorstellung in der Lehre von der Person Christi problematisch geworden ist. Und in der Tat ist es so, daß logischerweise die Christologie am Verwandlungsschema nicht mehr festhalten kann, sobald sie die ursprüngliche Auffassung des Christus als eines hohen Engelwesens preisgibt und ihn selber an der Absolutheil Gottes wesensmäßig teilnehmen läßt. Sowohl die urapostolisch-judenchristliche, von Jesus selbst herrührende, wie auch die paulinische Lösung der Frage, wie Sinn und V erwirklichung des Messianitätsanspruches Jesu des nähern aufzufassen seien, sind beide mit den Mitteln spätjüdischer Dogmatik so a"l}sgeführt, daß sie, vom Gesamtsinnzusammenhang der urchristlich-eschatologischen Lehre aus gesehen, allen dogmatischen Erfordernissen in hinreichender und sachgemäßer Weise entsprechen. Daher entstehen an diesem Punkt im Urchristentum keinerlei Fragen und Streitigkeiten. Und dies trotzdem zwischen judenchristlicher und paulinischer Auffassung in der Stellungnahme zur PräexistenZ des Christus eine Differenz besteht. Beide Lösungen weisen aber eine charakteristische Eigentümlichkeit auf, die, sobald im nachapostolischen Zeitalter die Problematik der Parusieverzögerung wirksam zu werden beginnt, sogleich als Aporie empfunden werden muß und irgendwelche Kompensationen als unentbehrlich erscheinen läßt: Das irdische Leben Jesu zwischen Geburt und Auferstehung erstrahlt nicht im übernatürlichen Lichte der messianischen Herrlichkeit. Für den Glauben der judenchristliehen Urgemeinde ist Jesus von Nazareth der prophetische Mann Gottes, ausgewiesen durch «Machttaten und Zeichen» als der zur künftigen Erhebung in die Würde des himmlischen Messias Auserwählte, als der Messias designatus . Soweit das Judenchristentum in nachapostolischer Zeit bei dieser Auffassung stehen bleibt, wird ihm von der ·sich weiter entwickelnden kirchlichen Theologie der Vorwurf gemacht, es erniedrige
318
Jesum Christum zum «bloßen Menschen». In der paulinischen Zeichnung des irdischen Lebens Jesu, sofern man von einer solchen überhaupt reden kann 61, ist das übernatürlich"messianische Licht erst recht abgeblendet, trotzdem Paulus Jesum als die irdische Erscheinung des präexistenten Christus auffaßt, oder vielmehr eben durch die Art und Weise, wie er dies tut: Er deutet ja die in der Menschwerdung des Christus vollzogene Verwandlung als eine beabsichtigte Verhüllung seiner messianischen Herrlichkeit, die ihn den weltbeherrschenden Engel- und Geistermächten unerkennbar machen soll. Daher will Paulus mit dem meisten, was er über den geschichtlichen Jesus Christus sagt, die von ihm angenommene «Sklavengestalt» illustrieren, - eine Tendenz, die der Jesusdarstellung der altsynoptischen Überlieferung fremd ist. Weder für die urapostolische Gemeinde noch für Paulus ist dieses Fehlen des spezifisch messianischen Lichtes im irdischen Leben Jesu ein irgendwie störendes Problem; Dieses «Fehlen» wird überhaupt nicht als solches empfunden und beurteilt. Vielmehr stellt es einen Wesenszug dar, der sich harmonisch in die ganze christologische Konzeption einfügt, ganz im Einklang mit der apokalyptischen Auffassung, die Henoch 62, 7 formuliert ist in den Worten: «Denn der Menschensohn war vorher verborgen, und der Höchste hat ihn v o r s einer M a c h t aufbewahrt und ihn den Auserwählten offenbart» 62 • Der Blick des Urchristentums ist vor allem auf Tod und Auferstehung Jesu gerichtet und auf das, was diese Ereignisse für Jesus selbst und für die Verwirklichung der messianisch-eschatologischen Erlösung bedeuten. Hier liegt der Grund der für spätere Zeiten paradox anmutenden Erscheinung, daß erst verhältnismäßig spät die synoptische Überlieferung vom irdischen Leben und Wirken J esu in der kirchlichen Literatur zu erheblicher Beachtung und Auswertung kommt. Und noch Justin, und nicht nur er, operiert stark mit dem Kontrast zwischen der irdischen Niedrigkeitserscheinung und der verklärten Herrlichkeitsgestalt des Christus. Dennoch beginnt sich schon in der frühsten nachapostolischen Zeit das «Fehlen» des übernatürlich-messianischen Lichtes im irdisc.hen u Vgl. Will i a m W rede (Paulus, 1907, S. 54 f.) «Jesu sittliche Majestät, seine Reinheit, seine Tätigkeit in seinem Volke, seine Prophetenart - also der ganze konkrete ethisch-religiöse Inhalt seines Erdenlebens bedeutet für seine (sc. des Paulus) Christuslehre - nichts. Die ,Menschheit' (Christi) scheint etwas rein Formales zu sein ... ein ungreifbarer Schemen.» 62 Die Wichtigkeit dieser Heuochstelle für das Verständnis der urchristlichen Messiaslehre hat Ru d. 0 t t o (Reich Gottes und Menschensohn, 1934, S. 129. 156 f.) mit Recht hervorgehoben.
319
I .. eben Jesu als störendes Problem geltend zu machen. Diese Wendung ist unvermeidlich. Je mehr die ursprüngliche eschatologische Bedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu in bezug auf ihre Gewißheit und ihren Sinn zum Problem wird, desto mehr wächst das Bedürfnis, schon in dem irdischen Leben Jesu vor Tod und Auferstehung Bekundungen seines himmlischen Wesens und Ursprungs zu finden. In der nachapostolischen Zeit stößt man auf Versuche, die Jordantaufe Jesu irgendwie als das Ereignis darzutun, durch das ihm die Messianität verliehen worden sei. Davon, daß schon im ältesten synoptischen Bericht die Überlieferung vom Leben und Wirken Jesu bewußt in planmäßig-folgerichtiger Weise im Sinne dieser V ersuche gestaltet würde, kann kaum die Rede sein. Vereinzelte spontane Ansätze in diesem Sinne liegen wohl vor in den Berichten über die siegreiche Zurückweisung des Satans in der Versuchung und über Totenauferwekkungen Jesu. Beidemal handelt es sich um messianisch-eschatologische Motive, die jedoch mit Rücksicht auf die vorausgesetzte historische Situation des Lebens Jesu mit nur abgeschwächten eschatologischen Farben ausgeführt werden. Ein anderer, der chrit~tologischen Deutung der Taufe Jesu analoger Versuch bekundet sich in dem Unternehmen der sekundären synoptischen Überlieferungsschicht, unter Verwertung eines an entscheidender Stelle willkürlich korrigierten 63 Stammbaums Jesu eine Kindheitsgeschichte zu formen, die Jesu übernatürliche Erzeugung und Geburt dartun soll. Erst das Johannesevangelium geht dann aber planmäßig darauf aus, vor allem im öffentlichen Selbstzeugnis Jesu die übernatürliche Herrlichkeit des Logos-Christus so hell wie möglich erstrahlen zu lassen, und der Verfasser der Pastoralbriefe kann alsdann im Tone der Selbstverständlichkeit nicht . nur die künftige gloriose Parusie des Christus, sondern auch schon sein irdischmenschliches Erscheinen als eine «Epiphanie» im hellenistisch-religiösen Sinne bezeichnen 64 • Da aber diese Versuche zur Beseitigung der neu empfundenen Aporie nicht nur im Widerspruch zur urchristlichen Messiaslehre, sondern auch untereinander in Spannung stehen, bedeuten sie für die Folgezeit eine von vornherein mit Problemen belastete Errungenschaft. Sie sind Symptome und Erzeugnisse der innerhalb der kanonischen Schriften des Neuen Testaments selbst sich bekundenden Problematik des christologischen Dogmas, die in der nachapostolischen Zeit infolge 63 &4
320
V gl. den textkritischen Apparat der modernen NT -Ausgaben zur Stelle Mt 1, 16. V gl. II Tim 1, 10 mit I Tim 6, 14; li Tim 4, 1. 8; Tit 2, 13.
der Parusieverzögerung aufbrechen muß. Da sie durch die Kanonisierung dieser neutestamentlichen Schriften formell dogmatisiert werden, komplizieren sie -in der anhebenden Entwicklung der Enteschatologi· sierung diese zunehmend sich verschärfende Problematik.
Zweites Kapitel Die Nachwirkung der Auffassung des Christus als Engelwesen Die nachapostolische Geschichte der urchristlichen Lehre von Christus als einem hohen Engelwesen verläuft in der Weise, daß diese Anschauung zunächst ganz von selbst allmählich zurücktritt und in sich problematisch wird, dann aber, innerlich bereits erschüttert, im arianischen Streit des vierten Jahrhunderts einen letzten großen Entscheidungskampf bestehen muß, in dem sie von dem inzwischen emporgekommenen neuen Christusdogma aufs schärfste angefochten und .endgültig als Irrlehre verpönt und verdrängt wird. Zunächst ist hier das erste längere Stadium dieses Abbauprozesses an Hand der wesentlichen, feststellbaren dogmengeschichtlichen Tatsachen darzustellen. Sehr deutlich tritt dabei zutage, daß es sich um eine unmittelbare Auswirkung des allgemeinen, durch die dauernde Parusieverzögerung provozierten Vorgangs der Enteschatologisierung des urchristlichen Dogmas handelt. Was sich in der nachapostolischen Wandlung der urchristlichen Lehre vom Erlösungswerk des Christus in seinem Tod und seiner Auferstehung ereignet, das durch die Parusieverzögerung bewirkte Problematischwerden und die schließliehe Preisgabe ihres ursprünglichen eschatologischen Sinnes, hat seine Folgen für die Auffassung vom Wesen der Person des messianischen Erlösers selbst. Denn das Wesen des Erlösers wird erfaßt in innerer Übereinstimmung mit dem besondern Charakter seiner Sendung und seines Werkes. Da~ war schon von allem Anfang an im urchristlichen Christusglauben so, und es gilt auch von der Kirehenlehre des nachfolgenden nachapostolischen Zeitalters. Wandelt sieh die Grundauffassung vom Erlösungswerk des Christus, so wandelt sieh dementsprechend auch die Auffassung vom Wesen seiner Person. So kommt es, daß die nachapostolischen kirchlichen Schriftsteller die wichtigsten messianischen Begriffe und Bezeichnungen nicht mehr
321
in ihrem ursprünglichen Sinn zu verstehen vermögen. In der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts weiß sogar ein Schriftsteller wie Barnabas mit dem Menschensohntitel überhaupt nichts mehr anzufangen, wie seine Aussage, daß Jesus Christus «nicht als Menschensohn, sondern als Gottessohn» erschienen sei, deutlich zeigt 1 • Als selbstverständlich wird nun angenommen, die Bedeutung dieser Bezeichnungen «Menschensohn», «Christus», «Gottessohn» sei unmittelbar aus ihrem Wortsinn zu erschließen. Auf diese Weise erhält der Terminus «Menschensohn» jetzt einen Sinn, der das Gegenteil dessen behauptet, was er ursprünglich in der spätjüdisch-urchristlichen Messiaslehre bedeutet: Nicht mehr das überirdisch-himmlische Wesen des Messias, sondern umgekehrt gerade das, was an dem Messias Jesus irdisch-menschlich ist, soll darunter zu verstehen sein. Insbesondere beginnt man seit Justin 2 den apokalyptischen Ausdruck dahin auszulegen, mit dem Menschen, als dessen Sohn Christus damit bezeichnet werde, sei seine Mutter Maria gemeint. Diese Auslegung provoziert freilich den Einwand der «Ungläubigen»: In dem Namen «Sohn des Menschen» sei ja der «Mensch» durch den Artikel deutlich als Maskulinum bezeichnet, nicht als Feminium, verrate daher, daß Jesus eben doch von einem menschlichen Vater abstamme 3 • Sonderbar ist, daß man nicht einmal durch die Beschäftigung mit der danielischen Menschensohnstelle (Dan 7, 13 f.) von der verkehrten Deutung auf die menschliche Abstammung Jesu abgehalten wird. Auch noch in diese grundlegende alttestamentliche Bezeugung der apokalyptischen Menschensohngestalt wird die «Menschheit» Jesu hinein interpretiert, so von Tertrillian"' und Hippolyt 5 • Schließlich ist man sogar, .wie Hippolyt und Lactanz zeigen, imstande, das «Kommen des Menschensohnes auf den Wolken des Himmels» trotz der synoptischen Zeugnisse, die die Danielstelle futurisch verstehen, auf die «erste ParuB a r n a b a s 12, 8. J u s t in (Dial. 100, 3): utov oiiv ävitQfim:ou ta:u,;ov l!A.eyev 1],;m aJto ,;ft~ yevvftcreoos Tij~ IM. ltllQitEVO\l i]-uts -1jv ro~ E(jl'I]V alto 'tOÜ Aa:ßtö xat 'Iaxwß xat 'Icraax xat 'AßQad~t yßvous 1] öta ,;o Elvat a'Ö,;ov ,;ov 'AßQad~t ltll'tEQ« xat ,;ou,;oov ,;iöv xa:'t'l]· Qtit~t'l]!lEVOOV E; iliv xa,;ayet fJ MaQta ,;o yf.vo~. Die übrigen hieher gehörenden Belege hat H. Li e t z m a.n n gesammelt in seiner Schr,ift «Der Menschensohn», 1896, S. 57 bis 80. 3 P s. Justin, Quaestiones ad orth. 66 (Otto V, 90): EltEtÖ-/J 0\JVE:X:Ö>~ o XUQto~ utov ,;oii ävitQcim:ou xat oü:x:t ,;fts ävitQci>Jtou tau,;ov övo~ta~EL, xa:t · öta ,;oii,;o ltEtQiöv,;at ot lilttG'tOt ÖEtXVUVIlt ros EX Y«~ttxfts auva
2
322
sie», das geschichtliche Erscheinen Jesu zu deuten 6 • Und die letzte Konsequenz dieser Auslegung liegt vor in der von gewissen Apollinaristen (nicht von Apollinaris selbst) vertretenen Behauptung, daß auch das «Fleisch» des Herrn aus dem Himmel stamme 7 • Man kann zur Erklärung dieser so willkürlichen Mißdeutungen des urchristlichen Menschensohnbegriffs die Tatsache mit heranziehen, daß das nachapostolische hellenistische Heidenchristentum erst mit der nachträglichen Übernahme der synoptischen Evangelien den Ausdruck «Menschensohn» als etwas Neues kennen lernte. Denn in der paulinischen Lehre, von der das Heidenchristentum mit seiner Tradition herkommt, spielte der Menschensohntitel keine Rolle. Allein auch die Autorität des Heidenapostels hätte den Menschensohntitel nicht vor Umdeutungen bewahren können. Seine eigene Lehre verfiel ja dem nämlichen SchicksaL Es handelt sich um eine Auswirkung der Enteschatologisierung. Auch bei den Gnostikern ist der Menschensohn nicht mehr der aus göttlichem Auftrag den neuen Aeon heraufführende himmlische Herrscher der Endzeit. Allein in den gnostischen Umdeutungen bleibt doch noch erkennbar, daß ursprünglich der Titel «Menschensohn» der Name eines hohen himmlischen Engelwe!!ens ist, also mit der «Menschheit» Jesu nichts zu schaffen hat. Bei den Ophiten und Valentimanern ist der «Menschensohn» ein Aeon, ein höheres Wesen des Pleromas 8 • Unter den kirchlichen Schriftstellern der vier ersten Jahrhunderte ist wohl Cyrill von Jerusalem der einzige, der, dem Ursprünglichen noch näher kommend als diese Gnostiker, die Erinnerung daran bewahrt hat, daß der Christus «der Menschensohn heißt, nicht weil er wie jeder von uns irdischer ·Abstammung wäre, so~dern als der, der erscheinen soll auf den Wolken zu richten die Lebendigen und die Toten» 9 • So bemerkens6 Hip p o I y t (c. Noet. 4): d~ ,;o xmvov ÖVOf.ta xai JtUQU &.vitQOJJtot~ :X:
323
wert dieser Protest eines Einzigen gegen das in der kirchlichen Auslegung herrschende Mißverständnis ist, so klar ist auch seine völlige Erfolglosigkeit. Auch der Christusname wird für das nachapostolische Christentum problematisch. Nur selten tritt seine charakteristische apokalyptischurchristliche Bedeutung noch so voll und deutlich heraus wie in einem von Euseb mitgeteilten Hegesippfragment 10, in dem dieser möglicherweise aus dem Judentum gebürtige 11 Autor des zweiten Jahrhunderts gewisse jüdische Sekten folgendermaßen charakterisiert: Sie glauben weder an die Auferstehung Jesu, noch an sein künftiges Kommen als Weltrichter; damit aber beweisen sie, daß sie nicht glauben, «daß Jesus der Christus ist». Dieser Autor weiß also noch, daß Jesus ursprünglich als der durch seine Auferstehung zum endzeitliehen Herrscher im Sinne des «Menschensohnes» Erhobene der «Christus» ist. Nun denkt man freilich auch sonst noch oft an eine Herrs~herstellung des erhöhten Jesus. Allein auch hier meint man wiederum zur nähern Erläuterung und Begründung des Gedankens auf den Wortsinn des Ausdrucks «Christus» zurückgehen zu müssen 12 • Damit schafft man aber nur Unklarheiten und Schwierigkeiten, durch die auf alle Fälle die apokalyptisch-urchristliche Bedeutung des Christusbegriffs verdunkelt und verwischt wird. Der Christus tritt nun in eine Reihe mit den davidischen Königen und mit dem •israelitischen Hohepriester 13 • . Dabei kann ja von einer Salbung Jesu als des Christus ohnehin nur mit Hilfe von mehr oder weniger willkürlichen Allegorien gesprochen werden. So sagt lrenäus: «Er wird nämlich Christus genannt, weil der Vater durch ihn alles gesalbt und gesclimückt hat und weil er bei seinem Kommen wie ein Mensch durch den Geist Gottes und seines Vaters gesalbt worden ist» 14 • Die Verlegenheit kommt zum Ausdruck in der schon von Origenes gestellten Frage, wie überhaupt der Sohn Gottes als der Erstgeborne der Schöpfung für sein Königtum einer Salbung noch bedürftig sein konnte. Die Antwort muß dann lauten: Allerdings nicht der Sohn Gottes, sondern der Mensch Jesus bedurfte der Salbung 15 • 1o E u 8 e b , h. e. 11, 23, 8 f. 11 Eu 8 e b, h. e. IV, 22, 8. 12 Siehe .z. B. J u 8 t in, Dial. 86, 3; Iren ä u 8, adv. haer. III, 18, 3; Te r tu II i an, de bapt. 7. 13 J u n in , a. a. 0.: xat ynQ ot ßaat1..Ei~ö :n:a'V'tE!ö xat ot :X.QLO'tot ä:n:o 'to\n;ou
Jl.E'tea:x:ov xat ßaat1..Ei~ö xa1..Eiaii'at xat :X:QLO'tol· öv 'tQO:rtov xat a'Ö'tO!ö ä:n:o 'toii :n:a'tQo.; 61.-aßE 'to ßaatAEUiö xat XQLO'tO!ö xat LEQEU!ö xat lf:yyEAO!ö, xat öaa ä1..1..a 'totaii'ta E)(.Et alO)(.E.
11
14
15
324
I r e n ä u 8 , Epideixis 53. 0 r i g e n es, Comm. I, § 191 in Joh.
Am Ende dieses Zerfließens und Verblassens des ursprünglichen Gehalts des Christusbegriffs steht dessen Umwandlung in die bloße zweite Hälfte des Namens «Jesus Christus» als Bezeichnung der irdischgeschichtlichen Person 16• Den Ersatz beschafft jene hemmungslose neue christologische Auslegung des Alten Testaments, für die es hier beinahe nichts gibt, was nicht als Prädikat dem Christus beigelegt werden könnte: König, Priester, Gott, Herr, Engel, Mensch, Feldherr, Weisheit, Tag, Aufgang, Schwert, Stein, Stab, Jakob, Israel, Lehrer, Weinstock, Brot, Tür, Hirte, Knecht Gottes, Lamm, Wahrheit, Leben, Kindlein usw. 17• Origenes klagt freilich, daß viele vermeintlich Gläubige wenig oder kein Verständnis hätten für die «schwer zählbaren Namen», die dem Christus im Alten Testament, in der Schrift überhaupt, beigelegt seien 1s. Diese Häufung «christologischer» Prädikate macht den ursprünglichen eindeutigen Sinn des Christusbegriffs nicht weniger unkenntlich als etwa die Auslegung des valentinianischen Gnostikers Marcus, der den Ausdruck «Christus», w.eil er aus acht Buchstaben b.esteht, als eine Bezeichnung der ersten Ogdoas des gnostischen Pieroma erklärt 19 • So scheint nun der Weg offen, auf dem auch der alte messianische Titel «Sohn Gottes» ebenso hemmungslos und selbstverständlich wie der «Menschensohn» und der «Christus» durch Deutung vom Wortsinn her einen neuen Sinn erhalten kann. Es könnte also ohne weiteres der irgendwie aus Gott, dem Vater, gezeugte, ihm wesens- oder substanzgleiche «Sohn» auf den Plan treten. Allein in Wahrheit ist für diese Entwicklung die Bahn noch nicht hindernislos freigelegt. Durch die kirchlichen Deutungen, in denen in nachapostolischer Zeit der ursprüngliche Sinn der Begriffe «Menschensohn» und «Christus» verblaßt, ist die alte Auffassung des Christus als eines hohen Engelwesens als solche noch nicht einfach erledigt und ausgeschaltet. Der wirkliche dogmengeschichtliche Sachverhalt ist folgender: Im Urchristentum war alle Aufmerksamkeit darauf gerichtet, daß das hohe Engelwesen Christus in Jesus von Nazareth, nämlich in dessen Tod und 18 Man vergleiche etwa die Formulierung der regula, die T e r t u 11 i a n einmal (adv. Prax. 2) gibt: credimus .• hunc missum a patre in virginem et ex ea natum, hominem et deum, filium hominis et filium dei, et cognominatum Jesum Christum. Das Symholum Romanum redet noch vom «Christus Jeans», das <
wv, -cijv nQro-c1Jv öylloaöa
01J~talvEt.
325
Auferstehung, bereits sein Erlösungswerk begonnen habe und in Bälde als «Menschensohn» vom Himmel her in verklärter Gestalt zur sichtbaren und vollendeten Verwirklichung seines Reiches erscheinen werde. Daß dieser Christus ein hohes Engelwesen sei, war dabei als völlig selbstverständlich bekannt und anerkannt vorausgesetzt. Da in den spätjüdischurchristlichen, apokalyptischen Kreisen hierüber schwerlich jemand eine andere Meinung vertrat, brauchte davon kaum gesprochen, geschweige denn dogmatisch darüber gestritten zu werden. Für das nachapostolische Christentum wird im Zuge der Enteschatologisierung des Dogmas der ursprüngliche, besondere Sinn der Bezeichnungen «Christus» und «Menschensohn» problematisch. Aber die Erinnerung daran, daß damit jedenfalls ein {menschgewordenes) hohes Engelwesen gemeint sei, bleibt noch lebendig. So kommt es, daß scheinbar paradoxerweise im nachapostolischen Christentum wesentlich häufiger als im Urchristentum selbst von Christus als einem Engelwesen ausdrücklich die Rede ist 20 • Und es ist keine Übertreibung, zu sagen, daß im Verlauf des nachapostolischen ·Zeitalters sogar um so häufiger davon die Rede ist, je problematischer dieser einst so selbstverständliche Satz der urchristlichen Dogmatik wird. Nun muß er eben diskutiert werden. Konservierend hat auch gewirkt der bis ins nachapostolische Zeitalter hinein andauernde Einfluß der spätjüdischen Apokalyptik, vor allem des Henoch, von dem noch Tertullian sagt, daß sich seine Weissagung auch auf den Herrn beziehe 21 • Dafür zeugt im Neuen Testament selbst der aus dem zweiten Jahrhundert stammende Judasbrief: Hier wird Henoch als inspirierte Schrift zitiert (V. 14). Zugleich bekämpft dieser Brief Häretiker, denen gegenüber er den Vorwurf der Verleugnung des Christus unmittelbar verbindet mit dem Vorwurf der V erachtung der Kyriotes, das heißt gerade derjenigen Engelmächte der höhern himmlischen Hierarchie, mit denen Henoch den «Menschensohn» zu20 Die Feststellung, daß es in der nachapostolischen Zeit eine Engelchristologie gibt, ist nicht neu, vgl. den Apparat zur Stelle J u s t in , Apol. I, 6 bei 0 t t o I, 16, ferner A. H a r n a c k s Äußerung (Lehrbuch der Dogmengeschichte I, 5, S. 204, Anmerkung 4): «,angelus' ist eine sehr alte Bezeichnung für Christus (s. Justins Dia· log), die sich bis zum nicänischen Streit erhalten hat und z. B. noch in Novatians Schrift de trin. 11. 25 ff. ausdrücklich für ihn in Anspruch genommen wird.» Aber der Tatbestand ist nie genauer aufgenommen und noch viel weniger in seiner dogmengeschichtlichen Bedeutung erwogen und gewürdigt worden. 21 Te r tu II i an (de cultu femin. I, 3): sed cum Enoch eadem scriptur.a etiam de domino praedicarit, a nobis quidem nihil omnino reiciendum est quod pertineat ad nos.
326
sammenstellt 22 • Der Judasbrief verteidigt also auf Grund des für ihn kanonischen Buches die Engelchristologie. Das Gegenstück hiezu bietet freilich Origenes: Da Celsus den Engel Christus, an den die Christen glauben, in eine Reihe stellt mit den «Göttersöhnen» von Gen 6, 2, die Henoch 6, 2 als «Engel» bezeichnet werden, weist Origenes dessen Beweisführung zurück mit dem Argument, daß die Henochapokalypse in der Kirche nicht als kanonisch anerkannt sei 23 • Trotz starker antijüdischer Stimmung des nachapostolischen Christentums muß aber auch, wenigstens an dem hier in Frage stehenden Punkte, die alttestamentliche Exegese des zeitgenössischen Judentums einen gewissen Einfluß auf die kirchliche Theologie gelegentlich ausgeübt haben. Von der christologischen Auslegung des Alten Testaments bei den Juden wußte man in der Kirche mehr, als was der übliche Vorwurf besagt: Das Judentum wolle nichts wissen von einer alttestament• lichen Weissagung der Gottheit oder Gottessohnschaft Jesu 24 • Es muß damals rabbinische Schriftbeweise aus dem Alten Testament gegeben haben für die Auffassung des Christus als eines hohen Engelwesens. Darauf deutet schon die Art und Weise, wie Justin im Dialog den Juden Tryphon mit dem himmlischen Menschensohn von Dan 7 gegen die Messianität des in menschlicher Niedrigkeit erscheinenden Jesus argumentieren läßt 25 • Einen direkten Beleg liefert Origenes. Er berichtet, der Rabbi, den er gelegentlich in exegetischen Fragen zu Rate zog, habe ihn darüber belehrt, daß von den beiden Seraphim, die Jes 6, 2 f. zu beiden Seiten des Thrones Jahwes stehen (so LXX}, der eine der Christus (Origenes sagt: der eingeborne Sohn Gottes}, der andere der Heilige Geist sei 26 • Nach dieser jüdischen Deutung der beiden Seraphen der Berufungsvision des Jesaja hat aber schon lange vor Origenes der 22 Jud 4. 8 ff.; He n o ~ h 62, 10; CI e m e n s AI e x. gibt zu Jud 8 folgende Exegese (Adumbrat. II ad Jud 8, ed. Stählin 111, 207): <
327
christliche Verfasser der Ascensio Jesajae die Vision des im siebenten Himmel thronenden Gottes gezeichnet, vor dem der Engel Christus und «der zweite Engel» des heiligen Geistes stehen, die heide mit allen andern Engeln und Gerechten des siebenten Himmels Gott anbeten und lohpreisen 27 • Was aber hier geschildert wird, ist die «große Ratsversammlung» der höchsten Engelfürsten, die die nächste Umgehung Gottes ·im obersten Himmel bildet. Sie wird im Alten Testament bereits III Reg 22, 19-22 LXX vorgeführt, dann aber, und zwar nur im Septuagintatext, auch Jes 9, 6 als der «große Rat» genannt. Und dies führt nun zu einem weitern bedeutsamen Sachverhalt. An der eben genannten Jegajastelle bezeichnet nämlich die Septuaginta den Messias als den «Engel des großen Rates» 28 , das heißt: der griechische Übersetzer des Jesajahuches identifiziert bereits den Messias mit dem aus ältern alttestamentlichen Texten bekannten «Engel Jahwes» 29 • Und auch in dieser Form hat das nachapostolische Christentum die spätjüdische Auffassung vom Messias als dem höchsten Engelfürsten des obersten himmlischen Hofstaates Gottes übernommen. Der Aussage, daß Christus der «Engel des großen Rates» von Jes 9, 6 LXX sei, begegnet man bei den kirchlichen Schriftstellern dieses Zeitalters häufig. Mehrere dieser Belege sind erst in einem spätern Zusammenhang zu erörtern, sofern es sich bereits um Versuche handelt, von Seiten der Verfechter der neuen kirchlichen Christologie den Anhängern der alten Engelchristologie die Jesajastelle als Schriftbeweis durch Umdeutung streitig zu machen. Aber noch im dritten Jahrhundert kann Hippolyt trotz seiner im übrigen anders gearteten Christologie gelegentlich unbefangen über den alttestamentlichen «Engel Jahwes» (Dan 3, 23 LXX) folgende Betrachtung anstellen: «Man muß nun fragen: wer war dieser Engel ... ? Dieser war der, welcher die Macht des Gerichts des Vaters empfangen hatte, auch in Sodom Feuer und Schwefel geregnet hatte ... Und von diesem verkündigt Ezechiel als dem, der Feuer mit der Hand genommen hat und hält und wartet auf die Stimme des Vaters, damit, wenn er befiehlt, er es werfe in die Welt ... Von diesem spricht Jesajas: «Sein Name wird genannt Engel eines großen Rates» (Jes 9, 6 LXX) 30 • Und Gregor Thaumaturgos 27 A s c. Je s .. ,9, 27-41. 28 Jes 9, 6 LXX: !1E'Y6."-'11; ~ovA.ij; U.yyEA.o;. 29 S_iehe B. Du h m zur Stelle (Handkommentar ·zum A:r III, 1 [1902], S. 64): .<
328
identifiziert den Christus nicht nur mit dem «Engel des großen Rates», sondern kann ihn einmal sogar als «Schutzengel» bezeichnen 31 • Um dieselbe Zeit bringen es die im Hymenäusbrief gegen Paulus von Samosata argumentierenden Bischöfe noch über sich zu erklären: Es wäre frevelhaft, den Gott «des Alls» einen «Engel» zu nennen; wohl aber sei der Sohn der «Engel des Vaters» 82 und als solcher sei er bezeugt durch den Namen «Engel des großen Rates>> in ]es 9, 6 LXX 88 • Später weiß Methodius der seither aufgekommenen Umdeutung zum Trotz noch sehr wohl, daß der «große Rat» dieser Jesajastelle in der Tat die oberste göttliche Ratsversammlung ist 84, und schließlich liefert im vierten Jahrhundert nachträglich (aber nicht zufällig) Euseb von Cäsarea die ausdrückliche Bestätigung dafür, daß diese Verwertung von Jes 9, 6 LXX als Schriftbeweis für die Engelchristologie aus der (hellenistisch-) jüdischen Exegese stammt 35 • Sogar in die Liturgie vermochte der Christus als der «Engel des Rates» einzudringen 86 • Endlich ist anzumerken, daß auch die Valentinianer in dem Engel der Jesajastelle den Soter Jesus sahen 37• Auf dem angedeuteten Wege ist man in der nachapostolischen Zeit dazu gekommen, die Engelerscheinungen der alttestamentlichen Berichte überhaupt, soweit sie irgendwie zur Hilfeleistung der Menschen erfolgen, als Erscheinungen des Christus zu deuten 38 • G r e gor T h a um a tu r g u s, Oratio in Orig. IV (MG X, 1061). Wie der H y m e n ä u s h r i e f vom äyyE'Aor; 'tOU 3tO.'tg6r; redet, so der Gnostiker Jus t in us (Hip p o I y t, Refut. V, 26, 6) von den 3tO.'tQL?!.OL äyyEAOL. 33 Hymen ä u s h rief 5 (Text nach Fr. Loofs, Paul v. Samosata, S. 326): 'tOV !J.EV yaf} {}EQV 'tOOV o'Arov UO'Eß~r; äyyEAOV VO!J.LO"UL ?!.O.AELO'{}O.L, ö öE äyyE'Aor; 'tOU 3tO.'tQOr; ö ut6r; EO''tLV, O.U'tor; ?!.UQLOr; ?!.O.L {}Eor; wv, YEYQ0.3t'tO.L yae· ?!.O.AEL'tO.L 'tO OVO!J.O. O.U'tOU' «!J,EYUA1'J<; ßou'Aijr; äyyE'Aor;>>. 34 Met h o d i u s erwähnt (de resurr. I, 49, 1 f.) die !J.EYUA1'J ßou'Ai) in einer Aufzählung der verschiedenen Himmelsörter und Engelklassen. 35 Eu s eh redet (praep. evang. VII, 14 f.) aus.drücklich von den 3tO.LÖEr; 'Eßeo.lrov 3tf(jlLAOO'Q(p1'j?!.6'tEr;, die den Logos mit dem äyyE'Aor; !J.Eya'A11r; ßou'A ijr; identifizieren. 36 Es handelt sich um eine Stelle in der eucharistischen Liturgie der hippolyti· sehen Kirchenordnung: gratias tihi referimus, deus, per dilectum puerum tuum Jesum Christum, quem in ultimis temporihus . misisti nohis salvatorem et redemptorem et angelum voluntatis tuae. Als griechischen Originaltext hat H. Li e t z man n (Messe und Herrnmahl, S. 158) mit Recht äyyE'Aov 'tijr; ßou'Aijr; O'Oll nach Jes 9, 6 LXX rekonstruiert. 37 Nach CI e m e n s AI e ~- (Exc. ex Theod. 43, 2): E?!.3tE!J.3tE'tO.L (sc. der Soter Jesus) «Ö 'tijr; ßou'Aijr; iJ.yyEAO<;» ?!.O.L yiVE'tO.L XE(jlO.ATJ 'trov o'Arov !J.E'ta 'tOV 3tO.'tEQO., 38 So 0 r i g e n es (in Matth. Comm. ser. 28): Christus erschien in angelis ministrantihus saluti humanae per singulas generationes; ferner Horn. VIII, 8 in Gen: ita et inter augelos habitu est repertus (sc. Christus) ut angelus. Besonders hervorgehoben werden in diesem Sinne etwa Gen 18, 1-3 (Iren ä u s, Epideixis 44}; Gen 22, ll; 31, llff. (Hymenäushrief 5); Gen 48,16 (Novatian, de trin. 15); Exod 3, 2 (Ju s t i n , ApoL I, 63); Num 22, 22 (I r e n ä u s , Catenenfragment, ed. S,tieren I, 840); Sach 2, 10--3, 2 (Jus t in, Dial. 116, 2). 31
32
329
Endlich ist nicht zu verkennen, daß besonders der Einfluß der spätjüdischen Spekulation über den Erzengel Michael im ältern nachapostolischen Christentum die Engelchristologie erhalten hilft, ja für die W eiterbildung der Christologie geradezu neue Anregungen gegeben hat. Einmal trägt Michael ohnehin selbst schon apokalyptisch-messianische Züge. In der johanneischen Apokalypse führt er den Kampf gegen den Drachen (12, 7), ganz im Sinne der spätjüdischen Tradition 39 • Dann aber sind im Spätjudentum diesem Erzengel Namen und Funktionen zugewiesen worden, die das nachapostolische Christentum, offenbar eben durch die Michaelspekulation angeregt, auf den Christus überträgt: Er ist der Archistrategos, der Anführer der obersten himmlischen Heerscharen, der große Fürbitter für die Sünden des Volkes Israel, der Gesetzgeber und der Bewahrer des großen Zauberwortes, mit dem Gott Himmel und Erde gegründet hat 40. So ist das in neuerer Zeit geäußerte Urteil sehr erwägenswert:
ftwii) f..Oyo'V 'tO'V Üyyt/..ov ltQEIJßu;a'tO'V, oo~ aQxnyyEAO'V, ltOA'UW'V'Uf.tO'V VltnQ)GO'V'ta' xat ynQ äQxi], xai ovot.ta ß-toii, xat Myo;, xat )!.a,;' Eixova ä.vftQwno~. )tat ÖQ&'V 'laQattf.. ltQ0<1aj'OQEU'taL. 43
330
Näheres neuerdings bei H. L i e t z m a n n , Geschichte der alten Kirche I, S. 12.
die Brücke: Nur deshalb, weil der Christus des ältesten christlichen Dogmas gerade wie der phiionische Logos ein hohes Engelwesen ist, kann er mit diesem in der nachapostolischen Zeit im Zuge der Enteschatologisierung identifiziert werden. Ehen deshalb aber kann auch noch ein nachapostolischer Theologe wie Justin den mit dem Logos identifizierten Christus mit großer Selbstverständlichkeit unter die hohen Engelwesen einreihen 4 4 • Das Nachklingen der urchristlichen Engelchristologie läßt sich jedoch im gesamten nachapostolischen Christentum feststellen, in Logostheologie, Gnosis und Judenchristentum nicht weniger als im «vulgären Heidenchristentum». Darin dokumentiert sich wiederum, daß das apostolische Urchristentum, von dem alle spätern einzelnen Gruppen und Richtungen herkommen, eine andere Christologie als die Engelchristo· logie überhaupt nicht gekannt hat. Die mißverständliche und offensichtlich auch noch von modernen Dogmenhistorikern mißverstandene altkirchliche Polemik gegen die judenchristliche Auffassung des Christus als des «bloßen Menschen» ist nur insofern zutreffend, als das Judenchristentum, wenigstens teilweise, an der urapostolischen Anschauung von der natürlichen Erzeugung und Gehurt Jesu festgehalten hat. Der Christus aber, in dessen Würde und Wesen nach ältester Lehre Jesus durch seine Auferstehung erhöht und verwandelt worden ist 45 , gilt auch dem Judenchristentum der nachapostolischen Zeit als hohes Engelwesen, und die Belege hiefür bei Tertullian und Epiphanius zeigen zudem, daß das Judenchristentum nachträglich ohne Schwierigkeiten ebenso wie Paulus die Präexistenz des Christus in seinen Glauben an den Messias Jesus mit aufnehmen konnte 46 • Nach dem ausführlichen Bericht des Epiphanius gilt der Christus den Ehioniten als ein von Gott nicht gezeugter, sondern geschaffener und zum Kyrios über die Engelheere, ja alle Kreatur Gottes überhaupt eingesetzter Erzengel 47 • Epiphanius präzisiert aber in einer Weise, die den Siehe S. 334. Daß das spätere Judenchristentum an Jesus als an den Christus glaubt und ihm damit eine übernatürliche Würde zuerkennt, gesteht ihnen selbst E p i p h a n i u s noch nachdrücklich zu (h. XXIX, 7, 2 f.): Die Nazoräer sind religiös ganz Juden, :x;ooet~ 'tOÜ et~ :X:QLCJ'tOV 1\ij-frev :n:emCJ'tEU'XEVCLL Sie glauben an die Auferstehung der Toten, an den einen Schöpfergott 'XUL 1:01l'tou :n:ai:lla 'I'l']CJOÜV :X:!,>LCJ'tOV. 46 Te r tu ll i an (de carne Christi 14): Hebioni ... , qui nudum hominem et tantum ex semine David, id est non dei filium, constituit Jesum, plane prophetis aliquo gloriosiorem, ut ita in illo angelum fuisse edicat, quemadmodum in Zacharia. 47 E p i p h a n i u s (h. XXX, 16, 4): ou
45
vijo-fraL &.A.A.O: 'XE'X'tLCJ-fraL w~ !iva 'tÖJV O.gx.ayyeA.oov, UU'tOV 111; 'XUQLEUELV 'XUL &.yy/;A.oov lGUL :rtOV'tOOV 'tÖJV u:n:o 'tOÜ :rtUV'tOlG(lU'tO(lO~ :n:e:n:OLTI!.l.EVOOV.
23
331
apokalyptisch-eschatologischen Charakter der ebionitischen Christusauffassung noch erkennen läßt: Gott hat dem Erzengel Christus insbesondere die Herrschaft im «künftigen Aeon» zugewiesen, wie er ursprünglich dem andern, nun von Gott abgefallenen Engel Diabolos die Weltherrschaft für die Dauer «dieses (bestehenden) Aeons» übertragen hat 48 • Dem entspricht, was die Verwandten Jesu nach dem bei Euseb wiedergegebenen Bericht in dem V erhör vor Kaiser Domitian über das Reich des Christus aussagen: Dieses Reich sei ein überirdisches Engelreich 49 • Bei Elchasai sodann heißt der Christus «Sohn Gottes», ist aber vorgestellt als ein Engel männlichen Geschlechts von ungeheurer Größe und gilt selbstverständlich als «Geschöpf» (ktisma) Gottes 50 • Schließlich ist in einer Schilderung der pseudoclementinischen Recognitionen Christus ehenfalls «Sohn Gottes», gilt aber als der höchste Erzengel, dem Gott wie andern Engelfürsten einen bestimmten Teil der Welt als Herrschaftsbereich überwiesen hat, nämlich die Menschheit. Genauer besehen wird der Christus hier unter die Völkerengel, jedenfalls unter die Verwaltungsengel eingereiht 51 • Die V alentinianer haben den Christus als engelgleiches Wesen charakterisiert 52 • Der Valentinianer Theodot nennt den Christus einen «Engel des Pleroma» und sagt von ihm, er sei nur aus Demut den Men48 E p i p h a n i u s (h. XXX, 16, 2): ?tut -r;ov f.tEV 'XQLC1'tOV I..EyouGL -r;o'Ü fLÜI..ov-r;o<; ulöivo<; Elf.. 'l'JcpEVUL -r;ov ?tl.. figov, -r;ov l'lE öuißol..ov -r;ou-r;ov 1tEJtLC1'tE'Ü!1ßm -r;ov ulöivu E% :rcgocJ-r;uyfj<; lifjßEv -r;ou 1tUV'tD%Qthogo<; ?tU"ta u't't'l']C1LV E?tU'tEgrov uihöiv. Ähnlich h. XXX, 3, 4. Auch P s. C 1 e m. H o m. VIII, 21 wird der Christus als der «Herrscher der zukünftigen Welt» dem Teufel als dem «Herrscher der gegenwärtigen Welt» gegenübergestellt. 49 E.u s e b, h. e. 111, 20, 4. Es handelt sich um die Enkel des Herrnbruders Judas, die über die basileia des Christus die Auskunft geben: w<; Oll %0C1fLL%Yt f.tEV oilli'E1tLYELO<;, EJ'tOUQUVLO<; öE ?tUt &yyEAL%Yt -r;uyxuvoL, e:rct C1UV'tEAELQ. 'tO'Ü utöivo<; YEV'l'jC10f.tEV'l'j. 50 Nach Hip p o 1 y t, Refut. IX, 13. Die Größe des Christusengels wird in bestimmten Maßen angegeben. Daß Elchasai den Engel Christus für ein «Geschöpf» hielt, ist zu erschließen aus dem Bericht des E p i p h an i u s über die Sampsäer, welche uuzo'ÜC1L
s.
332
sehen nicht als Engel, sondern als Mensch erschienen. Übrigens heißt gerade auch hier der Engelchristus Kyrios 53 • Nach dem Bericht des Hippolyt hat der Markionit Apelles den Christus neben vier andern höchsten Engeln als den fünften eingereiht 54 • Bei den valentinianischen Markosiern nimmt der Engel Gabriel die Stelle des Logos ein 55 • Direkt bezeugt ist die gnostische Identifikation des Christus mit dem Engel Gabriel in den gnostischen Büchern Jeu und in der Pistis Sophia 56 • In der «Sophia Jesu Christi» wird berichtet, wie sich der auferstandene Erlöser als «großer Engel des Lichts» offenbart 57 • Indessen handelt es sich hier keineswegs um eine gnostische Spezialität. Denn ebenso wie diese gnostischen Schriften läßt auch die Epistula apostolorum - und damit gehen wir zu den großkirchlichen Belegen für die Engelchristologie über - den Christus als Engel Gabriel der Maria erscheinen 58 und die Erzengel können den Logos-Christus während seiner Abwesenheit im obersten Himmel in seinen Dienstleistungen vor Gott vertreten 59 • Das Seitenstück hiezu bildet die bekannte Identifikation des Christus mit dem Erzengel Michael, die im «Hirten» des Hermas, wenn auch nicht ganz folgerichtig, vollzogen C I e m e n s AI e x. (Exc. ex Theod. 35, 1) . . . btEt ä.yyef.or; ~v ·wii llicl]QOO· Ebenda 4, 1: 0 'KUQtor; Öta n:ot.Ai)v
~ta:wr;.
333
wird 60 • Auch sonst tritt bei Hermas die Auffassung des Christus als eines hohen Engelwesens sehr deutlich zutage 61 • Neben dem «Hirten» und der «Epistula apostolorum» steht die altchristliche Schrift «Von den dreierlei Früchten», nach welcher der Christus als einer der sieben Erzengel von Gott «aus dem Feuer der sieben principes» geschaffen und zum «Sohn» erhoben wird 62 . Natürlich ist die Engelchristologie der populären Erbauungsliteratur der apokryphen Evangelien ein vertrautes Thema 63 • Aber auch die Theologen der Großkirche liefern noch Belege. Justin ist imstande, den Logos-Sohn mit dem «Heer der andern guten Engel als ihm gleicher Wesen» in eine Kategorie zusammenzufassen und stellt dabei dieses Engelheer mitsamt dem Logoschristus noch vor den (prophetischen) Geist 64 • Daher ist der Logos-Christus für Justin auch der Archistrategos, der oberste Engelfürst und Anführer der Engelheere65. Und so ist es nicht verwunderlich, daß Justin mit Eifer den alttestamentlichen Engelerscheinungen nachgeht, in denen der LogosChristus vermutet werden könnte 66 • Als «princeps exercitus angelorum» figuriert der Christus auch in den christologischen Bestimmungen eines Melitofragments 67 • Aber nicht einmal die gelehrten Alexandriner vermögen die Erinnerungen an die alte Engelchristologie völlig zu unterdrücken. Plötz60 Her m a s, Sim. VIII, 3, 2 f. Es handelt sich nm die Deutung des Baumes. Der Sohn Gottes wird mit dem Gesetz Gottes, dann der Gesetzgeher mit dem Erzengel Michael gleichgesetzt. 61 Der O'Eft'VO"t
334
lieh fließt auch einem Clemens Alexandrinus die Behauptung in die Feder, der Logos habe in der alttestamentlichen Heilsgeschichte als Engel gewirkt 6S. Und selbst Origenes schildert in einer Homilie ohne Hemmungen und Vorbehalte den Christus als den Wächterengel mit dem Flammenschwert, der an dem Feuerstrom vor dem Paradieseingang steht, um die Abgeschiedenen zu prüfen, die ins Paradies eingehen möchten 69• So darf man dann auch einen Ausspruch des Origenes wie den nicht überhören: Nächst dem «Eingebornen Gottes» seien die Erzengel Gabriel und Michael und die übrigen Engel die wahren Diener Gottes 70 • Besondere Beachtung verdienen die Äußerungen des Methodius. Zunächst bezeichnet er mehrmals den Christus als einen Erzengel, einmal als den «ersten der Erzengeh 71 • Dann aber erhalten wir durch ihn Kenntnis von einem Schriftbeweis der Engelchristologie, den bald nachher die Arianer gegen die Großkirchler ins Feld geführt haben und der nachweislich aus der gnostischen Evangelienexegese des zwe-iten Jahrhunderts stammt, dann aber, wie Methodius zeigt, von großkirchlichen Theologen selber übernommen worden ist. So ergibt sich eine schöne Traditionskette, die eindrücklich belegt, was freilich ohnehin klar zutage liegt, daß der Arianismus in der Tat nichts anderes ist als der letzte Ausläufer der als älteste urchristliche ÜberHeferung auch im zweiten und dritten Jahrhundert sowohl innerhalb wie außerhalb des gewöhnlichen kirchlichen Christentums lebendig gebliebenen Engelchristologie. Es handelt sich um eine Exegese zu der Parabel vom verlorenen Schaf {Lc 15, 4-6 = Mt 18, 12-14). Methodius hält sich an den Matthäustext; weil hier die hundert Schafe nicht in der «Einöde» der Steppe wie bei Lukas, sondern auf dem Gebirge weiden. Dieses «Gebirge» ist nämlich der Himmel, die hundert Schafe sind das gesamte Engelheer und der Hirte ist der Logos-Christus, der als der Archistrategos das Engelheer leitet, aber als Erzengel selber eines dieser Wesen ist. Das hundertste Schaf jedoch ist der Mensch, der ursprünglich ebenfalls zu der himmlischen Herde gehörte, aber durch den Sündenfall sich von ihr weg verirrte. Daher verließ der Logos-Erzengel 68
C I e m e n s A I e x., Paed. I, 59, l.
6U
0 r i g e n e 8 , Horn. XXIV in Lc. 0 r i g e n ~ 8 , c. Cels. VIII, 13.
70
71 M e t h o d i u 8 (Symposion I, 3): Ell{JE3tE yU.Q ·J;(p UQXLEQf.i: xal UQXtnQOq:>tJ1:n xal a{!xayytJ.rp 't0ll1:rp xal UQXL3tUQitEvrp 3tQOO'U'fOQEUitijvaL. Ehenda 111, 4 wird der Logoschristus {erstmals inkarniert in Adam! Hier klingt judenchristliche Adam-ChristusSpekulation an) als nQÖJ'tO~ ,;rov &QxayyE'J..rov, ja zudem ganz gnostisch als 3tQErtroöl\a,;a,;o~ 3tQEaßu,;a,;o~ ,;rov alrovro·v bezeichnet.
335
die himmlische Engelschar, um auf Erden den verlorenen Menschen zu retten 72 • Der gnostische Ursprung dieser großkirchlichen Exegese liegt auf der Hand. Sie stimmt in allem Wesentlichen überein mit der allegorischen Auslegung der Parabeln Lc 15, 4 ff. durch die Valentinianer, nur daß nach diesen das verirrte Schaf nicht der aus dem Himmel gefallene Mensch, sondern die aus dem Pieroma ins Hysterema verirrte Sophia ist. Auch die den Groschen suchende Frau (Lc 15, 8) wird auf die Sophia. gedeutet 73 • Vom Weiterleben der Engelchristologie im lateinischen W esten zeugen schließlich vor allem Novatian und Lactanz 74 . In der Liturgie hat sich die Engelchristologie nicht nur in der früher bereits erwähnten Form der Verwr.rtung von Jes 9, 6 LXX zu behaupten vermocht 75 • In der Epiklese der mozarabischen Liturgie wird der Christus (oder der Geist) als der «Engel des Friedens und der Gnade» angerufen 76 • In diesem Zusammenhang sind noch zwei Eigentümlichkeiten zu 72 M e t h 0 d i u s (Symposion 111, 6): btELÖi] yae cx\rco~. ro~ IUT]Itiii~ 1jv "tE xcxt ilcrnv, «Ev Ü.QXTP> &v «ltQO~ ,;ov itEOV» xcxt «itEO~» wv, ö Ü.QJo:LO""tQU"tTJYO~ xcxt ltOLf.1iJv ,;iiiv xcx,;' ouecxvov, 0 n:uncx n:Eiitov,;m xcxt Öf.1CXQ"toüm ,;a J..oytxu, xcxt n:oLf.1cxivrov Eu"tux,;ro~ xcxt Ü.QL1tf.1iiiv ,;a n:J..~itTJ ,;iiiv f.1cxxcxeirov &.yylif..rov (Excx,;ov dxe n:eoßcx,;cx), oi'i,;o~ yae 'icro~ xcxl. ,;lif..Ew~ Ü.QL1tf.1o~ &.itcxvu,;rov ~wrov xcx,;u ylivTJ xcxt !Jlüf..cx ÖLUQTJf.1Evrov, cruf.1n:cxecxf..T]!Jl· 1tli,•,;o~ ev,;aüitcx ,;fl n:oLf.1VU xcxt ,;oü &.vitewn:ou· ÖEÖTJf.1L01JQYTJ"tO yue öi] xcxt cxu,;o~ ll;ro !pitoeä~, 'Lvcx ,;ov ßcxcrtf..Ecx YEQCXLQU n:uv,;rov xcxt ltOLT]"ti]v &.v,;i!pltoyycx f.1E/..roöi(iv ,;cxi~ ,;iiiv &.yylif..rov ~;; OUQCXVOÜ !jlEQOf.1EVCXL~ ßocxi~. &.J..J..' EitEL O"UVEßTJ ltCXQEAT]AUitO"tCX ,;i]v evi:-of..i]v iif..i:itewv n:,;iiif.ta xcxt ÖELvöv n:EcrEiv, El~ Eluvcx,;ov &.vcxcr,;otxELroitlincx, ÖLu ,;oü,;6 !JlTJO"LV tcxu,;ov El~ ,;ov ßiov ex ,;iiiv ouecxviiiv ef..T]f..uitlivcxL, xcx,;cxf..Ef..otn:o,;cx ,;a~ ,;u'i;EL~ xcxt ,;u cr,;Qcx,;6n:Eöcx ,;iiiv &.yyilf..rov. &.n:Etnovtcr,;liov yue ,;u f.1EV 5QTJ ,;oi~ ouecxvoi~, ,;u öf: EvE· vf]xoncx 1tQ6ßcx,;cx ?tCXL EVVECX "tCXL~ ÖUVUf.1EO"L xcxt "tCXL~ UQJo:CXL~ ?tCXL "tCXL~ e;oucrim~, &~ xa,;a/..8/..otn:Ev &.vcx~TJ"tljcrm xcxnf..itrov ,;o &.n:ol.ro/..0~ ö O""tQCX"tTJYO~ xat n:oLf.1ljV. llf..Etm yue uviteron:o~ Ei~ "tOV Öf.1LAOV eyxcx"tUAE)GitijvcxL "tOÜ"tWV, E"tL xcxt "tOV UQL1'tf.10V ... de resurr. I, 55, 4 läßt M e t h o d i u s im Gegensatz zu dieser eigenartigen Darstellung den Men-
schen nicht aus dem Himmel, sondern gemäß der üblichen Vorstellung, aus dem Paradiese fallen. 73 Diese valentinianische Exegese zu Lc 1S ist dem I r e n ä u s bekannt und durch ihn erstmals bezeugt (adv. haer. I, 8, 4). Auf die Einzelheiten geht näher ein C a r o I a B a r t h, Die Interpretation des NT in der valentinianischen Gnosis, 1911, S. 59. Über die arianische Verwertung dieses Schriftbeweises für die Engelchristologie siehe S. 371. 74 Nova t i an (de trin. 11) nennt den Christus angelorum omnium principem, den obersten Engelfürsten; L a c t an z führt die Gleichung Christus = spiritus = angelus durch. Näheres über Novatian, Lactanz und andere westliche Theologen siehe
s. 345-348.
Siehe S. 329, Anmerkung 36. Descendat de regali tuae solio potestatis angelus pacis et gratiae, qui et oblata sanctificet (Text nach H. Lietzmann, Messe und Herrnmahl, S. 103). 75
76
336
erwähnen, die bisher dogmengeschichtlich als mehr oder weniger seltsame Unklarheiten und V erworrenheiten registriert werden mußten, weil man nicht beachtete, daß sie sich beide in gleicher Weise ganz natürlich aus der Engelchristologie erklären. Durch das griechische Alte Testament 77 wird dem nachapostolischen Christentum die Auffassung geläufig, daß die Engel «Geister» sind 78 • Von da her ist von Anfang an die Auffassung des «Pneuma» als eines personhaften himmlischen Wesens 79 gegeben, die mit der andern Anschauung vom Pneuma als einer mehr unpersönlichen übernatürlichen Substanz oder Kraft konkurriert. Gelegentlich wird die Bezeichnung der Engel als «Geister» als Andeutung ihrer Leiblosigkeit verstanden 80 • Von da her wird Zweierlei verständlich. Einmal dies, daß mehrfach, vorab natürlich bei Anhängern der alten Engelchristologie, der Christus, auch der LogosChristus, als «Pneuma» bezeichnet oder insbesondere mit dem «heiligen Geist» identifiziert werden kann 81 • Lactanz bezeichnet sowohl den Christus wie den Diabolus als zwei von Gott geschaffene «Geister» (spiritus) 82 • Natürlich haben hier auch paulinische Sätze über Christus und den Geist gewirkt 83 • So dann wird verständlich, daß, wie der Engel Chri77 Siehe Ps. 103, 4 LXX: ö JtOL!DV TOU<; uyye'J..ou,; a\rroii JtVEUft!l't!l. Ferner III Reg 22, 19 ff., LXX. 78 Schon Hehr 1, 7. l4 wird auf Ps. 103, 4 LXX Bezug genommen. Auf Hehr 1, 14 stützt sich dann Met h o d i u s, de resurr. I, 7, 3; siehe auch III, 19, 4; III, 23, 5. Daß die angeli allesamt spiritus sind, lehrt auch La c tanz, div. inst. IV, 8. 79 Siehe z. B. Hegemon i u s (Acta Archelai VIII, 1): -.:6n: (-.:o) ~öiv :rtVEUft!l lhtncrE -rov x6crftov. 80 Das ist unpaulinisch gedacht! Siehe A p o c. A h r a h. XIX (Bonwetsch, a. a. 0., S. 30): <
337
stus als Geist, so umgekehrt der heilige Geist als Engel aufgefaßt wird. Den «Engel des heiligen Geistes» stellt die Ascensio Jesaiae als den «zweiten Engel» neben den Engel Christus 84 • Bei den Melchisedekianern erscheint del' heilige Geist in Melchisedek, der als ein himmlisches W esen gilt 85 • Mehrfach wird der heilige Geist, semitischem Sprachgebrauch entsprechend, als weiblicher Engel aufgefaßtS 6 • Das Nachwirken der urchristlichen Engelchristologie ist dogmengeschichtlich insofern von wesentlicher Bedeutung, als es in der nachapostolischen Zeit die Ausbildung einer Trinitätslehre im spätern nicaenisch-orthodoxen Sinne beträchtlich erschwert, ja zunächst verunmöglicht. Engelchristologie und nicaenisches Trinitätsdogma sind absolut unvereinbar. Dieses kann nur zur Herrschaft gelangen unter der Bedingung, daß jene außer Kraft gesetzt, das heißt: als Häresie verurteilt wird. Daher ist für den Sieg der nicaenischen Theologie die Überwindung des ihr mit letzter Kraft sich entgegenstemmenden Arianismus eine ganz unvermeidlich notwendige Voraussetzung. Vorher müssen alle Versuche einer Umformung der Lehre von der Person Christi, soweit und solange sie sich von der Nachwirkung der apostolischen Engelchristologie nicht grundsätzlich zu emanzipieren vermögen, bei aller V erschiedenheit im Einzelnen doch allesamt sub o r d in a t i a ni s c h ausfallen. Diese im Zuge der Enteschatologisierung auftretenden Umdeutungen mögen den apokalyptisch-eschatologischen Engelchristus der Lehre Jesu und der Apostel in eine gnostische Aeonenreihe oder in eine dem neuplatonischen Stufensystem entsprechende, vor allem auch in eine «Ökonomische» Trinität einordnen, oder mit weniger Aufwand ihn einfach in den Logos umdeuten, stets muß er dem als absolut und transcendent gedachten Vatergott als untergeordnet gelten und erscheinen. Je kräftiger die Engelchristologie nachwirkt, desto deutlicher und durchgreifender bringen die verwendeten Begriffe diese Subordination zum Ausdruck. Und umgekehrt: Je schwächer diese Nachwirkung, desto problematischer wird die Subordination im Verhältnis des Christus zum Vatergott. A s c e n s i o Je s a i a e 9, 13-15; 31--41. Epiphanius, h. LV 1, 2f.; 5, 2; LXV, 5, 1f. 86 Im Hebräerevangelium gilt der hl. Geist als Mutter Jesu (0 r i g en es, Comm. II, § 88 in Joh. Sie ergreift Jesum «bei einem seiner Haare» und trägt ihn zum Berge Tabor). Bei Elch a s a i ist der Engel des heiligen Geistes die Schwe· ster des Engels Christus (Hip p o l y t, Refut. IX, 13: dvat öE ouv UU'tii} 'X.IlL {}i]J.uav 84
85
•.. 'X.at 'tov !1-EV UQCJEva utov dvctt "toii
aeou,
'tftV öE {}i]I.Etav 'X.UÄEi:o{}at üytov nvEii!la).
Die B a r b e 1 o g n o s t i k e r identifizieren den spiritus sanctus mit der Sophia (I r en ä u s, adv. haer. I, 29, 4) und den 0 p h i t e n gilt er als prima femina (Iren ä u s, adv. haer. I, 30, 1).
338
Das nachapostolische Christentum übernimmt in der Tat zunächst auch die spätjüdisch-urchristliche Gottesanschauung, wonach Gott seine Absolutheil dadurch wahrt, daß er in strenger Transcendenz verharrt s7 • «Vater» heißt der Gott der nachapostolischen Lehre in erster Linie nicht als «Vater Jesu Christi», sondern, besonders deutlich herausgestellt bei den Apologeten, als der Schöpfer und Herr aller Dinge 88• Diese Formeln wollen jedoch weniger die schöpferische Beziehung Gottes zur Welt und damit seine W eltverhundenheit, als vielmehr seine Weltüberlegenheit zum Ausdruck bringen und betonen. Daher auch die Verbindung der Begriffe pater und pantokrator im altrömischen Taufbekenntnis 89 • Dem, entspricht ferner das geflissentliche Bemühen um strenge Wahrung und Betonung der Transcendenz des Vatergottes: Nie tritt dieser Gott in der Welt auf 90 • Man weiß auch wohl und verhehlt gar nicht, daß man sich mit diesen Auffassungen in Übereinstimmung befindet mit dem philosophisch-(neu)platonischen Gottesbegriff 91 • Daher ist nun aber auch im nachapostolischen Christentum das Motiv zur Überbrückung der Kluft zwischen Gott und Welt wirksam, das, die Mittelwesensspekulation der spätjüdischen Engellehre (inbegriffen die apokalyptische Messiaslehre) hervorgehracht hat. In diesem Sinne argumentiert lrenäus: «Weil der Vater von allem unsichtbar und unnahbar für die Geschaffenen ist, so müssen diejenigen, die vorherbestimmt sind, Gott nahe zu treten, durch den Sohn dem Vater gewonnen und erobert werden» 92 • 87 J u s t in versichert dem Juden Tryphon (Dia!. 11, 1): oüllf: liA.A.ov f.tEV 1]f,tffiV, li/,/..ov öf: Üf.tiiiV ftyouf.tEihx i}Eov ... oliö' Ei~ liA.A.ov nva i}/.n:lxaf.tEV, ou yarJ EO"ttv, &A.A.' Et~ ,;oü,;ov Et~ ov xat Üf.tEi~, ,;ov i}Eov TOÜ 'AßrJaaf.t xat 'laaax ... Siehe auch 0 r i g e n e s, c. Cel8. I, 21. 88 n:aTi)Q, ÖEO'JtO't1]~, XUQLO~ ,;iöv ÖAffiV, Tiöv JtclV'tffiV: So häufig Justin, Tat i an, T h e o p h i I u 8. Ausdrücklich sagt T h e o p h i I u s (ad Auto!. I, 3), Gott heiße und sei Jtll'tftfJ öf; Öta To t:Ivat JtfJO ,;iiiv öA.rov, wie er auch nicht in erster Linie Kyrios der Gemeinde ist, sondern XUQto~ öE EO'TtV Öta To XllfJLEUEtV au,;ov ,;iöv ll"Awv. Sehr zu beachten ist auch die Formulierung Justins (Dial. 127, 4): Gott ist Jtll'tftfJ xat ÜQQ1]'t0~ XUQLO~ •iiiv JtclV'tCOV &.n:A.iö~ xat au,;oü TOÜ XfJLO''tOÜ. Der Christus wird erst in zweiter Linie genannt. 89 mO'TEUro EL~ i}t:ov Jtll'tEfJil JtllVTOXfJcXTOQa (H a h n , S. 23). Hiezu vgl. die Definition des T h e 0 p h i I u 8 (ad Auto!. I, 3): JtllV'tOXfJcl't(J)f] ÖE ÖTL au,;o~ TU :FtclV'tll XfJil'tEL xat Ef.tJtEQtEXEt. 90 So etwa J u s t in (z. B. Dial. 127, 1): f.tTt ftyt:iai}E au,;ov ,;ov Ö.yEVV1]TOV i}t:ov xa,;aßt:ß1JxEvat i\ &vaßt:ß1JXEVIlL n:oi}f:v. V gl. überhaupt alle Äußerungen Justins über den i}t:o~ ÜQQ1]To~. 91 Justin, Apol. I, 22; 0 r i g e n es, c. Cels. VI, 19; Te r tu II i an, adv. Mare. II, 27. 92 I r e n ä u s , Epideixis 4 7.
339
Besteht so ohnehin zunächst eine ganz natürliche und starke Tendenz, den Subordinationscharakter des Verhältnisses des Christus zum Vatergott festzuhalten, so kann er auch weiterhin noch in Begriffen der alten Engelchristologie zum Ausdruck gebracht werden. Zunächst ist zu erinnern an die bereits vorgeführten Anhänger der Engelchristologie, denen der Christus als «Geschöpf» gilt 93 • Die Widerstandskraft der Engelchristologie läßt sich ermessen an der Art und Weise, wie sich der Gedanke der «Erschaffung» des Christus (resp. des Logos oder des «Sohnes») gegenüber der neu aufkommenden Auffassung''von seiner «Zeugung» aus Gott zu behaupten vermag. Ein charakteristisches Stadium der Entwicklung ist dadurch gekennzeichnet, daß zwar der Ausdruck «Zeugung» übernommen, aber einfach noch als sachlich gleichhedeutend mit «Schöpfung» verstanden wird 94 • Die Überzeugung von der Identität der beiden Begriffe konnte eine Stütze finden in dem grundlegenden Schriftbeweis der nachapostolischen Logoschristologie Prov. 8, 22-25, sofern hier im Parallelismus membrorum sowohl von einem «Erschaffen» (ktizein), wie auch von einem «Zeugen» (gennan) der Sophia (für die Ausleger mit dem Logos mehr oder weniger identisch) durch Gott die Rede ist 95 • Selbst ein Gegner der Engelchristologie Siehe S. 331 f. Den Schöpfergott nannte man ja eben als solchen auch den JtO.Ti]Q TÖJV ll/.rov (oder TÖJV mxv-.:rov). So las das nachapostolische Christentum schon bei Phi I o (de ebriet. B): -.:ov yoüv -.:OöE TO Jtiiv 1\eyo.aufA.EVOV ÖlJfA.LOUQYOV OfA.OÜ xo.l JtO.'tE()O. Eivm -.:oü yEyov6-.:or; Euß-Ur; 1\v ötxn o:pi)aofA.EV. 9 5 Der Prolog des Johannesevangeliums (Joh 1, 1 ff.) ist weder die dogmengeschichtliche Quelle noch der älteste grundlegende Schriftbeweis der nachapostolischen Logoschristologie. Im zweiten Jahrhundert hat man das noch gewußt. Das he· zeugt Iren ä u s mit der Behauptung (die historisch nicht völlig falsch zu sein braucht), das Johannesevangelium sei gegen Kerinth geschrieben, u. a. um dessen Logoslehre zu korrigieren, nach welcher der Logos nicht mit dem .Monogenes identisch, sondern dessen Sohn sein sollte (adv. haer. 111, 11, 1). Joh war also für lrenäus nicht der erste christliche Autor, der vom Logos redete. Und die johanneische These, daß der Logos von allem Anfang an schon als Gott bei Gott war, stimmte nicht über· ein mit dem, was man Prov. 8, 22 ff. von der Sophia las und mußte sich von .dieser grundlegenden Stelle her eine Korrektur gefallen lassen. T er tu ll i an sagt: ante omnia enim deus erat solus. Dementsprechend bringt er gegen Joh 1, 2 folgende Kritik vor (adv. Prax. 5): Es geschehe per simplicitatem interpretationis, sei also als eine vereinfachende Ausdrucksweise zu beanstanden, wenn es in usu nostrorum est, mit Joh 1, 2 sermonem dicere in primordio apud deum fuisse. Joh 1, 1 f. ist gemäß Prov. 8, 22 ff. zu interpretieren: Hier wird die Sophia als das principium g es c h a f • f e n, das in Joh 1, 1 als die arche einzusetzen ist, «in» der der Logos war (adv. Hermog. 20)! So auch 0 r i g e n es, Comm. I, § 289 in Joh. Später kritisiert dann M a r c e ll von An c y r a besonders energisch (nach Eu s e b, c . .Mare. II, 2, 2 f.): oliöEv yEviatror; 1\v-.:o.üi}o. (Joh 1, 1) fA.VlJfA.OVEUrov ,;oü A6you, &.n' EJto.ÄÄi)ÄoLr; 'tQL!JLV fA.o.e-.:ueiaLr; x.ewfA.tvor;, 1\ßtßaiou, 1\v O.ex.ü ,;ov A6yov dvo.L. 93
94
340
wie Tertullian bekundet zwar wohl gelegentliches Mißbehagen an der hier ausdrücklich behaupteten Erschaffung der Sophia (resp. des Logos) 96 , wagt jedoch noch nicht, gegen die ganze Tradition des zweiten Jahrhunderts zu bestreiten, daß hier überhaupt die Erschaffung des prä existenten Logos-Sohnes gemeint sei. Erst der Endkampf um die definitive Beseitigung der Engelchristologie mitsamt allen ihren Konsequenzen provozierte diesen schroffen Bruch mit der Tradition und erregte damit einen Streit um die Auslegung der Proverbienstelle. Dessen Bedeutung bekundet sich in der Tatsache, daß im vierten Jahrhundert Amphilochius von lkonium über diese Spezialfrage ein ganzes Buch schreiben mußte 97 und daß in dem von Parteien zerrissenen Antiochien der neugewählte Bischof mit einer Predigt über Prov. 8, 22 seine Auffassung öffentlich bezeugen mußte 98 • Wo es nicht gerade um die christologische Frage geht, kann noch Tertullian selber ganz unbefangen behaupten, zwischen «natum» und «factum» bestehe kein wesentlicher Unterschied 99 und der conditor universitatis könne eben als solcher auch pater omnium heißen 100 • Dementsprechend bringt man die Erschaffung des Logoschristus auf zwiefache Weise zum Ausdruck. Einmal: Er ist von Gott wie die übrigen Geschöpfe «erschaffen». Nach der eigentümlichen Formel der Schrift «Von den dreierlei Früchten des christlichen Lebens» (Cap. 6) ist der Erzengel Christus «durch den Mund Gottes geschaffen» (creatus) und so gilt er als «Sohn Gottes» und Logos 101 • Origenes hält sich ganz unbefangen an die Ausdrucksweise der Proverbienstelle von der « Erschaffung» der Sophia, nennt den Sohn Gottes «das älteste aller geschaffenen 96 Adv. Prax. 6--7 behandelt Te r t n 11 i an die Proverbienstelle so, daß er das <
s. 51.
Nach dem Bericht des E p i p h an i u s, h. LXXIII, 31, i ff. T e r t u 11 i a n sagt in bezug auf die menschliche Seele ( de anima 4): capit itaque et facturam provenisse poni, siquidem omne quod quoquo modo accipit esse generatur; nam et factor ipse parens facti potest dici. Aber adv. Prax. 8 denkt er dabei auch an den Sohn Gottes: quia omnis origo parens est et omne, quod ex origine profertur, progenies est, multo magis sermo dei, qui etiam proprie nomen filii accepit. 100 Te r tu 11 i an (adv. Mare. IV): nam tarn pater omnium qui conditor universitatis quam spado qui nullins substantiae conditor. Noch im 4. Jahrhundert muß E p i p h an i u s gegen die alte Auffassung kämpfen, <
341
Wesen» und läßt alsdann den heiligen Geist durch den Logos-Sohn geschaffen sein 102 • Dem Origenes folgt in dieser Auffassung vom Sohn als «Geschöpf» auch der Alexandriner Theognost 103 • Dann aber läßt sich das Nämliche im Anschluß an Kol l, 15 104 auch so sagen: Wie der Logos-Christus seien auch die übrigen Geschöpfe, mindestens die Engel, aus Gott «erzeugt», so Justin, Tatian, Hippolyt, Arnobius und Lactanz 105. Es kann sich natürlich auch ein und derselbe Autor in beiden Ausdrucksweisen bewegen. So redet Origenes auch von (ewiger!) «Zeugung» 106. 102 0 r i g e n es, Comm. I, §§ 111-115 in Joh; c. Cels. V, 37; de princ. IV, 4, 1; I, 33; nach Hier o n y m u s (Epist. ad Avit. 2) stand in de princ. praef. 4 geradezu: Christum filium dei non natum, sed factum; E.p i p h an i u s, h. LXIV, 4, 3. 103 Phot i u s berichtet (Cod. 106 Bibl.) über den Inhalt der Hypotyposen des T h e o g n o s t : EV 1\E -rifl öeu-regq> (sc. MyqJ) -rtihjcrt J.tEV Em:x;etef!J.ta.-ra., öt' iJw öei:v
qJTJO"L -rov :n:a.-rega. s:x:ew utov •.• utov 1\E f..Eyrov x-rtcrJ.ta.. 104 :n:gro-ro-roxo~ :n:aO"'I]~ x-rtcrero~. Diese Stelle wird im nachapostolischen: Zeitalter häufig verwertet. Bei der Bezeichnung des Christus als des <
342
Die subordinatianische Denkweise der alten Engelchristologie bekundet sich ferner vor allem überall da, wo der Christus weiterhin bezeichnet wird als der «Erwählte» 107, als «Knecht Gottes» 108, oder als der «Ratgeber» 109 , der «Gesandte» 110 und «Diener» Gottes 111 • Sogar Tertullian redet in seiner trotz neuer Christologie festgehaltenen subordinatianischen Auffassung vom «Sohn Gottes» als dem arbiter und minister des Vaters 112 • Die nachapostolische Literatur bietet nun aber nicht bloß die Belege dafür, daß vor Arius immer schon eine Engelchristologie vorhanden war, sondern sie zeigt auch, daß, wie ja von vornherein zu erwarten ist, bereits vor Ausbruch des arianischen Streits die theologische Auseinandersetzung zwischen dieser ältesten Auffassung von der Person des Christus und der neu aufkommenden Lehre von dessen Gottheit im Gange war. Der Anknüpfungspunkt für den Übergang zur neuen Christologie war gegeben im relativierten Gottesbegriff der alten polytheistischen Volksreligion, die auf hellenistisch-synkretistischem Boden neben dem philosophischen Monotheismus lebendig war. Es genügt in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß nach einer Notiz des Epiphanius die Ophiten ihre Aeonen bald als Engel, bald als Götter bezeichnen 113 und daß nach Athanasius hellenistische Philosophen von (
XEXQ LO"ita.L. 108 3t!1.L~ itwü heißt der Christus in der judenchristliehen Lehre (E p i p h a n i u s , h. XXIX, 7, 3); ferner I CI e m 59, 2 ff.; Bar n ab a s 6, 1; 9, 2; D i da c h e 9, 2 f.; 10, 2 f.; M a r t. Po I y c. 14, l. 3; 20, 2; Acta Pa u I i (Lipsius-Bonnet I, 246. 252). 109 H e r m a s , Sim. IX, 12, 2. 110 Justin (Apol. I, 63): ulo~ itwü xal &~toa,;ol..o~ 'ITJO"OÜ~ ö XQLO"'to" 1\a,;w. 111 J u s t in (Dial. 127, 4): ulov a.u,;oü xal U.yyEÄov i\x ,;oü U3tTJQE'tEiv •ii yvooJ.Ln au,;oü. T h e o p h i I u s (ad Autol. II, 10): ,;oü,;ov ,;ov Myov EO":i(EV Ü3tougyov ,;iiiv 'll~t'a.u,;oü '(EYEVVTifLEVOOV. Iren ä u s (adv. haer. IV, 6, 7): omnia autem filius administrans patri. La c tanz (de ira dei 2): Man soll Christum cognoscere ruinistrum eius (sc. dei summi) ac nuntium, quem legavit in terram. 112 Te r tu ll i an, adv. Mare. II, 27. 113 E p i p h an i u s (h. XXXVII, 4, I): atiiivE" l],;ot itwl l],;m liyyEÄot (xa.Äoüv,;a.t
"{UQ 3t!1.Q'IlU'tOL" OVOfL!1.11l ÖL(l(jlOQOL~). 1U At h an a s i u s, Oratio c. gent. 19 (MG XXV, 40). 115 0 r i g e n es (c, Cels. V, 4) antwortet auf die Frage des Celsus, ob Juden und Christen unter ihren <
343
Die Frage, wann die Auseinandersetzung über die Engelchristologie begonnen habe, ist von besonderem Interesse angesichts der Stellung· nahme zweier nachapostolischer neutestamentlicher Schriften, des Hebräerbriefs und des Judasbriefs. Der Judasbrief (ca. 130-140) scheint bereits einen Angriff auf die Engelchristologie abzuwehren 116 • Umgekehrt scheint erheblich früher schon (ca. 80-90) der Hebräerbrief einen solchen Angriff selber zu führen, sofern er 1, 4-14 geflissentlich die Überlegenheit des Christus über die Engel nachweist. Der Sachverhalt ist jedoch durchaus nicht so klar, wie dies auf den ersten Blick scheint. Stutzig macht nämlich die überraschende Rolle, die der Hebräerbrief in dieser Sache in der nachfolgenden dogmengeschichtlichen Entwicklung spielt. Statt, daß er von den Gegnern der Engelchristologie als willkommener, kräftiger Schriftbeweis ins Feld geführt würde 117 , lesen vielmehr die Melchisedekianer gerade aus diesem Briefe die Auffassung heraus, daß der Christus nach Wesen und Würde nicht über, sondern unter dem himmlischen Engelwesen Melchisedek stehe 118 • Dann aber hat Arius ausgerechnet Hehr 1, 4 als einen Schriftbeweis für seine Engelchristologie geltend gemacht 119 • Man versteht dies nur, wenn man beachtet, daß Hehr 1, 4ff. in der Tat streng genommen den Christus nicht unbedingt über die Engelwelt überhaupt erhebt. Die Ausdrucksweise ist allerdings in der Schrift «Götter>> genannt werden. Ans Stellen wie c. Cels. VIII, 3; IV, 29 geht hervor, daß er vor allem an Ps. 81, 1 denkt: «frEOU~», ou ·wu~ 1tQOOX.U'VOU· ~tevou~ f.v ,;oi:~ lifrvEOL'V f.!;ax.o'llo~tE'V ... &.A.A.u frEOu~, ci)v otÖE nvu ouvaywyijv o 1tQO
344
vielmehr noch an der ältesten Auffassung orientiert, wonach der Christus in die den gewöhnlichen niedem Dienstengeln (angeloi) übergeordnete Herrscherstellung erst ·durch Erwählung erhoben worden sei 120 • In der Tat hätte auch ein Vertreter der Engelchristologie wie der Autor der Ascensio Jesajae im Sinne von Hehr l, 4 den Christus als «erhabener als die Engel» (angeloi) bezeichnen können, da er mehrfach betont, daß die Engelwesen der ohern Himmel «größer» seien als diejenigen der untern Sphären 121 • Man kann also den Hebräerbrief tatsächlich kaum, jedenfalls keineswegs mit Sicherheit, als den ersten nachapostolischen Zeugen einer grundsätz I ich e n Ablehnung der Engelchristologie in Anspruch nehmen. Die vorarianische Diskussion der Engelchristologie dreht sich zumeist nicht einfach um die Frage, ob der Christus ein Engel sei, sondern um die andere, in welchem Sinne er sowohl als Engel wie als Gott gelten könne. Zunächst sind hier zwei entgegengesetzte Thesen festzustellen. Diejenige der zu einem Kompromiß bereiten Engelchristologie lautet: Der Christus ist seinem Wesen nach ein hoher Engel, wird aber auch «Gott» genannt; denn die Bezeichnung «Gott» ist mehrdeutig: «Gott» heißen erstens die absolute göttliche Allmacht selbst, dann aber auch die Wesen, die diesem deus verus dienen. Daß diese als «Götter» bezeichnet werden, bedeutet eine Ehrung und Anerkennung dessen, der sie sendet und den sie also vertreten. So können in der Schrift (Exod. 22, 28) sogar Menschen, nicht nur Engel, «Götter» heißen, ohne es wirklich zu sein 122 • Auch noch Lactanz hat so gedacht 123 • Und wie der Apostel Petrus (!) in den pseudoclementinischen Homilien, so macht auch Lactanz das Argument geltend, Jesus Christus selber habe sich 120
Hehr I, 4: l:x.a{hcrEv l:v liE;L~ -rf)~ ~EyaA.ocruvT]~ Ev 1njJT]A.o'i~, -rocrou-rCfJ x.QElnwv
yEvo~Evo~ 121
-röiv &.yyf-A.rov 1SGCfJ liLa
A scen si o
122 So wird, gewiß irgendwie in alt-judenchristlichem Sinne, argumentiert in P s. CI e m. Re c o g n. II, 42: trihus igitur modis deus quis dicitur, vel quia vere est, vel quia ei, qui vere est, ministrat, et ob honorem mittentis, ut plena sit eins auctoritas, hoc dicitur iste qui missus est, quod est ille qui misit, ut saepe factum est de angelis. Dann wird noch Exod. 22, 28 erörtert. 123 L a c t a n z (instit. epitome 37): denique ex omnihus angelis quos idem deus de suis spiritihus figuravit, solus in consortium summae potestatis adscitus est (sc. filius dei), solus deus nuncupatus. Es ist sehr zu beachten, daß Lactanz, nachdem er am Schluß seines Hauptwerks deutlich ein Anhängsel im Sinne tertullianischer Christologie geliefert hat, in der Epitome nachträglich doch ganz unbefangen wieder zu seiner Engelchristologie zurückkehrt!
345
niemals als Gott bezeichnet 124, was später sogar em Theologe wie Mareeil von Ancyra bestätigt 125 • Die Antithese der Vertreter der neuen Christologie lautet: Christus ist seiner himmlischen Wesenheit nach Gott, wird aber auch als Engel bezeichnet. Tertullian widerlegt und ironisiert die Engelchristologie in einer Weise, die deutlich zeigt, wie lästig es ihm und seinesgleichen ist, dieser alten Lehre mit Rücksicht auf die ihr zur Verfügung stehenden traditionellen Schriftbeweise überhaupt noch irgendwelche Zugeständnisse machen zu müssen 126 • Der Autor ad Diognetum, der wie Tertullian von der Identifizierung des Logos mit einem Engelwesen nichts mehr wissen will, kümmert sich um diesen Schriftbeweis überhaupt nicht mehr 127 • Aber dies ist doch eine Ausnahme. Im allgemeinen verwertet man eine Auskunft Justins. Von dem göttlichen Logos, der wie die Engel aus Gott hervorgeht, aber mit Gott in engerer Verbindung bleibt als diese, sagt Justin, er heiße auch «Engel» in der Schrift, weil er gemäß dem Willen des obersten Gottes, des Schöpfers des Alls, den Menschen die ihm übertragene Botschaft verkünde 128 • Bei dem von Justin so scharf betonten Subordinatianismus kann keine Rede davon 124 P s. C 1 e m. Ho m .. XVI, 15: ö :>eUQW~ fJf1ÖYV oßn ih:ou~ elvat ~qr3ey;u,;o ;tU(>tl l:CJ'V :>tl:LC1!l'V't!l ,;a .;ta'V't!l, oßn UU'tO'V itEO'V El'VUL U'V'I'JYOQE\JC1E'V, \JLO'V öE itEOii ,;oii ,;a ;tQ.v,;a ÖtU:>tOC1f1Tt<1U'V'tO~ ,;ov EL;tov,;a au,;ov tuMym~ ~f1UK6.QLC1E'V. La c tanz (div. inst. IV, 14): docuit enim (sc. Christus) quod unus deus sit eumque solum coli oportere, nec unquam se ipsum deum dixit, quia non servasset fidem, si missus ut deos tolleret et unum adsereret, induceret alium praeter unum. 125 M a r c e ll (bei E u s e b , de eccles. theol. I, 16, 1): Öta ,;oii,;o oux; utov itwii ealll:O'V övof16.ttt, &.'J,.'J,.a ;tanax;oii utov &.vitQ!lmou tau,;ov Hytt, 'Lva öta ,;ij~ ,;otau,;'I'J~ ö~w'J,.oyla~ itt\crn ,;ov livitQmnov öta "tij~ ;tQO~ au"tov xowmvla~ utov itwii ytvecritat 3tU(>UC1KEUacrn. 126 Te r tu ll i an (de carne Christi 14): sed angelum, aiunt, gestavit Christus. Qua ratione? qua et hominem. eadem ergo est et causa ut hominem gestaret Christus. salus hominis fuit causa, scilicet ad restituendum, quod perierat. homo perierat, hominem restitui oportuerat. ut angelum. gestaret Christus, nihil tale de causa est. nam et si angelis perditio reputatur in ignem praepar.atum diabolo et angelis suis, nun· quam tarnen illis restitutio repromissa est. nullum mandatum de salute angelorum suscepit Christus a patre. quod pater neque repromisit neque mandavit, Christus administrare non potuit. cui igitur rei angelum quoque gestavit, nisi ut satellitem fortem, cum quo salutem hominis operaretur? idoneus enim non erat dei filius, qui solus hominem liberaret, a solo et singulari serpente deiectum. ergo iam non unus deus, nec unus salutificator, si duo salutis artifices, et utique alter altero indigens. an vero ut per angelum liberaret hominem? Aber: cur ergo descendit ad id quod per angelum erat expediturus? Tertullian karrikiert natürlich. 127 ad D i o g n e t. 7: Der itto~ 3t!l'V'tOKQ6.'tm(> sandte vom Himmel her den heiligen Logos ou :x.ai}a;tEQ liv 'tt~ Et:>e6.crttE'V, &.vitQO:mot~ U;t'l'jQll't'I'J'V 'tt'Vtl 3ttlf1'1!JU~ il liyytAO'V il U(>)(;O'V't!l 1i 'tt'V!l 'tW'V ÖtE;tO'V't(J)'V 'ttl E;t[yEtU 1i 'tt'V!l 'tW'V 3tE3ttC1'tE\Jf1tl'V(J)'V 'ttl~ ~'V OU(>!l·
'VOt~ ÖtotKTtCIEL~.
128 J u 8 t in (Dial. 56, 4): ö~ Kai. liyyEAO~ KUAEhut ÖLtl 'tO &.yyeAAEW 'tOt~ &.vitero· nm~ öcranEQ ßouAE'taL au"toi:~ &.yyei:Aat ö "tiöv ö'J,.mv noL'I'J'tTt~. U;tEQ öv li'J"'J"o~ tteo~ ou:>e
iicrnv. Vgl. Dial. 128, 3.
346
sein, daß er mit dieser Erklärung den Logos-Christus prinzipiell wesensmäßig von den Engeln unterscheiden wollte. Die spätern Gegner der Engelchristologie jedoch wollen mit Hilfe der Erklärung Justins gerade einen solchen Wesensunterschied herausstellen. Wesensmäßig oder genauer: Der «Natur» nach ist der Logos-Sohn wirklich Gott. Der Name «Engel» bezieht sich lediglich auf eine seiner Funktionen. Deshalb betonen die lateinischen Gegner der Engelchristologie mehrfach, in der Jesajastelle 9, 6 LXX sei der Christus nicht als «angelus» im Sinne der Engellehre, sondern lediglich als «nuntius» bezeichnet. Und der «große Rat», von dem hier die Rede ist, darf nicht mehr als die «große (himmlische) Ratsversammlung» Gottes verstanden werden, sondern muß jetzt den «Ratschluß Gottes» bedeuten 129 • Es finden sich aber auch Auffassungen, die eine Mittellösung zwischen den beiden vorgeführten Antithesen darstellen. Man ist nicht verwundert, bei Origenes eine solche anzutreffen, konnte er doch gelegentlich sagen: Um so viel, wie sich Petrus und Paulus vom Erlöser unterschieden, sei dieser selber geringer als der Vater 130 • Im Johanneskommentar führt er einmal aus, in viel höherem Maße als Paulus sei der Erlöser «allen alles geworden» (I Cor 9, 22), um alle zu gewinnen: Den 129 Iren ä u s (adv. haer. 111, I6, 3) deutet die Jesajastelle 9, 6 LXX messianis<,h, der lateinische Übersetzer aber ersetzt den angelus durch den nuntius. Dann aber ganz entschieden Te r tu ll i an (de carne Christi I4): dictus est (sc. Christus) quidem «magni consilii angelus», id est nuntius, officii non naturae vocabulo. magnum enim cogitatum patris, super hominis scilicet restitutione, adnuntiaturus saeculo erat. non ideo tarnen sie angelus intelligendus est aliqui Gabriel aut Michael. nam et filius a domino vineae mittitur ad cultores, sicut et famuli, de fructibus petitum. sed non propterea unus ex famulis deputabitur filius quia famulorum successit officio. t r a c t. 0 r i g e n i s 111 (ed. Batiffol, S. 32 f.): et ideo angelum scriptura dixit, ut euro <
24
347
Menschen erschien er als Mensch, den Engeln aber als Engel 131 • In höchst bezeichnender Weise argumentiert Novatian. Einerseits beurteilt er die konsequenten Vertreter der Engelchristologie bereits ausdrücklich als Häretiker 132• Dann aber beschränkt sich die Begründung seiner eigenen Stellungnahme auf die Erwägung: Wenn die Schrift auch schon die dem Christus unterstellten Engel «Götter» nennt (Ps. 81, 1), wie sollte da nicht Christus selbst mit größerem Recht Gott heißen. Er ist wirklich beides: Sowohl Gott, wie auch Engel 133 • Nichts illustriert im Grunde deutlicher die Zähigkeit, mit der sich im Prozeß der Enteschatologisierung trotz allem die Engelchristologie zu behaupten vermochte, als die Tatsache, daß noch im dritten Jahrhundert ein Theologe wie Novatian in dieser Weise die Gottheit Christi gegen die «Häretiker» beweisen konnte. N ovatian steht aber im lateinischen Westen seiner Zeit nicht allein. Cyprian vertritt in seinen Testimonien im wesentlichen die gleiche Mittelstellung 134 • Deutlich erkennbar ist die Stellung des Monarchianismus zur Engelchristologie. Die «dynamistische» Richtung geht mit dieser einig mmdestens in der Ablehnung der Gottheit Christi. Darüber hinaus aber 0 r i g e n es (Comm. I, § 217 in Joh): 6 ,;o[vuv OOO'tftQ -frELO'tEQO'V noA.A.<[i 1\ n6.v-ra. tva. n6.v-ra. 1\ x.eglh'Jon 1\ -reA.nroon, x.a.t ow:pw~ yf-yovev uvßg(onoL~ Hv-&gomo~ X
Tia.iiA.o~ yeyove -roi:~ näot
348
vertreten die von dem Dynamisten Theodot Trapezites ausgegangenen Melchisedekianer grundsätzlich die Engelchristologie als solche, nur daß für sie. nicht der Christus, sondern Melchisedek das höchste Engelwesen ist 13.5 • Umgekehrt muß natürlich der modalistische Monarchianismus die Engelchristologie grundsätzlich bekämpfen. Das zeigt schon der «naive» Modalismus einer Schrift wie die Johannesakten 136 •
Drittes Kapitel Das Problem der Erscheinung des Christus in Jesus von Nazareth Es ist bereits gezeigt worden 1, daß im Urchristentum und in der frühsten nachapostolischen Zeit die Beantwortung der Frage, in welchem Sinne Jesus von Nazareth Wesen und Würde des himmlischen Christus zukommen, aus bestimmten Gründen in verschiedenen Ansätzen gegeben wurde. In der Folgezeit werden diese Ansätze teils einzeln weiterentwickelt, teils in ihren Differenzen mit mehr oder weniger Erfolg zum Ausgleich gebracht. Daß dabei allerlei Verwirrung entsteht, ist unvermeidlich. In erster Linie ist festzustellen, daß die älteste Auffassung, diejenige Jesu und der urapostolischen Gemeinde, in der das eschatologische Dogma am deutlichsten zum Ausdruck kommt, in der nachapostolischen Zeit zwar noch eine Weile nachklingt, dann aber endgültig verschwindet. Es ist die Auffassung, daß der Mensch Jesus von Nazareth nach kurzer prophetischer Wirksamkeit durch Tod und Auferstehung in Wesen und Würde des himmlischen Menschensohn erhöht, verwandelt worden sei. Das Verschwinden dieser Anschauung ist ein deutliches Symptom der Enteschatologisierung. Ursprünglich ist ja die Überzeugung von der durch Tod und Auferstehung erfolgten Erhöhung Jesu zur Herrlichkeit des himmlischen Messias unmittelbar verbunden mit der 135 E p i p h an i u s (h. LV, 1, 2 f.): OUTOL ,;ov MEA)CLO'EöEx ,;ov E:v TUt!; 'YQ
349
Erwartung seiner nahen eschatologischen Parusie. Sie ist die sachliche Voraussetzung dieser Erwartung. lnfolge der andauernden Parusieverzögerung muß sie daher ohnehin problematisch werden und andern Auffassungen zum Opfer fallen. Die alte Anschauung wirkt zunächst nach in dem Eifer, mit dem man das Thema der zwei Parusien des Christus erörtert und hiefür die alttestamentlichen Schriftbeweise konstruiert und sammelt 2 • Der Kernpunkt ist dabei die starke Betonung des Kontrastes zwischen der irdischmenschlichen Armseligkeit und Unansehnlichkeit der ersten, und dem himmlischen Herrlichkeitsglanz der zweiten Parusie 3 • Diese gegensätzliche Unterscheidung der zwei Parusien des Christus spielt in der Theologie der frühern nachapostolischen Zeit eine ebenso bedeutsame Rolle wie in der Lehre der Folgezeit die ganz andere Unterscheidung der zwei Naturen des irdischen Christus 4 • Der Gegensatz stellt kein Problem dar. Denn im Hint~rgrund steht immer noch die Anschauung, daß der auf Erden wandelnde Mensch Jesus als der Messias-Menschensohn auf den Wolken des Himmels wieder. erscheinen kann auf Grund dessen, was durch Tod und Auferstehung und Erhöhung aus ihm geworden ist. Und diese Anschauung kommt auch noch mehrfach zum Ausdruck 5 • Aber sie verfällt der Zersetzung. Und was auch innerhalb der nachapostolischen . kirchlichen Theologie von ihr als Rest oder letzte Spur übrig bleiben mag, so wird doch jedenfalls der Kerngedanke der alten eschatologisch-christologischen Deutung des Todes und der Auferstehung Jesu unhaltbar: daß in diesen Ereignissen die Erhebung und Verwandlung des Menschen Jesus zum himmlischen Messias stattgefunden habe. Es genügt in diesem Zusammenhang der Hinweis auf die Feststellung 2 Sogar die zwei Böcke Lev 16, 7 f. werden in diesem Sinne christologisch ge· deutet: Bar n. 7, 6 ff.; Justin, Dial. 40, 4. Über die Hauptschwierigkeiten dieses Schriftbeweises siehe S. 157-160. 3 Es ist der Gegensatz von liöo!;o<; und evöo!;o<; (Justin), humilitas, obscuritas, ignobilitas, inhonestas und sublimitas (Tertullian). 4 Die Diskussion spielte sich ab als Auseinandersetzung mit dem Judentum. An Stelle vieler Einzelbelege mag hier das Zeugnis T e r t u ll i a n s treten, daß der Streit um die zwei Parusien der Hauptgegenstand des dogmatischen Kampfes mit dem Judentum gewesen sei: nec alia magis inter nos et illos compulsatio est quam quod iam venisse (sc. Christum) non credunt. duobus enim adventibus eius significatis ... 5 In der A s c e n s i o J es a i a e (11, 20 ff.) wird Christus durch Tod und Auferstehung in die himmlische Herrlichkeitsgestalt des Messias zurückverwandelt, die er bei seiner Herabkunft zur Menschwerdung verhüllt hatte. So erkennen ihn nun bei seinem Wiederaufstieg durch die untern Himmelssphären die Engel- und Geistermächte, die ihn in der Verhüllung beim Abstieg vorher nicht entdecken konnten.
350
des Origenes, daß die Frage, ob und in welchem Sinne für den irdischen Christus die Auferstehung eine Verwandlung seiner Seinsweise bedeutet habe, im zeitgenössischen Christentum zum Gegenstand einer «endlosen Debatte» geworden sei 6 • Insbesondere die Gnosis lehnt beharrlich den «gewaltigen Irrtum» ab, Jesus sei in einem gewöhnlichen irdischen Körper auferstanden 7 • Innerhalb des hellenistischen Christentums war die Auffassung Jesu und der urapostolischen Gemeinde auch schon von Anfang an etwas abgeschwächt durch die paulinische Eintragung der Deutung Jesu als der irdischen Erscheinung emes präexistenten himmlischen Wesens. Wurde zum Ausgleich die synoptische Taufgeschichte in der Weise ausgesponnen, daß man den himmlischen Christus mit dem herabkommenden «Geiste» identifizierte und ihn in Taubengestalt in den Menschen Jesus eingehen ließ s, so erhielt man damit zwar eine Menschwerdung des Präexistenten, welche, die paulinische Anschauung überbietend, nicht eine Verhüllung, sondern eine Offenbarung des Christus darstellte; aber man geriet in neue Schwierigkeiten. Deutete man ausdrücklich unter Verwertung der nach Ps. 2, 7 LXX wiedergegebenen Himmelsstimme von Lc 3, 22 die Taufe Jesu vollends in eine Gehurt des Messias um 9 , so wurde der Widerspruch zu den schon vorhandenen Auffassungen über Erzeugung und Geburt Jesu handgreiflich, weshalb denn Justin (Apol. I, 41}: IJ.E'ta ,;o o,;auQw'frfiv
351
auch scnon Justin diese christologische Spekulation über die Geistbegabung Jesu bei der Taufe ablehnt 10 • Indessen gab es hier auch ohnedies Unstimmigkeiten, die alsbald nach der Kanonisierung der neutestamentlichen Schriften empfunden wurden und dogmatischen Zwiespalt erregten. Tertullian gesteht ohne weiteres zu, daß Fleischwerdung des Logos (nach dem Johannesevangelium) und Erzeugung Jesu in der Jungfrau durch den heiligen Geist (nach Mt, Lc) nur vereinbar seien unter der Voraussetzung der Identität von Logos und Geist 11 • Mit dieser Auskunft helfen sich an diesem Punkt auch andere 12 • Allein damit ist die wesentliche Differenz der beiden Auffassungen nicht erledigt, die darin besteht, daß die eine die Inkarnation eines Präexistenten, die andere die übernatürliche Erzeugung und Geburt eines Nicht-Präexistenten behauptet. Deshalb kann denn auch das immer neu auftauchende Unternehmen nie endgültig zum Scheitern gebracht werden, aus den synoptischen Evangelien zu beweisen, daß der Name «Sohn Gottes» Christus nicht als ein präexistentes Wesen bezeichne, sondern - so meint es ja auch noch das altrömische Taufsymbol - ihm lediglich auf Grund seiner Erzeugung durch den göttlichen Geist in der Jungfrau Maria zukomme 13 • Aber damit ist man noch nicht am Ende der Schwierigkeiten. Je eindringlicher und anschaulicher die personifizierende Identifikation des heiligen Geistes von Lc 1, 35 mit dem johanneischen Logos dartut, wie der Logosgeist in der jungfräulichen Maria sich einen reinen Leib als · Wohnung und Werkzeug zubereitet, desto unbegreiflicher wird, daß Jesus nachträglich doch noch in der Taufe mit dem heiligen Geiste be10 Justin (Dial. 88, 3-8): Christus bedurfte für sich selbst keiner Begabung mit dem Geiste, und wenn auch die göttliche Stimme wirklich sagte, was in Ps. 2, 7 steht, so kann doch der Vorgang bloß eine ysVECJL~ -roi:~ &vitQOl1tOL~ heißen, E!; Ö-to1J fJ yvöioL~ mhoii Ef1EAAE ytveoitm. 11 Te r tu ll i an (adv. Prax. 26): ceterum alium Johannes profitehitur carnem factum (Joh 1, 14), alium angelus carnem futurum (Lc 1, 35), si uon et spiritus sermo est et sermo Spiritus. 12 So Hip p o I y t, fragm. zu I Sam 2, 5; c. Noet. 4; Or a c. Si h yll. VIII, 459-462; 469-472; t r a c t. 0 r i g e n i s XX. Man beachte, daß sowohl von da her wie auch durch die christologische Deutung der Taufe Jesu der Identifikation von Logos-Christus und Geist nicht weniger Vorschuh geleistet wurde als durch das he· reits früher (S. 337) erwähnte, allerdings primäre Motiv. 13 Schon für J u s t i n scheint der Ausgleich der Inkarnation des präexistenten Logos mit der übernatürlichen Erzeugung Jesu durch den Geist unklar gewesen zu sein. Er redet von der Gehurt Christi bald E?t, bald ÖLu, bald &nb :n:ueitsvou (Apol. I, 22, Dial. 66). Und Dial. 48, 3 redet er ja auffällig unsicher über die Präexistenz des Christus. V gl. ferner Iren ä u s (adv. haer. III, 18, 1): exclusa est omnis contradictio dicentium: Si ergo tune natus est, non erat ergo ante Christus. ostendimus enim, quia
352
gabt werden muß 14 • An diesem Problem soll es nach Hippolyt 15 sogar zu der großen Spaltung innerhalb der Schule der V alentinianer gekommen sein. Andererseits fand man bei Paulus wohl eine Menschwerdung des Präexistenten, aber keine ausdrückliche Bestätigung der übernatürlichen Erzeugung und Gehurt aus der Jungfrau. Man mußte eine solche auf fragwürdige Weise in die paulinischen Aussagen hineindeuten 16 • Aber Origenes bekennt einmal, es falle ihm lästig, Leuten entgegentreten zu müssen, die äußerst heikle Auseinandersetzungen provozieren, indem sie die Frage aufwerfen, wie Christus nach Rm 1·, 3 wirklich «aus dem Samen Davids» stammen könne, wenn er doch (nach Mt Lc) gar nicht von dem Davididen Joseph erzeugt sei 17 • Und schließlich wurde man in all diesen Auseinandersetzungen gestört durch die auch im nachapostolischen Zeitalter in einzelnen Gruppen immer noch lebendig gebliebene älteste geschichtliche Tradition der jerusalemischen Urgemeinde, für die der irdisch-geschichtliche Jesus von Nazareth lediglich als Mensch galt. In diesen Kreisen (Judenchristen, einzelne gnostische Gruppen, Theodotianer, Artemoniten) wußte man noch von der wahren Herkunft Jesu als des Sohnes Josephs und. von non tune coepit filius dei, existens semper apud patrem. 0 r i g e n e s (Erklärung zu Joh 3, 17, Comm. in Joh ed. Preuschen, S. 515): xat E% 'tOÜ ltU(IOV'tO~ Q'l]'tOÜ Ei..lly;aL llan ,;ou~ "Aiyov,;a~ ,;i)v «ulo~>> ltQOO'IJYOQtav ent f.Lovou ,;oü ex MaQta~ %Ei:o-ltaL, f.LYJ f.LYJV EltL ,;oü -ltEOÜ "Aoyou. Die von Nova t i an bekämpften «Häretiker», die die Zweinaturen-Kombination bestreiten, äußern sich über Lc 1, 35 folgendermaßen: Si ergo angelus dei dicit ad Mariam, quod ex te nascetur sanctum, ex Maria est substantia carnis et corporis. haue autem substantiam, id est saueturn hoc, quod ex illa ingenitum est, filium dei esse proponit. homo ipse et illa caro corporis, illud quod saueturn est dictum, ipsum est filius dei (de trin. 19). 14 Der Verfasser der T r a c t. 0 r i g e n i s muß in einer Homilie (XX ed. Batiffol, S. 209) auf das Problem eingehen: sed fortassis aliquis dicat: Si spiritus dei descendit ad virginem et verbum caro factum est et habitavit in nobis, sicut scripturn est ... cur rursus in similitudine columbae advenit ad dominum? 1s Hippolyt, Refut. VI, 35,3-7. 16 Der großkirchliche klerikale Verfasser der Acta Pa u I i macht den Paulus mit Hilfe eines gefälschten Paninsbriefs an die Korinther zum Verkünder der Jungfrauengeburt, in welchem er den Apostel sagen läßt (A c t a P a u I i , ed. C. Sch~idt, 1905, S. 78): «
353
seinem prophetischen Auftreten und Wirken 18 • Für die Unrichtigkeit des Dogmas von der übernatürlichen Erzeugung Jesu und seiner Geburt aus der Jungfrau berief man sich auf die Stelle Lc 2, 33, die unbefangen von Joseph und Mariaals Vater und Mutter Jesu redet 19 • Aber vor allem bewahrte ja das altsyrische Neue Testament im unverfälschten Text des Stammbaums Jesu Mt l, 16 die deutliche Aussage: «loseph, dem die Jungfrau Maria verloht war, zeugte Jesum, der der Christus heißt» 20 • Und offenbar ist an diesen Matthäustext zu denken bei dem Bericht des Epiphanius, wonach die Bestreiter des Dogmas von der Jungfrauengeburt sich insbesondere auf das Geschlechtsregister des Matthäusevangeliums beriefen 21 • Aber auch den Hinweis auf das Fehlen des Berichts über die übernatürliche· Erzeugung J esu im Markusevangelium unterließ man nicht 22 • Für die prophetisdte Sendung Jesu aber stand neben dem Zeugnis der ältesten Evangelien auch das der Petrusreden der kanonischen Apostelgeschichte zur Verfügung 28 • So hatte die übertreibende Behauptung der Artemoniten, bis auf ihren Zeitgenossen Bischof Victor von Rom hätten alle frühern christlichen Lehrer in Übereinstimmung mit der urapostolischen Überlieferung die Überzeugung vertreten, daß der Erlöser als ein bloßer Mensch geboren sei 24 , einen durchaus berechtigten Kern: Diese der wahren Geschichte entsprechende 1s Besonders in den pseudoclementinischen Schriften wird Jesus als der «wahre Prophet» hingestellt. 19 C y r i ll von Je r n s a I e m (Kat. VII,9, MG XXXIII, 616): ••• -.:6· <
a
354
Überlieferung vom rein menschlichen Ursprung und Wesen Jesu von Nazareth wurzelte in der Überzeugung Jesu und der Urapostel selbst. Die Verlegenheit, in der sich die großkirchlichen Theologen angesichts dieser Angriffe von seiten der ältesten Tradition her befanden, bekundet sich schon in der Beunruhigung, die ihnen selbst das Problem der Unstimmigkeiten der Berichte über Stammbaum und Geburt Jesu 25, sowie die Überlieferung von seinen natürlichen Brüdern und Schwestern verursachten. Die Anerkennung von wirklichen Brüdern Jesu führte in das Dilemma: Entweder ist er wie sie Sohn Josephs, oder dann sind sie wie er ehenfalls durch den heiligen Geist erzeugt und von Maria jungfräulich gehoren 26 • So muß die Nachricht von den Brüdern und Schwestern Jesu bestritten werden 27 • Dazu kommt unvermeidlich, daß auch die Aussagen der Petrusreden der Apostelgeschichte, die Jesum von Nazareth als prophetischen Menschen charakterisieren, umgedeutet werden müssen. Im Sinne des neu aufkommenden Zweinaturenschemas müssen sie nun textwidrig als Hinweise auf die «menschliche Natur» des Christus dienen 28 • Endlich kommt die Verlegenheit auch zum Ausdruck in der Zwiespältigkeit der großkirchlichen Polemik gegen das Judenchristentum. Einerseits nämlich spricht sie beständig ihre Entrüstung darüber aus, daß die judenchristliche Lehre Jesum zu einem «bloßen Menschen» mache. Andererseits muß sie' dem Judenchristentum unvermeidlich dann doch zugestehen, daß es J es um als den Christus, also als Erlöser bekenne 29 , gibt aber zugleich zu verstehen, daß 25 V gl. die Nachricht des 0 r i g e n es (Horn. XXVIII in Lc): Non eaque ab e\·angelistis nativitatis eius ordo narratur, quae res nonnullos plurimum conturbavit. So auch c. Cels. II, 32. Die Lösung des Stammbaumproblems hat vor allem J u I i u s A f r i c a n u s (Epistula ad Aristidem 2) versucht. Dann hat E u s e b eine Schrift über das ganze Problem verfaßt, auf die er dem. evang. VII, 3, 18 Bezug nimmt. Siehe auch H i I a r i u s Pi c t a v., Comm. I, 1 ff. in Matth. 26 ·Darauf läuft die Formulierung bei Hegemon i u s hinaus (Acta Archelai LV, 2): Et die utrum de Joseph generati sunt aut ex eodem spiritu sancto. 27 So schon von 0 r i g e n es (Erklärung zu Joh 2, 11, Comm. in Joh ed. Preuschen, S. 506): aÖEI..
355
es damit gedankenlos eine Illusion verfechte. Denn der Erlöser kann doch nicht ein gewöhnlicher Mensch sein 30 • Allein damit bezeugen die großkirchlichen Theologen nur wieder höchst offenkundig, daß sie nicht das geringste Verständnis mehr aufbringen dafür, in welchem Sinne Jesus für den judenchristliehen Glauben, soweit er an der ältesten Überzeugung der Urgemeinde folgerichtig festhält, der Erlöser ist, nämlich als der Mensch, der kraft göttlicher Erwählung durch Tod und Auferstehung in Wesen und Würde des himmlischen Messias erhöht, verwandelt worden ist. Gelegentlich wird plötzlich offenbar, daß sie diesen einst fundamentalen Gedanken zwar noch kennen, daß er jedoch für sie nichts anderes mehr ist als eine primitive Häresie 31 • Nach all diesen FeststelJungen hat aber unsere Darstellung nun erst noch den besonderen Punkt ins Auge zu fassen, an dem auch hier das Nachwirken der ursprünglichen Engelchrist-ologier und die Umschaltung zu einer grundlegend bedeutsamen dogmengeschichtlichen Wandlung in der Lehre von Christus zu beobachten ist. Es handelt sich um die den urchristlichen Anschauungen von der Beziehung des Menschen Jesus zum himmlischen Christus durchgehend zugrundeliegende Verwandlungsidee. Dieses Verwandlungsschema ist gerade auch bei Paulus besonders deutlich ausgeprägt. In dem von Paulus ausgehenden nachapostolischen Heidenchristentum kann diese Auffassungsweise sich weiterhin sehr wohl erhalten, wo und solange nur ihre wesentliche urchristliche Voraussetzung, die Engelchristologie, in Kraft bleibt. Mehr noch! In Wahrheit ist die Vorstellung einer Verwandlung in den ältern nachapostolischen Anschauungen über Jesus Christus eines der populärsten, beliebtesten, daher auf die mannigfaltigste Weise behandelten Themen gewesen. Kräftig anregend hat hier natürlich speziell die intensive Art und Weise gewirkt, wie man die alttestamentlichen Berichte über Erscheinungen von Engeln in Menschengestalt 1m Sinne der Engelchristologie so I r e n ä u s argumentiert einmal gegen die judenchristliche Ablehnung der Jungfrauengehurt folgendermaßen (adv. haer. 111, 21, 9): Super haec autem nec rex esse posset (sc. Jesus), si quidem Joseph filius esset. Und 0 r i g e n es führt an der zuletzt zitierten Stelle aus: E'L 'tL<; :TCLO'tEUOO'V Ö'tL 6 E:rct llov'tlou llLAU'tOU O'tllUQOO~El<; iEQO'V 'tL %Qfif.La 'ltClL OOO'tTJQLO'V 't/ii %00f.Lq> E:TCLÖEÖTJf.L'I]'ltE'V, aA.A.'o'Ö% 8% :rtaQ~E'VOU 'tij<; MaQta<; 'ltClL aytou :rt'VEUf.LCl'tO<; 'tij'V "(E'VEOL'V U'VELA'I]qJE'V, &.A.A.' 8!; 'Irooi]cp 'ltClL MaQLa<;, 'ltClL 'tOU'tq> liv AEL:rtoL Ei<; 'tO :n:aoav E)tEL'V 'tij'V :n:LO'tL'V 'tU avayxaLO'tCl'tCl. 31 Siehe E u s e b ( c. Marcell. II, l, 9): 'tOOV yaQ E'tEQoM!;rov ot f.LEV f.LiJ :rtQOEL'VaL f.L'IJÖE :rtQoii:n:6.QJtELV 'tov uiov 'toii 'frcoii cpuv'tt<;, ö.v'frQro:n:ov clvaL 'toi:<; A.oL:n:oi:<; Öf.LOLov u:n:o'lttf.LE'VOL 8!; O.v'itQOO:rtOU, uto'frtotq. 'tE'tLf.LfiO'itaL ClU'tO'V ecpaoav, 'ltClL 'tOU'tO Mv'tE<; ai16.va'tO'V 'ltal a'tEAEU't'l]'tO'V mh/ii 'tLf.LiJv 'ltal M!;av 'ltal ßt:XoLA.clav atrovwv OOf.LOAoyi]xaow.
356
als Christuserscheinungen zu deuten pflegte 32 • Dazu kommt aber, daß ohnehin die mit so großem dogmatischem Eifer ausgeführte und mit dem Christusdogma eng zusammenhängende Engellehre beständig neu von allen möglichen Verwandlungen erzählte, in denen vorab Engel den Mensche!J. erscheinen. In den pseudoclementinischen Homilien wird sogar einmal eine wohl aus alter Überlieferung geschöpfte Theorie über die Verwandlungen der Engel entwickelt: Als himmlische Wesen haben sie die Fähigkeit, sich je nach Bedürfnis in die verschiedensten Gestalten zu verwandeln, nicht nur in Menschen, sogar auch in Edelsteine, Metalle und Tiere. Bemerkenswerterweise ist in diesem Zusammenhang auch von einer Kenosis, einer Selbstentäußerung der Engel die Rede 33 • Zudem ist klar ersichtlich, daß das Verwandlungsschema als Hilfshypothese nach Belieben und Bedürfnis durchgefuhrt wird, soweit jeweilen im Einzelfall der betreffende Mythus sie zur Erklärung der geschilderten Vorgänge nötig macht, genau wie in der Christologie des Paulus. Daß diese Theorie die Mannigfaltigkeit der Verwandlungsmöglichkeiten nicht übertreibt, zeigt zum Beispiel das arabische Kindheitsevangelium, das in dem Stern von Bethlehem (Mt 2) die Erscheinung eines Engel sieht 34 • Und es entspricht den Intentionen der Engelchristologie, daß dieser Stern gelegentlich irgendwie auf Christus selber gedeutet wird, etwa, dies sogar noch bei einem Theologen wie Euseb, als dessen «Abbild» 35 • Nach Cyrill von Jerusalem soll das Hebräer· evangelium berichtet haben, der Erzengel Michael sei vor der Geburt Christi in der Gestalt Marias, der Mutter Jesu, auf Erden erschienen 36 • In der Abrahamapokalypse begegnet der Engel Uriel dem Abraham als «Wanderer» 37 • Dem Hermas erscheint der Offenbarungsengel in der Siehe S. 329. P s. C I e m. H o m. VIII, 12-15; VIII, 13: ,;ij~ :rceonT]~ öuv6.JA.EOO~ :rcuvn).iiJ~ %E'VOOitE'V'tE~. Horn. XVIII, 16 wird folgender Fall angenommen: %U'V &.yye).oov 'tt~ &.viteromp o
357
Gestalt eines Hirten, mit einem weißen Ziegenfell bekleidet, emem Ranzen auf dem Rücken und mit dem Stab in der Hand ss. Nach Tertullian geht die Häresie des Markioniten Apelles darauf zurück, daß diesem in der Prophetin Philumene ein Engel erschien, der ihn verführte 39 • In der Beschreibung des ophitischen Diagramms, die Origenes bietet, erscheinen die Erzengel in Tiergestalten 40 • Über den Engelfürsten Beliar, den «König dieser Welt, der sie beherrscht hat, seit sie besteht», wird in der Acensio Jesajae geweissagt, er werde «aus seinem Firmament herabsteigen in der Gestalt eines Menschen» 41 • Auch sonst verwandelt sich der Teufel in einen Menschen: Die Andreasakten lassen ihn als Greis auftreten ' 2 • Daß aber gerade auch er in Tiergestalt sich verwandeln kann, versteht sich von selbst, seit man weiß, daß in der verführenden Schlange des Paradieses niemand anders als er selber steckte 43 • Das Thema des Verwandlungswunders ist derart beliebt, daß man es auch auf Menschen überträgt. Menschen, die mit himmlischen oder auch höllischen Mächten in Verbindung stehen, bringen an sich selbst wunderbare Verwandlungen zustande. Von Daniel berichtet Hippolyt, die Babyionier hätten sich vor ihm gefürchtet; «denn bald erschien er wie ein Mensch, bald aber zeigte er sich wie ein Engel Gottes» 44 • Das Martyrium Petri et Pauli läßt den Magier Sirnon vor dem Kaiser Nero Verwandlungskünste produzieren: Bald erscheint er als kleines Kind, bald als Greis, auch als Jüngling 45 • Bei all dem ließ man sich in dem Glauben an das Erscheinen der Engelmächte in irdischen Gestalten vollends bestärken durch das Zusammentreffen mit der heidnischen Mythologie, die von allerlei Verwandlungen der Götter der Volksreligion in Menschen- und Tiergestalten zu erzählen wußte 46 • Die ss Her m a s, Vis. V, l. so Te r tu 11 i an (de praescr. haer. 6): providerat iam tune (Gal 1, 8) spiritus sanctus futurum in virgine quadam Philumene angelum seductionis transfigurantem se in angelum lucis, cuius signis et praestigiis Apelles inductus novam haeresim induxit. w 0 r i g e n e s , c. Cels. VI, 30. 41 A s c e n s i o J e s a i a e 4, 2 ff. 42 A c t a An d r e a e 24 (Lipsius-Bonnet II, 1, S. 100): l'ltaßol.o~ :n:aQEYEVE"tO O!J.OLOJ~Et~ YEQOV"tt. 43 L a c tanz, div. inst. II, 12; Epitome 22. 4 4 Hip p o 1 y t, Danielkomm. 111, 7, 6 f. 45 M a.r t y r. P e tri e t Pa u 1 i 14 (Lipsius-Bonnet I, S. 130 ff.): xat 1jg";a,;o al,
o
!J.OQ
358
Actus Vercellenses lassen einmal den Apostel Petrus in Rom als menschgewordenen Gott verehrt werden 47. Ganz und gar im Sinne dieses Vorstellungskreises ist nun ausgedacht, was die altchristliche Literatur, hauptsächlich die gewöhnliche populäre Erbauungsliteratur, über den in den verschiedenartigsten Verwandlungsgestalten auftretenden Christus zu erzählen weiß. Die nachfolgende Zusammenstellung erhebt keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit, sondern bildet lediglich eine Blütenlese instruktiver Beispiele: Der Christus erscheint als eines der im Paradies psalmensingenden, seinerzeit von Herodes umgebrachten bethlehemitischen Kindlein 48 , mehrfach als kleiner Knabe, der gelegentlich als sehr schön geschildert wird 49 , insbesondere als zwölfjähriger Knabe 50 ; ferner als Jüngling «von erhabener Gestalt» 51 oder von herrlicher Schönheit 52 , als Jüngling mit einer brennenden Lampe in der Hand 53 , auch «in der Gestalt eines jungen Schäfers» 54, einmal sogar so, daß die einen der Anwesenden ihn als Greis wahrnehmen, andere gleichzeitig als Jüngling und wieder andere als Knaben 55• Einmal fungiert Christus mit zwei ebenfalls in die These Christus vere indutus hominem auf I Cor 1, 27 und sagt: dicat haec aliquis stulta non esse, et alia sint, quae deus in aemulationem elegerit sapientiae saecularis. et tarnen apud illam facilius creditur Jupiter taurus factus aut cygnus quam vere homo Christus penes Marcionem. Auch A t h e n a g o r a s lehnt die heidnische Vorstellung von göttlichen Erscheinungen in Menschengestalt durchaus nicht grundsätzlich ab. Seine kritische Frage lautet lediglich (Suppl. 21): xliv OUQXa {teo<; xa,;u {tElav otxovo~-tlav l.aßn, 1]111'] öoü/.6<; ßanv ßm{tu~-tla<;; 47 A c t. V e r c e ll. 29 (Lipsius-Bonnet I, S. 78). 48 Martyrium Matthaei 1-3 (Lipsius-Bonnet II, 1, S.217ff.). 49 Acta Ja c ob i (aethiop.) bei R. A. Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten 1884, II, 2, S. 212; Acta P e tri e t Andre a e 2 (Lipsius-Bonnet II, 1, S. 117); A c t a An d r e a e e t M a t t h i a e 18 (Lipsius-Bonnet II, 1, S. 87): :n:aQBYEVE'tO :ltQO<; aihov (sc. ,;ov 'AvÖQEav) yev6~-tevo<; ll~-toLO<; 1-tLXQ«{> :n:atötc:p ÜJQULO'tU't(!l EUELÖEi:. Ebenso cap. 32. 50 Acta P e tri e t An d r e a e 16 (Lipsius-Bonnet II, 2, S. 124): E(jlUVT] Ö aoni}Q h 1-tOQ(jl'[i :n:mötou öwöexae,;oü<;. 51 V. Es r a 2, 42 ff. 52 A c t. V e r c e ll. 5 (Lipsius-Bonnet I, S. 50): apparuit iuvenis decore splendidus, dicens eis: Pax vobis. 53 Acta T h 0 m a e 27 (Lipsins-Bonnet II, 2 s. 143): ro
359
Menschengestalt verwandelten Engeln als Steuermann eines Schiffes, in dem der Apostel Andreas eine Fahrt ins Land der Menschenfresser unternimmt, um den dort gefangenen Apostel Mattbias zu befreien 56 • In den Thomasakten muß Christus des ungehorsamen Thomas wegen, der die ihm befohlene Missionsreise nach Indien nicht antreten will, in Jerusalem erscheinen. Er findet auf dem Markt den indischen Kaufmann Ahhan, dem er den Thomas als Zimmermann verkauft. Dabei bändigt er ihm folgenden Kaufbrief aus: «Ich, Jesus, der Sohn des Zimmermanns Joseph, bezeuge, einen Sklaven von mir, namens Judas (Thomas), an dich, Ahhan, einen Kaufmann Gundafors, des Königs der Inder, verkauft zu haben» 57 • Mehrfach erscheint Christus in dec Gestalt eines seiner Apostel: des Johannes 58 , des Philippus 59, des Andreas 60 , des Thomas 61 und des Paulus 62 • Dann läßt Basilides, wie erstmals lrenäus berichtet, Jesum vor der Kreuzigung plötzlich die Gestalt des Sirnon von Kyrene annehmen, der seinerseits das Aussehen Jesu erhält und deshalb auch irrtümlicherweise gekreuzigt wird 63 • Endlich erscheint Christus der Montanistin Priscilla in der Gestalt eine~ Frau, um ihr eine Offenbarung zu vermitteln 64 • Zur Seltenheit erscheint ein~al d~r Christus doch auch «in der Gestalt, in welcher er mit seinen Jüngern vor seiner Passion verkehrt hatte» 65 • Angesichts dieser Mannigfaltigkeit von Verwandlungen ist es durchaus angemessen, wenn Christus in den Thomasakten von dem Apostel Thomas im Gebet einmal als «vielgestaltiger Jesus» angerufen wird 66 • Zur Ergänzung dieses Gesamtbildes mag noch das Verwandlungswunder beitragen, das das arahisehe Kindheitsevangelium den Jesusknahen selber an andern ausführen läßt: Dieser muß Knaben, die böswilligerweise in Tiere verwandelt worden waren, wieder in Menschen verwandeln 6 7. Ac t a An d r ~ a e e t M a t t h i a e 5 (Lipsius-Bonnet ll, 1, S. 69 f.). Acta T h o m a e 2 (Lipsius-Bonnet li, 2, S. 102). 58 Ac t a J o h an n i s 87. 59 Ac t a Phi 1 i p p i 148 (Lipsius-Bonnet li, 2, S. 89): J.lE'tU öE: 'tU~ 'tEO'O'aQU?WV'tll iJJ.u\ga~
s.
'lTJO'OU. 67
360
E v a n g. i n f a n t i a e a r a h. 21. 40.
Alle diese mannigfaltigen Verwandlungen, in denen die populäre Erbauungsliteratur den Christus nachträglich neuerdings in Menschengestalt im Kreise der Gläubigen erscheinen läßt, wurzeln in dem von Paulus her dem nachapostolischen Christentum überlieferten Grundgedanken, daß auch schon das erste Erscheinen des präexistenten himmlischen Christus in dem Menschen J esus als eine Verwandlung dieses hohen Engelwesens aufzufassen sei. Die V erfass er dieser populären Schriften, zweifellos meistens Kleriker, hätten diese Erzählungen von dem in Menschengestalt erscheinenden Christus niemals mit solcher Selbstverständlichkeit und Unbefangenheit vorbringen können, wenn ihnen der Grundgedanke nicht von der kirchlichen Lehrtradition der ältesten nachapostolischen Zeit her geläufig gewesen wäre und als von da her legitimiert gegolten hätte. Für dessen Verbreitung im Christentum des zweiten Jahrhunderts zeugt Celsus: Er kennt ihn, interpretiert ihn freilich ungenau im Sinne seiner eigenen Theologie, wenn er gegen die Christen den Vorwurf erhebt, daß sie die Absolutheit und Hoheit Gottes gröblich verletzen, indem sie ihm eine Verwandlung (metabole) in irdische Menschlichkeit zuschreiben, wogegen dann begreiflicherweise Origenes Protest erhebt &s. Es ist zu beachten, daß selbst das Johannesevangelium, in dem die Engelchristologie in die hellenistische Logoschristologie übergeht 69 , wenigstens in der Ausdrucksweise noch das Verwandlungsschema erkennen läßt, wenn es vom Logos sagt, daß er «Fleisch geworden» sei (1, 14). Noch im vierten Jahrhundert muß man daher streiten über die Frage, ob hier eine wirkliche V erwandlung des Logos gelehrt sei oder nicht 70 • Die Ascensio J esajae weist ausdrücklich hin auf des himmlischen Christus «Verwandlung und sein Hinabsteigen und seine Gestalt, in die er verwandelt werden sollte, nämlich in Menschengestalt» 71 • Die Verwandlung findet in mehreren ss Origenes, c. Cels. IV, 14f. Die Engelchristologie wirkt im Johannesevangelium nach in der Konservierung des himmlischen «Menschensohnes» und seiner eschatologischen Funktionen, ferner in dem stark ausgeprägten· Subordinatianismus. 70 Siehe die Berichte bei E p i p h an i u s, h. LXXVII, 4, 3; 21, 3 f. Des Epiphanius eigene Meinung lautet (h. LXXVII, 28, 9): ?tÜ'V 'tE y&.Q E'inu· «O Myor; t1UQI; EyEvE'tO>>, o-öx. ön E'tf!U1tTJ Myor; Eir; OUQ?ta ·?tat yeyovEv Myor; crO.Qi;, T\ f] i}Eo'tT)r; J.tEnßA.i]i}T) Eir; crug?ta, O.A.A.&.
o
o
o
361
Stufen heim Abstieg durch die verschiedenen Himmelssphären statt. Die letzte Stufe der Verwandlung ist die wunderbare Geburt 72. Auch Justin und andere reden an einzelnen Stellen noch ganz unbefangen in der Ausdrucksweise des Verwandlungsschemas 73 • Das dogmengeschichtlich Bedeutsamste liegt aber nicht darin, daß sich im nachapostolischen Zeitalter die Verwandlungsvorstellung tatsächlich immer wieder belegen läßt, sondern in der Auseinandersetzung mit dem heraufziehenden neuen kirchlichen Dogma von Christus und von der Erlösung, in der die Engelchristologie auch an diesem charakteristischen Punkt in eine Verteidigungsposition zurückgedrängt wird, um schließlich in den Sturmangriffen des arianischen Streits endgültig beseitigt zu werden. Die Diskussion über das Verwandlungsschema bezieht sich nicht nur auf das Problem der Menschwerdung des präexistenten Christus, sondern auch auf die Frage der Erhöhung des Menschgewordenen durch und nach Tod und Auferstehung. Was die neue Christologie an die Stelle der Verwandlungsvorstellung zu setzen sucht, kann man als das Zweinaturenschema bezeichnen, wenn auch die theologische Terminologie nicht von Anfang an von zwei «Naturen» redet und die Bildung und Klärung des Begriffs nur durch beträchtliche Wandlungen mid Schwankungen hindurch zum Ziele kommt. Im Verlaufe der Enteschatologisierung des ursprünglichen Dogmas führt die Entwicklung an zwei Punkten zur Verdrängung des Verwandlungsschemas. Je mehr die zunächst im Sinne der hellenistischen Popularreligion behauptete Gottheit Christi auf die Höhe des philosophischen Gottesbegriffs transponiert wird, desto entschiedener muß die Auffassung der Menschwerdung des himmlischen Christus im Sinne einer Verwandlung bestritten werden, weil sie der dem Christus nunmehr zuerkannten göttlichen Absolutheit direkt widerspricht. Gott im höchsten absoluten Sinne ist ja - so auch schon für das Spätjudentum und Urchristentum - «unwandelbar und unveränderlich». Dieses grundsätzliche Argument vermag jedoch seine volle Durchschlagskraft naturgemäß erst zu entfalten nach der endgültigen Überwindung der suhordinatianischen Christologie durch die homousianische. Kräftiger und wesentlich früher wirken bestimmte Wandlungen im Zuge der Enteschatologisierung der Erlösungslehre. Hier geht es um A s c. J e s. 11, 1 ff. Justin (Apol. I, 32): aaQ)t01tOL'l'\itd<; livitgomo<; y€yovE'V. {Apol. I, 63): )tat 1tQO'tEQO'V öuJ. -ci'j<; -coü nugo<; flOQqJi'j<; )tat EL)GO'VO<; a
362
die neue Streitfrage der Erlösung des «Fleisches». Von ihrer Beantwortung hängt die Entscheidung der andern Frage ab, in welcher Beziehung der Erlöser selber in seiner geschichtlichen Erscheinung zum Fleische stand: War seine Fleischesleiblichkeit irdisch-menschliche Wirklichkeit oder nur Erscheinung? Im Verwandlungsschema war gerade diese Frage nicht deutlich beantwortet. Ehen deshalb muß sie nachträglich diskutiert werden, sobald sich im Verlaufe der Enteschatologisierung des Dogmas neue Fragestellungen in den Vordergrund schieben, für die plötzlich das Problem der Realität des menschlichen Fleischesleibes Jesu entscheidend wichtig wird. Und diese Unsicherheit drängt unmittelbar zur Ersetzung des Verwandlungsschemas durch ein (zunächst meist primitives) Zweinaturenschema. Denn damit ist in erster Linie nichts anderes beabsichtigt als die ausdrückliche, klare, völlig eindeutige Feststellung: In der Persönlichkeit Jesu ist die himmlischpneumatische Wesenheit des präexistenten Christus von der irdischen Substanz realer menschlicher Fleischesleiblichkeit zu unterscheiden. In der Gnosis zielt die Unterscheidung auf wirkliche Scheidung des Gegensätzlichen, während die großkirchliche Theologie das Schema übernimmt, um vermöge der Unterscheidung um so kräftiger und deutlicher die Verhindung des Verschiedenen zu betonen 74 • Barnahas empfindet es stark als paradox, daß der Herr als «der Herr der ganzen Welt» in eine menschliche Existenzweise eingehen kann, in der er «durch Menschenhand leiden muß» 75 • Offenbar bedeutet die Verwandlungsvorstellung für ihn nicht mehr eine naheliegende und unmittelbar einleuchtende Erklärung der Niedrigkeilsgestalt des Christus. Und so ist wohl seine Rede vom Erscheinen des Gottessohnes «im Fleische» 76 im Sinne eines primitiven Zweinaturenschemas zu verstehen. Er argumentiert jedoch nicht bewußt und ausdrücklich mit dem Postulat der göttlichen Ahsolutheit des Christus gegen das Verwandlungsschema. Irenäus ist in seiner Christologie auf Grund der von ihm energisch vertretenen neuen kirchlichen Erlösungslehre durchaus auf das Zweinaturenschema angewiesen. Allein die Auseinandersetzung mit der Gnosis macht ihn unsicher und zwiespältig 77 • 74 Sehr schön hat W. K ö h 1 er (S. 42) die gegensätzlichen Grundtendenzen der gnostischen und großkirchlichen Auffassung formuliert: Die Gnosis will Erlösung dartun als «Trennung des widernatürlich Verbundenem>, die Großkirche umgekehrt als «Wiedervereinigung des widernatürlich Getrennten». 75- Bar n ab a s 5, 1 ff. 76 B a r n a b a s 5, 10. 77 Über die Christologie des Iren ä u s siehe S. 616-618.
25
363
Der erste, der in dieser Frage eine grundsätzliche Entscheidung trifft, ist Tertullian. Klar stellt er das Problem heraus: Wie ist die Fleischwerdung des Logos vorzustellen? Als eine Verwandlung oder als Verbindung der göttlichen Substanz mit der irdisch-menschlichen Fleischessubstanz? Er lehnt die Verwandlung ab mit der Begründung: Gott muß als ewig und daher unwandelbar (immutabilis) gedacht werden. «Verwandlung» bedeutet auf alle Fälle das Aufhören eines Bisherigen, widerstreitet also der Ewigkeit. Daher ist die Menschwerdung oder Fleischwerdung des Logos-Sohnes aufzufassen als Verbindung göttlicher und menschlicher «Substanz» in einer «Person». In dieser Ver. bindung bleiben beide Substanzen, was sie sind 78 . Allein bemerkenswerterweise macht selbst Tertullian trotz dieser grundsätzlichen und klaren Entscheidung des Problems dem Verwandlungsschema doch noch Konzessionen: Selbst die bloße Verbindung mit menschlich-irdischer Fleischessubstanz ist undenkbar ohne eine Beschränkung der Gottheit. Die Menschwerdung des Logos-Sohnes gehört in eine Reihe mit den im Alten Testament erzählten anthropomorphen Gotteserscheinungen. Die majestas des Vatergottes läßt es nicht zu, daß man diese ihm zuschreibe. Sie können sich nur auf den Logos-Sohn beziehen. Von ihm kann man ohne Lästerung sagen, daß er (nach Ps. 8, 6) zeitweise vom Vater sogar unter die Engel erniedrigt worden sei 79 . Wie anderswo, so bricht auch in diesen Zugeständnissen an das verworfene Verwandlungsschema bei Tertullian die von der Überlieferung vorgezeichnete subordinatianische Auffassung durch, die dem Christus die göttliche Absolutheit gerade nicht zuerkennt. Ausnahmsweise hilft sich Tertullian freilich auch einmal damit, daß er eine einzigartige Wandelbarkeit Gottes aus seiner Allmacht ableitet: Im Unterschied zu aller veränderlichen Kreatur vermag Gott allein sich so zu wandeln, daß er in aller Wandlung doch bleibt, was er ist 80 . So haben außer Tertullian auch andere, sogar bis ins vierte Jahrhundert hinein, argumentiert und darauf hin am V erwandlungs8chema in der Christologie festgehalten 81 . 78 Die programmatische Darstellung dieser Auffassung bietet Te r tu ll i an, adv. Prax. 27. Sie beginnt mit folgender Problemstellung: igitur, dum sermo in carne, et de hoc quaerendum, quomodo caro sit factus, utrumne quasi transfiguratus in car· nem an indut'Us carnem. Über die Unvereinbarkeit von Wandelbarkeit und Ewigkeit siehe auch adv. Hermog. 12: quia non demutetur quod sit aeternum, amissurum sei· licet quod fuerat, dum fit ex demutatione, quod non erat. 79 Te r tu ll i an, adv. Prax. 14. 15. 16; adv. Mare. II, 27. 80 T e r t u ll i a n , de carne Christi 3. 81 So Ps. Clem. Recogn. II; 15; Horn. XX, 7; die Modalisten (nach Hip p o I y t, Refut. IX, 10); Co m m o d i an, carm. apolog. 109 ff.; gewisse Apo II i n a r i s. t e n (nach E p i p h a n i u s ; h. LXXVII, 4, 3) und die A u d i a n e r (nach E p i p h a n i u s , h. LXX, 8, 5 ff.)
364
Neben Tertullian ist hier noch Origenes zu nennen. Für ihn bedeutet Wandelbarkeit Unvollkommenheit 82 • Daher reagiert er ebenso grundsätzlich wie Tertullian, wo Celsus gegen die Christen den Vor· wurf erhebt, daß sie die Absolutheit Gottes antasten durch die Lehre von einem durch Verwandlung Mensch gewordenen Gott 83 • Sogleich lehnt er die Verwandlungsvorstellung ab und ersetzt sie durch ein Zweinaturenschema 84• Ob aber Origenes so grundsätzlich und entschieden von dem Gedanken der Absolutheit Gottes her auch ohne den Angriff des Celsus in diesem Sinne argumentiert hätte, muß angesichts des doch auch noch von ihm festgehaltenen Subordinatianismus eine offene Frage bleiben. Anderswo hat er den inkarnierten göttlichen Logos im Verhältnis zu seiner präexistenten Seinsweise verglichen mit dem genauen, aber kleinen Modell einer ungeheuer großen Statue, die der Beschauer eben wegen ihrer magnitudo immensa nur am Modell studieren kann S5 • Darüber hinaus hat er aber das alte Verwandlungsschema konserviert und verwertet in der eigentümlichen Theorie, der irdische Christus habe die Fähigkeit gehabt, seine Leibesgestalt nach Belieben zu verwandeln, so daß er verschiedenen Menschen verschieden erschienen sei SG. Tatsächlich kann und muß erst die nicaenische Ortho· doxie von ihrem Begriff der Homousie aus dem Logos-Sohn ohne Kompromiß göttliche Absolutheit zuschreiben und demgemäß das Verwandlungsschema konsequent zugunsten des Zweinaturenschemas preisgeben S7 • Dabei drängt sich freilich nur noch stärker als schon bei 82 0 r i g e n e s , de princ. 1, 2, 10. 83 0 r i g e n es, c. Cels. IV, 14. Celsus interpretiert das christliche Dogma von der Menschwerdung Gottes als eine fLE'taßoJ.f) Gottes e!; &.ya'froü Et~ ?tU?tO'V ?tUL E?t
?taJ.oü et; atcrxgov ?tat E!; E'ÖÖatfLovla~ El~ ?ta?toöatf.Lovtav ?tat E?t ,;oü &.gtcr,;ou El~ ,;o :rtOVl]QO'tU'tOV. 84 0 r i g e n e s (c. Cels. IV, 15): EL öE ?tUL m:i'ifLU 'frvl]'tO'V ?tUt li'UXfJV &.v'frQW:rtLVl]V &.vaJ.aßwv ö &.Mva,;o~ itEo~ Myo~ öoxEi: 't Ka\J.cr
&.,;ga\:n:,;
365
Tertullian die Frage auf, ob die göttliche Absolutheit des Sohnes nicht überhaupt seine Inkarnation problematisch mache 8s. Das Zweinaturenschema beginnt aber die Verwandlungsvorstellung zu verdrängen, bevor überhaupt die Frage nach der Absolutheit der Gottheit Christi auftaucht. Das tritt sehr deutlich zutage, wenn man sich die dogmengeschichtliche Entwicklung am zweiten der bereits genannten Wendepunkte vergegenwärtigt. Das neue Problem der nachapostolischen Erlösungslehre, die Frage, ob Erlösung für den Menschen Erlösung vom Fleische oder Erlösung auch des Fleisches bedeute, ist schon verhältnismäßig frühe aufgebrochen. Als Konsequenz provozierte es in der Lehre von der Person Christi vor allem den Streit um den Doketismus. Dieser wird schon vom Verfasser der Johannesbriefe, von lgnatius und Polykarp geführt 89 • Mit welcher Hartnäckigkeit man ihn in der Zeit nach Markion ausficht, zeigt die Nachricht des Origenes, es seien einzig über das Problem der Beschneidung Jesu von doketischen Autoren ganze Bücher verfaßt worden 90 • Was in diesem Zusammenhang als das dogmengeschichtlich W esentliche in Betracht fällt, tritt sehr deutlich zutage in Tertullians Auseinandersetzung mit Markion. Ganz klar geht aus dieser Diskussion zunächst das Eine hervor, daß in der Tat das Verwandlungsschema problematisch wird von neuen Fragestellungen der Erlösungslehre her. Wegen der Unreinheit der von dem inferioren Schöpfergott geschaffenen Materie des menschlichen Fleischesleibes, von der die Gläubigen erlöst werden sollen, muß der Leib Christi nur scheinbar ein Fleischesleib gewesen und darf insbesondere nicht durch die unflätigen Vorgänge der natürlichen Zeugung und Geburt entstanden sein 91 • Umgekehrt ist es nach großkirchlicher Auffassung gerade um der Erlösung 88 Siehe A m p h i I o c h i u s (Rede über Matth. 26, 39, ed. K. Roll, Amphi· lochiu8, S. 96): e:n:Et 3tÖJ<; TO TQL:X:Ü ÖLUI1TUTOV 11ÖJf1U 'tO ilvitQOO:n:LVOV 'tOV il:X:OOQ1J'tOV, 'tOV a!J.E'tQTJ'tOV, 'tOV :rt
366
des Fleisches willen unerläßlich, daß Christus wirklich «aus dem Fleische in das Fleisch» geboren wurde 92 • Insbesondere wird für Tertullian die Verwandlungsvorstellung dogmatisch verdächtig und anstößig dadurch, daß Markion die Aussagen des Paulus, mit denen dieser die Menschwerdung des Christus im Sinne des V erwandlungsschemas beschreibt, doketisch auslegt und folgendermaßen als Schriftbeweis benützt: Paulus vermeide es ja geflissentlich, von einer wirklichen Menschwerdung des Christus zu reden, und beschränke sich vielmehr konsequent auf die Aussage, er habe lediglich seiner himmlischen «Gestalt» sich entäußert, um sie mit der (äußern) «Gestalt» des Menschen zu vertauschen 93 • Markion verfehlte auch nicht zu fragen, wo wohl der Leib der Taube geblieben sei, in welchem nach der massiven großkirchlichen Auffassung des evangelischen Taufberichts der heilige Geist auf Jesus herabgekommen sein soll 94 • Ist aber tatsächlich mit der Beschreibung «wie eine Taube» (Mc 3, 16) keine wirkliche Taube von irdischem Fleisch und Blut gemeint, dann sicher ebensowenig in der Angabe des Paulus «wie ein Mensch» (Phil 2, 7) die wirkliche Fleisches• materie eines irdischen Menschenleibes. Und daß es sich lediglich um den Vorgang einer Verwandlung der äußern Gestalt als sichtbarer Erscheinung handelt, wird ja vollends bestätigt durch den Bericht Mt 17, 2 von der Verwandlung Jesu auf dem Berge der «Verklärung». Hier ist ausdrücklich die Rede von einer «Verwandlung» (Metamorphose) aus der irdisch-menschlichen Gestalt in eine überirdisch-himmlische, und aus dieser wieder zurück in die menschliche 95• Schließlich ist festzustellen, daß Markion die Geburt J esu auch deshalb leugnet, weil sie die überlieferte, gewohnte Vorstellung vom Erscheinen der Engel in 92 Te r tu 11 i an (adv. Mare. 111, 9): quia solus Christus (sc. im Unterschied zu allen in Menschengestalt erschienenen Engeln) in carnem ex carne nasci habebat, ut nativitatem nostram nativitate sua reformaret atque ita etiam mortem nostram morte sua dissolveret resurgendo in carne, in qua natus est, ut et mori posset. So argumentiert schon I g n a t i u s, Trall. 9 f. Später hält auch A d a man t i u s dem Bardesaniten Marinus den grundsätzlichen Einwand entgegen: Wäre der Doketismus im Recht, dann fiele auch das Erlösungswerk (OL)IOVOf.tla) als bloßer Schein dahin (A dam a n t i u s , Dial. IV, 16). 93 Hauptbeleg ist Te r tu 11 i an (adv. Mare. V, 20): plane de substantia Christi putant et hic (Phil 2, 6 f.) Marcionitae suffragii sibi apostolum, quod phantasma carnis fuerit in Christo, cum dicit quod in effigie dei constitutus non rapinam existimavit pariari deo, sed exhausit semeilpsum accepta effigie servi, non veritate, et in similitudine hominis, non in homine, et figura inventus homo, non suhstantia, id est non carne. Im gleichen Sinne werden auch Rm 6, 5 und 8, 3 gedeutet (0 r i g e n e s , Comm. V, 9 in Rm; Te r tu 11 i an, adv. Mare. V, 14). 94 T e r t u 11 i a n , de carne Christi 3. 95 H e g e m o n i u s , Acta Archelai LIX, 3.
367
Menschengestalt kompliziert und stört. Tertullian muß sich auch mit Markions Berufung auf die Analogie der alttestamentlichen Engelerscheinungen auseinandersetzen 96 • Da die Markioniten mit ihrer Leugnung der Gehurt Jesu 97 schon von Paulus selbst her, als ihrer eigentliroen apostolisroen Lehrautorität, leirot ins Unrecht zu setzen sind, so glauben die großkirchlichen Theologen mit Tertullian, auch deren Berufung auf das paulinische Verwandlungsschema überhaupt nicht ernst nehmen zu müssen und es ohne weiteres durch ein Zweinaturenschema ersetzen zu können. Aber hier liegt der schwache Punkt ihrer Beweisführung. Gegen die Art und Weise, wie Markion und mit ihm andere Vertreter des Doketismus das Verwandlungsschema mit Hilfe paulinisch-synoptischer Aussagen und alttestamentlicher Engelerscheinungsberichte verteidigen, vermögen sie nicht aufzukommen. Gegen Markion muß Tertullian die bei Abraham (Gen 18) einkehrenden Engel als wirkliche und vollständige Menschengestalten von Fleisch und Blut dartun, vermag jedoch hiefür keinerlei exegetische, sondern nur dogmatische Gründe vorzubringen, z. B. die Wahrhaftigkeit Gottes, die den Abraham in keiner Weise täuschen wollte und konnte 98 • Zudem beschreibt er anderswo doch selber die Erscheinungen der Engel im Sinne Markions 99 • Vollends aus den paulinischen Belegstellen - von dem synoptischen V erklärungsbericht, diesem klassischen Paradigma einer Szene übernatürlicher V erTe r tu ll i an, adv. Mare. 111, 9; de carne Christi 6. Außer den M a r k i o n i t e n haben auch andere die Geburt J esu geleugnet. Indessen darf man nicht ohne weiteres die ebenfalls vorkommende doketische Deutung der Geburt als solche Leugnung auffassen. V gl. die valentinianische Auffassung, die Iren ä u s (adv. haer. I, 7, 2) beschreibt: ,;oümv "tO'V öul. Maeta~ ÖtoÖEucrav-cu "l!.UilU1tEQ ilöooQ lhu crooAij'Vo~ ÖÖEUEt. Auf doketische Deutungen der Geburt Jesu verweist auch 0 r i g e n es, Comm. in Tit ed. Lommatzsch V, 286. 98 Tertullian (adv. Mare. 111, 9): humana vere (sc. caro) propter dei veritatem, a mendacio et fallacia extranei, et quia non possent humanitus tractari ab hominibus nisi in substantia humana. 99 Te r tu ll i an (de resurr. carnis 62): et angeli aliquando tamquam homines fuerunt, edendo et bibendo et pedes lavacro porrigendo; humanam enim superficiem salva intus substantia propria. igitur si angeli, facti tamquam homines, in eadem substantia spiritus carnalem tractationem susceperunt, cur non et homines, facta tamquam angeli, in eadem substantia carnis spiritalem subeant dispositionem? In viel späterer Zeit, nach der endgültigen Beseitigung der Engelchristologie, kann der Severianer P h'i I o x e n u s von M ab b u g ganz unbefangen sagen: <
97
368
wandlung 100 , nicht zu reden - ist das Verwandlungsschema so wenig zu eliminieren, daß die Großkirchler sogar selber, wo es ihnen paßt, sich plötzlich die hier gegebenen Möglichkeiten doketischer Deutung zunutze machen 101_ Mit diesem widerspruchsvollen Verhalten bekunden sie, daß sie sich in der Auseinandersetzung mit dem Doketismus nicht mehr Rechenschaft zu geben vermögen über das Wesen des paulinischen Verwandlungsschemas. Ohne sich über den Sachverhalt klar zu sein, bestätigen sie selber, ganz ebenso wie ihre Gegner, daß es zum Wesen dieser Vorstellungsweise gehört, daß man sie im doketischen Sinne anwenden kann - wenn man will. Paulus selbst ist weder an der Behauptung, noch an der V erneinung des Doketismus etwas gelegen. Sein dogmatisches Interesse ist in keiner Weise auf die Frage nach dem Wie des Verwandlungsvorganges gerichtet, weil dieser für ihn einfach unter die ihm ohne weiteres geläufige Kategorie des übernatürlichen Wunders fällt. Nur der Zweck der Verwandlung ist ihm wichtig, und so führt er die Vorstellung der Verwandlung auch nur notdürftig gerade soweit durch, als dieser Zweck es erfordert. Die Frage, ob die menschliche Fleischesleiblichkeit, in deren «Gestalt» der himmlische Christus erschien, in jeder Hinsicht wirklich und echt war oder nicht, ist für Paulus belanglos. Nicht einmal die Möglichkeit der Vernichtung des Fleisches im Kreuzestod Jesu hängt davon unbedingt ab. Entscheidend wesentliche Voraussetzung auch für diesen Erfolg ist lediglich, daß der Gekreuzigte wirklich der himmlische Christus war, und daß sein Kreuzestod der Erfüllung seiner eschatologisch-messianischen Aufgabe diente. Sobald aber im nachapostolischen Prozeß der Enteschatologisierung die Vorstellung vom Wesen der Erlösung und damit auch vom Erlösungswerk Christi in der bereits angedeuteten Weise sich wandelt, muß auch 1 00 Die Verwandlung in der Verklärungsszene wird doketisch gedeutet in Ac t a J o h. 90 (Lipsius-Bonnet II, 1, S. 195). 101 Wie die doketischen Theologen, so berufen sich auch die großkirchlichen darauf, daß nach Rm 8, 3 Gott seinen Sohn nicht ins «Sündenfleisch» schlechthin, sondern bloß EV Ö!J.OLOOJ.t!l'tL O!l(!XO~ UJ.t!lQ'tta~ gesandt hat; vgl. 0 r i g e n e s (Comm. VI, 12 in Rm) zu Rm 8, 3: ostendit (sc. Paulus), nos quidem habere carnem p.eccati, filium vero dei similitudinem habuisse carnis peccati, non carnem peccati. Auch die von 0 r i g e n es behauptete Verwandlungsfähigkeit des Leibes Jesu ist ja doketisch orientiert. Zu Rm 8, 3 äußert sich später auch H i 1 a r i u s Pi c t a v. im gleichen doketischen Sinne (Opp. ed. Feder IV, 234). An anderer Stelle (de trin. X, 35) geht H i 1 a r i u s bis zu der doketischen Behauptung: demonstrari non ambiguum est, in natura eius corporis infirmitatem naturae corporeae non fuisse. Deutlich doketische Äußerungen finden sich bekanntlich bei C 1 e m e n s A 1 e x a n d r in u s (Strom. 111, 49, 3; adumbrationes 111, ad I Joh 1, 1 ed. Stählin 111, 210).
369
das paulinische Verwandlungsschema problematisch werden und der Zersetzung verfallen, indem die einen es grundsätzlich doketisch deuten, die andern aber im Gegensatz hiezu es gewaltsam durch ein Zweinaturenschema ersetzen. Begreiflich, daß die großkirchliche Theologie in komische Verlegenheit gerät, wenn sie - zur Seltenheit einmal sich. äußert speziell zu der I Cor 10, 4 berichteten Erscheinung des Christus als wasserspendender Felsen 1n der Wüste: Die pseudoorigenistischen Tractate reden diesem Felsen notgedrungen nach, er habe zweifellos ein «Abbild des Fleisches des Herrn» dargestellt 102 • Die ganz unverkennbare Deutlichkeit der von doketisch denkenden Theologen mit Recht in Anspruch genommenen Schriftbeweise für das Verwandlungsschema ist der Grund, warum schließlich doch auch die großkirchliche Theologie trotz Aufstellung des Zweinaturenschemas dem Verwandlungsschema irgendwelche Konzessionen machen muß. Origenes begründet seine eigenartige Theorie von den verschiedenen Verwandlungen des Leibes Christi während seiner irdischen Wirksamkeit mit der synoptischen Verklärungsgeschichte 103 • Ein anderes derartiges Zugeständnis hat aber allgemeine großkirchliche Anerkennung gefunden. Es ist der Gedanke, daß die «menschliche Natur», mit der sich die göttliche in Christus verbunden hat, durch die Auferstehung und Erhöhung «vergottet» wird 104• Man versteht, warum gerade dieses Zugeständnis an das Verwandlungsschema in der Großkirche allgemeine Zustimmung finden konnte. Erstens reduziert es die Anwendung des Verwandlungsschemas auf das, was auch im Rahmen des neuen Zweinaturenschemas verwandlungsfähig bleibt; zweitens handelt es sich nicht um eine völlig neue Theorie, sondern um das der neuen Christologie augepaßte Überbleibsel der ursprünglichen eschatologisch-apokalyptischen Anschauung, wonach der 102 T r a c t. 0 r i g e n is XV (ed. Batiffol, S. 165): Petram illam imaginem dominicae carnis habuisse nulla est dubitatio! 103 0 r i g e n es (Comm. ser. 100 in Matth.): venit autem traditio talis ad nos de eo, quoniam non solum duae formae in eo fuerunt (una quam transfiguratus est coram discip~lis suis in monte, quando et resplendit facies eins tamquam sol), sed etiam unicuique apparebat, secundum quod fuerat dignus. Ferner vor allem c. Cels. IV, 16. 104 0 r i g e n e s führt diese Theorie einmal in einer triadischen Symbolformel vor, in deren zweitem Artikel es heißt: et surrexit a mortuis et deificavit quam susceperat humanam naturam (Comm. ser. 33 in Matth.). Ebenso Comm. I, 5 in Rm. Weitere Zeugen sind At h a n a s i u s , Oratio c. Arian. I, 40 (MG XXVI, 93); E u • s tat h i u s von Anti o c h i e n, fragm. bei MG XVIII, 688; Hila r i u s (ex libro c. Constant. opp. ed. Feder IV, 227 f. 263; de trin. 111, 16; IX, 4; tract. super psalm. II, 27).
370
Mensch Jesus von Nazareth durch Tod und Auferstehung in Wesen und Würde des auf den Wolken des Himmels wieder erscheinenden himmlischen Messias-Menschensohn erhoben, verwandelt werden sollte. Und drittens entspricht dieses Überbleibsel in solcher Umformung der ne11en Erlösungslehre, wonach das Wesen der Erlösung des Menschen in seiner «Vergottung» durch den Gottmenschen Jesus Christus bestehen soll. Es erhebt sich dann freilich von der Logik dieser neuen Erlösungslehre her die Frage, ob die Vergottung der menschlichen Natur nicht schon in der Inkarnation des Gottessohnes erfolgt sei.
Viertes Kapitel Die Überwindung der Engelchristologie im arianischen Streit Nachdem der alexandrinische Bischof Alexander über den Presbyter Arios und die Seinen die kirchliche Verurteilung ausgesprochen und damit den großen Streit des vierten Jahrhunderts eröffnet hatte, erhielt er neben mehreren andern Briefen aus verschiedenen Teilen der Ostkirche auch ein Schreiben von dem kilikischen Bischof Athanasius von Anazarhus, in dem dieser ihn betroffen und erstaunt nach der Begründung dieses Vorgehens fragte: «W ar~m tadelst du denn die Anhänger des Arios, wenn sie sagen, der Sohn Gottes sei als Geschöpf aus dem Nichts geschaffen?» Dann fügte er bei: Der Sohn Gottes sei doch auch «eines von den hundert Schafen», die die Gesamtheit der Geschöpfe darstellen. De·r Nachfolger des Alexander im Bischofsamt von Alexandrien, Athanasius, dem wir diesen Bericht verdanken 1, hemerkt hiezu: Damit habe dieser Kirchenmann deutlicher als andere das Wesen der arianischen Häresie enthüllt. Der Schriftbeweis mit den «hundert Schafen» ist ihm offensichtlich bekannt. Und er weiß, daß die überlieferte allegorische Auslegung von Lc 15, 4-6 (Mt 18, 12-14), auf die hier als auf etwas allgemein Bekanntes angespielt wird, die hundert Schafe nicht einfach auf die Geschöpfe überhaupt deutet, sondern speziell auf die Engelwelt. In dieser Form handelt es sich um jenen alten Schriftbeweis der Engelchristologie, dem wir bereits bei Methodius 2 begegnen, und der ursprünglich aus der Gnosis übernommen ist. In der vorarianischen Fassung macht er den Hirten der hundert 1 2
A t h a. n a. s i n s , de synodis 17 (MG XXVI, 712). Siehe S. 335.
371
Schafe zum Christus und kennzeichnet dadurch diesen deutlich als den obersten Engelfürsten, als den Archistrategos. Die Arianer aber, um noch sicherer zu gehen, versetzen nun den Christus unter die hundert Schafe selbst. Später deutet auch noch der abendländische Nicaener Hilarius Pictaviensis die Schafe auf die Engel und trägt merkwürdigerweise überhaupt die ganze Allegorie in einer Formulierung vor, die ein Arianer mit größter Leichtigkeit im Sinne des Schriftbeweises für die Engelchristologie auffassen und vertreten könnte 3 • In der Tat ist das Wesen der arianischen Lehre problemgeschichtlich erst dann wirklich verstanden, wenn man sie erfaßt als den V ersuch, die bisher zwar immer noch vorhandene, aber doch problematisch gewordene Engelchristologie in einer der fortgeschrittenen Entwicklung der neuen, andersartigen Christologie entsprechenden Weise zu vertreten und zu verteidigen. Dem gegenüber bleibt das übliche dogmenhistorische Unternehmen, die theologische Abstammung des Arius aus der Geschichte der Systembildung (von Origenes und Lukian her) zu rekonstruieren, eine Angelegenheit von gänzlich sekundärer Bedeutung. Ebenso geben die Lehrsätze, die man in den modernen dogmengeschichtlichen Darstellungen als den Grundgehalt seiner Theologie zusammenzustellen pflegt, tatsächlich diesen Grundgehalt nicht deutlich wieder, sdndern charakterisieren mehr nur die Art und Weise, wie Arios ihn in der Auseinandersetzung mit der neu aufkommenden andersartigen Theologie seines Zeitalters zu rechtfertigen unternahm. Obschon Athanasius einer direkten Auseinandersetzung mit der arianischen Engelchristologie - aus guten Gründen - meist lieber aus dem Wege geht, so kann er doch immerhin nicht einfach mit Stillschweigen darüber hinweggehen. Er erwähnt sogar beiläufig, daß die Arianer (Eusebianer) ihre Engelchristologie in mehreren Schriften (nicht nur in der «Thaleia» des Arius) dargelegt haben, und nennt als einen dieser Autoren den «Sophisten» Asterios 4 • Aus dem, was er über die Sache selbst berichtet, geht hervor, daß die Arianer diese ihre Grundauffassung zur Hauptsache mit Hilfe alt- und neutestamentlicher Schriftbeweise exegetisch entwickelt haben. Wesentlich ist dabei, daß 3 H i I a r i u s (Comm. in Matth. XVIII, 6, zu Lc 15, 4 ff.): ovis una homo intelligendus est, et sub homine uno univereitas sentienda est. sed in unius Adae errore omne hominum genus aherravit. ergo nonaginta novem non errantes multitudo angelorum caelestium opinanda est, quihus in caelo est laetitia et cura salutis humanae. igitur et quaerens hominem Christus est et nonaginta novem relicti caelestis gloriae multitudo est, cui cum maximo gaudio errans homo in domini corpore est relatus. 4 At h an a s i u s, Orat. c. Arian. I, 5 (MG XXVI, 21); de decret. Nie. Syn. 20 (MG XXV, 452).
372
sie einerseits das Wichtigste von dem, was die Überlieferung an solchen Belegstellen für die Engelchristologie von altersher geltend gemacht hat, übernehmen, andererseits aber darüber hinaus neues Material liefern. Man merkt eifrige exegetische Arbeit 5 • Aus der alten Überlieferung stammt die Beweisführung mit Gen 28, 10-14; 31, ll 6 ; Exod 3, 2. 6 7, dann aber natürlich vor allem Jes 9, 6 LXXS. Neu ist wohl das ausgiebige Argumentieren mit einer christologischen Deutung des alttestamentlichen «Herrn der Heerscharen» oder des «Herrn der (himmlischen) Mächte», wie die Septuaginta den Ausdruck wiedergibt: Kann mit diesem «Herrn» nur der Eine Schöpfergott gemeint sein, so gehört also der Christus in die Reihe der ihm hier unterstellten «Mächte», also der hohen Engelwesen 9 • Nach der strengen Terminologie der kirchlichen Engellehre stellen die «Mächte» (Dynameis) eine der höchsten (nicht die höchste) Engelklassen dar. Ganz eigenartig ist, daß Arius und Asterius - worüber sich Athanasius besonders entsetzt hat zu diesen «Mächten» außer dem himmlischen Christus auch die furchtbaren «Heuschrecken» und «Spannerraupen» (so die LXX) von Joel 2, 25 rechneten 10 • In der Tat verwandeln sich in der gewaltigen 5 Diese beträchtlichen exegetischen Bemühungen der Arianer waren für Athanasius ein ständiges Ärgernis, siehe z. B. Epist. ad episc. Aeg. et Lib. 4 (MG XXV, 545). 6 Hier kann Eu s e b von C a es a r e a als Zeuge dienen, dem. evang. I, 5, 11 ff. 7 At h an a s i u s, Or. c. Arian. 111, 14 (MG XXVI, 352). s At h an a s i u s geht auf diese Stelle ein in dem Tractat über Mt 11, 27, cap. 4 (MG XXV, 217), zitiert dabei ausdrücklich auch den «Engel des großen Rates", sagt aber gerade über ihn in der Erläuterung der ganzen Stelle gar nichts. Die Echtheit dieses antiarianischen athanasianischen Traktats ist nicht sicher. Dies ist hier ohne Belang. Daß Jes 9, 6 LXX als Schriftbeweis für die arianische Engelchristologie eine wichtige Rolle spielte, ist vor allem daraus ersichtlich, daß E u s e b v o n C a e s a r e a so häufig damit operiert und dabei die !1EYUA1] ßou/..1) durchaus noch konkret als oberste Engelversammlung versteht, so dem. evang. IV, 10, 16 f.: <
373
alttestamentlich-prophetischen Schilderung der Heuschreckenplage schon dem Propheten Joel selber plötzlich die Heuschreckenschwärme mythologisch-apokalyptisch in die «große Heerschar Jahwes» (Joel 2, ll. 25). Besondere Beachtung verlangt der neutestamentliche Beweis mit Hehr l, 4. Man empfindet es als überraschende Kühnheit, daß Arius ausgerechnet diese Aussage, der Christus. sei «um so viel erhabener als die Engel geworden, als er einen sie überragenden Namen als Erbe davongetragen» habe, im Sinne eines Beweises für die Engelchristologie deutet 11 • S~hade, daß uns die arianische Auslegung dieser Stelle nicht im authentischen und vollständigen Wortlaut erhalten geblieben ist! Aus der Polemik des Athanasius ist nur zu entnehmen, daß dieser Vergleich nach Arius einen bloß r e I a t i v e n Unterschied, nämlich einen Stufenunterschied im Sinne der Lehre von der Engelhierarchie zwischen dem Christus und den Engeln (angeloi) geltend machen wollte. Dieses Argument ist völlig klar, verständlich und stichhaltig, wenn die Arianer den Namen «angeloi» speziell als Bezeichnung der untersten Dienstengelklassen zu verstehen pflegten, wofür die Engellehre des Euseb von Cäsarea als Beleg gelten kann. Später erscheinen ja auch in der Beschreibung der Engelhierarchie des Dionysius Areopagita die angeloi als die unterste der neun Eng~lklassen. Dazu aber hat Arius nach Athanasius auch aus dem «geworden» das Argument herausgeholt, das hier in der Tat zu holen ist, und vollends hat er n~türlich in Hehr 3, 2 die Geschöpflichkeit des Christus bezeugt gefunden 12 • Hier ist auch zu beachten, wie gewisse arianische Kreise, die auch (oder nur noch) den heiligen Geist als geschaffenes Engelwesen bezeichneten, ihre Auffassung darlegten: Der Engel des heiligen Geistes sei «größer als die übrigen Engel» (angeloi)1 3 ; oder: Er «unterscheide sich von den angeloi nur um eine· Stufe» 14 • Die ganze erste Epistel des Athanasius an Serapion ist eine StreitSiehe auch S. 344. Nach At h an a s i u s, Or. c. Arian. I, 53. 55. 56; II, 1. 3. Die arianische Verwertung von Hehr 3, 2 ist auch durch E p i p h an i u s (h. LXIX, 37, 1 f.) bezeugt, der jedoch zugleich berichtet, die Arianer hätten den Hehr sogar als nichtapostolisch (nichtpaulinisch) nicht kanonisiert, was auch dessen Fehlen in der gotischen Bibel bezeugt. Demnach war für sie der Beweis mit Hehr 1, 4; 3, 2 gar kein eigentlicher Schriftbeweis. Arius wollte also die homousianischen Neuorthodoxen hier lediglich mit ihrer eigenen Bibel schlagen. 13 Nach At h an a s i u s (Epist. I ad Serap. 10, MG XXVI, 556): Die «Pneumatomachem> behaupten vom heiligen Geist: I!.O.L Ö.yyt/..ov Elvo.L f.I.Eltova ,;rov ö./../..oov. 14 At h an a s i u s (Epist. I ad Serap. 1, MG XXVI, 532): 11.at ßo.itflfii f.1.Övov a\m) 6LO.!pEQELV 'tOOV uyye/..oov. 11
12
374
schrift gegen die arianische Gleichsetzung des Christus und des heiligen Geistes mit einem Engelwesen. Arius muß in seinem Hauptwerk die Engelchristologie mit einer Entschiedenheit und ausführlichen Deutlichkeit dargelegt haben, der gegenüber die noch übrig gehlieheneo Zeugnisse als spärliche, fragmentarische Belege gelten müssen. Das läßt sich einigermaßen abschätzen aus dem, was Euseh von Cäsarea als ein dem Arianismus ursprünglich Nahestehender geschrieben hat. In der «Demonstratio evangelica» finden sich längere Darlegungen, die ganz und gar von der Engelchristologie aus entworfen sind: Die Christen wollen den Monotheismus nicht anders vertreten als alle ernsthaften außerchristlichen Monotheisten. Sie wissen aber von einem himmlischen Reich «göttlicher Mächte», Erzengel, Engel und körperloser, reiner Geister, mit dem sich Gott umgehen hat. Der Logos-Christus ist das älteste dieser Wesen, von Gott als oberster «Verwalter» der ganzen Schöpfung an die Spitze gestellt. Sofern der Logos-Christus zu diesen unter dem obersten Vatergott stehenden «göttlichen Mächten» gehört, spricht ihm auch die Schrift (Sap. Sal. und. Hehr) «Gottheit» zu 15 • In seiner Funktion als oberster Verwalter der Schöpfung ist er wie jedes andere Engelwesen prinzipiell «Ürgan» des göttlichen Wirkens (organon technicon) 16. Die Anschauung Eusehs bewegt sich hier einfach im Rahmen dessen, was man auch im Westen von Justin bis. Lactanz an Kombinationen von Engelchristologie und Logoslehre findet. Als etwas Besonderes tritt jedoch die Tendenz hervor, den Christus unter die Kategorie der Verwaltungsengel (oikonomoi) als das Höchste dieser Wesen einzureihen 17 • In dieser Form trägt die Engelchristologie am folgerichtigsten dem Grundgedanken der kosmologischen Logoslehre Rechnung, für die der Logos Ordnungsprinzip der g e gehen e n natürlichen Welt ist. Zugleich aber entfernt sie sich am weitesten vom ursprünglichen eschatologischen Sinn der Engelchristologie, wonach die Verwaltungsengel, wegen ihres Abfalls von Gott, zu den Engelmächten gehören, die der Christus zu überwinden hat. Auf eine andere Auffassung Eusehs, die die Mitte dieser Extreme einhält, ist bereits früher hingewiesen worden 18 • 15 Hiermit ist die Angabe des Athanasius zusammenzuhalten (de synod. 17, MG XXVI, 712), E u s e b v o n C a e s a r e a habe sich nicht gescheut, (in einem Briefe) ganz offen zu behaupten, Christus sei nicht wahrhaft Gott. 18 Eu s e b, dem. evang. IV, 1-2. 17 Siehe S. 269 zu Eu s e b, dem evang. IV, 4. 10-13. 18 Noch spezieller ist die Auffassung Eusebs in dem. evang. IV, 7, 2: -rii> "tE n6:v"tWV (sc. unter allen Völkerengeln von Dt 32, 7-9 LXX) f:!;o:x;w-rchcp fJYEf.LOVL "tE xnl
375
Mit der Engelchristologie sind für den Arianismus unmittelbar auch jene Thesen gegeben, die in der anhebenden Auseinandersetzung mit der gegnerischen Theologie innerhalb der Großkirche so großen Streit erregen. Zunächst die Behauptung der Geschöpflichkeit des Christus, womit zugleich seine Ewigkeit geleugnet ist 19 • Als neutestamentlichen Schriftbeweis macht man vor allem Kol 1, 15 geltend 20 , damit im Zusammenhang 21 natürlich die von der Tradition so hochgeschätzte Grundstelle des Alten Testaments Prov 8, 21 ff. 22 • Im Sinne dieser ältern nachapostolischen Tradition werden die beiden hier nebeneinander verwendeten Begriffe «erschaffen» und «zeugen» als Synonyme eben im Sinne des «Erschaffens» verstanden 23 • Und zwar wird die Proverbienstelle ausdrücklich ausgelegt als Aussage über die Erschaffung eines hohen Engelwesens 24 • Mit der Geschöpflichkeit ist für die arianische Engelchristologie auch die Wandelbarkeit und Veränderlichkeit des Christus gegeben. Ganz in der Weise der altüberlieferten Engelchristologie fassen daher die Arianer die Menschwerdung des präexistenten Christus, wie dann auch seine Wiedererhöhung nach der Auferstehung im Sinne des V erwandlungsschemas auf 25 • Auch wegen dieser Verwandlungsfähigkeit des ßaatt..Ei: ,;öiv 8t..rov, mhip ölj ,;ip xgta,;ip, OO!; iiv f:10VO"fEVEi utip, ,;öiv EV &.v{}goon:Ot!; ,;ov 'Iaxwß xal. 'Iaga:Tj/.. ,;ou,;ea,;tv n:iiv ,;o öto(!U'ttxov xal. {}EOaEßE!; n:a:(!a:llo{}ijvut ytvor,. Bienach ist also der Christus der oberste der Völkerengel, dem das Patronat über das wahre Israel anvertraut ist. Hier ist eine Funktion des Erzengels Michael in christlicher Deutung auf den Christus übertragen. 19 Hauptbelegstellen liefert vorab Ale x an der von Ale x an d r i e n (Rundschreiben bei MG XVIII, 575): Ö yr't(! &v {}Eo!; ,;ov ILTJ llnu EX ,;oü ILTJ llvm!; JtEJtOL'I]'ItE" Öto xul. fJv JtO'tE Ö'tE oux fJv. x-rta11u yag lian xal. JtOL'I]f:1U ö ut6!;. Inhaltlich das Nämliche, aber in anderer Formulierung zitiert später At h an a s i u s aus der «Thaleia» des Ar i u s (Orat. c. Arian. I, 5, MG XXVI, 21). 2 0 Nach At h an a s i u s, Orat. c. Arian. II, 62. 21 Siehe Euseb, dem. evang. V, 1, 6ff.; Epiphanius, h. LXXIII, 7, 3f. 22 At h an a s i u s (de decret. Nie. Syn. 13, MG XXV, 437) berichtet von den Arianern: &.vtyvWf:1EV, q>i)aouatv, EV 'tUt!; IIa:(!OLf:1LUL!;' «'ltU(!to!; ~'lt'ttl1EV f:1E a(!XTJV Möiv uu-roü El!; ,;0. ~Q'\'U uu,;oii». xul. yr't(! xut ot JtEQL Euatßwv ,;oü,;o MyEtv liMxouv. 23 So nach dem arianisehen Lehrbrief an Alexander von Alexandrien, nach Athanasius, de syn.. 16 (MG XXVI, 709). Nach Mareeil (Euseb, e. Mare. I, 4, 10) hat der Arianer A s t e r i u s ausdrücklieh die Zeugung des Sohnes aus Gott bestritten, ebenso E u s e b v o n N i k o d e m i e n. Für die Arianer war diese Vorstellung einer Zeugung aus Gott ein schlechter Anthropomorphismus (nach At h a n a s i u s , de decret. Nie. Syn. 10, MG XXV, 433). 24 Gegen diese arianische Exegese wendet sich At h an a s i u s (Orat. c. Arian. II, 44, MG XXVI, 241): El f:1EV oi'iv JtEQL &.yytt..ou i] htgou 'ttVO!; ,;(i>v "fEV'I]'tÖJV lia,;t ,;o "{E"fQUf:1f:1EVOV (sc. Prov. 8, 22), OO!; 1tE(!L EvO!; TJf:1ÖlV ,;ÖJv Jtot'I]J.LU'tWV .•. 25 Nach At h an a s i u s (Orat. e. Arian. I, 35, MG XXVI, 84 f.): ö öE uio!; d ltU't' txElvou!; 'tQE1t'tO!;, xul. oux &.El. ö uu'to!;, &.t..t..' &.d &.Ät..otOUJ.LEV'I]!; q>Ul1EOO!; El1'tt ... Auch von «metabole» ist die Rede (At h an a.s i u s, tom. ad Antioch. 11, MG XXVI, 809). .
376
Christus müssen sie dessen homousianische Gleichstellung mit dem Vatergott, wie sie nunmehr von den Neuorthodoxen propagiert wird, entschieden ablehnen. Er ist gerade nicht unwandelbar wie der Vatergott26. «Wenn er wahrer Gott aus Gott wäre, wie hätte er dann Mensch werden können 2 7?>} Hier wird auch für die Arianer Phil 2, 5-ll ein wichtiger Schriftbeweis und sie bringen damit einen Athanasius, wie dessen Wid.erlegungsversuche zeigen, in nicht geringe Verlegenheit 28 • Der Streit um diese paulinischen Aussagen liefert ein instruktives Beispiel dafür, wie die athanasianische Neuorthodoxie, wo sie durch arianische Exegese in die Enge getrieben wird, sich auch mit Verdrehung der gegnerischen Thesen zu helfen sucht und daraufhin dem Arius falsche Ketzerhüte aufsetzt. Wenn Arius zur Verteidigung der Verwandlungsvorstellung geltend macht, was Paulus Phil 2, 9 tatsächlich sagt, daß Gott den Christus durch Tod und Auferstehung hindurch zu einer noch höhern Stellung erhob, als er sie in seiner Präexistenz innegehabt hatte, so legt ihm Athanasius dies sofort so aus: Er entlarve sich hier als Samosatener; denn seine Auslegung laufe auf nichts anderes hinaus als auf die Behauptung, der irdische Christus sei eben bloßer Mensch gewesen 29 • Dabei kann Athanasius selbst, weil er das Verwandlungsschema ablehnen muß, weder eine Kenosis, noch eine Erhöhung des himmlischen Christus anerkennen, wie sie Paulus Phil 2 klärlich behauptet. Mit seiner Begründung des Verwandlungsschemas durch Phil 2, 6 ff. befindet sich Arius zudem gegenüber Athanasius in einer wesentlich günstigeren Position als seinerzeit Markion gegenüber Tertullian, weil er diese grundlegende paulinische Stelle nicht doketisch auslegt 30 • Überdies gewährt ihm das Verwandlungsschema auch noch insofern einen großen Vorteil gegenüber seinen homousianischen Gegnern, als es ihm gestattet, in der Exegese der Evangelien und der christologischen Aussagen der Petrusreden der Apostelgeschichte als einheitliches Suhjekt aller Aussagen, Handlungen und leidentliehen Erlebnisse Jesu den 26 Nach At h an a s i u s (Orat. c. Arian. I, 9, MG XXVI, 29): oux fanv Ü'tQEJt'tO~ ö na-.;fJe, &t.t.a 'tQem6~ ea'tL tpuaeL, w~ 'ta x-.;ia~ta'ta. . 27 A t h a n a s i u s , Orat. c. Arian. Ill, 27 (MG XXVI, 381). 28 Siehe At h an a s i u s, Orat. c. Arian. I, 37. 38. 40. 42. 43. 45. 2 9 A t h a n a s i u s , Orat. c. Arian. I, 38, 40. Durch diese rein polemisch-taktische Verdrehung ließ sich sogar A d. Harn a c k zu dem falschen Urteil verleiten.: «Die arianische Lehre wurzelt im Adoptianismus, in der Lehre des Samosateners» (Lehrbuch der Dogmengeschichte II, 221). · 30 At h an a s i u s muß selbst (Orat. c. Arian. II, 43, MG XXVI, 237) ausdrücklich den Arianismus von den doketischen Häresien unterscheiden.
w~
377
einen, durch Gestaltwandlung menschgewordenen Christus zu bezeichnen. Damit gewinnt er eine ganze Reihe Schriftbeweise gegen die von den athanasianischen Neuorthodoxen behauptete Substanzidentität des Sohnes mit dem Vatergott 31 • Denn so und so Vieles, was in diesen Quellenstücken als Wirken und Erleben Jesu dargestellt wird, kann niemals einem im Sinne der nicänischen Substanzidentität gottgleichen Wesen zugeschrieben werden. Dies wird, gerade durch die arianische Exegese, auch dem Athanasius völlig und unwiderruflich klar. Dadurch wird er und werden nach ihm alle neuorthodoxen Homousianer unvermeidlich gezwungen, in ihrer neutestamentlichen Exegese alle Aussagen über den irdischen Jesus statt auf ein einheitliches Subjekt je nachdem immer auf die eine oder die andere der nach dem neuen Schema hier supponierten zwei Naturen oder Substanzen zu beziehen 32 • Da es sich jedoch hier lediglich um eine massive und willkürliche Eintragung in die Texte handelt, so hat diese Auslegung Mühe, sich bei den unbefangenen Lesern der Evangelien in der Kirche selber gegen die viel einfachere und viel weniger offenkundig gewalttätig verfahrende arianische Exegese durchzusetzen, was noch aus einer ärgerlichen Klage des Hilarius deutlich hervorgeht 33 • Völlig zuschanden werden muß die Exegese der Homousianer gegenüber der von den Arianern mit besonderer Vorliehe immer wieder geltend gemachten Stelle Mc 13, 32. Nach diesem Herrnwort ist der «Sohn» auch darin den Engeln gleich, daß er ehensowenig wie diese Tag und Stunde des Endes kennt, die nur der Vater allein bestimmt. Es ist unmöglich, dieses Nichtwissen auf die «menschliche Natur» Jesu im Sinne des Zweinaturenschemas zu beschränken, da ja nach dem Text ausdrücklich der - mit den Engeln in einem Atemzug genannte «Sohn» als der nichtwissende bezeichnet wird. Ebenso unmöglich kann aber für die nicänische Orthodoxie von einem Nichtwissen des Sohnes im Sinne des Textes die Rede sein, wenn dieser «Sohn» zum 31 Siehe die Zusammenstellung des A t h a n a s i u s , Orat. c. Arian. III, 26 (MG XXVI, 378 ff.}; de sent. Diono 7 (MG XXV, 488 f.}; E p i p h an i u s, ho LXIX, 17, 3 fo 32 A t h a n a s i u s stellt in dieser Auseinandersetzung mit den Arianern (Orat. Co Ariano III, 29, MG XXVI, 385) den kühnen Grundsatz auf: 01~6:n:oc; "tOL'V\JV oihoc; %Ut )(.U(lU%"tTJQ "tii<; uytuc; YQUcpiic;, 000 ih:n:l.iiv ElvuL "tTJ'V :TtEQl ,;oii aoniieoc; 6:n:uyyel.tuv E'V mh'flo Siehe alsdann die Ausführung im Sinne des Zweinaturenschemas, Orato Co Arian. III, 31 (MG XXVI, 389}0 as H i I a r i u s (de triuo IX, 5}: hinc itaque fallendi simplices atque ignorantes haereticis occasio est, ut quae ab eo secundum hominem dicta sunt, dicta. esse secundum naturae divinae infirmitatem mentiantur, et quia unus atque idem est loquens omnia quae loquatur, de se ipso omnia eum locutum esse contendant.
378
«Vater» im Verhältnis der Substanzidentität steht - eine Auffassung, die freilich dem synoptischen Text ebenso fremd ist wie das ganze Zweinaturenschema überh\lupt. Daher bleibt dieser Neuorthodoxie logischerweise nichts anderes übrig, als das Mc 13, 32 behauptete Nichtwissen des Sohnes einfach zu leugnen 34 ! Bildet nach all dem bisher Dargelegten in der Tat nichts anderes als die während des ganzen nachapostolischen Zeitalters der drei ersten Jahrhunderte nachwirkende urchristliche Engelchristologie den wesentlichen Kern der arianischen Lehre, so wird sehr wohl verständlich, daß die Arianer sich für die Berechtigung ihrer Auffassung energisch nicht nur auf die Schrift, sondern auch auf die kirchliche Tradition berufen. Negativ kommt dieses entschiedene Wertlegen auf die Respekti.erung der alten Überlieferung schon darin zum Ausdruck, daß man die Schriftwidrigkeit der neuen nicänischen Formeln von der «Homousie» des Sohnes und seiner «Erzeugung- aus der Usia des Vaters» feststellt und diese daraufhin ablehnt 35 • Man verurteilt sie aber in der Tat als Verleugnung nicht nur der Schrift, sondern auch der kirchlichen Tradition 36 • Zur «Widerlegung» dieses gewichtigen kritischen Urteils gehört bei dem Nicäner Athanasius die Weisung, man möge die Eusebianer «hinauswerfen als Schwätzer, die nicht mehr richtig beim Verstand sind» 37 • Von seiner eigenen Lehre hat schon Arios selbst im Eingang seiner «Thaleia» erklärt, daß er sie nicht selber aufgestellt, sondern von den Vätern überliefert erhalten habe 38 • Und was auch immer die nicänischen Neuorthodoxen gegen diese arianische Berufung auf die kirchliche Tradition vorbringen mögen, es kann nicht die Tatsache aus der Welt schaffen, daß sogar auch noch ihre eigenen Schriften in Wahrheit die Bestätigung dafür liefern. Athanasius will die Arianer durch einen höchst kompromittierenden Fund entlarven: Triumphierend hält er
o
3 4 At h an a s i u s {Orat. c. Arian. III, 42, MG XXVI, 412): o{hw /..eywv xu(ILO~ "tu n(lo -&Yj~ oo(la,;, oLÖEv Ü?t(ltßiii,;, xat oux uyvoEi:, non i] OO(IU xat i] iJ!lE(Ia evlo-&a-&aL. Ebenso E p i p h an i u s (h. LXIX, 44; 1): "(LVWO'?tEL -&olvuv na-&1](1, ytvooO'?tEL ul6~, ywooO'?tEL "tO ö:ywv nvEii!la. Ebenso H i l a r i u s , der sich mit der Erklärung hilft ( de trin. IX, 67): negat ergo se scire, ut seientia possit esse abscondita . . . non per naturam neseit omnia seiens. 35 At h an a si u s {de deer. Nie. Syn. 1, MG XXV, 416): Die Arianer Ötq6yyu~ov · xa-&a -&oiJ,; 'Iouöalou,; Myov-&E~· ÖLa -&l sv "tÜ Ntxalq. ouvs/..Mv-&E~ lly(la\jlav Üy(la
o
26
o
379
ihnen (ohne Quellenangabe) den irenäischen Bericht entgegen, wonach die valentinianischen Gnostiker den Christus als mit den Engeln verwandt bezeichnet. hätten 39 • Nun kann er die Arianer auch noch mit den Gnostikern zusammenwerfen, wie anderswo mit Paulus von Samosata und sonstigen Ketzern. Das sind Ablenkungsmanöver einer sehr durchsichtigen Taktik. In Wahrheit verschweigt er hier, daß er von einer groß k i r c h l ich e n Tradition der Engelchristologie durchaus ebenfalls Kenntnis hat. Hier verleugnet er sie, um seine Geguer verketzern zu können 40 . Im ersten Stadium des großen Streits konnten sogar die ägyptischen arianischen Kleriker dem alexandrinischen Bischof Alexander, dem Vorgänger des Athanasius, vorhalten: Er selbst habe ihnen ja einst die Lehre vorgetragen, um deretwillen er sie jetzt verurteile41. In Alexandria verfügte man seit Origenes und dank seiner Forscherarbeit über eine besonders gute Kenntnis der alten Überlieferung. Gerade auch Alexander konnte gelegentlich, wie aus seinem Sermo «De anima» zu ersehen ist, mit ganz alten Traditionen seine kirchlichen Zuhörer erbauen 42 . Hiezu gehört eine Schilderung, in der er dartut, wie Jesus nach Tod und Auferstehung erhöht wird zur Rechten Gottes und eingesetzt zum «Richter der Völker», zum «Fürsten der Engelheere», zum «Wagenlenker der Cherubim» und zum «König» 43 . 39 A t h a n ·a s i u s , gegen die arianische Benützung von Hehr 1, 4 als Beweis für die Engelchristologie (Orat. c. Arian. I, 56, MG XXVI, 129): aioxuv~-ft
o
380
o
Nur die Tatsache, daß bis zum Auftreten des Arius die Anschauungen der alten Engelchristologie in viel größeren kirchlichen Kreisen sowohl des Ostens wie des Westens lebendig gehliehen sind; als dies die Überreste der nachapostolischen Literatur unmittelbar noch erkennen lassen, erklärt auch die rasche und weit um sich greifende Verbreitung der «arianischen» Lehre. Wenn diese nach der Klage des Hilarius und Epiphanius die Gemeinden beinah sämtlicher Provinzen des römischen Imperiums zu infizieren vermochte 44, und wenn wie die ägyptischen Meletianer 45 , so auch die Donatisten 46 in der Christologie «arianisch» dachten, so hat man es hier nur zum geringsten Teil mit dem Erfolg einer arianischen Missionstätigkeit, zum größern Teil aber mit einer einfachen Resonanzwirkung zu tun: Als die Lehre des Arius infolge der Verurteilung und des wachsenden Streits in weiten Kreisen bekannt wurde, entdeckten viele, daß diese ja ihrer eigenen entsprach, schlugen sich deshalb spontan auf die Seite des Verurteilten und galten nun auf einmal als «Arianer». Der eingangs erwähnte Brief des Athanasius von Anazarhus in Kleinasien an Alexander von Alexandrien führt uns diese Resonanzwirkung anschaulich vor Augen. Und daß ausgerechnet auch Rigoristen wie Meletianer und Donatisten sich als Arianer entpuppten, bekundet lediglich dies, daß sie in ihrer (Engel)christologie ebenso altertümlich dachten wie in ihrem Heiligkeitsideal und ihrer Auffassung von der Handhabung der Kirchenzucht. Schließlich dürfte hier die besondere Frage nicht zu umgehen sein, ob nicht doch auch insbesondere ein so deutlicher Zeuge und V ertreter der alten Engelchristologie wie der Lateiner Lactanz ganz ohne jede Beziehung zu Arius irgendwie - man denke an seine Erziehertätigkeit im Hause Konstantins! - dem Arianismus die Wege ebnen half 47 • Wichtig ist an diesem Sachverhalt nun aber dies: Dogmengeschichtlich ist also das Auftreten des Arianismus in gar keiner Hinsicht ein 44 Hila r i u s (de trin. VI, I): per omnes ferme. Romani imperii provincias ecclesiis morbo pestiferae huius praedicationis infectis ... Siehe auch E p i p h a n i u s (h. LXIX, 2, I): Der Feuerbrand des Arius xa-.;ELATJqJE :n:iiaav ,;i)v 'Pro~tavtav CJXEMv, ,.uiA.ta•a •ii~ aya,;oA.ij~ ftE!?TJ· 45 E p i p h a n i u s , h. LXVIII, 6, 4 f. 46 E p i p h a n i u s , h. LXI, I3, 8. 47 L a c t an z war allerdings nicht Erzieher des arianisch gesinnten Constantius, sondern des a. 326 hingerichteten Crispus. Aber immerhin! Und daß die von Euseb überlieferte, dem Constantin zugeschriebene <
•a
381
· Pn~blem
382
überhaupt christologisch zu verstehen habe 53 ! Wie ganz anders war es doch früher! Da kritisierte umgekehrt ein Tertullian von der christologischen Fundamentalstelle Prov 8, 22 aus die Logosauffassung von Joh l, l f.! Diese und andere auffällig schroffe Umstellungen in der christologischen Auslegung altvertrauter biblischer Beweisstellen gehen schließ• lieh alle zurück auf eine scharf aufbrechende dogmatische Ablehnung alles dessen, was in den überlieferten christologischen Anschauungen irgendwie noch mit der Engelchristologie und der ihr eigenen subo~ dinatianischen Denkweise zusammenhängt. Trotzdem Tertullian in seinen dogmatischen Kämpfen aus mancher Anschauung der Engelchristologie deutlich weggedrängt wird. hält er doch immerhin an einzelnen subordinatianischen Vorstellungen noch kräftig fest. Und wenn er gelegentlich ausdrücklich sagt, vor aller Schöpfung . sei der Vatergott im Uranfang «allein» gewesen, und so habe es eine Zeit gegeben, in der «der Sohn noch nicht war» 54, so braucht an solchen Aussagen innerhalb der Großkirche seiner Zeit keinerlei Streit zu entstehen und es entsteht auch wirklich keiner. Denn solche Sätze werden zumeist einfach als Selbstverständlichkeiten empfunden. Jetzt aber, da Arios - und zwar ungefähr mit den gleichen Worten - das Nämliche sagt 55, erregt er damit in der Kirche einen gewaltigen Aufruhr, und der eine dieser Sätze wird ausdrücklich in den Anathematismen des Nicaenums · als Häresie verurteilt. Nicht weniger bezeichnend ist, daß jetzt Epiphanius hochfahrend alle diejenigen, die in der Schrift den Gedanken der «Erwählung» des «Sohnes» bestätigt finden wollen, als «alberne Schwätzer» von sich weist56 • Was hat der großkirchlichen Vergottungschristologie zur Zeit des 440): dQ,' ovv f.tcX'tTJV yiyQiut"taL ,;oiho ,;o QTJ'tov; ,;oü,;o yaQ n:at..w E?!.Ei:voL n:EQLflof.tßoüoLV &.yei..TJ ?!.OOV003tOOV. oux.t yE, ou f.lcl'tTJV YEYQU;!;'tUL, &.t..M ?!.UL f.tclAIJ. &.vayxatoo;· ?!.IJ.L yaQ ?!.UL x,;l~Eaitat AE"fE'tat, &./../..' Ö'tE yeyovEv livitQoon:o;. Ebenso hochfahrend trägt er (Epist. ad. episc. Aegypt. et Lib. 17) die neue Exegese als eine traditionelle Selbstverständlichkeit vor, die nur die Dummen noch nicht erfaßt hätten. 53 E p i p h an i u s (h. LXIX, 20, 2): xat ou n:av,;oo<; n:ou Ej3EßalroaE yQaq>i] oUö8 Ef.tVYJOitTJ "tt<; "tÜJV &.n:oa,;o/..oov ,;ij<; t..e;Eoo<; "tiJ.U'tTJ<;, tva ;tUQayayn au,;i]v Et<; OVOf.tiJ. J(.QL
oo;
383
Arius diesen scharfen Ruck gegeben, der sie auf einmal so schroff wie noch niemals hisher gegen die Engelchristologie im arianischen Streit anstürmen läßt? Es sind die Notwendigkeiten der Auseinandersetzung mit einem Extrem, das sich in der neuen Christologie selber inzwischen kräftig herausgebildet hat. Es handelt sich um den modalistischen Monarchianismus, wie er insbesondere als Sahellianismus erfolgreich aufgetreten ist. Indem der Modalismus die Gottheit des Sohnes zur Gottheit des Vaters erhebt, um heideirgendwie ineinander geradezu aufgehen zu lassen, durchbricht er prinzipiell die suhordinatianische Schranke, die, als Nachwirkung der alten Engelchristologie, hisher die neue Vergottungschristologie immer noch auf der tiefern Stufe eines an sich unhaltbaren populär-religiösen, relativierten Gottesbegriffs festgehalten hat. Und er stellt s-o zugleich eindeutig den Monotheismus wieder her. Nun befindet sich die gemeinkirchliche neue Christologie zwischen zwei Extremen in einer problematischen Mitte, die sich allzu deutlich als eine unmögliche Halbheit enthüllt. Auf dem einmal eingeschlagenen Wege gibt es jedoch kein Zurück mehr, sondern nur noch ein Vorwärts. Es bleibt nur der Ausweg, die Konkurrenz des Modalismus aus dem Felde zu schlagen durch den V ersuch, ihn zu ü her h i e t e n. Diese Üherhietung muß Dreierlei leisten: Sie muß erstens die Gottheit Christi prinzipiell zur gleichen Höhe hinaufsteigern wie der Modalismus, dabei aber zweitens im Unterschied zu diesem eine wesentliche Unterscheidung zwischen Vater und Sohn festhalten, und dies drittens so, daß der Monotheismus womöglich doch nicht weniger gesichert bleibt als im Modalismus. In der Durchführung dieses V ersuches der Überhietung des Modalismus spielt nun die anfänglich umstrittene Verwertung jenes Begriffs eine schließlich entscheidende Rolle, der zugleich zum Hauptkampfobjekt des arianischen Streits geworden ist: Der Begriff der Homousie, das heißt der Identität hzw. Gleichheit der einen göttlichen Substanz in Gott, dem Vater, und Gott, dem Sohn. Nach Ausweis der Quellen tritt der Homousiehegriff in der großkirchlichen Auseinandersetzung nicht nur mit dem modalistischen, sondern auch mit dem dynamistischen Monarchianismus auf. Schon Tertullian wird in seiner Auseinandersetzung mit dem Modalismus des Praxeas zu der «notwendigen Konzession» 57 der «Einheit der Substanz» (in Vater und Sohn) gedrängt. Wenn er dabei den Terminus «consuhstantialis» ( = 57
384
E d. S c h w a r t z , Kaiser Constantin und die christliche Kirche, 1913, S. 119.
homousios) vermeidet, «So tut er das wahrscheinlich darum, weil er sich nicht durch den Ausdruck kompromittieren will, dessen gnostischer Ursprung zu seiner Zeit noch bekannt war» 58 • Um 260 p. Chr. wird dann der alexandrinische Bischof Dionysius angegriffen (auch von dem römischen Bischof Dionysius), weil er im Kampf gegen den in der Pentapolis verbreiteten Sabellianismus es ablehnte, Christus als «homousios» anzuerkennen. Offensichtlich haben sich die Sabellianer selbst des Ausdrucks bedient 59 , und Dionys kritisiert ihn als nicht schriftgemäß, genau wie später die Arianer 60 • Etwas später verwirft auch noch jene Antiochener Synode, die den dynamistischen Monarchianismus des Paulus von Samosata verurteilte, das «homousios», weil auch dieser mit der Formel operierte 61 • Allein die schon bei Tertullian aufblitzende Einsicht, daß die großkirchliche Lehre von der Gottheit Christi insbesondere gegen den modalistischen Monarchianismus nur dadurch erfolgreich konkurrieren kann, daß sie die Homousie-Formel selber annektiert und sie nach eigenem Ermessen verwertet, setzt sich schließlich durch. Indessen zeigt schon dieses Vorspiel des dritten Jahrhunderts, daß dies nur unter Überwindung eines starken Widerstandes im eigenen Lager geschehen konnte. Der arianische Streit war also der Streit um die rivalisierende Überbietung und Überwindung des Modalismus (Sabellianismus) nach dem der Großkirche schon durch Tertullian gewiesenen Rezept. Sehr schön kommt dieser Sachverhalt zum Ausdruck in dem Urteil der gallikanischen Bischöfe von ca. 360 p. Chr., in dem diese gegenüber den orientalischen Bischöfen sich äußern über das ergangene V erbot, den Begriff der Usia in den trinitarisch-christologischen Erörterungen zu verwenden. Über -diesen Begriff schreiben sie ihren östlichen Kollegen: Die westlichen Bischöfe hätten den von den Orientalen zur Bekämpfung des Arianismus geltend gemachten Begriff der Usia- getreulich übernommen und festgehalten. Denn das «homousios» komme ihnen zur Deutung der Zeugung des Sohnes aus dem Vater in der Ablehnung 68
59 60 61
E d. S c h w a r t z , ebenda. A. Harn a c k, S. 766. A t h an a s i u s , de sent. Dion. 18 (MG XXV, 505). At h a n·a s i u s (de synod. 43, MG XXVI, 768): tneLÖft ÖE, oo~ atl'tOL
(1;-itv yO.g iima-.;oi.iJv ou% iia:x:ov iiyoo) ot ,;ov ~aJ.Loaada %a"ta%glvavn~ iinla%onot yga
385
der sabellianischen Blasphemie sehr gelegen 62 • So argwöh:gen denn auch die Arianer von Anfang an in der von der altnidinischen Orthodoxie vertretenen Lehre von der Homousie Sabellianismus. Sie sind mit · diesem V erdacht insofern im Recht, als diese Lehre in der Tat, genau so wie die Tertullianische Theorie von der una substantia, eine «not. wendige Konzession» an den Modalismuft, darstellt und hierin zunächst sogar soweit geht, daß sie in der Endphase des arianischen Streits der jungnicänischen Trinitätslehre weichen muß, die den allzu deutlich sichtbar gewordenen «sabellianischen Schein» tilgt. Weil aber im Arianismus die alte Engelchristologie einer Angleichung an den Modalismus sich grundsätzlich widersetzt, wird sie jetzt für die großkirchliche Vergottungschristologie ein nicht mehr tragbares Hindernis, das sie endgültig überrennen und aus der Bahn räumen muß. Man versteht, daß der Homöusianer Cyrill von Jerusalem den Sinn des ganzen Streits darin sehen konnte: Es gelte den «königlichen Weg» der richtigen Mitte zu finden zwischen den beiden unbedingt häretischen Extremen zur Rechten und zur Linken: dem Sabellianismus und dem Arianismus 63. Der Arianismus kommt zu Fall, nicht nur deshalb, weil ohnehin in der neugeschaffenen Situation die Engelchristologie als letzter Überrest der ursprünglichen apokalyptisch-urchristlichen Lehre von der Person des Christus· unter allen Umständen verloren ist, sondern auch darum, weil die großkirchliche Theologie ihn erfolgreich an schwachen Punkten seiner Verteidigung zu packen weiß. Der Arianismus vermag zwar, wie sich schon aus allem bisher Dargelegten ergibt, mit manchen gewichtigen Argumenten seine Gegner in beträchtliche Verlegenheit zu bringen. Andererseits läßt er sich in seiner Verteidigung zu Kompromissen verleiten, durch die er sich mit Komplikationen und Schwierigkeiten belastet, die die Gegner gegen ihn ausbeuten können. Eigentlich hat er die Tendenz, die Engelchristologie a~s der Kombination mit der Logoslehre zu lösen 64 • Aber dann wird dem Christus doch wieder ein 62 E p i s t u I a S y n o d i P a r i s i e n s i s (bei H i I a r i u s , opp. ed. Feder, Bd. IV, S. 44). 63 C y ri II von Je r u s a I e m (Kat. XI, 17, MG XXXIII, 712): Mcp ßmnA.txfl J'tOQEUi}/iiflEV, !liJ El!.l!.AolVOOflEV fllj'tE UQLIJ'tEQCl-, !liJ'tE ÖE!;tq.. !liJ'tE, öux 'tO VO!lL~ELV 'tL!!Ü'V ,;ov utov, .:n:a,;ega aihov avayogEuaro~tEv, !liJ'tE, öta ,;o tt~täv ,;ov :n:a,;ega vo~tl~Etv, liv 'tt ,;iiiv Ö1'J!!WUQY1'J!l«hrov ,;ov utov il:n:o:n:nuaro~tEV. 64 At h an a s i u s zitiert (Orat. c. Arian. II, 34, MG XXVI, 220): :n:iii~ Mva'tat o uto~ Myo~ elvm tj o Myo~ Etxmv ,;ou i}EOu; o yag q.vi}gro:n:rov Myo~ ex auA.A.aßiiiv auyxd~tEvo~, ~t6vov eaiJf.laVE ,;o ßouA.1'J~tli ,;ou A.aÄi]aav,;o~, xat et'Jiro~ :n:e:n:au,;at xal. ijqJcXVLIJ'tUL.
386
Logos zugeschrieben. Nur darf es nicht der innergöttliche Logos sein, sondern ein anderer, und so gibt es nun plötzlich zwei Logoi 65 • Der Kompromiß geht schließlich so weit, daß man den Arianern Polytheismus vorwerfen kann. In Betracht zu ziehen ist freilich, daß ja auch schon vor Arius die Engelchristologie· Zugeständnisse an die Vergottungschristologie gemacht hat 66 • Aber zur Zeit des Arius ist man gegenüber dem Vorwurf des Polytheismus in der Großkirche empfindlicher geworden. Denn der Modalismus kritisiert die gemeinkirchliche Trinitätslehre als Dreigötterlehre 67 • Eben deshalb will nun die Großkirche aus den Halbheiten ihrer bisher vertretenen Lehre von der Gottheit Christi heraus dem Modalismus in seine Höhe nachklettern, soweit dies für sie zu verantworten ist. Nun aber rutscht der Arianismus mit seinen Kompromissen gelegentlich selber in solche Halbheiten hinein, wobei doch die Verteidigung des strengen Monotheismus im Sinne von Dt 6, 4 zu seinen eigenen Ausgangspositionen gehört! Scharf hat er proklamiert, daß nur der eine «unaussagbare» Gott im strengen Sinne Gott ist, sofern ihm allein das «Ungewordensein» oder «Ungezeugtsein» zukomme 6S. Ein im gleichen Sinn «ewiger» und damit gottgleicher Sohn wäre nicht mehr der Sohn, sondern der Bruder des Vaters 69 • Allein nun kommt der Kompromiß, der da ansetzt, wo auch schon vor Arius die Engelchristolo"gie sich zu einem Zugeständnis bereit gefunden hat: Der Logos-Sohn ist zwar nicht wahrer Gott (sondern ein hohes Engelwesen), aber er heißt auch «Gott»; diese Ehre ist ihm gnadenweise verliehen 70 • Aber sogar bis zur Behauptung der «Unwandelbarkeit» des also als göttlich bezeichneten Logos-Sohnes können die Arianer sich 65 Nach At h an a s i u s, Orat. c. Arian. I, 5. Hiernach gibt es auch zwei ,Sophiai; denn irgendwie muß man doch auch hier der überlieferten christologischen. Auslegung von Prov 8, 22 ff. gerecht werden. Die zwei arianischen Logoi werden ebenfalls bezeugt bei At h an a s i u s, de sent. Dion. 23 (MG XXV, 513). 6& Siehe S. 345-348. &7 E p i p h a n i u s , h. LXII, 2, 6. 8 8 Nach At h an a s i u s, de synod. 15. 16 (MG XXVI, 705. 708) .. In diesem Zusammenhang .verdient Beachtung, wie die Arianer gegen die großkirchliche Auswertung der Be:~:eichnung Christi als «Abbild Gottes» (et?trov iteoü) als Schriftbeweis für die Homousie des Sohnes argumentieren. Sie machen mit Recht geltend, daß diese Bezeichnung bei Paulus niemals homousianischen Sinn hat, da er ja I Cor 11, 7 auch den Menschen als t:L?tOOV ~EOÜ anerkennt (At h a n a s i u s , de decret. Nie. Syn. 20 (MG XXV, 449). 69 A t h a n a s i u s , Orat. c. Arian. I, 14 (MG XXVI, 40). 70 Nach At h an a s i u s (Orat. c. Arian. I, 6, MG XXVI, 24): et M ?tO:t Ä.tyt:'tat iteo~. 0.1..1..' QU?t aÄ.1]ittvo~ EG'tLV, 0.1..1..0. flE'tOlCii XUQL'tO~, wmteQ ?tat ot ÜÄ.Ä.OL navn~ oihro~ ?tat au,;o~ Ä.tyemL oVOflU'tL f1ovov ite6;.
387
vorübergehend, kaum in vollem Ernst, versteigen 71 • Mit diesem Gott «im zweiten Rang» hätten die Arianer zu Justins Zeiten, der, ebenfalls von der Engelchristologie herkommend, nicht so sehr viel anderes lehrte, gewiß kein Aufsehen und jedenfalls keinen «arianischen Streit» erregt. Jetzt aber werden sie unerbittlich des Polytheismus und der Kreaturvergötterung überführt 72 • Allein auch wenn der Arianismus nicht selber mit solchen Kompromissen dem Gegner ins Garn gelaufen wäre, hätte er dennoch zu Falle kommen müssen. Für die Engelchristologie schlug jetzt endgültig die letzte Stunde. Nicht bloß deshalb, weil sie als ohnehin verkümmerter und verblaßter Überrest des ursprünglichen, eschatologisch glühenden Christusdogmas mit der neuen, höher greifenden kirchlichen Christologie nicht mehr zu konkurrieren vermochte. Sondern unter allen Umständen auch deshalb, weil sie prinzipiell untauglich war als Voraussetzung der neuen kirchlichen Erlösungslehre. Dies ist in Wahrheit für Athanasius im Kampf gegen den Arianismus ein sehr bedeutsames, entscheidendes Motiv: Ein Engelwesen vermag uns ehensowenig zu erlösen wie ein Mensch 73 • Der wirkliche Erlöser muß Gott sein, weil Erlösung Vergottung ist 74 • Deshalb muß die arianische Engelchristologie als Hindernis einer Annäherung an den Modalismus unbedingt aus dem Wege geräumt werden - und nicht et~a umgekehrt.
71 So A r i u s selbst in seinem Briefe an Euseb von Nikomedien (E p i p h a n i u s , h. LXIX, 6,6), und die ägyptischen arianischen Kleriker im Schreiben an Alexander von Alexandrien (E p i p h an i u s, h. LXIX, 7, 3 ff.). 72 A t h a n a s i u s , Orat. c. Arian. III, 15. 16 (MG XXVI, 353-356). 73 At h an a s i u s, de incarn. 13 (MG XXV, 120). 74 At h an a s i u s (Orat. c. Arian. II, 70, MG XXVI, 296): oux ä:v :i:6:/..w
Eitto:rcmirlht x-ctatt
388
auvaqJittt~
o ävitQro:rcot;,
tt ttiJ
itto~
flv
aÄTJitwo~
o uto~.
öe
Zweiter Hauptteil
Der Aufbau des altkirchlichen Dogmas
Erster Abschnitt
Der Ansatz zur nenen Dogmenbildung in der Lehre von der Erlösung und ihrer sakramentalen Vermittlung
Erstes Kapitel Die Umbildung der Lehre von der Erlösung Daß der Aufbau des neuen kirchlichen Dogmas mit der Umbildung der Lehre von der Erlösung eingesetzt hat, erweist sich darin, daß der neue Erlösungsbegriff die sachliche Voraussetzung der neuen · Lehren von den Sakramenten, wie auch vom Erlösungswerk und von der Person des Christus darstellt. Dieser Verlauf der dogmengeschichtlichen Entwicklung ist wohl verständlich. Von Anfang an erhält im Urchristentum, schon bei Jesus selbst und stärker noch bei Paulus, das Sakrament eine wesentliche Bedeutung für die Vermittlung oder Garantie der Erlösung. Deshalb bildet die sakramentale Handlung den Ansatzpunkt für die Entstehung und Ausgestaltung des christlichen Kultus. Umgekehrt aber hält die stetige kultische Wiederholung der sakramentalen Handlungen (Taufe, Eucharistie) ein reges und aufmerksames Interesse am Gedanken der Erlösung wach. Was auch in der Krise des nachapostolischen Zeitalters am Bestand des überlieferten urchristlichen Dogmas problematisch werden mag, die sakramentale Handlung bestärkt immer wieder in der Überzeugung, daß es eine gegenwärtig vermittelte und wirksam werdende Erlösung gibt 1 • Die Auffassung aber 1 An der Lehre M a r k i o n s vermerkt man als auffällig, daß sie nur eine z u · künftige Erlösung verheiße, so Iren ä u s (adv. haer. I, 27, 3): salutem solum animarum esse futuram; und Te r tu ll i an (adv. Mare. I, 24): Mareion putat se liberatum esse de regno ereatoris, de futuro, non de praesenti.
389
davon, was die Erlösung ihrem Wesen nach sei, muß sich zwangsläufig wandeln gemäß den innern Notwendigkeiten der einsetzenden Enteschatologisierung der urchristlichen Lehre. Der erste Ansatz zur Wandlung ist nichts anderes als die unvermeidliche Auswirkung der Preisgabe der überlieferten eschatologischen Grundauffassung von der Bedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu als des Christus. Es genügt hier die Erinnerung an die Art und Weise, wie die nachapostolischen Timdeutungen von Gal 6, 14 diese paulinische Aussage um ihren grundlegenden eschatologischen Sinn bringen 2 • Mit diesen Timdeutungen ist entschieden, daß Erlösung nicht mehr zustande kommt als das Miteinbezogenwerden der Erwählten der letzten Generation in das durch Tod und Auferstehung Jesu eingeleitete k o s m i s c h e Geschehen der Weltendereignisse im spezifisch paulinischen Sinn. Erlösung ist deshalb jetzt vielmehr zu verstehen als ein Geschehen, das sich lediglich auf den (gläubigen) Menschen bezieht. Die Enteschatologisierung der urchristlichen Erlösungslehre setzt also ein mit der Reduktion ihrer kosmisch-universalen Bezogenheit auf eine rein anthropologische 3 • Symptomatisch sind hiefür auch scho~ hestimmte Aussagen über das Erlösungswerk Christi 4 • Sie sagen, daß sein erlösendes Wirken sich unmittelbar auf den Menschen richtete. Und sie gehen diesem Wirken einen Sinn, der ganz unabhängig ist von dem, was in der paulinischen Lehre die universale, kosmische Tragweite der eschatologisch verstandenen Heilsbedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu bekundet (Überwindung der Geistermächte, Außerkraft.setzung des Sinaigesetzes und anderer Ordnungen der gegenwärtigen natürlichen Welt). Es macht dabei nichts aus, ob und wieweit der hetreffende Autor im übrigen auch noch irgendwelche Bruchstücke dieser paulinischen Lehren als Traditionsgut verwertet. Als eine besonders deutliche und charakteristische Gestaltung dieser neuen Lehrform kann die Rekapitulationstheorie des Irenäus gelten 5 • Siehe S. 191-193. Siehe auch S. 272. 4 Solche Aussagen sind besonders seit I r e n ä u s Ausdruck der herrschenden Grundanschauung; siehe z. B. Epideixis 91: <
·3
390
Es muß jedoch hier auf eine schon früher vermerkte 6 , besondere Schwierigkeit geachtet werden, die in der Umwandlung des Erlösungsbegriffs zu überwinden ist. Die Umwandlung kann ja nicht so erfolgen, daß man innerhalb der paulinischen Erlösungslehre einfach von ihrer kosmischen Beziehung absieht und lediglich die Beziehung auf den Menschen festhält, also die Erlösung auf das reduziert, was nach Paulus am Menschen geschieht, ohne Rücksicht darauf; daß es nur geschieht als Auswirkung des Einbezogenwerdens des Gläubigen in das durch Tod und Auferstehung Jesu in Gang gesetzte kosmische Geschehen. Da das Ganze dieser Erlösungslehre eschatologisch - und nur deshalb auch kosmisch gedacht ist im Sinne der besondern paulinischen Logik der urchristlichen eschatologischen N aherwartung, so hat auch das, was als Erlösung jetzt schon am Gläubigen geschieht oder zu geschehen beginnt, bei Paulus wesentlich eschatologischen Sinn. Gerade auch diese paulinischen Gedanken müssen daher, sobald in der nachapostolischen Zeit die Enteschatologisierung der Erlösungslehre beginnt, einer Umwandlung zum Opfer fallen. Hier aber muß man, um den dogmengeschichtlichen Tatsachen gerecht zu werden, vorweg auf eine grundsätzlich bedeutsame Umschaltung achten, die den Gesamtneuhau des altkirchlichen Dogmas am kr.äftigsten und folgenreichsten bestimmt hat. Sie betrifft jenen paulinischen Gedankeukreis, dessen zentraler Beziehungspunkt in der Auffassung liegt, daß die Gläubigen jetzt schon als die erwählten Angehörigen der in der Endzeit in Erscheinung tretenden Gemeinde des Messias im Sterben und Auferstehen mit diesem begriffen sind, um als die in die übernatürliche Leiblichkeit des neuen Äon Verwandelten und damit aus den Daseinsbedingungen des vergehenden alten, bösen Äon Erlösten an der mit der baldigen Wiederkunft des Christus anbrechenden Herrlichkeit des messianischen Reiches teilzunehmen 7 : Weil nach diesem ganzen Sinnzusammenhang das gegenwärtige Sterben und Auferstehen der Gläubigen mit Christus - auf Grund der eschatologischen Fundamentalbedeutung des Todes und der Auferstehung J esu - es c hat o I o g i s c h zu verstehen ist als der Beginn der endzeitliehen Auferstehung, muß es problematisch werden, sobald infolge der dauernden Parusieverzögerung die eschatologische Auffa~ sung von der Heilsbedeutung des Todes Jesu für das nachapostolische Christentum unhaltbar wird. Eine eindeutige und allgemein gutgeheiSiehe S. 272 f. Siehe S. 188 f. Näheres hierüber bei Alb.· Sc h weit z e r, Die Mystik des Apostels Paulus, S. 102-140. 6 7
391
ßene Lösung des Problems ist nicht sogleich zu erreichen. Es kommt auch eine mehr oder weniger grundsätzliche Bestreitung oder Infrage· stellung des Auferstehungsgedankens überhaupt vor, so in der Gnosis und, weniger offen und radikal, bei den ersten großen Alexandrinern. Diejenige Lehre, die sich schließlich als großkirchliches Dogma durchzusetzen vermag, kann nicht so offenkundig mit Schrift und Tradition brechen. Für sie wird aber die Überlegung maßgebend, daß die Auferstehung der Gläubigen als etwas Eschatologisches doch etwas rein Zukünftiges sei, und daß daher das, was die Gläubigen in der Ge- . genwart als Erlösung erfahren, nicht selber schon eine Auferstehung sein kann. Damit fällt vollends auch das dahin, was Paulus gänzlich wider allen Augenschein und alles Zeugnis der unmittelbaren Selbst· erfahrung dem Auferstehen des Gläubigen als gegenwärtiges Geschehen vorangehen läßt: Das Sterben mit Christus. Da Paulus das Sterben und Auferstehen der Gläubigen mit Christus sakramental durch die Taufe in Gang gesetzt werden läßt, so spielt sich die Auseinandersetzung über dieses Problem im nachapostolischen Zeitalter vornehmlich ab als Streit über die Wirkungen des Taufsakraments 8 • Damit fällt eine Entscheidung, aus der sich für die neue großkirchliche Auffassung von der Erlösung wichtige Folgerungen ergehen. Einmal steht nun ganz eindeutig fest: Was auch immer die Gläubigen als gegenwärtige Erlösung erfahren mögen, es hat weder den Zweck, noch die Wirkung, die gegebenen natürlichen Grundbedingungen der Daseinsweise des Menschen in der bestehenden Welt wesentlich zu verändern oder aufzuheben. Genauer: Die natürliche Fleischesleiblichkeit des Menschen bleibt intakt; sie wird nicht vernichtet und ersetzt durch eine ihrer Substanz nach ganz andere übernatürliche Leiblichkeit. Demnach kann das Ziel der gegenwärtigen Erlösung,. sofern diese nach Paulus eine Beziehung zu der (nach der. neuen Auffassung rein zukünftigen) Auferstehung der Gläubigen haben soll, nur darin bestehen, eben dieser natürlichen gegenwärtigen Fleischesleiblichkeit der Gläubigen die. Auferstehung zum ewigen Lehen zu garantieren. Da ferner Paulus die gegenwärtige Erlösung als Ergebnis des nach urchristlicher Auffassung in der Endzeit wirksam werdenden Geistes Gottes zustande kommen läßt, so beginnt jetzt das großkirchliche Christentum zu lehren, diese Garantie werde dadurch verwirklicht, daß sich schon jetzt der übernatürliche, von Christus her wirkende göttliche Geist mit der Fleischesleiblichkeit der Gläubigen verbinde. s Siehe S. 420 ff.
392
Leicht hat es diese neue kirchliche Auffassung nicht, sich durchzusetzen. Sie muß sich ja als apostolisch ausgehen. Ihr Widerspruch zur paulinischen Lehre ist jedoch offenkundig. Die grol3kirchlichen Theologen suchen ihn auszugleichen und zu verdecken vor allem dadurch, daß sie je nach Bedürfnis die bei Paulus unzweideutig zutageliegende, bedeutsame Unterscheidung der Begriffe «Fleisch» und «Leih» verwischen und diese vielmehr als gleichbedeutend behandeln. Hierüber ist gestritten worden und die «Häretiker» sind es gewesen, die in ihrer Exegese die Unterscheidung mit vollem Recht gegen die Großkirchler verteidigt haben 9 • Allein auch sie lassen die paulinische Auffassung von der Erlösung des Leibes als einer durch Sterben und Auferstehen mit Christus jetzt schon beginnenden Umwandlung in die neue übernatürliche Leiblichkeit des neuen Äon fallen. Sie passen sich der paulinischen Lehre nur insofern an, als sie die Auferstehung des Fleischesleibes verwerfen. Darüber hinaus aber wollen sie nur von einer Erlösung der Seele, eben vom Fleischesleihe, wissen 10 • Daß sie immerhin mit ihrer negativen Behauptung mit Recht sich gegen die großkirchliche Lehre auf Paulus berufen können, macht die Tatsache verständlich, daß ihre Denkweise doch auch innerhalb der Großkirche in 9 Vor allem schon für I r e n ä u s und T e r t u ll i a n ist die Konfundierung der paulinischen Begriffe <
393
gewissem Grade wirksam zu werden vermag, in der kirchlichen Gnosis der großen Alexandriner. Schon Clemens Alexandrinus sagt ausdrücklich und mehrmals, daß vornehmlich die Seele zum ewigen Lehen bestimmt sei 11 • Und auch bei Origenes ist das Dogma von der Erlösung der Seele aus dem Gefängnis des Leibes ein deutlich ausgesprochener und im System seiner höhern Gnosis wohlbegründeter Satz 12. Indessen nähern sich diese Alexandriner der gewöhnlichen großkirchlichen Lehre wenigstens äußerlich und scheinbar darin, daß sie im Unterschied zu Markion und zu den gnostischen Schulen immerhin die wichtigsten Termini der neuen großkirchlichen Auffassung vom Wesen der gegenwärtigen Erlösung übernehmen, sie dann aber mehr oder weniger folgerichtig spiritualistischethisch umdeuten. Seltsamerweise stehen später auch noch großkirchliche Lateiner wie Arnohius und Lactanz in dieser Frage abseits von der großen Heerstraße. Bei Arnohius ist der Rückzug auf die Lehre von der Erlösung der Seele offenkundig durch Platonlektüre mithedingt13. Daß Lactanz ausdrücklich nur von Auferstehung der Seele redet 14 und als Bedingung ihrer Seligkeit ihre Befreiung aus dem zur Auflösung bestimmten Körper nennt 15, überrascht deshalb, weil dieser Schriftsteller im übrigen noch stark in urchristlicher Eschatologie sich bewegt. Schon I r e n ä u s bestätigt als valentinianische These, daß die Materie des Fleischesleibes der Erhebung zur Unvergänglichkeit und damit der Erlösung überhaupt unfähig sei (adv. haer. I, 5, 5; 6, 1). Pis t i s So p h i a 111 wird die Erlösung beschrieben als Befreiung der Seele aus dem Körper, die aber erst im Verlaufe mehrerer Wiederverkörperungen erreicht werden kann. Ausdrücklich wird verheißen (cap. 32): «Denn Gott wird ihre Seele aus allen Materien retten.» 11 C 1 e m e n s. A 1 e x. (Quis div. salv. 18, 6): Et -rotvuv EO""tL -ro \,'l'jO"Ofi.EVOV f1.6.ÄLO""ta
%al. JtQÖJ-rov i] \jlux.i] • . • (20, 6): &Jtm'}ffiv yuQ %at %ai}aQÖJV ljlux.rov EO""tLV .fJ O"Ol"t'I'JQLU. 12 0 r i g e n es (Comm. XIX, § 137 in Joh): %UL &vEß'I'J (sc. ö ao>-ri]Q) UJtEQ6.voo Jtnv· "tOlV "tÖJV OUQUVÖJV, ÖÖOJtOLÖJV "tOL<; ßouÄOfi.EVOL.<; %UL YV'I'JO"LOl<; au-r0 fi.Ui}'l'j"tEUOfi.EVOL<; ri]v cpiQouaav ööOv ßJtt -ru uJtEQ6.voo Jtav-roov -.:rov ouQavrov -roih' l!anv ßJtt -ru l!l;oo aoof1.6.-roov. 13 Ar n ob i u s redet (adv. gentes I, 64) von Christus als dem custos animarum, verweist (adv. gent. II, 14) ausdrücklich auf Platons Ausführungen über die Unsterblichkeit der Seele und redet (adv. gent. II, 66) von der Himmelsreise der Seele in einer Weise, die deutlich gnostischen Einschlag bekundet: licet ergo tu purus et ab omni fuer:is vitiorum contaminatione purgatus, conciliaveris illas atque inflexeris potestates, ad coelum redeunti ne vias cludant atque obsepiant transitum, ad immor· talitatis accedere nullis poteris contentionibus praemium, nisi, quod ipsam immortalitatem facit, Christo attribuente perceperis. 14 La c tanz (div. inst. VII, 11): quia temporalem vitam temporalis mors (sc. corporis) sequitur, consequens est, ut resurgent animae ad vitam p.erennem. 15 La c tanz (div. inst. III, 12): Der Mensch erlangt die Seligkeit nicht, cum vivit in corpore, quod utique ut dissolvatur corrumpi uecesse est, sed tune, cum anima societate corporis liberata in solo spiritu vi.;it,
394
Mit ihrer nachweislich unpaulinischen Auffassung, daß Erlösung Befreiung der Seele von der Leiblichkeit überhaupt bedeute, befestigen die «Häretiker» bei der großkirchlichen Mehrheit endgültig den Verdacht, daß ihre Paulusexegese in dieser ganzen Frage an allen Punkten falsch sein müsse. Offensichtlich hat aber für den Sieg der ebenfalls unpaulinischen großkirchlichen Auffassung der Umstand den Ausschlag gegeben, daß sie das, was ihr Paulus tatsächlich nicht bietet, aus den Evangelien ergänzen kann. Für die zukünftige Auferstehung des Fleischesleibes lassen sich hier als Beweis ins Feld führen die Schilderungen der Totenauferweckungen und gewisser Erscheinungen des auferstandenen J esus selbst, ebenso übrigens die Totenauferweckungsberichte des Alten Testaments 16 • Der Beweis ist freilich durchaus nicht schlüssig. Denn die Verfasser dieser Erzählungen denken ja dabei nicht an die eschatologische Auferstehung. Paulus jedoch meint stets ausschließlich diese. Darum spielen bei ihm weder alttestamentliche, noch evangelische Totenauferweckungen eine Rolle, und der auferstandene Jesus gilt ihm gerade als der «Erstling» der Entschlafenen 1 7. Die neue großkirchliche Erlösungslehre kündigt sich schon in der Frühperiode des nachapostolischen Zeitalters an. Aus diesem Zeitraum sind innerhalb und außerhalb des neutestamentlichen Kanons mehrere Schriftstücke erhalten, die zunächst den Eindruck erwecken können, als verträten sie lediglich einen reinen, christlich gefärbten Moralismus ohne eigentliches Erlösungsdogma mit entsprechender Christologie und Lehre von den Sakramenten. Aber die stark auf moralische Paränese eingestellte Tendenz dieser Schriften ist offensichtlich durch besondere Veranlassung bedingt. Ihr nächster Zweck liegt in etwas anderem als in einer Darlegung oder Erörterung der Erlösungslehre. Umso weniger dürfen beiläufig auftretende, fragmentarische Andeutungen übert6 Siehe Iren ä u s (adv. haer. V, 7, 1): quomodo igitur Christus in carnis sub· stantia surrexit et ostendit discipulis figuras clavorum et apertionem lateris ... , sie et nos suscitabit. Ferner etwa t r a c t. 0 r i g e n i s XVII (Batiffol, S. 1!18): sed et si prophetae non credunt praedicanti de resurrectione carnis, vel ipsi domino credant qui Lazarum, ad exemplum resurrectionis nostrae, quadriduanae mortis fetore solutum vivere et suis reddi iussit. E p i p h an i u s (h. LXIV, 64, 3): w,; xal ö XU(>LO\; il~töiv ÜVEO""tl] ex •rov 'VEX(>öiv, oux {J.f..J..o cröi~ta eyElQa,;, ü/...1..' au•o 1:0 ov, xat oux E"tE(>OV
JtetQU ,;0
öv.
Auch hier sir.d es die Häretiker, die auf die paulinische Aussage I Cor 15, 20 (Üm.l(>XTJ 1:rov XEXOLf.tt]f.tEVoov) hinweisen, wenn dili Großkircbler zur Bekräftigung der Fleischesauferstehung die schon vor Jesus Auferweckten ins Feld führen. Und irgendwie müssen ja auch diese zu erklären suchen, warum oder in welchem Sinne Jesus für Paulus .als der Erste der vom Tode Auferweckten gelten könne. Ihre Auskunft lautet (Adam anti u s, Dial. V, 12; E p i p h an i u s, h. LXIV, 65, 1), der 17
27
395
sehen oder als belanglos beurteilt werden, die das Vorhandensein der neuen Lehre, oder Ansätze dazu, bekunden und voraussetzen. Es genügt hier, mit Clemens von Rom zu illustrieren. Die ausführlichste Paränese seines Schreibens ist durch die Zustände in der Gemeinde der korinthischen Adressaten veranlaßt. Nebenbei aber nennt er als erstes Heilsgut das «Lehen in Unsterblichkeit» (35, 1). Dabei denkt er an die «Errettung des ganzen Leibes» des Gläubigen (38, 1), und daß in der Tat die natürliche Fleischesleiblichkeit (mit der in ihr lehenden Seele) gemeint ist, bezeugt die Aussage (49, 6), daß Christus «sein Fleisch für unser Fleisch und seine Seele für unsere Seele dargegeben» habe. Wenn auf die Reinigung und Reinhaltung des Fleisches Gewicht gelegt wird, so geschieht dies offensichtlich im Hinblick auf die künftige Auferstehung des Fleischesleihes. Und wenn endlich an der gleichen Stelle daran erinnert wird, daß diese Reinheit dem Gläubigen nicht durch eigene Kraft, sondern durch «einen Andern» ermöglicht worden sei, so hat man umsomehr Grund, diese Aussage mit dem im Eingang der Schrift (2, 2) erwähnten Verleihung des heiligen Geistes in Verhindung zu bringen, als in der zweiten Darlegung (9, 4) durch die auch bei andern Autoren übliche allegorische Verwertung der Erzählung von der Arche Noahs deutlich auf die sakramentale Vermittlut•e der Geistwirkung durch die Taufe hingewiesen wird 18 • Eine entscheidende Bedeutung für die Begründung der neuen Erlösungslehre kommt der Theologie der johanneischen Schriften, vor allem des Johannesevangeliums zu. Das Hauptgewicht liegt dabei nicht auf der Erläuterung des neuen Erlösungsbegriffs als solchen. Daß das «ewige Lehen», das dem Gläubigen jetzt schon verliehen oder garantiert wird, vor allem in der Sicl,.erung der künftigen Auferstehung des natürlichen Fleischesleibes (Joh 5, 24-29; 6, 40) durch dessen jetzt schon zustande kommende Vereinigung mit dem von Christus ausgehenUnterschied zwischen dem auferstandenen Jesus und allen vor ihm Auferweckten bestehe darin, daß diese alle wieder sterben mußten, während nur jener zum ewigen Leben auferstanden sei. Die großkirchlichen Theologen übersehen dabei nur, daß auch das, was an den Gläubigen im gegenwärtigen Mitsterben und Mitauferstehen mit Chri· stus geschieht, für Paulus als der Beginn der eschatologischen d. h. der Auferstehung zum ewigen Leben gilt und daß der Apostel deshalb in der Hoffnung auf die Nähe der Parusie die baldige, vollendete Verwandlung der Gläubigen in die übernatürliche Leiblichkeit erwartet, wodurch es ihnen erspart würde, vor der Par-usie noch in den Hades steigen zu müssen. 18 I Cl e m 9, 4: NiöE mcr-.:o,;. EUQEttd,; öux -.:ij,; ÄEL"tOUQ"'(la,; mhoii :n:aÄL"'("'(E'VEatav ?tOIJflCfl E?tlJQU~E'V, ?tat ÖLEIJOJIJE'V IIL' au-.:oii 0 ÖEIJ:n:O"t'l']t; "tU ELIJEÄttov-.:a E'V OflO'VOLq. ~iöa Elt; -.:-ljv ?ttßro-.:6v.
396
den göttlichen Geiste besteht, wird weniger expliziert als bereits vorausgesetzt. Der grundlegende Beitrag der johanneischen Theologie zum neuen Erlösungsdogma besteht vielmehr in der Darlegung einer neuen Lehre von der Person des Christus und seinem Erlösungswerk, die zeigt, wie durch Christus und die durch ihn geschaffenen Sakramente der Taufe und der Eucharistie die von dem neuen Dogma verkündigte Erlösung dem Gläubigen vermittelt wird 19 • Im wesentlichen die gleiche Lehre vertritt um die nämliche Zeit lgnatius von Antiochien. Zwar klingt hier gelegentlich typisch Paulinisches noch nach, so der Gegensatz von Fleisch und Geist und der Gedanke des Sterheus mit Christus. Aber dies sind bedeutungslos gewordene Reminiszenzen: Der Gegensatz von Fleisch und Geist wird doch ins Gegenteil umgebogen 20 , und die Vorstellung vom Mitsterben des Gläubigen mit Christus wird reduziert auf eine bloße Umschreibung des Martyriums 21 • Ganz klar tritt bei lgnatius als Grundgedanke der neuen christlichen Lehre von der Verleihung der Unvergänglichkeit 22 das Postulat der «Einigung des Fleisches und des Geistes» auf 23 • Die Kraft und Folgerichtigkeit, mit der schon zu Beginn des zweiten Jahrhunderts in der johanneischen und ignatianischen Theologie die neue Erlösungslehre bereits das ganze Dogma in entsprechender Weise neu zu gestalten vermag, erklärt einmal die große Sicherheit und das bedeutende Selbstbewußtsein, mit dem die Schöpfer dieser Theologie auftreten, bahnt aber zugleich der neuen Lehre durch die Krise der nachapostolischen Zeit hindurch den Weg zum künftigen Sieg in der Großkirche. Zunächst jedoch bekunden in den folgenden Jahrzehnten des zweiten Jahrhunderts Schriften wie die des Barnabas, Hermas und der Apologeten auch weiterhin nur durch beiläufige Äußerungen oder fragmentarische Darlegungen das Vorhandensein des neuen 19 Siehe S. 433 ff.; 451 ff.; 486 ff., dazu die Darstellung AI b. Sc h weit z er s, Die Mystik des Apostels Paulus, S. 340-358. 20 I g u a t i u s (Eph 8, 2): ol O'IXQXLXol TU nvEUf.LIXTLXU ltQUO'O'ELV oü MvavTaL, oüö8 ol ltVEUf.LIX'tLl\OL 'tU O'IXQl\Ll\U • . . ÖE )\(X 'tU O'UQXIX ltQUO'O'E'tE, 'tiXÜ'tiX ltVEUf.LIX'tLl\U EO''tL"V. Eph 10, 3: f.LEVE'tE EV 'Il]O'OU XQLO'Ti!l O'IXQl\LXiii~ )\(XL ltVEUf.LIX'tLXiii~. 21 I g n a t i u s (Magn. 5, 2): ... ÖL' oü (sc. 'I l]O'O\i XQLO'Toii) llav f.Lfl aÜ'It
a
397
Erlösungsdogmas 24 • Andererseits lassen Schriftstücke wie die Homilie des zweiten Clemens und das erbauliche Volksbuch der Paulusakten das Vordringen der neuen Gedanken in breitere kirchliche Kreise erkennen. Der zweite Clemens verkündet, daß «dieses Fleisch Leben und Unvergänglichkeit empfangen kann, wenn der heilige Geist sich mit ihm verbindet» 25 • Und der Verfasser der Paulusakten, ein großkirchlicher kleinasiatischer Kleriker, läßt seinen Pseudopaulus die Botschaft, daß der Inhalt der christlichen Lehre zur Hauptsache die Verkündigung der ·Enthaltsamkeit und der Auferstehung sei, mit der Mahnung verbinden, die Gläubigen mögen deshalb ihr Fleisch rein und heilig bewahren, um «Tempel Gottes» zu werden 26 • Dementsprechend läßt er den Christus in die Welt kommen, damit er «erlöse alles Fleisch durch sein eigenes Fleisch, und damit er auferwecke unser Fleisch von den Toten» 27 • Ganz unerläßlich wird jedoch die theologische Darlegung und V erteidigung der neuen Erlösungslehre in der Auseinandersetzung mit der Gnosis, die ja gerade in dieser Sache einen entgegengesetzten Standpunkt vertritt 28 • Daher ist es natürlich, daß wir nach dem Verfasser des Johannesevangeliums und lgnatius erst in lrenäus einem Theologen begegnen, der mit neuen Mitteln das weiterbildet, was jene geschaffen haben. Dies entspricht auch der Tatsache, daß inzwischen das Johannesevangelium in den großkirchlichen Kanon aufgenommen worden ist und deshalb einen wesentlich stärkern Einfluß als bisher zum Siege 24 Bei B a r n a b a s handelt es sich vor allem um Aussagen, welche die dem neuen Erlösungsdogma entsprechende Lehre von der sakramentalen Heilsbedeutung des Todes Jesu zum Inhalt haben; siehe S. 485 f. Das Gleiche gilt von Justin, der zudem die zugehörige neue Auffassung von den Sakramenten selbst entwickelt; siehe S. 439. 452. 455. Her m a s redet von der Erlösung ganz klar als von der Erlösung der Fleischesleiblichkeit, die jetzt schon dadurch garantiert wird, daß der göttliche Geist in ihr Wohnung nimmt. Damit im Zusammenhang entwickelt er auch entsprechende christologische Sätze, in denen Christus als die Einwohnung des heiligen Geistes in der menschlichen Fleischesnatur aufgefaßt wird (Sim. V, 6, 5): "tO llE Jt'VEVflO. ,;o o:ywv JtQoov, x,;toav ,.;iioav •iiv x,;tow, xa,;i[lxtoEv ö itEo~ Et~ o6.Qxa ... ,.;iioa y&.Q o6.Qf; a,.;ol.:t'}\jiE"tCJ.L flt
,;o
398
•o
der neuen Lehre in der Großkirche auszuüben vermag. Sehr energisch verficht Irenäus den Satz, daß Gott der «Fleischessubstanz», weil sie ja von ihm geschaffen ist, das Heil, die Erlösung schenkt und deshalb seinen Sohn in die Welt gesandt hat 29 • Erlösung ist vornehmlich Erlösung vom Tode, eben deshalb Neubelebung des Fleisches; denn dies es ist sterblich geworden 80 • Darum stürzt der, der die Auferstehung des Fleisches leugnet, die ganze Heilsordnung Gottes überhaupt um 31 • Vermittelt wird aber die Auferstehungsgarantie durch die Verbindung des Logos-Geistes mit der Fleischesleiblichkeit 32 • Von der gleichen Grundanschauung her wie lrenäus kämpft auch Tertullian gegen die Häretiker um die Fleischesauferstehung in mehr als einer seiner Schriften. Und der gelegentlich von ihm geprägte Begriff des «heiligen Fleisches» der Gläubigen kann als prägnanter Ausdruck dieser Denkweise gelten 33 • Das «heilige Fleisch» ist das Nämliche wie das «geistliche Fleisch», das dem Pseudo-Cyprian als das «unsterbliche)) gilt 34• Ausdrücklich erklärt Tertullian die Erlösung des Fleisches als das Hauptstück, den Kardinalpunkt der Erlösungslehre überhaupt 35 und versteht darunter die Garantie der Auferstehung der Fleischesleiblichkeit zum ewigen Leben kraft ihrer Verbindung mit dem heiligen Geist 36 • Natürlich läßt dann auch Novatian den heiligen Geist 29 Iren ä u s (adv. haer. IV, 41, 4): filium suum misit. et salutem suo plasmati donat, quod e6t carnis 6ubstautia. 3 0 Iren ä u 6, adv. haer. V, 12, 3. 31 Iren ä u 6, adv. haer. V, 13, 2. 32 Iren ä u s (adv. haer. V, 9, 3): btEL U'VEU 3t'VEllflU'toc; l'twü cHol'tijvaL oil lluv6.J.LBl'ta, 3tQO'tQE3tOf1Evoc; iJf.täc; 6 &.n6aw/..oc;, 1\ux •iic; nlm:E(J)c; xut •iic; U.yvijc; uvua•eocpijc; IJUV'tlJQEi:v 1:0 3t'VEÜflU 'tOÜ l'twü, tvu fllJ lif10LQOL 'tOÜ l'twü 3t'VEUflU'toc; YEVOflEVOL &.no'tUI(;(J)flEV -tijc; ßaat/..duc; 1:&v oileuv&v, i\ßolJGE flTJ Mvual'tm •i)v a6.exu xul't' Eau•i)v f:v 'tqi ULflU'tL ßaat/..duv %Al]QOVOf1'ijGaL frwü. Igitur caro sine spiritu dei mortua est, non habens vitam, regnum dei possidere non potest. Ferner adv. haer. V, 8, 1: nunc autem partem aliquam a spiritu eins sumimus ad perfectionem et praeparationem incorruptelae. Dazu adv. haer. III, 19, 1: non recipientes autem verhum incorruptionis, perseverant in carne mortali et sunt debitores mortis, antidotum vitae non acci-. pientes. 33 Te r tu 11 i an zu I Cor 7, 39 (ad uxorem II, 2): quis enim non intellegere possit multa pericula et vulnera fidei in huiusmodi nuptiis, quas prohibet, apostolum providisse, et primo quidem carnis sanctae in carne gentili inquinamentum praecavisse? 34 P s. - C y p r i a n ( de montibus Sina et Sion ll): caro enim christianorum spiritalis et immortalis est. 35 Te r tu ll i an (de resurr. carnis 8): caro salutis est cardo. 36 Te r tu ll i an (de resurr. carn. 50): adhuc dicam: merito solam et per semetipsam carnem regnum dei consequi posse negavit apostolus, ut ostenderet adhuc spiritum illi necessarium. spiritus enim est qui vivificat in regnum dei, caro nihil prodest.
399
m der Fleischesleiblichkeit der Gläubigen wohnen, so die «Heiligkeit)) wirken und die Körper der Auferstehung zur Unsterblichkeit entgegenführen 87• Im Kampfe gegen die G~osis wird die neue großkirchliche Erlösungslehre derart gefestigt, daß selbst ein Clemens Alexandrinus, in dessen spiritualistisches System sie sich nicht widerspruchslos einfügen läßt, gelegentlich in ganz massiv realistischem Stile plötzlich die Erlösung schildern kann als Befreiung des Fleisches von der Vergänglichkeit und bittern Todesknechtschaft, und als Bekleidung mit der Unvergänglichkei.t und Unsterblichkeit 38 • Um so weniger kann die Tatsache überraschen, daß in der Zeit nach Origenes doch auch die alexandrinische Theologie in dieser Grundfrage in die allgemein-großkirchliche Denkweise zurückschwenkt. Der gewichtigste Zeuge hiefür ist schließlich Athanasius. Gewiß macht er verschiedenartige Aussagen über die durch die Erlösung errungenen Heilsgüter. Wie andere kennt er nicht nur die «physische» Erlösungslehre. Allein was er auch immer im Streit gegen Arius von der Erlösungslehre her als Beweis für sein christologisches Dogma vorbringen mag, «Unanfechtbar ist doch, daß in der theologischen Argumentation des Athanasius diese ,physische' Idee die den Beweis tragende ist» 39. Welches Gewicht der neue Erlösungsgedanke erhält, wird schließlich daraus ersichtlich, daß man jetzt überschwänglich vom «Fleisch», dem «Erben der göttlichen Heiligkeit», zu reden beginnt als von der «Schwester Christi» und der «Braut des (heiligen) Geistes» 40 • Und wie 37 Nova t i an (de trin. 29): (spiritus sanctus) inhahitator corporihus nostris datus, et sanctitatis effector, qui id agens in nohis ad aeternitatem et ad resurrectionem immortalitatis corpora · nostra producat. Siehe auch H i p p o 1 y t (de resurr., syr. Fragm. Nr. V): «Dieser Leih aber, der gewürdigt ist, die Kraft des Geistes aufzunehmen, geht, da der ,Schatz' als Bewahrung vor der Vergänglichkeit des mit dem Unvergänglichen verkörperten Leibes gilt, nicht zugrunde». · 38 C 1 e m e n s Al e x. (Paedag. 111, 2, 3): o M OU[tl't
400
genau man es nimmt mit der Lehre von der Unvergänglichkeit des Fleischesleibes und seiner künftigen Auferstehung, zeigt die Berufung auf Lc 21, l8f.: In der Auferstehung werden die Gläubigen nach der Verheißung J esu auch nicht ein Haar von ihrem Haupte verlieren 41. Diese ganze grundsätzlich bedeutsame Umschaltung macht am entscheidenden Punkt auch eine neue Terminologie notwendig. Für das, was jetzt schon als Erlösung am Gläubigen geschieht, muß, da es sich nicht mehr um das reale eschatologische Sterben und Auferstehung mit Christus, sondern nur um ein ·die künftige Auferstehung des Fleischesleibes garantierendes Geschehen handeln kann, eine neue uneschatologische Bezeichnung gefunden werden. Sie lautet «Wiedergeburt». Schon im Johannesevangelium ist der griechische Ausdruck doppelsinnig gewählt, so daß er sowohl die «Wiedergeburt» im Sinne einer zweiten Gehurt, wie auch das «Gezeugtwerden von oben» bedeuten kann 42 • Und Origenes macht in seinem Johanneskommentar ausdrücklich auf diese zwiefache Bedeutung ·aufmerksam 43 • Die nachapostolisch-kirchliche .Lehre vermag heide Bedeutungen zu verwerten. Die Joh 3, 4 ausgesprochene Gegenüberstellung von natürlicher Geburt und «Wiedergehurt» bleibt für die großkirchliche Auffassung nicht beziehungslos. Durch die erste, natürliche Geburt ist· die beseelte Fleischesleiblichkeit des Gläubigen als sterbliche, vergängliche entstanden. Durch die Wiedergehurt als zweite Geburt entsteht diese nämliche Leiblichkeit neu, aber, infolge der Sicherung ihrer künftigen Auferstehung durch Verbindung mit dem göttlichen Geist, als eine zur Unvergänglichkeit, Unsterblichkeit bestimmte. Deshalb führt Tertullian aus, Christus habe die natürliche Gehurt, sofern das, was durch sie entsteht, der Todesnotwendigkeit unterworfen ist, «reformiert» durch die Ermöglichung der «himmlischen Wiedergeburt» 44 • Und Pseudo-Hippolyt sagt vom Logos-Sohn, er habe den Menschen neu gezeugt zur Unvergänglichkeit des Leibes und der Seele, indem er ihm (durch das Taufsakrament) den 41 S y r. D i das k a I i a 20 (ed. Achelis-Flemming, S. 97 f.). 42 J oh 3, 3: uvroitfv "{EVV'I'JitftvuL. Tit 3, 5 steht allerdings das eindeutige :n:uÄ.Ly"{EVEG[a. Die neue Terminologie kündigt sich auch in andern nachapostolischen Schrif-
ten des NT an, so Jak 1, 18; I Pt 1, 3. 23; 2, 2; I Joh 4, 7; 5, 1. Daß und warum sie bei den «apostolischen Vätern>> nicht anzutreffen ist, ist von untergeordneter Bedeutung. 43 0 r i g e n es, Comm. in Joh., ed. Preuschen, S. 510. 44 Te r tu ll i an (de carne Christi 4): nativitatem reformat (sc. Christus) a morte regeneratione caelesti. Auch schon J u s t in setzt natürliche Gehurt und Wiedergehurt in Beziehung zueinander (Apol. I, 61).
401
Lebensgeist einblies 45 • Im gleichen Sinne redet Novatian von der· «zweiten Geburt» 46 • Selbst die so spiritualistisch eingestellten großen Alexandriner können nicht davon absehen, ihre großkirchliche Rechtgläubigkeit durch gelegentliche Wiedergabe dieser Auffassung unter Beweis zu stellen. Clemens Alexandrinus läßt durch das Wirken des Logos das Fleisch (in der Taufe) wiedergeboren werden 47 • Und Origenes lehrt, Christus habe das Heilmittel de't Wiedergeburtstaufe dargeboten zur Umwandlung der «sterblichen Geburt» 48 • Zugleich beruht diese Wiedergeburt auf einer «Zeugung von oben her». Sie ist bewirkt durch den von Christus ausgehenden göttlichen Geist, der sich mit der Fleischesleiblichkeit der Gläubigen verbindet. Schon lrenäus macht sich diese Deutung zu eigen 49 • Diese Ausgestaltung der Lehre von der Wiedergeburt hat einem andern wichtigen Gedanken den Weg bahnen helfen, mit dem die neue Erlösungslehre sich im Zuge der Enteschatologisierung der paulinischen Auffassung vollends von diesem Ursprung entfernt und in hellenistisches Denken hinübergleitet. Es ist der Gedanke der Vergottung. Maßgebend ist dabei nicht nur, daß sich in der Wiedergeburt Göttliches mit Menschlichem verbindet, sondern nicht weniger das andere, daß kraft dieser Verbindung die Unsterblichkeit als ein Wesenszug der Gottheit auf die menschliche Fleischesleiblichkeit übertragen wird. Die Art und Weise, wie der Gedanke in den gnostischen Büchern Jeu zum Ausdruck gebracht wird, klingt ganz hellenistisch. Von den Getauften wird gesagt: «Sie haben Anteil an dem Lichtschatze und sind unsterbliche Götter» 50 • Aber auch nach großkirchlicher Auffassung bedeutet 45 P s. - Hip p o 1 y t (El~ ,;a äyw. itwcpavna VIII): . . . üvo.yEvvi)ao.~ (sc. ,;ov uv-frQWJtOV) JIQO~ ücp-fro.Q<1LO.V 1Jluxij~ 'tE xo.t <1Wf!O.'tO~, EVE
402
die Erhebung des Menschen zur Unsterblichkeit seine Vergottungst. Der Theorie entsprechend kann dann auch der durch seine Verhindung mit der Fleischesleiblichkeit die Unsterblichkeit vermittelnde göttliche Geist als der «vergottende» Geist bezeichnet werden 52 • Zu beachten ist, daß der neue Vergottungsgedanke auch in einer, allerdings spät entstandenen, nachapostolischen Schrift des neutestamentlichen Kanons enthalten ist: im zweiten Petrushrief 53 • Er konnte also als gut schriftgemäß und «apostolisch» erwiesen werden. Speziell auf II Pt 1, 4 beruft sich Cyrill von Jerusalem 54 • Aber auch im Alten Testament ließen sich, und zwar ohne Vergewaltigung des Textes, Belege finden 55. Zum Hauptschriftbeweis der großkirchlichen V ergottungslehre überhaupt ist Psalm 81, l. 6 LXX geworden 56 • Zitiert wird die Stelle schon im Johannesevangelium (10, 34). Aber Justin, der nach dem Johannesevangelium als erster damit operiert, wurde offensichtlich durch eigenes Studium des AT darauf geführt 57 • Von lrenäus an spielt alsdann die Deutung der hier genannten «Götter» auf die Gläubigen eine beträchtliche Rolle 58 • Bezeichnend ist aber, daß Clemens Alexandrinus sich für die V ergottungsidee· auch auf die griechischen Philosophen 51 T h e o p h i I u s (ad Autol. II, 27): Bestimmung des Menschen war von Anfang an, daß er !J.LO'Mv 'KO!J.LO'rp:m ltUQ' au-.;oil (sc. {}Eoil) "tTJV d{}avacrtav xat "(EVYJ"taL {}E6~. Hip p o I y t (Refut. X, 34, 4): ... Ö-.;av {}EQJtOLYJ{}ü~ d{}uva,;o~ ltOLYJ{}E[~. P s. -Hip p oI y t (Et~ -.;u Ü.yw {}EQ
403
beruft, so einmal auf Empedokles 59 und ein anderes Mal auf Heraklit 60. Wie unpaulinisch die V ergottungslehre ist, bekundet sich auch darin, daß sie die charakteristisch paulinische Mystik des «Seins im Christus» verdrängt und an deren Stelle tritt. Das ist ein sehr folgerichtiger Vorgang. Es ist ein Verdienst der konsequent-eschatologischen Paulusexegese, gezeigt zu haben 61 , daß die paulinische Formel des «Seins im Christus» nichts anderes ist als eine abgekürzte prägnante Bezeichnung für das durch Sterben und Auferstehen mit Christus jetzt schon sich verwirklichende Anteilhaben der Gläubigen an der neuen Auferstehungsleiblichkeit des erhöhten Christus. Nur dieses Verständnis der paulinischen Christusmystik macht erklärlich, daß im nachapostolischen Christentum die entsprechenden charakteristisch paulinischen Formeln mehr und mehr verdrängt, jedenfalls umgedeutet und in der Sache durch etwas anderes ersetzt werden müssen und tatsächlich ersetzt werden, eben durch die Vergottungsmystik. Die dogmengeschichtlichen Belege sind hier um so bedeutsamer, als ja die Formel «in Christus» in den paulinischen Briefen so auffällig häufig verwendet ist, daß sie gar nicht übersehen werden kann. Noch bei den ältern der sogenannten apostolischen Väter, beim römischen Clemens und bei Polykarp, wird die Formel «in Christus» gebraucht, insbesondere bei lgnatius sogar recht häufig 62 • Nachher aber hört sie auf, ein verständliches und geläufiges Ausdrucksmittel der theologischen und kirchlichen Sprache zu sein 63 • Natürlich sieht man auch weiterhin, daß Paulus die Formel in allen möglichen Zusammenhängen verwendet und sogar von «Toten im Christus», vom «Heiraten im Herrn» usw. redet, und ist davon überzeugt, ·daß mit diesen Toten sicher verstorbene Christusgläubige gemeint sind und daß mit dem Heiraten «im Herrn» die Verheiratung eines Gläubigen mit einem Heiden abgelehnt wird 64 • Allein von diesem Einfachsten und Allgemeinsten her ist die so 59 CI e m e n s AI e x. (Strom. IV, 150, 1): Unmittelbar nach dem Zitat Ps. 81, 6 LXX fährt Clemens fort: qJT]O'L öE xat ö 'Ef1l'tEÖox1ij~ ,;iiJv oocpiiiv 1:&.~ 1.1'ux&.~ i}EOu~ ylveai}m dlöE nro~ "{QUqJOOY (folgt Zitat Empedokles, · Fragm. 146, Diels). 60 CI e m e n s AI e x. (Paed.III, 1, 5-2, 1): ... i}Eo~ öl; exEi:vo~ ö livi}erono~ ytvE,;m, 3·n ßou1E"tat ö i}Eo~. öei}iii~ liea dnEv 'Heax1Et"to~· <
404
eigentümlich geprägte paulinische Formel nicht erklärt, vielmehr wird erst recht merkwürdig, daß Paulus etwas so Einfaches und Klares so eigenartig und unselbstverständlim bezeimnet. Wenn Tertullian die paulinische Formel damit erklärt: Wer sich als Christen bekenne, bezeuge sich selbst· damit als dem Christus angehörig, was aber gleichbedeutend sei mit einem Sein in Christus 65, so übersieht er, daß mindestens die Steigerung der Zugehörigkeit zu Christus zu einem Sein in ihm unerklärt bleibt. Wo Cyprian gelegentlich auf die pauiinische Formel stößt, biegt er sofort das «Sein im Christus» in die Nachfolge Christi um 66 . Clemens Alexandrinus deutet spiritualistisch-gnostisch: In den Christus versetzt werden heißt in den Besitz der Gnosis gelangen 67 . Origenes interpretiert moralisch: Im Christus leben heißt nach der Taufe als Vollkommener die Sündlosigkeit bewahren; demnach sind für Origenes die «Toten im Christus» die in Sünde zurückgefallenen Gläuhigen68. Daß die nachapostolischen Theologen die Formel «in Christus», wo sie überhaupt durch ihre Pauluslektüre sich daraufJ führen lassen, irgendwie umdeuten, ist deshalb ganz unvermeidlich, weil die Voraussetzung für das Verständnis ihres ursprünglichen paulinischen Sinnes, das gegenwärtige eschatologische Stex:ben und Auferstehen des Gläubigen mit Christus, im Zuge der Enteschatologisierung endgültig preisgegeben worden ist 69 . In dieser Weise grundsätzlich problematisch geworden, müssen die charakteristisch paulinischen Formeln der Christusmystik den neuen Formeln der im Sinne des Vergottungsgedankens verstandenen Gottesmystik weichen. Schon bei J ohannes und lgnatius T e r t u ll i an , Scorp. 9. C y p r i an (de hono pat. 9): quodsi et nos ... in Christo sumus, si ipsum induimus, si ipse est salutis nostrae via, qui Christum vestigiis salutarihus sequimur per Christi exempla gradiamur. 67 C l e m e n s A l e x. (Strom. VI, 2, 4): iJ yvöiO't~ öE lJf.IOJV xo.t Ö :n:o.galletao~ Ö :n:vEufA.o.nxo~ a.ih:o~ iJfA.&v aro•iJe u:n:a11:x:et, et~ öv xa.
405
beginnt die eschatologische Christusmystik des Paulus in eine uneschatologische Gottesmystik hinüberzugleiten 70 • Und wie energisch sich in der Folgezeit der Umschwung vollzieht, zeigt beispielsweise Athanasius, bei dem der V ergottungsgedanke stark betont ist 71 • Mit der Ausbildung der neuen Erlösungslehre ist die zwingend notwendig gewordene Enteschatologisierung der paulinischen Auffassung von der gegenwärtigen Erlösung des Gläubigen am entscheidenden fundamentalen Punkte durchgeführt.· Innerhalb des Ganzen der paulinischen Lehre ist jedoch dieser Punkt nichts Isoliertes, sondern wesentliches Glied eines folgerichtigen Sinnzusammenhangs. Die mit der geschilderten Enteschatologisierung hier einbrechende Störung muß sich darum als s9lche auch an andern Punkten auswirken und Schwierigkeiten schaffen. Vorweg sei eine Unstimmigkeit festgestellt, die in der nachapostolischen Lehre von der Auferstehung entsteht. Das neue Erlösungsdogma erweckt den Eindruck, das eigentliche dogmatische Grundproblem sei die Frage nach der Möglichkeit ein~r künftigen Auferstehung der natürlichen Fleischesleiblichkeit . überhaupt. Die «Häretiker» verneinen sie. Die großkirchlichen Theologen bejahen sie, aber nur unter der Voraussetzung einer hesondern Erlösungsmaßnahme im Sinne einer sakramental vermittelten Garantie. An Derartiges ist jedoch bei Paulus nicht gedacht. Daher können nach seiner Auffassung am Ende der mit der Parusie des Christus beginnenden messianischen Herrschaftsperiode unterschiedslos alle vorchristlichen Menschengenerationen und alle außerchristlichen verstorbenen Angehörigen der letzten Generation ohne weiteres im alten Fleischesleihe auferstehen, ohne je ein Sakrament empfangen zu haben 72 • Sie müssen auferstehen zum allgemeinen Weltgericht, in dem sich erst entscheiden wird, wer von ihnen den übernatürlichen unvergänglichen Herrlichkeitsleih erhalten wird, mit dem die getauften Gläubigen schon vorher überkleidet worden sind. Dieser Gedanke wird denn auch in der nachapostolisch-kirchlichen Tradition konserviert 73 , ja man verschärft ihn im Kampf gegen die 70
71
Siehe AI h. Sc h weit z er, Die Mystik des Apostels Paulus, S. 336. 341.At h an a s i u s (Orat. c. Arian. III, 24, MG XXVI, 373): xut E:n:ctlii) •o :n:vEÜf.tU
'tOÜ -freoü EC11;L, liux ,;o{rwu "(L'VOJ.Pl'VOU E'V fJflL'V ELX(mo<; xut fJflEL<;, e:x:ovn<; 'tO :TC'VEÜf.t
406
häretische Leugnung der Fleischesauferstehung bis zu der Behauptung, Gott würde als ungerechter Richter verfahren, wenn er im Endgericht nur der Seele, nicht aber auch dem Fleischesleihe die Vergeltung widerfahren ließe, der doch an den Handlungen des Menschen ehenfalls beteiligt war 74 • Aber zu dieser Auffassung tritt nun das neue Erlösungsdogma in Widerspruch, indem es behauptet, nur auf Grund besonderer, sakramentaler Sicherungen sei dem Menschen die Möglichkeit zukünftiger Auferstehung und Unvergänglichkeit seines Fleischesleibes garantiert 75• Es gibt jedoch andere Schwierigkeiten und Verworrenheiten, die tiefer greifen und die dogmengeschichtliche Entwicklung erheblich beeinflussen. Für Paulus beginnt im Sterben und Auferstehen des Gläubigen mit Christus als dem Hinüberwechseln aus der natürlichen Daseinsform des alten Äon in die übernatürliche des anbrechenden neuen eine radikale Wandlung des Wesens des Menschen. Mit dem Absterben der natürlichen Fleischesleiblichkeit kommt, da in ihr die Sünde übermächtig wirksam ist, auch eine reale Entsündigung in Gang. Und durch das Mitauferstehen mit Christus, in dem der Gläubige Anteil erhält an der Auferstehungsleiblichkeit des Christus, werden in ihm neue Geistkräfte wirksam, die es ihm möglich machen, in einem neuen Lehen zu wandeln und eine neue Gerechtigkeit zu verwirklichen. Diese ethische Auswirkung der Wesenswandlung ist von großer Bedeutung im Hinblick auf das Gericht. Denn der Gläubige soll am Tage der Parusie vor dem Richterstuhl des Christus erscheinen, um den größern oder geringern messianischen Lohn entsprechend dem Maß seiner wirklich guten Werke zu empfangen. Von der Sündenschuld seiner vor der Taufe liegenden vorchristlichen, rein natürlichen Existenz kann der Gläubige als losgesprochen und in dieser Hinsicht als gerecht gesprochen gelten auf Grund der Sühneleistung des Todes Jesu. mit dem Hinweis auf die Vergeltung im Endgericht darzutun. Bemerkenswerterweise übt jedoch Athenagoras Kritik an diesem Beweis: .ltOAAot yuQ .'tOV 'tij<; &.vncr't6.CJEOO<; Myov ÖtuAuJ.lß6.vov'tE<; 'tq'l · 'tQL'trp J.lOVq> 'ti)v .niicrnv 1\.ni}QELcruv uhtuv voJ.llcruvn<; toii 'ti)v ahtuv ytvw~m ÖLU 'tijv )(.QLCJLV. 'tOÜ'to ÖE .ltEQL!pUVoo<; ÖEL)(.V'U'tUL ljlEiiÖo<; .n6.v'tn<; J.lEV &vtcr'tacr~nL 'tOU<; &.no~vijcrxov'tn<; &v~eoo.nou<;, !liJ :n:6.v'tu<; xetvEcr~nL 'tou<; UV!lCf'tUV'tU<;.
öe
ex
74 So häufig besonders Te r tu ll i an. Adv. Mare. V, 12 formuliert er das Argument so non enim poterit quod corpore admissum est, non corpore iudicari. iniquus emm deus, si non per id punitur quis aut iuvatur, per quod operatus est. Für die spätere Verbreitung des Gedankens zeugen C y r i ll v o n J e r u s a I e m , Kat. IV, 30; XVIII, 19 (MG XXXIII, 492. 1040); E p i p h an i u s, Ancor. LXXXVll, 2; LXXXVIII, 8; h. LXIV, 71~ 13. 75 Über die Möglichkeit eines Ausgleichs siehe S. 680-683.
407
Wenn nun mit dem Sterben und Auferstehen des Gläubigen mit Christus auch der charakteristische eschatologische Radikalismus des Gedankens der Wesensumwandlung des natürlichen Menschen preisgegeben wird, so werden auch die geistig-sittlichen Auswirkungen zum Problem. Nur oberflächlich gesehen mag es zunächst so erscheinen, als ob diese Auswirkungen selbstverständlich und mit der nämlichen Energie einfach von der neuen Lehre über «Wiedergeburt» und «Geistbegabung» aus ebenfalls geltend gemacht werden könnten. In den johanneischen und andern nachapostolischen Schriften des neutestamentlichen Kanons wirkt zwar die radikale paulinische Beziehung der Erlösung auch auf die geistig-sittliche Sphäre noch stark nach. Das zeigt vor allem der so weit gefaßte johanneische Lebensbegriff. Allein diese Nachwirkung verklingt nachher. Der V erzieht auf die Auffassung von der gegenwärtigen Erlösung als der bereits beginnenden Umwandlung des natürlichen Menschen in die iibernatürliche Daseinsform des anbrechenden neuen Äon ist auch insofern dogmengeschichtlich bedeutungsvoll, als er eine Umbildung der Anthropologie überhaupt zur Folge hat: In den Vordergrund des theologischen Interesses rückt nunmehr wieder die Frage nach dem Wesen des Menschen, wie er auf Grund der Schöpfung als ein Glied dieser bestehenden natürlichen Welt ist. Das wachsende Bedürfnis nach einer derartigen Anthropologie tritt deutlich und kräftig zutage schon in dem immer allgemeiner werdenden Bemühen, Fragen abzuklären wie die: Wie die Einzelheiten des alttestamentlichen Berichts von der Erschaffung der ersten Menschen, insbesondere die Aussage Gen 1, 26 über die Bildung des Menschen nach der imago und similitudo Gottes, zu verstehen seien; ob das Wesen des Menschen dichotomisch als Verbindung von Körper und Seele oder trichotomisch als Körper, Seele und Geist aufzufassen sei, und ob die Seele als von Natur sterblich oder unsterblich, als präexistent oder nicht präexistent zu gelten h11.be. In diesen und ähnlichen Fragen kann sich freilich nur schwer eine einheitliche großkirchliche Auffassung bilden. Angesichts der unsystematischen Mannigfaltigkeit des Inbegriffs biblischer Aussagen über den Menschen entsteht begreifliche Unsicherheit, ja gelegentlich dogmatischer Streit 76 • So ist es auch nicht verwunderlich, daß man Klä78 Nach dem Bericht Eu s e b s (h. e. VI, 37) machte sich zur Zeit des Origenes eine <
408
rung und Ergänzung bei der philosophischen Anthropologie holt, wenn dies auch nicht immer so entschieden und offenkundig geschieht wie etwa bei Clemens Alexandrinus und auch Tertullian 77 • Noch Pamphilus stellt in seiner Apologie für Origenes fest, eine klar fixierte kirchliche Lehre von der Seele habe es zur Zeit des Origenes noch gar nicht gegeben, ja selbst noch in der Kirche seiner eigenen Gegenwart herrsche hier Verschiedenheit. Ausdrücklich stellt er als Ursache dieses Zustandes fest, daß die Schrift selbst in dieser Sache undeutlich lehre 78. In die~er Mannigfaltigkeit anthropologischer Anschauungen tritt nun aber doch einiges in den Vordergrund, was als im großen und ganzen typisch großkirchlich gelten kann und worauf hier hingewiesen werden muß, weil es die Entwicklung der neuen Erlösungslehre an dem hier in Frage stehenden Punkte wesentlich beeinflußt hat. Von größter Bedeutung ist vor allem die Art und Weise, wie im nachapostolischen Zeitalter die Großkirche die Lehre von der Willensfreiheit des natürlichen Menschen ausbildet und begründet. Daß das großkirchliche Bekenntnis zu diesem Dogma, das Origenes geradezu zu den Lehrstücken der kirchlichen Glaubensregel zählt 79 , bald einmal so energisch und vielstimmig bezeugt wird, hängt damit zusammen, daß es sich um einen Streitpunkt der Auseinandersetzung mit Heidentum und Häresie handelt. Mit der Lehre von der Willensfreiheit protestiert die kirchliche Theologie gegen die heidnischen deterministischen Theorien (Heimarmene, Fatum, Astrologie) 80 • Und besonders energische Anstrengungen
,;o
77 CI e m e n s A 1 e x. (Paed. III, 1, 2): "tQL"(EVOÜ~ o:Ov U1tUQJI:O{ll1'1'J~ ,;ij~ \jJU)(ij; VOEQ6v, Ii öit ÄO"(LO'"tL%0V %UÄEL"tUL, ö uvi}gom6~ EO'"tLV ö llvöov ... "tO öl; i}urnx6v, ... "tO emi}u[.L'I'J"tL%6V. . . Bemerkenswerterweise hat dann ausgerechnet 0 r i g e n es diese platonische Dreiteilung der Seele als nicht schriftgemäß verworfen ( de princ. III, 4, I): quia tripertita sit anima, non valde confirmari ex divinae scripturae auctoritate pervideo. Ob Zweiteilung als Schriftlehre gelten könne, will er nicht endgültig entscheiden. Mit seiner Privatansicht stellt er sich auf die Seite derer, die auch diese Auffassung ablehnen. Te r tu ll i an beruft sich (de anima 5) auf die stoische Psychologie. 7s Pa m p h i 1 u s (Apologie, Routh IV, 329 f.): sciens (sc. Origenes) namque etiam istud dogma de anima non aperte neque manifeste haberi in ecclesiastica praedicatione . . . nunc vero cum diversitas sit apud omnes ecclesiasticos, et alii alia de anima sentiunt, et omnes diversa • . . (beispielsweise stehen sich nach Pamphilus immer noch die creatianische und die traducianische Ansicht von der Entstehung der Seele gegenüber). Neque ex divinis scripturis certi aliquid de his vel manifeste dieturn videatur. 79 0 r i g e n e s , de princ. III, 1, 17. so Justin, Apol. I, 43; T a t i an, Orat. ad graec. 9; 0 r i g e n es, Comm. VI, 3 in Rm; Mi n u c i u s Fe 1 i x 36; Met h o d i u s, Sympos. VIII, 16; zum Problem der Willensfreiheit hat M e t h o d i u s sich ausführlicher in der Schrift de autexusio geäußert; C y r i ll v .o n Je r u s a I e m, Kat. IV, 18 (MG XXXIII, 477).
409
sind erforderlich in der Beweisführung gegen die Gnostiker, da diese ihren Determinismus aus der Schrift begründen, so beispielsweise, wie spätere kirchliche Prädestinatianer, mit der Verstockung Pharaos und mit paulinischen Aussagen aus dem Römerbrief 81 • Für die großkirchliche Lehre müssen die häretischen Schriftbeweise in dieser Sache von vornherein außer Betracht fallen 82 gegenüber folgenden entscheidenden theologischen Erwägungen: Eine den Menschen zu unbedingter Erfüllung verpflichtende göttliche Gesetzgebung wäre ohne die Voraussetzung der Willensfreiheit undenkbar und unannehmbar. Dieses Argument erhält im nachapostolischen Zeitalter um so größeres Gewicht, als man ja mit den nämlichen Häretikern eine scharfe Kontroverse in der Gesetzesfrage zu führen hat, in der man sich von der paulinischen Lehre von der Gesetzesfreiheit löst. Es tritt denn auch schon bei den Theologen des zweiten Jahrhunderts auf 83 • In unmittelbarem Zusammenhang damit macht der V ergeltungsgedanke, schon durch das Gesetz selbst verkündet und durch die eschatologische Endgerichtserwartung bedeutend verschärft, die Willensfreiheit vollends zum unaufgebbaren Postulat 84 , durch dessen Bestreitung man die ganze 8l Hauptsächlich 0 r i g e n e s , der in der Leugnung der Willensfreiheit eine ebenso gefährliche Häresie sieht wie in den christologischen Ketzereien (Comm. in Tit. Lomm. V, 288), trägt die Schriftbeweise der Gnostiker zusammen, um sie zu widerlegen; de princ. 111, 1, 7: igitur quam plurimos movent ea quae de pharaone a deo dicta sunt, dicente frequentins (folgt Zitat Exod 4, 21; 7, 3). Dazu kommen noch Stellen wie Mc 4, 12; Rm 9, 16. 18. 19. Und 0 r i g e n es bemerkt hiezu (de princ. 111, 1, 8): his enim praecipue nituntur haeretici, dicentes non esse in nostra potestate ut salvemur, sed naturas esse animarum tales, quae omni genere vel pereant vel salventur, nec ullo modo possit anima, quae malae naturae est, hona fieri, aut quae bonae naturae fuerit, mala effici. Weiteres bietet Origenes im Römerbriefkommentar. 82 Man beachte, wie 0 r i g e n e s in der Auslegung zu Rm 8, 30 argumentiert (Comm. VII, 8 in Rm): si ad communem referatur intelligentiam hoc, quod dicit, quia «quos vocavit, illos et iustificavit», ingentem fenestram patefaciemus his, qui negant esse in hominis potestate, ut salvus fiat. 83 M e I i t o v. Sarde s (Apo!. 9, Otto IX, 429): gratias age deo, qui fecit te et dedit tibi liberum arbitrium, ut quocumque modo velis te gerere possis. posuit coram te omnes res et haec denuntiat tibi: si malum consectatus eris, damnaberis pro operibus malis, et si bonum consectatus eris, recipies inde bona multa. T h e o ~Eo; -cov p h i I u s (ad Auto!. II, 27): eJ.Euth:eov y&.(.l xut uirtEl;oucrwv btoL'l')O'Ev
o
ÜV~(.lulltOV . . . EÖ
0 ilEo; TJj.tLV VOf.tOV xut ev·toJ.&.; &.ytu;, Ci; :rtä; 0 JtOLijcru;
s (adv. haer. IV, 37, 1): si igitur non in nohis esset facere haec aut non facere, quam causam habebat apostolus, et multo prius ipse dominus, consilium dare, quaedam quidem facere, a quibusdam vero abstinere? s4 Auch dieses Argument ist sogleich schon in der ältern nachapostolischen Zeit wirksam; siehe Anmerkung 83, ferner J u s t i n (Apo!. II, 7): &.J.J.' ÖTL uu-cel;ouatov -co
'tE &.yyfA.wv yf.vo; xut -ciiiv &.v~e6mwv -cT)v Ö.(.l)GTJV EJtOL'l')I1EV o ~Eo;, ötxutw; 'ÖJtE(.l iliv ll.v JtA'l')f.tf.tEAijcrwat -ci)v 'Hf.tW(.lLUV ev ahovtq> JtU(.lL XOf.tL!Jov-cm. Ebenso natürlich zahlreiche andere.
410
Religion in Gefahr gehracht sieht 85 • Rasch und ohne Schwierigkeit kann diese Freiheitstheorie auch vom Gedanken der bloßen Wahlfreiheit zur Behauptung der Handlungsfreiheit des natürlichen Menschen fortschreiten, weil eine wesentliche Hemmung dahingefallen ist: In dem Kampf, in dem man gegen die an Paulus orientierten Häretiker von der neuen Erlösungslehre aus die Erlösungswürdigkeit des Fleischesleibes verteidigen muß, hat man die paulinische Anschauung von der im sündigen Fleische begründeten Sündenknechtschaft des natürlichen Menschen preisgegeben 86 • «Nicht der (Fleisches)leih als solcher sündigt», so spricht einmal Cyrill von Jerusalem die neue kirchliche Auffassung kurz, präzis und klar aus, «sondern vermittelst des (Fleisches)leihes die Seele» 87 • Zum Aushau der Lehre von der Willensfreiheit gehört schließlich die Art und Weise, wie man sie in der Auffassung von der Erschaffung des Menschen verankert und die Lehre vom Sündenfall mit ihr in Einklang bringt. Die Begabung mit der Freiheit gehört seit Justin und lrenäus zur schöpfungsgemäßen Gottehenhildlichkeit des Menschen 88 • Und der Sündenfall wird in einer Weise dargestellt, daß in der Tat nicht ersichtlich wird, wie er den Verlust der Willensfreiheit hätte zur Folge haben können. Der Versuchung zum Ungehorsam hat Adam deshalb so geringen Widerstand geleistet, weil er noch unmündig war 811 • Im Übrigen war die Erfahrung des Falles geradezu eine pädagogisch notwendige Durchgangsstufe der sittlichen Entwicklung 90 • Schon diese 85 T e r t u ll i a n ( de exhort. cast. 2): et ihit definitio ista in destructionein totins disciplinae, etiam ipsius dei, si aut quae non vult de sua voluntate producat, aut nihil est quod deus non vult. Ähnlich argumentiert auch 0 r i g e n es, in Matth. Comm. ser. 117. 86 Siehe S. 276. 285-289. 87 C y r i ll von Je r u s a I e m (Kat. IV, 23, MG XXXIII, 484 f.): fllJ Mys flOL "tO O"W!-LU JtUQULJ;LOV dflUQrla~ dvaL . . . ro O"WflU Oll% dflUQJ:UVEL lta{}' ~auro, aAAU fiLU roü O"m!laro~ i] 'l!'uxft. 88 Justin, Dial. 141; Iren ä u s sagt (adv. haer. IV, 4, 3): homo vero rationahilis et secundum hoc similis deo, liher in arhitrio factus et suae potestatis, ipse sihi causa est. Als Kuriosität fällt auf, daß später noch Ar n o h i u s die Erschaffung resp. Erzeugung des Menschen wegen dessen Unvollkommenheit einem inferioren Gott zuschreibt, den er vom deus pater unterscheidet (adv. gentes II, 36). 89 T h e o p h i I u s (ad Autol. II, 25): •Ü öE i}A.tltLQ. ÖÖf. 'AM(l E"tL vftmo~ rjv. Öto ollmo eöUva"to "tlJV yv&O"LV lta<' &.;tav )(WQELV. Ebenso Iren ä u s, adv. haer. IV, 38, 1; Epideixis 12; CI e m e n s Ale x., Protrept. 111, 1. 90 Iren ä u s (adv. haer. IV, 39, 1): quemadmodum enim lingua per gustum accipit experimentum dulcis et amari ... sie et mens per utrorumque (sc. boni et mali) experimentum disciplinam boni accipiens, firmior ad conservationem eius efficitur,_ obediens deo.
28
411
Auffassung schließt den Gedanken eines Verlustes der Wahlfreiheit von vornherein aus, nicht zu reden von dem extravaganten Einfall der pseudoclementinischen Homilien, die in der Ablehnung der Sündenfalllehre soweit gehen, dieses Dogma als eine Gotteslästerung zu brandmarken 91 • Auch die Entwicklung eines Erbsündendogmas ist wesentlich erschwert, obschon ein solches, wenn auch nicht aus Gen 3 so doch verhältnismäßig leicht aus paulinischen Aussagen wie Rm 5, 12 zu gewinnen wäre 92 • Und selbst da, wo man, wie dies bei Tertullian der Fall ist, einen Ansatz zur Erbsündenlehre versucht 93 , ist man niemals gesonnen, diesem Unterfangen das Postulat der Willensfreiheit des natürlichen Menschen zum Opfer zu bringen 94 • .Ältere Theologen wie Athenagoras, Aristides und Hermas erklären ausdrücklich die Kinder als sündlos 95 • Und noch Hilarius erhebt mit Berufung auf zahlreiche biblische Gegenbeweise Einspruch gegen die Aussage Ps 52, 4 LXX, daß kein einziger Mensch das Gute getan habe 96 • 91
P s. CI e m. Ho m. 111, 17: oux olftm a.u-cov (sc. der Leugner der prophetischen
Sendung Adams)
ouyyvffi~11;
'tUyx;6.vELV, xiiv UnO
v6ß-ou
ygacpT]~ ~a-r:&.
-r:oü n6.v-r:rov
nrn:goc; ÖELVU VOELV U;t!J."t'Y]'frEh]" ö yag etx6va., xa.t "t!J.Ü"t!J. a.trovtou ßa.
412
Diese neue Freiheitslehre, zu der die im Zuge der Enteschatologisierung des paulinischen Erlösungsdogmas notwendig werdende natürliche Anthropologie vordringt, macht die s i t t I ich e Erlösungsbedürftigkeit des nach Paulus unter die Macht der Sünde versklavten natürlichen Menschen problematisch. Mit ihren Folgerungen läßt sie die paulinischen Aussagen über die sittlichen Auswirkungen der Erlösung als überflüssig erscheinen, tritt jedenfalls zu ihnen in Gegensatz. Diesen Sachverhalt bestätigt der dogmengeschichtliche Tatbestand mit ein· drücklieber Deutlichkeit. Denn an diesem Punkte herrscht im nachapostolischen Zeitalter eine auffällige Unsicherheit, Mannigfaltigkeit und Gegensätzlichkeit der Anschauungen. Sieht man von feineren Nüancen ab, s.o lassen sich drei Haupttypen charakterisieren. Es handelt sich um zwei Extreme und ihren vermittelnden Ausgleich. Das erste Extrem stellt die relativ kräftige Nachwirkung der paulinischen Erlösungslehre dar. Es genügt hier als Beleg der Bericht des Origenes, wonach es zu seiner Zeit eine reine Gnadentheologie gehe, die auf dem Standpunkt beharrt, daß das ganze sittliche Lehen des Gläubigen das Werk der göttlichen Gnade sei 97 • Origenes denkt vorab an Häretiker und lehnt deshalb diese Proklamation der sola gratia als Ketzerei ab. Er selbst vertritt, mit andern Theologen vor und nach ihm, einen vermittelnden Synergismus, wonach die Seele des Gläubigen zwischen den Einflüssen des Versucherischen Teufels und des ihr Beistand zum Guten verheißenden Logosgeistes steht - Origenes zeichnet diese Situation auch mit andern Begriffen - und kraft ihres liberum arbitrium auf eigene Verantwortung hin zu entscheiden hat, mit wem sie sich verbünden will. Wichtigste Gabe des Geistes ist in diesem Falle die neue Erkenntnis, durch die der freie Wille die neuen und wichtigen Motive gewinnt 98 • Dabei erhält bei Origenes der Gedanke der sittlichen Erlösung dadurch ein besonderes Gewicht, daß er, weil er die großkirchliche Lehre von der Fleischesauferstehung nicht vertritt, sit, Job inculpabilis sit, Moyses amicus sit, Aaron christus sit, David sectmdum cor dei sit, prophetae spiritales sint, apostoli caelorum claves sortiti sint, si excepto uno tantum bonus nemo sit? . . . quomodo enim bonus aliquis nuncupabitur nemine faciente bonitatem? 97 0 r i g e n e s (de princ. 111, l, 15): si non in nostro actu est ut fiat in nobis <
413
bewußt und grundsätzlich die Begriffe der «Wiedergeburt» und der «Vergottung» in entsprechender Weise spiritualistisch-ethisch deutet 99 • In scharfen Kontrast zur paulinischen Gnadentheologie tritt nun aber die der neuen Freiheitstheorie folgerichtig entsprechende ·andere Auffassung, daß der menschliche Wille rein aus eigener Kraft zur Erfüllung der einmal erkannten Forderung des göttlichen Gebots fähig und verpflichtet sei. Und besonders kraß wird der Gegensatz zur reinen Gnadentheologie da, wo sich die neue Lehre mehrfach in dem Sinne ausspricht, daß - nicht der heilige Geist die Seele, sondern - die Seele den heiligen Geist zu bewahren habe. Von Hermas wird man darüber belehrt, der heilige Geist sei etwas sehr «Zartes», das durch die Regungen und Handlungen des Bösen leicht bedrängt und aus dem unrein werdenden menschlichen Gefäß vertrieben werde 100 • Und lrenäus schärft die Forderung ein, durch Glauben und reinen Wandel sich vor dem Verlust des heiligen Geistes zu bewahren, ohne den das Fleisch das Reich Gottes nicht zu ererben vermöge 101 • Gerade auch noch der Glaube ist also kein Geschenk des Geistes zur Erlösung des Gläubigen, sondern eine Leistung des Menschen, durch die er den empfangenen heiligen Geist «bewahrt» 102 • Auch die syrische Didaskalia bestätigt: «Wenn er (sc. der getaufte Gläubige) gute Taten vollbringt, so harrt der heilige Geist bei ihm aus und er bleibt voll (von ihm)» 103 • Noch massiver dann Aphraates: «Wer den Geist Christi in Reinheit bewahrt, über den spricht dieser, wenn er (sc. nach dem Tode des Gläubigen) zu Christo kommt, also: ,Der Leib, zu dem ich gekommen bin und der mich angezogen hat, hat mich in Heiligkeit bewahrt'. Und der heilige Geist ermahnt Christum, daß er den Leib, der ihn rein bewahrt hat, auferwecke, und der Geist bittet, daß er wieder mit ihm vereinigt werde, daß der Leib auferstehe in Herrlichkeit 104 .» So ist in Wahrheit jede Sünde des Gläubigen eine «Sünde wider den heiligen Geist». Ganz in diesem Sinne lautet eine von Origenes wiedergegebene Auslegung zu 99 Siehe etwa Or i g e n es (Comm. in Joh 3, 3, ed. Preuschen, S. 510, und c. Cels. II, 28). Die nämliche Umdeutung spielt auch schon bei C I e m e n s A I e x a n · d r in u s eine wesentliche Rolle. 100 Her m a s (mand. V, 1, 3): EO.v M ö"§u:x;oMa -nc:; 31{>ocrü:frn, E'Öih)c:; :n:vEÜf.l.!l ,;o Ü.yLOv, 'tQU!JlE(.lO'V öv,
,;o
414
Mt 12, 31: In bezug auf die vor dem Empfang des heiligen Geistes begangenen Sünden gilt, daß den Menschen «jede Sünde und Lästerung» vergeben wird. Da aber jede nach dem Empfang des heiligen Geistes begangene Sünde des Gläubigen eine Lästerung dieses Geistes bedeutet, so. besagt die Unvergebbarkeit dieser Lästerung, daß der Gläubige für schwere Fehltritte nach der Taufe überhaupt keine Vergebung mehr erlangen kann, was auch durch Hehr 6, 4 bestätigt wird 105 • So wird nun für die Kirche sehr wichtig die Lehre vom Verlieren der Taufgnade durch Nichtbewahren der «Unschuld» 106 • Von da her erhält auch die Askese innerhalb der Kirche ihre Bedeutung: Nicht Abtötung, sondern Reinhaltung des Fleischesleibes zum Zwecke der Bewahrung des diesen Leib auf die Unvergänglichkeit hin zubereitenden göttlichen Geistes ist ihr Sinn 107 • Und hier wird deutlich offenbar, daß die Ausbildung der neuen Anthropologie mit ihrer, die sittlichen Wirkungen der gegenwärtigen Erlösung in Frage stellenden Lehre von der Willensfreiheit in natürlicher Korrelation steht zu der neuen «physischen>> Erlösungslehre. Zu den Unsicherheiten und Schwierigkeiten, die für die Stellungnahme zur paulinischen Erlösungslehre aus dem Auftreten der neuen Freiheitslehre entstehen, gehört schließlich auch dies, daß die tatsächliche Bewahrung der Sündlosigkeit nach der Taufe problematisch wird. Der radikale, weil eschatologisch bestimmte Erlösungsoptimismus des Paulus bejaht diese Möglichkeit durchaus, rechnet mit ihr und läßt sich auch durch praktische Erfahrungen in den ältesten Gemeinden nicht erschüttern. Und eben von ihm her klingt diese optimistische Überzeugung in der nachapostolischen Tradition mehrfach vernehmlich nach. Hängt nun aber nach der neuen Auffassung die Bewahrung der Sündlosigkeit des Gläubigen nicht mehr von dem ab, was ihm nach Paulus im Sterben und Auferstehen mit Christus widerfährt, sondern von der Entscheidung seines natürlichen freien Willens auf Grund neu gewonnener Erkenntnis, so kann sich, vollends im Hinblick auf die Tatslf'Chen der Selbsterfahrung, ein gewisser moralischer Pessimismus 0 r i g e n es, Comm. XXVIII, 124-126 in Joh; siehe auch de princ. I, 3, 7. C y p r i an, Testim. III, 26. 27. Hier belegt Cyprian die Thesen: parum esse baptizari et eucharistiam accipere, nisi quis factis et opere proficiat. haptizatum quoque gratiam perdere quam consecutus sit, nisi innocentiam servet. 107 A c t a p a u 1 i 12 (Lipsius-Bonnet I, 244): ai..i..ror;; ä.vaO"'tllO"tt; U!LOOV OÖ'lt EO"'tLV, Mv J.Llt ä.yvot J.LElVTJ'tE '!tat ,;ljv aap'lta J.LfJ f.LOAUVTJ'tE ä.i..i..a 'tTJ!.'TJO"TJ't8 &.yvijv. Auch C yr i II v o n J e r u s a I e m lehrt, daß alle Sünden auch im Leihe Schandflecken zurücklassen, wie von verwundenden Schlägen Narben bleiben (Kat. XVIII, 19, MG 105
106
XXXIII, 1041).
415
einstellen. Es treten in der Tat solche Pessimisten auf, die mit Berufung auf Hiob 14. 4f. entschieden behaupten, daß niemand ohne Sünde sei, wogegen dann Origenes einwendet, daß dieses kritische Urteil immerhin doch nur unter Vorbehalt als richtig gelten könne 108, Zuletzt ist noch die Frage ins Auge zu fassen, wie sich die ganze Umschaltung auf das Verhältnis des nachapostolischen Christentums zur paulinischen Lehre von der Rechtfertigung aus dem Glauben auswirkt. Tatsächlich sind hier die Schwierigkeiten verhältnismäßig gering. Die Dinge liegen an diesem Punkt anders, als wie sie von der modernen Dogmengeschiehtschreibung meist gesehen worden sind. Diese hat doch vorwiegend immer noch mit einem vom traditionellen Altprotestantismus her beeinflußten, falschen Paulusverständnis operiert und hatte daher Mühe, die nachapostolische Auffassung von der Rechtfertigung auf Grund des Glaubens in ihrem Verhältnis zur paulinischen Rechtfertigungslehre problemgeschichtlich richtig zu erfassen. Zunächst muß beachtet werden, daß für Paulus die Rechtfertigungslehre in dem speziellen Sinne, in dem er sie in den ersten Kapiteln des Römerbriefs ausgeführt hat, kein isoliertes Lehrstück für sich ist, sondern den Versuch darstellt, den römischen Christen die strittige Lehre von der Freiheit vom Sinaigesetz mit Hilfe der vom Judenchristentum einzig anerkannten Auffassung der Heilsbedeutung des Todes Jesu als des Sühnopfertodes zu begründen 109 • Man darf daher die paulinische Formel von der Rechtfertigung «auf Grund des Glaubens und nicht auf Grund der Werke des Gesetzes» nicht textwidrig so verabsolutieren, als spielten nach Paulus für die Gerechtsprechung des Gläubigen im Parusiegericht überhaupt keine «Werke» irgendwelche Rolle. Diese Interpretation setzt Jich in Widerspruch zu den Aussagen des Paulus selbst (z. B. I Cor 3, 13-15). Sodann beschränkt schon Paulus die Gerechtsprechung der Gläubigen auf Grund des Glaubens an die im Tode Jesu geleistete Sühne lediglich auf die in der Taufe zugesicherte Vergebung 108 0 r i g e n e s zu dem völlig unpaulinischen Rechtfertigungsbegriff von Lc 1, 6 (Horn. II in Lc): Denen, die behaupten, nullum esse absque peccato et utuntur testimonio quod Job scripturn est (Hiob 14, 4 f.), ist in Kürze zu antworten, quoniam absque peccato esse in scripturis dupliciter intellegatur, ut sit .alterum uunquam orrmiuo peccasse, alterum peccare desiisse. si igitur aiuut eum absque peccato dici, qui nunquam peccaverit, et nos asseutimus nullum e.sse absque peccato, quia omnes homines aliquando peccavimus, licet postea virtutem se·cuti simus. si vero sie intellegunt hominem non esse absque peccato, ut negent quempiam post vitia ita se ad virtutes referre, ut uunquam omnino peccet, falsa eorum sententia est. potest enim fieri, ut, qui aute peccaverit, peccare desinens sine peccato ess·e dicatur. 109 Siehe AI b. S c h w e i t z er, Die Mystik des Apostels Paulus, S. 219-221.
416
der im vorchristlichen Leben des Gläubigen (vor seiner Taufe) begangenen Sünden 110 • Eben damit provoziert Paulus das die nachapostolische Kirche des zweiten Jahrhunderts so bedrückende Problem der Möglichkeit einer zweiten Buße des nach der Taufe wieder in Sünde gefallenen Gläubigen. Und die Lösung dieses Problems wird nicht zuletzt deshalb schwierig, weil die nachapostolische Kirche die Lehre von der Rechtfertigung auf Grund des Glaubens an den beiden soeben erwähnten Punkten weiterhin so versteht, wie sie bei Paulus selbst gemeint ist 111 • Mit dem kanonischen Jakobusbrief (2, 14-26) hält die nachapostolische Kirche es für eine falsche Interpretation der paulinischen Lehre, wollte man behaupten, mit dem Satz von· der Rechtfertigung auf Grund des Glaubens seien alle «Werke» überhaupt als belanglos für die Rechtfertigung erklärt 112 • Wohl gibt es eine Rechtfertigung des Gläubigen auf Grund des Glaubens und nicht des Verdienstes der Werke. Allein es handelt sich hier ausschließlich um die bei der Taufe zugesprochene Sündenvergebung, die sich nur auf «die vergangenen, nicht die zukünftigen Verfehlungen» bezieht 113 • Von der paulinischen Rechtfertigungslehre weicht abe:.; die nachapostolisch-großkirchliche in dem Maße ab, in dem sich die Problematik der Lehre vom Gesetz auswirkt. Je weiter die großkirchliche Theologie im Zuge der Enteschatologisierung der paulinischen Heilsbedeutung des Todes Jesu von der paulinischen Lehre von der Gesetzesfreiheit abrücken muß, desto unvermeidlicher werden 110 Vgl. Rm 3, 25; I Cor 6, 11. Hiezu W i I h. Mund I e, Der Glaubensbegriff des Paulus, 1932, S. 84--88; AI b. Sc h w e i t z er, a. a. 0., S. 146. 111 W i I h. M u n d I e stellt mit vollem Recht fest, daß in dieser Sache die alte Kirche gar nicht von Paulus abgefallen ist, daß der Völkerapostel ihr vielmehr die Wege gewiesen hat, die sie gegangen ist (a. a. 0., S. 171). 112 Der Tatbestand ist anerkanntermaßen in der nachapostolischen Literatur so klar und reichlich bezeugt, daß hier zur Illustration eine Aussage des 0 r i g e n e s genügt (Comm.II, 4 in Rm): aedificentur fideles, ne putent sihi hoc solum sufficere posse, quod credunt; sed sciant insturn iudicium dei reddere unicuique secundum opera sua. 113 0 r i g e n es (Comm. 111, 7 in Rm): idcirco iustitia dei per fidem Jesu Christi ad omnes perveniens qui credunt ... purgatos eos a priorihus scelerihus iustificat, et capaces facit gloriae dei; et hoc non ex meritis eorum, nec pro operibus facit, sed gratis gloriam credentihus praestat. (a. a. 0., 111, 9:) neque enim ob hoc quis accipit veniam peccatorum, ut rursum sihi putet peccandi licentiam datam; indulgentia namque non futurorum, sed praeteritorum criminum datur. Es ließe sich auch leicht helegen, daß von Glauben und Rechtfertigung (im erläuterten Sinne) in der nachapostolischen Literatur im großen und ganzen häufiger die Rede ist, als man nach den üblichen dogmengeschichtlichen Darstellungen vermuten könnte. Indessen ist dieser Sachverhalt problemgeschichtlich nicht von wesentlicher Bedeutung.
417
für sie die «Werke», die immerhin auch nach Paulus der Gläubige im Parusiegericht vorweisen muß, wiederum «Werke des Gesetzes». Umgekehrt können natürlich an diesem Punkte die Häretiker, die die paulinische Gesetzeslehre zum markionitisch-gnostischen Antinomismus steigern, in ihrer Rechtfertigungslehre womöglich noch paulinischer reden als Paulus selbst 114 • Endlich ist auch in bezug auf den Glaubensbegriff der Abstand der großkirchlichen Auffassung von Paulus wesentlich geringer, als in der modernen Dogmengeschiehtschreibung oft behauptet worden ist. Es ergibt sich ohne weiteres aus dem Wesen der Sache und steht nicht im Widerspruch zur paulinischen Auffassung vom Glauben, wenn für das großkirchliche Christentum der Glaube vor allem dies bedeutet: Denkend und wollend das Dogma der Kirche ergreifen und sich ihm gemäß praktisch verhalten. Der Gläubige ist sich dabei bewußt, mit solcher Annahme des kirchlichen Dogmas der richtigen Explikation der göttlichen Heilsoffenbarung Folge zu leisten, die ihn über die Erlösung und ihre Bedingungen belehrt. Damit leistet er wie Abraham dem göttlichen Verheißungswort Gehorsam und bekundet zugleich dem Erlöser, den die Verheißung verkündet, jenes Vertrauen, das der Kranke dem rechten Arzt und seinen Weisungen entgegenbringen soll 115 • Mit solchen und ähnlichen idealen Beschreibungen pflegen jedenfalls vorab apologetisch interessierte großkirchliche Theologen zu sagen, was der Glaube sein sollte. In der geschichtlichen Wirklichkeit, wie sie einmal ist, hat freilich der Glaube weithin Mühe, sich als das durchzusetzen, als was er hier beschrieben wird. Das Dogma der Kirche ist ja nichts eindeutig Gegebenes. Es ist zunächst erst ein werdendes Dogma und sein Werden stellt, objektiv gesehen, eine schwere geistes114 Markion (nach Te r tu I I i an, adv. Mare. IV, 25. 35): ex dilectione dei consequimur vitam aeternam: . • . ex fide iam iu8tificando8 sine legis ordine remediavit (zu Lc 17, ll ff.). Bei solchen Aussagen Markions ist zu bedenken, daß der markionitische Erlösergott, anders als bei Paulus, in gar keinem Sinne mehr den. Gläubigen als der Richter gegenübertritt, sondern als die reine erbarmende Liebe an ihnen handelt. . 115 I c I e m 10, I: •AßQaUfl, ö !plÄo~ ltQOaayOQElJ~El~. JtLO''tO~ E\JQEihJ E'V np au-.:ov UltlJ%00'V YE'VEO'~aL 'tOL~ eiJflaO'L'V 'tOU ~Eoii. Iren ä u 8 (adv. haer. IV, 5, 3): EJtlO''tElJO'E 1\8 •AßQaUfl 'tcp ~Ecp, %at EÄoyla~T} au-.:cp Et~ Öt%atOO'U'VTJ'V" ITQiii'tO'V flE'V Ö'tt au-r:o~ EO''tt'V ö JtOLTJ'tiJ~ OUQavoii xat yij~. flO'VO~ ~Eo~. ~JtEL'ta ÖE, Ön ltOLlJO'EL 'tO O'JtEQfla au-.:oii m~ 'tU ÜG-r:Qa -r:oii oÜQavoii. M e I i t o v. Sarde 8 (Apol. 6, Otto IX, 427): crede in eum qui vere deus est, et ad eum aperi mentem tuam, et ei te commenda: et is potest tibi dare vitam aeternam, quae non moritur. T h e o p h i I u s (ad Auto!. VIII, 26): ·rl~ llE XU!J.'V(l)'V Mva-.:at itEQaJtE\J~ijvat, Ea'V !lil JtQöi'tO'V eatJ'tO'V manuan -.:cp ta-r:Qcp; .•. au oü ßouÄEL eau-r:ov Jttaniiaat -r:cp ~Ecp, -r:oaou-.:ou~ &.{!(laßiiiva~ ~:x:rov JtaQ' aü-r:oii;
418
geschichtliche Krise dar. Darum ist der Glaube in Wirklichkeit häufig gehemmt und belastet durch Zweifel und durch die ganze Problematik des Zwiespalts zwischen «Glauben und Wissen» mit all dem, was sie an mehr oder weniger fragwürdiger Apologetik und mehr oder weniger heftigem und ersprießlichem Dogmenstreit unvermeidlich macht. Es gibt einige Glückliche, die in ihrem Glauben· unmittelbar auch das höchste Wissen zu haben meinen, weil ihnen das kirchliche Dogma, wie sie es sich apologetisch zurecht gelegt haben, zugleich die Summe der Philosophie geworden ist. Es gibt aber vor allem die Vielen, denen Celsus den Vorwurf macht, daß sie sich grundsätzlich weigern, über das Recht ihres Glaubens auch der V emuoft Rechenschaft zu geben 116 • Dann aber gibt es auch Unerschrockene, die fordern, daß der Gläubige vom bloßen Glauben erst noch zur Erkenntnis aufsteigen müsse. Zum Schluß ist noch auf einen besondern Punkt aufmerksam zu machen. Überblickt man den gesamten aufgewiesenen Tatbestand, so ergibt sich unzweideutig, daß längst vor Pelagius · und Augustin Anlaß zum Ausbruch eines «pelagianischen» Streites vorhanden gewesen wäre. Daß es trotzdem innerhalb der Großkirche so lange nicht zu diesem Streite kommt, hat sicher nicht zuletzt auch darin seinen Grund, daß die reine Gnadentheologie in unserem Zeitalter so gut wie ausschließlich nur von Häretikern vertreten wird. Es liegt aber auch daran, daß vorderhand in der ganzen Großkirche die «physische» Erlösungslehre vorherrscht. Die Unsicherheit und Verschiedenheit, ja Gegensätzlichkeit der Anschauungen in der Frage der sittlichen Auswirkungen der gegenwärtigen Erlösung bleibt solange erträglich, als diesem besondern Problem keine entscheidende Bedeutung zukommt und das Hauptgewicht vielmehr eben bei der physischen Erlösungslehre liegt. Daß dies in unserer Periode der Fall ist, ergibt sich schon aus den bisherigen Feststellungen, dokumentiert sich aber auch in dei' Art und Weise, wie man die Sündenfallehre mit dem physischen Erlösungsdogma in Einklang bringt. Nicht nur sieht man - durchaus im Sinne von Gen 3 - die (durch die Erlösung aufzuhebende) wesentliche Folge des Sündenfalls in der Sterblichkeit des Fleischesleibes, sondern man kommt auf den Gedanken, schon Adam habe die leibliche Unsterblichkeit verscherzt genau entsprechend der Art und Weise, wie jetzt der Gläubige sie wiedergewinnen, aber auch neuerdings wieder verlieren kann: Indem er 118
Nach
0
r i g e n es sagt Ce ls u s von den Gläubigen (c. Cels.
I,
9): 'tLvci:;
!lf!liE ßolJÄO!LEVO'Il:; ÖLö6VaL tj Äa!tßUVELV 'A.Oyov 1tEQt rov 1ti!J'tEUO'Il!JL :X:QfJai}aL 'tcp «!1-TJ Ei;ha~E
ai..i..a
1tLIJ'tE'Il!JOV» xat
«TJ
1tLIJ'tL~ t:JOlJ t1Wt1EL !JE>>.
419
nämlich durch die Sünde seines Ungehorsams den Verlust des auch ihm schon verliehenen heiligen Geistes verschuldete 117. Daß in der nachapostolischen Kirchenlehre sogleich die physische Erlösungslehre die Vorherrschaft antritt, ist nicht zufällig. Dieses neue Dogma ergibt sich mit innerer Folgerichtigkeit als das Produkt jener Wandlung, die im Prozeß der Enteschatologisier,ung der eschatologischen Erlösungslehre des Paulus an deren fundamentalem Punkt einsetzt: Bei dem Gedanken des eschatologischen Sterheus und Aufersteheus des Gläubigen mit Christus. Da dieses Sterben und Auferstehen nach paulinischer Intention nicht weniger real aufzufassen ist als das Sterben und Auferstehen des Christus selbst, sofern es sich auf die Wandlung in die dem Wesen des anbrechenden neuen .Äon entsprechende übernatürliche Auferstehungsleiblichkeit des Christus bezieht, hat auch diese eschatologische Erlösung «physischen» Charakter. Wird diese Erlösungslehre umgesetzt in die nachapostolische Lehre von der Wiedergeburt und Vergottung als der Erlösung des Fleischesleibes im Sinne der Sicherung seiner künftigen Auferstehung zur Unvergänglichkeit des ewigen Lebens, so verliert sie wohl den ursprünglichen u n m i tt e 1b a r eschatologischen Sinn, behält jedoch den physischen Charakter.
Zweites Kapitel Die Umbildung der Lehre von der Taufe Im nachapostolischen Christentum erhebt sich eine Diskussion über das Taufsakrament, die zeigt, wie auch hier die unvermeidliche Wandlung des urchristlich-paulinischen Dogmas in Gang kommt. Es ist die Auseinandersetzung über die nunmehr als paradox empfundene paulinische Grundanschauung, wonach in der Taufe das Sterben und Auferstehen des Gläubigen mit Christus in Gang kommt. Dieser V erlauf ist problemgeschichtlich durchaus folgerichtig. Er entspricht einmal der Tatsache, daß die Anschauung vom Sterben und Auferstehen des Gläubigen mit Christus den fundamentalen Hauptgedanken der paulinischen Tat i an (Orat. ad graec. 7, Otto VI, 32): xat Ö J.IEV xa,;' ELXOVCI. ,;oü 'frEoÜ an' C1.1hoü 'tOÜ 3tVEUJ.ICI.'tO~ 'tOÜ ÖlJVCI.'tffi'tEQOlJ, 'frV'I'j'tO~ '\'LVE'tCI.L. Siehe auch orat. ad graec. 13. Seltsam ist, daß mehrfach die Verhängung der Sterblichkeit über den gefallenen Adam und sein Geschlecht, dann auch die Austreibung aus dem Paradiese, gar nicht als eigentliche göttliche Bestrafung des Ungehorsams gilt. So Iren ä u s , adv. haer. 111, 23, 6; T h e o p h i I u s, ad Autol. II, 26, und C v r i ll v o n J e r u s a I e m , Kat. li, 7 (MG XXXIII, 392). 117
'\'Ei'OVW~, :X:WQLO'frEV'tO~
420
Lehre von der Taufe überhaupt darstellt t, dann aber auch dem Umstand, daß eben an diesem Punkt in erster Linie der Prozeß der Enteschatologisierung der paulinischen Tauflehre einsetzen muß. Es handelt sich ja nur um die unvermeidliche Auswirkung der Enteschatologisierung der paulinischen Erlösungslehre 2 • Die Kontroverse setzt, nach Ausweis der erhaltenen Quellen, bald nach Beginn des zweiten Jahrhunderts ein und gleich der erste Beleg bezeugt, daß diejenigen, die an der realistisch-eschatologischen Auffassung des Paulus noch festhalten, von den Vertretern des gemeinkirchlichen Christentums als Häretiker verurteilt werden: II Tim 2, 18 werden Hymenäus und Philetus als von der Wahrheit abgewichene Verführer bekämpft, weil sie lehren, «die Auferstehung sei schon geschehen». Schon daraus, daß der. pseudonyme Briefschreiher im Namen des Pa u l u s so polemisiert, ist zu schließen, daß die erwähnten, uns im übrigen unbekannten «lrrlehrer» sich für ihre Auffassung auf Paulus berufen haben. Daher muß nun ein Pseudopaulus den echten Paulus vor dem V erdachte schützen, zu der paradoxen «Häresie» einer schon in Gang gesetzten Auferstehung Anlaß gegeben zu haben. So liegt, trotzdem der Verfass.er des II Tim - wohl aus guten Gründen - die Auffassung der beiden Häretiker nicht näher erläutert, die Vermutung von vornherein nahe, es handle sich um die von Paulus in Rm 6 dar· gelegte Anschauung von der Wirkung der Taufe 8 • Die Bestätigung liefert ein Bericht des Hippolyt, der in dieser Sache die Häretiker von II Tim 2, 18 mit der Sekte der Nikolaiten zusam· menstellt, über deren Entstehung er Folgendes erzählt: «Dieser Niko1 Unter den Führern des apostolischen Urchristentums ist Paulus der einzige, der dem Sakrament der Taufe eine derartige Wirkung zuschreibt. Sie entspricht aber der Eigentümlichkeit seiner eschatologischen Deutung des Todes und der Auferstehung Jesu. Nach allgemein urchristlicher Auffassung ist die Taufe das Sakrament, das dem Gläubigen das vermittelt oder garantiert, was im Hinblick auf den erfolgten Tod Jesu, seine Auferstehung und baldige Wiederkunft zum Gericht uud zur Aufrichtung der messianischen Herrschaft als Erlösung in Frage kommen kann. So ist es auch bei Paulus: Vermittelt die Taufe die Erlösung, so muß sie am Gläubigen das bewirken, was nach seiner Auffassung von der Heilsbedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu als Erlösung in Frage kommen kann und muß. 2 Siehe S. 390 f. 3 Es ist daher kaum, was an sich auch möglich wäre, an die Mt 27, 52 berichtf!te, im Zusammenhang mlt dem Tode Jesu erfolgte Auferstehung der Heiligen gedacht. Denn diesen Bericht kennt Paulus nicht. Ganz außer Betracht fällt offenbar die von E p i p h a n i u s vorgebrachte Exegese zu II Tim 2, 18, wonach Hymenäus und Philetus gemeint haben sollen (h. XL, 8, 6): ,;i]v öt &.v6.a,;aow i]l\1'] yEyEvija-!tm Ötu ,;iöv yEVVrof.tevrov "tE'll''{roV 'Ön:o h6.a,;ou ,;iöv yEvvrov,;rov. Für eine solche gänzlich uneschatologische und unrealistische «Auferstehung>> konnte man sich erst recht nicht auf den echten Paulus berufen.
421
laus war einer der Diakonen, die gleich zu Anfang gewählt wurden, wie er auch in der Apostelgeschichte (vgl. Act 6, 6) genannt wird. Dieser nun führte (sie), von einem fremden Geiste getrieben, in der Weise als Erster ein, indem er behauptete, die Auferstehung sei bereits ge· schehen, wobei er unter Auferstehung dies verstand, daß wir an Christus glauben und die Waschung (der Taufe) empfangen, eine Auferste· hung des Fleisches aber bestritt. Und da viele von ihm Anlaß nahmen, gründeten sie Sekten. Unter ihnen standen vornehmlich die sogenann· ten Gnostiker auf, zu denen Hymenäus und Philetus gehörten, über die der Apostel schreibt (folgt Zitat II Tim 2, 18)» 4 • Die als bereits geschehen behauptete Auferstehung steht also in der Tat, wie bei Paulus Rm 6, mit der Wirkung der Taufe im Zusammenhang. Freilich lautet der Bericht genau genommen so, als hätten die Häretiker diese Auferstehung ganz unrealistisch verstanden und sie zu einer bloßen Metapher für das Gläubigwerden umgedeutet. Allein dem widerspricht eben die ausdrückliche Beziehung auf die Taufe. Es han· delt sich um ein Mißverständnis, zu dem sich Hippolyt dadurch verleiten läßt, daß die Häretiker speziell die AufersteJ:mng des F I e i s c h es bestreiten, was Hippolyt sofort unrichtig als Leugnung einer wirklichen Auferstehung überhaupt deutet. Vielmehr stimmen die Häretiker gerade auch noch an diesem Punkte durchaus mit Paulus überein, nach dessen Auffassung im Sterben und Auferstehen des Gläubigen mit Christus in der Taufe verborgenerweise das Zunichtewerden des alten Fleischesleibes und das Anteilbekommen an der neuen übernatürlichen Leiblichkeit des Christus als der Leiblichkeit des neuen Äon zustandekommt. Auch dem Samaritaner Menander, dem Schüler des Sirnon Magus, wird die Behauptung einer wirklichen, den Gläubigen in der Taufe bereits widerfahrenen Auferstehung zugeschrieben. Und zwar sollen nach seiner Meinung die Getauften kraft dieser Auferstehung bereits derart in den Zustand der Unsterblichkeit verwandelt worden sein, daß ihr gegen· wärtiger Leib nicht mehr altern und sterben könne 5 • Die Möglichkeit 4
Hip p o I y t, de resurr., syr. Fragm. I.
5 J u s t in (Apol. I, 26) über Menander: Ö~ %at -.:ou~ au-.:ifl E3tOfl.Evou~ w~ ftlJÖE d3toitviJa%OLEV ll3tELOE. Iren ä u s (adv. haer. I, 23, 5): Menander, der Sukzessor des Simon, hat u. a. gelehrt, resurrectionem enim per id, quod est in eum haptisma, acci· pere eius discipulos, et ultra non posse mori, sed perseverare non senescentes et immortales. Te r tu ll i an (de anima 50): h a er e t i c i magi Menandri Samaritani furor conspuatur dicentis mortem ad suos non modo non pertinere, verum nec pervenire. in hoc scilicet se a superna et arcana potestate legatum, ut immortales et incorruptihiles et statim resurrectionis compotes fiant, qui haptisma eins induerint.
422
ist nicht ausgeschlossen, daß hier nun die antihäretische großkirchliche Berichterstattung durch ein massives Mißverständnis nach der entgegengesetzten Seite hin entstellt und damit vergröbert hat: Hat Menander von wirklicher Auferstehung gesprochen, so muß er mit dem, was durch sie dem Getauften zuteil geworden ist, die Unsterblichkeit des gegenwärtigen natürlichen Fleischesleibes gemeint haben. Wahrscheinlich ist diese Aufassung nicht, wenn man bedenkt, was dem Menander sonst noch an paulinisierender Lehre zugeschrieben worden ist. Aber die nachapostolische Kirchenlehre legt sich nun eben im großen und ganzen in dieser Sache fest: Wer von Auferstehung redet, muß entweder die Fleischesauferstehung meinen, oder dann deutet er die Auferstehung zu etwas um, was nicht mehr rechtmäßig Auferstehung heißen kann. Zu beachten ist, daß Clemens Alexandrinus von Häretikern zu berichten weiß, die aus dem Dogma von der schon erlebten Auferstehung die Forderung der Ehelosigkeit der Getauften ableiten. Der Bericht läßt erkennen, daß der Gedanke der Auflösung des Fleischesleibes mitspielt und daß man sich auf Paulus beruft 6 • Paulus hat bekanntlich aus eschatologischen Gründen die Ehelosigkeit empfohlen, ohne daraus ein striktes, allgemeines Gebot zu machen. Diese Häretiker stimmen offensichtlich im wesentlichen mit der paulinischen Auffassung vom Sterben und Auferstehen der Gläubigen mit Christus in der Taufe wirklich überein. Mit all dem braucht nicht bestritten zu werden, daß es wohl in der Tat vor allem auch Gnostiker gegeben hat, die sich zwar auf die Aussagen von Rm 6 beriefen, sie jedoch entsprechend radikaler gnostischer Ablehnung des Auferstehungsgedankens irgendwie spiritualistisch umdeuteten. Tertullian berichtet von Häretikern (Gnostikern), die gerade mit Hilfe des Arguments, daß doch die paulinischen Aussagen über das Sterben und Auferstehen in der Taufe unmöglich realistisch, sondern nur bildlich zu verstehen sein können, die ausschließlich allegorische Deutung aller Aussagen über die Auferstehung überhaupt so wirksam verteidigten, daß sie damit auch großkirchlichen Gläubigen Eindruck zu machen vermochten 7 • 6 C I e m e n s AI e x., Strom. 111, 48, 1. Er hält ihnen entgegen, wenn sie auf ihre Weise konsequente Panliner sein wollten, so müßten sie gemäß I Cor 6, 13 auch Essen und Trinken aufgeben: EL yoiiv 'tTJ'Y U'YU
o
423
Mit der bloßen Verketzerung derer, die mehr oder weniger getreu an der charakteristisch paulinischen Taufanschauung festhalten, ist freilich für die großkirchliche Theologie selbst das Problem nicht erledigt. Auch nicht mit dem Argument Tertullians, weder der Täufer Johannes, noch Christus selbst hätten derartiges über die Taufe gelehrt 8 • An sich ist dieser Einwand zwar richtig. Umsomehr aber sollte als auffällig beachtet werden, daß nun eben Paulus so lehrt, auf den sich die Häretiker ja berufen. Indessen ignoriert noch lrenäus die paulinische Tauflehre von Rm 6 vollständig, trotzdem ihm die Häresie Menanders Anlaß genug böte, darauf einzugehen 9 • Bei Tertullian, der den Gnostikern vorwirft, daß sie paulinische Aussagen über Tod und Auferstehung uneigentlich auffassen und spiritualisierend umdeuten, wird offenbar, daß er selber in der Auffassung der Aussagen von Rm 6 nicht ohne derartige Umdeutung auskommt. Begreiflicherweise! Ohne irgendwelche Umdeutung würde er ja selber zum «Häretiker». Im Sterben des Gläubigen mit Christus durch die Taufe darf es sich, nach Tertullian, trotzdem Paulus Rm 6, 6 ausdrücklich von der «Vernichtung des Sündenleibes» redet, nicht um ein solches reales Absterben des Fleischesleibes handeln, sondern ausschließlich nur um eine moralische Erneuerung des Lebens durch Entsündigung 10 • Diese Auslegung wird fortan in der Großkirche immer wieder vertreten, soweit man überhaupt zur Frage torquent, adseverantes ipsam etiam mortem spiritaliter intellegendam. non enim haue esse in vero, quae sit in medio, discidinm carnis atque animae, sed ignorantiam dei, per quam homo mortuus deo non minus in sepulcro iacuerit quam in corpore. itaque et resurrectionem eam vindieandam, qua quis adita veritate redanimatus et revivi· ficatus deo ignorantiae morte discussa velut de sepulcro veteris hominis eruperit, quia et dominus scribas et Pharisaeos sepulcris dealbatis adaequaverit. exinde ergo resurrectionem fide cum domino esse, cum eum in baptismate induerint. hoc denique ingenio etiam in conloquiis saepe nostros decipere consuerunt, quasi et ipsi resurrectionem carnis admittant: «vae», inquiunt, «qui non in hac carne resurrexerit»; ne statim illos percutiant, si resurrectionem statim abnnerint. 8 Te r tu ll i an (de anima 50): quaenam et ubinam est felicitas aquarum, quas nec J ohannes baptizator praeministravit nec Christus ipse discipulis demonstravit? 9 Ein einziges Mal zitiert Iren ä us Rm 6, 3 f., aber lediglich um zu beweisen, quoniam autem unum, et qui natus est et qui passus est, Christum Jesum novit apostolus (adv. haer. 111, 16, 9). 10 Te r tu ll i an (de resurr. carn. 47): non est corporalitas nostra confixa nec crucem Christi caro nostra perpessa est, sed quemadmodum adiecit: (Rm 6, 6), per emendationem vitae, non per interitum substantiae . . . nt hac ratione commortui Christo credamus, quod etiam convivemus illi (Rm 6, 8). sie enim, inquit, et vos reputate mortuos quidem vos (Rm 6, 11). cuinam? carni? non, sed delinquentiae. ergo salvi erunt carni, viventes autem deo in Christo J esu, per carnem utique, cui mortui non erunt, delinquentiae scilicet mortui, non carni.
424
Stellung nimmt, so von Origenes 11 , Cyprian 12 , Methodius 13 , Cyrill von Jerusalem 14 und Hilarius 15 • In Wahrheit reduziert diese großkirchliche Umdeutung den charakteristisch paulinischen Gedanken des Mitsterbens des Gläubigen in der Taufe mit Christus gewaltsam einfach auf das, was von der judenchristliehen Urgemeinde her in der gemeinchristlichen Tradition als eine wesentliche Wirkung der Taufe gilt, die Zusicherung der Sündenvergebung. Konsequenterweise müßte die großkirchliche Auslegung nun auch das Mitauferstehen des Gläubigen mit Christus in der Taufe in entsprechender Weise rein bildlich deuten. Aber dazu versteht sich jedenfalls Tertullian nicht; denn damit würde er der gnostischen Leugnung der Auferstehung des Fleischesleibes eine Handhabe bieten. Daher deutet er die paulinischen Aussagen Rm 6, 4-6 auf die zu k ü n ft i g e reale Auferstehung des Gläubigen 16 • Auch Origenes denkt an die zukünftige Auferstehung des Fleischesleibes - legt damit freilich nur im Sinne des gewöhnlichen Kirchenglaubens, nicht seiner Gnosis aus macht aber dem Textsinn ein Zugeständnis mit der Beifügung, es sei hier allerdings auch an eine gegenwärtige Auferstehung gedacht. Aber diese deutet er nun spiritualistisch um 17• Sehr bemerkenswert ist, daß Origenes im Römerbriefkommentar in der Auslegung zu Rm 6, 3 ff. plötzlich einmal behauptet, eigentlich wolle Paulus in diesem Abschnitt 11 0 r i g e n es (Comm. V, 8 in Rm, zu Rm 6, 3 ff.): docens (sc. Paulus), quia si quis prius mortuus est peccato, is neccessario in haptismo consepultus est Christo. V, 10: quod utique nullo modo de communi hac morte potest intelligi. 12 C y p r i an (de zelo et livore 14): qui ergo in haptismo secundum hominis antiqui peccata carnalia et mortui et sepulti sumus. 13 Met h o d i u s (de cihis 12, 6): « ••• so werden auch hier die gereinigt, welche in den Tod Christi getauft werden, der abwäscht die uns von der Übertretung· bereiteten Schäden>> (Rm 6, 3). 14 C y r i ll von Je r u s a I e m (Prokat. 5, MG XXXIII, 344): Mit Hinweis auf Rm 6, 11. 13 redet Cyrill den Täufling an: &.:n:Oihxve "tOi\; UllUQ"tfJf.l·aow, "Kat ~ijO'ov "tÜ ÖLY.ULOO'UVTI· 15 H i I a r i u s (de trin. I, 13) · cuius morte consepelimur in baptismo, ut in aeternitatis vitam rediremus·; dum regeneratio ad vitam mors esset ex vita et morientes vitiis immortalitati renasceremur. 16 Te r tu ll i an (de resurr. carn. 47): ac ne de ista tantum vita putes dictum, quae ex fide per baptismum in novitate vivenda est, providentissime adstruit: (Rm 6, 5). per simulacrum enim morimur in baptismate, sed per veritatem resurgimus in carne sicut et Christus. 17 0 r i g e n es (Comm. V, 9 in Rm, zu Rm 6, 5): hoc est, quod alibi iam factum dixit (sc. Paulus), hic nunc futurum et sperandum, illa est causa, quod duplex intelligitur resurrectio, una, qua mente et proposito ac fide cum Christo a terrenis resurgiinus, ut coelestia cogitemus, et futura requiramus; altera quae generalis omnium erit in carne resurrectio.
425
gar nicht die Bedeutung der Taufe, sondern des Todes Christi behandeln 18 • Endlich ist für die großkirchliche Umdeutung der paulinischen Aussagen dieses Abschnitts über die Taufe charakteristisch, daß sie mit unbedenklicher Selbstverständlichkeit immer wieder unter der Hand den Hauptbegriff ihrer eigenen neuen Erlösungslehre dem Paulus unterschiebt: den hellenistischen Begriff der Wiedergeburt 19. Mit Hilfe dieser verstümmelnden Exegese von Rm 6 hat die Großkirche die paulinische Taufanschauung in ihrem Grundgedanken enteschatologisiert und damit erledigt. Es läßt sich jedoch hier ein sehr interessantes Beispiel jener allgemeinen Regel feststellen, daß ein Gedanke, der in der Lehrentwicklung einer Religion bereits· überholt und ausgeschaltet ist, doch gleichzeitig in den symbolischen Riten ihres Kultus noch lange ein zähes Weiterleben zu behaupten vermag. Allerdings wirkt sich die Enteschatologisierung der paulinischen Tauflehre auch in der kultischen Gestaltung des Taufritus aus. Canon 50 der sogenannten «Apostolischen Canones» verbietet Bischöfen und Presbytern die Anwendung einer liturgischen Taufformel, nach welcher der Täufling ausdrücklich (in einmaligem Untertauchen) «in den Tod des Herrn» getauft wird. Christus habe nicht gesagt: «Taufet in meinen Tod», sondern im Taufbefehl Mt 28, 19 habe et befohlen: «Taufet auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes» 20 • Aber diesen, hier verbotenen, Taufritus gab es also in der ältesten nachapostolischen Kirche, womit ursprünglich auch die Wahl des christlichen Passah als solenner Tauftag im Zusammenhang steht, «an welchem», wie Tertullian (de bapt.19) sagt, «das Leiden, in das wir getauft werden, vollendet wurde». Und trotz des Verbotes erhielt sich im großkirchlichen Taufritus lange noch eine Symbolik, die in verschiedenartiger Weise gerade das Sterben des Täuflings mit Christus darstellen will. 18 0 r i g e n es (Comm. V, 8, in Rm): in praesenti loco non tarn baptismatis rationem quam mortis Christi disentere cupiebat. 19 0 r i g e n e s flicht (Comm. V, 8 in Rm) in seine Auslegung zu Rm 6, 3 ff. ganz ausdrücklich geradezu eine Exegese zu Joh 3, 3 ein und verweist auf seinen Johanneskommentar. Siehe auch Te r tu 11 i an (de resurr. carn. 47): Es könnte dem Fleische nec ipsum baptisma committi, Ei per r e g e n e r a t i o n e m non etiam restitutioni inauguraretur, hoc quoque apostolo ingerente: (Rm 6, 3-4). Aber auch andere gestatten sich diese Eintragung in den Paulustext. 2 C a n o n e s a p o s t o 1 o r u m 50 (Lauchert, S. 8): E'i 'tL~ snlo·;wno~ 1\ :rtQEo[3u'tfQO~ J.Lft 'tQLU ßumlOJ.LU'tU J.LLÜ~ J.LUlJOEW~ f:rtL'tEAEOU &./../..' ilv ßa:rt'tLOJ.LU Ei~ 'tOv ·Mvu-iov
°
,;oü xuglou ÖLÖÜJ.LEvov, xui}uLQEloitw· o'Ö y&.g ElnEv ö ßu1t'tLOU'tE, &.J.J.&.· (Mt 28, 19).
426
xugw~· El.~
,;ov i}avu,;6v f.LOU
Einzelnes bleibt hier überhaupt unverständlich, solange man den Zusammenhang mit dieser Symbolik unbeachtet läßt. So die auffällige Zähigkeit, mit der sich im großkirchlichen Taufritus die Sitte des Nacktlaufens zu behaupten vermag 2 \ trotzdem sich schon zu Beginn des zweiten Jahrhunderts Protest dagegen erhebt 22 • Noch im vierten Jahrhundert gibt Cyrill von Jerusalem den Katechumenen die Anweisung, daß sie sich, wenn sie zum Empfang der Taufe erscheinen werden, im Baptisterium zu entkleiden haben. Und als Begründung bringt er vor: Durch den Empfang der Taufe im nackten Zustande habe der Täufling Christus nachzuahmen, der nackten Körpers gekreuzigt worden sei 23 • So symbolisiert der Taufritus das Mitgekreuzigtwerden und Mitsterben des Täuflings mit Christus. Dabei ist zu beachten, daß Cyrill sich so ausdrückt: «auch in dieser Beziehung» (nämlich durch die Nackttaufe) habe der Täufling den gekreuzigten Christus nachzuahmen. Nach Cyrill sind also noch andere Einzelheiten des großkirchlichen Taufritus durch diese Symbolik des Mitsterheus mit Christus bestimmt. In der Tat deutet er selbst auch das dreimalige Untertauchen des Täuflings in der Kolymbethra als Symbolisierung des dreitägigen Begrabenseins Christi: Der Täufling wird gemäß Rm 6, 4 mit Christus begraben 24 • In sehr bezeichnender Weise stört und verwirrt freilich Cyrill den ursprünglichen Sinn dieser Symbolik durch das, was er des weitern darüber sagt: Es handelt sich nicht mehr um das Sterben und Auferstehen des Gläubigen mit Christus in der Taufe, sondern um Sterben und Wiedergeborenwerden. So sei das Wasser der Kolymbethra (des Taufbeckens), sagt Cyrill, den Gläubigen zum Grabe und zugleich zur Mutter geworden 25 ein für Paulus sinnloses Durcheinander von Symbolen. Dazu kommt erst noch, daß Cyrill sich gedrängt fühlt, zum Schluß ausdrücklich zu betonen, das alles sei wirklich nur symbolisch gemeint; von einem realen Sterben des Täuflings mit Christus könne 21 Die Nackttaufe ist vorgeschrieben Ca non. Hippoly t i XIX, 11 (ed. Achelis, S. 94), deshalb auch die Vorschrift der Trennung der Geschlechter bei der Taufe. 22 E l c h a s a i verlangt in seinen Vorschriften über die Taufe n. a. mehrmals ausdrücklich, daß man sich mit den Kleidern am Leibe taufen lasse, nach Hip p o l y t (Refut. IX, 13, 15): ouv ltUV'tL •0 q>oQi]fl
29
427
keine Rede sein 26 : Bei Paulus war es gerade umgekehrt: Das Sterben und Auferstehen des Täuflings mit Christus war ihm realer eschatologischer Vorgang; aber eine entsprechende symbolische Ausgestaltung des Taufritus zu einem mysteriös-feierlichen kultischen Ereignis interessierte ihn so wenig, daß er gelegentlich fast geringschätzig erklären kann, Christus habe ihn nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu verkündigen (I Cor 1, 17). Man sieht deutlich: Bei Cyrill stimmen in hezug auf die Bedeutung der Taufe dogmatische Theorie und überlieferte Symbolik des Taufritus nicht mehr überein. Aber die Symbolik behauptet sich immer noch als alte kultische Tradition. Als solche ist sie tasächlich auch schon von Origenes bezeugt 27 • Endlich ist überraschenderweise sogar die mit dem Taufakt bald einmal verbundene Myronsalhung im Sinne der Symbolik des Sterheus mit Christus gedeutet worden. Dieser wohl aus den gnostischen Kulten übernommene 28 Salbungsritus wird natürlich in der Großkirche auch anders gedeutet. Tertullian führt ihn auf die alttestamentliche priesterliche Salbung zurück 29 • Aber in den pseudojustinischen «Quaestionen» wird der kirchliche Usus, den Täufling vor der Taufe mit gewöhnlichem Öl und erst nach der Taufe mit dem wohlriechenden Myron zu salben, folgendermaßen kritisiert: Da doch der Gläubige in der Taufe symbolisch das Sterben und Auferstehen Christi wiederholt und in diesem Zusammenhang die Myronsalbung die Mc 14, 8 berichtete Salbung Jesu auf sein Begräbnis hin symbolisiert, so müßte folgerichtigerweise der Täufling schon vor der Taufe mit dem Myron, nicht mit gewöhnlichem Öl gesalbt werden 30 • Wer die Dinge sehr genau nehmen wollte, konnte 26 C y r i 11 (Kat. XX, 5, MG XXXIII, 1081): oux &.l.rp'hii~ &.~tcl't6.vof1EV, oux &.1.'1]l't
•n
428
allerdings solche Kritik üben. Aber was lag der Großkirche noch an derartiger ritueller Genauigkeit in einer Zeit, da ihre Dogmatik in der Lehre von der Taufe sich längst von dem gelöst hatte, was dieser altüberlieferten Symbolik zugrunde lag? Nur an einem einzigen Punkte hat die Großkirche nicht nur im kultischen Taufritus, sondern auch in ihrer dogmatischen Auffassung von der Taufe etwas ausgebildet, was sich offensichtlich, wenigstens dem Grundgedanken nach, schon den ältesten paulinisch-heidenchristlichen Gemeinden als unmittelbare Folgerung aus der ursprünglichen eschatologischen Logik der paulinischen Lehre von der Heilsbedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu und von der Taufe ergab. Es ist die Art und Weise, wie man den Exorzismus mit der Taufe verband. Daß der Gläubige, der kraft der Taufe im eschatologischen Sterben und Auferstehen mit Christus begriffen ist, sich dadurch «aus diesem gegenwärtigen, bösen Äon herausgerissen» ( Gal 1, 4) und deshalb von der Gewalt der in dieser alten Welt herrschenden widergöttlichen Engel- und Geistermächte befreit weiß (Rm 8, 38f.), ist unmittelbar in der paulinisch-eschatologischen Deutung des Todes und der Auferstehung Jesu begründet. Noch in der Gnosis gibt es eine Taufformel, in der der Täufling erklärt, daß er durch den Empfang des Taufsakraments «seine Seele aus diesem Äon befreie» 31 • Die weitere Ausgestaltung des Gedankens zeigt dann den Einfluß der veränderten gnostischen Eschatologie: Kraft des empfangenen Sakraments vermag die aus der Körpermaterie befreite Seele auf ihrer Himmelsreise durch die Sphären die feindlichen Geistergewalten dieser Welt zu überwinden 32 • Die Valentinianer lehren, daß der Gnostiker durch die Taufe von der Knechtung unter den Zwang der Heimarmene erlöst werde, allerdings, so wird in einem Theodotfragment beigefügt: «Nicht allein das Taufbad befreit, sondern auch die Gnosis» 33 • In diesen gnostischen Vorstellungen klingt trotz aller Wandlung im Einzelnen doch noch verhältnismäßig deutlich vernehmbar die ursprüngliche paulinische Überzeugung nach, daß der Gläubige durch das eschatologische Sterben und Auferstehen mit Chri31 Nach dem Bericht des Iren ä u s über die Tauflehre der Mark o sie r (adv. haer. I, 21, 2): ö öE TETEÄEOJ.ttivo<; Ü.1toxglvET
429
stus in der Taufe aus dem vergehenden alten Äon und damit aus der Gewalt der ihn beherrschenden Geistermächte befreit und als Glied der endzeitliehen Gemeinde des Messias bereits verborgenerweise in den anbrechenden neuen Äon hinüberversetzt werde. In der großkirchlichen Lehre ist das kosmisch-eschatologische Moment auch an diesem Punkte stärker verhlaßt, obschon es hier an Anklängen an gnostische Auffassungen nicht gänzlich fehlt 34 • Ohne Beziehung auf spezifisch eschatologische Anschauungen steht im Vordergrund nur noch die Überzeugung, daß die Taufe Schutz vor dämonischen Einflüssen gewähre. Und im Taufritus selbst hat der Täufling die Absage an den Teufel feierlich auszusprechen 35 • So konnte sich freilich mit der Zeit aller mögliche Dämonenglaube mitsamt der spätantiken Dämonenfurcht mit dem Taufakt verknüpfen. Die Canones des Hippolyt schreiben vor, daß die Frauen bei der Taufe sogar die Haarknoten auflösen müssen, damit nicht etwa ein im Haar versteckter Dämon mit ins Taufhecken steige und die Wirkung des Sakraments illusorisch mache 36 • Die gleiche Furcht vor den möglicherweise mit dem Täufling ins Taufwasser steigenden Dämonen spielt auch schon in der valentinianischen Gnosis eine Rolle, ist wohl also von dort her auch in die Großkirche eingedrungen 37 • So hat man auch die Schutzmaßnahmen allmählich ausgebaut: Auch der mit der Taufe verbundenen Ölung gibt man durch besondere Weihung exorzisierende Kraft 38 • Im 34 Auch in der großkirchlichen Eschatologie beginnt das Thema von der Himmelsreise der Seele eine Rolle zu spielen. So kann ausnahmsweise C y r i ll v o n J er u s a I e m im Hinblick auf die Kraft der Taufe sagen (Prokat. 16, MG XXXIII, 360): &J.J..O. öguxrov nagu 1:-ljv öMv 'tl']QEi 'tO'u~ 3tEQL3ta'toiiv'ta~. ß/..enE f.tiJ Mxu 'Ü &:mcr'ttq.. ß/..enEL 'tocrou1:ou~ crro~Of.tEvou~, xat ~l']'tEi: 1:tva xa1:antu. ngo~ na'tEQU 3tVEUflU"tO)V ELO"EQX.U, &:no. öt' EltELVOU 'tOÜ ÖQU?tOV'tO~ ÖLEQXU· 3t
a
4.30
Zusammenhang mit solchen Anschauungen kommt es auch dazu, daß die (ev. wiederholte) Taufe zum Heilmittel dämonisch bedingter Krankheiten wird. Für Wahnsinnige, von tollwütigen Hunden Gebissene, sogar für Schwindsüchtige empfiehlt Elchasai mehrmalige Taufen 39, und Gleichartiges spielt auch in der großkirchlichen Praxis eine Rolle 40. Das alles sind nun freilich nur noch kümmerliche und entartete Ausformungen der ursprünglichen eschatologischen Auffassung von der Taufe. Diese selbst ist und bleibt für das nachapostolische Christentum innerhalb und außerhalb der Großkirche. durch den Prozeß der Enteschatologisierung zerstört. Problemgeschichtlich ist die Tragweite dieses Bruches mit der überkommenen paulinischen Lehre erst dann ganz erfaßt, ·wenn man sich vergegenwärtigt, daß er da, wo man über die Möglichkeit und Berechtigung einer Neubildung der Tauflehre nicht ins Klare kam, bis zur Preisgabe des Taufsakraments überhaupt führen konnte, ja mußte. Es ist dogmengeschichtlich bedeutsam, daß dieser Fall nachweislich mehrfach eingetreten ist. So hat nach lrenäus eine Gruppe der valentinianischen Markosier die Taufe verworfen 41 • Und noch im vierten Jahrhundert tritt, nach dem Bericht des Epiphanius, eine neue Sekte auf, die Archontiker, die die Taufe ablehnen als etwas dem wahren Christentum Fremdes 42 • Aber der problemgeschichtlich lehrreichste und bedeutendste dieser Art hat sich in der Großkirche selbst ereignet. Es handelt um den zur Zeit Tertullians in der Kirche Karthagos auf Grund erfolgreichen Propaganda einer Frau ausgebrochenen Lehrstreit,
Fall sich der mit
Nach Hip p o I y t, Refut. IX, 15.. 16. In den A c t a T h o m a e 49 (Lipsius-Bonnet li, 2, S. 165) verlaugt eine von Besessenheit geheilte Frau den Empfang der Taufe zum Schutz vor der Rückkehr des Dämons. C y p r i an versichert (Epist. 69, 15): quod si aliquis in illo movetur, quod quidam de his qui aegri haptizantur, spiritihus adhuc immundis temptahantur, sciat diaholi nequitiam pertinacem usque ad aquam salutarem valere, in haptismo vero omne nequitiae suae virus amittere. E p i p h an i u s erzählt (h. XXX, 10, 1 ff.) die Geschichte der Heilung eines Geisteskranken durch Besprengung mit Taufwasser. Im arabischen Kindheitsevangelium erscheint in verschiedenen Varianten das Motiv der Heilung von Kranken (z. B. eines leprakranken Mädchens) mit "\'\lasser, mit dem vor· her die Mutter Maria den Jesusknahen gewaschen hat (Eva n g. in f an t. a r a h. 18. 27. 28. 31. 32. 33, C. Tischendorf, S. 189 ff.). 41 Iren ä u s (adv. haer. I, 21, 4): ÜAÄOL öt 'taih;a 3tUV'ta (sc. die Tauf. und Ölungsriten) 3tUQUL'tT\11UJ.LE'VOL (jlUI1XOU
40
J.LUO'tf]QLOV ÖL' öga,;&v xal !pitag,;&v em nÄEiaitaL xTLOJ.LU'trov . • • dvaL M 'tEÄELav anoÄil'tQffii1LV, mhi]v •iJv Entyvroaw 'tOÜ aggfj'tOU J.LEYE~OU~. 42 E p i p h an i u s h. XL, 2, 6 f.): aitEJ.LU'tt~ouatv 'tf 'tO ÄOU'tQOV, xäv 'tf Elev 'tLVf~ EV UU'tOi~ 3tQOELÄT\J.LJ.LEVOL xal ßtßU1t'tLI1J.LEVOL 'tf]V 'tf 'tOO'V f.LUO'tT\QLCOV f.LE'to:x:i]v xat ayaito'tT\'tfl aitE'tOÜOLV ro~ aÄÄ.O'tQLUV oiiaav xal Et~ ÖVOf.LU l:aßaroit YEYE'V'VT\f.LEVT\'V.
431
dem sich Tertullian in seinem Tractat «Über die Taufe» beschäftigen muß 43 • Die Hauptargumente dieser radikal antitäuferisch gerichteten Bewegung überraschen durch ihre strenge Orientierung an der Schrift, speziell am Neuen Testament, und durch den bekundeten kritischexegetischen Scharfblick für problemgeschichtlich bedeutsame Einzelheiten der neutestamentlichen Texte. Nach den Ausführungen Tertullians in der erwähnten Schrift (de bapt. 11-14) handelt es sich um folgende vier entscheidende Einwände: 1. Christus soll die christliche Taufe gestiftet haben, hat aber nach dem Bericht der Evangelien selber niemanden getauft. 2. Die Apostel wollen einen Auftrag zum Taufen von Christus empfangen haben, sind aber nicht einmal selber getauft. 3. Der einzige Apostel, der getauft ist, ist Paulus; aber dieser erklärt ausdrücklich, keinen apostolischen Auftrag zum Taufen von Christus empfangen zu haben. 4. Die Taufe kann, wenn wirklich der Ghiube wesentliche Heilsbedingung ist, für den wahrhaft Gläubigen nicht heilsnotwendig sein. Abraham fand allein durch seinen Glauben, ohne ein Taufsakrament empfangen zu haben, das Wohlgefallen Gottes. Man begreift, daß diese Argumente auf großkirchliche Gläubige einen starken Eindruck auszuüben . vermochten, da sie sich ja durch die neutestamentlichen Texte belegen ließen, und daß Tertullian sich vor die Notwendigkeit gestellt sah, den verheerenden Wirkungen dieses «gefährlichsten Schlangengiftes der ketzerischen Gajanischen Viper» mit seiner ganzen theologischen Waffenrüstung entgegenzutreten. Tertullian muß einmal mit aller Gründlichkeit sich mit den erhobenen Einwänden auseinandersetzen; denn sie enthalten so ziemlich das Schlimmste, was man gegen die von der Kirche verkündete, unbedingte Heilsnotwendigkeit des Taufsakraments vorzubringen vermochte. Und er muß den Versuch der Widerlegung, weil er begreiflicherweise nicht ausreichend gelingt 44, durch ganz elementare Erwägungen über die sakramentale Bedeutung und Wirkungskraft des Taufwassers ergänzen. 43 Te r tu ll i an (de bapt. 1): atque adeo nuper conversata quaedam de Gaiana haeresi vipera venenatissima doctrina sua plerosque rapuit inprimis baptismum de&truens. 44 In die größte Verlegenheit gerät T e r t u ll i a n begreiflicherweise mit dem Bemühen um den Nachweis, daß die Apostel wirklich selber getauft worden seien. Die betreffenden Ausführungen stehen in dem Kapitel de bapt. 12. Mit bemerkenswerter Sachlichkeit lehnt er die verzweifelten Versuche anderer als unzulänglich ab, Seesturmgeschichten wie Mc 4, 35 ff., und Mc 6, 45 ff., als Darstellungen der Taufe der Apostel deuten zu wollen. Einzig die Fußwaschungsperikope Joh 13 mit dem bedeutsamen Gespräch zwischen Jesus und Petrus über die Notwendigkeit der Waschung glaubt er als einen Hinweis in diesem Sinne verstehen zu können. Aber eindeutig gesichert erscheint ihm die Sache auch hier nicht. Und so muß er schließ-
432
Indessen gibt es doch auch in der Beweisführung dieser nordafrikanischen Taufgegner einen schwachen Punkt von grundsätzlicher Bedeutung. Wohl ist sie ein deutlicher Hinweis darauf, daß es in den Uranfängen des Christentums, bei Jesus selbst, eine Auffassung von der unbedingten Heilsnotwendigkeit der Taufe in dem Sinne, wie die Großkirche nunmehr behauptet, nicht gab. Allein sie vermag in keiner Weise zu erklären, wie denn die christliche Taufe, wie sie im Neuen Testament selbst eben doch deutlich bezeugt ist, im apostolischen Urchristentum überhaupt ohne jeden dogmatischen Streit aufkommen und sich durchsetzen konnte. Alles in allem ist dieser afrikanische Taufstreit eine eindrückliche Illustration der tiefgreifenden Unwissenheit über Wesen und Verlauf der Geschichte Jesu und der apostolischen Urgemeinde in der Generation der aus der Heidenmission hervorgegangenen großkirchlichen Gläubigen der Zeit Tertullians. Die an verschiedenen Punkten auftretende Ablehnung der Taufe ist ein deutliches Symptom der durch den Enteschatologisierungsprozeß provozierten Notwendigkeit, diesem Sakrament einen neuen Sinn zu geben, sofern es dem nachapostolischen Christentum erhalten bleiben soll. Der Wille zum Festhalten an der Taufe steht aber nirgends in Frage, wo man sich - und dies ja in den meisten Häresien nicht weniger der Fall als in der Großkirche selbst - grund&ätzlich zur Treue gegenüber der «apostolischen Tradition» verpflichtet weiß. Zudem ist der Weg zu einer neuen Tauflehre tatsächlich schon gebahnt - durch die im beginnenden zweiten Jahrhundert schon geschaffene johanneische Theologie und durch die Aufnahme des Johannesevangeliums in den neutestamentlichen Kanon der Großkirche. Hier ist die ganze Diskussion um die Frage des Sterheus und Aufersteheus mit Christus in der Taufe in souveräner Weise vorweg entschieden in dem Sinne, lieh die Frag~ offen lassen und sich mit der Versicherung begnügen: nunc sive tincti quoquomodo fuerunt (sc. apostoli) sive illoti perseveraverunt, ut et illud dieturn domini de uno lavacro sub Petri persona (Joh 13, 10) .ad nos tantummodo spectet, de sainte tarnen apostolorum satis temerarium est aestimare; denn die Erwählung und Aufnahme in den Apostelkreis und damit in die unmittelbare persönliche Gemeinschaft mit Christus konnte ihnen in diesem Falle als compendium baptismatis dienen; jedenfalls «folgten sie dem nach, der jedem Gläubigen das Heil versprach». Aber mit dieser letzten Erwägung gibt ja Tertullian notgedrungen dem vierten Argument der Taufgegner recht. Die Widerlegung des Einwandes betreffend die Taufe der Apostel ist also regelrecht mißlungen. Zum Problem der Taufe der Apostel hat sich auch CI e m e n s AI e x. geäußert, wie wir aus einem Hypotyposenfragment (ed. Stählin 111, 196) wissen, wo Clemens zu I Cor 1, 14 bemerkt: Ö :X:QLOTO<; Af:'(ETat lle-rgov fLOVOV j3Eßwnt%evat, llhQo<; M 'AvliQßav, 'Avlieta<; 'la%wßov 'lGat 'Iwavv1]V, t'lGEi:vot lit -rou<; AOtltOU<;.
433
daß es sich in der Tat nicht um Sterben und Auferstehen, sondern entsprechend der neuen Erlösungslehre - nur um ein «Wiedergeboren (oder von obenher gezeugt) werden durch Wasser und Geist» handeln könne. Dieste prägnante johanneische Formel (Joh 3, 5) bietet der werdenden nachapostolischen Kirche das neue Taufdogma dar. Darüber hinaus enthält . jedoch das J ohannesevangelium noch mehrere andere wirksame Hinweise auf Wesen und Wichtigkeit des Taufsakraments im Sinne der neuen Auffassung. Da der Verfasser dieses nachapostolisch-kirchlichen Evangeliums seine neue Lehre, um sie durch den fleischgewordenen Logos des nachapostolischen Christusdogmas selbst zu legitimieren, in einer mit der synoptischen Geschichtserzählung konkurrierenden Darstellung von Lehen und Wirksamkeit Jesu vorträgt, kleidet er auch die Hinweise auf die kirchliche Taufe in symbolische Handlungen und Reden J esu. Als solche Handlungen kommen in Betracht Wundertaten des johanneischen Christus wie die Heilung des Kranken am Teich zu Bethzatha (Joh 5, 1-9), das Wandeln Jesu auf dem windbewegten See (Joh 6, 16-21), die Heilung des Blindgehornen (Joh 9, 1-ll) und der Bericht über die Fußwaschung (Joh 13, 4-17). «
434
wie der Eucharistie durch den fleischgew'ordenen Logos-Christus nachgeht. Davon wird in anderem Zusammenhang noch die Rede sein müssen; denn auch diese Anschauungen haben in der Kirche des nachapostolischen Zeitalters fast allgemeine Geltung erlangt. Eben in dieser dogmengeschichtlich bedeutsamen Tatsache liegt die stärkste Gewähr dafür, daß die von der konsequenten Eschatologie geltend gemachte realistisch-sakramentale Exegese des Johannesevangeliums keine bizarre Erfindung ist. Auch die nachapostolisch-altkirchliche Exegese hat die genannten johanneischen Stücke als Hinweise auf das Taufsakrament verstanden, und dies ohne daß hierüber irgendwelche Auseinandersetzungen hätten geführt werden müssen. Es handelte sich um etwas für das gemeinkirchliche Bewußtsein Selbstverständliches. Für die Deutung der Formel Joh 3, 5 von der Wiedergeburt aus Wasser und Geist auf die Taufe einzelne Belege nennen zu wollen, hat keinen Sinn; denn sie liegen in Menge vor. Allein es geht eben nicht nur um diese Formel. Sowohl das Gespräch Jesu mit der Samariterin am Jakobsbrunnen (Joh 4, 7_:_14), wie auch die Heilung des Blindgebornen (Joh 9, 1-ll) werden von lrenäus als Hinweise auf die Taufe gedeutet 46 , die Worte J esu an die Samariterin auch in der gnostischen Pistis Sophia 47 • In seiner Homilie über den Paralytischen von Joh 5, 2 ff. sieht Cyrill von Jerusalem in diesem Krüppel offenkundig den durch den Sündenfall krank (sterblich) gewordenen Menschen, der auf die künftige Heilung durch das Lebenswasser der Taufe wartet und durch Jesus die Bestätigung dieser Hoffnung emser>> Joh 3, 5 für eine nachträgliche Interpolation zu erklären (S. 13). Dabei stößt Löwenich selbst schon in dem von ihm behandelten Zeitraum des 2. Jahrhunderts auf eine altkirchliche Johannesexegese, die mit der Schweitzerschen völlig übereinstimmt. Aber diese Übereinstimmung beschränkt sich nicht auf das 2. Jahrhundert. Bedeutet sie nichts für die Richtigkeit der Schweitzerschen Auslegung? Löwenich konstatiert ja im übrigen selber, «daß die alte Kirche in manchem dem Geist des Johannesevangeliums näher stand als die römisch-katholische oder die reformatorisch bestimmte Kirche des Mittelalters und der Neuzeit>> (S. 3). In der Tat! 46 Iren ä u s (adv. haer. 111, 17, 2). In bezug auf Taufwasser und Geist führt er aus: unde et utraque necessaria, quum utraque proficiunt in vitam dei, miseraute domino nostro illi praevaricatrici (J oh 4, 7) ... , et ostendeute ei et pollicente aquam vivam, ut ulterius non sitiret nec occuparetur ad humectationem aquae laboriosae, habens in se potum saHentern in vitam aeternam. Zu Joh 9, 6 ff. (adv. haer. V, 15, 3): et quoniam in illa plasmatione, quae secundum Adam fuit, in transgressione factus homo indigebat lavacro regenerationis, postquam 'inivit (sc. Jesus) lutum super oculos eins, dixit ei: vade in Siloam, et lavate (Joh 9,. 7), simul et plasmationem (sc. die erste Schöpfung des Menschtm, versinnbildlicht durch die Handlung Jesu Joh 9, 6) et eam, quae est per lavacrum, regenerationem restituens ei. 47 Pis t i s S o p h i a 141 (C. Schmidt, Koptisch-gnostische Schriften, 1905, I, S. 242 f.).
435
pfängt 48 • Clemens Alexandrinus operiert in einer Erörterung der sündentilgenden Wirkung der Taufe mit einer Anspielung auf Joh 13, 10 in einer Weise, die als Bedingung für das Verständnis die sakramentale Deutung der Fußwaschungserzählung voraussetzt 49 • Epiphanius benützt die auf die Taufe gedeutete Fußwaschung als Argument gegen die von Häretikern erlaubten Wiederholungen der Taufe 50 • In den pseudoori· genistischen Traktaten und bei Aphraates gilt die Fußwaschung als eigentliche Taufe der Apostel 51 • Besonders beachtet zu werden verdient hier Tertullian. Problem· geschichtlich gesehen ist die Tatsache sehr bedeutsam, daß er in seinem Abwehrkampf gegen die kritische Verwerfung der Taufe gerade auch von diesen johanneischen Hinweisen auf das angefochtene Sakrament, nicht bloß von der fundamentalen Beweisstelle Joh 3, 5, ausgiebigen Gebrauch macht. Er schöpft sogar aus der Geschichte vom Paralytischen Joh 5 ein Charakteristikum seiner dogmatischen Lehre von der Taufe: Die Theorie vom «Taufengeh, der das Taufwasser mit der sakra· mentalen Heilkraft aus~tattet 52 • Im Übrigen ist ihm mit voller Deutlichkeit bewußt, und er spricht es auch aus, daß es sich bei den johan· neischen Hinweisen auf die Sakramente vielfach um symbolische Dar·
48 C y r i ll von Je r u s a l e m (Horn. in Paralyt. 7, MG XXXIII, 1140): Der Paralyticus von Joh 5 wird mit Anspielung auf Ps, 35, 10; Joh 4, 14; 7, ~7 ff. angeredet: li:x;EL~ ,;i)v 1t1']yi]v, Ö"tL 1tiXQU O'OL 1t1'JYTJ ~roij~, 1t1'JYTJV 1t1'JY1']1tOLov. Ö~ ö' iiv :~ttn ex
,;oü üöam~ ,;mhou, 1tO"t!XftOL. {?Euoouow ex {?Eov,;o~ &XA.' üöa,;o~ ai..l..o~-tßvou ..• El~ ~roi)v
,;ij~ xoti..ta~ mhoü, oux üöa,;o~ xu,;ro atrovLOv. 1t1'JYTJ yug &yafriöv 'ITJO'oü;. 49 C l e m e n s A l e x. (Paed. I, 30, 1): 1tuv,;a ftEV o{iv U1tOAouÖftE'ita ,;u Uft!XQ"ti]· ftet"ta, ouxs,;L öE EO'ftEV 1t!XQU 1tÖÖa~ xO.xoL ~-tta :x;ugL~ aÜ"t1'] ,;oü (jlffi"tLO'ft!X"tO~ ,;c) 1-tll ,;ov au,;ov Eivat ,;i[i :~tgtv 1\ /..ouoao'itat ,;ov ,;go:~tov. 50 E p i p h an i u s (h. XXX, 21, 4): Gegen diejenigen, welche. ,;i[i üöan 1\mjn/..iö~ :x;giöv,;m, tva Mj'itEv 6au,;ou~ u:Tta"t1']"tiöO'L, liLa ßa:~t"tLO'ftiöv li:x;ELv ,;i)v xa'itugow vo~-tt~ovn~, wird eingewendet: ,;oü 1\E xugtou 1tUALV /..syov,;o~ ön ö i..ouO'uftEVO\; Ö.1ta!; ou :x;gEtav li:x;EL ,;i)v XE(jla/..i)v vtljlao'itat, ~t 1-l.TJ ,;ou~ :~tOIIa~ ~-t6vov. lionv yug xa'itago~ ö/..o~
(Joh 13, 10). 51 t r a c t. 0 r i g en i s II (ed. Batiffol, S. 17) zu der Fußwas<;hung Gen 18, 4: denique et ipse dominus hanc vicem semini .. einsdem Abrahae credidit, ut filiis fidei eins, id est apostolis, pedes ipse lavaret, ut formosas pedes evangelizantium pacem lavacri sui purificatione efficeret. A p h r a a t es führt in einer «Homilie» (ed. Bert XII, 6, S. 192) aus, die Apostel seien bis zur letzten Nacht nur mit der Taufe des Priestergesetzes, der Taufe des Johannes getauft gewesen. Erst vor dem Abendmahl habe ihnen der Erlöser in der Fußwaschung die wahre Taufe gespendet. 52 Te r tu ll i an (de bapt. 4): medicatis quodammodo aquis per angeH interventum et spiritus in aquis corporaliter diluitur et caro in eisdem spiritaliter mun· datur. de bapt. 6: in aqua emundati sub angelo spiritui sancto praeparamur .•. ange· lus arbiter superventuro spiritui sancto vias dirigit.
436
stellungen handelt, die als solche gedeutet werden müssen 53 • Offensichtlich ist ihm auch klar, daß aus diesem Umstand für die Verteidigung der neuen Tauflehre auf Grund der johanneischen Darstellung gegenüber den Taufgegnern eine Schwierigkeit entsteht, wenn diese sich hartnäckig darauf versteifen, die Symbolik zu ignorieren und sich auf ein wörtliches Verständnis des Textes zu beschränken. Persönlich ist er mit andern kirchlichen Auslegern des Johannesevangeliums davon überzeugt, daß der Verfasser dieser Schrift mit der Fußwaschungsgeschichte (Joh 13) irgendwie die Taufe der Apostel durch Jesus darstellen will. Aber wie soll man dies denen beweisen, die auf die ganze sakramentale Symbolik des Johannesevangeliums nun einmal überhaupt nicht eingehen wollen, und für die die These, daß die Apostel nicht getauft seien, zu den · Hauptargumenten gegen die Berechtigung des Taufsakraments gehört 54 ? Umgekehrt konnte sich von der johanneischen Taufsymbolik aus, wenn man sie einmal verstand und akzeptierte, leicht die kühne Verallgemeinerung ergehen, die Cyprian (im Sinne vieler) vorzutragen sich getraut: So oft überhaupt in den heiligen Schriften von bloßem Wasser die Rede sei, werde die Taufe verkündigt 55 • Ein besonderer Beleg für die starke Wirkung der johanneischen Taufsymbolik im nachapostolischen Zeitalters liegt schließlich vor in der Tatsache, daß in der sakramentalen Sprache, und zwar sowohl in der Gnosis wie in der Großkirche, unter dem Einfluß des Johannesevangeliums 56 die Bezeichnung der Taufe als «Trank» und «Trinken des Lebenswassers» usw .. gebräuchlich wird. In der Gnosis ist er hezeugt bei den Sethianern 57, dem Gnostiker Justin 58 und im zweiten 53 T e r t u 11 i a n (de bapt. 4): figura ista medicinae corporalis spiritalem medicinam canebat, ea forma, qua semper carnalia in figuram spiritualium antecedunt. 5 4 Siehe S. 432, Anmerkung 44. 55 C y p r i an (Epist. 63, 8 f.): quotiescumque autem aqua sola in scripturis sanctis nominatur, baptisma praedicatur. 56 Allerdings kann für diesen Sprachgebrauch nicht ausschließlich das Johannesevangelium verantwortlich gemacht werden. Er ist auch schon den 0 d e n S a 1 o m o s vertraut, die zwar eine dem J ohannesevangelium nahestehende Theologie bekunden, aber offensichtlich ohne de~halb von diesem abhängig zu sein. Od. Sal. XI, 7: <
58
!J.TJTQ~
Nach Hip p o 1 y t (Refut. V, 27, 2): Der Gnostiker geht ein zu dem Guten
xut Jtlvtt &Jtö -roii JlEVou.
twv-ro~ Uöu-ro~,
ÖJtEQ Ea·d J..ou-rQov . . • Jt'fJY1!
twv-ro~
üöu-ro!;; 0:/..Äo-
437
Buche des Jeu, wo auffälligerweise dank dieses Sprachgehrauches sogar das johanneische Kanawunder (Joh 2) statt, wie sonst üblich, auf die Eucharistie vielmehr auf die Taufe bezogen werden kann 59. Als großkirchliche Belege kommen zunächst alle diejenigen Quellenaussagen in Betracht, in denen die johanneiscben Worte vom «Trinken des Lebenswassers» deutlich und ausdrücklich zur Taufe in Beziehung gesetzt werden. Indessen gibt es interessantere Zeugnisse. Hippolyt nennt von sich aus die Taufe den «Trank der Unsterblichkeit» 60 • Cyprian gibt mit Bezug auf das sakramental gedeutete Gespräch Jesu mit der Samariterin über das Lebenswasser (Joh 4) den kirchlichen Bibellesern die Anweisung, es möge sich niemand dadurch verwirren lassen, daß die Schrift mit Bezug auf die Taufe vom «Dürsten» und vom «Trinken» rede; in der Tat sei mit diesem «Trinken» der Empfang der Taufgnade gemeint 61 • So kann denn Cyprian auch das zum Trinken bestimmte Wasser, das den in der Wüste Dürstenden aus dem wunderbaren Felsen quillt, in der Verwertung von Jes 48, 21 ohne weiteres auf die Taufe beziehen 62. Im Anschluß an alle diese Feststellungen muß hier noch ein besonderes Wort gesagt werden über die alexandrinische Johannesexegese, speziell diejenige des Origenes. Die in der Großkirche übliche sakramentale Auslegung des Johannesevangeliums· hat Origenes natürlich gekannt, aber im Sinne seiner Gnosis abgelehnt bzw. spiritualisiert 63 • 59 Deshalb wird denn auch das Wandlungswunder umgekehrt: Nicht Wasser wird in Wein, sondern der in Krügen stehende Wein in Wasser, und zwar ausdrücklich in <
438
Von dieser Tatsache her dürfte ein Problem des überlieferten Bestandes seines Johanneskommentars seine Lösung finden. Warum weist dieser Kommentar gerade auch dort Lücken auf, wo die Erklärung zur Perikope vom Kanawunder und zu Kapitel 3 und 6 stehen sollte? Hat man diese Blätter in der alten Kirche nicht deshalb verloren gehen lassen oder geradezu unterdrückt, weil Origenes hier in einer für großkirchliche Leser völlig unbefriedigenden Weise alles spiritualisierte? Diese Vermutung drängt sich auf 64 • Zu beachten ist auch die auffällige Vernachlässigung der Lehre von den Sakramenten in «De principiis». Nicht der philosophische Spiritualismus des Origenes, sondern die gemeinkirchliche, sakramentale Exegese hat das Johannesevangelium wirklich richtig interpretiert. Zum kongenialen Verständnis dieses Evangeliums war die nachapostolische großkirchliche Theologie befähigt; denn es ist selber schon - anders als die am Baume der spätjüdischen Apokalyptik gewachsene synoptische Lehre J esu und die Theologie des Paulus aus ihrem eigenen, hellenistisch-mysterienreligiösen Geiste heraus geschaffen worden. Wohl aber hat die Nachwirkung der spiritualistischen alexandrinischen Johannesexegese im Gefolge anderer Ursachen wesentlich dazu beigetragen, in spätern Jahrhunderten, bis in die Neuzeit herab, das altkirchliche sakramentale Verständnis des Johannesevangeliums zu verdrängen, ja in Vergessenheit geraten zu lassen. In diesem Sinne ist das Urteil richtig: «Das Wort des Clemens Alexandrinus vom ,pneumatischen Evangelium' ist in der Kirche nie ganz vergessen worden» 65 • Wie nun nach der neuen kirchlichen Lehre Wesen und Wirkung der Taufe als des «Bades der Wiedergeburt» 66 zu verstehen sind, beJaquae salientis in vitam aeternam, iste de hac aqua doctrinae spiritualis potest lavare pedes discipulorum, et omnes ex anima ipsorum immunditias sordesque diluere; et hoc faciens datum a magistro implebit exemplum. Hier kombiniert und redet Origenes auf großkirchliche Art. Aber. am entscheidenden Punkte biegt er mit der Ersetzung des baptisma durch die doctrina alles in seinen Spiritualismus um. 64 In der Auslegung des Gesprächs mit der Samariterin (J oh 4) wird auf das Sakrament nirgends Bezug genommen. Dafür liest man XIII, § 213 (zu Joh 4, 32) die grundsätzlich bedeutsame Bemerkung: EUV ö{; 'tt~ A.oyt%0:1'tEQO~ %1lL ÖtU 'tOÜ'tO %1lL VO'l'J'tO~ ävi}gro.rto~, ,;ov VO'l'J'tOV ÜQ'tOV f.oi}tEt .•. %1lL ,;(ii VO'l'J't0 o'(vcp EucpgatvE'tllt oux äHro~ 1\ ävi}gro.rto~. Ein Fragment über Joh 3, 5 (Job-Kommentar; ed. Preuschen, S. 510 ff.) bleibt zwiespältig: Hier wird der vulgären Anschauung ein Zugeständnis gemacht. Aber vorher wird das Wasser als eine bloß vorstellungsmäßige VerbildHebung des Geistes ·erklärt und nachher betont, selbst im Taufbefehl Jesu (Mt 28, 19 f.) sei das Hauptgewicht auf den Lehrbefehl gelegt. 65 W. v o n L ö w e n i c h , Das J ohannes-V erstäudnis im 2. Jahrhundert, S. 1. 66 So heißt die Taufe bereits auch Tit 3, 5. Von Justin (Apol. I, 61) an wird dann die Bezeichnung der Taufe als des Sakraments der Wiedergeburt bald allgemein üblich.
n
439
darf insofern keiner ausführlichen Darlegung, als die Taufe dem Gläubigen alles das zu vermitteln hat, worin nach der neuen kirchlichen Erlösungslehre die gegenwärtige Erlösung besteht. Indessen sind einige Punkte besonders hervorzuheben. Daß schlechtweg Wasser das alles soll zu bewirken vermögen, wovon die neue Erlösungslehre spricht, gesteht noch Cyprian vor seiner Bekehrung als besonders fragwürdiges Dogma empfunden zu haben 67 • Tertullian hat nach seinen einleitenden Ausführungen im Traktat «Über die Taufe» häufig solche skeptische Bedenken zu hören bekommen 68 • Seine Apologetik zeigt, wie man dieser Skepsis mit einer kosmologischen Spekulation über die besondere Natur des Wassers zu begegnen versuchte: Das Wasser ist eines der Urelemente, aus denen die Welt geschaffen ist und die vor der Weltschöpfung bereits in formloser Gestalt in Gottes Verwahrung ruhten 69 • Später behauptet Cyrill von Jerusalem geradezu: «Am Anfang der Welt steht das Wasser, wie am Anfang der Evangelien der Jordan» 70 • Älter ist der Hinweis auf die erlösende Kraft des Wassers, den man künstlich aus der «durch das Wasser» erfolgten Rettung der Insassen der Arche Noahs gewann und allegorisch als «Typus» der Taufe deutete 71 • Entscheidend ist aber das Argument, daß, entsprechend der neuen Grundformel der Tauflehre Joh 3, 5, die eigentlich wirksame, erlösende Wunderkraft nicht im Was67 C y p r i an (ad Donat. 3): difficile prorsns ac durum pro illis tune moribus opinabar, quod in salutem mihi divina indulgentia pollicebatur, ut quis renasci denuo posset utque in novam vitam lavacro aquae salutaris animatus, quod prius fuerat, exponeret et corporis licet manente conpage hominem animo ac mente mutaret. 68 Te r tu ll i an (de bapt. 2): nihil adeo est quod tarn obduret mentes hominum quam simplicitas divinorum operum, quae in actu videtur, et magnificentia quae in effectu repromittitur: bloßes Wasser sine pompa, sine apparatu novo aliquo soll doch bewirken, daß der Täufling mundus resurgit; als incredibilis wird beurteilt die consecutio aeternitatis. Der Unglaube miratur simplicia quasi vana, magnifica quasi impossibilia. 69 Te r tu ll i an (de bapt. 3): Das Wasser ist unum ex his (sc. elementis) quae ante omnem mundi suggestum impolita adhuc specie penes deum quiescebant. Das Wasser hat bei der Weltschöpfung eine besondere Rolle gespielt, so daß non esse dubitandum, si materiam, quam in omnibus rebus et operihus suis deus disposuit, etiam in sacramentis propriis ponere fecit, si quae vitam terrenam gubernat. et in caelesti procurat. Solche Gedanken klingen auch schon bei T h e o p h i I u s (ad Auto. II, 16) an. 7 C y r i ll von Je r u s a I e m (Kat. 111, 5, MG XXXIII, 432): et öE 'tL~ 3t01tEi yvrovrJ.L, liLa ,;l ÖL' ill\a.-.:o~ xat !1-TJ ÖL' e,;lleou ,;rov 11'tOL:X:Elrov f] :x:aeL; ölöo'taL, ,;a~ 1tEla~ YQO.qJU' ava/.aßrov EUQTt11EL. !1-EYIX yue 'tL 'tO üöroe, xat 'tOOV 'tEI10'0Q(J)V 'tOU %011!1-0U 11'tOL:X:Elrov 'tOOV qJIXLVO!-LEVOlV 'tO %UI.ÄLI1'tOV •.• UQ:X:TJ 'tOU %011!1-0U 'tO ÜÖOJQ, %1XL UQ:X:TJ 'tOOV EÜayyEI.lrov 'loeM.v'l']~71 So schon I Pt 3, 20 f. Dann Justin, Dial. 138, 2; 0 r i g e n es, Comm. 111, 1 in Rm.
°
o
440
ser als solchem liegt, sondern in dem mit ihm sich verbindenden, von Christus ausgehenden göttlichen «Geist». Der Geist wirkt ja die Wiedergeburt, aber durch die Taufe. Die durch die Weltschöpfung ausgewiesene besondere Qualität des Wassers bekundet sich nur darin, daß es dasjenige irdische Element dar~tellt, das fähig ist, Träger dieses Geistes zu sein, eiue Fähigkeit, die man schon durch Gen 1, 2 bezeugt sieht 72 • So heißt deun auch die Taufe bei Hippolyt gelegentlich das «pneumatische Bad» 73. Die alte Taufliturgie trägt dieser Anschauung Rechnung durch eine Epiklese. Auf die Anrufung des Geistes hin verbindet sich dieser mit dem Taufwasser 74 • Unter die Wirkungen der Wiedergeburtstaufe wird aus der urchristlichen Lehre die Reinigung von den Sünden übernommen. Daß dies ohne Schwierigkeiten geschehen kann 75 Abwaschung der Sünden wird in der nachapostolischen Zeit sehr häufig als Wirkung der Taufe bezeugt - liegt an der Art und Weise, wie der Gedanke in der überlieferten ältesten Auffassung von der Heilsbedeutung des Todes Jesu begründet ist. Wohl aber muß schwere Verlegenheit daraus entstehen, daß man auch den bedeutsamen Vorbehalt anerkennt, durch den in der urchristlich-paulinischen Auffassung die in der Taufe zu72 Kurz und präzis ist der Grundsatz formuliert in einer Äußerung des Bischofs N e m e s i a n u s von Thuhunas auf dem Konzil zu Karthago a. 256 (bei C y p r i a n , opp. ed. Bartel I, 438) zu Joh 3, 5: hic spiritus qui ab initio ferehatur super aquam. neque enim spiritus sine aqua separatim operari potest nec aqua sine spiritu. So argumentieren natürlich auch T er tu ll i an und C y r i ll von Je r us a le m (a. a. 0.). Im übrigen wird häufig ausgesprochen, daß durch das Taufwasser der heilige Geist dem Gläubigen vermittelt werde, so schon B a r n. 11, 11 und Justin, Dial. 29, 1; 43, 2. • 73 Hip p o I y t, Danielkomm. I, 16, 5. 74 Deutlich 0 r i g e n es (zu Joh 3, 5, Fragment, Job-Kommentar, ed. Preuschen, s. 511): ö x.at ßuJt-rLO'fA.« frEi:ov ovof.tul;E-r«L, oux.En fA.Ev lJltMv üliwe. o:ytui;E-rat yae fl.UO''t'LX.U 't'LVt EJtLX.ATJO'EL. Te r tu ll i an redet nur allgemein von Anrufung Gottes (de hapt. 3), ähnlich die Kirchenordnung Hip p o I y t s (cap. 46 ed. Achelis, S. 94) von «Beten über dem Wasser>>. Nach Cyrill von Jerusalem (Kat.III, 3, MG XXXIII, 429) bestünde die Epiklese lediglich in der seit Mt 28, 19; Didache VII, 1 ff. vorgeschriebenen Anrufung der drei Namen. E p i p h an i u s (h. XXXVI, 2, 5 f.) hezeugt eine Epiklese in der Liturgie der Markosier und Herakleiten. H. L i e t z m a u n (Messe und Herrnmahl, S. 95) teilt die noch heute in der römischen Liturgie am Charsamstag über dem Taufwasser gesprochene Epiklese mit: descendat in hanc plenitudinem fontis virtus spiritus tui totamque huius suhstantiam regenerandi fecundet effectu. 75 Man bemerkt allerdings mehrfach ein unklares Schwanken der Auffassung zwischen Zusicherung der Sündenvergebung und realer Entsündigung. Die Unsicherheit rührt daher, daß man heide Auffassungen, die erste die allgemein-urchristliche; die zweite die spezifisch paulinische, im neutestamentlichen Kanon bezeugt findet.
441
gesicherte Sündenvergebung beschränkt wird, sofern sie sich ausschließlich auf die v o r der Taufe begangenen Verfehlungen des Gläubigen bezieht und diesen grundsätzlich zum sündlosen Wandel nach der Taufe verpflichtet. Beides, Vorbehalt und Verpflichtung, wird in der ältern nachapostolischen Lehre von der Taufe zunächst häufig und eindringlich eingeschärft 76 • Sehr zu beachten ist, daß Irenäus die Beschränkung der in der Taufe gewährten Vergebung auf die im vorchristlichen Leben begangenen Sünden über den von ihm als Gewährsmann zitierten kleinasiatischen Presbyter auf die Verkündigung der Apostel, speziell auch des Paulus, zurückführt. So wird die Schriftauslegung auch durch die apostolische Tradition bestätigt 77 • Begreiflich, daß Rigoristen wie Origenes großes Gewicht darauf legen, daß der Taufkandidat in der dem Empfang des Sakraments vorausgehenden Bußzeit deutlich und beharrlich die Absage an die Sünde praktisch bewähre 78 • Begreiflich aber auch, daß aus bedrückenden Enttäuschungen der alltäglichen Erfahrung heraus oft genug das dringende Bedürfnis nach einer Wie78 Es sei hier mit Aussagen der großen Alexandriner illustriert, weil ihnen besonderes Gewicht zukommt. Wenn irgendwer in diesem Zeitalter, so wären Theologen wie Clemens Alexaudrinus und Origenes kraft ihrer philosophisch-dogmatischen Selbständigkeit in der Lage gewesen, hier den Bann der apostolischen Tradition zu durchbrechen. Aber auch C 1 e m e n s A 1 e x. erklärt, trotzdem er einmal (Quis div. salv. 42, 14 f.) den Gedanken einer zweiten Taufe offensichtlich als sympathisch empfindet, dennoch (Strom. IV, 153, 3; 154, 3): &.cplsv,;m yoüv :n:Qoc; 'tOÜ XUQlou at :n:Qo ,;ijc; :n:lcr,;sroc; Uf.t
wc;
442
derholung der Taufe sich geltend macht 79 und daß, da die Großkirche an der Einmaligkeit der Taufe festhält 80 , die Tendenz zur Hinausschiebung des Sakramentsempfangs, unter Umständen bis zur Sterbestunde, aufkommts 1 • Schließlich findet die Großkirche dann aber doch die Möglichkeit einer legitimen «zweiten» Taufe: In der Bluttaufe des Martyriums 82 • Dem Sinn der ganzen Entwicklung in der Umbildung des Dogmas von der Taufe entspricht es, daß (gegen Ende des zweiten J ahrhunderts) deutlich das Problem der Kindertaufe akut wird. Das paulinische Christentum hatte sich, bestimmt durch die eschatologische N aherwartung und die ganze ihr zugrundeliegende Dogmatik, mit der I Cor 7, 14 ausgesprochenen Anschauung begnügen können, die den Gedanken einer Notwendigkeit der Kindertaufe gar nicht aufkommen läßt: Kinder sind objektiv von vornherein durch ihre Eltern «geheiligt», selbst dann, wenn nur ein Elternteil getauft ist. Obschon Tertullian eine derartige Auffassung niemals mehr vorbehaltlos gelten lassen und daher das PanInswort nur akzeptieren kann unter dem Vorbehalt, der Apostel habe 79 Nach E p i p h an i u s (h. XLII, 3, 6 ff.) soll Markion eine zweimalige Wiederholung der Taufe mit Berufung auf Lc 12, 50 gestattet haben. A. H a r n a c k (Marcion, S. 212) hält diese Nachriebt allerdings für ein Mißverständnis. Auch andere Häretiker wie E I c h a s a i (H i p p o I y t , Refut. IX, 13) und die M a r k o s i e r (Hip p o I y t, Refut. VI, 41, 1 f.) gewährten Wiederholung, in der Großkirche aber wohl nur der römische Bischof K a ll i st (H i p p o I y t , Refut. IX, 12, 26): E:!tl ,;o{n;ou (sc. unter Kallist) :lt(Hinro<; "tE"tOAflll"tUL ÖE{Jl:E(IOV airtoi:<; ßa:n:"tLO"flU. Angesichts der durch die Nichtwiederholbarkeit der Taufe bedingten Einmaligkeit der christlichen Sündenvergebung wird in den pseudojustinischen Quaestioneu sogar die bittere Kritik laut: da sei sogar das alttestamentliche Gesetz mit dem Sünder gnädiger verfahren (Quaest. et resp. ad orth. 97, Otto V, 141 ff.)! so Der Satz C y p r i a n s (de opere et eleemos. 2): semel in baptisruo remiSSlO peccatorum datur, spricht die allgemeine großkirchliche Auffassung aus. Der pseudocyprianische Tractat «de rebaptismate>> konstruiert allerdings verschiedene Arten von Geisttaufen (de rebapt. 15). Derartiges gab es auch in der Gnosis. Beachtenswert ist, daß auch in dem gnostischen II Buch Jeii (cap. 44) dekretiert wird: «Jeder Mensch, der an das Lichtreich glaubt, muß das Mysterium der Sündenvergebung nur einmal vollziehen.>> st T e r t u ll i a n hat diese Tendenz gefördert (de bapt. 18): si qui pondus intelligant baptismi, magis timebunt consecutionem quam dilationem; fides integra secura est de sainte. Bekannt ist das Beispiel Kaiset Konstantins (Eu s e b, Vita Const. IV,
61, 2). s2 Te r tu ll i an (Scorp. 6): prospexit et alias deus imbecillitates condicionis human.ae, adversarii insidias, rerum fallacias, saeculi retia, etiam post lavacrum periclitaturam fidem, perituros plerosque rursum post salutem, qui vestitum ob~oletas sent nuptialem, qui faculis oleum non praeparassent ... posuit igitur secunda solacia et extrema praesidia, dimicationem martyrii et lavacrum sanguinis exinde secuturum. Fe1·ner de bapt. 16. Daim 0 r i g e n es, Exhort. 30; C y p r i an, ad Fortunat. 4; Epist. 73, 22; Ca n. Hip p o I. XIX, 101 (ed. Achelis, S. 91).
30
443
dabei selber an Joh 3, 5 gedacht (!) 83, spricht er sich dennoch, aus andern Gründen, ehenfalls gegen die Kindertaufe aus 84 • Origenes dagegen, der durch einen Meinungsstreit in dieser Sache sich mehrfach zur Stellungnahme gedrängt sah, hat sich zum Gedanken der Notwendigkeit der Kindertaufe bekannt 85 • Im Taufritual der Hippolytischen Kirchenordnung ist dann die Kindertaufe bereits vorgeschrieben 86. Zum Schluß müssen hier gewisse z. T. seltsame Formeln beachtet werden, mit denen uns die großkirchlichen Theologen den Übergang zu einer völlig andersartigen Wirkung der Wiedergehurtstaufe vermitteln, oder, besser gesagt, zeigen, wie problematisch ihnen selber die Vermittlung dieses Übergangs erscheint. Gelegentlich bringt Tertullian folgenden fragwürdigen Tiefsinn vor: «Der Geist (des Gläubigen) wird im Taufwasser körperlich abgewaschen und das Fleisch in ehendemselben Wasser geistig gereinigt 87 .» Nun treiben es gewiß nicht alle so paradox in ihrer Behandlung der Lehre von der durch die Taufe vermittelten Sündenvergebung. So oder anders spielt aber doch mehrfach der Gedanke eine Rolle, daß sich die Sündenreinigung sowohl auf die Seele wie auch den Leih beziehe 88 • Solche Aussagen erfolgen offensichtlich unter einem gewissen Zwang: Man will, um die Einheitlichkeit der Lehre von der Taufe und ihren Wirkungen zu wahren, auch in der Erläuterung der durch dieses Sakrament vermittelten Sündenvergebung dem Grundgedanken gerecht werden, daß die Wirkung des «Bades der Wiedergeburt» sich auf alle 83
Te r tu ll i an (de anima 39): Dem Satz von der Heiligkeit der Kinder I Cor
7, 14 stimmt Tertullian nur zu einmal mit der Erklärung tarn ex semtms praerogativa quam ex institutionis disciplina, dann aber vor allem mit dem Vorbehalt: alioquin meminerat (sc. Paulus) dominicae definitionis: (Job 3,5). 84 T e r t u ll i a n (de bapt. 18): itaque pro cuiusque personae condicione ac dispositione, etiam aetate, cunctatio baptismi utilior est, praecipue tarnen circa parvulos .•• veniant dum adolescunt; veniant dum discunt, dum quo veniant, docentur. fiant Christiani, cum Christum nosse potuerint. quid festinat innocens aetas ad remissionem peccatorum? 85 0 r i g e n es (Horn. XIV in Lc): quod frequenter inter fratres quaeritur, loci occasione commotus retracto: parvuli baptizantur in remissionem peccatorum? aut quomodo potest illa lavacri in parvulis ·ratio subsistere, nisi iuxta illum sensum, de quo paulo ante diximus: (Hiob 14,4). et quia per baptismi sacramentum nativitatis sordes deponuntur, propterea baptizantur et parvuli (gemäß Job 3, 5). Ebenso Comm. V, 9 in Rm. 86 C an. Hip p o l y t i 46 (ed. Achelis, S. 94). 87 T e r t u ll i a n, de bapt. 4. 88 C y r i 11 von Je r u s a l e m (Kat. 111, 4, MG XXXIII, 429 f.): f;:n:nöij '(UQ ÖL:n:Aoii<; o'ivil-Qoo:n:o<;, E'lt ljlux,ij<; 'ltat CJro~-ta-ro<; CJ\l'('ltEL!-LEVo<;, ÖL:n:Aoiiv 'ltat 'ltaihiQCJLOV. !-LEV UCJW!lU"tOV ,;i[} Ö.CJOO!-LU"tql, ÖE CJOl!lU'tL'ItOV ,;i[} CJOOflU"tL. 'ltat "tO !-LEV ÜÖOOQ 'ltaß-alQEL "tO CJ!Ö!-LU, "tO l\E JtVEÜ!lU CJ!pQU'(ll;EL ,;fjv \jlUX,fjV.
o
444
,;o
,;o
,;o
Fälle auch auf den Leib bezieht 89 • Auf diesem Gedanken liegt nicht zufälligerweise sogar ein besonderes Gewicht. Es entspricht durchaus der Art und Weise, wie die neue kirchliche Lehre von der Taufe im Prozeß der Enteschatologisierung aus der paulinischen Anschauung vom realen eschatologsichen Sterben und Auferstehen des Gläubigen mit Christus in der Taufe vermöge der in der Endzeit wirksam werdenden göttlichen Geistkräfte entstanden ist, daß nunmehr das Taufwasser kraft des mit ihm sich verbindenden Geistes in erster Linie für den Leib zum «Wasser des Lebens» und zum «Bad der Wiedergeburt» wird. Philosophisch interessierten Spiritualisten wie Origenes und andern mag es freilich nahe liegen, von der Wiedergeburt in erster Linie als von der Wiedergeburt der Seele zu reden. Und auch dem gewöhnlichen, kirchlichen Glauben mag die Vorstellung von der durch das Taufmysterium bewirkten «Erleuchtung» der menschlichen Vernunft wichtig werden 90 • Wenn aber von dem in diesem Sakrament wirksamen «Geistell gesagt wird, daß er überhaupt nur durch die Vermittlung des Wassers als seines Trägers zu wirken vermög-e 91 , so will dieser Satz im Sinne der gemeinkirchlichen Anschauung offenkundig als Lösung des Problems gelten, wie der «Geist» auf die Substanz des menschlichen F l e ischesleibes übertragen werden könne, um diesen gemäß der neuen Erlösungslehre auf die zukünftige Auferstehung zur Unvergänglichkeit hin zuzubereiten. Und diese Wirkung der Taufe im Sinne der neuen «physischem) Erlösungslehre ist denn auch im nachapostolischen Zeitalter so reichlich und von so verschiedenen Seiten her bezeugt, daß eine Vorführung dieser Einzelbelege den Rahmen einer allgemeinen problemgeschichtlichen Darstellung sprengen würde 92 • Selbstverständ89 C y r i I I von Je r u s a I e m (Kat. 111, 4, MG XXXIII, 432): Petrus befiehlt Act 10, 48 die Taufe des Cornelius, tva ,;ij~ 'l!'uxij~ öu1 1tLCJ'tEW~ avayEVVT]itELCJT]~ 1-LE't«A.aßn xat cr
,;o
445
lieh ist, daß für diejenigen, die die Seele nicht für von Natur unsterblich halten, die Wirkung der Wiedergeburt sich auch auf die Seele erstreckt 93 • Wichtig ist, daß es im Osten Symbole gibt, die ausdrücklich als Wirkung der Taufe die Garantie der Auferstehung des Fleischesleibes und die Sündenvergebung, beides zur Teilnahme am Himmelreich und am Leben des zukünftigen Äon angeben. Das Symbol der Apostolischen Konstitutionen nennt sogar die Auferstehung des Fleisches in erster Linie 94 • Damit ist die Heilsnotwendigkeit des Taufsakraments mit einer Unbedingtheit betont, die wesentlich über die ursprüngliche paulinische Auffassung hinausgeht 9 5. Endlich sei noch auf eine Darstellung der Pistis Sophia hingewiesen, die einen besonders deutlichen Beleg für die Tatsache darstellt, daß die großkirchliche Theologie auch ihre neue Lehre von der Taufe nicht weniger als die Lehre von der Erlösung in klarer und bewußter Antithese zur Gnosis ausgebildet hat. Danach tritt vermöge des Taufmysteriums eine Pneumakraft in den Menschen ein, die die S e e l e dadurch erlöst, daß sie sie von der Materie des durch das Böse verunreinigten und vergänglichen Fleischesleibes trennt 96 • Die Großkirche aber lehrt im Gegenteil, daß das göttliche Pneuma in der Taufe sich mit dem Fleischesleib verbindet, um ihn zu reinigen und ihm mitsamt der Seele die Auferstehung zur Unvergänglichkeit zu garantieren.
93 Iren ä u s (Epideixis 42): «So sollen sich also die Gläubigen betragen, da der hl. Geist beständig in ihnen weilt, welcher bei der Taufe von ihm (Christus?) gegeben und von dem Empfänger festgehalten wird, wodurch er in Wahrheit und Gerechtigkeit und Geduld wandelt. Denn auch der Seele wird Auferstehung zuteil, indem die Leiher der Gläubigen: von neuem Person annehmen.» 94 Bei Hahn (S. 141): ßan·tl~O!lllL ... EL\; CfaQKO\; av6.crmcrw ~tat El\; Üq>ECfLV d!laQ"tLiöv ~tat EL\; ßaCSLI.Eiav o"ÖQaviöv ~tat EL\; ~wijv ,;oü !lEAAOV"tO\; atiövo\; . .Ähnlich das nestorianische Taufbekenntnis (Hahn, S. 146). A p oll in a r v. L a o d i c e a erläutert eine Glaubensregel folgendermaßen (de fide et incarn. 7, ed. Lietzmann, S. 199): «Denn auch in der Aufzählung der Dreiheit sagt er, daß die Taufe zur V ergehung der Sünden urid zur Auferstehung des Fleisches gegeben ist.» 95 Schon H e r m a s läßt den Bestand der Kirche ganz auf die Heilsnotwendigkeit der Taufe begründet sein (Vis. III, 3, 5), und dies sogar in der Weise, daß auch die vorchristlichen Frommen der Taufe teilhaftig werden müssen, um in das ewige Lehen des Reiches Gottes eingehen zu können (Sim. IX, 16, 1-7). 96 Pis t i s S o p h i a 115: «Das Mysterium der Taufe dagegen bleibt in der Mitte von den beiden (sc. zwischen dem Körper, in den das Böse gebannt ist, und der davon befreiten Seele), indem es sie beständig voneinander trennt.>> c. 116 wird .als Schriftbeweis eine entsprechende Kombination von Lc 12, 49. 50-52 vorgebracht. Es wird also weder mit Rm 6 noch mit Joh 3 operiert.
446
Drittes Kapitel Die Umbildung der Lehre von der Eucharistie Im Urchristentum macht sich die eschatologische Bedingtheit der Sakramente beim «Herrnmahh noch wesentlich stärker geltend als bei der Taufe. Dies erklärt sich ohne weiteres daraus, daß hier die Handlung nicht, wie im Falle der Taufe, erst nachträglich zur Eschatologie in Beziehung gesetzt wird, sondern von vornherein ihrem eigentlichen und wesentlichen Sinne nach aus der spätjüdischen Eschatologie stammt: Ihr liegt zugrunde die Vorstellung des messianischen Mahles, das der Messias mit den Seinen im Reiche der Endzeit feiert. Die Beziehung zwischen Herrnmahl und endzeitlich-messianischer Mahlfeier wird durch Jesus selbst geschaffen. Unmittelbar bevor Jesus sich anschickt, als der Messias designatus durch das Opfer seines Todes die Bedingung für den baldigen Anbruch des Reiches Gottes zu erfüllen, feiert er mit seinen Jüngern ein gemeinsames Danksagungsmahl als Vorfeier. Dies so, daß er diesen, indem er selbst ihnen im Hinblick auf den eschatologischen Sinn seines Opfertodes Speise und Trank austeilt, die künftige Mahlgemeinschaft mit ihm als dem bald in verklärter Gestalt wiedererscheinenden «Menschensohn» beim Mahle im Reiche Gottes schon jetzt zusichert 1• Im Gedanken daran vereinigt sich nach seinem Tode seine Jüngerschaft täglich zu gemeinsamem Danksagungsmahl, um in der Hoffnung auf die baldige Vereinigung mit ihm seine glorreiche Wiederkunft zu erflehen und zu erwarten. Auch Paulus übernimmt diese urapostolische Auffassung der Mahlfeier, intensiviert und vertieft sie jedoch gemäß seiner besondern eschatologischen Deutung des Todes und der Auferstehung Jesu. Angesichts dieser starken Betonung des Eschatologischen in der urchristlichen Auffassung und kultischen Gestaltung des Herrnmahls ist ein kräftiges Nachklingen in der Eucharistie der nachapostolischen Kirche nicht verwunderlich. Die Nachwirkung des Eschatologischen geht beträchtlich hinaus über jene in anderm Zusammenhang bereits behandelten Erzählungen einer sekundären Schicht der evangelischen 1 A 1 b. S c h w e i t z e r deutet mit Recht auch die synoptischen Speisungsgeschichten in diesem Sinne, siehe A 1 b. Sc h weit z er, Geschichte der Lehen-JesnForschung 1913, S. 421. Zur konsequent-eschatologischen Lösung der Abendmahlsfrage des Urchristentums vgl. A. Sc h weit z er, Das Abendmahlsproblem, Heft I. II; ferner <
447
Überlieferung, in denen die Mahlfeier in charakteristischer Weise mit dem Parusiemotiv verbunden erscheint 2 • Zunächst bleibt ja in der Eschatologie der nachapostolischen Lehre auch die Vorstellung des im kommenden messianischen Reiche stattfindenden messianischen Mahles lebendig 3 • Dieser Erwartung entspricht, daß man weiterhin vielfach in den Danksagungsgebeten der eucharistischen Feier - die noch für die Didache (X, 1) als eine wirkliche Sättigungsmahlzeit gilt - die Bitte um die Parusie des Christus gen Himmel richtet 4 • Mehr noch! Das in den Erzählungen Mc 16, 14; Lc 24, 13-15 usw. auftauchende Motiv des wirklichen persönlichen Erscheinens des himmlischen Christus zur Mahlfeier mit der Jüngerschaft wird auch noch in der spätern erbaulichen . Erzählungsliteratur ausgeführt 5 • Die ursprüngliche eschatologische Bezogenheit der Mahlfeier, gemäß welcher diese durch das Eintreffen der im eucharistischen Gebet erflehten Wiederkunft Christi zum endzeitliehen messianischen Mahle 1m Reiche des Messias werden soll, tritt noch deutlich hervor in der Siehe S. 101 f. Apoc. Joh. 3, 20; 19, 9. Justin (Dial. 40, 4; 51, 2) und Te r tu II i an (adv. Mare. III, 7) haben in dem zweiten der beiden Böcke Lev 16, 5 ff. eine Weissagung des messianischen Mahles der Endzeit gefunden. Von der Mahlfeier im künftigen Reiche, und bald einmal dann vom Mahl der Seligen im H i m m e I reden ferner M a r c i o n (nach T er tu II i an , adv. Mare. IV, 31), allerdings im Sinne einer spiritualisierenden Umdeutung, I r e n ä u s (adv. haer. V, 36, 3), die His t o r i a J o s e p h i 26 (convivium mille annorum) und At h an a s i u s (Epist. heortast. VII, 12, MG XXVI, 1389): ut hinc profecti et ieiunii memores ad coenaculum cum domino possimus ascendere et cum eo coenare, gaudiumque in coelo participare. 4 Das eucharistische Dankgebet D i da c h e X, 6 enthält die Bitten: <
3
448
Begründung einer Vorschrift der Hippolytischen Kirchenordnung über den Genuß von Milch und Honig nach der Erstkommunion 6 • Endlich bekundet sich die ursprüngliche Erwartung der Parusie im zeitlichen Anschluß an die Auferstehung Jesu in dem in einzelnen Gemeinden oder Gegenden noch lange festgehaltenen Usus, im Hinblick auf den Morgen der Auferstehung Jesu die Eucharistie alltäglich in der Frühe zu feiern 7 • Die tägliche Feier kann sich deshalb verhältnismäßig lange halten, weil auch die eucharistisch gedeutete Brotbitte des Unservatergebetes, das schon in ältester Zeit ein wesentlicher Bestandteil der eucharistischen Liturgie gewesen sein muß, die alltägliche Feier zu fordern schien 8 • Inzwischen bahnt sich seit der Didache die Beschränkung auf eine Sonntagmorgenfeier an 9 • Ob die urchristliche Herrnmahlfeier die Krise der Enteschatologisierung zu überstehen vermocht hätte, wenn sie dem Heidenchristentum lediglich in der einfachen eschatologischen Auffassung der jerusalemischjudenchristlichen Urgemeinde überliefert worden wäre, ist zweifelhaft, ja unwahrscheinlich. Wenn infolge der dauernden Parusieverzögerung die eschatologische Naherwartung, wie sie durch die urchristliche Deutung des Todes Jesu bestimmt und begründet war, hinfällig wurde, was konnte auf die Dauer übrig bleiben von der Mahlfeier der urapostolischen Gemeinde, deren Sinnerfüllung so ganz und gar in der Zukunft lag und dal!ei ausschließlich abhängig war vom baldigen Eintreffen der erwarteten und erflehten Parusie? Auch an diesem Punkte erscheint das verhältnismäßig rasche V erkümmern und Verschwinden des Judenchristentums als keineswegs zufällig. Der Glaube der heidenchristliehen Gemeinden hatte es aber von Anfang an zur Hauptsache mit der paulinischen Auffassung vom Wesen der Eucharistie zu tun. Und hier ist wie die Taufe, so in analoger 8 Ca n. Hip p o I. XIX, 144 ff. (ed. Achelis, S. 100 f.) wird den Neophyten vorgeschrieben: Postea (sc. nach der Erstkommunion) autem sumant lac et mel in memoriam saeculi futuri et dulcidinis bonorum ... 7 «Von den dreierlei Früchten des christlichen Lebens», c. 35 (ed. R. Reitzenstein, ZNW, 1914, S. 85): qui corpus Christi saueturn sine intermissione diei suscepis ... Ca n. Hip p o I. XXXVII, 201 ff., ist die tägliche Feier fakultativ. Nach H i e r o n y m u s (Epist. 7l ad Lucin. 6) hat H i p p o I y t auch über die Frage geschrieben: «de eucharistia, an accipienda quottidie». 8 C y p r i an (de orat. 18): hunc autem panem dari nobis cottidie postulamus, ne qui in Christo sumus et eucharistiam eins cottidie ad cibum salutis accipimus, intercedeute aliquo graviore delicto, dum abstenti et non commnnicantes a caelesti pane prohibemnr, a Christi corpore separemur. 9 D i da c h e XIV, 1: ltU"tU ltlJQLaxi)v öf: xugtou auva:x;i}t3v-.:ec; 1tÄ.6.aa-.:e äg-.:ov 1tal EU:X:UQLG"ti]aan. Siehe auch J u s t in , Apo!. I, 67; A c t a T h o m a e 29.
449
Weise auch die Eucharistie in Beziehung gesetzt zu dem, was nach Paulus auf Grund des durch Tod und Auferstehung Jesu bereits in Gang geaetzten eschatologischen Geschehens am Gläubigen als gegenwärtige Erlösung schon jetzt sich verwirklicht. Wie die Taufe so wird für Paulus auch die Eucharistie - die auch für ihn eine durch Danksagungsgebete im Hinblick auf Tod und Parusie Christi gekennzeichnete gemeinsame Mahlzeit ist - zum sakramentalen Instrument der Vermittlung dieser gegenwärtigen Erlösung. In beiden Fällen zielt die sakramentale Wirkung auf die Verwirklichung des «Seins im Christus», im Sinne des Anteilhabens an der neuen Auferstehungsleiblichkeit des Christus. Ein Unterschied besteht eigentlich nur darin, daß Paulus bei der Taufe das Mitsterben und Mitauferstehen des Gläubigen mit Christus in den Vordergrund stellt, während er, um die Bedeutung der Eucharistie für die Realisierung des «Seins im Christus» herauszustellen, die von Jesus beim historischen Abschiedsmahle gesprochenen Worte von seinem Leib und seinem Blute verwertet. Sichert nach gewöhnlicher urapostolischer Auffassung die Teilnahme am Herrnmahl die Mahlgemeinschaft mit dem in Bälde erscheinenden himmlischen Messias, so schreitet das Denken des Paulus auf dem beschriebenen Wege dazu fort, ;!1 diese Gemeinschaft mit dem Messias das Anteilhaben an seiner neuen Leiblichkeit hineinzudeuten und sie in diesem Sinne zu vergegenwärtigen. Auf Grund dieser Sachlage kann es sich in dem Vorgang der Neubildung des nachapostolisch-kirchlichen Dogmas vom eucharistischen Sakrament um nichts anderes handeln als darum, daß der Prozeß der Enteschatologisierung der paulinischen Erlösungslehre 10 sich, wie schon auf die Lehre von der Taufe, so in entsprechender Weise nun auch auf die paulinische Auffassung vom Herrnmahl .notwendig auswirkt. Die grundlegende Umschaltung, die alle dogmengeschichtlich bezeugten Wandlu11gen im einzelnen bedingt, ist tatsächlich deutlich sichtbar. Aus gemeinsamem Essen und Trinken an der durch Dank- und Bittgebet im Hinblick auf Tod, Wiederkunft Christi und Mahlgemeinschaft mit ihm im kommenden Reich geweihten Gemeindemahlzeit zur Realisierung des Anteilhabens am Leibe (an der Auferstehungsleiblichkeit) Christi entsteht der rituelle Genuß eucharistischer Speise, die durch Verbindung mit dem von Christus ausgehenden Geiste (Analogie zum Taufwasser!) zu Leib und Blut Christi wird und dem gläubig Genießen1o
450
Siehe S. 389-420.
den die zukünftige Auferstehung seines natürlichen Fleischesleibes zur Unvergänglichkeit garantiert. Wiederum ist es die Theologie des Johannesevangeliums, die auch hier die entscheidende Umschaltung vollzieht. In Kapitel 6 wird die neue eucharistische Theorie proklamiert. Nicht zufällig geschieht es im Anschluß an eine Speisungswundergeschichte. Diese Kombination erscheint sehr natürlich, wenn man die berechtigte Vermutung der konsequent-eschatologischen Synoptikerexegese in Betracht zieht, wonach Jesus selber auch schon in diesen Speisungen, wie am Vorabend seines Todes beim Mahl mit den Jüngern, den Versammelten durch persönliche Austeilung von Speise die Teilnahme an der Mahlgemeinschaft mit ihm als dem Messias im bald anbrechenden Reiche Gottes sakramental zusichern wollte 11 • Die eucharistisch-sakramentale Deutung der Speisongsgeschichten - natürlich im neuen kirchlichen Sinne - hat sich auch weiterhin erhalten 12 • Die johanneische Lehre von der Eucharistie selbst aber führt im wesentlichen aus, daß der Gläubige in der eucharistischen Speise Fleisch und Blut Christi genieße und so zur zukünftigen Auferstehung (des Fleischesleibes) und damit zum ewigen Leben zubereitet werde. Dabei hängt die sakramentale Wirkung nicht von den irdischen Elementen der eucharistischen Speise als solchen ab, sondern von dem «Geist», der sich mit ihnen zum Zwecke dieser Wirkung verbindet 13 • Wie in der Taufe (Joh 3, 5) wird also auch in der Eucharistie ein irdisches Element, hier nun die beim Gemeindemahl genossene Speise, zum Träger und Vermittler des Geistes und seiner Wirkung. Zunächst ist festzustellen, daß man in der nachapostolischen Kirche die Ausführungen in Joh 6 über die Eucharistie in der Tat in diesem Sinne verstanden hat. Vor allem ist hinzuweisen auf eine Auseinandersetzung Tertullians mit spiritualistischen (gnostischen) Häretikern, die die bekannte Aussage Joh 6, 63 von dem allein lebendigmachenden Geist und dem «unnützen» Fleisch als Schriftbeweis gegen die Auferstehung des Fleischesleibes auslegen wollen. Diesem Unterfangen stellt Tertullian eine Exegese von Joh 6, 63 (samt Kontext) entgegen, die zwar nicht die eucharistische Theorie selbst entwickelt, sie aber vor· AI b. Sc h weit z er, Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, S. 424 f. Siehe die eucharistische Deutung der Speisungsgeschichte Mt 14, 15 ff. bei 0 r i g e n e s (in Matth. X, 25), wo er redet von den liQ"tOL ,;Tj~ e'ÖA.oyla~ und sofort schon im Eingang der Erklärung beifügt: &.A.A.&. xat M:v "tt~ öEov &.xoiiew ,;ou· (folgt I Cor 11, 28) .•. ,;o\mov 11ev !lTJ xa,;axoun, ciJ~ lhuxe M !1E"taA.a!1ßavn liQ"tO\J xat 11
12
JtO"tTJQlou mhou, &.aaevi]~ 1\ liQgroa,;o~ ylve,;at xd.. 13. Vgl. ~oh 6, 53-56. 63.
451
aussetzt. Denn sie legt dar: Gerade dies se1 Ja die Meinung des Textes, daß der Geist das F I e i s c h lebendig mache und einzig lebendig zu machen imstande sei, weil das Fleisch nicht von sich aus der Auferstehung teilhaftig zu werden vermöge 14 • Nicht weniger instruktiv ist, was sich aus dem Jobarmeskommentar des Origenes beibringen läßt: Wenn die Blätter dieses Werkes, die die Auslegung zu Joh 6 enthielten, verloren gegangen sind, so wohl deshalb, weil Origenes hier nicht nur in einer für kirchliche Auffassung unbefriedigenden Weise spiritualisiert, sondern die sakramentale kirchliche Exegese zwar erwähnt, aber mit allzu deutlicher Geringschätzung beiseite geschoben hat. Dafür zeugt seine Auslegung des johanneischen Berichts über das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern Joh 13 15 • Hier redet er zwar selbst beiläufig von einer besondern «Kraft im Brot», fügt dann aber das abschätzige Urteil bei: Mögen die «Einfältigen» (d. h. die gemeinkirchlichen Gläubigen) Brot und Becher nach der gewöhnlichen Auffassung von der Eucharistie deuten, die zu tieferem Verständnis Durchgedrungenen werden sich in dieser Sache an eine göttlichere Anweisung halten 16 • Aber auch in Alexandrien ist man später wieder zur sakramental-eucharistischen Auslegung von Joh 6 zurückgekehrt. Dafür zeugt Athanasius 17 • Die aus der johanneischen Theologie übernommene eucharistische Theorie wird aber selbstverständlich auch ohne Bezugnahme auf Joh 6 vorgetragen. So schon von Justin 18 • Dann mit besonderer Deutlichkeit von lrenäus. An einer Hauptstelle, an der er in bemerkenswerter Weise selbst auf die Übereinstimmung der kirchlichen Lehre von der Eucharistie mit der Lehre von der Erlösung des Fleisches zum ewigen Lehen 14 Te r tu ll i an (de resurr. carn. 37): ostendens (sc. Christus) enim, quid prosit et quid non prosit (ad vivificandum scilicet), pariter inluminavit, quid cui prosit, spiritum scilicet carni, mortificatae vivificatorem. 15 Es ist sehr zu beachten, daß der joham1eische Text selbst offenkundig sehr bewußt und aus gewichtigen Gründen dieses Abschiedsmahl gerade nicht als eine wirkliche eucharistische Feier schildert. 16 0 r i g e n es (Comm. XXXII, §§ 309. 310 in Joh): voEtaiho öß ae-ro,; x.ut -ro
o
3tO"tYIQLO'V -roi,; f!E'V u;n;/..oua-reeot,; X.U"tU -rijv l!.OL'VO"tEQU'V 3tEQL -rij,; EU:X:UQLO-rtu,; 1\x.öo:x:f]v, -roi:,; M ßuihl-rEQO'V &x.ouELv f!Ef!U{}1]x.6at x.u-ru -rf]v i}ELO"tEQU'V x.ut 3tEQL -roii -reoc:plf!OU -rij,; uf..l]{}Elu,; Myou EltuyyEI..tuv. 17 At h a 11 a s i 11 s (Epist. ad Serap. 19, MG XXVI, 668) versteht Joh 6, 62-64 so, daß Fleisch und Blut Christi den Gläubigen auf eine «pneumatische>> Weise als Nahrung gegeben werden sollen (;n;'VEUf!U"tLx.iö,; öo{}ijaE"tUL "tQOc:pij), und zwar als c:pul..ux.-
-rf]ewv Ei,; &v6.a-rumv 1S
J
11
~wij,;
atwvlou.
s t in (Apol. I, 66): &/../..' öv -re6;n;ov ÖLU Myou i}EOii OUQX.OltOLl]{}Et,; 'Il]aoii,;
:X:QLO-ro,; 0 aw-ri)e TJf!Öl'V x.ut aaex.u x.ut aif!a UltEQ OOJ"tl]QtU~ TJf!Öl'V llO:X:E'V, oü-rw,; l!.UL ,;Tjv ÖL' Eu:x:ij,; Myou -roii 3tUQ' au-roii EU:X:UQLO"tl]i}EiOU'V "tQoc:pf]v, E~ ~,; alf!U x.at a6.QX.E,;
452
aufmerksam macht, setzt er deutlich auseinander: Das eucharistische Brot sei, nachdem die Epiklese über ihm ausgesprochen wurde, nicht mehr gewöhnliches Brot, sondern eben die aus zwei Bestandteilen («Dingen»), nämlich einem Irdischen und einem Himmlischen, beste· hende Eucharistie 19 • Das Himmlische aber, das sich mit der irdischen Speise des Gemeindemahles verbindet, ist der Logos-Geist 20 • Sogar Clemens Alexandrinus expliziert gelegentlich diese kirchliche Anschauung, obschon sie seinem gnostisch-spiritualistischen Denken unsym· pathisch und inadäquat ist 21 • Als seltsame Illustration besonderer Art mag noch die Tatsache vermerkt werden, daß in einem eucharistischen Gebet der Thomasakten die «Kraft des Segens», die sich auf das Brot «niederlassen» soll, als «Mutter» angerufen wird. Der Geist ist demnach hier noch semitischem Empfinden gemäß als weihlieh aufgefaßt 22 • Als Verhindung irdischer Speise mit dem himmlischen Geist heißen die eucharistischen Elemente schon in der Didache auch «pneumatische» Speise und «pneumatischer» Trank 23 • :xcmJ. !1Eta~ol..ijv t!,>E!JlOVtaL fJ~-töiv, 8:xELvou ,;oü oae:xo:rtOLTJ{}ev,;o<; 'll]ooü :xut o6.e:xu :xut Ul!lU EIIL!i6.X.{}TJ!1EV ElvaL. Zu dieser Stelle vgl. G. P. Wetter (Altchristliche Liturgien I, 79): <
453
Nur von dieser grundlegenden, neuen Theorie der kirchlichen Lehre darf man ausgehen, wenn man verstehen will, warum und in welchem Sinne die nachapostolische Kirche die Bezeichnung «Fleisch» oder «Leih» und «Blut» Christi 24 auf die eucharistischen Elemente übertragen hat. Was hier im Zuge der enteschatologisierenden Umbildung der urchristlichen Auffassung vom Herrnmahl auf den Plan tritt, ist in der Tat keine Lehre von der «Transsubstantiation». Die irdischen Elemente bleiben als solche durchaus das, was sie ihrem natürlichen Ursprung und Wesen zufolge sind. Der im nachapostolischen Zeitalter nur gelegentlich in der häretischen Gnosis auftauchende Gedanke einer wirklichen Verwandlung der Substanz von Brot und Wein wird von lrenäus als populäres krasses Mißverständnis abgelehnt. lrt einem Bericht über das Martyrium der Lyoner Christen Sanctus und Blandina, die vor Gericht geschleppt werden unter der Anklage, daß sie im eucharistischen Mahl in vollem Ernst das wirkliche Fleisch und Blut Christi zu genießen behaupten, läßt er die Blandina entschieden gegen diesen als sinnlos erwiesenen Verdacht protestieren 25 • Dementsprechend gehen die ältern Theologen gelegentlich durchaus deutlich dem Bewußtsein Ausdruck, daß sie die Ausdrücke «Fleisch» oder «Leih» und «Blut» Christi doch nur in einem irgendwie übertragenen Sinne auf die eucharistischen Elemente bezogen wissen wollen 26 • Dieser Sinn ist freilich nicht ein «symbolischer» im modernen Sinne, sondern ein realistisch-analogischer: Fleisch oder Leih und Blut Christi heißen die Elemente, sofern sie wie einst der wirkliche Fleischesleih 24 In der frühern nachapostolischen Zeit pflegt man in Beo):,achtung des Sprachgebrauchs der johanneischen Theologie durchgehend vom «Fleisch>> Christi zu reden. So ganz konsequent z. B. I g n a t i u s, Rm 7, 3; Philad. 4; Eph. 20. Später ist dann vorab bei den Lateinern, aber dann auch bei den Griechen, sowohl vom «Leih>> wie vom <
ev
454
Christi Träger des Logosgeistes sind. Wie damals mit diesem Leibe Christi, so verbindet sich jetzt der Logosgeist mit den irdischen Elementen der Eucharistie. In Analogie zur Fleischwerdung des Logos in Christus setzt die Eucharistie nach Tod und Auferstehung Jesu die V erleiblichung, die Inkarnation des Logosgeistes fort, nun aber in mitteilungsfähiger Gestalt. Das ist durchaus auch schon der sakramentale Sinn jener Ankündigungen in den Abschiedsreden des johanneischen Christus, in denen er seiner Jüngerschaft seine eigene Wiederkunft in der nach seinem Tode erfolgenden Sendung des andern Parakleten (d. h. des Logos-Geistes) verheißt (Joh 14). Demgemäß spricht dann auch Justin diese Analogie deutlich aus 27 • In der häretischen Gnosis findet sich eine massive Veranschaulichung der nach dem Zweisubstanzenschema ausgeführten sakramentalen Theorie in der merkwürdigen Schlangeneucharistie der Ophiten, die darauf beruht, daß in der synkretistisch-hellenistischen Theologie die Schlange als das «pneumatische» Tier gilt 28 • Handelt es sich also nach dieser Auffassung der nachapostolischen Kirche nicht um eine Verwandlung bestimmter, dazu besonders geeignet erscheinender Elemente in das wirkliche Fleisch und Blut Christi, sondern um die Verbindung irgendwelcher eucharistischer Speise mit dem Logos-Geist, so wird auch die auffällige, aber reichlich bezeugte Tatsache verständlich, daß man sich in diesem Zeitraum in der Wahl der Elemente weithin gar nicht ausschließlich an Brot und Wein gebunden fühlte. Verhältnismäßig oft wird von eucharistischen Feiern mit Brot und Wasser berichtet, so bei den nordafrikanischen «Aquariern» 29 , bei Markion 30 , Tatian 31, bei den Enkratiten 32 und den Apostolikern 33 Speziell die Ebioniten pflegten ungesäuertes Brot und Wasser zu ge27 28
Justin, Apol. I, 66; Zitat siehe S. 452 f., Anmerkung 18. E p i p h an i u s (h. XXXVII, 5, 6 f.) gibt eine anschauliche Schilderung dieser
gnostischen Eucharistie: Die Ophiten pflegen, um die pneumatische, geweihte Speise zu gewinnen, .das zur Eucharistie bestimmte Brot zu einer eigens zu diesem Zwecke gezähmten Schlange zu legen·: ofl flOVOV xl..ö'uJL -.:oii~ üg-.:ou~ EV ol~ ö afl-.:o~ ÖqlL~ Etl..i)~TJ '1\UL E::rnl'lLMaaL -.:oi~ l..af1ßavoiiaw, &.1..1..0. xat i!xaa-.:o~ aaJta~E"t!lL -.:ov ÖqlLv E:x IJ"tOflU"to~. 29 C 1 e m e n s AI e x. (Strom. I, 96, 1) sagt in einer allegorischen Deutung von Prov. 9, 12 ff.: ÜQ'tOV xat üörog oflx EJt' ül..l..rov -.:Lv&v, &.n• '1\ EJti -.:&v ÜQ"t(!l xat üöa-.:L '1\U"tU -.:i]v JtQO
455
nießen. 34 • Mehrfach werden derartige eucharistische Feiern auch in den erbaulichen Apostelgeschichten geschildert 35 • Besondere Beachtung verdienen in dieser Hinsicht die Paulusakten, in denen von einer Eucharistie mit Brot, Gemüse und Wasser die Rede ist 36 • Denn diese Schrift stammt erwiesenermaßen von einem großkirchlichen Kleriker des zweiten Jahrhunderts. Der Gebrauch von Wasser bei der Eucharistie darf also nicht als ausschließlich häretisch beurteilt werden. Über diese Sitte ist in der nachapostolischen Zeit auch gestritten worden. Die Enkratiten, die Abstinenten der altchristlichen Zeit, haben temperamentvoll den Wein als «teuflisches» Getränk in Verruf gebracht durch kräftigen Hinweis auf die üblen Folgen des Weingenusses bei dem trunkenen Noah (Gen 9, 21) und Lot (Gen 19, 31 ff.), ferner bei dem Volk Israel, das sich bei seinem götzendienerischen Tanz um das goldene Kalb betrank (Exod. 32, 6) 87 • Mit einigem Schaudern berichtet Epiphanius, die Enkratiten hätten im Eifer ihrer Polemik sogar den Apostel Paulus als einen «Trunkenbold» verlästert, offenbar wegen der ihm von dem Pseudopaulus der Pastoralbriefe in die Feder diktierten Empfehlung des Weines I Tim 5, 23 38• Übrigens ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß manche Kreise die Wassereucharistie gar nicht aus asketischen Gründen bevorzugten, sondern lediglich deshalb, weil der W eingenuß am frühen Morgen als unanständig galt 89 • Auf der andern Seite hat Cyprian, gegen die nordafrikanischen «Aquarii», die eucharistischen Wassertrinker, Stellung nehmend, den Weingenuß bei der Eucharistie verteidigt und begründet. Er verweist auf das johanneische, mit Recht sakramental gedeutete Wort von Christus als dem wahren Weinstock (Joh 15, l) und legt Gewicht darauf, daß nicht das Wasser, sondern nur der Wein als Blut Christi <
35
456
Enkratiten gegen den eucharistischen W eingenuß argumentieren, deutet er unbedenklich gerade als eine Weissagung auf den Weinbecher des christlichen Mysteriums 40 • Aber noch deutlicher als die eucharistischen Wassertrink er bekunden die Freiheit in der Wahl der geweihten Speise diejenigen, die die Eucharistie, wie die Montanisten, mit Brot und Käse feiern 41 , oder mit Brot und Salz 42 • Brot, Salz und Wasser werden übrigens in den Thomasakten als die gewöhnliche Speise der Enkratiten vorgeführt 43 • Schließlich ist zu beachten, daß gelegentlich in den Schilderungen der Apostelakten überhaupt nur vom Brot die Rede ist 44 • Dadurch, daß die neue kirchliche Lehre den Gedanken in den Vordergrund stellt, es handle sich bei der eucharistischen Feier um ein rituelles Genießen geweihter Speise, die dem Gläubigen die übernatürliche Kraftsubstanz des Logosgeistes vermitteln soll, macht sie dieses Sakrament unabhängig von seinem ursprünglichen eschatologischen Sinn. Der urchristliche Gedanke, daß das gemeinsame Essen und Trinken beim Danksagungsmahl den Gläubigen die Mahlgemeinschaft mit dem Messias in seinem mit der nahen Parusie bald anbrechenden Reiche garantieren soll, wird nicht nur durch die dauernde Parusieverzögerung faktisch hinfällig, sondern er erscheint auch nicht mehr von konstitutiver Bedeutung für das Wesen der Feier. Die Umbildung der Lehre
°
4 C y p r i an (Epist. 63, 2 f.): admonitos autem nos scias ut in calice offerendo dominica traditio servetur neque aliud fiat a nobis quam quod pro nobis dominus prior' fecit, ut calix ·qui in commemoratioue eins offertur mixtus vino offeratur. nam cum dicat Christus: «ego sum vitis vera>> (Joh 15, 1), sanguis Christi non aqua est utique, sed vinum. nec potest videri sanguis eins . • . esse in calice, quando vinum desit calici, quod Christi sanguis ostenditur, qui scripturarum omnium sacramento ac tcstimonio praedicetur. Invenimus enim et in Genesi circa sacramentum Noe hoc idem praecucurrisse ... quod Noe typum futurae veritatis ostendens non aquam sed vinum biberit et sie imaginem dominicae passionis expresserit. 41 E p i p h an i u s (XLIX, 2, 6): 'A(l'tU(IO't(ILt
457
ist aber ausgegangen von der mit Hilfe der Worte Jesu von seinem Leih und seinem Blut ausgeführten hesondern Anschauung des Paulus, daß das gemeinsame Essen und Trinken heim Herrnmahl zugleich, wie die Taufe, das schon gegenwärtige Anteilhaben der Gläubigen an der neuen Auferstehungsleiblichkeit Christi bewirke und fördere. Und so vermag die neue kirchliche Lehre nun auch hier, wie in der Neugestaltung der Lehre von der Taufe, eine Beziehung zur Eschatologie festzuhalten. Auch hier freilich nur in einer dem Prozeß der Enteschatologisierung des gesamten Dogmas entsprechend veränderten Form. In dem Streit über die Frage nach der Wirkung der Taufe beharrt ja die Großkirche gegen die Häretiker und damit gegen Paulus entschieden bei der Auffassung, daß eine durch sakramentale Wirkung schon jetzt zustande kommende reale Umwandlung des Gläubigen in die eschatologische neue Auferstehungsleiblichkeit undenkbar sei 45 • Die Auferstehung der Gläubigen ist infolge der Preisgabe der eschatologischen Deutung des Todes und der Auferstehung Jesu endgültig etwas rein Zukünftiges geworden. Und die neue Abendmahlslehre bezieht ja ohnehin nun das Anteilhaben am Leihe Christi statt auf dessen neue Auferstehungsleihlichkeit vielmehr bloß auf die eucharistischen Elemente, sofern sie die V erleihlichung des Logosgeistes auf Erden fortsetzen. Aber eben dies kann von der neuen Lehre wie der Taufe so nun auch der Eucharistie zugestanden werden, daß sie dem Gläubigen die Garantie dieser zukünftigen Auferstehung - und zwar seines gegenwärtigen natürlichen Fleischesleibes zur Unvergänglichkeit sakramental garantiere, wiederum durch die Vermittlung des «lebendigmachenden» Geistes. So bestätigt und festigt sich auch in der durch die Notwendigkeit der Enteschatologisierung bedingten dogmengeschichtlichen Entwicklung der Lehre von der Eucharistie die Vorherrschaft der «physischen» Erlösungslehre. Nach ihrem Auftauchen in der johanneischen Theologie (Joh 6) wird diese neugeformte Theorie von der Wirkung des eucharistischen Sakraments bald einmal zur herrschenden kirchlichen Anschauung des nachapostolischen Zeitalters. Der V er gleich mit den Aussagen über die Wirkung der Taufe zeigt, daß, wie von vornherein zu erwarten ist, im wesentlichen nur ·die Terminologie anders lautet. Redet man bei der Taufe von der Wiedergehurt zum ewigen Lehen, so liegt es am nächsten, von der Eucharistie zu sagen, daß diese Speise den Fleischesleih (gelegentlich: mit ihm auch die Seele) zum ewigen Lehen oder zur 45
458
Siehe S. 420 ff.
Unsterblichkeit nährt 46 • Und so redet man nicht nur vom «Brot der Unsterblichkeit» 47 , sondern vom «Zauhermitteb oder «Heilmittel» der Unsterblichkeit und vom «Gegengift gegen den Tod», so nicht nur Ignatius, sondern gerade auch ein Theologe wie Athanasius 48 • Dem allem entspricht, daß in den eucharistischen Gebeten für die Gabe des ewigen Lebens oder der Unsterblichkeit gedankt 49 und Christus etwa als «Wurzel der Unsterblichkeit und Quelle der Unvergänglichkeit» gepriesen wird 50 • Zuweilen wird folgerichtig im Sinne der vorausgesetzten neuen Erlösungslehre die sakramentale Wirkung auch als Vergottung bezeichnet 51 • Bemerkenswerterweise macht sich stellenweise das Bestrehen geltend, die Gleichschaltung der neuen Lehre von der Eucharistie mit der Lehre von der Taufe soweit zu treiben, daß auch mit der Eucharistie die Gewährung einer Sündenvergebung verknüpft wird, eine Tendenz, die angesichts des durch die dogmatisch festgelegte Einmaligkeit der mit der Taufe gewährten Sündenvergebung geschaffenen, drückenden Problems sehr verständlich ist 52 . 46 D i da c h e X, 3 (Zitat siehe S. 453, Anmerkung 23); Iren ä u s (adv. haer. IV, 18, 5) fragt: JtW~ ,;i)v O"UQX!l Hyoucrt (sc. die Gnostiker) sL; qJ\}OQUV :X:WQELV xal flil flE'tEJGELV •\i<; l;,wft~, ,;i)v aJto ,;oü crffi[la,;o~ ,;oü xuelou xat ,;oü
31
459
Wesen und Tragweite der Umbildung des eucharistischen Dogmas werden vollends verdeutlicht durch die Art und Weise, wie sich die damit vollzogene Enteschatologisierung der urchristlich-paulinischen Auffassung vom Herrnmahl in der Gestaltung der kirchlichen Feier und ihrer Liturgie auswirkt. Mit der eigentümlichen Bezogenheit sowohl der historischen Mahlfeier Jesu wie auch der urchristlichen Gemeindefeier auf das eschatologische messianische Mahl im Reich Got· tes (oder des Messias) ist ohne weiteres deren Charakter als einer durch eschatologische Bitt- . und Dankgebete geweihten Gemeindemahlzeit gegeben. Je mehr mit dem Erlöschen der Naherwartung der Parusie die Bezogenheit auf das messianische Mahl im kommenden Reiche ver· blaßt und je deutlicher die neue Lehre die Vorstellung des rein rituellsakramentalen Genusses einer «Medizin der Unsterblichkeit» in den Vordergrund rückt, desto mehr tritt in der konkr~ten Gestaltung der eucharistischen Feier der Charakter einer Sättigungsmahlzeit zurück und verliert sich schließlich ganz. Dabei ist jedoch aus der Tradition die Erinnerung daran nicht ohne weiteres zu tilgen, daß die Eucharistie einst ein solches Sättigungsmahl tatsächlich war. Daher führt die Entwicklung im nachapostolischen Zeitalter zunächst in ein Übergangsstadium: Die bisherige Gemeindemahlzeit verschwindet nicht einfach, sondern wird vom eigentlichen eucharistischen Kultakt abgelöst und als «Agape» zur Speisung der armen Gemeindeglieder auf den Sonntagabend (tempore accensu lucernae) verlegt. An die Eucharistie erinnert dabei die vorausgehende Austeilung von geweihtem Brot - allerdings nun mit der neuen Zweckbestimmung des Schutzes vor dem Teufel 53 • Tertullian freilich hat die großkirchlichen Agapenmähler bissig verspottet: «Bei dir siedet die Liehe im Kochtopf, der Glaube brennt in den Küchen und die Hoffnung beruht auf den Schüsseln» 54 • Das eucharistische Gebet bleibt· auch weiterhin «Eucharistia» d. h. «Danksagungsgebet», was es von Anfang an gewesen war 55 • Nur verliert es die ursprüngliche, besondere eschatologische Bestimmtheit durch 53 Hier mag der Hinweis auf die diesbezüglichen Bestimmungen und Anordnungen der C an o n es des Hip p o I y t (XXXII-XXXIV) genügen. 54 Te r tu ll i an, de jejunio adv. psych. 17. Er fügt sogar noch verschärfend die Verdächtigung bei: sed maioris est agape, qnia per haue adulescentes tui cum sororibus dormiunt. 55 Solche Dankgebete werden beispielsweise reproduziert in der D i da c h e (IX. X) und in den Acta J o h an n i s 85 (Lipsius-Bonnet II, 1, S. 193). Dabei fehlt nicht nur in den Gebeten der Didache, sondern auch noch in spätern Liturgien die
460
die Vorstellungen und Hoffnungen der Naherwartung der Parusie. Das deutlichste und bezeichnendste Symptom dieser Wandlung ist die Verdrängung der Bitte um die eschatologische Wiederkunft des himmlischen Christus durch die Epiklese. Die Epiklese bittet nicht mehr um die Parusie des Christus zur persönlichen Vereinigung mit der zum Mahl vereinigten Gemeinde im anbrechenden Reiche der Endzeit, sondern um die Herabkunft des Logosgeistes zur Verbindung mit den Elementen der eucharistischen Speise und deren Weihung zu «Leibll und «Blut» Christi 56 • Diese Anrufung des Geistes ist seit Irenäus bezeugt 57 und liegt in zahlreichen alten Liturgien des Ostens und Westens im Wortlaut vor 58 • In einzelnen alten Formularen gehen ursprüngliche Parusiebitte und Geistepiklese noch durcheinander oder nebeneinander her 59 • Cyrill von J erusalem bezeugt ausdrücklich,. daß eben durch die Rezitation der Epiklesenformel das Wunder der Verbindung der Elemente mit dem Geist bewirkt werde 60 • Reproduktion der sogenannten «Einsetzungsworte>> Jesu, was beweist, daß diese in der Tat in der ältesten Zeit in keiner Weise das Wesen der Feier selbst begründeten. Zu solcher Bedeutung kam die «Einsetzungsperikope» erst im Verlaufe der Ent· eschatologisierung. 56 H. Li e t z man n warnt hier mit Recht vor einem Mißverständnis: «Vor allem hüte man sich, in die Epiklese eine unausgesprochene W andlungshitte hinein zu interpretieren. Es steht ganz klar und logisch da, der heilige Geist möge .auf die Elemente kommen und durch deren Gerruß in die Kommunikanten eingehen; da hat eine Wandlung gar keinen Sinn>> (Messe und Herrnmahl, S. 177). 57 Iren ä u s (adv. haer. IV, 18, 5): rot; "fUQ UltO yf\t; liQ'tOt; ltQO
°
o
461
Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang die kirchliche Exegese des Unservatergebets, das nachweislich von altersher einen wesentlichen Bestandteil der eucharistischen Liturgie ausmacht 61 , wo es auch erst die im synoptischen Unservater-Text (Mt 6, 9-13; Lc 11, 2-4) noch fehlende Schlußdoxologie erhalten hat. Schon durch seinen eschatologischen Gesamtcharakter fügt sich dieses Gebet folgerichtig in die Danksagung des urchristlichen Herrnmahls ein, vor allem aber durch den eschatologischen Sinn der Brotbitt e. Denn nach der Intention Jesu ist unter dem «zukünftigen Brot», das Gott schon «heute» zu gewähren angefleht wird, die Speise des messianischen Mahles im hald anbrechenden Reiche Gottes zu verstehen 62 • Wenn aber das Unservatergebet auf Grund dieser Beziehung der Brotbitte auf das Herrnmahl weiterhin wesentlicher Bestandteil der kirchlichen eucharistischen Liturgie bleiben soll, so muß ihr ursprünglicher eschatologischer Sinn preisgegeben und das erbetene Brot auf die eucharistische Speise im Sinne der neuen Auffassung gedeutet werden. Origenes hat merkwürdigerweise noch Kenntnis von einer exegetischen Überlieferung, die den von Jesus gemeinten eschatologischen Sinn der Brotbitte ganz ausgezeichnet wiedergibt und damit die Richtigkeit der konsequent-eschatologischen Auffassung überraschend und glänzend bestätigt 63 • Allein begreiflicherweise verwirft er diese uralte Exegese. Seine Widerlegung setzt ein bei der Frage der Bedeutung des Ausdrucks bnoucrwv Mt 6, 11. Er verwirft die Ableitung von emEvat, 6t D i da c h e VIII geht das Unservatergebet dem eucharistischen- Dankgebet vor· aus. Hier erscheint auch die Doxologie am Schluß. Die unmittelbar anschließende und der eucharistischen Danksagung vorausgehende Anweisung, das Unservater dreimal des Tages zu beten, ist kein Grund zur Annahme, es handle sich beim Unservater nicht um eiu Stück der eucharistischen Liturgie. C y r i ll v o n J er u s a I e m bringt den Kommentar zum Unservater in einer Erläuterung der eucharistischen Liturgie. Danach wird das Unservater rezitiert nach dem Gebet für die Verstorbenen, das anf die Epiklese (nach Vollzug des spirituale sacrificium) folgt (Kat. XXIII, 1): cha f.LETU ,;o_iha ,;l)v cu:x;l)v AE"(Of.LcV EXcLV'l]V, l]v ö (J(J)Ti)Q lt!lQEÖWXc 'tOt~ OL%cLOL~ UUTOÜ f.LUltl]TUi:~. 62 Siehe A I b. S c h w e i t z e r , Die Mystik des Apostels Paulus, S. 233-235. Die Ableitung des EltLOU(JLOV Mt 6, 11 von EitLEVaL und die entsprechende Übersetzung «kommend» = · zukünftig ist sprachlich einwandfrei nnd zudem durch den Text der Brotbitte im Hebräerevangelium {panem crastinum da nobis hodie) gedeckt. 63 0 r i g e n es (de orat. 27, 13):· EQci: OE TL~ TO «EitLOUcrLOV» lt!lQU TO «EltLEV!lL» xaTEG)('IJf.LUTlcr1tm, rocrTE ahei:v iJf.Lii~ xcA.cuccrltaL ,;ov UQ'tOV ,;ov oixEi:ov ,;oü f.LEA.A.ov,;o~ aiiiivo;, LVU ltQOAaßwv !lU'tOV ö 1teo~ l]ö'l] iJf.LiiiV ÖmQttG'l]'tUL, rocrTE 'tO otovet !llJQLOV öolt'l]crÖf.LEVov crftf.LEQOV iJf.Li:V öo1tijvaL, «11Ttf.LEQOV>> f.LEV TOÜ llvccrTiii'to~ aiiiivo; A.af.Lßavof.LEvou, UÜQLOV öE TOÜ f.LEI..Aovm;. Auf die alte eschatologische Vorstellung ·weist auch noch der Text der Brotbitte im NT des Markion: TOV UQTOV cr o 'IJ TOV Emoucrwv ölöou i]~Li:v {wiedergegeben von 0 r i g e n es, in Lc, fragm. XLVI, ed. Rauer, S. 254).
462
will das seltene Adjektiv mit oiicrta in Zusammenhang bringen und daher übersetzen mit «was sich auf das Wesen bezieht». Ist nun unter dem Brot der Logosgeist zu verstehen, so ist er also mit dem aQ•o; i\moumo; bezeichnet als das Brot, «das der geistigen Natur (des Menschen) am angemessensten und seinem Wesen nach ihr verwandt ist», sich darum mit der S e e l e zu ihrem Heile verbinden kann 64 • Diese Exegese hat sich Origenes nur allzu offensichtlich von seinem philosophischen Spiritualismus in die Feder diktieren lassen. Tertullian verfährt schon in der Übersetzung der Brotbitte primitiver: panem nostrum quotidianum da nobis hodie, deutet also das i\moucrwv im Sinne von «täglich», wehrt daraufhin die Deutung auf die gewöhnliche tägliche Nahrung ab und bezieht folgerichtig die Bitte auf den täglichen Genuß der Eucharistie 65 • Cyprian hilft sich ebenfalls mit dieser Auslegung 66, während Cyrill von Jerusalem in seiner Erläuterung der eucharistischen Liturgie, wo er das Unservater auslegt, sich der Auffassung des Origenes anschließt 67 • Dem gleichen Spiritualismus huldigt auch die Auffassung des Hilarius 68 • Die Verbindung der Eucharistie mit dem Opfergedanken bedeutet eine weitere Phase im Prozeß der Enteschatologisierung der urchristlichen Mahlfeier, hat aber ihre unmittelbare Veranlassung in einem Umstand von sekundärer Bedeutung. Da das Taufsakrament als christlicher Antityp der alttestamentlichen Beschneidung gilt, so sucht man im Zeitalter der judaisierenden Tendenzen eine solche Beziehung auch für die Eucharistie und findet sie im Opferritus des Alten Testaments 69 • Im zweiten J ;:thrhundert, da gewisse Kreise im Streit um die Gesetzesfrage auch auf die altprophetische Kritik am Opferkultus aufmerksam werden und mit ihr speziell gegen die alttestamentliche Opferthora argumentieren, muß freilich lrenäus das neue Unternehmen noch be0 r i g e n es, de orat. 27, 9. T e r tu ll i a n , de orat. 6. 66 C y p r i a n , de dominica orat. 18. 67 C y r i ll von Je r u s a I e m (Kat. XXIII, 15, MG XXXIII, 1120): liQ•o~ öE oho; 6 ä.yw~ «E:n:toucruS;» i\cr,;Lv. &.v.t ,;oii «E1tL ,;i)v oi\cr[av» •ii~ 'IJllXij~ xa,;a,;acrcr6f.tEVO~. oÜ,;o; 6 UQ'tO~ oiix Ei~ XOLAtav XOOQEL xat EL; a<:pEÖQ<ÖVa i\xßci/../..E'taL. &./../..' Ei; :n:äcrav crou ,;i)v oi\cr[av &.vaötöo,;m Et~ Ül<:pEAELav croof.La'tO~ xat 'IJuxij~. 68 Ein H i I a r i u s fragment (H i I a r i u s, opp. ed. Feder IV, 231) lautet: «panem cotidianum da nobis hodie>>. quid enim turn vult deus, quam ut cotidie Christus habitet in nobis, qui est panis vitae et , panis e caelo? et quia cotidiana oratio est, cotidie quoque et detur, oratur. 69 Schon Justin argumentiert in diesem Sinne vom Alten Testament her (Dial. 41, 1): i] •ii; GEf.LLMI.Ero; M :n:eocr<:poQa (Lev. 14, 7) ... i] fmee ,;iöv xaitaQL~Of.LEVrov &.:n:o ,;ij; /..ß:n:Qas; :n:QoCJ<:pEQEcritaL :n:aQaöoitEi:oa, ,;u:n:o; ijv ,;oü liQwu •ii; EUXUQLCJ'tta;. 64
65
463
sonders nach dieser Seite hin sichern 70 • Im Einzelnen bleibt vorderhand die Auffassung der Eucharistie als Opfer noch uneinheitlich. Das ist nicht zu verwundern. Denn da von Haus ans die Eucharistie mit dem alttestamentlichen Opferritus gar nichts zu schaffen hat, so bleibt das ganze Unternehmen von vornherein auf ein willkürliches Experimentieren angewiesen 71 • Es ist leicht verständlich, daß der ganze Prozeß der Enteschatologisierung der urchristlichen Auffassung vom Herrnmahl und deren Umbildung zur neuen kirchlichen Lehre von der Eucharistie ehensowenig ohne Schwierigkeiten sich durchsetzen kann wie die entsprechende Umbildung der Lehre von der Taufe. Was wird aus dem Herrnmahl für diejenigen, die ebenso wie das übrige nachapostolische Christentum dessen urchristlich-paulinische Bedeutung preisgeben müssen, die großkirchliche Neubildung der eucharistischen Lehre aber nicht als berechtigt anerkennen können? In dieser Lage befindet sich die «Häresie», sofern sie, wie vor allem die Gnosis, auch weiterhin mit Paulus Erlösung nicht als Erlösung des Fleischesleibes, sondern als Erlösung vom Fleische versteht und daher die Eucharistie genau so wenig wie die Taufe als ein Sakrament auffassen kann, das, wie die Großkirche nun gegen Paulus zu behaupten anfängt, die zukünftige Auferstehung des natürlichen Fleischesleibes zur Unvergänglichkeit gewährleisten soll. Die Gnosis muss demnach entweder das Herrnmahl überhaupt preis· geben, oder dann ebenfalls eine neue eucharistische Theorie aufstellen, die sich jedoch von der großkirchlichen notwendig dadurch unterscheidet, daß sie, im Einklang mit der gnostischen Erlösungslehre, als sakramentale Wirkung nicht die Garantie der Fleischesauferstehung behauptet. Beides ist dogmengeschichtlich bezeugt. Gleich schon lgnatius muß energisch auftreten gegen eine häretisch gnostische Ablehnung der 70 Iren ä u s (adv. haer. IV, 18, 2): et non genus oblationum reprobatum est: oblationes enim et illic, oblationes autem et hic, sacrificia in populo, sacrificia in ecclesia; sed species immutata est tantum, quippe quum iam non a servis, sed a liberis offeratur. 71 Gute Zusammenfassung des Tatbestandes bei H. Li e t z man n (Messe und Herrnmahl, S. 82): «
464
Eucharistie 72 • Und aus der Art und Weise, wie lrenäus die kirchliche eucharistische Theorie eben im Zuge der Polemik gegen die Gnosis aufstellt, geht unmittelbar hervor, daß diese die neue Lehre von der Ernährung des Fleischesleibes durch die pneumatische Speise des Sakraments zum ewigen Leben entschiede~ bestreitet 73 • Indessen haben nur einzelne, nicht alle gnostischen Schulen dieses Sakrament grundsätz· lieh aufgegeben. Andere haben es auf ihre Weise ausgestaltet. Auf die seltsameil eucharistischen Auffassungen und Riten der Ophiten und Stratiotiker wurde bereits hingewiesen. Besondere Beachtung verdient aber die Eucharistie der valentinianischen Markosier. Nach lrenäus, Clemens Alexandrinus, Hippolyt und Epiphanius wird in dieser gnostischen Eucharistie durch eine Epiklese die wirkliche Verwandlung des Weines in das Blut der Allmutter Charis bewirkt, so daß der weiße Wein die rote Farbe annimmt 74 • Damit ist die problemgeschichtlich interessante Tatsache festgelegt, daß der Gedanke der Transsubstantiation erstmals in der eucharistischen Theorie einer gnostischen Sekte auftaucht 75 , dies in einer Zeit, da die großkirchliche Lehre dieses Dogma nicht nur noch gar nicht kennt, sondern auch gar nicht daraufhin angelegt ist und es daher ablehnt 76 • Erst nach Abschluß der Periode 72 I g n a ti u s (Smyrn. 7, 1): t'Ö:x;aQL
'to
c
465
der Entstehung des Dogmas, im Zeitalter der dem Frühmittelalter zustrebenden Entwicklung, hat die Kirche das gnostische Transsubstantiationsdogma selber übernommen und ihm die ihr gutscheinende besondere Prägung gegeben. Die Wirkung der Eucharistie, des Sakraments überhaupt, sieht die Gnosis in der Verleihung magischer Kräfte, die entweder die Fähigkeit der Prophetie verleihen oder der Seele auf ihrer Himmelsreise nach der Erlösung aus dem Körper die Macht gewähren, sich beim Passieren der Archonten, der überirdischen Wächter in den Sphären, den Weg in die Höhe freizumachen 77 • Mit dieser Auffassung hat die Gnosis auf ihre Weise eine Beziehung der Eucharistie zur Eschatalogie mit Hilfe einer Umdeutung festgehalten. Außerdem wird gelegentlich der Gedanke einer Entsündigung vertreten 78 • Eine besondere Mittelstellung zwischen der radikalen antisakramentalen Gnosis und der gewöhnlichen großkirchlichen Theologie nimmt der Spiritualismus der alexandrinisch-kirchlichen Gnosis ein, vertreten durch Clemens Alexandrinus und Origenes. Aber auch ein Theologe wie Euseb von Caesarea gehört hieher, der zudem wohl als Zeuge dafür gelten kann, daß auch die Arianer sich von der gemeinkirchlichen eucharistischen Lehre mehr oder weniger distanzierten. Erwiesenermaßen lehnt der origenistische Spiritualismus das unpaulinische Dogma von der Auferstehung des Fleischesleibes ab. So muß ihm die von der gewöhnlichen kirchlichen Theologie behauptete sakramentale Vermittlung des Logosgeistes an den Fleischesleib bedeutungslos bleiben. Daher kommt es zu einer spiritualistischen Umdeutung der kirchlichen Lehre von der Wirkung der Eucharistie: Das wahre Lebensbrot, die wahre pneumatische Speise ist der Logosgeist selbst, und nicht durch Essen und Trinken der Eucharistie, sondern durch die Gabe der wahren Gnosis wird er zur geistigen Nahrung der Seele. In diesem Sinne äußert sich Origenes mehrmals 79 , und vor ihm hat schon Clemens Alexandrinus 77 Pi s t i s S o p h i a 142 (C. S c h m i d t, Koptisch-gnostische Schriften, 1905, I, S. 243): Hier feiert Jesus mit seinen Jüngern die Eucharistie geradezu während des Aufstiegs in das Lichtreich; vgl. zur Sache C. S c h m i d t, Gnostische Schriften in koptischer Sprache, TU VIII, 1 f., S. 530. 7S P i s t i s S o p h i a 141. 79 Z. B. 0 r i g e n es (in Matth. Comm. ser. 85): panis iste, quem deus verhum corpus suum esse fatetur, verhum est nutritorium animarum, verhum de deo verbo procedens et pavis de pane caelesti, qui positus est super mensam, de qua scripturn est (Ps. 22, 5). Et potus iste, quem deus verhum sanguinem suum fatetur, verhum est potans et inebrians praeclare corda hihentium . . . et est potus iste generatio vitis verae quae dicit: (Joh 15, 1) ... non enim panem illum visibilem, quem tenebat in manihus corpus suum dicehat deus verhum, sed verhum in cuius mysterio fuerat panis ille frangendus. nec potum illum visihilem sanguinem suum dicehat, sed verhum
466
den gleichen Weg gewiesen 80 • Es ist klar, daß dieser Spiritualismus wie· das sakramentale Verständnis der johanneischen Aussagen über das Lehenswasser so auch die eucharistische Deutung der Darlegungen von Joh 6 über das Essen und Trinken des Fleisches und Blutes des Menschensohnes notwendig ablehnen muß, womit er auch hier die neuzeitliche nichtsakramentale Auslegung des Johannesevangeliums nicht nur vorwegnimmt, sondern tatsächlich mit veranlassen hilft 81 • in cuius mysterio potus ille fuerat effundendus. nam corpus dei verbi aut sanguis quid aliud potest esse nisi verbum quod nutrit et verbum qU:od laetificat cor? •.. et quod ditit: «accipiens Jesus panem>>, similiter et <
a
467
Zweiter Abschnitt
Die Neugestaltung des Dogmas vom Erlösungswerk Christi Der von der johanneischen Theologie ausgehende Neuansatz in der Lehre von der Erlösung und ihrer sakramentalen Verwirklichung weist die Richtung für die infolge der Enteschatologisierung unvermeidlich werdende Neugestaltung der Lehre vom Erlösungswerk - schließlich dann notwendig auch von der Person Christi. Es formt sich hier wirklich ein durchgreifender und einheitlicher innerer Gesamtzusammenhang heraus. Mit vollem Recht stellt schon lrenäus fest (siehe S. 453 Anmerkung 19), daß Erlösungslehre und Lehre vom (epcharisti" sehen) Sakrament auf einander abgestimmt sind und einander bestätigen. Und zwar bildet das Postulat der Garantie der (zukünftigen) Auferstehung des Fleischesleibes den beherrschenden gemeinsamen Beziehungspunkt. Vor lrenäus hat Justin (siehe S. 452 f. Anmerkung lS) auch schon die entsprechende Beziehung zwischen der Lehre vom (eucharistischen) Sakrament und der neuen Lehre von der Fleischwerdung des göttlichen Logos festgestellt. Man könnte hier selbstverständlich mit ebensoviel Recht die Lehre vom Taufsakrament einsetzen. Derartige Aussagen liegen auch tatsächlich vor. Athanasius behauptet eine kausale Beziehung zwischen der Fleischwerdung (Inkarnation) des Logos und der Möglichkeit der vergottenden Wiedergeburt in der Taufe 1 • Wiederum ist der beherrschende Beziehungspunkt zwischen der Lehre vom Sakrament und der Lehre von der Inkarnation des Logos die neue Lehre von der Erlösung des Fleischesleibes vom Todesverhängnis. Sehr schön tritt der innere, notwendige Zusammenhang der Idee vom Zweck der Fleischwerdung des Logos mit der Idee des den Fleischesleib «vergottenden» Sakraments in einer Äußerung des Hilarius zutage 2 • 1 At h an a s i u s (Orat. c. Arian. 111, 33, MG XXVI, 396): ltlaneQ yaQ E'X. yij; övn; nuv'te; EV 'tii> 'AM11 (mo{}vijaxof.tEV. otlno; livro{}ev E~ tllia'to; 'X.
o;
468
w;
Genau besehen gestaltet sich der Gesamtzusammenhang der neuen Lehre in folgender Weise heraus: Prinzipiell geschieht die Vergottung des menschlichen Fleischesleibes in der Inkarnation des göttlichen Logos, sofern dieser sich im irdischen Christus mit einem solchen Leibe unmittelbar verbindet und in ihm Wohnung nimmt. Endgültig offenbar wird die Vergottung an der durch Tod, Auferstehung und Erhöhung hindurch erfolgenden Verklärung dieses Fleischesleibes. Auf die einzelnen Gläubigen aber kann der Vorgang vermöge sakramentaler Vermittlung übertragen werden, weil auf Grund der einmal erfolgten Inkarnation die hier prinzipiell erreichte Verbindung des Logosgeistes mit irdischer Materie nunmehr nach - ja in Wahrheit gerade infolge! Tod und Auferstehung Jesu in den Sakramenten der Taufe und der Eucharistie in mitteilungsfähiger Form möglich wird. Bestimmt und deutlich ausgeführt wird dieser Gedanke in der neuen Theorie von der Schaffung der Sakramente durch den Tod Jesu. So entsteht eine neue Lehre vom Erlösungswerk Christi, die sich von der urapostolisch-paulinischen in ihrer andersartigen Struktur von vornherein schon dadurch unterscheidet, daß in ihr die Menschwerdung des himmlischen Christus (genauer nun: des Logos) ebenso konstitutive Bedeutung erhält wie sein Tod und seine Auferstehung. Die Feststellung, daß die neue kirchliche Lehre vom Erlösungswerk Christi gemäß den durch die Lehre von der sakramental vermittelten Erlösung gewiesenen Richtlinien entworfen wird, ist auch nach ihrer negativen Seite hin problemgeschichtlich bedeutsam. Denn mit dieser Feststellung wird zugleich evident, daß die neue Lehre vom Erlösungswerk Christi nicht entstanden ist als eine Umdeutung des urchristlichpaulinischen Dogmas von der Heilsbedeutung des Todes (und der Auferstehung) Jesu. Man kann sie daher tatsächlich darstellen ohne Bezugnahme auf das ursprüngliche, eschatologische Dogma. Wieviel ein Theologe des nachapostolischen Zeitalters von den Bruchstücken dieses der Enteschatologisierung verfallenen Dogmas in irgendwelcher Umdeutung neben der neuen Lehre und ohne innern Zusammenhang mit ihr noch mitführt, ist durch zufällige Faktoren bedingt und problemgeschichtlich bedeutungslos. Höchstens ist die Tatsache selbst, daß dies in regellos verschiedenem Ausmaß wirklich geschieht und so aufs Ganze gesehen den Eindruck des Chaotischen nicht unwesentlich verschärft, als ein Symptom der großen Krise zu beurteilen. Beachtenswert sind nur die besondern, vereinzeltim Fälle, in denen gelegentlich der schiichterne Versuch unternommen wird, einem bestimmten Motiv des ur-
469
sprungliehen Vorstellungskreises von der neuen Lehre her eine neue Begründung und Rechtfertigung zu geben. Allein auch in solchen Ver· suchen dokumentiert sich dann nur das faktische Übergewicht, das sich die neue Auffassung im Rahmen des gesamten dogmatischen Neubaus gegenüber den Überresten der urchristlich-paulinischen Lehre zu ver· schaffen vermag. Erstes Kapitel Die Heilsbedeutung der Inkarnation des Logos Mit der Spekulation über die Heilsbedeutung der Inkarnation des göttlichen Logos verläßt das hellenistische Christentum den Boden des ursprünglichen apostolischen Glaubens völlig und bebaut grundsätzlich Neuland. Der im menschlichen Fleischesleih erscheinende göttliche Lo~ gos ist nicht mehr der apokalyptische Menschensohn des urchristlichen Glaubens. Und daß man jetzt eine neue Theorie aufstellt, nach welcher der göttliche Logos das Werk der Erlösung im Ereignis seiner Inkarnation, seiner «Fleischwerdung» selbst leistet, weist mit auffälliger Deutlichkeit auf die Tatsache zurück, daß die ursprüngliche uraposto· lisch-paulinische Lehre von der durch Tod und Auferstehung Jesu voll· brachten Erlösungstat in der großen Krise der Enteschatologisierung endgültig problematisch geworden ist. Konnte der Anstoß zu einer derartigen Spekulation überhaupt anderswo herkommen als von solcher Theologie, für die Tod und Auferstehung Jesu in dieser Krise ihre Bedeutung für die Erlösung prinzipiell zu verlieren drohten? Hier ist der Gnosis zu gedenken. Sie verlangt in dieser Hinsicht auch deshalb schon Beachtung, weil die neue kirchliche Spekulation über die Inkarnation in reicher Ausgestaltung erstmals auftritt in dem vor allem gegen die Gnosis gerichteten Werke des lrenäus. Damit stellt sich die Frage, ob die Theorie des lrenäus nur die antithetische Ausführung des Grundgedankens einer vorher von der Gnosis auf ihre Weise entworfenen Spekulation darstelle. Die ophitischen Sethianer haben die Heilsnotwendigkeit der Inkarnation des Logos durch die Gehurt Jesu aus der Jungfrau behauptet und begründet: Der Logos geht ein in die Jungfrau, um den in der Unreinheit ihres Mutterleibes gefangenen Geist aus seinen Banden zu lösen 1• Nach dem Valentinianer 1 Hip p o I y t (Refut. V, 19, 20): EL
470
Markus erfolgt die Inkarnation des Logos nicht durch Zeugung und Geburt aus der Jungfrau, sondern im Herabkommen und Eingehen des Geistes in Jesus bei der Taufe. Sie wird für die Erlösung wichtig dadurch, daß in Jesus mit dem in ihn eingehenden Logosgeist zugleich der Same aller derer vereinigt wird, die gleichen Ursprungs mit ihm sind und «mit ihm hernieder- und hinaufsteigen» 2 • Es ist in diesem Zusammenhang auch von einer «Üekonomie» (Heilsordnung) die Rede. Der Zweck der Inkarnation ist hier bestimmt durch den beherrschenden Hauptgedanken der gnostischen Erlösungslehre: Befreiung des Geistes aus der Materie (des Fleischesleibes). Nun bildet auch die großkirchliche Theologie eine Theorie der Erlösung durch die Inkarnation des göttlichen Logos aus, aber in der Tat als Antithese zur gnostischen Auffassung: eben mit einem menschlichen Fleischesleihe verbindet sich der Logos in der Inkarnation, um ihn kraft dieser V erbindung vom Todesverhängnis zu erlösen. Der Sache nach, wenn auch nicht in der beziehungsreichen irenäischen Ausgestaltung, findet sich der Gedanke schon vor lrenäus, so bei Justin 3 und Melito 4 und ist nichts anderes als die Explikation der von der johanneisch-ignatianischen Theologie aufgestellten These, daß der Logos Fleisch ward (Joh l, 14). Bei lrenäus lautet der theologische Fundamentalsatz: «Wenn der Mensch nicht mit Gott verbunden worden wäre (sc. durch die Inkarnation), so hätte er nicht Anteil erlangen können an der Unvergänglichkeit» 5 • Origenes stellt. seinem philosophischen Spiritualismus entsprechend, mehr die geistige Offenbarung Gottes an die Menschheit als Zweck der Inkarnation in den Vordergrund 6 , und diese Tendenz 2 Hip p o I y t (Refut. VI, 51, l f.): eA.{}c'JV1:o<; öe uli·wil {'lrtaoil) El<; -r:o ÜÖWQ, %(HEJ,{}Ei'V EL<; uli-r:ov ro<; :TtE(lLO""CE(lU'V "CO'V xu-r:ußulvov-ru U'VW xut :7tA1'](lWO"U'V"tU "tO'V ÖEXU· -r:ov &Qt{}!lov E'V
u
471
kennzeichnet auch andere Origenisten 7 • Aber selbst Origenes macht der neuen großkirchlichen Inkarnationstheorie das Zugeständnis: Wenn Adam bereits der Unvergänglichkeit teilhaftig geworden wäre, so hätte die Inkarnation des Logos überhaupt nicht stattgefunden 8 • Athanasius eignet sich heide Gedanken an, stellt aber wie alle· großkirchlichen Theologen, die der von lrenäus so klar und scharf entwickelten Theorie folgen, die Erlösung des Fleischesleibes von der Unvergänglichkeit durchaus in den Vordergrund 9 • U eher die Frage, wie dem vom Logos angenommenen «Fleisch» die Unsterblichkeit verschafft worden sei, gibt noch in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts Hermas eine Auskunft, die deshalb zu erwähnen und vorwegzunehmen ist, weil sie nicht charakteristisch großkirchliche Auffassung wurde. Danach hat diese Fleischesnatur durch ihr dem Logos so wohlgefälliges, gutes Verhalten sich die Unsterblichkeit als Lohn verdient. Hier ist die kirchliche Anschauung von der Art und Weise, wie der GI ä u h ig e den ihm zur Erlösung seines sterblichen Fleischesleibes sakramental verliehenen göttlichen Geist zu «hewahren» habe, auf Christus selber übertragen 10 •. Die andersartige Auf7 Vgl. etwa Eu s e b (dem. evang. VII, 1, 22 ff.): tv' o:tiv )t!XL ÖLil O'W!J.U:&
18, 8. 9 At h an a s i u s (de incarn. 16; MG XXV, 124 f.): Uf.llpO"tEQa yuQ ElpLÄavfrew:rtEUE"tO ö O'W"ti)Q ÖLU -ri]<; svavftew:rcf}crEw<;, ön xal TOV ftuva-cov s; ft!J.WV fJipUVL~E xal UVEl\
472
fassung, die in der Großkirche üblich geworden ist, kann man sich kurz und gut am unmißverständlichsten vergegenwärtigen an einem Vergleich von massiver Anschaulichkeit, mit dem einmal Hippolyt sie illustriert. Danach hat der Logos als Bräutigam sich aus dem heiligen Fleisch der heiligen Jungfrau ein Gewand gewoben, des Nähern so, daß er als Aufzug die ihm selbst eigene Kraft des heiligen Geistes und als Gewebeeinschlag das heilige Fleisch der Jungfrau benützte. Dieses «Gewand» , ist der von ihm bewohnte menschliche Fleischesleib, der unvergänglich wird, weil er aus dem Geiste des Logos und menschlicher Leibesmaterie, also auch Unvergänglichem und Vergänglichem «gemischt» ist 11 • Nach Methodius wird in der Inkarnation des Logos das von ihm angenommene Fleisch nicht das Gewand des Bräutigams, sondern dessen Braut 12 • Selbst Euseb von Caesarea sagt später im Hinblick auf die großkirchliche Theorie von der Erlösung durch die Inkarnation: «Alles, was der Logos durch seine göttliche und unkörperliche Macht berührt, muß leben» 13• Von vornherein muß dabei auf die Tendenz geachtet werden, den Fleischesleib des inkarnierten Logos gewissermaßen als Repräsentant der allgemeinen Gattungssubstanz aufzufassen. In dieser Richtung bewegt sich durchaus auch schon die Denkweise des lrenäus. So wenn er davon spricht, der Logosgeist habe sich vereinigt mit der «alten Substanz des Adamgebildes» 14 oder mit «seinem Gebilde» schlechthin 15, und er habe auf diese Weise «das menschliche Geschlecht» umgestaltet 16• Ganz in irenäischem Sinne drücken sich später auch Hippolyt und Methodius, um das Gattungsmäßige zu betonen, so aus: Gott habe in der Inkarnation des Logos den Adam, der nach der ersten Erschaffung der Sterblichkeit verfallen war, zum zweiten Male geschaffen, diesmal nun aber, vermöge der Einigung und Vermischung mit dem Logos, als ein vor der Vergänglichkeit gesichertes Geschöpf 17 • Begrifflich präzis 11 Hip p o I y t, de antichristo. Das Gleichnis ist von Hippolyt noch komplizier· ter ausgeführt, als die im obigen Text gebotene zusammenfassende Wiedergabe erkennen läßt. 12 M e t h o d i u s , Sympos. VII, 8. 13 Eu s e b (dem. evang. IV, 13, 9 ff.): :TtUV'tO~ oü ö' &v E!pU.'IjiUL'tO (6 Myo~) evttecp %ut &awflu'tcp öuvuf1EL, ~ijv Toii'to &vuy%1J. 14 Iren ä u s (adv. haer. V, 1, 3): sie et in fine verbum patris et spiritus dei, adunitus antiquae substantiae plasmationis Adae ... 15 Iren ä u s (adv. haer. 111, 18, 1): uniturn suo plasmati. 16 Iren ä u s (adv. haer. IV, 24, 1): hunc (sc. filium dei) in novtsstmo tempore hominem in hominibus factum, reformasse quidem humanum genus. 17 Met h o d i u s, Sympos. 111, 5; Hip p o I y t, Danielkommentar IV, 11, 4.
473
formuliert erscheint dann das hier eigentlich Gemeinte bei Hilarius 1s_ Mit dem Gedanken, daß sich die in der Inkarnation zustandekommende Wirkung des Logosgeistes auf den menschlichen Fleischesleib als die Gattungssubstanz als solche bezieht, hängt eine dem lrenäus eigentümliche Vorstellung zusammen, die allerdings auch bei Hippolyt einmal auftaucht und die besonders deutlich sichtbar macht, wie physischmetaphysisch die ganze Spekulation über die Inkarnation (und die mit ihr zusammenhängende Erlösungslehre) im Grundzug gedacht ist. Damit die Wirkung der Inkarnation des Logos sich auf alle Entwicklungsstadien des Menschen beziehen könne, muß natürlich nach lrenäus das irdische Dasein des fleischgewordenen · Logos sich über alle Altersstadien des menschlichen Lebens vom Neugebornen bis zum Greis erstrecken, wobei lrenäus den Übergang zum Greisenalter schon «vom vierzigsten und fünfzigsten Lebensjahr an» eintreten läßt. In der Tat behauptet er mit Berufung auf die einstimmige, auf den «Jünger» J ohannes zurückgeführte asiatische Vätertradition, J esus habe diese aetas senior erreicht 19 • An die beschriebene metaphysisch-substantielle Verbindung, ja «Vermischung» des göttlichen Logosgeistes mit der Gattungssubstanz des menschlichen Fleischesleibes ist gedacht, wenn schon sowohl Irenäus wie Tertullian gelegentlich in diesem Zusammenhang Gewicht darauf legen, daß der «]ungfrauensohn» der Weissagung Jes 7, 14 «lrnmanuel». «Gott-mit-uns» heiße 20 • Und so wird denn auch folgerichtig gerade in 18 H i I a r i u s (de trin. II, 24): humani enim generis causa dei filius natus ex virgine et spiritu sancto . . . corporis sibi initia consevit et exordia carnis iustituit, ut homo factus ex virgine naturam in se carnis acciperet, perque huius admixtionis societatem sanctificatum in eo universi generis humani corpus exsisteret. Besonders deutlich hat aber G r e g o r v o n N y s s a den Gedanken herausgearbeitet. 19 Iren ä u s (adv. haer. II, 22, 4): omnem aetatem sanctificans per illam quae ad ipsum erat similitudinem. omnes enim venit per semetipsum salvare, omnes, inquam, qui per eum renascentur in deum, infantes et parvulos et pueros et iuvenes et seniores. ideo per omnem venit aetatem, et infantibus infans factus, sanctificans in· fantes; in parvulis parvulus etc. 111, 18, 7 (mit Bezug auf die gottmenschliche Eini· gung in der Inkarnation): quapropter et per omnem venit aetatem, omnibus restituens eam, quae est ad deum communionem. II, 22, 5: a quadragesimo autem et quin· quagesimo anno declinat (homo) iam in aetatem seniorem, quam habens dominus noster docebat, sicut evangelium et omnes seniores testantur, qui in Asia apud Joannem discipulum domini convenerunt, id tradidisse eis Joannem. Nach Epideix. 74 ist Jesus erst unter Kaiser C Ia u d i u s gestorben. Hip p o I y t (Refut. X, 33, 15):
,;oihov eyvwf.tEV Ex. n:uQ1ta\vou GÖJf.tU UVELAr]cp6m .•• ev ßlqJ öux n:UO'l]~ iji..Lxlu~ [f..l]i,ultthu. 20 Iren ä u s, adv. haer. 111, 19, 1. 3; Te r tu ll i an (de carne Christi 17): concepit igitur virgo et peperit Emmanuelem, nobiscum deum. haec est nativitas nova, dum homo nascitur in deo .. in homine deus natus est carne antiqui seminis suscepta sine semine antiquo, ut illam novo semine, id est spiritaliter, reformaret exclusis antiquitatis sordibus expiatam.
474
den Aussagen über Zweck und Wirkung der Inkarnation mit Vorliebe von der Vergottung des Menschen gesprochen. Wiederum steht auch hier lrenäus mit den deutlichsten und für die Folgezeit eindrückliebsten Formulierungen an der Spitze. «So hat er (durch die Menschwerdung) den Geist des Vaters mit dem Geschöpf Gottes vermischt und vermengt, damit der Mensch nach dem Bilde und nach der Ähnlichkeit Gottes sei» 21 • Der göttliche Logos ist «um seiner unermeßlichen Liehe willen geworden, was wir sind, damit er uns zu dem mache, was er selber ist» 22 • In verschiedenen Variationen läßt sich fortan in der großkirchlichen Theologie diese Melodie hören 23 , besonders deutlich und kräftig bei einem so typischen Vertreter wie Athanasius: Er seJbst, der göttliche Logos, «ist Mensch geworden, damit wir vergottet würden». «Der Logos wurde Fleisch, damit er den Menschen fähig mache, die Gottheit in sich aufzunehmen» 24 • Dabei betont Athanasius geflissentlich, wieder in vollem Einklang mit den für die großkirchliche Theologie maßgehlich gewordenen irenäischen Intentionen, den physisch-metaphysischen Charakter der Vergottung und ihrer Vermittlung: Es handelte sich darum, Gottheit und Menschenwesen in bezug auf ihre «Physis>> miteinander zu verbinden, und der Mensch wäre nicht vergottet worden, wenn die Wirksamkeit des göttlichen Logos nicht «durch den Leih» erfolgt wäre 25 • Begreiflich, daß Athanasius so unerbittlich, und zwar nach verschiedenen Seiten hin, das Dogma von der Homousie, der Substanzidentität des Logos-Sohnes mit Gott, dem Vater, verficht 26 • Und Irenäus, Epid.97. Iren ä u s, adv. haer. V, praef. 23 T er tu ll i an (adv. Mare. II, 27): conversabatur deus (hum,ane), ut homo divine agere docerebatur. ex aequo agebat deus cum homine, ut homo ex aequo agere cum deo posset . . . deus pusillus inventus est, ut homo maximus fieret. C y p r i an (quod idola dii non sint 11): quod homo est esse Christus voluit, ut et homo possit esse quod Christus est. Met h o d i u s (Sympos. I, 4): xa·wn:Ef.tcp{h:l~ Ö J..Oyo~ 21 22
et~ -rov x6crf.tov, ,;i]v lJflE-rEQUV f.tOQcp,iJv JtQO"tEQOV &vllt..aße n:ot..Aoi:~ UflUQ"ti]f.taCJL xa-recr-rLyJ.LEvYJV, 'Lva öi) -ri)v 'fretav lJf.tEi:~, ÖL' oll~ mho~ EcpOQECJE, n:af..Lv x.roeijcrm öuvY]'fr&f.tEV. 24
At h an a s i u s, de incarnatione 54 (MG XXV, 440). At h an a s i u s (Orat. c. Arian. II, 70, MG XXVI, 296):
o1hro; oux liv E'freon:oL'Il'fr'll ö liv'freron:o~, d f.til cpucreL EX -roü n:a-reo~ xal Ö.f..T)'frLvo~ xal 'iöto,; au-roü fiv ö Myo,;, ö YEVOf.tEVO>; CJaQ";. ÖLU ,;oü,;o YUQ "tOLUU"t'l'j yllyovev i] cruvwpi], 'ivu -ri!J xa-ru cpucrLV -rij; 'frc6-rT)-ro~ cruva'!Jn -rov cpucrcL liv'freron:ov, xal ßeßata yevT)-raL i] aro-rT)Qta xal i] 'freo:totT)CJL>; au-roü. Ill, 33: et yuQ ,;u ,;ij,; 'fre6-rT)-ro,; -roü J..Oyou ~Qya f.tiJ ÖLu ,;oü 11Wf.ta-ro,; i';yl\ve,;o, oux liv E'freon:mi]'frT) o:v'freron:o,;. . 25
26 Daß den Menschen nur vergotten kann, wer selbst wesensmäßig Gott ist, ist eine These, die Athanasius nicht nur gegen die Arianer verfochten hat. Gegen die Römer, die ihre Herrscher zu Göttern erheben, wendet er einmal ein: EÖEL öE 'freo-
JtOLOÜv-ra,; u\J,;ou,; flUAAOV au,;ou,; elvaL 'freou~. ,;o YUQ JtOWÜV ,;oü JtOLOUf.tEVOU XQEL"t"t:O'V dvaL Öci: (Orat. c. gentes 9, MG XXV, 21). 32
475
der Sieg dieser Christologie konnte den V ergottungsgedanken nur noch begünstigen 27 • Bei lrenäus ist deutlich zu bemerken, daß ihm mit einer gewissen Selbstverständlichkeit die Vorstellung der Einsetzung der Gläubigen zu «Söhnen Gottes», die ebenfalls durch die Inkarnation begründet ist, einfach zu einer Umschreibung des Vergottungsgedankens wird 28 . Ebenso symptomatisch für die beherrschende Stellung des V ergottungsgedankens im System des lrenäus ist die Tatsache, daß er auch den Begriff der Versöhnung von da her deutet: Die «Versöhnung» bewirkt der göttliche Logos dadurch, daß er in der Inkarnation die substanzielle Verbindung von Gott und Mensch herstellt. Dies ist gemeint, wenn lrenäus sagt, daß der Logos den Menschen mit Gott, delll Vater versöhnt, «indem er uns mit sich selbst versöhnt durch den Leib seines Fleisches». Und wenn er in diesem Zusammenhang sogleich auch noch das Blut Christi erwähnt, so ist gar nicht das Blut gemeint, das am Kreuz «vergossen» wird, .sondern es handelt, sich um den Gedanken, daß der Logos den Menschen mit sich und mit Gott, dem Vater, versöhnt, indem er sich mit einem menschlichen Leibe von Fleisch und Blut vereinigt. Daß es dabei vorab in der Tat auf die Vereinigung mit einem solchen Leibe ankommt, wird noch besonders unterstrichen durch die Erläuterung: Die Versöhnung wäre nicht zustandegekommen, wenn der Logos zur Inkarnation einen Leib «aus anderer Substanz» als derjenigen des menschlichen Leibes gewählt hätte 29 • Der Gedanke der Versöhnung durch den Kreuzestod wird dadurch nicht etwa verdrängt, aber auf eine sehr bezeichnende Art und Weise dem Gedankenkreis der Spekulation über die Inkarnation augepaßt und eingeordnet. Es geschieht mit Hilfe der Rekapitulationstheorie, die im übrigen mit verschiedenartigen Mitteln ausgebaut wird. 27 Siehe A p oll in a r v o n La o d i c e a (i] :Kll'ttl flEQO\; ltLO''tL\; 31, ed. Lietzmann, S. 179): iJt-tEt\; yag
476
Christus hat «alles in sich rekapituliert» 30 • Das heißt nach lrenäus: Der göttliche Logos hat in seiner Inkarnation das Menschengeschlecht so in sich «zusammengefaßt», daß dieses als Ganzes durch das Ereignis in bestimmter Hinsicht mitbetroffen wurde. Dies nämlich so, daß die Inkarnation des Logos «die durch den Sündenfall gestörte Entwicklung, servata similitudine, so wieder aufnimmt, daß die Störung wieder gutgemacht wird»: Vor allem die dem Adam infolge des Sündenfalles vorenthaltene Unsterblichkeit des Leibes wird nunmehr garantiert 31 • Besonders zu beachten ist aber die Art und Weise, wie dieser Gedanke des Nähern durchgeführt wird. Sofern die Inkarnation die Folgen des Sündenfalls aufhebt, muß die Art und Weise, wie dies geschieht, in Analogie stehen zu dem, was in Schöpfung und Sündenfall geschah. Der durch den Sündenfall sterblich gewordene Adam wurde aus der jungfräulichen Erde erschaffen; also muß seine 1\euschöpfung zur Unsterblichkeit in der Inkarnation des Logos durch Erzeugung und Geburt aus der Jungfrau erfolgen, damit sich « die Ähnlichkeit seiner Fleischwerdung mit der Adams zeige» 32 • Erweckte der göttliche Logos einst den Erdenkloß durch das Einhauchen seines Odems zu einem Leben, das freilich nachher der Sterblichkeit verfiel, so belebt er in der Inkarnation den Adam zur Unsterblichkeit, indem er selbst, der Logosgeist, sich mit dessen Fleisch und Blut innig ver 7 ·eint 33 • Daß die Rekapitulationstheorie auch in anderer Weise zu ana30 Der Ausdruck geht auf Eph I. 10 zurück; aber Iren ä u s verwertet hier eine Anregung des Justin, aus dessen «Syntagma» er (adv. haer. IV, 6, 2) eine Stelle zitiert, in der vom unigenitus filius gesagt wird: venit ad nos, suum plasma in semetipsum recapitulans. Man kann zwar fragen, ob dieser Passus wirklich noch zum Justin-Zitat gehöre, da dieses nicht ganz sicher vom Irenäustext abzugrenzen ist (R. Se e b e r g , S. 351, Anmerkung 2); allein Dial. 100, 4 f., bietet Justin Ausführungen, die der Sache nach in den Gedankenkreis der Rekapitulationstheorie gehören. 31 So Fr. L o o f s, Theophilus von Antiochien, S. 369. Siehe Iren ä u s (adv. haer. V, 14, 1): nec in semetipsum recapitulatus esset haec (sc. Fleisch und Blut) dominus, nisi et ipse caro et sanguis secundum principalem plasmationem factus fuisset, salvans in semetipso in fine illud, quod perierat in principio in Adam. 111, 18, 1: quando incarnatus est homo factus, longam hominum expositionem in ipso recapitulavit, in compendio nobis salutem praestans, ut quod perdideramus in Adam, id est secundum imaginem et similitudinem esse dei, hoc in Christo Jesu reciperemus. Te r tu ll i an (adv. Mare. V, 17) definiert: recapitulare id est ad initium redigere vel ab initio recensere. 32 Iren ä u s, Epid. 32; adv. haer. 111, 21, 10. 33 Iren ä u s (adv. haer. V, 1, 3): quemadmodum ab initio plasmationis nostrae in Adam ea quae fuit a deo adspiratio vitae, unita plasmati, animavit hominem et animal rationale ostendit, sie et in fine verbum patris et spiritus dei adunitus antiquae substantiae plasmationis Adae, viventern et perfeeturn effecit bominem.
477
logisieren vermag, zeigt Tertullian, der nach dem Vorbilde Justins 34 von der Parallele Eva-Maria ausgeht: Wie in die noch jungfräuliche Eva das «Wort» des Teufels einging und den Tod bewirkte, so in die Jungfrau Maria das lebendigmachende «Wort» Gottes (der Logos). Glaubte Eva der Schlange, so dafür Maria dem Engel Gabriel 85 • lrenäus aber bringt mit Hilfe einer weitern Analogie nun auch den aus dem Gesamtzusammenhang des ursprünglichen eschatologischen Dogmas isolierten Gedanken der Versöhnung durch den Kreuzestod Jesu in der Rekapitulationstheorie unter: Hat Adam einstmals sich durch eine Tat des Ungehorsams, begangen an dem «Holze» des Paradiesbaumes, mit Gott entzweit und verfeindet, so verbindet sich jetzt der Logos mit demselben Adam von Fleisch und Blut, um durch seinen Gehorsam bis zum Tode wiederum an einem «Holze», dem Kreuz - Gott zu versöhnen 36 • Diese Kombination wird auch in späterer Zeit noch vorgetragen S7 • Überhaupt hat die nachirenäische Theologie die Adam-Christus-Spekulation der Rekapitulationstheorie weiterhin gepflegt und gelegentlich durch Aufspüren neuer Analogien noch bereichert 38 • Es bedurfte nicht erst solcher Weiterungen im Ausbau der analogisierenden Rekapitulationslehre, um schließlich die Spekulation über die Bedeutung der Inkarnation für die Erlösung in dem Gedanken der Auferstehung des fleischgewordenen Logos ihren Abschluß finden zu lassen. Hier trifft sie ja in ganz natürlicher Weise zusammen mit ei-
J u s t in , Dial. 100, 4. Te r tu ll i an (de carne Christi 17): in virginem enim adhuc Evam irrepserat verbum aedificatorium mortis. in virginem aeque introducendum erat dei verbum exstructorium vitae, ut quod per eiusmodi sexum abierat in perditionem, per eundem sexum redigeretur in salutem. crediderat Eva serpenti, credidit Maria Gabrieli. 36 Iren ä u s (adv. haer. V, 16, 3): dissolvens enim eam, qu·ae ab initio in ligno facta fuerat, hominis inobedientiam, obediens factus est usque ad mortem, mortem autem crucis, eam quae in ligno facta fuerat inobedientiam salvans. So auch Epideixis 34. 37 V gl. etwa t r a c t. 0 r i g e n i s II (ed. Batiffol, S. 15): suspensus est dominus, ut peccata nostra, quae nobis ex transgressionis ligno obvenerant, in ligno crucis rursns per eundem hominem affixa punirentur~ 38 Vgl. z.B. Victorinus Petaviensis (de fabrica mundi 9): ut Adam illum per septimam reformaverit atque universae suae creaturae subvenerit, nativitate filii sui Jesu Christi domini nostri factum est. quis itaque lege dei doctus, quis plenus spiritu sancto non respiciat corde, ' ea die Gabriel angelum Mariae virgini evangelizare, qua die draco Evam seduxit? ea die spiritum saueturn Mariam virginem inundasse, qua lucem fecit? ea die in carne esse conversum, qua terram et aquam fecit? ea die in lacte esse conversum, qua stellas fecit? ea die in sanguine, qua terra et aqua fetus suos ediderunt, ea die in carne esse conversum, qua die hominem de 34
35
478
nem Ergebnis, das sich in der Entwicklung der Problematik der ur.sprünglichen eschatologischen Christologie des Urchristentums an einem bestimmten Punkte herausgestellt hat: Von der ursprünglichen Anschauung, daß Jesus von Nazareth als Messias designatus durch Tod und Auferstehung hindurch zu Wesen und Würde des himmlischen Menschensohnes erhöht und verwandelt worden sei, bleibt, nachdem im Prozeß der Enteschatologisierung das Verwandlungsschema durch das Zweinaturenschema ersetzt worden ist, die Vorstellung von einer Verwandlung der «menschlichen Natur» Christi durch Auferstehung und Erhöhung im Sinne der «Vergottung» ührig 39 • Mit dieser Auffassung kann sich nun die Lehre von der Vergottung des Menschen durch die Inkarnation verschmelzen und den Ausgleich in der Weise herstellen, daß man die in der Inkarnation einsetzende Vergottung im Sinne einer Garantierung der Auferstehung des Fleischesleibes zur Unvergänglichkeit in der Auferstehung Christi zur Vollendung kommen läßt. In diesem Sinne sagt lrenäus von der Geburt Jesu, daß der Herr sie «für uns auf sich nahm, indem das Wort Fleisch wurde, um die Auferstehung des Leibes zu erweisen und allen voranzugehen in den Himmel» 40 • In dieser Sache geriet dann allerdings Mareeil von Ancyra in eine seltsame Verlegenheit, die Euseb von Caesarea in seinem Streit gegen ihn nicht verfehlte auszunützen. Einerseits wollte auch er an der Auffassung festhalten, daß der göttliche Logos den menschlichen Fleischesleib annahm, um diesem in seiner Auferstehung die Unsterblichkeit zu verschaffen. Anderseits mußte nach seiner radikalen Auslegung des neuen orthodoxen Dogmas von der Substanzidentität des Logos mit Gott, dem Vater, der Logos nach der Auferstehung den menschlichen Leib wieder verlassen, um in die Gottheit des Vaters zurückzukehren. Was aber wurde denn nun aus diesem zur Unsterblichkeit erhobenen~ aber vom Logos verlassenen Menschenleibe? Mareeil antwortet resigniert: «Frage mich nicht nach Dingen, über die ich aus humo instruxit? ea die natum esse Christum, qua hominem finxit? eadem die esse passum, qua Adam cecidit? ea die resurrexisse a mortuis, qua lucem fecit? Im Zuge solcher analogisierender Konstruktionen der Rekapitulationstheorie ist wohl auch die zuerst bei 0 r i g e n es (Comm. in Matth. ser. :1_26) nachweisbare Auffassung aufgekommen: quod corpus Adami primi hominis ibi sepultum est, ubi erucifixus est Christus. 39 Siehe S. 370, Anmerkung 104. 40 Iren ä u s, Epideix. 39. So auch Nova t i an (de trin. 10): resurrectionis nostrae leges in sua carne monstravit, qui corpus quod ex nobis habuit, in sua resurrectione restituit.
479
~er göttlichen Schrift nichts Deutliches erfahren habe! So werde ich eben auch nichts Klares sagen können über jenen göttlichen, mit dem Logos vereinigten (aber von ihm verlassenen) Fleischesleib» 41 • Die neue Lehre aber von der Erlösung, die der göttliche Logos schon durch seine Inkarnation vollbrachte, vermochte sich in der Großkirche derart durchzusetzen, daß sie in mehreren Symbolen als gültiges Dogma gegen allen Widerspruch festgelegt und geschützt wurde. Erstmals erscheint sie als solcher Bestandteil der von den Aposteln her überlieferten Glaubensregel bei lrenäus selbst 42 • Die Festlegung im Symbol war notwendig. Sie bedeutete eine Entscheidung und Sicherung im Kampfe gegen den häretischen Doketismus.
Zweites Kapitel Die sakramentale Deutung des Todes Jesu In der modernen Dogmengeschichtsschreibung ist eine seltsame Unterlassung festzustellen. Sie besteht darin, daß die großen Gesamtdarstellungen der altkirchlichen Dogmengeschichte kaum Notiz genommen haben von der offenkundigen Tatsache, daß die Kirche des nachapostolischen Zeitalters eine neue Lehre von der Heilsbedeutung des Todes J esu ausgebildet hat, die genau nach den Grundintentionen ihrer neuen Lehre von der Erlösung, deren objektiver Verwirklichung in der Inkarnation des göttlichen Logos und Vermittlung an die einzelnen Gläubigen durch die Sakramente entworfen ist. Eine Lehre also, die im Gesamtzusammenhang des dogmatischen Neubaus der nachapostolischen Kirche als unerläßliches Erfordernis erscheint. Es ist die Lehre von der Schaffung der Sakramente durch den Tod Christi. Über die Ursachen dieser Unterlassung lassen sich begründete Vermutungen anstellen. Einmal haben in der alten Kirche über diese Lehre keine Streitigkeiten geführt werden müssen. Sie hat keine auffällig bewegte oder komplizierte, durch Thesen und Antithesen mühsam hindurchschreitende Entstehungsgeschichte. Sie setzt sich in aller Stille durch und entfaltet sich in unmerklichem Wachstum. Sie dokumentiert 41 Bei Eu s e b, c. MareeiL II, 4, 17 f. tz Iren ä u s (adv. haer. I, 10, 1): i] flE'V yaQ EitKÄ.t]aLa .•• ltaQa öE "tOO'V anoa"to-
Ä.rov xat "tro'V txeLvrov f.taitt]"tOO'V naQaA.aßoiiaa "tft'V et~ ilva iteov nadQa nav"tOKQtX"tOQa ••• ntanv· ll.at et~ Eva XQLO"tov 'ltjaoiiv, "tO'V utov ."toii iteoii, "tov aaQxroitev"ta uneQ "tij~ oqJ.lE"tEQa~ aro"tt]QLa~.
480
Meister des Marienlebens, Kruzifixus um 1460- 1480 Köln, Wallraf-Richartz-Museum
insofern an dieses Postulat, als man, und zwar teilsweise auch schon in früherer Zeit, in den an die allgemeine heidnische Öffentlichkeit gerichteten, apologetischen Werken davon schweigt. Zu einem Teil wenigstens erklärt sich von da her die überraschende Tatsache, daß ein Theologe wie Athanasius die neue Lehre fast nirgends erkennen läßt, obschon es ganz undenkbar ist, daß ausgerechnet er sie nicht vertreten haben sollte 2 • Trotz dieser hemmend wirkenden Umstände ist die neue Anschauung in den altkirchlichen Quellen so reichlich bezeugt, wie man dies nur wünschen kann, und zwar sowohl als eine tatsächlich in der ganzen Großkirche geläufige Lehre, wie auch als offiziell approbiertes kirchliches Dogma. Sie wird in den theologischen Lehrschriften dargelegt, in Katechesen den illuminandi, den Taufkandidaten (allerdings mit Empfehlung der Arkandisziplin) offenbart, in Homilien der Gemeinde der Gläubigen gepredigt und aus zahlreichen biblischen Texten erläutert und begründet, von den Verfassern der populären erbaulichen Literatur mit reger Phantasie in allerlei Symbolismen in die Legenden von der Kindheit Jesu und den Erlebnissen und der Wirksamkeit der Apostel verwoben, endlich auch in den Carmina der kirchlichen Poeten vorgetragen. Sogar in. gnostischen Büchern wie der Pistis Sophia begegnet man ihr. Nur dem origenistischen- nicht zu reden vom radikalgnostischen - Spiritualismus ist sie unsympathisch, und auch im engern und weitern Bereich des Arianismus vertritt man sie aus begreiflichen Gründen nicht. Aber man hütet sich, wie etwa bei Euseb von Cäsarea lächerlich erscheine. Nun schreibt er selbst für diese, aber nach der Regel: abscondi enim tegique mysterium quam fidelissime oportet, maxime a nobis, qui riomen fidei gerimus (a. a. 0. VII, 26). Tatsächlich schweigt Lactanz in seinem Hauptwerk von den «Mysterien>>. Auch H i I a r i u s sagt mit Berufung auf Matth. 7, 6 (Comm. in Matth. VI, 1): ergo et concorporationem (Var: incorporationem) verbi dei et passionis mysterium et virtutem resurrectionis non promiscue tractare nos convenit. 2 Daß At h an a s i u s gerade auch in der mit dem Werk «Contra gentes» zusammengehörigen, also ebenfalls für die heidnische Öffentlichkeit berechneten Schrift «de incarnatione» über das sakramentale Mysterium der Passion nichts verlauten läßt, hängt zusammen mit dem strengen Grundsatz (Apol. c. Arian. 11, MG XXV, 268): ou XQi] yag "ta f.LlJl1Ti)QLa &~tuiJ-rOL~ -rgaycpÖEi:v, tva ~tiJ "EAA.'I]VE~ f.LEV &yvoüv-rE~ yEJ..öicJL, X!lT'I])(;Otlf.LEVOL öE 3tEQLEQYOL YEVOf.LEVOL crxavöaJ..il;:,rov-rm. Athanasius scheint in dieser Hinsicht besonders ängstlich gewesen zu sein. Man beachte, wie er in seinem Briefe an Julius von Rom (Apol. c. Arian. 31, MG XXV, 300) sein Erstaunen und seinen Unwillen darüber ausspricht, daß in der Affäre des alexandrinischen Presbyters Makarius nagov-rrov xaT'I])(;OlJf.LEVOOV, xal. TO yE )(;ELQLcr-rov, El"tL EitvLx&v xal. 'Iouöairov -riiiv öw.ßEßA'IJf.LEVOOV 3tEQL TOV %QI.l1TL!lVLCJf.LOV e;E-racrL~ 3tEQL !lLfl!lTO~ XQLCJ"tOÜ xal. l100f.L!lTO~ %QLl1TOÜ yivE"taL. Einzig in der unter des Athanasius Namen überlieferten Expositio in Ps. I (MG XXVII, 61) ist die sakramentale Deutung des Todes Jesu dargelegt.
482
zu ersehen ist, die ablehnende Haltung zu betonen. Dem Cyrill von Jerusalem gilt sie als alte Vätertradition 3 • Papst Leo der Große von Rom trägt sie vor in seinem berühmten, von dem ökumenischen Concil von Chalcedon als Norm des orthodoxen Glaubens anerkannten Lehrbrief an Flavian 4 • In Kanon XXXII des Concilium Quinisextum wird aus ihr die Regel begründet, daß der eucharistische Wein mit Wasser zu mischen sei 5 • Und in seinem CI. Kanon leitet dieses Concil aus der Tatsache, daß die Schaffung der Sakramente dem Kreuzestode Christi zu verdanken sei, die Vorschrift ab, daß der Gläubige die Eucharistie mit bloßen gekreuzten Händen, nicht mit einem goldenen oder andern Gefäß, zu empfangen habe 6 • In der Meßliturgie der orthodoxen Ostkirche hat sich bis auf den heutigen Tag der Ritus erhalten, im zweiten Teil der Proskomidie, der eigentlichen Zurichtung der eucharistischen Elemente, am eucharistischen Brot unter ausdrücklichem Hinweis auf Joh 19, 34 den Lanzenstich zu wiederholen, und «dieser Moment ist für den Diakon der Anlaß, Wein und Wasser in den Kelch zu gießen» 7 • In den Symbolen der abendländischen Kirchen findet sich zweimal der Hinweis auf die sakramentale Bedeutung des Todes Jesu: In zwei germanischen Gemeindehekenntnissen des 11. Jahrhunderts s. Dies alles muß hier einleitungsweise zum voraus festgestellt werden, weil es sich aus dem eingangs erwähnten Grunde zunächst nicht von selbst versteht, in einer Geschichte der Entstehung des christlichen Dogmas ein ganzes Kapitel der Darstellung einer Lehre der alten 3 C y r i ll v o n J e r u s a l e m (Kat. XIII, 21, MG XXXIII, 797): a:rteöcmmv ot ESTJYrp;at :rta'tEQE<; fJfli.öV üA.A.Tjv 'tOÜ :rtQU"'fflU'tO~ (sc. Joh. 19, 34) al:dav .•• EsijA.ittv E"X. 'tijc;
483
Kirche einzuräumen, von der die Gesamtdarstellung der moderneu Dogmengeschiehtschreibung kaum Notiz nehmen zu müssen glaubte. Wie die nachapostolische Kirche nicht zufälligerweise, sondern aus innerer Notwendigkeit dazu kam, eine der neuen Erlösungslehre, insbesondere der Lehre von der Vergottung in der Inkarnation, entsprechende Lehre vön der Schaffung der Sakramente durch den Tod Jesu auszubilden, ergibt sich aus der Begründung der lnkarnationslehre. Man hat in der alten Kirche, wie schon Justin und später Athanasius bezeugen, gelegentlich die Frage erwogen, ob Gott nicht durch einfache Willensverfügung (statt durch die Veranstaltung der Inkarnation des göttlichen Logos) die Erlösung des Menschen vom Todesverhängnis hätte bewirken können. Die Antwort lautet jedoch: Nein! Denn die Vergänglichkeit war (seit dem Sündenfall) ein Wesenszug der Substanz des Menschen selbst. Sie war, nach der Ausdrucksweise dieser alten Väter, «physischer» Art. Daher hätte es nichts genützt, durch göttlichen Machtspruch lediglich dem Todesengel den Zugriff nach dem Menschen zu verwehren. Der Mensch hätte dennoch weiterhin aus innerer Notwendigkeit ohne Aussicht auf Neubelebung sterben müssen. Die Substanz mußte von der Vergänglichkeit befreit werden durch ihre «physische» Verbindung mit einer entsprechenden anderen, ihrem Wesen nach unvergänglichen Substanz 9 • Und wie diese Verbindung zunächst objektiv in bezog auf die Substanz der Gattung «Mensch» überhaupt zustandekommen mußte in einem realen Vorgang wie dem Ereignis der Inkarnation, so nun auch ihre Vermittlung, Übertragung auf die einzelnen Gläubigen. Das heißt: Auch das Sakrament als das Instrument dieser Vermittlung konnte nicht einfach als eine rituelle Handlung durch Willensverfügung «gestiftet», verfügt und legitimiert, sondern die hiefür in Betracht fallenden sakramentalen Substanzen mußten real «geschaffen» werden, in diesem Falle durch den, in dem die Vereinigung von irdischer und göttlicher Substanz «physisch» bereits durch die Inkarnation verwirklicht worden war. So eben setzt Christus in den von ihm geschaffenen Sakramenten seine Inkamalion - nunmehr mitteilungsfähig - fort. 9 Justin (fragm. IX, Otto 111, 252): ,;oiho ÖE (sc. die Erlösung von der Ver· gänglichkeit) oüx f}v ETEQror; j'EVEaitat, st !J.TJ3tEQ ft xa,;a ql'ÖIJLV ~roT) ltQOOEnÄ.a'XTJ ,;cp ,;Tjv !pitOQU'V öE;a!J.EVq>, Ö.!pavl~ouaa !J.EV ,;Tjv !pitoeav, &.itava,;ov öt ,;oü Ä.otnoü ,;o ös;a!J.svov öta'tTJQOÜO"a. öta ,;oü,;o ,;ov Myov 8öETJO"Ev tv O"ro!J.an j'Eviaitat, tva ,;oü itava'tOU ,;ijr; xa'ta !pUIJLV TJ!liir; !pitOQiir; EÄ.EUitEQOOIJU. EL yaQ, wr; !pa'tE, VEU!J.a'tt !J.OVOV 'tOV itava'tOV TJ!J.WV Ö.l'tE'XOOÄ.UO"EV, ou ltQOIJUEL !J.EV Öta 'tlJV ßoUÄ.TJOLV Ö itava,;or;. oÜÖE öE fJ't'tOV !pitaQ'tOL naÄ.LV fl!J.EV, !pUIJL'XTJV EV 8au,;oir; 'tTJV !pitoeav ltEQL!pEQOV'tEr;. Ebenso
A t h a n a s i u s , Orat. c. Arian. II, 70 (MG XXVI, 296).
484
In der altkirchlichen Theologie finden sich sogar zwei Theorien, welche die Frage, wie der irdische Christus die sakramentalen Substanzen geschaffen habe, beantworten wollen. Mehrfach, so von Tertullian, Clemens Alexandrinus, dem Verfasser der pseudoorigenistischen Tractate, ferner von Hegemonius, Lactauz und Hilarius, wird behauptet, Christus habe das Taufwasser geschaffen, indem er (bei seiner eigenen Taufe) selbst ins Wasser stieg 10 • Allein diese Theorie konnte keine allgemeine und gewichtige Bedeutung erlangen. Einmal bezog sie sich nur auf ein einzelnes Sakrament und zudem stellte sie eine rein willkürliche, gewalttätige und daher unsicher bleibende Umdeutung der evangelischen Darstellungen der Taufe Jesu dar, denen dieser Gedanke völlig fern liegt. Die sakramentale Deutung des Todes Jesu dagegen bot eine in jeder Hinsicht günstigere Lösung des gestellten Problems. Auch diese Theorie läßt die Sakramente substanziell geschaffen werden, aber in gleicher Weise sowohl Taufe wie auch Eucharistie in ihren besondern Elementen. Auch das Sakrament der Märtyrertaufe, ja schließlich zur Not selbst das Ölsakrament ließ sich mit einbeziehen. Und vor allem: Diese Lösung hatte wiederum ganz klar die kanonisch gewordene Autorität des Johannesevangeliums auf ihrer Seite. Daß die Theorie als solche überhaupt erst vom Schöpfer der johanneischenTheologie ausgedacht worden wäre, erscheint als fraglich. Denn um die nämliche Zeit redet auch schon lgnatius davon, daß Christus erschienen sei, um «durch sein Leiden das Wasser zu reinigen» 11 • Es tauchen auch, nicht nur bei lgnatius, etwas seltsame und künstlich anmutende Gleichnisworte auf, die offensichtlich ein Mysterium gleichzeitig andeuten und verhüllen wollen und erst durchsichtig werden, wenn man sie als Hinweise auf das Geheimnis der Schaffung der geistvermittelnden Sakramente durch den Tod Jesu erfaßt. So das Gleichnis des lguatius (Eph 9, 1), das die Gläubigen bezeichnet als «Steine für das Heiligtum des Vaters, ... hinaufgefördert durch den Hebebaum Jesu Christi, nämlich das Kreuz, wobei der heilige Geist als Seil diente». Wenig später bringt der Barnabasbrief in einer Erörterung der Passion Jesu eine merkwürdige Auslegung (Barnabas nennt sie selber bezeichnenderweise eine «Gnosis») zu dem Spruch . Exod. 33, 1. 3 von dem 10 ·Näheres hierüber bei J o h. Bornemann, Die Taufe Christi durch Johannes in der dogmatischen Beurteilung der christlichen Theologen der vier ersten Jahrhunderte, 1896. Nicht alle Äußerungen der alten Väter, die allgemeine Beziehungen der Taufe Jesu zur christlichen Taufe feststellen, vertreten den hier in Frage stehenden bestimmten Gedanken der Schaffung des Taufsakraments durch die Taufe Jesu. 11 I g n a t i u s, Eph. 18, 2. Iqese Aussage ist die entscheidende. Wenn vorher die Taufe Jesu genannt ist, ·so wird nicht klar ersichtlich, ob und wieweit lgnatius
485
«Land, in welchem Milch und Honig fließt». Dieses Land soll ein «Mensch» sein, ja Adam, aber als solcher den Christus darstellen. Und nun wird das Land als «leidendes» Land bezeichnet, wovon in der Exodusstelle nichts zu lesen ist. Es ist also, was den vorausgehenden Darlegungen über die Passion Jesu entspricht, auch hier an den gekreuzigten und sterbenden Christus zu denken, und von ihm wird nun behauptet, daß aus ihm «Milch und Honig» für die Gläubigen fließe. Dies klingt in der Tat, worauf Barnahas selber aufmerksam macht, geheimnisvoll und dunkel und erhält erst Sinn, wenn mit «Milch und Honig» hier die eucharistischen Elemente gemeint sind. Diese Deutung ist schon deshalb berechtigt, weil in alter Zeit tatsächlich u. a. auch Milch und Honig als eucharistische Speise genossen worden sind, woran noch die Bestimmung der Hippolytischen Kirchenordnung erinnert, daß die Neugetauften im Zusammenhang mit der Erstkommunion Milch und Honig genießen sollen «im Gedenken an die künftige Weltzeit und die Süßigkeit ihrer Güter» (messianisches Mahl!)1 2 • So enthält also das seltsame Gleichniswort des Barnahas die Vorstellung, daß aus dem Leihe des sterbenden Gekreuzigten die Substanz des eucharistischen Sakramentes fließt. Dies aber ist genau die Form, in der das neue kirchliche Dogma von der Schaffung der Sakramente durch den Tod Jesu ausgesprochen zu werden pflegt. Diese Deutung der Barnahasstelle 18 ist auch dadurch sichergestellt, daß sich in dieser Schrift noch eine andere, später allgemein üblich werdende Ausdrucksform der neuen Theorie ankündigt 14 • Klar ist, daß die Andeutungen des lgnatius und des Barnahas das Dogma bereits als in der Kirche bekannt und verbreitet voraussetzen. Nur unter dieser Voraussetzung können sie damit rechnen, von ihren Lesern verstanden zu werden. Ist die neue Lehre demnach wohl unabhängig vom J ohannesevangelium aufgekommen, so ist sie doch durch die Autorität dieser nachapostolischen, aber kanonisch gewordenen Schrift als kirchliches Dogma
auch sie für die Schaffung des Taufsakraments mit in Betracht ziehen will. Von der Taufe Jesu ist die Rede im Zusammenhang mit der Erwähnung der Empfängnis der Maria, der Erzeugung aus Davids Samen und heiligem Geist, und der Geburt Jesu: E'(EVVTJ~'Il 12
%!XL
eßun:·dO"~'I'j.
ivu 'tcp mh'tEL 'tO ÜÖOOQ
%U~UQiO"u.
Siehe S. 449, Anmerkung 6. Bar n ab a s 6 f. (zum Zitat Exod 33, l. 3): 'ti ÄE'(EL
13 ft yvrom; f.tU~E'tE. EÄ:n:iaun,
486
Siehe S. 505, Anmerkung 82.
befestigt und legitimitiert worden. Weder Taufsakrament noch Eucharistie werden nach dem Johannesevangelium durch eine bloße Willensverfügung J esu «eingesetzt». Mit Bewußtsein weicht der Verfasser von der synoptischen und vollends der paulinischen Darstellung des letzten Mahles Jesu mit seinen Jüngern ab: Nach seiner Schilderung (Joh 13) war dieses Mahl in keinem Sinne eine eucharistische Feier und so auch nicht deren «Einsetzung». Sakramentale Elemente (Taufwasser und eucharistische Speise), die dem Gläubigen den Logosgeist vermitteln. kann es nach dem Johannesevangelium solange nicht geben, als dieser Geist im irdischen Christus selber inkarniert ist, das heißt: Sie sind erst nach dessen Tode möglich. In diesem Sinne wird Joh 7, 37 festgestellt, daß es zu Lebzeiten Jesu «noch keinen Geist gab». In Wahrheit werden die Sakramente nach diesem Gedankengang gerade durch den Tod Jesu möglich, sofern in seinem Tode der in ihm inkarnierte Logosgeist so frei wird, daß er sich in mitteilungsfähiger Form mit andern irdischen Elementen verbinden kann, durch die er übertragbar wird auf die Gläubigen. Deshalb wird schon im Zusammenhang mit der soeben zitierten Stelle von Christus gesagt, daß nach dem Wort der heiligen Schrift (Umdeutung von Ezech. 47, 1-12!) «Ströme lebendigen Wassers aus seinem Leibe fließen werden». Dies ist eine Weissagung auf das, was dann tatsächlich Joh 19, 34 festgestellt wird: Nach dem Tode Jesu öffnet ein Soldat mit der Lanze die Seite Jesu, und nun fließt gesondert Blut und Wasser heraus. Daß es sich um einen bedeutsamen Vorgang handelt, den der Leser wohl beachten und überdenken soll, wird sogleich durch die feierliche Erklärung hervorgehoben: «Und der es gesehen hat, hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahrhaftig, und derselbige weiß, daß er sagt, was wahr ist, auf daß ihr glaubet» 15 • «Von der Materie des Leibes des fleischgewordenen Logos bleiben also Wasser und Blut auf der Erde zurück, das heißt: Wasser und Blut, welche die Fähigkeit besitzen, mit dem Geist verbunden zu sein. Damit ist bekundet, daß die Existenz des Logosträgers sich nach seinem Tode auf Erden fortsetzt im Wasser der Taufe und im Trank der Eucharistie. Der Logosträger ist also nicht nur als eine wieder in den Himmel zu. rückkehrende Persönlichkeit in die Welt gekommen, sondern auch als Wasser und Blut, die fernerhin in der Welt gegenwärtig sind. Zurückgehlieben ist in der Welt auch noch sein Geist. An Jesum Christum glauben, heißt zugleich in der Gewißheit leben, daß dieses Dreifache, 15
Ebenso feierlich lautet die entsprechende Erklärung I Joh 5, 5-8.
487
was von ihm in der Welt zurückgeblieben ist, seine erlösende Existenz und Wirksamkeit unter den Menschen fortsetzt und ihnen das ewige Lehen vermittelt» 16 • In diesen Zusammenhang gehört auch die Weissagung Joh 12, 24 vom Weizenkorn, das seine Frucht (die eucharistische Speise!) nur bringen kann, sofern es in die Erde gelegt wird und stirbt. Im wesentlichen hat nun aber die nachapostolische Kirche die entscheidenden Aussagen Joh 7, 37-39; 19, 34-35 genau so verstanden und hat sie damit nicht gewaltsam isoliert und nach fremder Logik interpretiert, sondern in der eigentümlichen sakramentalen Bedeutung richtig erfaßt, die ihnen gemäß dem Gesamtsinnzusammenhang der johanneischen Theologie tatsächlich zukommt. Wenn lrenäus mit Bezug auf die das Sakrament spendende Kirche redet von dem «aüs dem Leihe Christi überreichlich sprudelnden Quell» 17 , so spielt er damit auf Joh 7, 38 an, ebenso der Bericht über das Martyrium der Lyoner Christen bei Euseh, wo die Rede ist von dem «himmlischen Quell des Lebenswassers, das aus dem Leihe des Christus strömt» 18 • Cyprian sodann bezieht den wasserspendenden Felsen von Jes 48, 21 auf Christus, aus dessen Leih das Taufwasser sprudelt, und findet diese Weissagung bestätigt durch das Wort J esu J oh 7, 38 19 • Sehr deutlich vertreten die gleiche Exegese die Verfasser der pseudocyprianischen Traktate «de rehaptismate» 20 und «de montihus Sina et Sion» 21 • Damit ist die Reihe der Zeugen keineswegs abgeschlossen. Auch die Tractatus AI h. S c h weit z er, Die Mystik des Apostels Paulus, S. 348. Iren ä u s (adv. haer. lll, 24, 1): percipiunt de corpo~e Christi procedentem nitidissimum fontern. 18 Eu s eh (h. e. V, 1, 22): ... -cij~ o,',(Hlvtou :n:rJ'Yii,; -coü üllu-co~ -cij~ tooii~ -coü t;tov-co~ EX -cij~ v~lluo,; -coü XQta-coü. 19 C y p r i an (Epist. 63, 8): quod (sc. die Weissagung Jes 48, 21) in evangelio adirnpletur, quando Christus qui est petra finditur ictu lanceae in passione: qui et admonens quid per prophetam sit ante praedicaturn clarnat et dicit: si qui sitit, veniat et hihat, qui credit in me, sicut scriptura dicit: flumina de ventre eius fluent aquae vivae (Joh 7, 38). Gleiche Exegese zu Joh 7, 38 auch Epist. 73, 11. 2 0 P s .• C y p r i an (de rehapt. 14): ... curn utraque haec ex uno atque eodem fonte procedant flurnina haptismatis dorninici, ut ornnis qui sitit veniat et hihat, ut scriptura dicit: flumina de ventre eius currehunt aquae vivae, quae flurnina primurn apparuerunt in dornini passione, cuius de latere perforato lancea rnilitari sanguis et aqua rnanavit. P s. • C y p r i an (de monte Sina et Sion 9): de latere sanguis et aqua manavit. 21 P s.- C y p r i an (de monte Sina et Sion 9): de latere sanguis- et aqua rnixtus profusus afluehat, unde sihi ecclesiarn sauetarn fahricavit, in quarn Iegern passionis suae consecrahat dicente ipso: qui sitit, veniat et hihat, qui credit in me, flurnina de vel}-tre eins finebunt aquae vivae. 16 17
488
Origenis, ferner Cyrill von Jerusalem und Chrysostomos 22 beziehen Joh 7, 38 nicht auf den Leib des Gläubigen - was überhaupt keinen Sinn hat - , sondern selbstverständlich auf den Leib Christi. Mehrere dieser Aussagen verbinden mit dieser Deutung von Joh 7, 38, was sehr naheliegt, auch schon einen Hinweis auf Joh 19, 34, wo die Erfüllung der Ankündigung Joh 7, 38 berichtet wird. Und diese zweite Stelle spielt in den großkirchlichen Aussagen über die Schaffung der Sakramente durch den Tod Jesu eine große Rolle. Begreiflicherweise! Denn der Verfasser des Johannesevangeliums macht mit der feierlichen Beteuerung Joh 19, 35 die ihm geistesverwandten altkirchlichen Leser deutlich und auffällig genug darauf aufmerksam., daß es in dem von keinem andern Evangelium berichteten Herausfließen von Wasser und Blut aus der Seitenwunde Jesu sich um ein hochbedeutsames Mysterium handle. Eines der frühsten Zeugnisse dieser Art findet sich schon bei Apollinar von Hierapolis, der von den «zwei Reinigungsmitteln» spricht, die der Gekreuzigte aus seiner Seite habe fließen lassen. Dabei wird ausdrücklich hervorgehoben, daß es sich nicht um bloßes Wasser und Blut gehandelt habe, sondern um eine Verbindung dieser Elemente mit dem Logosgeist 23 • Nach Apollinaris seien als Hauptzeugen wenigstens genannt: lrenäus, Tertullian, Hippolyt, Cyprian, Ps.-Cyprian, Tract. Origenis, Methodius, Cyrill von Jerusalem, Epiphanius, Chrysostomus, das Testamenturn domini nostri Jesu Christi und die gnostische Pistis Sophia 24 • Die Stelle aus der Chrysostomus-Homilie sei hier wiedergegeben, weil sie zeigt, Wie man über diesen Punkt in der Gemeindepredigt zu 22 tract. Origenis XV (ed. Batiffol, S.l65ff.); Cyrill von Jerusa1 e m, Kat. XIV, 5 (MG XXXIII, 829); C h r y so s t o m Q s, Hom. 85, 8 in Joh. 23 Apollinar v. Hierapolis (Otto IX, 487): Ex)CEa~ bt 'tij~ l'tAEUQä; a'Ö'toÜ ,;u Mo mlJ..tv ?taM.Qota, ilöroQ 11al ULf.lu, Myov 11al l'tVEÜf.IU. 24 An Stellen seien genannt: Iren ä u .s, adv. haer. 111, 22, 2; IV, 33, 2; IV, 35, 3; Te r tu i I i an, de hapt. 9. 16; Hip p o I y t hat Joh 19, 34 eine eingehende Erörterung gewidmet, von der leider nur Fragmente erhalten sind, Fragm. 1: Uf.lqJO· 'tEQa l'taQEO'XE 'tO ?tUQLOU O'OOf.IU •IP ltOO'f.l
o
489
reden pflegte: «Überdies wurde in dieser Handlung (Lanzenstich) ein undurchsichtiges Mysterium vollbracht. Denn es floß Wasser und Blut aus der Wunde. Diese Quellen sprudelten nicht vergeblich, nicht ohne Absicht: Aus beiden sollte die Kirche schöpfen. Die Eingeweihten ver· stehen mich. Durch das Wasser werden wir wiedergeboren, durch das Blut und Fleisch genährt. Die heiligen Mysterien fangen schon am Kreuze an, auf daß wir den gesegneten Kelch mit eben dem Gefühle an die Lippen setzen, als tränken wir aus der Seite des Gekreuzigten selbst». Auch die Epiphanius-Stelle verdient besondere Beachtung, weil sie zeigt, wie weit man um diese Zeit die Theorie bereits auszugestalten vermocht hatte durch die Verbindung mit der Adam-Christus-Spekulation der Rekapitulationstheorie. Nach Epiphanius floß nämlich das Wasser aus der Wunde Jesu in die Erde zu den Gebeinen Adams, der unter dem Kreuz begraben sein sollte: Adam empfing als erster das durch den Tod Jesu geschaffene Taufsakrament 25 • Ob die Autoren jeweilen hier im einzelne~ Fall speziell von der Taufe oder von der Eucharistie oder von beiden reden, hängt von zufälligen Umständen ab. Wes endich ist aber, daß nach dem Aufkommen der Wertung des Martyriums als «Bluttaufe» auch dieses Sakrament aus dem Joh 19, 34 erwähnten Blut abgeleitet und die Aussage Jesu Mc 10, 38 (Lc 12, 50) als Weissagung hierauf bezogen wird 26 • Bezeugt ist endlich auch die sakramentale Deutung der johanneischen Bezeichnung Jesu als «Weinstock» (Joh 15, 1). Cyprian stellt diese Beziehung fest 27 und führt gelegentlich im Anschluß daran aus: Den Gläubigen kann der eucharistische Kelch nur gereicht werden, weil zuvor Christus als die Weintraube im Kreuzestod gekeltert worden ist28 • Und lrenäus, der diese sakramentale Deutung des Weinstocks von Joh 15, 1 ebenfalls kennt und vertritt, bezieht im Zusammenhang damit auch das Wort vom W eizenkorn, das in der Erde ersterben muß, um reiche Frucht zu bringen (Joh 12, 24), auf die Schaffung der eucharisti25
E p i p h an i u s (a. a. 0.): Eql'
ov
(sc. -ro:n:ou =
Golgatha) o-rau(HoitEt~
o ltUQW~
fj~iiiv 'I'I'JOOÜ~ )CQLO-ro~ bux -roü QEUOav-ro~ a:n:' Vll:<:itEio'YI~ aö-roü :n:A.cuQii~ atvty~a-rrobiii~ tbEL~E
a:Ö-roü Üba-ro~ xal aif!U"tO~ ÖLU -rij~ -rf)v f]~iiiv oro-r'I'JQtav, &:n:o ,:ij~ &Q:xij~ -roü
27
490
sehen Speise durch den Tod Jesu 29 • Es versteht sich von selbst, daß man der sakramentalen Exegese dieser Aussagen des Johannesevangeliums auch durch die entsprechende Verwertung von I Joh 5, 6.8 eine Stütze gibt 30 • Der Verfasser der pseudocyprianischen Sch:rift «de rebaptismate» leitet aus dieser Stelle sogar eine dreifache Taufe ab: eine W asser-Geisttaufe, eine Blut-Geisttaufe und eine Geisttaufe 31 • Besonders hervorzuheben ist endlich die Tatsache, daß Tertullian nicht verfehlt, in der Widerlegung der grundsätzlichen Gegner der Taufe sich die johanneische Theorie als Beweismittel zunutze zu machen, gegen deren Einwand, daß Jesus, der das Taufsakrament gestiftet haben soll, nach Joh 4, 2 selber gar nicht getauft habe. Tertullian befindet sich in vollständiger Übereinstimmung mit der johanneischen Auffassung, wenn er diesen Bestreitern der Taufe entgegenhält, daß ihre Berufung auf die Feststellung Joh 4, 2 gar nicht beweist, was sie beweisen soll. Wie sollte und könnte Jesus selber schon die christliche Wasser-Geist-Taufe zu seinen Lebzeiten gespendet haben, wenn diese Taufe doch erst durch seinen Tod geschaffen wird? Erst auf Grund des Todes Jesu gibt es eine Taufe, die den Geist verleiht; denn erst durch den Tod des inkarnierten Logos wird (nach Joh 7, 39) sein Geist frei und durch ein Sakrament übertragbar. Vorher ist nur eine reine Wassertaufe möglich, wie sie der Täufer Johannes und die Jünger Jesu gespendet haben 32 • 29 Iren ä n s (adv. haer. V, 2, 3) von der Frucht des Weinstocks und des in die Erde gesäten Weizenkorns: xat JtQO
'YL'VE'tat, ÖJtEQ Ea-.:t aiilf.ta xat alf.ta ,;ou :X:QLO''tOU. o{hro~ xat ,;Ct, fJf.te"tEQa O'Ülf.ta"ta El; a'Ö-.:f}~ 'tQHPOf.!EVa xat 'tEi}evm EL~ 'tft'V yf}v xat Öta/.ui}llv,;a E'V a'Ö,;'ij &vaO''tTJ<1E'taL E'V ,;q> löt«p 'XaLQ0· 30 So Te r tu 11 i an in der Begründung der Bluttaufe der Märtyrer (de bapt. 16): est quidem nobis etiam secundum lavacrum, unum et ipsum, sanguinis scilicet, de quo dominus «habeo>>, inquit, «haptismo tingui», cum iam tinctus fuisset. venetat enim per aquam et sanguinem, sicut Johannes scripsit. P s. · C y p r i an (de dupl. mart. 6): erat et illud praeter naturae cursum, quod e latere exanimati corporis sanguis et aqua profluit, ut absolveretur triplex testimonium (I Joh 5, 6 ff.). 31 P s. · C y p r i an (de rebapt. 15): et quoniam videmur omne baptisma spiritale trifariam dividisse, veniamus etiam ad prohationem narrationis prop'ositae, ne videamur proprio sensu et temere hoc fecisse (folgt. Schriftbeweis mit I J oh 5; 6. 8, wozu erklärt wird: ut ex illis colligamus et aquam praestare spiritum solitum, et sanguinem proprium hominibus praestare spiritum soliturn et ipsum quoque spiritum solitum). 32 Te r tu 11 i an (de bapt. 11): itaque tinguebant discipuli eins ut ministri, ut Johannes antepraecursor, eodem haptismo Jo'hannis, ne qni alio putet, quia nec exstat alius (sc. baptismus) nisi postea Christi, qui tune utique a discentibus dari non poterat, utpote nondum adimpleta gloria domini, nec instructa efficacia lavacri per passionem et resurrectionem.
33
491
Von da aus ergibt sich auch erst die letzte Erklärung der auffälligen Tatsache, daß Tertullian im Unterschied zu andern Theologen nur sehr unsicher und zögernd die Fußwaschung Joh 13 als die Taufe der Apostel auszugeben wagt, trotzdem er dringend eines biblischen Nachweises der (christlichen) Taufe der Apostel durch Jesus bedürfte zur Entkräftigung der Behauptungen der Taufgegner 33 • Er erfaßt auch hier die johanneische Intention im Grunde richtig und nur die scharf zusetzende Logik der Gegner verwehrt es ihm, den Tatbestand mit voller Klarheit herauszustellen: Nach Joh erteilt Jesus den Aposteln mit der «Fußwaschung» in der Tat nicht die vollwertige christliche WasserGeisttaufe gemäß Joh 3, 5, sondern nur die Wassertaufe. Aber nach der Auferstehung holt er das noch Fehlende nach, indem er ihnen nach Joh 20, 22 nachträglich durch Anhauchung den heiligen Geist übermittelt. Genau so ist der Sachverhalt erfaßt von Ps.-Cyprian 34 • Tertullian steht aber auch sonst nicht allein da mit der Art und Weise, wie er in all dem auf das achtet, was sich, schon für das Johannesevangelium selbst, aus der Theorie der Schaffung der Sakramente durch den Tod Jesu ergibt. Auch Novatian hat die Tragweite der Aussage Joh 7, 39 ernstlich beachtet 35 • Darüber hinaus ist hier eine wichtige Tatsache ins Licht zu stellen, die leicht übersehen wird, weil es sich um etwas rein Negatives handelt: Mit der neuen Lehre von der Schaffung des Taufsakraments durch den Tod Jesu stimmt überein, daß man im nachapostolischen Zeitalter in der Großkirche nicht etwa im «Taufbefehl» Mt 28, 19 die «Stiftung» der Taufe sieht. Dieser Taufbefehl beginnt überhaupt erst im trinitarischen Streit des vierten Jahrhunderts eine erhebliche Rolle zu spielen, und zwar in erster Linie eben als Schriftbeweis für die neue orthodoxe Trinitätslehre, nicht aber als Herrnwort betreffend die «Stiftung» der Taufe. Ausnahmen, denen man hier begreiflicherweise begegnet, bestätigen nur die Regel. Überraschenderweise ergibt sich ein entsprechender negativer Befund, wenn man der Frage nachgeht, ob und wiewl:'it der nachapostolischen Kirche die synoptisch-paulinischen Abendmahlsberichte als BeSiehe S. 432, Anmerkung 44. P s. - C y p r i an (de rebapt. 4): quoniam quidem et ipsi apostoli et discipuli, qui etiam alios baptizabant, a domino baptizati non statim spiritum saueturn acceperint, qui nondum erat, quia Jesus nondum fuerat clarificatus, sed post resurrectionem eins, nec modicum intervallum temporis, quo id gessum est, intercesserit. 35 Nova t i an (de trin. 29) im Anschluß an Joh 20, 22: spiritus non ante resurrectionem Christi exhibitus, habitans in solo Christo plenus et totus, ut ex illo delibationem quendam gratiarum ceteri consequi possent. 33 34
492
richte über die «Einsetzung» der Eucharistie gelten. Dies ist um so hemerkenswerter, als eben diese Abendmahlsberichte es der nachapostolischen kirchlichen Theologie schwer machen, in hezug nicht nur auf die Taufe, sondern auch auf die Eucharistie der neuen johanneischen Auffassung zu folgen, daß die Sakramente nicht durch eine Willensverfügung Jesu zu desserr Lebzeiten «gestiftet», sondern erst durch seinen Tod geschaffen seien 36 • Kennt auch die synoptische Abendmahlserzählung den von Paulus geltend gemachten «Wiederholungshefehl» Jesu (I Cor 12, 24 f.) aus guten Gründen noch nicht, so bezeugt dieser Befehl doch deutlich, daß die Urgemeinde das «Herrnmahh durchaus im Hinblick auf die letzte Mahlfeier Jesu mit seinen Jüngern gefeiert hat, ohne freilich deshalb, wie noch die Didache bezeugt, den synoptischpaulinischen Bericht hierüber oder die in ihm enthaltenen (erst viel später sogenannten) «Einsetzungsworte» in die Liturgie aufzunehmen. Das urchristliche Herrnmahl ist zweifellos durch die Mahlfeier Jesu veranlaßt. Von dem johanueischen Gedanken einer Schaffung der eocharistischen Elemente durch den Tod Jesu ist hier keine Spur vorhanden. So versteht es sich keineswegs von selbst, daß die nachapostolische Kirche gegen den dreifach bezeugten synoptischen und den paulinischen Ahendmahlshericht, der für sie doch auch die Bedeutung eines kanonischen Schriftworts haben muß, der ganz andern Auffassung des kühnen Neuerers «Johannes» folgt, wonach das' letzte Mahl Jesu überhaupt keine Eucharistie gewesen sein soll. Die Darstellung Justins illustriert diese Schwierigkeit in frappanter Deutlichkeit: Er steht durchaus bereits unter dem Einfluß der neuen Theorie und folgt ihr in bezug auf das Taufsakrament 37 • Denn hier bereiten die außerjohanneischen Texte des Neuen Testaments kaum nennenswerte Schwierigkeiten. Aber in hezug auf die Eucharistie kommt er an den synoptisch-paulinischen Abendmahlsberichten nicht vorbei. Er kann sich ja hier auch noch nicht auf ein bereits k an o n i s c h es J ohannesevangelium stützen. So sagt er nun eben von der Eucharistie mehrmals, daß sie auf Anordnung Jesu bei seinem letzten Mahle mit den Jüngern zurückgehe und zitiert den paulinischen Wiederholungshefehl 38 • Tertullian aber sagt nicht zufälligerweise vom letzten Mahl Jesu, daß es sich um die Feier des Passah mit den Jüngern gehandelt habe 39 • Bezeichnend ist auch die Stellung Cyprians: Erst nachdem er Siehe S. 487. Justin. Dial. 86; 138, 2. as J u s t in , Apol. I, 66. 39 T e r t u ll i a n ( de anima 16): pascha cum discipulis suis edere concupiscit. 36
37
493
die These von der Schaffung der Sakramente, sowohl der Eucharistie Wie der Taufe, durch den Tod Jesu entwickelt hat, zitiert er nachträglich auch die Abendmahlsberichte Mt 26, 28 f. und I Cor 11, 23-26. Sie kommen ihm gelegen als Schriftbeweis gegen die von ihm verurteilte Sitte des eucharistischen Wassertrinkens. Aber als Berichte über die «Stiftung» der Eucharistie als Sakrament gelten sie ihm nicht 40 • Hilarius behandelt in seiner Auslegung des Matthäusevangeliums Mt 26, 17 ff. sehr kurz, übergeht die «Einsetzungsworte» völlig und redet dafür von einem «Passah». Sofern er aber gerade diesem Passahmahl Jesu mit seinen Jüngern eine sakramentale Bedeutung zuschreibt, besteht sie überraschenderweise darin, daß die Teilnahme an diesem Mahl die Tischgemeinschaft der Jünger mit dem Christus in seinem künftigen Reiche garantiert. Es klingt so plötzlich hier die ursprüngliche eschatologische Grundbedeutung des Mahles an, offenbar provoziert durch das eschatologische Schlußwort Jesu. Daß die auffällig geringfügige Rolle, die der synoptisch-paulinische Abendmahlsbericht im kirchlichen Schrifttum des nachapostolischen Zeitalters spielt, nicht auf Zufall beruht, aber auch nicht einfach aus einer hier waltenden Arkandisziplin zu erklären ist, ergibt sich schließlich aus den altkirchlichen Liturgien: Die Abendmahlsberichte und vor allem die in ihnen enthaltenen «Einsetzungsworte» bilden keineswegs einen festen und wesentlichen Bestandteil der ältern eucharistischen Liturgie. Gewiß begegnet man ihnen gelegentlich und vor allem in den jüngern Formularen 41 • Um so auffälliger und problemgeschichtlich bedeutsamer ist jedoch, daß sie so oft fehlen. Ja «noch heute fehlen sie in einigen armenischen Gebieten». «Die Stiftungsworte sind erst später als besonderes Moment in der allgemeinen Entwicklung zu werten» 42 • Hier versagt nun jede Erklärung aus der Arkandisziplin ganz offenkundig. Daß die «Einsetzungsworte» auch in so und so vielen eucharistischen Liturgien fehlen, kann einzig darin seinen Grund haben, daß man gar nicht in der Mahlfeier Jesu die «Einsetzung» des eucharistischen Sakraments sieht, sondern dieses ,gemäß johanneischer Anschauung als durch den Tod Jesu geschaffen betrachtet. Durch die Autorität des Johannesevangeliums (und des I Joh) hat für die nachapostolische Kirche die neue Theorie von der Schaffung C y p r i a n , Epist. 63, 9 f. Siehe die Texte bei H. Li e t z man n, Messe und Herrnmahl, S. 24-49. 4 % G. P. Wetter, Altchristliche Liturgien, I, S. 61. H. Li e t z man n (a. a. 0., S. 196) hat gezeigt, daß auch der ursprüngliche Typus der ägyptischen Serapionliturgie keine Einsetzungserzählung enthielt. Siehe auch hievor S. 460, Anmerkung 55. 40 41
494
der Sakramente durch den Tod Jesu die erforderliche Fundamentierung im Kanon erhalten. Dieses Fundament ist freilich sehr schmal. Nirgends sonst in den neutestamentlichen Dokumenten des urchristlichen Glaubens ist diese Theorie auch nur angedeutet. Hier wird eben der Bruch der Zeiten deutlich offenbar. Und es tritt, wie an andern Punkten, unübersehbar zutage, daß die in der großen Krise der Enteschatologisierung der ursprünglichen Lehre Jesu und Pauli entfremdete nachapostolische Kirche mit der Aufnahme nachapostolischer Schriften in den neutestamentlichen Kanon einer dringlichen Existenznotwendigkeit Folge gab. Aus den Quellen ergibt sich die höchst interessante Tatsache, daß das nachapostolische Christentum das Problematische dieser Sachlage deutlich empfunden hat. Einmal macht sich in gewissen Gruppen abseits der breiten großkirchlichen Heerstraße ein beträchtliches Mißtrauen geltend gegen die Annahme, daß speziell das Johannesevangelium eine Anschauung lehren sollte, die im gesamten Neuen Testament so isoliert dasteht. Natürlich handelt es sich um theologische Richtungen, die schon ihrer dogmatischen Haltung nach sich nicht befreunden können mit einer Auffassung von der Heilsbedeutung des Todes Jesu, die auf einen so realistischen Sakramentalismus zugeschnitten ist. Von da her ist es ohne weiteres verständlich, daß man vorab die radikalen Spiritualisten innerhalb der häretischen Gnosis in den Reihen dieser Mißtrauischen antrifft. Der Verfasser der Jobarmesakten operiert ebenso kühn wie der Autor des Johannesevangeliums, nur im entgegengesetzten Sinne. Er scheut sich nicht, ausgerechnet den Jünger Johannes selbst gegen den Bericht Joh 19, 34 protestieren zu lassen: Der Lanzenstich und das Herausfließen des Blutes aus der Seitenwunde des Gekreuzigten gehört nach dem, was Jesus seinem Jünger .Johannes privatim offenbart, zu dem nur vermeintlich Tatsächlichen und Historischen, das sich das getäuschte Publikum über die Passion Jesp erzählt, und worüber dann Johannes nachher erheitert lacht 43 • Der V alentinianer Theodot getraut sich begreiflicherweise nicht, derart kühn die Erzählung .Toh 19, 34 als bloßes fabulierendes Gerede Nichteingeweihter lächerlich zu machen. Aber er beseitigt den sakramentalen Sinn: Blut und Wasser sind nicht als Hinweise auf Taufe und Eucharistie zu verstehen, sondern bedeuten die 43 Acta Johannis 101 (Lipsius-Bonnet II, 1, S. 201): &.:~~.ouELiö JtE mdtov'ta :~~.at ou:~~. Kn:aitov, 11-TJ :n:aitöv'ta xat ß:n:aitov, vuytv'ta :~~.at oux E:rtATl'f'lJ'V, :K.QEJtaGitEV'ta :~~.at ou:~~. E%(18ftUO'itT]'V, al~ta E~ EJtOU QEUO'a'V'ta :~~.at OU% E(I81JO'E'V. :~~.at a:n:A.iö~ö E%EL'VOL AE'(OlJO'L'V
a
:rtEQi. EftOU 'taum ftTJ EO'X'lJXEvaL.
495
Leidenschaften. Ihr Ausfließen aus dem Leibe Christi weist hin auf die Erlösung der seelischen Wesenheiten von dieser Unreinheit 44. ·Innerhalb der Großkirche steht auch hier wiederum Origenes mit den ihm nächststehenden Geistesverwandten abseits. Origenes kennt zwar natürlich durchaus die gemeinkirchliche Anschauung 45 • Aber bezeichnend für seine Zurückhaltung in dieser Sache ist das, was er über Joh 19, 34 gelegentlich sagt und nicht sagt: Er hebt kräftig den wunderhaften Charakter des berichteten Ausfließens von Blut und Wasser aus der Seitenwunde des Gekreuzigten hervor, bezeichnet den Vorgang als «paradox», schweigt sich jedoch über die Frage seiner sakramentalen Bedeutung völlig aus 46 • Um so rückhaltloser gibt der «Ürigenist» Euseb von Cäsarea Auskunft über die eigentliche Meinung dieser Kreise. Er lehnt den sakramentalen Sinn von Joh 19, 34 einfach ab, indem er bestreitet, daß der Vorgang mehr bedeuten wolle als den eingetretenen Tod des Leibes Jesu 47 • Dementsprechend gilt ihm die historische Mahlfeier Jesu als «Einsetzung» der Eucharistie 48 , und offensichtlich sieht er im Taufbefehl Mt 28, 19 die Stiftung der Taufe 49 • Natürlich kommt 44
Cl e m e n s Ale x. (Exc. ex Theod. 61, 1):
!Iux 1\E -riöv btQUEv-rrov E'lt
-rij~
:n:Ä.EUQii~ elli]Ä.ou -rai~ f:'X.QUOEOL -riöv ncd}iöv UltO -riöv i'q.tnui}iöv &nui}ei~ yevO!J.EVU~ 'tU!;;
oüotu!;; oeaiöoi}m. 45 V gl. etwa die Aussage des 0 r i g e n e s über. die Auferstehung als Voraussctzung für die Möglichkeit des Taufsakraments (in Matth. XII, 20): -rn -rQhn M TJ!J.BQq. E'lt vE'ltQiöv &vßo-rTJ (sc. ö X.QLO't6!;;), tvu !}uou!J.Evo~ &no mü novT)goü ... JtEQL· noti]on -roi:!;; !}uoi}ei:O'L ßun-rlouoi}ut -ro nvEÜ!J.U 'ltut -rl)v 'ljlux.l)v 'ltUL -ro Oiö!J.U cl!;; Övo!J.U 'tOÜ 3tU'tQÖg. 46 0 r i g e n e 8 ( c. Cels. II, 36): -riöv !J.EV o:Ov aHrov VE'ltQiilv O'OO!J.U't(OV 'tO Ul!J.U ni]yvu-rut 'ltut illlroQ 'ltct.ituQov ou'lt &nog!}ei, -roü M 'ltu-rO. -rov 'IT)ooüv ve'ltgoü O<Ü!J.U'tO!;; to nugUI\o;ov 'ltUL 3tEQL -ro VE'ltQOV Oiö!J.U ~v <uoero!;; vE'ltQWotv IITjÄOÜV EOL'lt!W llt'
496
auch der Fall vor, daß das sakramentale Mysterium von Joh 19, 34 von Autoren populär-erbaulicher Literatur bloß deshalb übersehen wird, weil sie augenscheinlich mit ihrem dogmatischen Denken und Wissen nicht auf der Höhe der theologischen Probleme ihrer Zeit stehen so. Auch auf großkirchlicher Seite empfindet man die Schwäche der allzu schmalen, auf das Johannesevangelium beschränkten biblischen Basis des neuen Dogmas von der sakramentalen Bedeutung des Todes Jesu. Aber man sucht dem Mangel abzuhelfen, indem man mit allen Mitteln diese Basis zu erweitern strebt. Das Neue Testament freilich ist und bleibt hier wenig ergiebig. Man kann höchstens gelegentlich versuchen, in dem von Paulus I Cor 10, 4 mit dem Christus identifizierten wasserspendenden Felsen in der Wüste den Gekreuzigten wiederzufinden, aus dessen Leibe das Taufwasser fließt 51 • Ja, nachdem im Zuge der Enteschatologisierung der paulinischen Lehre vom real-eschatologischen Sterben und Auferstehen der Gläubigen mit Christus in der. Taufe die Aussagen Rm 6 nach anderweitiger Deutung verlangen, bringt man gelegentlich sogar das Wort Rm 6, 3 von der Taufe in den Tod des Christus höchst willkürlich mit der Schaffung der Taufe durch den Tod Jesu in Zusammenhang 52 • Aber damit sind die ohnehin zweifelhafteu Möglichkeiten, der johanneischen Sonderanschauung aus dem übrigen Neuen Testament neue Stützen zu verschaffen, erschöpft. Um so eifriger wirft man sich auf das Alte Testament, wo man ja in jeder Hinsicht auf reiche Erträge hoffen kann, wenn man sie nur mit dem Netz der allegorischen Exegese zu heben sich entschließt. Tat50 Das Eva n g. in f an t. a r ab. 35 (Tischendorf, S. 199 f.) trägt den Lanzen· stich folgendermaßen in die Kindheit Jesu zurück: Der Knabe Judas durchbohrt in teuflischer Besessenheit die rechte Seite des Jesuskindes. Dann fährt der Teufel aus Judas lscharioth aus; die nämliche Seite Jesu wird dann später bei der Kreuzigung von den Juden durchbohrt. Hier gilt also der Lanzenstich als ein Anschlag des Teu· fels auf Jesum. 5t T r a c t. 0 r i g e n i s XV (ed. Batiffol, S.165 f.): sie populus in eremo euro sitis periculum pateretur, tune Moyses virga, id est ligno, petram percussit et fluxerunt fontes aquarum: quo factum esse sacramentum baptismatis indicabat. Petram enim illam figuram Christi hahuisse prohat beatus apostolus euro dicit: (Zitat I Cor 10, 4). 52 Met h o d i u s (de cibis 11-12) bringt die Reinigung mit der Asche der roten Kuh (Num 19, 2 f.) mit der Reinigung durch die Taufe in der Weise zusammen, daß er das Fleisch dieser Kuh auf die christlichen Sakramente deutet, ihre Asche aber auf den Tod Christi; also werden die Sakramente durch den Tod Christi geschaffen und in diesem Sinne kann man sagen, daß die Gläubigen in der Taufe (nach Rm 6, 3) in den Tod Christi getauft und mit ihm begraben werden. Ferner A d a m a n t i u s (Dial. V, 2): xat :rt6.A.w· «1\ O:yvoEi'tE ön öaot Eßa:rt'tlaih]'tE Ei; :X:Qtl1'tc'I'V 'IT]aoüv El; ,;ov ttuva,;ov a1hoü Eßa:rt'tlCJitT]'tE;>> (Rm 6, 3). ö; et !.ITJ O::rt8itavE, ,;l; O:~.t
ßa:rt'tta~.ta:
497
sächlich hat der alttestamentliche Schriftbeweis für die Sicherung der neuen Lehre von der Schaffung der Sakramente durch den Tod Jesu mit Hilfe der Allegorese Erstaunliches zu leisten vermocht. Die ungewöhnliche Energie und Findigkeit, mit der die dogmatische Phantasie der altkirchlichen Theologen sich dieser Aufgabe gewidmet hat, ist ein untrüglicher Gradmesser für die Bedeutung, die man dem neuen Dogma von der Heilsbedeutung des Todes Jesu zuerkannte. Da schon Justin über ein ganz ansehnliches Beweismaterial verfügt, muß die alttestamentliche Allegorese wie an andern Punkten so auch in dieser Sache bereits in der frühen nachapostolischen Zeit zu arbeiten angefangen haben. Vermittelt wird jedoch der große Erfolg dadurch, daß die These von der Schaffung der Sakramente durch den Tod Jesu eine reichere Ausgestaltung erfährt durch die Verbindung mit der Kreuzesspekulation, die sich ihrerseits erweitert zu einer Spekulation über Christus und sein Kreuz als «Lebensbaum». Eine Spekulation über das Kreuz spielt ja auch sonst in der nachapostolischen ~ntwicklung der Problematik der Lehre von der Heilsbedeutung des Todes Jesu eine Rolle, nämlich in der Verarbeitung des Problems der Überwindung der gottfeindlichen Geistermächte 58, wie es von der paulinischen Theologie her gestellt ist. Nun macht man von diesem Hilfsmittel auch in der Ausgestaltung des neuen Dogmas entsprechenden Gebrauch. Die Ausweitung zur Lebensbaumspekulation 54 wird schon durch die johanneische Bezeichnung des Christus als Weinstock (Joh 15, 1) angeregt. Im eucharistischen Kelchgebet der Didache wird Christus als der «heilige Weinstock Davids» gepriesen 55 • So wird die Vorstellung dem kirchlichen Denken auch von der Liturgie her geläufig 56 • Wie das bald einmal beliebte Thema in der populär-erbaulichen Literatur verwertet wird, zeigt die koptische Bartholomäuslegende: In einer ägyptischen Oasenstadt pflanzt der Apostel Bartholomäus drei Weinreben und befestigt sie in Kreuzesform an einem Siehe S. 261-264. Natürlich ist die Vorstellung vom Lebensbaum und vom Erlöser als Baum (W einsto~k) religionsgeschichtlich weit verbreitet, und so liegt auch hier ein Punkt vor, an dem, wie an vielen andern Punkten, die problemgeschichtliche Entwicklung in der Entstehung des kirchlichen Dogmas eine kräftige Einwirkung außerchristlichreligiösen V orstellungsgntes ermöglichte. Indessen sind hier vorab die Traditionen zu berücksichtigen, die das apostolische Christentum aus dem Spätjudentum mitbrachte. 53
54
D i d a c h e IX, 2. Siehe auch Te r tu ll i an (de resurr. carn. 26): Er redet hier vom vinum animae vigorantis ex vite Christi. CI e m c n s AI e x. (Paed. II, 19, 3): Ö f.tEya~ ßo..:gu~, ö A6yo~, ö uneg ftf.trov itÄ.tßEl~, ..:o aif.ta ..:ij~ o..:acpul..ij~ ilöa..:t xlgvEoitat EitEÄTJoav,;o~ ..:oii. Äoyou. 55 56
498
Baum. Alsbald tragen sie köstlich~ Frucht. Der Apostel pflückt die Traubenbeeren, zerdrückt sie in ·einen Kelch, läßt weißes Brot bringen und feiert die Eucharistie 57 • Bei der Leichtigkeit, mit der diese sakramentale Symbolik sich modulieren läßt, ist es nicht verwunderlich, daß bald Christus, bald sein Kreuz als der Weinstock erscheinen, und Christus selbst bald als Weinstock,· bald als Traube, oder gar in .einem Zuge beides zugleich. In einem Kreuzeshymnus der Virtutes Andreae ist die Rede vom «lebenspendenden Kreuz», das in die Welt gepflanzt ist und dessen Spitze bis zum Himmel reicht, «um den himmlischen Logos, das Haupt aller Dinge anzudeuten». Und dann heißt es: «Ü Kreuz, lehenbringendes Holz! Auf der Erde gepflanzt, die Frucht aber im Himmel sammelnd! 0 ehrwürdiges Kreuz, süßer Gegenstand, süßer Name! Anbetungswürdiges Kreuz, das du den Herrn, den wahrhaftigen Weinstock, als Traube getragen» ss. Hier kann der alttestamentliche Schriftbeweis für das neue Dogma bereits einsetzen. In diesem Sinne expliziert der V erfass er der pseudoorigenistischen Traktate seiner Gemeinde in einer Homilie die Stelle Jes 1, 8, wo die Rede ist von der «Tochter Zion, die verlassen werden soll wie eine Hütte im Weinberge»: Dies ist doch nichts anderes als eine Weissagung des Schicksals Jerusalems in der Zeit nach dem Tode Jesu. Die Hütte im Weinberg wird aber von den Winzern immer erst nach Vollendung der Weinlese verlassen. Also wird hier der Tod Jesu als «Weinlese» bezeichnet. Das heißt: Der Prophetenspruch weissagt, daß in seinem Kreuzestode Christus als der Weinstock die reifen Trauben hergibt, aus denen der Wein der Eucharistie gewonnen wird 59 • Kirchliches Gemeingut wird aber der Schriftbeweis mit den beiden Stellen Gen 49, l l f. und Num 13, 24. Die erste Stelle konnte deshalb besonders auffallen, weil hier vom Weinstock und zugleich vom Wein als «Traubenblut» die Rede ist. Im übrigen aber eignet sie sich schlecht als Schriftbeweis in dem gewünschten Sinne. Denn nach diesem Text wird das Traubenblut nicht getrunken, sondern von Juda wird gesagt, er «Wasche in Wein sein Kleid und in Traubenblut sein Gewand». Die Deutung aU:f das sakramentale Kreuzesmysterium im Sinne von Joh 19, 57 Nach dem koptis.,hen Synaxarium (Inhaltsangabe bei R. A. L i p s i u s , Die apokryph Jn Apostelgeschichten 1884, II, 2, S. 88). 5s V i r tute s Andre a e (R. A. Li p s i u s, a. a. 0., I, S. 596 f.). 59 T r a c t. 0 r i g e n i s II (ed. Batiffol, S. 15): Jerusalem ist die casa in vinea, quae secundum Jesaiae dieturn (Jes 1, 8) relinquenda erat. quando autem casa in vinea relinquitur nisi cum vindemia consummatur? sie et consummata vindemia dominicae passionis relicta est Sion sicut casa in vinea.
499
34 muß daher gewalttätig verfahren 60 • Num 13, 24 ist leichter zu verwerten: Wer einmal vertraut geworden ist mit der Vorstellung des aus dem am Kreuzesholz zwischen zwei V erhrechern hängenden Christus fließenden eucharistischen Wein, findet mit Hilfe der Allegorese schnell heraus, was die an der hölzernen Stange hängende und von zwei Kundschaftern getragene, gewaltige Weintraube aus dem gelohten Lande zu bedeuten hat 61, Neue Möglichkeiten erschließt die Adam-Christus-Spekulation der Rekapitulationstheorie, sofern sie das Kreuz Christi in Analogie stellt zu dem Paradieseshaum, von dessen verbotenen Früchten Adam ge60 Bei J u s t in , der (Apo!. I, 32) erstmals mit Gen 49, 11 operiert, wird die Stelle, wie dies Justins Auffassung in dieser Sache entspricht, auch noch gar nicht sakramental gedeutet. Das im Traubenblut gewaschene Kleid sind vielmehr die durch das Blut Jesu von ihren Sünden gereinigten Gläubigen. Justin denkt also an· die Sühnehedeutung des Kreuzestodes: 1:0 yag «rr.f.:Uvwv 'tTJV O'to!..i)v mhoii EV IXL!.ta'tt om!pul..i'jc; rr.goayyE!..mtov fiv 1:oii mi~ouc; oi'i rr.ciaxew EfLEI..t..e, öt' ULflU'tOc; xu~utgwv -coilc; mO'tEUOV'tac; mhcp. Iren ä u s hen.ützt (Epideix. 57) diese Ausführung Justins, trägt aber erstmals das Trinken des Weines ein: «Sein Blut aber ist Traubenblut genannt. Denn wie das Traubenblut nicht irgendein Mensch macht, sondern Gott schafft und die Trinkenden erfreut, also hat auch seine Fleischwerdung nicht ein Mensch, sondern Gott bewirkt.>> Dann folgt CI e m e n s AI e x. (Paed. I, 15, 3) zu Gen 49, 11: «xut 1:ov rr.wt..ov», !pl]Ot, <
500
nießt und sich dadurch die Sterblichkeit als Strafe für seinen Ungehorsam zuzieht 62 • Die sakramentale Deutung des Kreuzestodes Jesu kann dazu fortschreiten, den Gekreuzigten oder das Kreuz mit dem Lebensbaum des Paradieses zu identifizieren. Nach der jüdischen Haggada war zudem der Paradiesbaum mit den verbotenen Früchten der Erkenntnis des Guten und Bösen ein Weinstock 63 • Warum soll nicht auch der paradiesische Lebensbaum ein Weinstock sein? Apoc Joh 2, 8 wird dem Gläubigen verheißen, daß er von den Früchten des Lehensbaumes im Paradiese werde genießen dürfen. Wenn aber die eucharistische Speise, die zum ewigen Lehen nährt, aus dem Leibe des Gekreuzigten stammt, warum sollen nicht er selbst oder sein Kreuz der paradiesische Lebensbaum sein, von dessen Früchten der Gläubige jetzt schon genießen darf? Bereits bei Justin wird ausdrücklich der Lebensbaum des Paradieses als Christussymbol bezeichnet. Dies obschon ihn die spe· zieHe Beziehung auf die Schaffung der Eucharistie gar nicht interesssiert. Er greift also hier eine schon vorliegende Tradition auf 6(. Bei Origenes vernimmt man 65 , daß schon der Heide Celsus etwas wußte von einer christlichen Kreuzesspekulation, die das Kreuz als den Lebensbaum bezeichnet, dessen Früchte die Auferstehung gewährleisten. Origenes führt sie dann selber auf Gen 2 zurück und bestätigt zugleich den Zusammenhang mit der Adam-Christus-Spekulation 66 • Merkwürdig, daß vorher auch schon Clemens Alexandrinus auf die Identifikation des Christus mit dem paradiesischen Lebensbaum eingeht, obschon ihm ja das damit begründete massive sakramentale Dogma von der Erschaffung der Eucharistie durch den Tod Jesu wenig sagt und er die Tradition auch hier spiritualistisch umdeuten muß 67 • Siehe S. 478, Anmerkung 36, Siehe 111. Baruchapokalypse 4 (ed. James, S. 86 f.): bEOftUL aou, IIEL1;6v ftOL "tL -.:o i;uf..ov -.:o nf..avijaav -.:ov 'AMft; xat dnEv 6 li.yyEI..o~; i] li.ftnEMc; EO"-.:tv, i]v ECJJU-.:EuaEv 6 li.yyEI..oc; ~aftaTjf... Die nämliche Auffassung findet sich in der Abrahamapokalypse XXIII (aus dem Syrischen übersetzt von N. Bonwetsch, Studien zur Geschichte der Theologie und Kirche, 1897, S. 33). Siehe auch F. Weber, Jüdische Theologie, 1897' s. 220. 64 J u s t in (Dial. 86, 1): ÖTL IIE, ftETa 1:0 O""tU\lQCOftijvaL "tOÜTOV OV EVIIoi;ov ltUQUYEVTjO"EO"ftaL ö.noiiELxvuoucrLV at YQUqJat, cruftßol..ov El:xE -.:oü i;uf..ou -.:ijc; ~roijc; öv -.:cp nagaiiELO"q> ltfqJlJTEÜO"ftaL ef..Ef..E?t"tO, xat -.:oov YfVTJO"OftEVCOV m'iO"L "toi:c; IILxatOLc;, Ö.xoucra-.:E. (Stellenweise offenbar verdorbener Text.) 65 0 r i g e n e s , c. Cels. VI, 34. 66 0 r i g e n e s ( c. Cels. VI, 36): Ö"tL liLa i;uf..ou M.va-.:oc; xat liLa i;uf..ou ~roij, ft&.va"toc; ftEV xa"ta "tov 'AMft, ~roi] llt xa-.:a -.:ov :XQLO""tov. 67 C 1 ~ m e n s A 1 e x an drin u s (Strom. V, 72, 2 f.): Ull"tL?ta "tTJV ljlQOVTJO"LV f}dav ö.t..I..TJYOQÖJV 6 Mroucrijc; «i;uf..ov ~roijc;>> oovoftUO"EV Ev "tcp naQalla::tacp nECJlllTEllftEVov, llc; lli] nagaiiELcroc; ?tat x6cr!loc; dvm Mva"tat, EV q, ltEqJ\l?tEV -.:u E?t ÖTJftLO\lQytac; linav-.:a. 62
63
501
Oft taucht natürlich das sakramentale Lehensbaummotiv auf und wird irgendwie verwertet, ohne daß auf die Paradieserzählung Gen 2 Bezug genommen wird. lgnatius setzt es voraus, wenn er die Gläubigen einmal kenzeichnet als fruchtbringende «Äste des Kreuzes» 6S. Ebenso lrenäus, wenn er in einer Diskussion mit den Gnostikern über Leib und Blut Christi in der Eucharistie vom Logos sagt, daß er es sei, der «das Holz (den Baum) fruchtbar macht» 69 • Cyrill von Jerusalem deutet das Begräbnis Jesu als die Einpflanzung des «Lebensbaumes» in die Erde 70 • Besonders hervorgehoben zu werden verdient das pseudocyprianische Gedicht «de pascha». Hier wird das Kreuz verherrlicht als der auf Golgatha als dem Mittelpunkt des Erdkreises gepflanzte Lebensbaum, der den Gläubigen aller Welt seine Früchte spendet und unter dessen Schatten die Quelle des Lebenswassers fließt, die das Taufbad spendet 71 • Wie beliebt und geläufig das Thema vom Gekreuzigten oder dem Kreuz als dem Lebensbaum in der alten Kirche wird, zeigt die Kühnheit der erbaulichen Schriftstellerei, die es sogar auf die Apostel zu übertragen wagt. Der Verfasser der Philippusakten läßt den gekreuzigten Apostel Philippus zu seinem Mitapostel Bartholomäus sagen: «Siehe, wie mein Blut auf die Erde tropft! Eine Pflanze wird aus meinem Blute aufsprossen, und es wird ein Weinstock sein, der die Tranbenfrucht tragen wird. Nehmt die Traube und preßt sie aus in den EV 'tOUT([l :Kat 0 Myo<; tjvthJGEV 'tE xat EKaQlto
,;o
°
502
,;o
Kelch! Am dritten Tage genießet von ihm und sendet das ,Amen' zur Höhe empor, damit es ein vollkommenes Opfer werde!» 72 • In einiger Verlegenheit befinden sich natürlich die eucharistischen Wassertrink er. Ihre Grundsätze dulden es nicht, daß der sakramentale Lehensbaum ein Weinstock sei. So muß sich ihr Lehensbaum damit begnügen, Wasser zu spenden 73. Aber das Thema vom Lehensbaum läßt sich noch anders modulieren. Es gestattet eine Vervollständigung der dogmatischen Theorie in dem Sinne, daß sich auch das Ölsakrament in sie einbeziehen läßt: Der paradiesische Lehensbaum kann auch als Ölbaum gelten. Der Heide Celsus weiß von einer christlichen Lehre zu berichten, wonach die Seele für die Himmelsreise «versiegelt» wird durch die Salbung mit einem Öl, das vom «Baum des Lehens» stammt. Origenes bemerkt hiezu, er wisse nicht einmal von einer Sekte, die derartiges behaupte 74 . Indessen reden die pseudoclementinischen Rekognitionen tatsächlich von dem Öl, das vom Baume des Lehens (im Paradiese) stammt und mit dem Christus die Gläubigen salbt, nachdem er selber damit gesalbt worden ist 75 • Und im vulgären kirchlichen Schrifttum kehrt mehrfach eine Darstellung wieder, nach welcher einst schon Adams Sohn Seth das Öl vom paradiesischen Lehensbaum für seinen kranken V ater holen wollte, daran jedoch durch einen Engel verhindert wurde mit dem Bescheid, erst Christus werde dereinst den Menschen dieses Öl (mitsamt der christlichen Taufe) bringen 76 • Die Thomasakten bieten die Epiklese einer Ölweihe, der die Anschauung von Christus als dem ölspendenden Lehensbaume zugrundeliegt 77 • Bei all dem handelt es sich jedoch nicht bloß um eine populäre Auffassung, die der eigentlichen kirchlichen Theologie fremd gehliehen wäre. Vielmehr helehrt auch Cyrill von Jerusalem in einer Katechese die Täuflinge darüber, 72
Acta Phi I i p p i 143 (Lipsius-Bonnet II, 2, S. 84).
Dies trifft jedenfalls zu auf jene ägyptischen Christen, von denen in den koptischen Matthäusakten berichtet wird: «Das Wasser, das sie trinken, ist kein Quellwasser, sondern von den Blättern der Bäume, die in den Gärten wachsen» (R. A. L i p s i u s , Die apokryphen Apostelgeschichten, 1884, II, 2, S. 116). 73
14 0 r i g e n e s ( c. Cels. VI, 27): l:htEQ oüö' E'V 'tOt~ &.mi 'tOO'V atQEOECO'V Ö.)GOUOaJ.I.E'V 'YL'VfOitaL. 75 P s. C I e m. R e c o g n. I, 45. 76 Eva n g. Ni c o d e.m i II (graece) 3 Tischendorf, S. 325); ebenso die lateinische Version, ferner «Leben Adams und der Eva», 41 f. 11 Acta T h o in a e 157, wo Petrus die «Macht Jesn>> anruft, sie möge sich auf das Öl niederlassen roon:EQ töQUOit1] EV ,;cp O'U'Y'YE'VEi a\J,;oii ;ul..
503
daß sie durch die mit dem Taufakt verbundene Salbung «des edlen Ölbaums Christus teilhaftig» geworden seien 7 S. Schließlich erfährt die Anschauung vom Lebensbaum noch eine letzte Erweiterung. Vielleicht ist sie direkt oder indirekt mit veranlaßt durch eine Schilderung der Vision Barochs in der Baruchapokalypse, in der man liest: «Und siehe, ihm gegenüber wuchs ein Weinstock empor, und unter ihm floß eine Quelle sanft hervor» 79 • Natürlich hat diese spätjüdische Schilderung keinen sakramentalen Sinn. Immerhin bedeuten Weinstock und Quelle nach Apoc. Baruch 39, 7 die Herrschaft des Messias. Vielleicht hat die Kirche auch spontan an dem Lebensbaumsymbol weitergedichtet. Sicher wirkte die Schilderung Apoc Joh 22, 2 anregend, nach welcher zu beiden Seiten des himmlischen Lebensstromes die Bäume des Lebens stehen, die zwölfmal im Jahre Frucht tragen. Es lag schließlich nahe, das ganze Bild in dem Sinne abzurunden, daß der Lebensbaum, dessen Frucht die eucharistische Speise zum ewigen Leben ist, an die Lebenswasserquelle gepflanzt wird, aus der das Taufwasser sprudelt. Die breiteste Ausmalung dieses Bildes ist uns erhalten in dem schon erwähnten pseudocyprianischen Gedicht «de pascha» so. Auch einer anschaulichen Schilderung der erbaulichen Darstellung des «Martyriums des Matthäus» ist hier zu gedenken: Aus dem Stabe Jesu, den Matthäus auf dessen Geheiß bei einer Kirchentüre in den Boden pflanzt, wächst sogleich ein großer Baum, der paradiesische Lebensbaum als gewaltiger Weinstock st, dessen Trauben den eucharistischen Wein liefern und von diessen Gipfel auch noch Honig herniederfließt. Aus seiner Wurzel aber entspringt eine mächtige Quelle, die das umliegende Land tränkt. Tatsächlich tauft dann der Apostel in ihrem Wasser und feiert mit dem Traubenblut des Weinstocks die Eucharistie. Dank der aufgezeigten Kreuzes- und Lehensbaumspekulation hat das Dogma von der Schaffung der Sakramente durch den Tod Jesu eine mannigfaltige, konkret-symbolisierende Ausgestaltung erfahren, die es gestattet, mit Hilfe der allegorisierenden Exegese eine Fülle alttestamentlicher Schriftbeweise zusammentragen, die die kirchlich gewordene neue Sonderlehre des Johannesevangeliums stützen. Neben den Lebens78 C y r i 11 von Je r n s a 1 e m (Kat. XX, 3, MG XXXIII, 1080): xut xoLvwvot E"{EVE
504
haum der Paradieserzählung tritt vor allem die Psalmstelle l, 3, die von dem Baume redet, der «gepflanzt ist an den W asserhächen», der seine Frucht bringt zu seiner Zeit und dessen Blätter nicht verwelken. Schon Barnahas deutet die Stelle im Sinne des sakramentalen Dogmas, indem er dazu bemerkt: «
83
505
es eine Schilderung der Flucht nach Ägypten, die folgende Episode erzählt: Die heilige Familie rastete unterwegs unter einem Palmbaum. Auf Befehl des Jesuskindes neigt dieser seine Krone hernieder, bietet den ermatteten Reisenden seine köstlichen Früchte dar, wartet in dieser gebeugten Haltung auf den Befehl Jesu, sich wieder aufzurichten und streckt sich dann, sobald dieser erfolgt, wieder in die Höhe. Jeder Zweifel daran, daß es sich hier um eine symbolisierende Vordatierung der sakramentalen Lebensbaumspekulation handelt, wird vollends ausgeschlossen durch das, was das Jesuskind im Anschluß an diesen Befehl dem Palmbaum noch zu sagen hat: Es bringt die Palme ausdrücklich mit dem paradiesischen Lebensbaum in Beziehung und befiehlt ihr, die in ihren Wurzeln verborgene Wasserquelle sprudeln zu lassen. Und alsbald beginnt sie tatsächlich zu fließen S7, Jesus aber läßt einen Ast der Palme durch einen Engel ins Paradies verpflanzen und weissagt, daß einmal alle Heiligen genießen werden, was die Palme. zu spenden hat 88 • Damit ist einleuchtend erklärt, was Barnabas meint mit dem sich neigenden und wiederaufrichtenden Baume, den er als Schriftbeweis für die sakramentale Heilsbedeutung des Todes Jesu vorführt: Es ist der paradiesische Lebensbaum, der die eucharistischen Früchte spendet und aus seinen Wurzeln das Lebenswasser der Taufe fließen läßt. Vor allem der sakramentalen Auslegung von Ps. l, 3 begegnet man weiterhin mehrfach. Sie figuriert auch unter den zahlreichen gleichartigen alttestamentlichen Schriftbeweisen des Justin 89 • Später ist sie daß Christus «das Wasser reinigt>>, bringt auch I g n a t i u s (Eph 18, 2) das Dogma von der Schaffung der Taufe durch den Tod Jesu zum Ausdruck. Das Fluchwort über den Knaben des Hohepriesters spielt an auf Ps. 1, 3 und illustriert die Wirkung der Taufe negativ: Wer sie verachtet, verfällt dem Tode. In die vorliegende V crsion ist die Episode mit dem Sperlingswunder eingesprengt. Es handelt sich um eine nachträgliche Einschaltung; denn in einer andern griechischen Version, die in der Ausgabe von Tischendorf als Evangelium Thomae graece B bezeichnet und wiedergegeben ist (a. a. 0., S. 158), fehlt sie tatsächlich. Eine andere Kindheitslegende, die ebenfalls mit dem Wassermotiv operiert und offenkundig in gleicher Weise die Schaffung der Taufe symbolisiert, findet sich Eva n g. P s. Matt h. 33 (Tischendorf, a. a. 0., S. 103). 87 Die Anrede des Jesuskindes an die Palme lautet (Evang. Ps.-Matth. 20, Tischen· dorf, a. a. 0., S. 88): erige te palma et confortare, et esto consors arbornm mearnm qnae sunt in paradiso patris mei. aperi autem ex radicibus tuis venam qnae absconsa est in terra, et flnant ex ea aquae ad satietatem nostram. Dann fährt die Erzählung fort: et statim erecta est palma et coeperunt per radices eins egredi fontes aquarnm limpidissimi et frigidi et dnlcissimi nimis. 8S Eva n g. P s .• Matt h. 21: an nescitis quia palma haec, quam feci transferri in paradiso, parata erit omnibus sanctis in loco deliciarum, sicut vobis parata fuit in loco deserti huius? 89 J u s t i n , Dial. 86.
506
im Osten als bekannt bezeugt durch Methodius 90 und Athanasius 91, im Westen durch Pseudocyprian und Hilarius 92 • Es wird in der alten Kirche kaum einen Theologen gegeben haben, der bei dem Baum, der «an den Wasserbächen gepflanzt ist und seine Früchte bringt zu seiner Zeit», nicht an den paradiesischen Lebensbaum gedacht hätte, der als Frucht die eucharistische Speise spendet und aus seinen 1 Wurzeln das Taufwasser sprudeln läßt. Im übrigen findet man diesen sakramentalen Lebenswunderbaum wieder in Prov. 3, 1 93 , in Gen 18, 4 (weil hier die Gäste Abrahams unter einem Baume ihre Füße waschen 94 und in Cant. 4, 12 95). Aber die allegorisierende Exegese macht vor keinen natürlichen Schranken Halt. Wie Cyprian im Hinblick auf den Schriftbeweis für die christliche Taufe rundweg erklärt: Wo nur immer überhaupt in der Schrift von Wasser die Rede sei, werde auf die Taufe hingewiesen, so legen die Allegoristen tatsächlich auch in dieser Sache frischfröhlich nach dem Grundsatz aus, daß, wo nur immer im Alten Testament irgendwelches Holz zu irgendwelchem Wasser in irgendwelcher Beziehung steht, die Schaffung des Taufsakraments durch den Kreuzestod gemeint sein müsse. Schon Justin verfügt über eine reiche Blütenlese solcher Testimonien, die alle auf dieses Eine und Gleiche hinweisen: Der Stab, mit dem Mose Exod. 14, 16.21 zur Rettung des Volkes Israel die Wasser des Roten Meeres zerteilt, und Exod. 17, 5.6 für die Dürstenden Wasser aus dem Felsen schlägt; das Holz, mit dem er Exod. 15, 23-25 das bittere Wasser in trinkbares Süßwasser verwandelte; die Stäbe, die der Erzvater Jakob Gen 30, 38 in die Tränkrinnen stellt, um damit bei den Schafen die gewünschten Zuchtergebnisse zu erzielen; der Stab, mit dem er nach Gen 32, 10 das Wasser des Jordans durchschreitet; ja sogar die Himmelsleiter, die er Gen 28, 12 f. im Traume sieht 96 , und natürlich die Arche Noahs 97 • Mit dieser Aufzählung ist das justinische Arsenal von Schriftbeweisen keineswegs erschöpft. Es sei nur noch erwähnt, Met h o d i u s , Sympos. IX, 3. A t h a u a s i u s , Expositio in ps. 1, 3, MG XXVII, 61. 92 P s.- C y p r i an, de moutibus Sina et Sion 9; H i l.a r i u s, tract. super psalm. I, 13-18. 93 0 r i g e u es, Comm. V, 9 in Rm. 94 T r a c t. 0 r i g e n i s II (ed. Batiffol, S. 15). 95 Cyrill von Jerusalem·, Kat.XIV, 5, MG XXXIII, 829). 96 Alle diese Testimonien zählt J u s t in auf Dial. 86. 97 J u s t in (Dial. 138, 2): Christus UQXlJ :n:6J.Lv 0./.J.ou yEVOU<; yEyovE, "tOÜ &.va.yEvVl']ilEV"to<; fm' fJ.lhoü liL' ÜÖUTO<; ?lfJ.L nlcrn:oo<; %UL l;uAou, 'tOÜ 'tO f.tUCJ'tTJQLOV "tOÜ CJ'tfJ.U· eoü iixov{o<;, öv "tQÖnov ?tut ö NiöE f-v l;uA.q~ ÖLEcrmlll'J f-:n:oxouf.tEVo<; ,;oi:<; üöa.crt f.tE"ta ,;iöv töloov. 90 91
34
507
daß u. a. auch die Geschichte IV Reg 6, 6 LXX von dem Stück Holz, mit dem Elisa die in das Jordanwasser gefallene Axt auf wunderbare Weise heraufholt, in diesem Sinne verwertet wird 98 • Vermutlich hat Justin selbst hier nur eine ihm schon überlieferte Testimoniensammlung benützt. Jedenfalls hat man sich ihrer auch weiterhin in der Großkirche gerne bedient. Denn die meisten dieser alttestamentlichen Schriftbeweise für das neue Dogma der sakramentalen Heilsbedeutung des Todes Jesu kehren in den Schriften der spätern großkirchlichen Theologen wieder 99 • Und das Interesse, der Eifer des Allegorisierens flaut zunächst durchaus nicht ab, sondern geht mit Erfolg auf neue Entdeckungen aus too. Im Zuge der geschilderten Entwicklung kommt aber die neue Lehre zu einer letzten Ausgestaltung, deren zum Schluß noch gedacht werden muß, weil sie deutlich zeigt, niit welcher innern Folgerichtig. keit das ganze Dogma durchgebildet wird. Es findet nämlich seinen krönenden Abschluß in dem Gedanken, daß durch den Tod Jesu, sofern er die Sakramente schafft, zugleich recht eigentlich die Institution der christlichen Kirche geschaffen wird. Bereits in der altertümlichen pseudocyprianischen Schrift «de montibus Sina et Siom> wird der Gedanke unmittelbar aus der für die neue Lehre .von der Heilsbedeutung des Todes Jesu grundlegenden Stelle Joh 19, 34 (unterstützt durch Jes 2, 3; Joh 7, 38; Ps. 1, 3) ge· folgert 101 • Dann aber nimmt man zur weitern Sicherung der These die Adam-Christus-Spekulation der Rekapitulationstheorie zu Hilfe: Der 98 J u s t i n (Dial. 86, 6): ~'ÖÄov 'EÄtooai:o~ ~aÄoov EL~ 'tOV 'loQM.V1JV 1CO'taflOV &vf)vEyxE 'tOV OLÖ1JQOV 'tij~ &~tv11~ • • • oo~ xat TJflEL~ ~E~a1t'tLOflEV01J~ 'tai:~ ßaQll'tcl'tat~ cXflUQ'tLaL~, ü~ E1CQU~af1Ev, öta 'toü O'talJQro-frijvaL e1et 'tOii ~uÄou xat öt' üöa'to~ &.yvtoaL 0 XQLO'tO~ TJflOOV EÄll'tQWOU'tO. 99 So findet sich beispielsweise der Hinweis auf die Wandlung des Bitterwassers durch den Stab Moses Exod. 15 hei Te r tu ll i an, de bapt. 9; C.y p r i an, de zelo et livore 17; tract. Origenis XV (ed. Batiffol, S.164f.); Cyrill von Jerus a I e m, Kat. XIII, 20 (MG XXXIII, 797); H i I a r i u s, tract. mysteriorum I, 35 f. 100 Beispielsweise weiß H i I a r i u s in seiner Behandlung der Mysterien sogar das im Schilfkästchen im Nilwasser verborgene Moseskind Exod. 1, 15 ff. zu verwer· ten (tract. myster. II, 28): Moyses etenim natus eo tempore, quo omnes masculini sexus editos Pharao necari praeceperat, per lignum aquae innatans dux populo reservatur. odium et metus regis numquid non par atque idem tempore eo, quo dominus noster secimdum hominum est natus, exarsit in eundem nobis hominem, quem adsumpsit per sacramentum ligni atque aquae in se? 101 P s.- C y p r i an (de Diontibus Sina et Sion 9): Iex Christianorum crux est sancta Christi filii dei viri dicente aeque propheta: «
508
Bericht über die Öffnung der Seite des Gekreuzigten, aus der Wasser und Blut fließen, ist zu ergänzen durch die Analogie von Gen 2, 21 ff., wonach auch die Seite Adams geöffnet wurde _:_ zur Erschaffung Evas. Eva aber symbolisiert die Kirche. Nun erst ist vollends klar, daß die Schaffung der Sakramente durch den Tod Jesu im Sinne von Joh 19, 34 in der Tat zugleich die Schaffung der die Sakramente spendenden Kirche bedeutet. Diese Theorie wird vorgetragen vom Autor der pseudoorigenistischen Traktate, von Methodius, Epiphanius, Hilarius 102, und sie findet sich auch in der populären Erbauungsliteratur 108 • Allein der .Gedanke selbst ist älter als diese Begründung. Tatsächlich steht grundsätzlich schon für lrenäus fest: «Wo die Kirche ist, ist der Geist, und wo der Geist, da die Kirche>> - aber nur kraft der den Geist vermittelnden Sakramente. Also gibt es Kirche, sofern und seit die Sakramente gestiftet sind 104 • 102 T r a c t. 0 r i g e n i s XV (ed. Batiffol, S. 165 f.): Im Anschluß an die sakramentale Auslegung von Joh 19, 34 und I Cor 10, 4 wird gesagt: quis etenim nesciat domiuum nostrum, qui est fons aquae vivae saliens in vitae perpetuitatem, cum in crucis ligno suspen3Us fuisset, non tantum de vulnere lateris sui sanguinem sed aquas Iargo cursu manantes profudisse, ostendens sponsam, id est ecclesiam, exemplo proto' plastorum de latere suo constare, sicut constitit et Eva de costa Adae, habentern scilicet duo baptismata, i.J. est aquae et sanguinis, unde fideles in ecclesia et martyres fiunt? Met h o d i u s (Sympos. 111, 8) deutet in seiner Kombination von Joh 19, 34 und Gen 2, 21 ff. zudem den Schlaf Adams allegorisch auf den Tod Jesu. Kurz und bestimmt E p i p h an i u s (h. LXXVIII, 19, 6): Die Erschaffung Evas erfolgte gemäß Gen 2, 21 ff., tva öeU;u -cov fl.Ev -xuewv &.no Maeta~ &.vanM.aav-ca Eau-ci('J aiiif.ta, &.n' mhij~ öux -cij~ rtÄ.EU(>Ü~ otxoÖOfLT]{}ijvat EXXÄ.T]atav, EV -c/ii wx.{}ijvat mhoü -cijv nÄ.eue&.v xat -c&. f!.Ua-cfteta -coü a'Lf.ta-co~ xat üaa-co~ Ev fJf.tiv M-cea yevea{}at. H i I a r i u s (tnct. myster. I, 3): cum enim verbum factum sit caro et ecclesia membrum sit Christi, quae ex latere eins et per aquam nata et vivificata per sanguinem sit, rursum caro, in qua verbum ante saecula manens, quod est filius dei, natum sit, per sacramentum maneat in nobis, absolute docuit in Adam atque Eva suam et ecclesiae speciem contineri, quam post mortis suae somnum sanctificatam esse carnis . suae communione significet. Zweifellos gehört auch C y r i ll von Je r u s a I e m hieher, der (Kat. XIII, 20 ff., MG XXXIII, 797-800) in einer Ausführung der Kombination von Joh 19, 34 und Gen 2, 21 ff. den Gedanken der Schaffung der Kirche zwar nicht vorbringt, aber zum Schluß erklärt, es wäre über dieses Thema noch mehr zu sagen; aber im Hinblick auf die vorgerückte Zeit wolle er seine bereits lang gewordene Rede mit Rücksicht auf die Zuhörer nun abbrechen. 1 03 P a s s i o s a n c t. a p o s t. P e t r i e t P a u I i 8 (Lipsius-Bonnet, I, 127): Christus hat Leiden und Tod auf sich genommen, ut sicut ex costa Adae fabricata est Eva, sie ex latere Christi in cruce positi fabricaretur ecclesia, quae non haberet maculam neque rugam. 104 Iren ä u s (adv. haer. 111, 24, 1): ubi enim ecclesia, ibi est spiritus dei, et ubi spiritus dei, illic ecclesia et omnis gratia; spiritns autem veritas. quapropter qui non participant eum, neque a mammillis matris nutriuntur in vitam, neque percipiunt de corpore Christi procedentem nitidissimum fontem, sed effodiunt sibi lacus detritos de fossis terrenis et de coeno putidam bibunt aquam, effugientes fidem ecclesiae.
509
Dieser Gedankengang entspricht dem altkirchlichen Kirchenbegriff durchaus. Das Problem lag aber zunächst wieder in der Frage nach dem Schriftbeweis. Als solchen bringt lrenäus eine seltsame allegorische Deutung des Inzestmotivs der Lotgeschichte Gen 19, 31 f. vor, die begreiflicherweise von den übrigen großkirchlichen Theologen als derart anstößig empfunden wurde, daß man sie preisgab. lrenäus hat diese Allegorese nicht selbst erfunden, sondern von einem kleinasiatischen Gewährsmann übernommen, dem «Alten», der noch die Apostelschüler gesehen und gehört haben soll. Er gibt also die allegorische Weisheit als apostolische Lehre aus. Danach stellt Lot den Logos dar, der durch seinen «Lebenssamen» d. h. durch seinen lebensschaffenden, entsündigenden Geist seiner Kirche des alten und neuen Israels, repräsentiert durch die beiden Töchter Lots, die Erzeugung von Kindern verleiht. Daß dies aber durch den Tod des fleischgewordenen Logos geschehen sollte, wird dadurch symbolisch geweissagt, daß Lot zuerst Wein trinkt und alsdann einschläft, bevor seine Töchter zu ihm gehen. Denn auch vom fleischgewordenen Logos sagt die Schrift (Mt 11, 19; Ps. 3, 6; J er 31, 26), daß er zuerst unter den Menschen weilend Wein trinkt und alsdann in Schlaf verfällt (stirbt) 105 • Deutlicher als durch diese mit vollem Ernst dargelegte Allegorie könnte lrenäus nicht bekunden, wie völlig die von ihm repräsentierte neue kirchliche Theologie dem Gedanken der «physischen» Erlösung und dem antiken Substanzbegriff verhaftet ist 106. Wo Clemens Alexandrinus einmal auf Gen 19, 31 ff. zu reden kommt, macht er nebenbei die Anmerkung, es gebe eine Auslegung dieser Lotgeschichte, derzufolge sie ein allegorischer Hinweis auf die Heilsveranstaltung der Wiedergeburt sein soll. Er meint offensichtlich das, was lrenäus in dieser Sache als angebliche apostolische Deutung der Stelle vorbringt. Aber er erklärt, nicht näher darauf eintreten zu 105 Iren ä u s {adv. haer. IV, 27, 1; 31, 2. Diese Deutung von Gen 19, 31 ff. mit Hilfe von Mt 11, 19; Ps. 3, 6 und Jer 31, 26 schließt ab mit den Worten: totum autem significabatur per Lot, quoniam semen patris omnium, id est spiritus dei, per quem facta sunt omuia, commixtus et unitus est carni, hoc est plasmati suo, per quam commixtionem et unitatem duae synagogae, id est duae congregationes fructificantes ex patre suo filios vivos vivo deo. Daß Irenäus mit dem Ps. 3, 6 erwähnten «Schlaf>> und so auch mit dem Schlaf Lots wirklich den Tod Jesu meint, ergibt sich auch aus der Anspielung adv. haer. IV, 33, 13: qui {prophetae) dixerunt, eum dormisse et somnium cepisse et resurrexisse. 10 6 Dies hier nebenbei festzustellen ist nicht überflüssig angesichts gewisser heutiger Versuche, die Theologie des Irenäus nach modernen Kategorien umzudeuten und zu idealisieren. Diese Versuche sind völlig unberechtigt und aussichtslos.
510
wollen 107 • Zweifellos ist ihm diese Exegese zu massiv. Auch Origenes befaßt sich in einer Genesis-Homilie mit der Lotgeschichte und berichtet, es gebe Ausleger, die den Lot auf Christus und seine Töchter ·auf die «zwei Testamente» deuten. Aber das Unternehmen erscheint ihm gewagt und bedenklich, sobald man nur schon erwägt, wer denn nachmals die von Lot mit seinen Töchtern erzeugten Söhne gewesen sind. Origenes selbst muß natürlich die Geschichte, um des Problems völlig Herr zu werden, ebenfalls allegorisieren. Aber für ihn bedeutet Lot das «Gesetz» 10 s. Trotzdem lrenäus seine Allegorie durch den kleinasiatischen Presbyter als apostolische Tradition legitimieren läßt, wird diese nicht nur von den alexandrinischen Spiritualisten abgelehnt. Sie verschwindet und wird durch die bereits vorgeführte Kombination von Joh 19, 34 mit Gen 2, 21 ff. ersetzt, die von Pseudocyprian an maßgeblich wird.
107 CI e·m e n s AI e x. (Paed. II, 81, 3): AO:rt öe Ö öi~tato~ (1tUQU1tEf13tOf1Ut y&.g 'VU'V 'tij~ 3tUAtY'(E'VEO"LOU OL%0'V0f1LU~ 'ti}v e;fty1]11W) OU% liv Eitt ,;i}v i'i{}EO"f10'V E%Ei'V1]'V itQOltlC{}T) f.LL;w f.tiJ ouxt ltU'tUflE{}uCJ{}Et~ itQO~ 'tÖl'V {}uya'tEQOO'V ~tat Üit'Vq> ~tagro{}Ei~. 108 0 r i g e n es (Horn. V, 5 in Gen): verum scio nonnullos, quantum ad allegoriam pertinet, Lot traxisse ad domini personam et filias eius ad duo testamenta. sed haec, qui sciat, quid de Ammonitis et Moahitis scriptura dicit, qui ex genere Lot descendunt, nescio si lihenter accipiat. quomodo enim poterit aptare Christo quod, qui de semine eius: generantur, usque in tertiam et quartam progeniem non introihunt in ecciesiam domini? nos autem, prout sentire possumus, Lot figuram ponimus Iegis.
511
Dritter Abschnitt
Die Neugestaltung des Dogmas von der Person Christi
Erstes Kapitel Der 'Übergang zum Dogma von der Gottheit Christi Daß problemgeschichtlich gesehen das entscheidende Motiv für die Ausbildung des Dogmas von der Gottheit Christi als der neuen christo~ logischen Lehre der nachapostolischen Kirche in der Neugestaltung der Lehren von der Erlösung, von den Sakramenten und vom Erlösungswerk Christi liegt, kann nach den voraufgehenden Kapiteln unserer Darstellung nicht zweifelhaft sein. Die innere Logik dieses sachlichen Zusammenbanges kommt auch in bestimmten Aussagen altkirchlicher Theologen deutlich zum Ausdruck. Gerade Vertreter solcher theologischer Richtungen, die in der Entwicklung des neuen christologischen Dogmas eine besonders wirksame Rolle spielen, kämpfen mit dem Argument, die Möglichkeit der Erlösung habe die Gottheit des Erlösers zur Voraussetzung. Diese These führt bereits der Monarchianer N oet als Beweis für seine modalistische Christologie ins Feld 1 • Und bemerkenswerterweise hat sich die spätere homousianische Theologie dieses gegen die ältere großkirchliche Christologie gerichtete, modalistische Argument nicht entgehen lassen. Sie macht es noch eindringlicher im Kampfe gegen die Arianer geltend. So vor allem Athanasius: Die Unvergänglichkeit konnte Christus dem sterblich gewordenen Menschen nur verschaffen, sofern er der göttliche Schöpfer dieses Menschen selber ist 2 • Und besonders deutlich spricht er sich in auelern Aussagen aus: Nur wenn Christus nicht bloß in irgendeiner abgeleiteten, mittelbaren Weise, sondern im Sinne der Substanzgleichheit, ja Substanzidentität mit Gott, dem Vater, 1
au,;o~
N o e t (bei Hippolyt, c. N o e t. 2): xeta,;o~ yne fiv i}e6~. xat ~Jtaaxev öt' iJftu~.
lJJv ö Jta,;fle, tva xat aöiaat iJftu~ öuv'I'Ji}ß. At h an a s i u s (de incarn. 20, MG XXV, 129): ltQOEtltOflE'V, 1ht oux liA.A.ou fiv 'tO
ts
512
wirklicher Gott ist, kann er die Erlösung der Menschen im Sinne der Vergottung verwirklichen 3 • Und an der folgenden Äußerung sind die Negationen lehrreich: Nicht nur ein bloßer Mensch, sondern auch ein Engel vermöchte die Erlösung als die Neuschöpfung des Menschen niemals zustande zu bringen 4 • So und so viele andere Argumente, nicht zuletzt auch Schriftbeweise der Homousianer mochten problematisch sein und bleiben. Dieses eine Argument von der neuen Erlösungslehre · her mußte bei allen ihren Vertretern durchschlagend wirken. Epiphanius 5 operiert damit in seiner Abrechnung mit der arianischen Häresie als mit einer elementaren Selbstverständlichkeit 6 • Die letzte der drei zitierten Aussagen des Athanasius ist in diesem Zusammenhang auch deshalb besonders zu beachten, weil sie in Erinnerung ruft, daß es sich im Übergang zu dem neuen Dogma von der Gottheit Christi nicht um die Erhebung eines Menschen zu göttlicher Würde handelt. Der, dem nunmehr Göttlichkeit zugeschrieben wird, ist schon im Glauben des V!Jn der Lehre des Paulus herkommenden Heidenchri~. stentums des ausgehenden apoetolischen Zeitalters ein (am Ende der Tage in Menschengestalt erschienenes) präexistentes, himmlisches Wesen: Eines der höchsten, ja das kraft göttlicher Erwählung höchste Engelwesen. Die Voraussetzung des neuen Dogmas von der Gottheit Christi ist die Engelchristologie der urchristlichen Überlieferung. Der Übergang zum neuen kirchlichen Dogma wird vollzogen als die Übersetzung des alten Christusdogmas aus der religiösen Metaphysik des von der spätjüdischen Apokalyptik ausgehenden Urchristentums 3 At h an a s i u s (de synod. 51, MG XXVI, 784): ü:n: at'rc9~ rov ,;o iteonotov %at
t;
ath6~. 4 At h an a s i u s (de incaru. 13, MG XXV, 120): llt' avitQcbrtrov JJ.E'V yue ou% -fjv ÖlJ'V(l.'tO'V, E1CEL xat (l.U'tOL )G(l.'t' et%O'V(l. yeyovML'V. aA.A.' oUIIE IIL' ayyfArov, oUIIe YUQ oUIIE au-rot etow ELXO'VE~. öitev ö 'tOU iteoii Myo~ llt' E(l.lJ'tOU 1C(l.QEYE'VE'tO, tv' 00~ EL%00'V rov ,;oii na,;eo~ 'tov xa,;' EL%OVa &viteronov ava%'tLO"aL lluvt]it!J. 5 E p i p h an i u s (h. LXIX, 36, 1): ,;l oüv ,;o x,;la11a roq>eA.f]aetev fj nolav :x.ef)mv notei'taL neo~ ,;iJv fJfliöv oro'tt]Qlav xat neo~ ,;1)v ,;oii iteoii Myou llvoaexov llo;oA.oytav •.. ; ,;L roq>EAEi TJflcl~ 'tO AEYELV (l.U'tO'V :>t'tLO"fl(l.; ,;L :>G'tt
513
m die religiöse Metaphysik der gleichzeitig auf dem Boden der außerchristlichen Kultur blühenden hellenistischen Philosophie und Religion. Diese Übersetzung ist grundsätzlich möglich, weil hier bei aller Verschiedenheit im Einzelnen ganz elementare Analogien in der Grundstruktur bestehen. Der spätjüdisch-urchristlichen Anschauung von dem einen, jenseitigen, über alle Prädikate der Absolutheit verfügenden Schöpfergott und der ihm unterstehenden, hierarchisch gestuften Engelwelt entspricht auf hellenistischem Boden der philosophische Monotheismus vor allem der spätplatonischen, dem eigentlichen Neuplatonismus zustrebenden Philosophie, der sich mit dem altüberlieferten Polytheismus der Popularreligion irgendwie aussöhnt. Celsus erläutert den Christen diesen Kompromiß und erklärt: «Wer alle (dem einen Gott zugehörigen Götter) ehrt und anbetet, der betrübt den (einen) Gott nicht, dem sie alle gehören» 7 • Einerseits identifiziert nun das nachapostolische Heidenchristentum in seiner großen Mehrheit mit Selbstverständlichkeit seine Anschauung von Gott als dem «Vater des Alls» mit dem spät jüdischen, wie auch mit dem hellenistisch-philosophischen Monotheismus. Versichert Justin dem Juden Tryphon, daß auch die Christen auf keinen andern Gott ihre Hoffnung setzen als die Juden, nämlich auf den Gott Abrahams lsaaks und Jakobs 8 , so erklärt später Euseb in seiner Beweisführung für die Wahrheit des Christentums gegenüber den Juden, der Glaube an den einen, ewigen, überweltlichen Schöpfergott sei «allen Menschen gemeinsam» 9 • Die Apologeten des zweiten Jahrhunderts haben die Absolutheitsprädikate des philosophischen Monotheismus in die christliche Gotteslehre übertragen 10• Um so weniger ist es zunächst der durch die Apologeten beeinflußten großkirchlichen Theologie möglich, die GottC e I s u s hl'i 0 r i g e n e s (c. Cels. VIII, 13). Justin (Dial. 11, 1): oUöe at..Aov f.lEV i)wov, at..Aov öe Uf.t&v i)youf.tEil"n ß"e6v ... oüö' Et-; (i'),J.ov nvu Tjl.otblnf.tEV, o'Ö yaQ ecrnv, &././,' et-; ov xnt Uf.tEi-;, ,;ov ß"eov ,;ou 'AßQnaft xnt 'Icrnux xat 'Inxroß. 9 Eu s e b (dem. evaug. IV, 1): 0 f.lE'V ouv öl:EQL 'tOU öl:QOO'tOU xat ui:ötou f.lO'VOU 'tE uyewi),;ou xnt Eoti ot6.v,;oov ahtou ,;&v öl.oov na'V'YJYEftOVo-; 'tE xat otnf.tßncrtl.eoo-; ii"Eoil 1\0l'VO-; aotn
8
514
heit Christi im Sinne dieses verabsolutierenden Gottesbegriffs zu verstehen. Dies ist unmöglich schon mit Rücksicht auf die Menschwerdung des Christus. Der deus invisibilis der philosophischen Gotteslehre erscheint niemals im irdisch-weltlichen Bereich. Eine solche Verendlichung seines Wesens würde die Preisgabe seiner Absolutheil bedeuten. Justin erklärt ausdrücklich und bestimmt, daß Gott, der «Vater des Alls», niemals sichtbar erscheine 11 • Und in dieser Hinsicht denkt auch Tertullian grundsätzlich nicht anders als der Philosoph Celsus 12 , wenn er einmal erklärt, er würde ein sichtbares Erscheinen des Vatergottes selbst dann nicht glauben, wenn es die heilige Schrift behaupten würde 13 • Andererseits ist aber im relativierten Gottesbegriff der mit dem philosophischen Monotheismus in Ausgleich gebrachten polytheistischen Volksreligion für das nachapostolische Christentum hellenistischer Prägung die Möglichkeit des Übergangs zum Dogma von der Gottheit Christi gegeben. Und daß die Entwicklung in der Tat diesen Weg gegangen ist, braucht nicht hypothetisch erschlossen und behauptet zu werden, sondern läßt sich aus den keineswegs spärlichen Zeugnissen der dogmengeschichtlichen Quellen unmittelbar ersehen. Schon die polemische Auseinandersetzung mit dem Polytheismus der hellenistischen Popularreligion verfährt bezeichnend, sofern sie diesen nicht wirklich radikal bekämpft. Man kritisiert den minderwertigen Gehalt der überlieferten Göttermythen 14 (aber nicht einmal dies ist auf hellenistischem Boden etwas Neues) und zahlt den Heiden, wo sie die christliche Predigt von Christus als dem in Menschengestalt erschienenen Gott als «Mythus» verlästern, mit gleicher Münze zurück 15 • Aber man bestreitet doch nicht die Existenz der Wesen, von denen die heidnischen Mythen handeln. Man entkleidet sie ihrer göttlichen Würde und degradiert sie zu niedern Dämonen, vor deren Angriff sich der Christ durch die Macht des Kreuzes geschützt wissen kann 16 • 11 Justin (Dial. 127, 1): !J.iJ lJYEtO"~E afJ'tOV 'tOV ayEVV1'j'tOV ftEOV :~ta'taßEßfpGEVaL &vaßEß1'JxivaL no'friv. ö yaQ ÜQQ1'JTO~ naTi]Q xal XUQLO~ 't<ÖV n:uv1:oov oÜTE JtOL &q:>i:x'tm oj.hE 3tEQl3tU'tEt ... &'J.'J.' EV TU auTOÜ :X:WQ~, Ön:ou JtO'tE, !J.EVEL.
1\
Nach 0 r i g e n es, c. Cels. IV, 14. Siehe S. 365, Anmerkung 83. Te r tu ll i an (adv. Prax. 16): haec nec de filio dei credenda fuissent, si scripta non essent, fortasse· non credenda de patre, licet scripta. 14 Athen a g o ras (Suppl. 21) fragt im Hinblick auf das Geharen der ht;idnischen Götter: xuv aciexa 'frEo~ xaTa 'frEtav olxovo!J.tav 'J.ußu, tjö11 öoiiM~ EO"TL em'frll!J.La\;; 15 Tat i an (Orat. ad graec. 21): ou yaQ !J.OlQ«LVO!J.EV ••• 'frEoV ·EV &v'frQC:Ün:ou !J.OQq:>Ü 12
13
yEyovivm xa'tayyi'J.'J.ovTE\;- ol 'J.oLÖOQOUV'tE\; iJ!J.ä.~ auyxetvaTE 'tOU\; !J.U~ou,; U!J.<ÖV 'tOt\; lJJlE'tEQOL~ ÖL1']Yi)!J.«O"L . . • ÖL03tEQ &n:oßH\jlaVTE\; J'tQO\; 'tU OLXEta xuv w,; O!J.OLOl\; !J.llitO'J.oyoiivTa~ (sc. 'li!tä.~) &n:oM;aa~E. ' 16 J u s t i n (Apol. I, 5): ÖEEL O"llV1']Q3tUO"!J.EVOL xal 11.iJ EmO"TU!J.EVOL (sc. ol livfteoon:oL) öaiJlova~ EivaL cpau'J.ou\;, 'frwu~ n:eoaoovo!J.a~ov.
515
So lautet die vorherrschende kirchliche Anschauung. Allein es sind nicht einmal alle kirchlichen Schriftsteller auch nur soweit gegangen. Für Arnobius gibt es neben dem höchsten Gott als dem obersten Herrn (princeps omnium) nicht nur «Engel» und «Dämonen», sondern «dii, angeli, daemones», ja· er läßt diese dii sogar als (
3tllQtO'tiiv oil(; xal
516
~eou(; övo~ta~et.
gott der jüdischen Religion unter die Engel versetzt 21 • Zweifellos haben zur Ausbildung der gnostischen Äonenspekulation die spätjüdischurchristlichen Vorstellungen von der himmlischen Engelhierarchie nicht weniger beigetragen als der hellenistische Polytheismus, wie man ja auch von einer «gnostisierenden» Strömung gerade auch im nachapostolischen Judenchristentum reden kann. Wesentlich ist aber, daß zu den gnostischen Äonenwesen, die bald als Engel, bald als Götter erscheinen, gerade auch der Christus gehört. Und an diesem entscheidenden Punkte macht auch das kirchliche Christentum der nachapostolischen Zeit den Übergang in die hellenistisch-popularreligiöse Denkweise mit. Es degradiert seinerseits die Götter der V olksregion, um eben an ihre Stelle Christus zu setzen. Aus dem hohen Engelwesen Christus macht die Kirche eine Gottheit im Sinne des relativierten Gottesbegriffs der hellenistischen Mythologie. Hiefür ist der Märtyrertheologe Justin ein in mehr als einer Hinsicht gewichtiger Zeuge. Einmal kommt er von der Philosophie her. Wie viel mehr muß seine Denkweise vollends den Kreisen derer entsprechen, die nicht von der Philosophie, sondern unmittelbar vom religiösen Volksglauben her zum Christentum gekommen sind! Sodann sind seine Aussagen besonders instruktiv deshalb, weil sie beides bezeugen: Einmal die Verbindung der Gottesanschauung des jüdisch-urchristlichen Monotheismus mit dem absoluten Gottesbegriff des philosophischen . Monotheismus, und zugleich nun, parallel hiezu, auch die Umdeutung der urchristlichen Engelchristologie in das neue Dogma von der Gottheit Christi im Sinne des relativierten Gottesbegriffs der hellenistischen Volksreligion (wobei die alte Engelchristologie selber durchaus noch sichtbar bleibt) 22 • Bei allen Vorbehalten und Unterschieden, die Justin in bezug auf den kirchlichen Christusglauben gegenüber dem heidnischen Polytheismus selbstverständlich geltend zu machen hat, sagt er doch schließlich seinen hellenistischen Lesern geradewegs heraus: «
517
Im Einzelnen liegen diesen Göttermythen nach Justin letztlich Weissagungen der alttestamentlichen Offenbarung zugrunde, die lediglich von Dämonen böswillig verdreht worden sind. So soll der Mythus von der Entstehung der Zenstochter Athene bloß eine etwas phantastische Verunstaltung des (vermeintlichen) alttestamentlichen Hinweises auf den göttlichen Plan der Weltschöpfung durch den Logos als den Sohn Gottes darstellen 24 • Sogar noch Tertullian läßt sich dazu herbei, derartige Analogien als grundsätzlich berechtigt geltend zu machen 25 • Wenn die Statuierung des neuen Dogmas von der Gottheit Christi im Sinne des relativierten Gottesbegriffes der hellenistischen Religion auf das Alte Testament sich zu stützen sucht, so ist dies keine bedeutungslose Hilfskonstruktion. Vielmehr gibt gerade dieser V erweis auf das Alte Testament den kirchlichen Theologen in diesem ganzen Unternehmen das gute Gewissen. Sie fühlen heraus, ·daß es im Alten Testament neben der Verkündigung des israelitisch-jüdischen Mono· theismus auch noch Überreste anderer Gottesanschauungen gibt. Origenes kommt mehr als einmal in seiner Auseinandersetzung mit dem Heiden Celsus darauf zu sprechen, daß auch das Alte Testament Engel als «Götter» bezeichne. Er denkt dabei vorab an die Stelle Ps. 81, l. 6, die der altkirchlichen Theologie stets aufgefallen ist, und versteht unter den hier genannten «Göttern» offensichtlich die von Gott mit dem Regiment über die Völker betrauten V erwaltungsengel. Er beeilt sich jeweilen zu betonen, man dürfe ihre Bezeichnung als «Götter» nicht als eine Aufforderung zu göttlicher Verehrung oder Anbetung mißverstehen. Aber er deutet die Bezeichnung selber nicht weg 26 • Das Alte YE:YEV'iio-frat !XlJTOV EX itEOÜ AEYOJ.LEV 1..6yov -frwü, oo<; J'tQOE(jlT]fLEV, XOLVOV 'toÜ'tO i(o,;ro UJ.LLV 'tOL<; 't.OV 'EeJ.L'iiV Myov 'tOV J't!XQU itEOÜ uyyE'A 'tL'X.OV 1..1\youmv. EL ÖE ahuioat'tO 'tL<; löo,;augiiio-frat au,;6v, xat ,;oü,;o xotvov ,;oi:<; J'tQOXU't'I']Qt-frJ.L'I']fLEVOt<; mx-froümv u[oi:<; xait' 'ÖJ.Lu<; ,;oü ßto<; un6.QXEL. EL öf: xal öta nae-&1\vou yEyEvvlio-frat
518
Testament schützt also den relativierten Gottesbegriff der außerchristlichen Religionen, den man nunmehr in der Bildung des neuen christologischen Dogmas verwertet. Das Gegenstück hiezu liefern die pseudoclementinischen Homilien, die den Sirnon Magus gegen das Alte Testa· ment die Anklage erheben lassen, daß es polytheistisch lehre 27 , worauf Petrus entgegnet, daß das Alte Testament, wo es von «Göttern» redet, in Wahrheit nur Engel meine 28 • Das Durcheinander von Engeln und Göttern des gnostischen Pieroma findet man also schon im Alten Testament. Aus der Tatsache, daß die Umbildung des christologischen Dogmas in der aufgewiesenen Bahn verläuft, erklären sich charakteristische Eigentümlichkeiten des hiermit in Gang kommenden, jahrhundertelangen dogmengeschichtlichen Prozesses. Einmal wird verständlich, daß die erste Phase der Entwicklung, der eigentliche Übergang von der Engelchristologie zum Dogma von der Gottheit Christi mit so konfliktloser Leichtigkeit eingeleitet werden kann. Höchstens aus der Mahnung des II. Clemensbriefes: «Brüder, wir müssen über Jesus Christus so denken wie über Gott» 29 , kann man herauslesen, daß es um 140 p. Chr. bestimmte christliche Kreise ge· geben hat, die der Zuerkennung des Gottheitsprädikats an Christus, wo dieses Postulat auftritt, Mißtrauen und Widerstand entgegensetzen. Im Übrigen aber erwecken die dogmengeschichtlichen Quellen den zweifellos geschichtlich richtigen Eindruck, daß sich in dem Jahrhundert zwischen 70 und 170 neben der überlieferten urchristlichen Engelchristologie die Auffassung von der Gottheit des Christus ohne viel Störung in größeren Kreisen einzubürgern beginnt. Ja man stößt bereits in dieser Periode des Übergangs vom Urchristentum zum werdenden Frühkatholizismus mehrfach auf Aussagen über Christus, die einen naiv modalistischen Sinn zu haben scheinen. Christus erscheint hier als der Gott schlechthin, als «der Gott» 30 , als «mein Gott» 31 , «mein Herr und mein Gott» 32 , «unser Gott» 33 • Dann 27 P s.• C I e m. Ho m. 111, 38: ... <ÖJV :n:aga 'Iouöalot~ örn.wolwv ßlßl.wv :n:oJ.J.ou~ El:vat l.qouoiilv. So auch XVI, 6. 11. 2g p s. c I e m. H 0 m. XVI, 14: 'tOflEV "'(UQ mhol a:n:o l:ÖJV ygmpiilv &.yyel.ou~ itEOU~ AEXitf.v
519
ist die Rede vom «Leiden meines Gottes» 34, vom «leidenden Gott» 35 und vom «Blute Gottes» 36 • Christus wird sogar bezeichnet als der «einzige Gott» 37 • Besonders auffällig lauten die Aussagen der Johannesakten. Hier wird Jesus im Gebet angerufen: «Du bist alleiniger Gott und kein anderer» 38 • Und der Apostel Johannes sagt in einer Predigt: «Darum soll unser guter Gott nicht betrübt werden, der . . . Heilige, Reine, Unbefleckte, Körperlose, Alleinige, Eine, Unveränderliche ... , der erhabener und höher ist als jede von uns gedachte oder gesprochene Benennung (auszudrücken vermag), unser Gott Jesus Christus» 39 • Freilich trügt hier oft der modalistische Schein der Aussagen. Trotz allem handelt es sich gewöhnlich nicht um eine bewußte dogmatische lneinssetzung des Göttlichen in Christus mit Gott, dem «Vater des Alls». Denn in andern deutlichen Aussagen der betreffenden Schriftsteller wird plötzlich ganz selbstverständlich die Unterscheidung der beiden Größen vorausgesetzt 40 • Vor allem in den J ohannesakten aber fehlen solche Richtigstellungen. Hier liegt also wirklicher Modalismus vor, ebenso bei Markion, in der Syrischen Didaskalia und bei gewissen Montanisten 41 • Jedenfalls aber bekunden diese .Äußerungen, wie leicht I g n a t i u s, Rm 6, 3. Siehe Anmerkung 31. T a t i an (Orat. ad Graec. 13): -.:ov liL6.xovov ,;ou ltE~tovit6-.:oc; itEoii. M e I i t o v. Sarde s (Fragm. VII, Otto IX, 416): Ö itEoc; ltEltOVitEv. Nicht vom leidenden Gott ist die Rede I Clemens 2, 1, wo an der entscheidenden Stelle -.:ou itEOu nach Ausweis der Textüberlieferung eine nachträgliche Korrektur ist für die ursprüngliche Lesart "tOÜ :X:(ILO'"tOU. 36 I g n a t i u 8 (Eph 1, 1): Die Gläubigen werden bezeichnet als &va~mltu(li]Oav-.:Ec; Ev llLf,Lil"tL itEOu. 37 .Nach den Martyrologien hat Ar ist i des in seiner Apologie den Satz verfochten (Otto IX, 347): quod Christus Jesus solus esset deus. 3 S Acta J o h an n i s 77 (Lipsius-Bonnet II, 1, S. 189): ön ou f-Lovoc; itEoc; xat ou:x: tngoc;. Dieselbe Formel steht auch in einem Gebet der Ac t a T h o m a e 25 (Lipsius-Bonnet II, 2, S. 140) und in cap. 26 liest man (a. a. 0., S. 142): oÜ-.:oc; y6.g eo-iL xugLOc; xai itEoc; ~t6.v-.:rov, 'IT]oouc; :X:QLo-.:6;, llv XTJ(Iuooro, xat a:lnöc; ~ta-.:i]g aÄTJitEiac;. 39 A c t a J o h an n i s 107 (Lipsiu8-Bonnet II, 1, S. 208): f,Li] oüv AUitELOitro Ö &yaitoc; Ttf-LÖ>V itE6c;, . . . Ö ÜyLOc;, Ö xaitag6c;, Ö af,LLil'V"tOc;, Ö aüÄoc;, Ö f,LOVoc;, Ö Elc;, Ö af,LE"tnf.loÄoc;, . . . Ö ltaOT)c; ÄEYOf-LE'VT)c; tj VOOUf,LEVT)c; Ttf-LL'V lt(IOIJT)YO(ILil; avrongoc; xai tHjJTjÄÖ"tE(IOc;, itEoc; Ttf-LOOV 'ITjCJOUc; :X.(ILIJ"toc;. 40 Ar ist i d e 8 (Apol. 15, ed. Goodspeed, S. 19): oü-.:oc; öE ö utoc; ,;ou itEOu ,;oii fnjJlo-.:ou Öf,LoÄoyEL"tllL. Und Apol. 1 expliziert Aristides die Absolutheit des höchsten Gottes in einer Weise, die er selbst niemals auf Christus beziehen könnte. In den A c t a T h o m a e 39 (Lipsius-Bonnet II, 2, S. 157) wird in einem Gebet der Lobpreis gleichzeitig sowohl an Christus wie auch an seinen Vater gerichtet: öo;&.~of.LEV xai Uf,LVOUJ.LEV OE xai aoga,;6v O'OU ltll"tE(IIl. 41 S y r. D i das k a I i a 7. 15 (ed. Achelis-Flemming, S. 32. 38 f. 82), hiezu Achelis (a. a. 0., S. 378): «Er ist naiver Modalist . . . Er kennt noch keine unterscheidende Formel für Gott-Vater und für Christus.>> - Nach Hip p o I y t (Refut. VIII, 19, 3) gehen manche Montanisten mit dem Modalismus des Noet einig. 34 35
520
das nachapostolische christliche Denken aus der überlieferten Engelchristologie in die Auffassung von der Gottheit hinüberwechseln kann, vor allem da, wo die Umbildung der Lehren von der Erlösung und vom Heilswerk Christi bereits derart fortgeschritten ist, daß sie zu diesem Schritt dr~ngt. Besonders anschaulich illustriert diesen Sachverhalt aber vollends die Tatsache, daß Übergangsstadien möglich sind, in denen ein und derselbe kirchliche Theologe die Gottheit Christi behaupten kann, während er gleichzeitig in irgendwelcher Form noch in der alten Engelchristologie denkt. Es sei hier auf das verwiesen, was in dieser Hinsicht bereits früher in anderem Zusammenhang vor allem über Justin, Novatian und Lactanz zu sagen war 42 • Am auffälligsten liegen die Dinge bei den beiden Letztgenannten. Denn diese bringen es zustande, in die Engelchristologie zurückzufallen, nachdem sie sogar Tertullian gelesen und ·die Lehre dieses entschiedenen Gegners der Engelchristologie reproduziert haben! In all dem bestätigt sich, daß es sich in der Übergangsphase der neuen christologischen Lehrbildung zunächst um eine Verschiebung handelt, der keine Hemmungen von grundsätzlichem Gewicht entgegenstehen. Der relativierte Gottesbegriff, der in diesem Stadium das neue Dogma von der Gottheit Christi inhaltlich bestimmt, ist vorderhand mehr nur das hellenistische Äquivalent des Christusbegriffs der die spezifisch eschatologische Farbe verlierenden spätjüdisch-urchristlichen Engelchristologie. Allein aus dem Ansatz der neuen Entwicklung des christologischen Dogmas wird auch das zweite Charakteristikum ihres Verlaufes verständlich. Gerade das, was hier den ersten Schritt so leicht macht, beschwört für die Folgezeit die gewaltigen Schwierigkeiten herauf, die die erbittertsten und .langwierigsten dogmatischen Kämpfe unvermeidlich machen und Jahrhunderte zu ihrer Bewältigung beanspruchen. Die Ursache dieser Schwierigkeiten liegt in der Art und Weise, wie durch den Übergang zum Dogma von der Gottheit Christi die Christologie nunmehr überhaupt zu einem speziellen Problem des Gottesbegriffs, der eigentlichen Theologie im engern Sinne gemacht wird. In der jetzt unvermeidlich provozierten Frage nach dem Verhältnis der Gottheit Christi zur Gottheit des «Vaters des Alls» geht es um das Problem des Ausgleichs der zwei ;verschiedenen Gottesbegriffe, die hier aufeinandertreffen. Dieses Problem wird im Übergang zum neuen Dogma nicht 42
Siehe S. 345-348.
521
gelöst, sondern zur künftigen Diskussion gestellt, als ein durchaus neues Problem, das so bisher für das Christentum in der Tat überhaupt nicht bestand. Jetzt erst hat man in Christus, wie dies der neuen Lehre von der Erlösung entspricht, den «andern Gott» 43 neben oder unter dem Schöpfergott, den Gott «an zweiter Stelle», im zweiten Rang 44 , den «zweiten Gott» 45, den «zweiten Gott nach dem Vater» 46 • Aber eben: Daß es nun ein zweiter Gott neben dem ersten und einen Vatergott ist, das muß für den christlichen Monotheismus zum großen Problem werden. Und auch was der Prolog des Johannesevangeliums hier sagt, daß der Logos «im Anfang bei Gott» und selber Gott war und ist, das ist zunächst nur eine Form neben andern, in der eine typisch nachapostolische christliche Schrift das neue Problem zur Diskussion stellt. In der Tat wird dieser Prolog Joh 1, 1 ff. für die Theologie der Folgezeit in zunehmendem Maße Ausgangspunkt und Objekt einer immer intensiver werdenden Auseinandersetzung. Und es ist problemgeschichtlich von Bedeutung, daß die Diskussionen vornehmlich gerade hier ansetzen, und nicht in erster Linie bei synoptischen und paulinischen Aussagen. Es verrät sich in dieser Tatsache das instinktive Gefühl dafür, daß man es hier mit einem Problem zu tun hat, das so für die apostolische Urzeit noch nicht bestand, das vielmehr die nachapostolische Kirche selber geschaffen hat. Die Entwicklung des altkirchlichen christologischen Dogmas stellt denjenigen Ausschnitt des Gesamtverlaufes der alten Dogmengeschichte dar, an dessen Erforschung die moderne Dogmenhistorie die größte Energie gewendet hat. Die zahlreichen dogmatischen Systeme und Standpunkte der einzelnen altkirchlichen Theologen sind in ihrer Mannigfaltigkeit wissenschaftlich erfaßt und dargestellt. Es kann sich in den folgenden Kapiteln nicht darum handeln, den Ertrag dieser Forschung zusammenfassend zu reproduzieren. Dies nicht deshalb bloß, weil es wenig Sinn hat, bereits Bekanntes neuerdings zusammenzutragen. Vielmehr deshalb, weil für unsere Darstellung wie überall so auch hier die 43 J u s t i n (Dial. 56, 4. 11): Ö-rL ecr-rt xut /.1\yncu itEo~ xut XUQLO~ El:EQO<; uno -rov JtOLTJl:ftV -riilv öl.wv. - itco~ El:EQO<; E
522
rein problemgeschichtliche Fragestellung maßgehend sein soll für die Auswahl und Abgrenzung des vielgestaltigen Stoffes. Angesichts des in der Entwicklung der altkirchlichen Christologie vorliegenden, besonders weitschichtigen Materials ist es am Platze, daran zu erinnern, daß es sich für. das problemgeschichtliche Verständnis nicht handelt um die vollständige Registrierung der christologischen Systeme und Sonderauffassungen der einzelnen Theologen. Vielmehr geht es um die Aufhellung der Art und Weise, wie sich die Geschichte des christologischen Dogmas der alten Kirche in der Periode seiner Entstehung nach den Antrieben und Notwendigkeiten seiner eigenen innern Problematik entwickelt hat 47 • Damit ist ferner gegeben, daß unsere Darstellung zu entlasten ist von allem, was unmittelbar zum Kampf gegen die Engelchristologie, vor allem im arianischen Streit, gehört. Die problemgeschichtlich orientierte Darstellung der Entwicklung des neuen christologischen Dogmas hat den Arianismus nur soweit zu berücksichtigen, als er diese Entwicklung wesentlich mit bedingt hat. Dies trifft aber nicht etwa zu auf die Übernahme des Begriffs der Homousie. Die großkirchliche Theologie hat zwar allerdings die Homousie gegen den Arianismus durchgesetzt und damit die im Arianismus ihren letzten Existenzkampf kämpfenden, aber längst der Enteschatologisierung verfallene urchristliche 47 Fr. L o o f s hat sich in seinen spätern dogmengeschichtlichen Spezialuntersuchungen über Paulus von Samosata (1924) und Theophilus von Antiochien (1930) immer energischer problemgeschichtlichen Fragestellungen und -Lösungsversuchen zngewendet. Er hat scharfsichtig lrenäus, Tertullian und andere analysiert. Ob aber die zweifellos in manchen Fällen mit Recht festgestellten Nuancen richtig gedeutet werden, wenn man sie als Zeugen in Anspruch nimmt für die von Loofs geltend gemachten «Traditionslinien» der Entwicklung des christologischen Dogmas, bleibt fraglich. Ebenso, ob diese «Traditionslinien» wirklich in das Urchristentum zurückführen und problemgeschichtlich von wesentlicher Bedeutung sind. Allzu einseitig stehen seine Analysen vor allem im Dienst des Unternehmens, eine <
35
523
Engelchristologie endgültig beseitigt. Allein, wie bereits in der Erörterung dieses Kampfes angedeutet wurde 48 , nicht der Arianismus ist es gewesen, der, problemgeschichtlich gesehen, die großkirchliche Theologie zur Übernahme des Homousiehegriffs zwangsläufig genötigt hat. ' Wohl aber hat der Arianismus durch die Verteidigung seiner Position die homousianische Theologie gezwungen zu einer bewußten Präzisierung und Differenzierung der bereits vorhandenen Zweinaturenlehre. Im übrigen erweisen sich aber für die problemgeschichtliche Erfassung des dogmengeschichtlichen Prozesses als entscheidend mitbeteiligt die Gnosis und der Monarchianismus. Was speziell die Gnosis betrifft, so ist dieser Sachverhalt von der modernen Dogmenhistorie mit zunehmender Entschiedenheit anerkannt worden. Nur sind hier einige bestimmte wichtige Punkte noch deutlicher ins Licht zu stellen als hisher geschehen ist. Das Judenchristentum endlich, sowie Markion und der Montanismus sind problemgeschichtlich in diesem Zusammenhang von geringfügiger Bedeutung.
Zweites Kapitel Die Deutung des Begriffs der Gottessohnschaft Dem nachapostolischen Heidenchristentum ist die Bezeichnung des Christus als des «Sohnes Gottes» direkt überliefert durch die Lehre des Paulus, von der dieses Christentum herkommt, und zwar - was gegenüber neuern dogmengeschichtlichen Hypothesen zu betonen ist - insbesondere auch als Bezeichnung des. präexistenten Christus 1• Es ist kein subordinatianisch dachten und andererseits den Logosgeist <
524
Grund ersichtlich für die Annahme, daß das ältere, von der paulinischen Tradition primär bestimmte nachapostolische Heidenchristentum von Paulus zwar die Anschauung von der Präexistenz des Christus übernommen, zugleich aber im Gegensatz zu Paulus den Namen «Sohn Gottes» nicht auf den präexistenten, sondern nur auf den «geschichtlichen» und den «erhöhten» Christus bezogen hätte 2 • Mindestens in den johanneischen Schriften, bei Barnabas und Hermas heißt schon vor Justin auch der Präexistente «Sohn Gottes» 3 • Dabei erscheint diese Bezeichnung hier niemals als eine Neuigkeit, und es ist nicht das Geringste zu zu bemerken von irgendwelchen Diskussionen, in welchen sie zur dogmatischen Streitfrage geworden wäre. Daher hat es, problemgeschichtlich gesehen, insbesondere auch gar keinen Sinn, etwa bei lrenäus einzelne Stellen herauszuheben, an denen erst der menschgewordene Logos als «Sohn» erscheine\ neben nicht zu bestreitenden andern Aussagen, in denen lrenäus doch auch schon den präexistenten Logos als den «Sohn» bezeichnet 5 • Man stellt unmögliche Zumutungen an einen altkirchlichen Schriftsteller des zweiten Jahrhunderts, wenn man von ihm verlangt, er müßte in jeder Ausage über Christus als den Sohn Gottes mit Rücksicht auf die Fragestellungen einer späterri Dogmenhistorie völlig unmißverständlich erkennbar machen, ob er dieses Prädikat auch schon dem präexistenten, oder nur dem «geschichtlichen» und «erhöhten» Christus zuerkannt wissen will. Sofern hier wirkliche dogmatische Schwankungen zu bemerken sind, bestehen sie lediglich in der Nachwirkung der Differenzen zwischen ältester judenchristlicher und paulinischer Christosauffassung und der dadurch schon frühe provozierten Ausgleichsversuche. Dadurch gerät stellenweise in alter nachapostolischer Zeit die von Paulus her überlieferte Vorstellung von der Präexistenz des Christus ins Wanken, und diese Tatsache ist dann auch als solche eindeutig feststellbar und nicht nur aus fragwürdigen argumenta e silentio zu erschließen 6 • Anders wiederum liegen die Dinge in späterer Zeit, seit Beginn des dritten Jahrhunderts. Da brechen wirkliche Kontroversen über die Frage auf, ob 2
Dies ist hier zu betonen gegen Dogmenhistoriker wie R. S e e b e r g und F r.
L o o f s. 3 Joh 1, 16. 17; I Joh 3, 8; 4, 9. 10. 14; Bar n ab a s 5, 5; 6, 12; Her m a s, Sim. IX, 12, 2. Die Barnabas- und Hermas·Stellen muß selbst Fr. L o o f s (Leitfaden, S. 96; Paulus. v. Samosata, S. 189) anerkennen. 4 So Fr. L o o f s, a. a. 0., S. 144. 5 Fr. L o o f s, a. a. 0., S. 148. 6 Siehe S. 352.
525
der Präexistente der «Sohn» sei. Zugleich ist aber auch die Veranlassung klar ersichtlich: Es ist das Auftreten des Monarchianismus. Und regelmäßig wird von der Großkirche jeder, der von einem präexistenten «Sohn» nichts wissen will, bis herab auf Mareeil von Ancyra und Photin von Sirmium im vierten Jahrhundert, als Häretiker abgewiesen. Was im nachapostolischen Christentum als etwas Neues von problemgeschichtlicher Bedeutung auftritt, ist nicht die Übertragung der Bezeichnung «Sohn Gottes» vom «geschichtlichen» und «erhöhten» Christus auf den präexistenten, sondern eine dem Urchristentum wie auch dem Spätjudentum unbekannte Deutung dieses Begriffs, wonach der präexistente «Sohn Gottes» als der aus Gott «Gezeugte» zu verstehen sei. Von der urchristlichen Auffassung her beurteilt, ereignet sich hier das nämliche Mißverständnis wie in der nachapostolischen Umdeutung der andern spätjüdisch-urchristlichen Messiasbezeichnungen «Christus» und «Menschensohn»: Man versteht nun alle diese Termini von ihrem allernächsten Wortsinn her. Wie gemäß nachapostolischer Umdeutung der «Christus», soweit man diesen überlieferten Begriff nicht einfach zur zweiten Hälfte des Eigennamens «Jesus Christus» verblassen läßt, der «Gesalbte» sein soll, der «Menschensohn» der Sohn der Maria oder der Nachkomme Adams, so wird der «Sohn Gottes» jetzt der aus Gott, dem Vater des Alls, Gezeugte. Alle drei Umdeutungen sind zutiefst durch die Krisis der Enteschatologisierung des urchristlichen Dogmas bedingt. Die neue Deutung des Begriffs «Sohn Gottes» entspricht aber zugleich dem mythologischen Denken der hellenistischen Volksreligion, was ja der christliche Philosoph Justin hinreichend deutlich selbst bezeugt, indem er den «Sohn Gottes» Christus in Analogie stellt beispielsweise zu den Söhnen des Zeus 7 • Das problemgeschichtlich Bedeutsame dieser Umdeutung liegt jedoch nicht nur im Hinweis auf die auch hier sich durchsetzende Enteschatologisierung, sondern nicht weniger darin, daß der Begriff nunmehr zu einer Erläuterung und Begründung des neuen Dogmas von der Gottheit Christi beitragen kann. Nach Ausweis der dogmengeschichtlichen Quellen ist die neue Auffassung nicht von den Kreisen des gewöhnlichen Gemeindechristentums ausgegangen, sondern zuerst in der ältesten Gnosis aufgekommen. Und zu der Zeit, da das Gemeindechristentum die neue Deutung erst übernimmt, hat sie in den inzwischen aufgeblühten, großen gnostischen Lehrsystemen bereits eine reiche Ausgestaltung erfahren, die nachweislich in mehr als einer Hinsicht auf die kirchliche Lehre sowohl in positivem 7
526
Justin, Apol. I, 21. Siehe S. 517, Anmerkung 23.
wie in negativem Sinne anregenden und bestimmenden Einfluß ausübt. Die Gnosis hat, wie nachmals Epiphanius ganz richtig festgestellt hat, überhaupt den Schöpfungsbegriff so gut wie preisgegeben und den Zeugungsbegriff zu einem Grundbegriff ihres kosmologischen Systems gemacht 8 : Die Kosmologie kehrt zur alten Kosmogonie, ja zur Theogonie zurück. Man hat keinen zwingenden Grund, den Bericht des lrenäus über Sirnon Magus für falsch zu halten, aus dem hervorgeht, daß dieser älteste Häretiker als erster in seiner freilich noch primitiven Pieromakonstruktion mit der Vorstellung der Zeugung operierte 9 • Eine vielgestaltig ausgebildete Theogonie erscheint dann aber vor allem im System des V alentinus. Als wesentliche Grundzüge kommen folgende Eigentümlichkeiten in Betracht. Erstens stellt sich die Theogonie dar als eine Kette von Zeugungen männlich-weiblicher Aeonenpaare (Syzygien} 10 • Zweitens erfolgen die Zeugungen, wie in einer von Epiphanius zitierten, alten valentianischen Schrift ausdrücklich gesagt wird, «durch pneumatische Vermischung» 11 • Drittens wird das Erzeugte meist hezeichnet als eine «Prohole», eine Emanation, die zum Erzeugenden im Verhältnis der Substanzgleichheit steht 12 • Viertens wird dieses Verhältnis veranschaulicht durch Vergleiche. Das Erzeugte emaniert ans dem Erzeugenden wie der Strahl aus der Sonne, oder wie. die Äste aus dem s E p i p h an i u s (h. XXXII, 2, 7): btEL O'OL (augeredet ist der Valentinianer Sekundus) 't:E :Kat ,;(p O'OU bttO''tchn (sc. Valentinus) o'Ö:K E:K't:LO'fl.E'Va ,;u :K't:LO''tu ÖQL~E'taL, O:A.J..U YE'VT]'t:U O:m) fl.E't:OUO'La;, E:KaO'nl; qJUO'EOO; :n:ag' E:KaO''tT]; A.aßouO'T];, 'tU au{h; YE'V'VW1-LE'Va (u:n:oA.a!lß6.vE't:UL) O:va<:püvai. 9 Iren ä u s (adv. haer. I, 23, 2) gibt folgende Aussagen des Si m o n Mag u s über die Ennoia wieder: hanc esse primam mentis eius (sc. des Ur-Vaters) conceptionem, matrem omnium, per quam in initio mente concepit augelos facere, et archangelos. hanc enim Ennoiam exsilientem ex eo, cognoscentem quae vult pater eius, degredi ad inferiora et generare augelos et potestates, a quil:us et mundum hunc factum dixit. posteaquam autem generavit eos, haec detenta est ab ipsis propter invidiam, quoniam nollent progenies alterins cuiusdam putari esse. 10 V gl. die kurz zusammenfassende Beschreibung bei E p i p h a n i u s (h. XXXI, 2, 6 f.): 't:QLa:KO'V'ta yc:lg ou,;o;, ro; EqJT]'V, aliöva; ßouAE'taL :n:aQLO''tä'V, oll; :>tat itE01J\; övo116.~EL, 1\E:>~.a:n:f.v,;E ü{]{!Eva; :>~.at itT]AELa<; ,;oO'au,;a; dvaL I.Eyoov . . • IIE:>~.a:n:evn 1\E llu6.11a; qJUO"tv EivaL, ü.c; O'u~uyla; :>~.al.oüO'L ..• E:>tUO''t:Tl'V IIE: itf!A.Etav yE'V'Väv d:n:o ü{!{!Evo; ,;ou; :>~.ah;ij; aliöva;. 11 E p i p h a n i u 8 (h. XXXI, 6, 4): :rt'VEUfla't:L:>!.fl tJ.L;EL :>tat dqJitaQ't:CQ 0'\lY:>!.QaO'EL. 12 Iren ä u s (adv. haer. I, 1, 1): :>tat E'V'VOTtitijval :n:o't:E ÜqJ' eau,;oü :n:goßai.EO'itat ,;ov BuMv ,;oü,;ov &gx.Y)v ,;iöv :n:av,;oov, :>~.at :>~.aita:n:EQ O':rtEQtJ.a ,;Tjv :n:goßoA.Tjv ,;au't:Tl'V (i'jv :n:goßaAEO'itaL E'VE'VOf!itTt) :>tat :>!.a'taiteO'itaL, ro; E'V f.l.tl't:Q~. ,;ij 0'\l'V\l:rtaQJGOUO'TI eau,;i{l l:tyfl. ,;au't:Tl'V 118 \m:oiiE;a!lE'VTI'V ,;o O':rtEQtJ.a ,;oü,;o :>~.at Ey:>~.utJ.ova YE'VOf.l.E'VTI'V &:n:o:>~.uijO'aL Noüv lS!lOLO'V n :>~.at tO'ov ,;i{l :n:goßaMvn :>tat f.l.O'VO'V x.oogoüv,;a ,;o tJ.Eyeito; ,;oü :n:a,;g6;.
527
Baume wachsen 13 • Auch als das «Ebenbild» (eikon) des Erzeugenden wird das Erzeugte gerne bezeichnet 14 • In das System ihrer Theogonien reihen die Gnostiker u. a. auch den Logos und den mit diesem nicht gleichgesetzten Christus ein. In der ophitischen Gnosis zeugt der «Vater des Alls», genannt «der erste Mensch», mit dem weiblich gedachten heiligen Geiste den Christus. Der heilige Geist ist also hier die Mutter des Christus 15 • Zu der gnostischen Fundamentallehre von der göttlichen Zeugung mußte das nachapostolische kirchliche Christentum Stellung nehmen, und es hat Stellung genommen. Aus den Quellen wird klar ersichtlich, daß man zunächst vor allem die Vorstellung der zwiegeschlechtlichen Zeugung als anstößig empfunden hat. Nur in dem apokryphen Hebräerevangelium, vielleicht auch in den sibyllinischen Orakeln, ist die Auffassung vom heiligen Geist als der Mutter Jesu übernommen worden 16 • Und als besonderes Kuriosum mag erwähnt werden, daß ausgerechnet Clemens Alexandrinus der gnostischen Theo~ie durch die gelegentliche Unterscheidung von «Vater» und «Mutter» in Gott entgegengekommen ist: Gott in seinem «an und für sich Sein» ist der «Vater», in seinem mitfühlenden Zugewendetsein zur Menschheit aber die «Mutter», und als jener zeugt er mit dieser den Sohn, der Mensch wird 17 • Im übrigen aber wird die gnostische Vorstellung von einer zwiegeschlechtlichen Zeugung im gewöhnlichen Gemeindechristentum abgelehnt, ja sie hat in 13 I r e n ä u s greift diese gnostischen Vergleiche auf, um die Häretiker der Inkonsequenz zu überführen, sofern sie behaupten, daß aus dem nicht leidensfähigen Urvatergott in der Reihe der Zeugungen schließlich auch die leidensfähige Sophia hervorgeht (ad. haer. II, 17, 6): si autem quomodo a sole radios Aeonas ipsorum emissiones habuisse dicent, einsdem substantiae et de eodem omnes quum sint, aut omnes capaces passionis erunt cum eo, qui ipsos emisit, aut omnes impassibiles perseverabunt. - haec autem eadem ratio sequetur, etsi velut .ab arbore ramos dicant a Logo natam esse emissionem Aeonum. 14 Iren ä u s (adv. haer. I, 12, 1): 'tO'Ü flEV 8eA.i!flU'tOS (sc. 'tftV etx6va e1va~) 'tftV 'AA.i!tteLav, 'tftS öe 'Evvotas 'tOV Noiiv, xal ÖLa 'tOU'tOll 'toii 8eA.i!flU'tOS ö flEV liQQ1JV etxffiv 'tijS ayevvi!'tou 'Evvotas yeyovev. 15 Iren ä u s (adv. haer. I, 30, 1): postea, dicunt, exsultante primo homine cum filio suo super formositatem spiritus, hoc est feminae, et illuminante eam, generavit ex ea Iumen incorruptibile, tertium masculum, quem Christum vocant, filium primi et secundi hominis et spiritus sancti, primae feminae. 16 Zitiert bei 0 r i g e n es, Comm. II, § 87 in Joh. 0 r a c. Si b y 11. VII, 68 f.: «Der vorher, der Erde wie des gestirnten Himmels Urheber, als Logos vom Vater erzeugt wurde und vom heiligen Geiste.» 17 Cl e m e n s Ale x. (Quis div. salv. 37, 2 ff.): xal 'tO flEV liQQYJ'tOV U1hoii (sc. i)eoii) :n:a'ti!Q, 'to ö8 ets iJflc'iS auf1:n:uttes yf_yove fllJ't1JQ. &.ya:n:l!aas ö :n:!l'tftQ i\i)1JA.Uvtt1J, xal 'tOU'tOlJ flEYU C11Jfl€LOV, öv U'Ö'tOS EYEVV1JC1€V i\l; U'Ö'tOU. xal ö 't€')(.-t)els i\l; aya:n:1Js xaQ:n:os &.ya:n:1J. ÖLa 'toii'to xal a'Ö'tOS xa'tijA.tte, öu1 'tOU'tO livttQro:n:ov i\vtöu.
528
gewissen engern Kreisen einen mißtrauischen Widerstand gegen die Übernahme des Gedankens der göttlichen Zeugung überhaupt geweckt und längere Zeit lebendig erhalten. In der johanneisch-ignatianischen Theologie, die zur Gnosis im Verhältnis sowohl der Verwandtschaft wie auch des Gegensatzes steht, wird gegenüber der Anschauung der Zeugung des Sohnes aus dem Vatergott noch eine offenkundige Zurückhaltung geübt. In der alten Kirche selber hat man es nicht nur als auffällig, sondern zu Zeiten geradezu als Problem empfunden, daß der Prolog des Johannesevangeliums in seinen Aussagen über den präexistenten göttlichen Logos-Sohn von seinem Erzeugtsein aus Gott nichts verlauten läßt: Der Logos-Sohn ist hier vielmehr von allem Anfang an immer schon «bei Gott» (Joh 1, 1 f.) 1s. Und vollends die der johanneischen so nahe stehende ignatianische Theologie bezeichnet den präexistenten Sohn geradezu als den «Ungezeugten» 19 • Natürlich stellen später die Modalisten die grundsätzliche Frage, in welchem Sinne überhaupt von Gott ein «Zeugen» und «Gezeugtwerden» ausgesagt werden könne 20 • Und mit diesen ihren entschiedensten Antipoden gehen hierin die Arianer einig, indem sie geltend machen, die Behauptung einer Zeugung Gottes sei ein unhaltbarer Anthropomorphismus, worauf Athanasius nur zu entgegnen weiß: Ein Anderes sei eben die Erzeugung des Menschen, und ein Anderes die Erzeugung Gottes 21 • In entsprechend massiver Form muß gelegentlich sogar die volkstümliche. Apologetik der Erbauungsschriften das Problem aufgreifen und behandeln: Ist denn Gott verheiratet, daß man ihm die Zeugung eines Sohnes zumuten kann 22 ? So kann die nachapostolische kirchliche Lehre den Gedanken der Zeugung des Sohnes aus Gott nicht übernehmen, ohne zugleich gegen 18 Daß der Sohn dann späterhin (Joh 1, 14. 18; 3, 16. 18; I Joh 4, 9) als «mono· genes» bezeichnet wird, löst das Problem nicht. Denn es steht nicht fest, daß Joh den Ausdruck im Sinne von <
ro
o
529
die naturalistische Form seiner Ausprägung in der Gnosis sich zu verwahren. In einem von Euseb überlieferten MareeU-Fragment wird verwiesen auf die Schriften ( «Syntagmata») der weisen Väter der alten Zeit, in denen diese gewarnt haben vor der Gottlosigkeit der Häretiker, die in ihren Lehren von den «Probolai» Gott ein so naturalistisch verstandenes «Zeugen» andichten 23 • Wahrscheinlich ist bei diesen «Syntagmata» auch an das verlorene antihäretische «Syntagma» des Justin gedacht. · Jedenfalls ist hier Justin besonders hervorzuheben. Denn seine Stellungnahme ist problemgeschichtlich aufschlußreich. Er bekämpft erstmals die gnostischen Systeme vornehmlich des V alentinus, des Basilides und Satornil. Aber gerade er ist einer der ersten in der Reihe derjenigen kirchlichen Theologen seiner Zeit, die zwar nicht wie die Gnostiker den Schöpfungsbegriff allgemein-kosmologisch durch den Zeugungsbegriff ersetzen, aber sich wenigstens so ausdrücken, daß die beiden Begriffe ineinander übergehen. Justin nennt den Schöpfergott gelegentlich nicht nur den «Vater», sondern in der Tat den «Erzeuger» des Alls. Und wenn er nun auch den «Sohn» aus dem Vatergott «erzeugt» sein läßt, so kann er diese Auffassung auch so aussprechen: Der Sohn sei der «Erste» in der Reihe der von Gott Erzeugten 24 • Dem steht andererseits gegenüber, daß Justin bestimmt gegen die Auffassung der göttlichen Zeugung als einer gegeschlechtlichen «Vermischung» protestiert. In der Apologie richtet sich diese Ablehnung naturgemäß gegen die heidnischen Göttermythen. Aber sie trifft nicht weniger die Mythen der gnostischen Syzygienzeugung 25 • Und in der Folgezeit klingt sie noch lange nach, auch da, wo man sich nicht mit dem modalistischen und arianischen Vorwurf des Anthropomorphismus auseinanderzusetzen hat 26 • 2 3 E u s e b (c. Marcell. I, 4, 10): ÖltEQ (sc. daß die yovi) Gottes ein no:lto~ sei) oi OOqlOO't'll't'Ot 't'W'V ltll't'EQOO'V E'V 't'Ot~ otxdot~ OU'V't'a"{tJ.IlOt'V altE
530
Man stößt hier auf das erste Beispiel einer Stellungnahme der kirchlichen Theologie gegenüber der Gnosis, die sich speziell in der Ausgestaltung des neuen christologischen Dogmas mehr als einmal an wichtigen Punkten wiederholt hat: Man lehnt eine gnostische Theorie ah, aher man annektiert früher oder später ihren Grundgedanken. In diesem ersten Fall übernimmt die kirchliche Lehre übrigens sogar mehr als nur den Grundgedanken. Gewiß braucht nicht in jedem einzelnen Fall Gleichlautendes von der Gnosis her übernommen zu sein. Wenn der kirchliche Theologe lateinisch von «spiritueller» Erzeugung redet 27, während der Gnostiker V alentin_us in entsprechender Weise sich griechisch ausdrückte (gezeugt durch «pneumatische» Vermischung) 2s, so können beide -ohne den andern den gleichen Weg des Denkens eingeschlagen haben. Anders steht es aber sicher, wenn der Lateiner Tertullian sich den griechischen Ausdruck «Probole» als Bezeichnung des göttlichen Sohnes als des aus dem Vatergott Erzeugten aneignet. Er weiß nämlich selbst, daß man ihm hier die Übernahme eines gnostischen Begriffs vorwerfen kann, was auch geschehen ist. Er verteidigt sich, und zwar mit tertullianischer Unerschrockenheit. Er erklärt einfach, die Wahrheit habe keinen Grund, sich eines richtigen Wortes nur deshalb nicht zu bedienen, weil die Häresie es ebenfalls gebrauche. Übrigens habe nicht die Wahrheit dieses vocabulum von dem Gnostiker Valentinus entlehnt, sondern umgekehrt habe es der _Häretiker von der Wahrheit erborgt, um es zu einer Lüge zu verunstalten 29 • Origenes war an diesem Punkte ängstlicher und vorsichtiger, und doch ist es ihm dabei schlechter ergangen als dem unentwegten Draufgänger Tertullian. In einem bei Euseb erhaltenen Fragment aus «De principiis» lehnt Origenes die häretische «Probole» ab 30 • Aber dann wird später gerade auch sie in das Sündenregister der ihm vorgeworfenen Häresien aufgenommen, und Pamphilus muß den Meister in seiner Apologie gegen diesen Vorwurf in Schutz nehmen 31 • 27 V i c t o r in u s P e t a v. (Comm. XI, 1 in Apoc.): ... huius filium dominum nostrum Jesum Christum ante originem saeculi spiritaliter apud patrem genitum. 28 Siehe S. 527, Anmerkung 11. _ 29 Te r tU II i an (adv. Prax. 8): hic si qui putaverit me «proboiem> aliquam inducere, id est proiationem rei alterins ex altera, quod facit Vaientinus, alium atque alium Aeonem de Aeone producens, primo quidem dicam tibi: non ideo non utitur et veritas vocabuio isto et re et censu eius, quia et haeresis utatur; immo haeresis potius ex veritate accepit quod ad mendacium suum strueret. 80 Nach Eu s e b (c. MareeiL I): •. , vloii ytve,;aL na,;ftQ, o~ :tQoßa).oov au,;ov
otov,;al ,;we;. Et yaQ :tQoßo).ft i\anv ö vlo; ,;oii na'tQÖ<;, "Kat "fll'V'V~ f.LEV i\~ a~,;oü önota ,;a ,;öiv ~cbrov yevvfn.ta,;a, ä.vay'K'IJ aöi~ta dvaL ,;ov :tQoßcJ.).).ov,;a "Kat ,;ov :tQO· ßeßA'IJf.LEVov. 31 Pa m p h i I u s (Apoi. pro Orig., bei Routh, IV, 317) verweist ebenfalls auf die Aussage des Origenes in «de principiiB».
531
Dennoch ist der Vorwurf nicht völlig unberechtigt. Es ist letztlich ein Streit um Worte. Der Sache nach denkt Origenes eben doch wie Tertullian und Valentinus, der Gnostiker. Denn was diese mit der «Probole» meinen, das eben meint auch Origenes. Nur bezeichnet er es aus Vorsicht lieber mit dem Wort «Aporrhoia» (Ausfluß), das er, um biblische Begründung beflissen, aus seinem griechischen Alten Testament holt, aus der von ihm mehrfach in dieser Sache zitierten Stelle Sap. Sal. 7, 25 32 • Alle drei verstehen die göttliche Zeugung des Sohnes als Emanation 33 • Das ist gnostisch. Und so ist es nun auch kein zufälliges Zusammentreffen, daß Tertullian im gleichen Moment, da er sich die Probole des V alentinus zu eigen macht, auch in charakteristischen Gleichnissen zu reden anfängt, wie sie Irenäus in den gnostischen Schriften gefunden hat: Der Sohn verhält sich zum Vater wie der Strahl zur Sonne, der Strauch zur Wurzel, der Fluß zur Quelle 34 • Diese Vergleiche beginnen bald einmal in den kirchlichen Diskussionen über das christologische Problem eine größere Rolle zu spielen. Sie erweisen sich, wie alle Gleichnisse, als mehrdeutig. In der Gnosis tendieren sie auf den Gedanken hin, daß zwischen dem erzeugenden und dem erzeugten Göttlichen das Verhältnis der Substanzgleichheit bestehe. Es geht s c h o n h i e r um d i e Homo u sie 35 ! Und tatsächlich greift bereits Irenäus bei seinen gnostischen Gegnern auch die «eadem substantia» auf. Er vermag jedoch noch nicht die Tragweite dessen zu ermessen, was ihm hier in die Hände gespielt wird. Was kann von den Gnostikern Gutes kommen? Schließlich ist hier doch a lies Häresie! Und so wirft er in der Polemik die Formel wieder weg und begnügt sich damit, den Gnostikern vorzurechnen, daß sie von ihrer eigenen Formel in ihrem System einen inkonse32 0 r i g e n es (Comm. VII, 13 in Rm): unus autem uterque est deus, quia non est aliud filio divinitatis initium quam Pater, sed ipsius unius paterni fontis, sicut sapientia dicit: (Zitat Sap. Sal. 7, 25). Ebenso Comm. in Hehr., ed. Lommatzsch V, 298; de princ. I, 2, 5. 33 Ein sekundärer Unterschied besteht allerdings zwischen Tertullian und Origenes: «Der Emanatismus Tertullians ist ein stofflicher, der des Origenes ein dynamischer» (so Fr. L o o f s, S. 193, Anmerkung 5). 34 Te r tu 11 i an (adv. Prax. 8): protulit enim deus sermonem, quemadmodum etiam paracletus docet, sicut radix fruticem et fons fluvium et sol radium. nam et istae species «probolae» sunt earum substantiarum, ex quibus prodeunt. Es ist wirklich beachtenswert, wie Tertullian in diesem Zusammenhang, um weitere Anklagen auf Abhängigkeit von der Gnosis im Keime zu ersticken, sich für den Gebrauch der gnostischen V ergleiehe auf die Autorität des Parakleten, d. h. aber des montanistischen Propheten beruft! 3 5 Siehe S. 591-595.
532
queriten Gehrauch machen 36 • Es muß sich zuvor noch e1mges Andere ereignen, bis auch in der werdenden Großkirche die Stunde für das Dogma von der Homousie schlägt. Wie lehrreich ist es doch, zu sehen, wie man noch im dritten Jahrhundert in der alexandrinischen Theologie mit den gnostischen Gleichnissen umgeht! Nachorigenistische Alexandriner wie Dionysius und Theognost stehen aus bestimmten Gründen der Homousieformel, von der man um diese Zeit auch in der großen Kirche zu reden beginnt, mißtrauisch gegenüber. Ehen deshalb werden ihnen die üblich gewordenen Vergleiche von der Quelle und dem Fluß, der Sonne und dem Strahl usw. verdächtig. Auch sie liehen Gleichnisse zur Veranschaulichung des Verhältnisses zwischen dem göttlichen Vater und dem göttlichen Sohn, aber andere. Die überlieferte Bilderrede deuten sie, soweit sie darauf eingehen,. in einem der ursprünglichen Auffassung gerade entgegengesetztem Sinne: Der Fluß ist doch etwas anderes als die Quelle, aus der er entspringt, die Pflanze etwas anderes als Keim und Wurzel, aus denen sie entsproßt. Kinder sind nicht identisch mit den Eltern, von denen sie abstammen 37 • Darum aber illustriert Dionysius von Alexandrieri lieber mit andern V er gleichen, die den Unterschied zwischen dem erzeugenden und dem erzeugten Göttlichen unmittelbar deutlich markieren: Der Sohn verhält sich zum Vater wi~ der Weinstock zum Gärtner und der Kahn zum Schiffshaumeister 3s. Feiner nuanciert der Alexandriner Theognost: Er begnügt sich, das Gleichnis «Quelle-Fluß» durch das andere «Wasser-Dampf» zu ersetzen. Der Dampf entsteigt zweifellos dem Wasser, ist aber offensichtlich (der äußern Erscheinungsform zufolge) etwas anderes als das Wasser 39 • Mit dem auf Grund gnostischer Anregungen übernommenen Zeugungsbegriff vermag z~ar die kirchliche Theologie die neue AnschauSiehe S. 528, Anmerkung 13. D i o n y 8 A 1 e x. (Epist. ad Diony8 Rom., bei A t h an a s i u s , de sent. Dion. 18, MG XXV, 505): lW.t y&.g O.vitgom:Elav yovijv :rtageltEfA.'IJ'V, MjA.ov ro~ oüaav ÖfA.oyevij, q>i)aa~ :rtav,;w~ -.;out; yovei:~ fA.OVO'V htgou~ el:vm ,;öiv "&Ex.vwv, ön fA.i! m)-.;ot dev ,;&. ,;ex.va ..• x.at yag x.at
37
533
ung von der Gottheit Christi dahin zu erläutern, daß das Göttliche in Christus unmittelbar aus Gott, dem Vater des Alls, stamme. Wie jedoch die Anerkennung dieses zwiefachen Göttlichen in Vater und Sohn es vermeiden kann, in eine Zweigötterlehre auszuarten, die den gleichzeitig grundsätzlich vertretenen, jüdisch-urchristlichen und philosophischen Monotheismus aufheben müßte, hierüber gewinnt man aus der Theorie der Zeugung des Sohnes keinen eindeutigen und sichern · Aufschluß. Dies bekundet sich schon in der aufgewiesenen, problematischen und strittigen Mehrdeutigkeit der bildhaften Vergleiche, mit denen man sich das Wesen der göttlichen Zeugung zu verdeutlichen versucht. Es hilft auch nicht, daß man in der kirchlichen Theologie, wie in der Gnosis, das Verhältnis des erzeugten zum erzeugenden Göttlichen zu bestimmen sucht durch die Bezeichnung des Sohnes als des «Gegenbildes» oder «Abbildes» des Vaters. Wie weit und vieldeutig der Begriff (eikon) tatsächlich ist, zeigt schon seine Verwendung bei Paulus, auf den sich die kirchliche Lehre zu Unrecht für das, was sie damit meint, beruft. Trotzdem für Paulus der Christus weder Gott, noch ein von Gott Erzeugter, sondern ein hohes Engelwesen ist, kann er ihn als «Abbild» Gottes bezeichnen, weil für ihn dieser Begriff im Sinne von Gen 1, 27 so weit gefaßt ist, daß selbst der Mensch als «Abbild» Gottes gelten kann 40 • Über den griechischen Text von Gen 1, 26 (LXX) muß sich daher die kirchliche Auslegung in dieser Sache damit hinweghelfen, daß sie in der «Eikon» Gottes, nach welcher der Mensch erschaffen werden soll, eben den göttlichen Logos-Sohn selbst sieht, so daß nun der Mensch zum Abbild des Abbildes Gottes wird 41 • Eine besonders große Rolle spielt die Auffassung des Göttlichen in Christus als des «Abbildes» bei Origenes. Im Johanneskommentar bringt er den Begriff im Zusammenhang einer Erklärung zu Joh 1, 1, mit der er den vielen Gläubigen zurechthelfen will, die sich in peinlicher Dugewißheit darüber befinden, wie man sich die Gottheit Christi verständlich machen kann, ohne entweder zwei Götter zu behaupten oder die selbständige Wesenheit Christi neben Gott, dem Vater, preiszugeben. Und nun lautet die Lösung des Origenes: Der eine, wahre Gott ist der Gott von J oh 1, 1 schlechthin, der V atergott. Die Gottheit Christi hesteht darin, daß er des einen Gottes Abbild ist, aber als Urtypus der V gl. 11 Cor 4, 4 und I Cor 11, 7. u CI e m e n s AI e x. (Strom. V, 94, 5): ... öu) ~at ~a,;' EL~ova ~at Ö!LotroaLv ,;ov ifv~Qronov yEyovevaL, Et~rov !LE'V yaQ ~Eoii Myor; ~eior; . . • d~rov ö' et~6vor; dv~Qro nwor; voiir;. 40
534
Gläubigen, die durch ihn ehenfalls «Abbilder» werden sollen 4 2 _ So denken dann weiterhin auch andere Theologen 43 • Allein wie soll man Mareeil von Ancyra widerlegen können, wenn er geltend macht, daß doch ein «Bild» gerade nicht selber das ist, was es abbildend bloß darstellt? Mareeil entscheidet: Da in der Tat von der Gottheit Christi mit Recht nur gesprochen werden kann, wenn er wirklich selber Gott und nicht nur sein Abbild ist, so muß die ganze Abbildtheorie ein Irrtum sein 44 • Dazu kommt noch, daß durch die Zeugungsvorstellung, mit der man die Gottheit des Sohnes aus der Gottheit des Vaters als eine ihr gleichartige ableiten will, doch gerade auch eine Verschiedenheit des Göttlichen in beiden begründet erscheint. Dies wird offenbar, sobald man deutlich herausstellt, daß der Vatergott als der Erzeugende im Gegensatz zum Sohn als dem Gezeugten der Ungezeugte ist. Im zweiten Jahrhundert wird der Unterschied festgestellt; aber er wird noch nicht zum ernsthaften Problem. Für Aristides gehört das Nichtgezeugtsein zu den Merkmalen der Absolutheit des einen Vatergottes, die dieser Apologet so, wie er sie in aller Strenge und Kompromißlosigkeit durchführt, unmöglich auch dem Sohne zuerkannt haben kann 45• Auch Tertullian macht gelegentlich Aussagen, nach denen dem ungezeugten und unerschaffenen Vatergott eine Ahsolutheit eignet, die keinem Geschaffenen oder Gezeugten, in der Tat auch nicht dem «Sohn», zukommen kann 46 • Als Problem empfindet man diesen Unterschied hier deshalb nicht, weil, als Nachwirkung der alten Engelchristologie, die Auffassung des Göttlichen in Christus trotz allem, was bereits darüber hinausweist, noch eine suhordinatianische bleibt. Im dritten Jahrhundert jedoch beginnt die Verdrängung dieser 42 0 r i g e n es (Comm. II, § 18 in Joh): aATJi}Lvo~ o?iv i}eo~ «o i}e6~», ot 1)/; xu:t' lixEtVOV !lOQCJ>OUfA.EVOL i}eot Ö>~ ElXOVE~ ;t!_)OO'tO'tUJtOU" clAAU ;tUALV 'tWV JtAELOVOOV dxovoov ij agxhu;ro; dxoov ;rgo~ -.:ov i}e6v ecm Myo~. 43 Eu s e b (de ecclesiast. theol. I, 20, 73): el yug «El~ i}e6~, xu.t oüx eo-nv !hego~ ;t/.i}v mhoih> (Deut. 4, 35), u.ü-.:o; liv EL1J ö xat I>Lu 'tOÜ utoii llL' etx6vo~ YVOOQL~O fl.EVO;. I>Lo xu.t ö uto; i}e6;, I>Lu ,;i}v EV u.ü-.:{!1 'tOÜ ;tU.'tQO~ w~ Ev Elx6vL !lOQCJlOOGLV. 44 M a r c e II (bei Eu s e b, c. MareeiL I, 4, 32 f.): ihEQOV yug Elxoov i}eoii, xu.t !hegov i}e6;. Ausführlicher dargelegt a. a. 0. I, 4, 30 f., wo Marcell folgendermaßen argumentiert: El 1)/; 'tOÜ i}Eoii aoga-.:ou 1iv-.:o; aogu.,;ov Etvu.L xu.t 'tOV Myov G'll!l~U.tVEL, nw; ELXOOV 'tOÜ aoga·tou i}eoii ö Myo; xu.i}' EU.U'tOV Etvu.L Mvu.-.:u.L, xu.t u.ü-.:o~ ö.6gato; rov; So auch in dem MareeU-Zitat bei E p i p h a n i u s , h. LXXII, 6, 4. 45 Ar ist i des (Apol. 1): dico tarnen deum ingenitum, increatum esse, ab nullo comprehensum esse sed ipsum omnia comprehendere .•. , sine initio et fine etc. 46 Te r tu II i an (de anima 21): atque ita quod natum factumque constiterit, eins natnra capiet demutationem innatum autem et infectum immobile stabit. quod cum soli deo competat, ut soli innato et infecto immortali et inconvertibili, absolutum est ceterorum omnium natorum atque factarum convertibilem et demutabilem esse naturam.
o
w;
535
Denkweise. Je mehr sich mit dem Vordringen des Begriffs der Homousie die Verabsolutierung des Göttlichen in Christus als neue orthodoxe Lehre durchsetzt, desto problematischer wird der mit dem Gegensatz «Ungezeugt-gezeugt» gegebene Unterschied in der Gottheit des . Vaters und des Sohnes. Ebenso ist verständlich, daß vor allem «Häretiker» das Problem aufgreifen und damit argumentieren. In den Pseudoklementinen wird die These verfochten: «Das Gezeugte ist dem Tingezeugten und dem Selbsterzeugten nicht vergleichbar» 47 • Im vierten Jahrhundert machen dann natürlich die Anhomöer den Unterschied geltend 48 • Man bringt damit die nicänische Neuorthodoxie unvermeidlich in Verlegenheit. Diese darf die Schwierigkeit nicht nach dem Rezept des Modalisten Noet beseitigen, der den ungezeugten und den (allerdings nicht vorzeitlich, sondern in der Jungfrau Maria) erzeugten Gott einfach identifiziert 49 • Alexander von Alexandrien hilft sich mit Formeln, die vom Sohn sagen, er existiere <
Unterscheidung von «Gezeugtem», «Ungezeugtem>> und <
-rov öt.towv ElvaL •iP YEVV'I'J
536
gemachte Behauptung von der «ewigen» Zeugung des Sohnes, wobei freilich noch ein besonderes Motiv mitspielt. In der vororigenistischen Zeit konnte man auf die notwendig auftauchende Frage, wann die Zeugung des präexistenten Gottessohnes stattgefunden habe, noch unbedenklich und ohne Streit zu erregen antworten: Ursprünglich sei der eine Gott, der Herr des Alls, «allein» gewesen 52 (was später Arius ebenfalls wörtlich sagte) 53 , und erst zum Zwecke der Weltschöpfung habe Gott den Sohn gezeugt 54 • Novatian getraut sich jedoch bereits nicht mehr, in diesem Sinne den Zeitpunkt zu bestimmen 55 • Man wird nun darauf aufmerksam, daß die Annahme einer in einem bestimmten Zeitpunkt erst erfolgenden Zeugung des Sohnes durch Gott sich mit der Vollkommenheit, überhaupt mit der Absolutheit des Einen Gottes nicht vereinbaren läßt: Gott hätte in diesem Falle bis zu jenem Zeitmoment etwas unterlassen, was er doch nunmehr als etwas Gutes erachtet. Und indem er nun in einem speziellen Sinne «Vater» wird, wird er selber etwas, was er vorher nicht war, d. h. et verändert sein Wesen, was jedoch der Unveränderlichkeit Gottes widerspricht 56 • Daß nun aber gerade der Akt der Zeugung selber als ewig gelten muß, ist mit veranlaßt durch die gnostischen Gleichnisse, mit denen man die Zeugung zu veranschaulichen sich gewöhnt hat: Wie die Sonne b es t ä n d i g ihre Strahlen aussendet, so ist auch die Zeugung des Sohnes aus Gott ein ewiger Vorgang 57 • In der Folgezeit leitet man 52
Tat i an (Or. ad graec. 5):
Ö y&.Q ÖE
f.LT]I\EJtro '{E"(EVT]tJ.EVT]V JtOLT]O'LV f.LOVO~ fjv.
Te r tu ll i an (adv. Prax. 5): ante omnia enim deus erat solus. 53 Bei At h an a s i u s (Epist. ad episc. Aeg. et Lib. 12): fiv y&.Q tJ.OVo~ Ö i}eo~. 54 Dies meint schont die Anssage des M e l i t o (Fragm. 5, Otto IX, 420): ante lucem genitus est. Diese Auffassung ist besonders durch die Identifikation mit dem Logos provoziert. Te r tu ll i an (adv. Prax. 7): tune igitnr etiam ipse sermo speciem et ornatum suum sumit, euro dicit deus: fiat Iux. haec est nativitas perfecta sermonis, euro ex deo procedit. 55 Nova t i an (de trin. 31): ex quo (sc. deo patre) quando ipse voluit, sermo filius na tus est. 56 0 r i g e n es (de princ. I, 2, 9): si enim quis voluerit dicere, quasi prius non extiterit (sc. sapieutia = filius), sed postea ad subsistentiam venerit, dicat causam, quare qui eam subsistere fecit pater, ante hoc non fecerit etc. In Gen (bei E u s e b , adv. Marcell. I): ou y&.Q -{}eo~ Jttni!IJ ELVUL 1\Q~U'to, %WAU6f.1EVO~ ..• Et y&.Q &.et 'tEAELO~
ö -{}eo~, ?tut JtaQE
VT]'tUL )t(lL ouxt "(EVVÜ'tUL. &.AA.&. öaov EO''tL 'tO cpro~ JtOLT]'tL%0V 'tOÜ &.Jtuuya
537
die ewige Zeugung üblicherweise aus der These ab, daß das Vatersein zum ewigen, unveränderlichen Wesen Gottes gehört 58 • Und nun tritt als neues Motiv hinzu 59 das Bestrehen der homousianischen Theologie, die Gottheit des Sohnes in jeder Hinsicht · der Gottheit des Vaters gleichzustellen: Wie zur Göttlichkeit des Vaters, so gehört auch zur Göttlichkeit des Sohnes das Merkmal der Ewigkeit. «Abbild», Ehenbild (eikon) des Vaters ist der Sohn nur, wenn auch er ewig ist wie der Vater 60 • So kommt man dazu, dem Sohn wie dem Vater «Anfangslosigkeit» zuzuschreiben 61 • Damit hat freilich der Gedankengang den Punkt erreicht, an dem Arios entgegnen kann: Ist der Sohn im strengen Sinn ewig wie der Vater, dann ist er überhaupt nicht mehr der Sohn, sondern der Bruder dieses Vaters 62 • Im Begriff der Zeugung des Sohnes eröffnen sich so alle möglichen Probleme, die völlig außerhalb des Blickfeldes der apostolisch-urchristlichen Lehre lagen. Auch darin bekundet sich, daß die Übernahme des gnostischen Zeugungsbegriffs den Ansatz einer neuen Entwicklung in der Bildung des kirchlichen christologischen Dogmas bedeutet. Es macht sich denn schließlich auch die von Mareeil von Ancyra ganz richtig gesehene Tatsache geltend, daß die biblischen Schriften, in denen man immer intensiver nach Auskunft forscht, keine Anhaltspunkte und Richtlinien zur Lösung dieser Probleme liefern. Ein Blick auf die Symbolformeln einiger maßgebenden Synoden der großen Kampfzeit genügt, um festzustellen, wie die offizielle Kirche zu der Lehre von der ewigen Zeugung des Sohnes Stellung genommen 58 At h an a s i u s (de decr. Nie. syn. 12, MG XXV, 436): 6 ös {h:6~, ast wv, aei TOÜ utoü :rto.Tft!.l eanv. So argumentiert Athanasius auch sonst mehrfach. H i 1 a r i u s ·(de triu. 12, 32) per nativitatem semper esse. 59 Bei 0 r i g e n es selbst schlägt dieses Motiv noch nicht durch. Er kann trotz allem noch den ewig gezeugten Logos mit allen andern yeVVT)TU dem uyEWTJTO~ ~e6~ gegenüberstellen (de orat. 15, 1). 60 A I e x a n d e r v o n A 1e x a n d r i e n (Epist. ad Alex. Const. VII, MG XVIII, 557): uvayxT) TOV 1tCI.TEQO. ueL EivaL :rt!lTEQO., EOTL ÖE :rtaTi]Q aet 1t!l!_)OVTO~ 'tOÜ uioü, öt' öv :X!.>TJf.t!lTl~et :rtaTft!.l ... et ös xat ft etxwv Toü 'freoü oux ~v (sc. 6 ut6;) uel, ÖijÄov ÖTL oUö' oi'i EI1TLV etxwv EI1TLV uet. At h an a s i u s (orat. c. Arian. I, 35): 0 öE uto~ et Xll't' ixelvou~ 'tQE:rtTO~, xat oux ud 0 O.UTO~, &.Af..' ud UAAOLO\Jf.tEVT)~ ljl1JI1EW~ ECTL, :rtiö~ 6 TOLOÜTo~ etxwv Toü :rt!lTQo~ elvat öUvaTaL; 61 C y r i 11 v o n J e r u s a 1 e m (Kat. XI, 4, MG XXXIII, 693): . . . uÄÄu utov ciA.TJfriö~, utov qJuatx6v, &vaQ:xov. Kat. XI, 5 (MG XXXIII, 696): uto~ ös freoü :rtQo :rtavTrov Tiöv atwvrov, uvUQJGOl~. Cyrill merkt freilich an anderer Stelle, daß er mit dieser Behauptung zu weit geht uud zieht sich dann auf den Begriff des «zeitlosen Anfangs>> zurück (Kat. XI, 20, MG XXXIII, 716): UJGQOvo~ uQJGft. 62 Ar i u s nach At h an a s i u s (orat. c. Arian. I, 14, MG XXVI, 40): st ~-tiJ ~v :rtOTE ön oux ~v. uÄÄ' utöt6~ EI1TL 0 ul6~. xai 0\J'VU:rtcl(>JGEL Tqi :rt!lTQl, OUXETL \JLOV, uÄÄ' uÖEAijlOV elvaL 'tOÜ :rt!lT(>O~ O.UTOV ... Diese arianische Schlußfolgerung bekämpft auch A p o II in a r i s von Laodicea, (ft xaTu f.tE(>O~ :rtlan~ 19, ed. H. Lietzmann, S. 173).
538
hat: Sie zieht sich vorsichtig auf den Begriff der vorzeitlichen Zeugung des Sohnes zurück 63 • Was jedoch den Kern der Sache, den Begriff der Zeugung des Sohnes selbst, betrifft, so hört man Stimmen, die auf ein bemerkenswertes Ergebnis der Geschichte des Problems hinweisen. Euseb von Caesarea weist schließlich die Frage, in welchem Sinne denn eigentlich dem überweltlichen Gott d.es Alls die Zeugung eines Sohnes zugeschrieben werden könne, als eine zudringliche Anmaßung zurück. Es handle sich letztlich um ein unergründliches, unaussagbares Mysterium, und zwar: Ebenso unerforschbar wie Wesen und Möglichkeit der göttlichen Schöpfung aus dem Nichts 64 • Demnach weiß also, genau besehen, letztlich niemand etwas über den Unterschied zwischen göttlicher Schöpfung und göttlicher Zeugung - ein bemerkenswertes Eingeständnis angesichts des gewaltigen, das ganze römische Imperium des vierten Jahrhunderts erschütternden Kampfes der nenen Rechtgläubigkeit gegen die Arianer um die Frage, ob der göttliche Sohn als vom Vatergott gezeugt oder geschaffen zu gelten habe. Nun ist bei Euseb ein derartiges Ergebnis nicht verwunderlich. Er hat im arianischen Streit Unsicherheit bekundet. Ursprünglich wie Arius von der alten Engelchristologie herkommend hat er sich, wie vor allem in seinem Kampf· gegen Mareeil von Ancyra festzustellen ist, aus der Nähe des Arius entfernt 65 • Allein im gegnerischen Lager der neuen nicänischen Orthodoxie kommt der bedeutende abendländische Theologe Hilarius zum gleichen Ergebnis wie Euseb. Auf die Frage, wie eine Zeugung des Sohnes durch den Vatergott denkbar sei, lautet sein letzter Bescheid :«
o
36
o)
539
Entscheidung ist zudem nicht einmal neu. Schon lrenäus hat erklärt, . über das Geheimnis der Zeugung des Sohnes aus dem Vatergott wüßten nicht einmal die Engel Bescheid 67 • Aber derartige Geständnisse machen die Theologen vorderhand nur in ihren gelehrten Schriften. Die offiziellen, gegen die Häretiker erfochtenen Lehrentscheidungen der Synoden dieser Kampfzeit lassen davon nichts verlauten.
Drittes Kapitel Die Verbindung mit dem Logosbegriff Seit dem dritten Jahrhundert gewinnt der Prolog des Johannesevangeliums an Bedeutung als grundlegender Schriftbeweis für die kirchliche Logoslehre. Der älteste kirchliche Schriftbeweis hiefür ist aber nicht dieser Prolog, sondern Prov. 8, 22 ff. 1• Dies entspricht auch der Tatsache, daß das nachapostolische kirchliche Christentum die Logoslehre ausgebildet hat vor der Kanonisierung des Johannesevangeliums, in einer Zeit, da man für den Schriftbeweis im strengen Sinne grundsätzlich noch auf das Alte Testament angewiesen war. Der Verfasser des Johannesevangeliums ist auch nicht der erste gewesen, der im nachapostolischen Christentum überhaupt vom Logos gesprochen hat. Und selbst wenn die diesbezügliche Nachricht über den Häretiker Kerinth 2 unzuverlässig sein sollte, so bliebe doch die Tatsache bestehen, daß offenkundig die Gnosis auch in der Übernahme des Logosbegriffs dem kirchlichen Christentum zuvorgekommen ist. Valentinus und Herakleon sind jedenfalls die ersten christlichen Theologen gewesen, die das Johannesevangelium kommentiert haben. Und aus lrenäus und Origenes ist zu ersehen, daß diese Gnostiker ihre eigene Logoslehre gewaltsam in die Aussagen von J oh 1 hineingedeutet haben. Anderseits wäre es unvorsichtig, zu behaupten, daß die ältesten kirchlichen Autoren auch die Logoslehre speziell aus der Gnosis be67 Iren ä u s (adv. haer. II, 28, 6): si quis itaque nobis dixerit: quomodo ergo filius prolatus est? dicimus ei, quia prolationem istam, sive generationem, sive nun· cupationem, sive adapertionem, aut quolibet quis nomine vocaverit generationem eins inenarrabilem existentem, nemo novit, II.On Valentinus, non Mareion ... neque angeli nisi solus qui generavit pater et qui natus est filius. 1 Siehe S. 167, Anmerkung 80; S. 340, Anmerkung ·95. 2 Siehe S. 340, Anmerkung 95.
540
zogen hätten, wenn auch manches dafür spricht, daß schon das Johannesevangelium an diesem Punkte mit der Gnosis konkurrieren will. Auf alle Fälle hat aber auf die Gestaltung der kirchlichen Logoslehre der Alexandriner Philo bzw. die von ihm repräsentierte hellenistische Religionsphilosophie wesentlich mit eingewirkt 3• Auch Philo hat bereits in seiner mannigfaltig ausgestalteten Logosspekulation mit der Stelle Prov. 8, 22 ff. operiert 4 und damit wohl. dem Schriftbeweis der altkirchlichen Logoslehre den Weg gewiesen. Nach Justin nehmen sowohl Tertullian 5 wie Origenes 6 auf die philosophische Logoslehre Be· zug und noch Euseb von Caesarea beruft sich in dieser Sache ausdrücklich auf Philo 7 • Bedenkt man nun, was in der Ausgestaltung der kirchlichen Logostheorie tatsächlich alles mehr oder weniger .stark zusammenwirkt, philonisch- gnostisch- (neu)platonische und stoische Spekulation, jüdische Weisheitslehre der Proverbien und Johannesprolog, so ist nicht verwunderlich, daß der neuen Lehre die strenge Eindeutigkeit fehlt. Zumal wenn man auch noch berücksichtigt, daß in der kirchlichen Christologie, mit der die Logoslehre kombiniert wird, zunächst ja auch noch die ursprüngliche Engelchristologie nachwirkt, die den Christu;; als hohes Engelwesen «pneumatischer» Natur auffaßt, von dem (nach Paulus) die für die Endzeit verheißenen Geistkräfte des neuen Aeon ausgehen. In der Tat herrscht in der Terminologie der kirchlichen Lehre vom Sohne Gottes als dem Logos eine beträchtliche Uneinheitlichkeit. Die3 Mit vollem Recht haben daher ihrem Programm gemäß die dogmengeschichtlichen Gesamtdarstellungen Harnacks und seiner Nachfolger die jüdisch-alexandrinische Religionsphilosophie, insbesondere die Grundgedanken des phiionischen Systems mit einbezogen. Auf diese Darstellungen kann hier verwiesen werden. 4 P h i l o , de ebrietate 8. 5 Te r tu ll i an (Apol. 21): iam diximus deum universitatem hanc mundi verbo et ratione et virtute molitum. apud vestros (sc. den heidnischen Philosophen) quoque sapientes Logon id est sermonem atque rationem, constat artificem videri universitatis. Siehe auch adv. Prax. 5. 6 0 r i g e n es (de princ. I, 3, 1): huic (sc. deo) tarnen esse filium non nos soli pronuntiamus, quamvis satis hoc mirum et incredulum videatur his, qui apud Graecos vel barbaros philosophari videntur; tarnen a nonnullis etiam ipsorum habita eius videtur opinio, cum verbo dei vel ratione creata esse omnia confitentur. 7 Eu s e b sagt zur Rechtfertigung seiner Lehre vom göttlichen Logos-Sohn (praep. evang. VII, 13, 10): tva. lle fllt crmpt~Ecr-&at f1E -ra.\il:a. vof.ttcrnc;, EQflTJVEa. croL -rijc; EV -rfl yea.cpfl llLa.vota.c; 'Eßea.i:ov i!.vllea. n:a.ea.cr-ri]crw, -ru otxEi:a. n:a.,;eo-&Ev &.xQLßouv,;a. %a.:. n:a.ea llLila.cr%uÄwv -ro ll6yf1a. f1Ef1a.-&rpt6Ta., Et lli] croL -rowu-roc;, .Pti.wv. Euseb läßt dann zwei Zitate aus Philo (aus den «Quaestiones et Salutiones in Gen et Exod.» und «de agricultura») folgen, von denen bemerkenswerterweise das zweite auch in seiner Tricennatsrede (111, 6; VII, 13) ohne Quellenangabe verwendet ist.
o
541
setn Sachverhalt in alle Einzelheiten nachzugehen könnte jedoch nur dann als eine unumgängliche Aufgabe gelten, wenn ihm eine wesentliche problemgeschichtliche Bedeutung zukäme. Dies ist jedoch nicht der Fall. Man hat zwar aus dem etwas verworrenen Geflecht der terminologisch uneinheitlich geprägten Aussagen der kirchlichen Schriftsteller einzelne vermeintliche problemgeschichtlich wichtige «Traditionslinien» herauslösen wollen s. Alles in allem genommen handelt es sich jedoch nur um V ersuche des Ausgleichs der Begriffe und Anschauungen der verschiedenen Quellen und Traditionen, aus denen die nachapostolische Theologie das Material zur Ausgestaltung ihrer Lehre schöpft. Diese V ersuche führen naturgemäß zu keinem einheitlichen Ergebnis. Es geht um die Ineinssetzung von Sohn Gottes und Logos. Aber einmal steht der Sohn Gottes schon nach ältester urchristlicher Tradition in einer eigentümlichen Beziehung zum Pneuma, zum «Geiste Gottes». Sodann ist der «Logos» selbst ein durch seine bisherige Geschichte vieldeutiger Begriff geworden. Noch Euseb zählt in seinem Streit um die Logoslehre mit Mareeil von Ancyra fünf verschiedene Bedeutungen auf 9 : Und dazu kommt schließlich, daß die Quellen, aus denen man Belehrung über den Logos schöpft, zum Teil gar nicht vom Logos, oder nicht nur vom Logos reden, sondern von der Sophia 10 (sapientia), oder vom Nus 11 (ratio). Vergleicht man die Aussagen der einzelnen Theologen, so wird offenbar, daß in der kirchlichen Logostheologie alle diese Begriffe in mannigfaltigen Kombinationen durcheinandergehen: Sohn Gottes, Logos, Pneuma, Nus, Sophia (sermo, ratio, sapientia). Dabei lassen sich im einzelnen Fall die verschiedenen Einflüsse feststellen: Bald ist Philo als Ausgangspunkt deutlich, bald Prov. 8, 22 ff., bald handelt es sich insbesondere um den Versuch des Ausgleichs zwischen dieser alttestamentlichen Fundamentalstelle und J oh l, 1 12 • Als besonders bemerkenswert sei aus diesem s So besonders noch Fr. L o o f s in seinen Monographien über Paulus von Samosata und Theophilus von Antiochien. 9 Eu s eh (de eccl. theol. II, 13 f.): i) f.LEV o:Ov 'tOV /..Oyov Ö'ljA.oiiaa A.E;t<;, llt' H.A'Ijvtx-ij<; yMl't't'IJ<; 1tQOEV'IjVB'{~
542
ganzen Material nur noch hervorgehoben, daß sich bei Clemens Alexandrinus auch das Schema der gnostischen Konstruktion nachweisen läßt, wonach zwischen den Vatergott und den Logos der Nus eingeschaltet wird. So wird der Logos zum Sohn des göttlichen Nus 13 • Die kirchliche Theologie hat, auf~ Ganze gesehen, diesen Differenzen und Unklarheiten keine wesentliche Bedeutung zugemessen und daher keine Diskussionen hierüber geführt. Praktisch besteht die Lösung schließlich darin, daß man sich mit der Zeit mehr und mehr auf die Aussagen von Joh l, l ff. über den Logos konzentriert und hiermit von allem sonstigen übernommenen Traditionsstoff das zusammenbringt, was sich damit in Übereinstilnung bringen läßt. Die uneinheitliche Mannigfaltigkeit der Ausdrucksform brauchte die kirchlichen Theologen nicht zu stören, weil dadurch das, was sie mit der Logoslehre meinen und bezwecken, letztlich nicht wesentlich betroffen und in Frage gestellt wird. Wenn auch die ältern Logostheologen, die Apologeten, das Wesen des Logos noch nicht so präzis definieren, wie ·dies dann Clemens Alexandrinus tut, so entspricht das, was dieser hierüber zu sagen hat, doch durchaus auch schon ihrer Auffassung: Unter dem Logos versteht man, gemäß dem philosophischen Sinn dieses Begriffs, den im Wesen Gottes gesetzten «
543
Gott dabei doch in semer Transzendenz unwandelbar verharrt und so seine Absolutheit wahrt. Daß man diesen Logosbegriff mit der Christologie in Verbindung bringt, hat nicht nur den rein apologetischen Zweck, dem hellenischen Denken von seinen eigenen Voraussetzungen her die Annahme des Christusdogmas zu erleichtern. Vielmehr kommt dazu, daß die kirchliche Theologie selber im Logosbegriff eine bedeutsame Möglichkeit gewinnt, sich das Wesen des nach dem neuen christlichen Dogma aus dem überweltlichen Vatergott vor aller Weltzeit gezeugten Sohnes und seiner Beziehung zu diesem Gott in einer befriedigenderen Weise näher zu verdeutlichen. Was alles nur immer nach der speziellen Auffassung der einzelnen kirchlichen Theologen vom Sohn als dem Logos gelten mag 15, der Grundanschauung nach bezeichnet der Logos das Wesen Gottes, soweit es als der Welt zugewendet (oder gar in sie eingehend) gedacht werden kann und so das Wirken Gottes auf die Welt (auch schon das weltschöpferische Wirken selbst) vermittelt. Damit ist die innere Beziehung, in der die Gottheit des Sohnes ihrem Wesen nach zur Gottheit des Vaters steht, erhellt. So ist begreiflicherweise der Sohn für Tertullian ein «Teih der «Substanz» der Gottheit des Vaters 16 , eine Vorstellung, die freilich dem dynamisch orientierten Denken des Origenes wiederum zu massiv erscheint 17 • Origenes redet lieber vom Logos als dem «Mittler» zwischen Gott und der Welt des Geschaffenen 18 • Auch dem etwas dunklen Gedanken von der vorzeitlichen Zeugung des Sohnes aus Gott, dem Vater, läßt sich nun vom Logosbegriff her ein verdeutlichender Sinn gehen. Ist der Logos-Sohn der Inbegriff der wirkenden Geist- oder Vernunftkräfte Gottes, dann ist klar, daß er von Ewigkeit her zum Wesen und Sein Gottes, des Allvaters, gehört, mit und in ihm ewig coexistiert 19 • 1 5 So übernimmt 0 r i g e n es in «de princ." auch die phiionische Anschauung vom Logos als dem XOCJftO; vorp;o; in Gott (1, 4, 4): sine omni pietatis periculo confitendum est: deum quidem patrem semper fuisse, semper habentern unigenitum filium, qui simul et sapientia appellatur. haec ergo ipsa est sapientia, cui semper «adgaudebat» deus «orbe perfectm> (Prov. 8, 30 f.), ut per hoc etiam seniper laetari intellegatur. in hac igitur sapientia, quae semper erat cum patre, descripta semper incrat ac formata conditio, et numquam erat quando eorum, quae futura erant, praefiguratio apud scientiam non erat. 16 Te r tu ll i an (adv. Prax. 9): pater enim tota substantia est, filiu8 vero derivatio totius vel portio. 17 0 r i g e n es (de princ. IV, 4, 1): non enim dicimus, sicut haeretici putant, partem aliquam sub8tantiae dei in filium versam. 18 0 r i g e n e 8 (de princ. II, 6, 1): omnium creaturarum et dei medium id e8t mediator. 19 Iren ä u 8 (adv. haer. II, 30, 9): semper autem coexistens filius patri.
544
Die «Zeugung» ist alsdann das Heraustreten aus Gott zum Zwecke des Wirksamwerdens in bezug auf die Welt und läßt sich nach den von der stoischen Logik dargebotenen begrifflichen Unterscheidungen des Logos endiathetos und Logos prophorikos (innere und äußere Rede) auffassen 20 • «Zeugung des Sohnes» besagt: Der Logos ist das «Wort», durch das Gott die in seinem Geiste gedachten Ideen ausspricht, objektiviert und nach außen wirksam werden läßt 21 • Überdies gewährt diese Analogie eine neue Möglichkeit, das V erhältnis des Sohnes zum Vater als ein möglichst enges zu denken. Wird schon der menschliche Geist dadurch, daß er im gesprochenen Wort die Vernunft sozusagen ausströmen läßt, nach außen wirksam macht und andern mitteilt, dennoch seiner Vernunft nicht entäußert, nicht vernunftlos, so gilt dies erst recht von Gott. Durch das «Heraustretem> des Logos aus der ewigen Gottheit verliert diese keinen wesentlichen Teil ihrer selbst, ist nicht ärmer geworden. So wird also der Sohn als Logos durch die Zeugung, trotzdem er nunmehr von Gott, dem Vater, des Alls, als der zweite Gott, als Gott «im zweiten Rang» zu unterscheiden ist, nicht aus der Einheit mit diesem herausgelöst, nicht von ihm faktisch getrennt 22 • Auch in diesem Sinne werden nun die von 20 Tat i an (Or. ad Graec. 5): ouv a1rtiiJ (sc. frE0) 1\ui l..oyt)tij; 1\uvaJ.tEro; atJl:o; )tQL ö Myo;, 8; .qv E"V atrtiiJ, UltEOTTJOE. frEAlJJlO.TL ÖE -.:ij; altAQT'IjTO; mhoü 1tQ01t1JÖQ. M.yo;. At h e n a g o r a s (Snppl. 10): &.!../..' l!onv ö uto; -.:oü frEDii Myo; -.:oü na-.:go; E"V tl\li~ )tQL E"VEQYEl~. Der Logos-Sohn ist 1tQOOTOV YEVVTJJlO. -.:0 1tO.TQl, OU)t ro; YE"VOJlE'VOV (e; &.exii; yO.g ö frEo;, voü; &.tl\w; rov, ElXEV aii-.:o; EV tau-.:0 TQV Myov, &il\lro; J..oyt)to; rov), &/../..' ro; TOOV UAL)tOOV ;uf.t1tU"VTOOV, &nolou ljl'U!JEOO;, )tQL yij; UXQEta; UltO)tELJ..lEVOO"V 1\l)t'IJ"V ... ti\Ea xat f.vligyet.a dvat ngoEI..frrov. T h e o p h i In s (ad Autol. II, 10): iixrov ouv ö tteo; -.:ov tau-.:oü Myov f.vl\tafrE-.:ov f.v -.:oi:; tlllot; anl..ayxvot; f.ylivV1Joev aii-.:ov. li, 22: Der Logos ist Sohn Gottes oüx ro; ot 1tOLTJTO.L )tQL J.tUfroygaqJOL I..Eyo\J!JLV utou; frEroV E)t (JlJVOlJ!Jla; YEVVOJLEVOU;, &1..1..0. ro; &l..i)frEta ÖLTJYELTO.L TOV Myov -.:ov 1lv-.:a 1\tO. nav-.:o; f.vl\tafrETO"V f.v )tagl\l~ 'ltEOii. ngo yag TL ylvEofrat Toii-.:ov ElxEv !Jt'f.LßOlJAO"V, talJTOÜ "VOÜ"V )tQL \f'QOVTJOL"V 1Jv-.:a. Ö1tOTE 1\f: i)frEA'Ij!JEV 'Ö frEo; 1tOLij!JaL Öoa Eßoui..Euoa-.:o, TOÜTO"V TOV Myov EYEVVTJOEV 1tQOlpOQLXOV. T er t n 11 i an (adv. Prax. 5): habehat (sc. dens) enim secnm quam habebat in semetipso, rationem suam scilicet • . • hanc Graeci Logon dicunt .•. nam etsi deus nondum sermonem suum miserat, proinde euro euro ipsa et in ipsa ratione intra semetipsum habebat, tacite cogitando et disponendo secum quae per sermonem mox erat dicturus. Siehe auch I r e n ä u s , adv. haer. li, 12, 5. 21 Hip p o I y t (Refut. X, 33, 1 ff.): ... ÜJ.ta yO.g -.:0 E)t -.:oii yEvvljaav-.:o; 1tQO· el..fre~v. ngro-.:6-.:o)to; -.:ouTou yevOJ.tEvo; (sc• ö Myo;), tprovijv dxEv f.v tau,;0 -.:0.; f.v -.:0 1taTQL 1tQOE"V"VOTJfrEloa; tl\lia;. T h e o g n o s t (Hypotypos., Fragm. IV, Harnack TU, N. F. IX, 3, S. 77 f.): iian 1\E ö Myo; ML etxrov. f!Ovo; yO.g oii-.:o; -.:rov f.v -.:0 v0 tuyxavov-.:rov "VOTJf.LU-.:rov -.:ijv i!;ro tpogO.v eyxetglte-.:m. 22 Justin Dial. 61, 2) über das &no -.:oii na-.:go; frEI..i)oEL yEyevvijofrat: &.Al..' oü ,;owii-.:ov önoi:ov )tat f.tp' itJ.t&v ytvOJ.tEvov ÖQ&f.tEV" Myov yag -.:tva :n:goßal..l..ovn; Myov YEVVOOf.LEV, ou )tQTU cl1tOTOf.LlJV, ro; EAanrofrijvaL TOV EV TtflL"V Myov, ltQOßai..MJ.lEVOL. So bleibt der gezeugte Logos-Sohn !hfl'IJTO; )tat &.xroQL!JTo; -.:oii :n:a.-.:go; 1\UvaJ.tt; (Dial.
545
der Gnosis übernommenen Gleichnisse geformt und gedeutet, mit denen man die Zeugung des Sohnes zu illustrieren pflegt: Des Lichtes, das die Flamme ausstrahlt und an dem sich anderes Licht entzündet, geht diese doch nicht verlustig. Sie brennt und leuchtet mit gleicher Kraft strahlend fort 23. Mit all diesen Konstruktionen bewegt sich die nachapostolische Theologie in Gedankengängen, die dem Urchristentum unbekannt sind. So vorteilhaft sich für sie die Verbindung der neuen Christologie mit der Logoslehre erweist, so klar tritt doch auch schon hier zutage, daß diese Kombination einen neuen großen Ruck im Prozeß der Enteschatologisierung der apostolischen Lehre von Christus darstellt. Und vollends deutlich wird dieser Sinn der Entwicklung in den Funktionen, die man dem göttlichen Sohn als dem Logos zuschreibt. Diese Funktionen können verschiedenartige sein. Die Theologie hat hier ziemlich freien Spielraum für ihre Spekulation. Der Logosbegriff hat ja schon seiner langen Geschichte zufolge keinen eindeutigen Sinn, und in der kirchlichen Theologie wird er vollends vieldeutig, weil er hier in beliebiger Weise mit verschiedenen andern Begriffen wie Pneuma, Dynamis, Sophia, Nus bald identifiziert, bald kombiniert wird. Im Vordergrund steht natürlich die weltschöpferische und weltordnende Tätigkelt des Logos. Dabei ist es nicht etwa so, daß es dem apostolischen Urchristentum an sich von vornherein unmöglich gewesen wäre, den präexistenten Messias seiner apokalyptisch-eschatologischen Lehre bereits an der Weltschöpfung beteiligt sein zu lassen 24 • Daß Gott den himmlischen Messias als das höchste Engelwesen, das er mit der 128, 3). T a t i an (Or. ad Graec. 5): y6yove öe xa,;a ftEQLO'p.ov, o'Ö xa,;a &::n:oxo:n:iJv. 'to yag &::n:o,;p.fli}ev ,;oii :n:Qoo,;ou xexooQLO''tat, ,;o öe ftEQtai}ev otxovop.La~ ,;Tjv a'LQEO'tv :n:Qoal..a(3ov o'Öx tvöeii ,;ov öi}ev Eil..fl:n:'tat :n:E:n:otfl?tEV ..• ?tat yaQ ail,;os tych l..a1..& xat iip.EiS dxouE'tE, xat o'Ö öiJ:n:ou Öta ,;ijs p.E,;a(36.aEooS ,;oü Myou xevos ö :JtQOO'op.t1..oov Myou ylvop.at. T h e o p h i l u s (ad Autol. II, 22): ,;oü,;ov ,;ov Myov tysVVflO'EV :n:(IO
t;
546
Aufgabe der Heraufführung des neuen Aeon der Endzukunft betraut, auch schon zur Mitwirkung an der Weltschöpfung beauftragt haben kann, ist ein Gedanke, der an sich gar keine Schwierigkeiten bereitet. Dies um so weniger, da die jüdische Exegese zu Gen l, 26 die Engel überhaupt zu Mitarbeitern Gottes bei der Weltschöpfung machte 25• Dennoch bekundet das apostolische Urchristentum kein Interesse an einer derartigen Ausbildung seiner Christologie. In doppelter Hinsicht ist dies in der Eschatologie begründet. In der eschatologischen Naherwartung ist die Aufmerksamkeit intensiv auf das gerichtet, was der Christus zur Heraufführung der messianischen Endzeit und ihres Heiles dureh seinen Tod und seine Auferstehung bereits geleistet hat und bei seiner Wiederkunft auf den Wolken des Himmels in Bälde noch tun wird. Demgegenüber tritt das, was der Christus allenfalls in seiner Präexistenz gewirkt hat, in den Hintergrund. Nur nebenbei wird einmal auf die Erscheinung des Christus in der Gestalt des wasserspendenden Felsen in der Geschichte der israelitischen Wüstenwanderung hingewiesen (I Cor 10, 5). Dazu kommt, daß die eschatologische Messiaslehre des Urchristentums vor allem den Gegensatz des Christus zur hestehenden natürlichen Welt betont, sofern diese tatsächlich beherrscht ist durch die widergöttlichen Engel- und Geistermächte, deren Überwindung zu den eigentlichen Aufgaben des Christus gehört. Dieser Gegensatz ist nur die negative Kehrseite des eschatologischen Grundgedankens dieser urchristlichen Messiaslehre, wonach der Christus der Bringer und Herr der neue n Welt des neuen Aeon ist, dessen Anbruch dem bestehenden alten Aeon ein Ende bereitet. Wie muß die eschatologische Farbe dieser Christologie verblassen, damit der Gedanke wesentliche Bedeutung erlangen kann, der präexistente Christus sei der Schöpfer und Ordner dieser natürlichen Welt! Dieser Gedanke wird nun aber eine Grundlehre der nachapostolischen Theologie. Denn durch die Verhindung der Christologie mit der Logoslehre wird der präexistente Christus identifiziert mit der aus der transzendenten Tiefe der unaussagharen Gottheit heraustretenden und 'damit wirksam werdenden weltschöpferischen und weltordnenden göttlichen V emunft. Schöpfung und Ordnung der . bestehenden natürlichen, auch der geschichtlichen Welt werden zum ersten Zweck der Zeugung des Logos-Sohnes. Nicht nur die mehr oder weniger ausgesprochen philosophisch interessierten Logostheologen wie die Apologeten und die ersten großen Alexandriner vertreten den Gedanken der Schöpfung der zs Vgl. F. W e b e r , Jüdische Theologie, S. 155.
547
Welt durch den Logos-Sohn 26 . Schon der Gegensatz gegen die (gnostische) Häresie hilft wesentlich mit, ihn im allgemeinen kirchlichen Bewußtsein zu befestigen, so daß sich auch solche Theologen ohne weiteres zu ihm bekennen" von denen die Dogmenhistorie festzustellen pflegt, daß bei ihnen die zentrale Bedeutung der Erlösungslehre das Interesse an kosmologischer Logostheorie abschwächt 27 • Irenäus benützt sogar die Kreuzesspekulation, um in möglichst anschaulicher Weise den Gedanken der Immanenz des Logos-Sohnes im Universum auszuführen: «Denn er selbst ist das Wort des allmächtigen Gottes, welches in unsichtbarer Gestalt in uns allgemein in dieser ganzen Welt verbreitet ist und ihre Länge und die Breite und die Höhe und die Tiefe durchzieht; denn durch das Wort Gottes hat das Universum seinen Bestand und in ihm ist der Sohn Gottes gekreuzigt, kreuzweise in allem gezeichnet. Denn es gebührte ihm, daß er, nachdem er sichtbar wurde, die Kreuzesgemeinschaft unser aller mit ihm in , Erscheinung bringe, damit er jene seine Wirkung im Sichtbaren durch sichtbare Form zeige. Denn er ist es, der die Höhe ins Licht stellt und die Tiefe, welche weit unter der Erde liegt, fortsetzt, und die Länge von Ost und West hinstreckt und Nord und Süd durchschifft und die Zerstreuten von allen Seiten zur Erkenntnis des Vaters zusammenruft28.» lrenäus spinnt hier einen Gedanken der Apologie Justins aus, wo dieser die Aussage Platons über die X-förmige Ausbreitung der Weltseele in der Welt bereits im Sinne einer solchen, die Weltimmanenz des Logos-Sohnes symbolisierenden Kreuzesspekulation verwertet 29 • Hier vermag sich also die Enteschatologisierung der urchristlichen Christus26 Justin (Apol. II, 6): ö öe utog hdvou (sc. -frwü), ö ft6vog AEYOftEvog xugtrog ut6g, 6 Myog TCQO ,;öiv notllftthrov xal 11uvrov xal yEVVWftEVog, O'tE 'tTJV UQ:X:TJV öt' mhoü miv,;a EX'tti1E xal h611ftl111E. Athen a gor a s (Suppl. 4): ETCEL öe 6 A6yog iJftöiV llva -frEov ÜyEt ..• nav,;a öe öul. ,;oü nag' a1noü A6you TCETCOtllx6,;a. M e I i t o (Fragm. XV, Otto IX, 420): ipse Christus ... est creator cum patre. T h e o p h i I u s (ad Autol. II, 22): 6 öe Myog a1hoü, Öt' oü 'tU nav,;a nEnoLTIXEV. Te r tu ll i an (Apolog. 21): iam ediximus deum universitatem hanc mundi verbo et ratione et virtute molitum. CI e m e n s AI e x. (Strom. V, 16, 5): ngod-frrov öe 6 A6yog ÖllfttoUQylag a'inog. 0 r ig e n es (c. Cels. VI, 47): 6 ftEV ÖllfttoUQYOg ,;oüÖE 'tOÜ nav,;og ut6g El1'tt 'tOÜ -frwü (mit Berufung auf die alttestamentlichen Propheten und Platon). 2 7 Hier ist vor allem zu nennen Iren ä u s (adv. haer. II, 2, 5): et hic (sc. mundus) ergo a verbo eins (sc. dei) factum est; ferner At h an a s i u s (Orat. c. gentes 35, MG XXV, 69): ,;T}v x'tl
548
auffassung mit Hilfe der Logoslehre bis zur Verwandlung des apokalyptischen Christus in die platonische Weltseele durchzusetzen 30 ! In welchem Ausmaß in der Krise der Enteschatologisierung die philosophische Logoslehre in der kirchlichen Theologie das Übergewicht zu gewinnen vermag, ist ferner am Einfluß auf die Auffassung von der Erlösung und vom Erlösungswerk Christi festzustellen. Ah Anknüpfungspunkt läßt sich verwerten der Gedanke einer allgemeinen Offenbarung des Logos in der Geschichte, der seine Stütze hat in der Erwägung, daß die im Menschengeschlecht wirksame Vernunftkraft eine Manifestation des göttlichen Logos als der göttlichen Vernunft sein muß 31 • Im Menschen als dem Mikrokosmos ist der Logos nicht weniger wirksam als im Universum als dem Makrokosmos 32 • Wie der Logos «Abbild», «Gegenbild» Gottes, des Vaters, ist, so die Vernunft im Menschen ein «Abbild» des göttlichen Logos 33 • In der Auseinandersetzung mit Herakleon macht Origenes gegen diesen Gnostiker die Überzeugung geltend, daß nach Ausweis unzähliger Schriftstellen der Logos immer in den Menschen war 3 '. Allein die durch die Schöpfung begründete Offenbarung des Logos im gesamten Menschengeschlecht ist doch immer nur eine fragmentarische gewesen. Nur einzelne Samenkeime des Logos sind wirksam geworden 35 • Einzig im irdischen Christus ist der Logos selbst in seiner ganzen Fülle Mensch geworden und in die Geschichte eingegangen 36 • Kraft dieser einzigartigen Offenbarung des Logos wird 30 Auch At h an a s i u s sagt (Orat. c. gent. 41, MG XXV, 81): Myoq, öe oov .•. ö 'ltllL E'lt 1CU'tQOq, otu 1tflY'iiq, ayui}fjq, ayui}oq, npoEI..i}cl>v 'tU 1CUV'tll ÖLU'ItOO't.t.Et 'ltllL 0'\JVE)I;EL. 31 J u s t in (Apol. I, 46): 1:ov XQLO'tov npol't{noxov 1:oü i}eoü dvm l;ötö6.x1}fl!LE'V xut npoEt.t.flVUoat.t.EV Myov Öv'ta, ou nav yt\voq, cJ.vi}poonrov t.t.E'tEO)I;E. xut oL t.t.E'tU Myou ßtoooav'teq, XQLO'tw.vol Elm, xliv äi}eoL E'Vot.t.loi}f!oav, otov l;v 'EA.I..flOL t.t.f:v ~roxp6.1:flq, xut 'Hpa?tAEL'tOq,, 'ltllL ol Öt.t.OLOL mhoi:q,. 32 C 1 e m e n s A 1 e x. (Protrept. 5, 3): ö öi; E'lt Auutö xut npo a.u'to'Ü, ö 'tOÜ i}eo\i Myo; . . . x6ot.t.ov M 1:6vlle xut öi) xut 'tO'V Ot.t.Lxpov x6ot.t.ov, 1:ov ävi}pronov, ljluxi)v 'tE xut oiiit.t.a au'toü, dyt
549
Christus so zum Erzieher der Menschheit, daß er als solcher zugleich ihr wahrer Erlöser sein kann. Er schenkt dem Menschen die volle Erkenntnis des einen, wahren Gottes und seines Gesetzes und weist ihm mit dieser Erkenntnis den Weg zum ewigen Leben. In kürzester Zusammenfassung hat Clemens Alexandrinus diese zur Erlösungslehre erweiterte Logoslehre auf folgende prägnante Formel gebracht: Als der Schöpfer gibt der Logos im Anfang dem Menschen das Leben, als der Lehrer lehrt er ihn das gute Leben und als Gott schließlich gewährt er ihm das ewige Leben 87• Die problemgeschichtliche Betrachtung darf an diesem Punkte freilich nicht außer Acht lassen, daß die Lehre vom menschgewordenen Logos-Christus als dem Lehrer und Erzieher die Bedeutung, die sie in der nachapostolischen Kirche, vor allem stark vorherrschend in der philosophischen Theologie, erlangt, nicht lediglich dem Einfluß der philosophischen Logosspekulation verdankt. Sie vermag vor ailem deshalb mit Leichtigkeit siegreich vorzudringen, weil ihr der Verlauf der Diskussion über das Gesetzesproblem in sehr wirksamer Weise die Wege ebnet, indem von da her die Auffassung von Christus als dem Gesetzgeber sich in den Vordergrund drängt und immer größeres Gewicht erhält 38 • Aber nur bei den ersten großen alexandrinischen Theologen, Clemens und Origenes, beherrscht die Lehre vom menschgewordenen Logos als dem Offenbarer, Lehrer und Erzieher die Grundstruktur des dogmatischen Systems, das sie als die höhere Gnosis dem gewöhnlichen Kirchenglauben überordnen. Dies wird ja schon daraus ersichtlich, daß sie in einem dieser Lehre entsprechenden Sinne sowohl die ältere Überlieferung wie auch die zeitgenössische gemeinkirchliche Lehre umzudeuten pflegen. In solchen Umdeutungen bekundet vor allem Origenes eine besondere Virtuosität und oft auch Kühnheit 39 • In der gemeing e n e s redet immer wieder davon, daß im irdischen Christus der Logos s e I b s t , die Weisheit seI b s t usf. (o mh61..oyo(;, fJ a\,.toao«pla X'tA.) erschienen sei, siehe z. B. c. Cels. VI, 47: st ÖE Ö XOAAOOIJ.E'VO!; 't'cp XUQtcp ~'V ;t'VEUIJ.cl E!J't'Lv (I Cor. 6, 17), 't't!; ~J.ii.AAO'V 't'i)!; 't'Oii 'lf1aoii ljluxi)!; '1\ xüv ;tUQU;tATJGLOO!; xexÖAATJ't'UL 't'cp XUQtcp •«'il mhoMycp xat au·t'Oao«pt~ xat au't'OUAflii-Etq. xat aÜ't'OÖtxatoa\Jv"[]; 37 C I e m e n s A I e x. (Protrept. 7, 3): E;tE«pclvfl iP 'ta ;~;av't'a ÖEÖfi~J.LOUQYTJ'tUL Myo(;, xat 't'O ti)v h cXQXÜ IJ.E'ta 't'O ;~;1.-aaat ;~;aQaaxchv oo(; Öfi~J.LOUQYO!;, 'tO sü ti)v EölöasEv E;tt«pavst(; oo(; ötMaxa1..o;, tva 't'o äst ti)v üan{.lov oo(; ii'Eo(; XOQTJYiJau. 3B Siehe S. 226. 38 Auf zahlreiche derartige Umdeutungen ist in anderm Zusammenhang bereits mehrfach immer wieder hingewiesen worden. An dieser Stelle sei als besonders charakteristisch vermerkt die Art und Weise, wie 0 r i g e n es Stellung nimmt zu der Anschauung der paulinischen Eschatologie, wonach der Christus nach seiner Parusie
550
kirchlichen Theologie aber erfährt die Logoslehre gerade nicht eine solche konsequent spiritualistisch-ethische Ausprägung. Hier tritt neben die Aussagen, daß durch den präexistenten Logos alle Dinge geworden sind und daß der fleischgewordene Logos das neue Gesetz lehrt, den Vatergott und seinen Heilsplan offenbart, die andere These, daß er den göttlichen Heilsplan realisiert als der Erlöser im Sinne der physischsakramentalen Erlösungslehre. Dies ist insofern möglich, als die großkirchliche Theologie den Logos auch mit dem göttlichen Geist identifiziert oder diesen Geist vom Logos ausgehen läßt 40 • Das heißt aber: Die großkirchliche Lehre folgt im wesentlichen der Logos-Geist-Theorie der physisch-sakramental verstandenen Theologie des Johannesevange· liums. Besondere Vorsicht ist erforderlich in der Beurteilung der Rolle, die der Logoslehre im Gesamtzusammenhang der Theologie der ältern Apologeten zukommt, vor allem bei Justin. Dieser hat durchaus nicht so folgerichtig und ausschließlich, wie dies Clemens und Origenes im System ihrer Gnosis getan haben, die Logostheorie zu einer spiritualistisch-moralistischen Lehre von Christus als dem Offenbarer, Lehrer und Erzieher ausgestaltet. Er stellt ja überhaupt schon gar nicht ein derartiges dogmatisches System als die höhere Gnosis über den gewöhnlichen Kirchenglauben. Justins Logostheologie steht diesem gemeinkirchlichen Glauben viel näher als die Theologie der Alexandriner 41 • alle gottfeindlichen Geistermächte endgültig bezwingen, ja vernichten wird (I Cor 15, 24 f.). Vom Logos-Sohn gilt nun einmal für Origenes (c. Cels. V, 39): "tO'V ÖEll"tEQO'V itEov oüx äiJ.o "tL I..EyoJ.LEv 1\ "tlJ'V 3tEQLEX"ttxi]v 3taaiöv 0.QE"tiö'V UQE"tlJ'V xal "tov 3tEQLEX"tLxov 3tav"to<; ounvoaoiiv Myou "tiöv xa"tu qn!aw xal 3tQO'IJYOUJlE'VOO<; 'YE'YE'V'IJJlEvOO'V xat Ei<; :X:Qi}I1LJlO'V "tOii 3tav"to<; Myov. Und so können von Christus als der Erscheinung des Logos nur geistige, erzieherische Wirkungen ausgehen, die positiv auf ein religiössittliches Ziel gerichtet sind und also einzig das Heil der endlichen Geister bezwecken. Jesus erzieht zu einem Lehen, das die Gläubigen «zur Freundschaft mit Gott emporhebt>> (c.. Cels. II, 28). Daher muß auch die Aussage I Cor 15, 24 f. entsprechend ausgelegt, d. h. aber in diesem Fall: in ihr Gegenteil umgedeutet werden (de princ. III, 5, 7): si ergo hona et salutaris accipitur ista suhiectio, qua suhiectus esse dicitur filius patri, valde consequens et cohaerens est ut et inimicorum quae dicitur filio dei esse suhiectio salutaris quaedam intellegatur et utilis; ut sicut cum dicitur filius patri suhiectus, perfecta universae creaturae restitutio declaratur, ita cum ·filio dei inimici dicuntur esse suhiecti, suhiectorum salus in eo intellegatur et reparatio perditorum. 40 Iren ä u s (adv. haer. IV, 31, 2): spiritus dei, per quem facta sunt omnia, commixtus et unitus est carni, hoc est plasmati suo. V, 20, 2: (dominus) adunans hominem spiritui et spiritum collocans in homine, ipse caput spiritus factus est spiritum dans esse hominis caput. Te r tu 11 i an (adv. Prax. 8): sermo autem spiritu structus est et, ut ita dixerim, sermonis corpus est spiritus. Hip p o I y t (c. Noet. 4): Myo,; yug ftv, 3t'VEÜJ.La ftv, MvaJ.LL<; ftv. c. N oet. 16: 3t'VEÜJ.La, "tOU"tE(J"tL'V ö Myo,;. 41 Natürlich ist auch die Spekulation eines 0 r i g e n es viel reicher und universaler als die philosophische Theologie des Justin.
551
Denn er vertritt auch die physisch-sakramentale Erlösungslehre und die ihr entsprechende sakramentale Auffassung von der Heilsbedeutung des Todes Jesu (wenigstens in bezug auf die Schaffung der christlichen Taufe). Der falsche Eindruck, als gehe seine Theologie im wesentlichen auf in einer Lehre vom Logos-Christus als dem Lehrer und Offenbarer der rechten Gotteserkenntnis und Moral, entsteht nur dadurch, daß er diese Gedankenreihe aus apologetischen Gründen besonders betont. Daß aber seine «Apologie» niemals als eine vollständige Darstellung seiner Theologie gelten kann, zeigt schon der Dialog mit dem Juden Tryphon, der in den dogmengeschichtlichen Darstellungen zu wenig berücksichtigt zu werden pflegt. Dabei ist erst noch zu bedenken, daß auch dieser Dialog in der Auswahl des dogmatischen Stoffes ebenfalls durch bestimmte apologetische Interessen, diesmal der Auseinandersetzung mit dem Judentum, bestimmt ist. Die willkommenen Hilfsmittel, welche die Logoslehre zur V erdeutlichung und Befestigung der neuen kirchlichen Christologie darbot, macht die Erhebung des Logosbegriffs zum wesentlichen Bestandteil des offiziellen kirchlichen Dogmas der Kirche im ausgehenden dritten Jahrhundert verständlich 42 • Allein die Tatsache, daß hier mit dem Christusdogma ein ihm ursprünglich wesensfremdes neues Element verschmolzen wurde, ist zu offenkundig, als daß sie sich durchsetzen könnte, ohne überhaupt von irgendwelcher Seite her als unberechtigte Neuerung empfunden und in Frage gestellt zu werden. Zudem mußte sie als solche Neuerung auch neue dogmatische Probleme heraufbeschwören. Darum hat die Logoschristologie auf ihrem Weg zum Siege doch verschiedene Widerstände und Schwierigkeiten zu überwinden und wird mehrfach zum strittigen Problem. So bei den «Alogern», von denen Epiphanius berichtet, bei den Monarchianern und Arianern, und endlich bei Theologen wie Mareeil von Ancyra und Photin von Sirmium. Die Ablehnung des Logosbegriffs durch die in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts auftretenden «Aloger» 43 hat deutlich den Sinn emes grundsätzlichen Protests gegen eine dogmatische Neuerung und steht provoziert durch die Auseinandersetzung mit dem Montanismus im Zusammenhang mit der Bekämpfung der johanneischen 42 Das Taufsymbol von Cäsarea (von Euseb dem Konzil von Nicäa vorgelegt) beginnt den zweiten Artikel mit %UL EL~ llvu %UQLOV 'lt]OOÜV JGQLOTOV, TOV TOÜ ~EOÜ /...Oyov . . . (Hahn, S. 131). 43 E p i p hau i u s (h. LI, 3, l f.): btEL oiiv ,;ov /...Oyov ou Mxonut ,;ov nugO: 'Ioo6.vvou %E%'1]!.1UYJ.LEVov, "A/,.oyot %Arl~iJoov-r:ut . . . olln ,;o 'Ioo6.vvou EÖuyyEALOV öE)GovTUt ollTE -r:i]v uu"t'oü 'Ano%6.AmjJLV.
552
Schriften, vorab des Johannesevangeliums. Deshalb läßt man sich hier auf eine sachliche Kritik der Logoschristologie gar nicht ein. Es genügt der Nachweis, daß die Logoslehre der ältesten apostolischen Überlieferung fremd ist. Damit ist sie bereits als Häresie entlarvt und verurteilt. Auch für den Monarchianer Theodot, den Lederarbeiter aus Byzanz, fällt die Logoslehre bereits init der Ablehnung des Johannesevangeliums dahin 44 • Andere greifen nun aber eine Schwierigkeit auf, die aus der V erbindung der Christologie mit dem Logosbegriff entsteht. Wohl läßt sich mit Hilfe dieses Begriffs das Verhältnis der Gottheit des Sohnes zur Gottheit des Vaters und seine «Zeugung»· aus diesem in gewisser Hinsicht verdeutlichen, und wenn sich dabei das Verhältnis des Sohnes zum Vater als eine sehr enge Einheitsbeziehung darstellt, so kann dies der kirchlichen Theologie nur willkommen sein. Allein je enger diese Einheitsbeziehung erscheint, desto mehr gerät die Selbständigkeit des Sohnes in Gefahr, undeutlich und problematisch zu werden. Auch nach seiner Erhebung zur Gottheit ist der präexistente Christus der überlieferten Lehre von Haus aus ein persönliches und in diesem Sinne selbständiges, aber dem höchsten Vatergott untergeordnetes himmlisches Wesen, der «zweite Gott». Die Identifikation dieses Christus mit dem Logos kann aber, vollends wo sie im Sinne der stoischen Theorie vom Logos endiathetos und prophorikos vollzogen wird, die Tendenz wecken, den Sohn und seine Erzeugung aus Gott auf einen bloßen geistigen Akt zu reduzieren: Auf das auf die Welt gerichtete Wirksamsein der göttlichen Vernunft. Dies erst recht da, wo man ausdrücklich die Analogie der menschlichen Vernunft geltend macht, die Ideen denkt und sie im gesprochenen Wort zum wirksamen Ausdruck bringt, wie dies sehr deutlich schon bei Tatian geschieht 45 • In diesem Falle muß fraglich werden, mit welchem Recht überhaupt noch vom «Sohn» und von seiner «Zeugung»» die Rede sein kann. Sogar Hippolyt wird in seiner Auseinandersetzung mit dem Monarchianer Noet zu dem Geständnis gedrängt, allerdings sei der göttliche Logos in seiner Präexistenz noch nicht im vollen Sinne «Sohn» 46 • 44 E p i p h an i u s (h. LIV, I, I) charakterisiert den Theodot als den Stifter einer Sekte, 'tij~ &gvouf.tEV'I]~ 'tO xa'ta 'lwavv'I]V EuayyE"A.wv l'.at 'tOV ev au't0 (>t'I]QU:X:· -&8v'ta) Ev &g:x:fi OV'tU -&EOV "A.Oyov. Der Modalist N 0 e t verwirft das Johannesevangelium nicht, erklärt jedoch, der Prolog Joh I, I bezeichne Christus nur in bildlichem Sinne als Logos. H i p p 0 I y t (c. N oet.I5) berichtet als Aussage des N oet : l;llvov flOL (jlEQEL~ Myov J..f.ywv ut6v. 'lwavv'l]~ f.tEv y
flv
0 t.'L6~.
553
Paulus von Samosata will das weltbezogene Wirksamwerden des Logos als der Vernunft oder der Weisheit in Gott zwar noch als eine «Zeugung» gelten lassen47 • Allein «Sohn» ist der präexistente Logos dennoch nicht. Denn die Vernunft oder die Weisheit Gottes ist doch, wenn man die Analogie des Logos im Menschen in Betracht zieht (Epiphanius h. LXV, l, 5), nicht als eine selbständige Wesenheit oder Person außer Gott, dem Vater, vorzustellen. Sondern sie ist gleichen Wesens, wesenseins (homousios) mit Gott und in Gott, dem Vate1.-. Übrigens führt die Bezeichnung des präexistenten Logos- als des «Sohnes» zur Behauptung zweier «Söhne» Gottes, da ja auch der geschichtliche Jesus Christus als der durch Gott in der Jungfrau erzeugte der Sohn Gottes ist 4 s. Arius hält grundsätzlich streng fest an der Vorstellung der ältesten Christusauffassung, wonach der präexistente Christus ein von Gott ge· schaffenes und ihm untergeordnetes, als persönlich selbständig vorgestelltes himmlisches Engelwesen ist. Dieses kann er nicht mit der Vernunft Gottes als einem innergöttlichen Wesenszug identifizieren. Sofern auch der Christus seinen eigenen Logos in sich hat, ist dieser vom Logos in Gott zu unterscheiden. Damit fällt auch für Arius, aus andem Gründen als für Paulus von Samosata, jegliches Interesse dahin, über den göttlichen Logos als den aus Gott gezeugten Sohn zu spekulieren. Von seiner Christologie aus betrachtet erscheint diese Spekulation als eine gewalttätige Künstelei 49 • Mareeil von Ancyra geht, wie Euseh von Caesarea ausdrücklich herichtet, in seiner Logoslehre von der Analogie der menschlichen Ver· nunft aus: Wie heim Menschen, so ist auch bei Gott die Vernunft etwas seinem geistigen Wesen Immanentes, ihm wesensmäßig Zukommendes. Darum kann auch Mareeil dem göttlichen Logos ganz selbstverständlich die Homousie als Wesenseinheit, ja Substanzeinheit zuerkennen. Allein zugleich wird es für ihn sinnlos, von diesem Logos als von einem vor· 47 P a u I u s v o n S a m o s a t a (nach den Fragmenten der Disputationsakten, Text ·nach Fr. L o o f s. Paulus von Samosata, S. 334): btEivov ÖE -rov Myov E"(EVVfiGEV ö itEOI;; li.VEU :n:a.QitEVOU )!.(lL l!.vEU l:LVO!;;, oMEVOI;; OV-&01;; :n:A.i}v ,;oü itEOÜ, )!.(lL OUl:WI;; u:n:EGl:fl
ö
Myo~;;.
48 P a u l u 8 von S a m o s a t a (nach den Fragmenten des Synodalhriefes, Text nach F r. L 0 0 f 8 , a. a. 0., s. 333): xa.t l:OL
554
zeitlich aus Gott «gezeugten Sohn» zu reden 50 • Ist der Logos wirklich nichts anderes als die wirksame Vernunftkraft Gottes 5 1, dann hat ihr Wirksamwerden zum Zwecke der Weltschöpfung als geistiger Akt mit der «Zeugung eines Sohnes» ebenso wenig zu schaffen wie das geistige Tätigsein des vernünftigen Menschen 52 • Und hier verfehlt Mareeil nicht, die Aussagen des Prologs des Johannesevangeliums entschieden für seine Auffassung als Zeugen in Anspruch zu nehmen: Joh l, I steht nichts von einer vorzeitlichen Zeugung des Logos als des Sohnes. Vielmehr ist hier der Logos «im Anfang» schon bei Gott 53 • Marcells Schüler Photin von Sirmium hat, nach dem Bericht des Epiphanius, diese Auffassung seinies Meisters mit verschärfter Deutlichkeit verfochten, und zwar ebenfalls unter V erweis auf die Analogie des Logos im Menschen 54 • Vollends problematisch wird schließlich das selbständig-personhafte Sein des «Sohnes», wenn in der Auffassung des Logos der Nachdruck darauf gelegt wird, daß der Logos das «Wort» Gottes sei, in dem die göttliche Vernunft sich ausspricht und wirksam objektiviert. Was ist denn das gesprochene Wort anderes als der in der Luft verklingende Schall und Laut einer Stimme, im übrigen jedoch etwas «Leeres», «Nichtiges», etwas «Unkörperliches», Substanzloses? So argumentieren die Monarchianer gegen die in der Großkirche übliche Gleichsetzung des «Sohnes» mit dem Logos 55 • 50 Eu s e b von C ä s a r e a über M a r c e ll (c. Mare. I, 4, 7): ljiLAOV yO:Q 'lt!lL -c(ii avttewn:tlq> AOj'q> Öf.tOIOV, oux,t 1iE vtov UA1]ttiö~ ~OOV"t'(l ')t(lL U!pfl1l'OO"t'!l l'OV X.QIO"t'OV ti:vat Öf.toAoyriv 1\ttel..tt. 51 M a r c e 11 nennt den Logos auch die EVEQj'Eta ÖQ!lO"t't'lt{j Gottes (Eu s e b , de ecc1. theol. 111, 3, 43. . 5 2 Eu s e b über M a r c e 11 (c. Mare. I, 1, 15 ff.): ö öe 'Jiti..Ov Myov dvm 'tOV vtov unol..af.tßavwv '>tat 116vov Myov Eivm f.t!lQ"t''UQOUf.tEVO~ '>tat n:oA.A.a'ltt~ l'Oiil'' mho AEj'WV eh~ ouöev lll'tQOV fiv ö Myo~. ilvöov f.tEVWV EV fjovx,a~OV"t'l 't(ii TC!l"t'QL EVEQj'OOV öe ev -c(ii l'TJV 'lt-cloLV Ö1Jf.tto'UQi'tiv, Öf.tolw~ l'/il flf.tE"t'EQq> ev
ev
37
555
Wollte die großkirchliche Theologie auf dem mit ihrer Christologie einmal betretenen neuen Wege verharren, so war sie gezwungen, alle diese Bedenken als eine letztlich nicht ernst zu nehmende theoretische Spitzfindigkit zu beurteilen. So stellt Tertullian in seiner Auseinandersetzung mit dem Modalisten Praxeas unentwegt weiterhin es einfach als eine einleuchtende Selbstverständlichkeit hin, daß doch sicher der Logos-Sohn irgendwie «suhstantia» und «persona» sei 56 • Allein diejenigen, die sehen, daß hier nur mit einem kirchlichen Machtspruch argumentiert wird, müssen begreiflicherweise die Bedeutung der mit so unvorgesehener Folgerichtigkeit aus der Logostheorie sich ergehenden Entsubstanzialisierung des Logos-Sohnes nur um so gewichtiger empfinden. Es machen sich auch weitere unvermeidliche Folgen für die Christologie geltend. Ist der Logos an sich nicht etwas personhaftselbständig außer Gott Seiendes, sondern ein unveräußerlicher Wesensteil der Gottheit des Vaters selber - was ist dann schließlich das Göttliche, als dessen leibhaftige menschliche Inkarnation der geschichtliche Jesus Christus aufzufassen sein soll? Die Frage nach der Beziehung des Menschlichen in dieser geschichtlichen Person zu einem solchen präexistenten Göttlichen, die ohnehin der nachapostolischen kirchlichen Theologie sich als ein neues Problem stellen muß, erfährt von daher noch eine besondere Komplikation. Euseb macht ausdrücklich gegen Mareeil das kritische Bedenken geltend, dessen Auffassung vom Logos mache es unmöglich, im hergebrachten Sinne von der Menschwerdung eines göttlichen Wesens im geschichtlichen Christus zu reden 57 • Jedenfalls vermag Mareeil das Göttliche im irdischen Christus von seiner Logostheorie aus nur in der Weise zu interpretieren, daß er dessen persönliche Seinsweise zeitlich begrenzt. Wie immer auch das Sein und Wirken des göttlichen Logos in Jesus Christus aufzufassen sein mag, nach dem Abschluß des irdischen Lehens Jesu ist jedenfalls der Logos wiederum das, was er vorAt h an a s i u s, de decr. Nie. syn. 16, MG XXV, 444): Jtol./.ou~ AUAEL Myou~ Ö -6E6~. Jtoiov afl'tiiiv äga Myof.I.EV f}f.I.Ei~ utov Kat Myov f.I.OvoyEvij ,;oü Jta,;g6~; 56 Te r tu 11 i an (adv. Prax. 7): quaecumque ergo substantia sermonis fuit, illam dico personam et illi nomen filii vindico et, dum filium agnosco, secundum a patre defendo. Zu beachten ist auch, daß Tertullian gerade in diesem Zusammenhang, wo es gilt, die monarchianische Entsubstanzialisierung ·des Logos zurückzuweisen, die Behauptung der Körperlichkeit Gottes als massives Gegenargument ins Feld führt (adv. Prax. 7): quis enim negabit deum corpus esse, etsi deus spiritus esi? 57 Eu s e b (c. Mare. II, 1, 1 f.): Ö'tt ö' o'Öx äv 'tt~ oihw yE E'LJtoL utov dvaL ,;ov O'IJf.I.UV'ttxov Kat evEQY'IJ'tLxov Myov Jtav,;t ,;cp öij/.ov. ö öt ,;oü,;o llou~ eJtl ,;oü l'twü, oux. oill' ÖJtw~ ,;ov f.I.Tt 'Öq>EO'tiii'tCl Myov 'tftV o6.gxa &vELA'IJCflEVClL x.al EVEQyijoat ev a'Ö'tfi q>'IJOLV x.at 'tO'tE :X:QLO'tOV yEveol'tm.
556
her von Ewigkeit her war: Eine zum Wesen Gottes, des Vaters, gehörende, innergöttliche geistige Kraft 58 • Mareeil benützt als Schriftbeweis für diese Auffassung die paulinische Aussage I Cor 15, 28, wonach der Sohn nach Vollendung seiner endzeitliehen messianischen Aufgabe die ihm übertragene Macht dem Vater wieder zurückgehen und sich ihm wieder unterordnen wird, damit nunmehr Gott alles in allen sei 59, Der Sieg der Logoschristologie in der Großkirche des ausgehenden dritten Jahrhunderts bedeutet nicht zugleich die Überwindung der Schwierigkeiten, die sich aus den unvorhergesehenen Konsequenzen der Logoslehre für das neue kirchliche Christusdogma ergaben. Diese Schwierigkeiten wurden vielmehr in der Folgezeit immer stärker als Problem empfunden, vor allem in den Streitigkeiten um Arius und Mareeil im vierten Jahrhundert. Der «Sieg» der Logoschristologie heschränkt sich in Wahrheit auf die Tatsache, daß der Logosbegriff auch in die christologischen Formeln einzelner Symbole einzudringen vermochte. Genau besehen liegt der Sachverhalt folgendermaßen: Durch die Aufnahme in die Symbolformel und durch den Gehrauch bei den anerkannten kirchlichen Vätern ist der Logosbegriff als legitimer christologischer Begriff formell kirchlich approbiert. Allein er verliert tatsächlich, auf alle Fälle im vierten Jahrhundert, an sachlicher dogmatischer Bedeutung. Während in der älteren Logostheologie die Tendenz zu bemerken ist, den Logosbegriff zum christologischen Grundbegriff zu machen und von ihm her darzutun, in welchem Sinne das im geschichtlichen Christus nachmals erschienene Göttliche als präexistentes der «Sohn» Gottes heißen könne, vollzieht die spätere kirchliche Theologie hier eine nicht bedeutungslose Umstellung: Dieses Göttliche ist 58 Eu s eh (c. Mare. I, 1, 22 f.) gibt diese Auffassung Marcells so wieder: Eh' E:rcl 'tOO'aU't'[) (ho.n:tq. JlT]Ö' E; OU:rtE(> u:n:eitE'tO :X:(>OVOU 'tlJV EL~ li:n:EL(>OV %al U'tEÄEU'tT]'tOV ~roijv 'tE %al ßmnJ.Etav np :X:(>LO''tcp ötöou~, 'tEÄo~ öE mhcp JlTJÖ' a'Lcrwv E.n:ayoL JlTJÖ' olov 'toi~ ÖL' mhoii 'tWV E:n:ayyEÄLWV %a'ta;LroitT]O'OflEVOL~ illv a'Ö'to~ ö O"
557
seinem Wesen nach der «Sohn», der aber auch der Logos «heißt» uo. In dieser Rückzugswendung kündigt sich die Einsicht und das Zugeständnis an, daß man in der Logoslehre nicht in dem ursprünglich erhofften Ausmaße die Lösung der neuen christologischen Probleme gefunden hat, die sich mit dem Übergang zur Behauptung der Gottheit Christi der kirchlichen Theologie unvermeidlich stellen.
Viertes Kapitel Die monarchianische Reaktion Vor allem ermöglicht die Logoslehre keine eindeutige und sichere Lösung des Hauptproblems der neuen kirchlichen Christologie: Wie die Gottheit des Sohnes sich zur Gottheit des Vaters verhalte. Die Art und Weise, wie der Übergang von der alten Engelchristologie zum neuen Dogma von der Gottheit Christi vollzogen wird, läßt zunächst die Lösung im subordinatianischen Sinne als selbstverständlich erscheinen. Der Sohn ist Gott «im zweiten Rang» neben oder unter dem höchsten Gott, dem «Vater des Alls». Die Unhaltbarkeit dieser Lösung wird der großkirchlichen Theologie durch das Auftreten des Monarchianismus in schärfster Weise zum Bewußtsein gebracht. Diese neue n n d e n tscheidend bedeutsame Krise wird aber provoziert durch die Auseinandersetzung der Großkirche mit den Systemen der Gnosis. Dies kommt auch schon rein chronologisch in der Tatsache zum Ausdruck, daß der Monarchianismus um das Jahr 190 p. Chr. auftritt, das heißt in der Zeit, da die großkirchliche Bekämpfung der Gnosis in vollem Gange ist. Hier ist besonders auf das antihäretische Werk des lrenäus zu verweisen. Aus dieser Streitschrift läßt sich mit voller Deutlichkeit der eben behauptete innere Zusammenhang ersehen. Eine Hauptrolle spielt im Kampf des lrenäus gegen die Gnosis die Polemik gegen den Polytheismus der gnostischen Theorien vom Pieroma 1 • Eindringlich wird diesen polytheistischen Konstruktionen der monotheistische Glaube an den Einen Gott, den allmächtigen Schöpfer 60 So schon im dritten Jahrhundert z. B. der Alexandriner T h e o g n o 8 t (Fragm. IV der Hypotypo8en, bei A. H a r n a c k, Die Hypotypasen des Theogno8t, TU, N. F.
3, S. 77): Myov ?!.at amplav ,;ov ulov övo~t6.~ouatv al '{Q(l(paL 1 Iren ii u 8 (adv. haer. III, 16, 8): sententia enim eorum (8c. der Gnostiker) homicidialis, deos quidem plures confingens et patres multos simulan8.
558
des Himmels und der Erde, entgegenhalten, über dem und unter dem es keinen andern gibt 2 • Erläutert und begründet wird die Einheit und Einzigkeit dieses Gottes durch die eindrückliche Darlegung der Merkmale seiner Absolutheit 8 , und bekräftigt durch die Feststellung, daß das Bekenntnis zu diesem Monotheismus allen Menschen möglich ist, weil die ganze Schöpfung ihren Schöpfer als den einen Gott allen offenbart 4 • Allein mit der Bekämpfung des gnostischen Polytheismus durch diese vorbehaltlose Proklamation des Monotheismus bringt Irenäus seine eigene und die kirchliche Theologie seiner Zeit in nicht geringe V erlegenheit. Denn der polytheistischen gnostischen Pieromaspekulation kann die von lrenäus repräsentierte kirchliche Lehre selbst gar nicht einen derart eindeutigen Monotheismus gegenüberstellen. Zwischen der kirchlichen Lehre von Gott, dem Vater des Alls, und Gott, dem LogosSohn, einerseits und der gnostischen Aeonenlehre, vor allem in ihrer valentinianischen Form, anderseits besteht nicht ein wirklich grundsätzlicher Unterschied. Einmal kennt auch die gnostische Theologie einen Urvatergott, und die besondern Namen, die sie ihm gab, können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die V alentinianer doch in wesentlich gleichen Formeln von ihm reden wie die großkirchliche Lehre von dem einen Gott, dem Vater des Alls 5 • Insofern ergibt sich aus dem 2 Iren ä u s (adv. haer. II, 1, 1): bene igitur babet a primo et maximo capitulo inchoare nos, a demiurgo deo, qui fecit caelum et terram et omnia quae in eis sunt, quem ii blasphemantes extremitatis fructum dicunt; et ostendere, quoniam -neque super eum, neque post eum est aliquid; neque ab aliquo motus, sed sua sententia et libere fecit omnia, quum sit solus deus, et solus dominus, et solus conditor et solus pater et solus continens omnia et omnibus, ut sint, praestans. 3 Iren ä u s (adv. haer. Ill, 8, 3): altera autem sunt, quae constituta sunt ab eo qui constituit, et quae facta sunt ab eo, qui fecit. ipse enim infectus et sine initio et sine fine et nullins indigens, ipse sibi sufficiens et adhuc reliquis omnibus, ut sint, hoc ipsum praestans. quae vero ab eo sunt facta, initium sumserunt. quaecumque autem initium sumserunt et dissolutionem possunt percipere et subiecta sunt et indigent eius, qui se fecit. necesse est omnimodo, ut differens vocabulum habellnt apud nos etiam qui vel modieuro sensum in disceruendo talia habent, ita ut is quidem, qui omnia fecerit, cum verbo suo iuste dicatur deus et dominus solus, quae autem facta sunt, non iam einsdem vocabuli participabilia esse, neque iuste id vocabulum sumere debere, quod est creatoris . . . irrationale est autem et impium adinvenire locum, in quo _cessat et findem habet, qui secundum eos Propator et Proarche et omnium pater et huius pleromatis. 4 Iren ä u s (adv. haer. II, 9, 1): ipsa enim conditio ostendit eum, qui condidit eam; et ipsa factura suggerit euro, qui fecit, et mundus manifestat eum, qui se disposuit. 5 Iren ä u s (adv. haer. I, 1, 1): AEYOU(JL YUQ "tL'Va el-vaL E'V UOQU'tOL~ xat axa"tO'VO· J.tllt11:0L~ Ü'ljlroJ.tat1L "tEAELO'V At&va 1tQ06v,;a· ,;oihov ÖE xat (IIQO«QXftv xat) llQ01tU'tOQ«
559
Vergleich mit der großkirchlichen Theologie, daß durchaus auch die Gnosis ein zum Teil sogar !'>tarkes monotheistisches Interesse hat und wahrt. Dies ist so deutlich erkennbar, daß auch die altkirchlichen Bekämpfer der gnostischen Häresie, allen voran gerade lrenäus selbst, um dieses Zugeständnis schließlich nicht herumkommen 6 • Anderseits will zwar allerdings die kirchliche Theologie nichts wissen von den vielen «Aeonen» (Göttern), die in der komplizierten Folge der Syzygien durch Zeugung aus dem Urvater hervorgehen. Sie anerkennt nur den einen, vom Vatergott erzeugten göttlichen Sohn (dazu dann freilich, mit Origenes zu reden, den heiligen Geist als das erste der vom Vater durch den Sohn gezeugten Geschöpfe) 7 • Und auch zu dem tiefem weltanschaulich-religiösen Sinn des Mythus von den vielen Äonenfiguren stellt sie sich mit ihrer Lehre von dem einen Logos-Sohn als dem Vermittler der Schöpfung und Erlösung in klaren Gegensatz. Auf Grund dieser von der Kirche mit Recht deutlich empfundenen Unterschiede wird für sie die Gnosis zur Häresie. Allein diese Unterschiede entstehen tatsächlich doch erst innerhalb des gemeinsamen Rahmens gleicher Grundvoraussetzungen. Mindestens drei grundlegende Wesenszüge haben die vielen Götter des gnostischen Pieroma und der eine göttliche Logos-Sohn der kirchlichen Theologie miteinander gemeinsam: Sie sind durch Zeugung aus dem Vater hervorgegangen, stehen damit zu diesem im Verhältnis der Subordination und bilden die V crmittlung zwischen dem transzendenten Vatergott und der irdischen Welt. Gnostische Spekulation und kirchliche Theologie bewegen sich also in einem allgemeinen Schema von gleicher Grundstruktur, innerhalb dessen der eine göttliche Logos"Sohn der xo.t BuMv xo.A.o\iow •.. U:rtUQ:X:OVTO. ö' o.'ihov xo.t a6QO.TOV, atöL6v TE xo.t U"(EVV'I]TOV EV i]au:x:i~ xo.t EQ'I]flt~ :n:oA.A.fl "(EyOVEVfi.L EV a:n:EtQOL~ o.iiö
:rco.-ri)Q redet auch der Valentinianer Ptolemäus mehrfach in seinem berühmten Briefe an die Flora (E p i p h an i u s, h. XXXIII, 3, 1). 6 Iren ä u s (adv. haer. I, 22, 1): omnes enim fere quotquot sunt haereses denm quidem unum dicunt, sed per sententiam malam immutant, ingrati existentes ei, qui fecit eos, quemadmodum et gentes per idolatriam. Hip p o I y t (c. Noet. 11): %O.L yaQ :n:avTE~ a:n:E%AEL
560
Kirchenlehre an gleicher Stelle steht wie die Äonengötter der gnostischen Systeme, vor allem der valentinianischen. Besonders deutlich tritt dieser Sachverhalt zutage in der Art und Weise, wie sich lrenäus mit der valentinianischen Exegese des ersten Kapitels des Johannesevangeliums auseinandersetzt. Die gnostische Auslegung glaubt herausgefunden zu haben, daß der Evangelist in diesem Kapitel die vier Äonenpaare der obersten Ogdoas darstelle: Pater-Charis, Monogenes-Aletheia, Logos-Zoe und Anthropos-Ecclesia s. lrenäus bestreitet mit Recht, daß J ohannes diese Äonenreihe meine. Es sei lediglich die Rede von dem einen allmächtigen Vatergott und dem einen Logos-Sohn, der in Christus Fleisch geworden ist. Insbesondere weist er nach, daß Joh 1, 14 der Logos nicht, wie die valentinianische Exegese behauptet, als der Sohn des Monogenes erscheine, sondern mit diesem identisch sei 9 • Die Kritik des lrenäus läuft also lediglich darauf hinaus, die von dem Vatergott ausgehende Vielheit der göttlichen Äonen auf den einen, aus dem Vater erzeugten göttlichen Logos-Sohn zu reduzieren, der in dem irdischen Jesus Christus Fleisch wird. Diese Reduktion erfolgt innerhalb des gleichen, als gemeinsam vorausgesetzten und anerkannten Grundschemas. Vom Standpunkt jenes vorbehaltlosen Monotheismus aus gesehen, von dem her lrenäus den gnostischen Polytheismus kritisiert, bedeutet es keinen grundsätzlichen und absoluten, sondern nur einen relativen Unterschied, ob man dem einen transzendenten Vatergott noch eine Vielheit von aus ihm erzeugten Äonengottheiten subordiniert, wie die Gnosis, oder nur den einen Logos-Sohn, wie die von lrenäus repräsentierte kirchliche Lehre. Deshalb wird von der streng monotheistisch 8 Iren ä u s, adv. haer. I, 8, 5. Die gnostische Darstellung schließt zusammenfassend: oü-tw!; ö 'Iwawr)!; nEQt 'ti'j!; 1t(lOl'tTJ!; x.a.t flTJ'tQO!; ,;iiJv ö/,.wv a.twvwv öyöoaÖo!; EL(ITJX.E. 9 Iren ä u s (adv. haer. I, 9, 2): Johannes kennt nur den einen ilEO!; na.v,;o'lt(lU'tW(l und den einen flO'VO"'{E'Vi)!; X,(lLO'tO!; 'ITJOOOÜ!;, ÖL' on 'ttl nav,;a. "'{E"'{O'VEVO.~ /,.eyEL, 'tOÜ'tO'V ULO'V (/,.Oyov?) ilEOii, 'tOÜ'tOV flO'VO"'(E'Vi'j, 't01!'tWV naV'tW'V 1tOLTj'tijV, ,;oii,;ov EL!; ,;a töta. ~"-TI"-uM,;a., ,;oii,;ov (a.'Ö,;ov) Oa(lx.a. yEyov(na. •.• , die Valentinianer dagegen il/,./,.ov flE'V ,;ov MovoyEvi'j i}i\/,.ouotv dvaL x.a.,;a ,;i)v n(lo~o/,.i]v, llv öi) x.a.t dQx.i)v x.a./,.oiiOL'V. anov ÖE TO'V ~W'ti'j(IO. "'{E"'{OVE'VO.L i}f./,.ouOL x.a.t il/,./,.ov ,;ov A6yov ULO'V ,;oii MovoyEvoii!;, x.a.t il/,./,.ov ,;ov X.QLO-tov EL!; ~na.v6Qilwotv ,;oii 11"-TJQWflO.'tO!; n(lo~Eß"-TJ· !J.Evov • . . Ö-tL öE oii nEQt ,;iiiv ou~uytiiiv a.'Ö,;iiiv ö dn6o,;o/,.o!; E'LQTJX.E'V, &./,./,.a nEQL ,;oii ?tUQtou ~fliii'V 'ITJOOÜ X.QLO-toii, llv x.a.t A6yov oiöE ,;oii ilEoii, a.'ÖTO!; nEnotTJX.E qJO.'VEQ6v. dva.x.EqJa/,.a.LOu!J.E'VO!; ya(l nEQL ,;oii ELQTJflEVOU a.'Ö-t/i> ilvw ~v &.Qx.ii A6you, enEl;TJYEi-taL" l!.CI.L ö AoyO!; Oa(ll; E"'(E'VE'tO x.a.t EOX.ij'VWOE'V E'V ~!J.L'V. x.a.,;a ÖE 'ti'j'V EX.Etvwv unOitEOL'V Q'Ö)(. ö A6yo~ oaQl; eyevE-to, Ö!; yE oMt f!"-ilE no,;s ex.-to!; IUTJQWfla.-to!;, &./,./,.a ö -ti'j!; otx.ovo!J.ta.!; flE'tO."'(E'VEO'tEQO!; ,;oii A6you, ~w-ti]Q.
561
orientierten Kritik, die die ketzerbestreitenden kirchlichen Theologen an der Gnosis üben, in Wahrheit doch auch deren eigene Lehre mitbetroffen. Wenn die antignostischen Theologen dies nicht selber merken oder zugestehen wollen, so müssen es eines Tages in der Kirche andere sehen. In der Tat kommt der Sachverhalt einem Theologen wie Irenäus im Eifer des Kampfes nicht deutlich zum Bewußtsein. Immerhin werden Gründe ersichtlich, die diese Selbsttäuschung nicht ganz unverständlich erscheinen lassen. Einmal vermag freilich zunächst der kräftige Strich, mit dem die monotheistische Kritik die weit ausgesponnene Mythologie der Äonenspekulation beseitigt, den Eindruck zu erwecken, mit dem gnostischen Polytheismus siegreich aufgeräumt zu haben. Und sodann ist bei alledem die Aufmerksamkeit der antignostischen Theologen auf einen bestimmten Punkt gerichtet, dem sie begreiflicherweise eine besondere, ja entscheidende Bedeutung zumessen. Es ist der von der Gnosis konstruierte Unterschied, ja Gegensatz zwischen dem höchsten Urvatergott und dem tief unter ihm stehenden Schöpfer der irdisch-materiellen Welt. An der ganzen Mythologie des gnostischen Polytheismus ist dies für das Urteil der großkirchlichen Theologen die anstößigste und gefährlichste Behauptung. Denn sie statuiert einen Gegensatz zwischen dem Urvatergott und der irdisch-materiellen Welt, der in seinen letzten Konsequenzen schließlich die kirchliche Erlösungslehre in Gefahr bringt. Für die Großkirche steht also hier bedeutend viel mehr auf dem Spiel als nur der Monotheismus. Das Hauptanliegen ihrer Kritik am gnostischen Polytheismus besteht deshalb darin, die Identität des Urvatergottes mit dem Schöpfergott aus Schrift, Tradition und natürlicher Theologie nachzuweisen. Ist dieser Nachweis geglückt, so ist für die kirchliche Theologie der gegen die Gnosis geltend gemachte Monotheismus soweit gesichert, als sie überhaupt ein Bedürfnis nach s o l c her Sicherung d es Mo n o t h e i s m u s h a t 10 • So kann es geschehen, daß sich in lrenäus die kirchliche Theologie, ohne sich genauer Rechenschaft darüber zu geben, aus Opposition gegenüber der Gnosis in einer Weise für den Monotheismus einsetzt, der ihre eigene Lehre von Gott, dem Vater, und Gott, dem Sohn, in den V erdacht des 10 Der wesentliche Sinn der großkirchlichen Bekämpfung des gnostischen Polytheismus tritt bei Iren ä u s klar zutage allein schon in seiner Aussage: Eigentlich vertreten auch die Häretiker den Monotheismus, aber sie entstellen ihn durch ihre Undankbarkeit gegen den Schöpfergott (siehe das Zitat hievor Anmerkung 6). Ehen von diesem von den Gnostikern degradierten S c h ö p f e r gott wird nun immer wieder behauptet und bewiesen: quia hic solus vere sit deus et pater, qui et hunc mundum
562
Polytheismus bringen und eine neue Krise heraufbeschwören muß von der Art, wie sie alsbald im Monarchianismus aufbricht. Tatsächlich kündigt sich aber die Krise doch auch schon bei lrenäus selber deutlich an. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß seine Lehre in Einzelheiten Widersprüche aufweist. Bevor man diese Widersprüche aus der Benützung verschiedenartiger hypothetisch erschlossener Quellen zu erklären versucht 11 , muß festgestellt werden, ob und wie weit sie sich einfach aus der Kampfstellung gegen die Gnosis ergeben. Mehrmals tritt der Fall ein, daß lrenäus sich durch den Kampf gegen die Häresie zu Behauptungen hinreißen läßt, mit denen er sich zu seinen eigenen ursprünglichen Anschauungen in Gegensatz stellt. Einer dieser Fälle ist in diesem Zusammenhang von beträchtlicher problemgeschichtlicher Bedeutung. Von Haus aus vertritt auch lrenäus einfach die in der Kirche seiner Zeit vorherrschende subordinatianische Christologie von dem göttlichen Logos-So~ als dem Gott im zweiten Rang. Ausdrücklich beruft er sich auf die Aussage des johanneischen Christus J oh 14, 28, wonach der Vater größer sei als der Sohn, und schreibt dem synoptischen Jesus die Absicht zu, mit dem Spruch Mc 13, 32 den Gläubigen einzuschärfen, daß in der Tat der Vatergott der Gott über alles sei 12 • Allein nun ist deutlich feststellbar, daß lrenäus im Zuge seiner monotheistisch inspirierten Kritik am gnostischen Polytheismus an mehreren Stellen ganz spontan die Tendenz verfolgt, diesen ausgesprochenen Subordinatianismus seiner Christologie zu verhüllen, ja zu verleugnen mit Aussagen, die nicht anders denn als modalist i s c h bezeichnet werden können. Diese modalistischen Sätze stellen den spontanen Versuch des lrenäus dar, die eigene Christologie vorsichtig in der Weise zu formulieren, daß sie dem gegen die Gnosis so vorbehaltlos postulierten Monotheismus nach Möglichkeit entspreche. Durch diese fecit et hominem plasmavit. Im übrigen genügt hier vollständig der Hinweis auf die entsprechende Entwicklung des ältesten Taufsymbols. Der erste Artikel des alten Symbolum Romanum redet nur vom Glauben an den allmächtigen Vatergott. Der autignostische· Kampf hat dann den Einschub creatorem coeli et terrae verursacht, der den Vatergott mit dem Schöpfer identifiziert (vgl. die Texte bei Hahn, S. 22 ff.). So zeigt auch die Entwicklung des Symbols, worauf es der Kirche im Kampfe gegen den gnostischen Polytheismus zuhöchst ankam. 11 So F r. L o o f s , Theophilus von Antiochien. 12 Iren ä u s (adv. haer. II, 28, 8): etenim si quis exquirat causam, propter quam in omnibus pater communicans filio, solus scire horam et diem a domino manifesta· tus est, neque aptabilem magis, · neque decentiorem, nec sine periculo alteram quam hanc inveniet in praesenti •.• , ut discamus per ipsum, super omnia esse patrem. etenim «pater», ait, «maior me est (Joh 14, 28).
563
längst festgestellte modalistische Tendenz 13 liefert lrenäus selbst den klaren dogmengeschichtlichen Beweis dafür, daß es die Auseinandersetzung der von ihm repräsentierten großkirchlichen Theologie mit der Gnosis gewesen ist, die das Aufkommen des Monarchianismus provoziert hat. Mehr noch! Es ist wohl zu beachten, daß das instinktiv sich regende Bestrehen des lrenäus, seine subordinatianische Christologie mit dem. Monotheismus möglichst in Ausgleich zu bringen, nicht etwa in die Denkweise des d y n a m i s t i s c h e n Monarchianismus einschwenkt. Ein Abbiegen in dieser Richtung ist von der Theologie des lrenäus aus so gut wie ausgeschlossen 14, schon der neuen Erlösungslehre wegen, die die Inkarnation einer Gottheit erfordert. Um so näher liegt es darum dieser großkirchlichen Lehre, den Ausgleich ihrer neuen, vorderhand noch subordinatianischen Lehre von der Gottheit des Sohnes mit dem Monotheismus, wo dieses Postulat dringlich wird, in der Richtung des modalistischen Monarchianismus zu suchen. Im Grunde liegt für die großkirchliche Theologie, wie, sie sich nun einmal auf dem Wege ihrer Entwicklung bis zu lrenäus gestaltet hat, nur dieser Ausweg offen, und fraglich kann nur sein, wie weit sie ihn gehen kann und will. In den modalistischen Anwandlungen des lrenäus 13 L o o f s (S. 142) findet die Offenbarungsidentität Gottes und Christi bei lrenäus (wie auch anderswo in der «kleinasiatischen» Theologie) «bis zum Schein des Modalismus betont>. R. Seeberg urteilt (S. 578): ·Aber trotzdem hatte ein moda· listischer Einschlag bei einem Manne wie lrenäus kräftig wirken können.» N a t h. B o n w e t s c h, Die Theologie des lrenäus, 1925, S. 61: «Trotz seiner modalistischen Ausdrucksweise will lrenäus doch nicht eine persönliche Unterschiedenheit von Vater und Sohn verneinen.» A. Harn a c k konstatiert auch in der Epideixis (c. 47) «eine Art Modalismus» (in seinen Bemerkungen zur Epideixis, TU 31, 1, 1907, S. 61}. Der irenäische Modalismus bekundet sich in folgenden Aussagen: per filium itaque, invisibile etenim filii pater, visibile autem patris filius (adv. haer. IV, 6, 6}; nomen filii proprium patris est (IV, 17, 6}; et bene qui dixit ipsum immensuin patrem in fitio mensuratum, mensura enim patris filius, quoniam et capit eum (IV, 4, 2}; «Und somit ist nach seinem Sein und nach der Kraft seines Wesens ein Gott zu erkennen, nach der Ökonomie unserer Erlösung aber recht eigentlich sowohl Sohn als auch Vater (Epid. 47}; quum sit unus et idem deus pater et verbum eins (IV, 28, 2}; invisibilis visibilis f actus, et incomprehensibilis f actus comprehensibilis, et impassibilis passibilis (111, 16, 6}. 14 Fr. L o o f s meint zwar (S. 150}: «Allein da, wo er die Christologie in dieser Weise von oben nach unten konstruiert, ist die Inkarnation des Logos • . . nichts anderes als Inspiration. Denn in dem geschichtlichen Jesus Christus unterscheidet lrenäus den Logos und den homo eins (V, 14, 1; V, 21, 3}; der Mensch ist das Subjekt des Versuchtwerdens (V, 21, 3}, der Logos ist unbeteiligt beim Leiden ... » Allein so haben auch gnostische und großkirchliche Vertreter einer bereits fortgeschrittenen «Zweinaturenlehre» gedacht, also Theologen, für die die Inkarnation gerade nicht in bloßer Inspiration aufgeht. Die Loofssche Beweisführung ist also gänzlich hinfällig und damit auch die These selbst.
564
kündigt sich diese Situation an und es verrät sich darin bereits die Tatsache, daß der Modalismus der Großkirche viel gefährlicher werden und ihr unvergleichlich viel größere Schwierigkeiten bereiten muß als der dynamistische Monarchianismus. Der dynamistischen Ausprägung der monarchianischen Lehre kommt tatsächlich für die weitere Entwicklung der kirchlichen Christologie eine verhältnismäßig geringe problemgeschichtliche Bedeutung zu. Die Großkirche vermag sich ihrer mühelos zu erwehren. Während dem Modalismus ein bemerkenswerter Einbruch in die Kirche Roms gelingt, und zwar gleich zu Anfang, wird der hier ehenfalls auftauchende Begründer der dynamistischen Theorie, der byzantinische Lederarbeiter Theodot, von dem römischen Bischof Viktor alsbald exkommuniziert 15• Und seine nächsten Nachfolger, vor allem der Wechsler Theodot und Artemas, vermögen nicht wesentlich mehr zu erreichen. Im Osten ergeht es dem bedeutendsten dynamistischen Monarchianer, Paulus von Samosata, nicht viel besser. Durch die antiochenische Synode vom Jahre 268 wird er als Häretiker ausgeschaltet. Es fällt auf, daß die Berichte über die ältesten Dynamisten gar nicht hervorheben, daß diese der Großkirche wegen ihrer Lehre von der Gottheit des Sohnes einem V erstoß gegen den Monotheismus zum Vorwurf gemacht hätten. Hätte der Lederarbeiter Theodot in diesem Sinne polemisiert, so würde Hippolyt sich gewiß nicht damit begnügen, ihm die Übereinstimmung seiner Lehre von Gott mit der Lehre der Kirche zu bestätigen 16 • Nur von Paulus von Samosata berichtet der Hymenäushrief, er habe die großkirchliche Behauptung einer Gottheit des Sohnes neben der Gottheit des Vaters als Zweigötterlehre kritisiert und verworfen 17 • Nicht um das Problem des Ausgleichs der Christologie mit dem Monotheismus dreht sich die Auseinandersetzung mit dem dynamistischen Monarchianismus, und nicht hi~r liegt der Grund seiner Verurteilung durch die Großkirche. Vielmehr wird gegen die Dynamisten zur Hauptsache einfach der Vorwurf erhoben, nach ihrer Lehre sei der geschichtliche Christus ein «bloßer Mensch». Des Nähern lautet ihre Lehre von Christus dahin, Jesus sei nach Gottes Ratschluß aus der Eu 8 eh (h. e. V, 28, 6): Blx-rrog 9e61>o-rov -rov axu-ria, -rov UQX'I'J"{OV xat :rca't'EQ
't'
565
Jungfrau geboren, aber als bloßer Mensch. Als solcher habe er ein frommes Leben geführt. Dann sei bei der Jordantaufe der Christus als Geist in Gestalt einer Taube auf ihn herabgekommen und habe ihm die Kraft zur Verrichtung von Wundertaten verliehen. «Gott» sei er aber dadurch nicht geworden, wie auch schon seine Erzeugung in der Jungfrau durch den Geist nicht etwa als eine Inkarnation des göttlichen Geistes gedeutet werden dürfe. Einige wollen allerdings zugestehen, daß J esus nach der Auferstehung zur Gottheit erhoben worden sei 18 • Was hier als Auffassung der ältern dynamistischen Monarchianer beschrieben wird, ist zur Hauptsache judenchristliche, an altsynoptischer Tradition orientierte Lehre 19 , und tatsächlich stellt auch Hippolyt den Theodotus Skyteus mit den Ebioniten zusammen 20 • Daraus wird aber ersichtlich, daß diese ältern (römischen) Dynamisten das christologische Problem gar nicht so aufgreifen, wie es sich für die damalige Kirche nach dem Übergang zum Dogma von der Gottheit Christi und vor allem auf Grund der Auseinandersetzung mit der Gnosis immer unausweichlicher stellt. Das heißt: Sie gehen nicht aus von der Frage, wie eine Bestimmung des Verhältnisses der Gottheit in Christus zur Gottheit des Vaters gefunden werden kann, die sich mit dem von der Kirche grundsätzlich proklamierten Monotheismus in Einklang bringen läßt. Sondern sie vertreten immer noch eine altertümliche Christologie, die mit dem Monotheismus von vornherein gar nicht in Konflikt kommt und für die daher das aktuell werdende Problem der neuen kirchlichen Theologie noch gar nicht besteht. Dem entspricht, daß sie sich nach dem, was Epiphanius über ihren theologischen Betrieb berichtet, nicht eigentlich mit der zeitgenössischen kirchlichen Theologie auseinandersetzen, sondern sich auf ihre Weise einfach mit 1s Hip p o I y t (Refut. VII, 35, 1 f.): ,;ov flEV 'I'Ijooüv dvcu &vil'gomov br. nagil'evou ')'E')'EVV'IJflEvov xa,;u ßouA.i]v ,;oü mngo~, ßuiloav,;a l'lE xowiö~ näotv &vil'goonot~ xat EÜOEß!\a,;a,;ov yEyov(na, ilo'tEQOV öE tnt ,;oü {lan,;[ofla'to~ tnt ,;qi IogMvn :KEJCOOQ'IJ:KEVat ,;ov XQto,;ov &vooil'Ev xanA.'I]A.uil'o,;a tv Eillet nEgtonga~. öil'Ev oü ngo,;Egov ,;a~ lluvafA.Et~ EVI'JQ')'I'J:KEVfl.L il Ö'tE :KU'tEAil'ov avEiletxil'I'J EV aÜ'tqi 'tO ;tVEÜflU, 8 dvat 'tOV XQLO'tOV l'tQOO· ayOQEUEt. ElEov IIE oüMno'tE "{E"{OVEVat au,;ov il'8A.ouotv tnt ,;qi ?!.aMilc:p ,;oü nVEUflU'to~, ihegot 1\E flE'tU 'tfJV EX vexgiöv &v6.o,;aotv. R. Seeberg (S. 564, AnmerkJing 1) beurteilt ohne stichhaltige Begründung den letzten Satz als verderbt und will lesen: il'eov 1\E ot ElEollonavot ')'E"{ovevat au,;ov il'EAOUatv E:rtt ?!.'tA. Dem Wechsler Theodot wird von Hip p o I y t (Refut. VII, 36); P s. ·Te r tu 11 i an, adv. omn. haer. 8) noch die Behauptung zugeschrieben, der (mit dem bei der Jordantaufe herabkommenden Geist identifizierte) Christus sei an Würde geringer als Melchisedek, der als übernatürliches Wesen gilt. 19 Siehe S. 351, Anmerkung 8. zo H i p p o I y t , Refut. VII, 9.
566
biblischer, hauptsächlich synoptischer Exegese beschäftigen 21 • Dieser ältere dynamistische Monarchianismus vertritt also eine für die kirchliche Theologie infolge ihres Übergangs zum Dogma von der Gottheit Christi endgültig antiquierte und damit undiskutabel gewordene Lehre, die für die dogmengeschichtliche Weiterentwicklung keine. wesentliche Bec;leutung mehr hat. Anders stehen die Dinge bei dem später im Osten auftretenden Paulus von Samosata. Er hat sich, dies steht fest, mit der neuen kirchlichen Christologie auseinandergesetzt, gerade auch mit der Logoslehre 22 • Er begnügt sich auch nicht damit, ihr gegenüber eine Form der antiquierten Christologie der Vorzeit lediglich zu repristinieren. Er geht zwar ebenfalls von dieser altertümlichen Denkweise aus; aber er modernisiert sie, genauer, er übersetzt sie ins Antik-Hellenische: Der geschichtliche Jesus ist ihm der einzigartig gottbegnadete Mensch, der zum Heiland der Menschheit wird, indem er die Macht des göttlichen Geistes in Wundertaten erweist, durch die Tugend der Liebe zur sittlichen Vollkommenheit gelangt, um schließlich zum Lohne dafür der Apotheose teilhaftig zu werden. «Als der Held im Sinne der Antike ist Christus geschaut 23 .» Dennoch wird auch diese Anschauung des Samosateners von der Großkirche als glattweg undiskutable Häresie abgelehnt. Ist bei der Christusauffassung der ältern römischen Dynamisten ohne weiteres klar, daß sich mit ihr die neue kirchliche Erlösungslehre im Sinne der Theorie der Vergottung niemals begründen läßt, so bleibt diese Möglichkeit doch auch in der samosatenischen Christologie völlig fraglich. Denn auch hier ist der irdische Christus nur ein mit göttlicher Dynamis begabter Mensch, nicht aber die substanzielle Inkarnation einer Gottheit. An problemgeschichtlicher Bedeutung übertrifft der modalistische Monarchianismus den dynamistischen in einem Ausmaß, das nicht leicht überschätzt werden kann. In seinem Grundgedanken geht er darauf aus, die Gottheit des Vaters und des Sohnes derart ineinander aufgehen zu lassen, daß die Unterschiede sowohl der Substanz wie der Person aufgehoben erscheinen. Der Sohn ist also der Vater und der Vater der E p i p h an i u s, h. LIV, 1 ff. Siehe S. 554; ferner S. 565, Anmerkung 17. 23 So A. Harn a e k, SBA, 1924, S. 13Q-139. Harnaek verwertet dabei aus· giebig die Sabinus.Fragmente und verteidigt deren unversehrte Echtheit gegen Fr. L o o f s, der (P. v. S., S. 285 ff.) in ihnen nur die Bearbeitung einer wahrseheinlieh echten Grundlage sehen wollte. !1
22
567
Sohn, wird Fleisch un irdischen Jesus und stirbt am Kreuz 24 • Die Varianten der Ausführung dieses Gedankens bei den wichtigsten und bekanntesten Vertretern des Modalismus -vor allem bei Noet, Praxeas und Sabellius - sind hier aus zwei Gründen zu beachten. Einmal zeigen sie die Schwierigkeiten des Unternehmens. Die gewichtigste liegt, abgesehen vom Problem der biblischen Begründung, in der Frage, mit welchem Recht und in welchem Sinn auf die eine Gottheit die begriffliche Unterscheidung von «Vater» und «Sohn» überhaupt noch anwendbar ist. Eine eindeutige Antwort gibt es hier nicht. Bald heißt der «Vater» einfach als der in menschlicher, sterblicher Gestalt Erscheinende der «Sohn», weil er sich als solcher selbst erzeugt 25 • Bald wird im irdischen Christus der «Geist» als der «Vater» und das «Fleisch» als der «Sohn» unterschieden 26 • Sabellius sodann prägt für den einen Gott den Doppelnamen «Hyiopator» (Sohnvater) 27 , hält dann aber doch an den drei Namen «Vater», «Sohn» und «Geist» fest als Sonderbezeichnungen für drei aufeinanderfolgende Erscheinungsformen (Prosopa) Gottes, die sich unterscheiden nach den verschiedenen Akten des göttlichen Schöpfungs- und Heilsplanes (der «Ökonomie» der kirchlichen Lehre) 28 • Und das zweite, was an diesen Varianten der modalistischen 24 No e t (nach Hip p o I y t, c. Noet. 1): e
568
Theorie zu beachten ist: Sie sind von ungleicher Bedeutung als wirksame Konkurrenten der kirchlichen Lehre und haben daher die weitere Entwicklung der kirchlichen Christologie in verschiedenem Maße zu beeinflussen vermocht. Die sabellianische Form des Modalismus das ist schon aus dem soeben angedeuteten Detail ersichtlich - muß sich als die gefährlichste und folgenschwerste Konkurrenz erweisen. Zunächst steht nun fest, daß der Modalismus in der Tat diejenige theologische Bewegung darstellt, die seit dem Ende des zweiten Jahrhunderts innerhalb der Großkirche selbst das christologische Problem so aufgreift, wie es durch die mit Irenäus in vollen Gang gekommene großkirchliche Auseinandersetzung mit der Gnosis nicht etwa erst geschaffen, sondern als seit dem Übergang zum Dogma von der Gottheit Christi tatsächlich b es t ehe n d e s Problem deutlich sichtbar aufgedeckt worden ist. Der Modalismus richtet die streng monotheistisch orientierte Kritik, mit der die großkirchliche Theologie die gnostischen Äonengötter ablehnt, gegen die Kirche selber, gegen ihre Lehre vom Logos-Sohn als dem zweiten Gott. Es ist sehr zu beachten, daß er in dieser Kritik mit zwei Argumenten gegen die großkirchliche Theologie kämpft. Erstens verurteilt er ihre Lehre von Gott, dem Vater, dem Sohn (und dem heiligen Geist) als polytheistisch 29 • In Rom erlebt man sogar das Schauspiel, daß ein zum Modalismus bekehrter Papst, Kallist, seinem Gegenbischof Hippolyt «Zweigötterlehre» vorwirft 30 • Und zweitens: Der Modalismus stellt ausdrücklich die großkirchliche Christologie mit der polytheistischen Äonenspekulation der Gnosis grundsätzlich auf die gleiche Stufe. Dieser wichtige Einwand, mit dem die Modalisten bekunden, daß sie die wahre Sachlage durchschaut haben, ist sowohl durch Tertullian wie auch durch Hippolyt bezeugt. Es sind die Modalisten gewesen, die Tertullian vorhielten, er lehre eine gnostische Probole und mache also aus dem Logos-Sohn eine gnostische Äonenfigur 31 • Wofür sich Tertullian revanchiert mit dem unbegründeten, von ihm selbst kaum ernst gemeinten Gegenvorwurf, die Praxeaner hätten wohl ihrerseits ihren so laut verteidigten Monotheismus doch auch nur von dem Gnostiker V alen29
H i p p o I y t ( c. N oet. 11) muß sich gegen N oets Vorwurf verwahren: ou Mo
ftwu~
J..ßyro. E p i p h a ni u s (h. LVII, 4, 6) gegen Noet: &.J..J..u ·d cpcia?teL~, if> oii-.:o~; I.LlJ no'J..uftetav ijyftaow-.:o ot -.:o aßßa~ &.'J..T]fiLViö~ -.:fl 'tQLciiiL nQoacpEQOV'tE~; Nach E p ip h a n i u s (h. LXII, 2, 6) stellen die Sabellianer den großkirchlichen Gläubigen die Frage: -.:l iiv Einro!J.EV, if> oii-.:oL, llva -ltEov EJGOf.LEV t\ 'tQEL~ ~eou~; so Hip p o I y t berichtet (Refut. IX, 11, 1): &.ne?tci'J..eL (sc. Kallist) lJf.LÜ~ llL~Eou;. 3t Siehe S. 531, Anmerkung 29.
569
tinus bezogen 32 • Auch Hippolyt muß sich in seiner Streitschrift gegen Noet zur Wehr setzen gegen den Einwand, daß die Kirche und ihrer Lehre von Gott, dem Vater, dem Sohn (und dem heiligen Geist) eine Vielheit von Gottheiten im Sinne der gnostischen Probolai aus dem Urvater hervorgehen lasse. Er geht dabei bemerkenswerterweise sogar soweit, diese Kirchenlehre von dem Verdacht des gnostischen Polytheismus rein zu waschen mit dem Argument: Schließlich laufe ja doch auch das System der valentinischen Äonenlehre in eine monotheistische Spitze aus 33 ! Der Modalismus ist also der Meinung, daß die Kirche mit vollem Recht die Gnosis bekämpft. Aber er bringt die Kirche in Verlegenheit durch die Fo~derung, daß sie eben deshalb auch aus ihrer eigenen Lehre allen gnostischen Sauerteig radikal ausräumen müsse. Auf die Gottheit Christi legt er jedoch nicht weniger Gewicht als die Großkirche, und hier wird ·handgreiflich offenbar, daß er von Haus aus eine innerkirchliche Bewegung ist. Denn er vertritt die entsprechende kirchliche Lehre von der Erlösung als Vergottung. Die hieher gehörenden neuen Anschauungen von der Inkarnation und vom Heilstod Christi müssen von den Modalisten sogar mit besonderem Eifer und Nachdruck erörtert und vertreten worden sein. Hippolyt macht ihnen ein allzu vordringliches Ergründenwollen der Inkarnation zum Vorwurf und mahnt sie (speziell den Noet), diesem Mysterium gegenüber die gebührende Distanz zu wahren 34 • In Hippolyts Bericht über die besondere Form, in welcher der römische Papst KaUist die modalistische «Häresie» vorträgt, redet dieser geflissentlich von der «Fleischwerdung» Gottes und läßt in ihr ausdrücklich die «Vergottung» des Fleisches stattfinden 35 • Im Übrigen stellen die wenigen und summarisch kurzen Siehe S. 560, Anmerkung 6. ss Hip p o l y t (c. Noet. 11): ,;t~ ,;otvuv aJtO(jl!lLVE'tO.t JtA.!'j-6-UV iteiöv JtUQa~aA.A.o p.ßvoov; xat yO:Q aJtExA.Etoitl'jO!lV Et~ ,;oü,;o &xov'tE~ EtJtEi:v, ön 1:0 Jtiiv et~ llva &.va•QE:X:Et. Ei, ouv ,;0: mJ.v,;a et~ llva &.va'tQE:X:Et xat xa,;O: 0\JaA.ev,;i:vov, xat xa,;O: MaQxtoova, Ki]Qtvitov 'tE xat Jtiioav ,;i)v hdvoov IJlAUUQtav, xal &xov'tE~ et~ ,;ou,;o JtEQtEJtEOav, iva ,;ov llva ÖJloA.oyi]ooootv a'Lnov ,;iöv Jtuv,;oov ... 34 Hip p o 1 y t (c. Noet. 16): t] oux mh6.QxE~ ool tonv Jlnitei:v, ön ulo~ iteoü oot E(jlUVEQWil:I'J EL~ 0001:1'JQLUV, Mv Jtt01:EUOU~. a"A.A.O: xat Jtöi~ E"(EVVftitl'j xa,;O: JtVEUfltl JtOAUJtQ!l"(flOVEi:~; xat ,;i)v flEV xa,;O: o6.Qxa "(EVVI'jOtV a'Ö,;oü o'Ö :rcA.etove~ E:n:tO'tEUitl'jaav Öt!'jyf)oaaitai, :rcA.i)v Mo. xat ou 'tOAflil-~ tm~I'J'tELV ,;i)v xa,;O: JtVEÜJla ötiJ'YI'JOtv, ftv :rcaQ' tau,;cp (jlUA.anet JtU1:ftQ, aJtoxaAUJt'tEtv JlEA.A.oov 'tO'tE ,;oi:~ ö:ytm~ xal &.;tm~ töei:v 1:0 JtQOOOOJtOV UU'tOÜ; 35 Hip p o 1 y t (Refnt. X, 27, 3 f.; IX, 12, 16 ff.): ,;oü,;ov ,;ov A.oyov llva Elvat xat el:vat 1:0 E:v ,;'[j JtaQMv
570
Aussagen der Modalisten über den irdischen Christus auffällig stark immer wieder dessen Kreuzestod in den Vordergrund 36. Dabei wird sicher nicht zufälligerweise sogar das besondere Detail des Lanzenstiches Joh 19, 34 ausdrücklich erwähnt, das doch wohl deshalb für so wichtig gehalten wird, weil die sakramentale Heilsbedeutung des Todes Jesu daran hängt 37 • So ist es nicht zu verwundern, daß es gerade die Modalisten sind, die Gewicht darauf legen, die Gottheit Christi von der Erlösungslehre her zu begründen, und damit der Großkirche das Argument eindrücklich machen, das sie selbst dann den Arianern gegenüber ins Feld führen wird 38 • Soll nun aber die kirchliche Lehre von der Gottheit Christi so vorbehaltlos streng monotheistisch durchgeführt werden, daß alles ihr hisher noch anhaftende Gnostische ausgeschaltet wird, dann bleibt nichts anderes übrig, als Gott, den Sohn, mit Gott, dem Vater, auf irgendeine Weise identisch zu setzen 39 • Die innere Logik dieses Gedankenganges ist von tadelloser Evidenz. Allein ebenso klar liegt zutage der Widerspruch, in den die neue These zum Gottesbegriff der nachwirkenden ältesten christlichen Überlieferung und der von der Kirche akzeptierten philosophischen Lehre tritt. Ist es nun der Vatergott selbst, der sich zur Inkarnation im irdischen Christus herahläßt, so wird der Unsichtbare sichtbar, der Unfaßliche faßlich, der Ungreifhare greifbar, der Ungewordene geworden, der Unsterbliche sterblich, und muß doch, um seine Gottheit nicht preiszugeben, dabei zugleich der Unsichtbare, Unfaßliche, Uugreifhare 36 Hippoly t über Noet (c. Noet. 1. 2. 3): E!plJ -cov :X:QUJ-cov a'Ö-cov Etvat -cov :n:a-cEQa xal a'Ö-cov -r.ov :n:a'tEQa ytytwijoitat xal :n:movitevm xal &.:n:o-ctitvljxevm. ErtaitEV öE ö :X:QLO't6~. a'Ö-co~ rnv itE6~. U(>Cl o:Ov ll:n:aitEV :n:a-ci]Q. - :X.QLO'tO~ yilQ 1jv itE6~. xa~ ll:n:ao:x,Ev llL' i}!J.a~. a'Ö-co~ rnv ö :n:a-ci]Q, 'Lva xal oiöoat i}!J.ä~ llw1Jßii. - a-ö-c6~ eonv ö :X:QL
(adv., Prax. 1): ipsum dicit patrem descendisse in virginem, ipsum ex ea natum, ipsum passum ... patrem crucifixit. Daher denn auch der besondere Name der Modalisten: qui latine Patripassiani appellantur (0 r i g e n es , Comm. in Tit. Lommatzsch V, 287). 37 Hip p o l y t (Refut. IX, 10): -coü-cov (sc. -cav :n:a-ceQa) :n:aitEt ;,J'II.ou :n:Qoo:n:ayev-ca
xal. eau-ccp -co :n:vEÜ!J.a :n:aQaMv-ca, &.:n:oitav6v-ca xal 1-LTJ &.:n:oitav6v-ca . • . xal My:x:n 't(>OO· itev-ca. Siehe S. 512, Anmerkung 1 und 2. Hippoly t über Noet (c. Noet. 2): Et ouv :X:Qt
39
38
571
Ungewordene und Unsterbliche bleiben 40 • Auf diese Weise wird mit der Unwandelbarkeit die Ahsolutheit des transzendenten Vatergottes der kirchlichen Überlieferung problematisch. Die Montanisten helfen sich mit dem Argument: Die Fähigkeit, sich beliebig zu verwandeln, bekunde gerade die Allmacht Gottes 41 • Allein Tertullian wendet ein: Auf diese Weise könne man getrost Gott überhaupt alles andichten 42 • Die Modalisten verweisen auf die im Alten Testament erzählten Theophanien 43 • Tertullian jedoch beharrt darauf, daß es sich hier nur um Erscheinungen der Gottheit des Sohnes, nicht aber des Vaters, handeln kann, und daß sie selbst in diesem Sinne aufgefaßt nur deshalb glaubhaft sind, weil die Heilige Schrift sie berichtet, während irdische Erscheinungen Gottes, des Vaters, unglaublich blieben, auch wenn die Bibel sie erzählen würde 44 • Jedenfalls die mehr oder weniger philosophisch interessierten Theologen empinden die kühne modalistische Verneinung der doch schon im Neuen Testament selbst bezeugten Unwandelbarkeit Gottes, des Vaters, geradezu als eine Lästerung 45 • Dazu kommt aber für die Modalisten erst noch die unüberwindliche Schwierigkeit des Schriftbeweises für ihre Identifikation von Vater und Sohn. Zwar machen sie sich vor allem Joh 10, 30 als Hauptbeweisstelle zu Nutzen 46 • Aber für ihre großkirchlichen Gegner ist es ein leichtes, darzutun, daß die hier behauptete Einheit von Vater und Sohn 40 Hip p o 1 y t über die Lehre der Anhänger Noets (Refut. IX, 10, 9 f.): Ö-.:E t-tt'V yag oux Ögiimt ~v &.6gu,;o~ (Ö-.:E öE ögii-.:ut Ögu,;o~), Ö.XWQfl'tO~ Öt Ön t-tiJ XC.OQEL· o{}m {hlAEL, :X:C.OQfl"tO~ öE ön xc.oQEhut. o1hc.o~ xu-.:a -.:ov uu-.:ov Myo~ &.xg6.-.:f1-.:o~ xut XQU"t'fl"tO~, &.yeVfl"t'O~ (xut YEVfl-.:6~). ö.{}avu,;o~ xut {}vf1-ro~. 41 Te r tu 11 i an (adv. Prax. 10): difficile non fuit deo ipsum se et patrem et filium facere adversus traditam formam rebus humanis. 42 Te r tu 11 i an (a. a. 0.): plane nihil deo difficile. sed si tarn abrupte in praesumtionibus nostris hac sententia utamur, quidvis de deo confingere poterimus, quasi fecerit, quia facere potuerit. 43 Hip p o 1 y t (a. a. 0.): J..eyouot öE olhc.o~· livu xut -.:ov uu-rov {}gov Eivut :n:6.v-rc.ov
Öflt-ttougyov xut :n:u-.:tgu, EMoxftouv-ru öE :rtEqJfiVEvui -roi:~ &.g:x:i'j{}Ev Ötxutot~ llv-ru &.6gu-.:ov. 4 4 Te r tu 11 i an (adv. Prax. 16): quamquam filius hominis est dictus et in imagine et speculo et aenigmate scilicet et haec, nec de filio dei credenda fuissent, si scripta non essent, fortasse non credenda de patre, licet scripta, quem isti in vulvam Mariae deducunt et in Pilati tribunal imponunt et in monumentis Joseph recondunt. 45 H i p p o I y t (Refut. X, 26): Über modalistisch denkende Montanisten: il-rEQOL öil uu,;iiiv -ru ,;iiiv NOfl"t'LU'ViiiV ULQEOEL :ltQOO%EL!-1E'VOL ... :ltEQL <,;ov) ,;c'iJv ÖAC.O'V :n:u-.:ega.
ÖlJOqJfiJ.tOiiotv, uu-.:ov Elvut ulov xut :n:u-.:egu xut uyEVVfl"t'OV, {}vfl"t'OV xut Ö.{}avu-rov.
J..eyovn~,
ögu-rov xut &.ogu-rov, yEVVfl"t'OV
46 Mit Recht stellt Nova t i an fest (de trin. 22): frequenter intendunt illum nobis locum, quo dieturn sit: «ego et pater unus sumus» (Joh 10, 30).
572
niemals im Sinne einer Identität der Person zu verstehen ist. Denn unter was für Namen auch immer im Johannesevangelium, aber auch im übrigen Neuen Testament, vom Christus, sei es vom präexistenten, sei es vom irdisch-geschichtlichen oder vom erhöhten, die Rede ist, so ist hier doch nirgends Anlaß geboten zu irgendwelchem Zweifel daran, daß Vatergott und Christus als zwei verschiedene Personen deutlich unterschieden werden 47 • Allein trotz der gewichtigen Argumente, die von Schrift und Tradition her deutlich gegen den Modalismus sprechen, vermag dieser dennoch auf die Großkirche, sowohl ihre einfachen Gläubigen wie ihre Theologen, einen starken Eindruck und große Anziehungskraft auszuüben. Wer in der Großkirche auf Grund der neuen Erlösungslehre mit den Modalisten die Gottheit Christi zum unveräußerlichen dogmatischen Postulat macht, dabei aber anderseits dem im Zeichen des überlieferten christlichen Monotheismus geführten Kampfe gegen den gnostischen Polytheismus grundsätzlich recht geben muß, dem ist es schwer gemacht, sich der innern Logik der modalistischen Grundgedanken zu erwehren. Die Anziehungskraft des Modalismus erhöht sich vollends da, wo dieser in Einzelheiten sich der gewöhnlichen Kirchenlehre entweder besonders auffällig anpaßt oder sie übertrifft. Das Erste tut der Modalismus in der Auffassung des römischen Papstes Kallist, indem dieser die moderne kirchliche Errungenschaft des Logosbegriffs in seine Theorie einbaut 48, ferner bei Sabellius, der für seine Konstruktion auch die in der kirchlichen Theologie so beliebt gewordenen Gleichnisse, jedenfalls das Gleichnis von der Sonne und ihren Strahlen zu verwerten sucht, damit aber in neuer Weise dessen Vieldeutigkeit demonstriert 49 • Das Zweite, das für die künftige Entwicklung der Lehre Wichtigste, tritt ebenfalls im Sabellianismus zutage, in seiner Theorie von den drei 47 Te r tu ll i an bemerkt zn Jes 45, 5; Joh 10, 30; 14, 9: his tribus capitulis totum instrumenium utriusque testamenti volunt cedere. Das Johannesevangelium spielt überhaupt, wie später im arianischen Streit, so auch schon in der Auseinandersetzung mit dem Modalismus eine wesentliche Rolle als Quelle für den Schriftbeweis. Siehe die Beweisführung des T e r t u ll i an , adv. Prax. 21-25; ebenso bei N o v a t i an in «de trinitate». 48 K a ll i s t identifiziert den Logos mit der einen Gottheit des Vaters und des Sohnes, nach Hippoly t (Refnt. IX, 12, 16): E!pEÜQEV (sc. Kallist) ULQEOW "tOLUVÖE, Myrov 1:0 Myov aihov ctvm ulov, au1:ov %at :n:a•ßQa. 49 s ab e ll i u s nach E p i p h an ins (h. LXII, 1, 6): ii w~ EUV EV iji..tq>, OV"tL J.LEV €v J.LLQ. u:n:oa•uaEL, •QEI~ öE llxovn •a~ EVEQ"'fElac;, IP'IJJ.LL öi; •o !pW"tLO'"tL%ov %at •o it6.Ä.:n:ov :x.at au1:o •ii~ :ltEQL!pEQEla~ axfiJ.La. :x.at Etvm J.LEV 1:0 itUÄ.:n:ov Eh' o{iv itEQJ.LOV :x.at l;,ßov 1:0 :n:vEÜJ.La, 1:0 116 !pronan:x.ov 1:ov ul6v, 1:ov ö6 :n:a"tEQU au1:o dvm 1:0 döo~ •ii~
u
:n:6.0'TJ~ u:n:OO'"tUO'Ero~.
573
Erscheinungsformen (Prosopa) der einen Gottheit Vater, Sohn und Geist. Einmal ist hier der Geist nicht mehr, wie dies in der bisherigen großkirchlichen Lehre vorwiegend der Fall war, eine mehr oder weniger undeutlich bestimmte, vom Sohn ausgehende überirdische Kraft oder gar dessen Geschöpf, sondern er ist als Gott in gleichen Rang mit dem Sohn gestellt. Zudem ist der Vater aus seiner dem Sohn bisher übergeordneten Stellung der Absolutheit klar und grundsätzlich herausgehoben: Er ist nun mit und neben dem Sohn und dem Geist eine Erscheinungsform der einen Gottheit, wobei freilich die drei Erscheinungsformen nicht im Mit- und Nebeneinander der Gleichzeitigkeit existieren, sondern im zeitlichen Nacheinander des Ablaufes der Schöpfungs- und Heilsgeschichte auftreten. In dieser Konstruktion ist nun allerdings das der Gnosis und der bisherigen großkirchlichen Lehre gemeinsame Grundschema 50 endgültig preisgegeben. Alles Gnostische ist radikal ausgeschieden. In Wahrheit ist dieser sabellianische Modalismus, auf die innere Logik der Sache gesehen, das eigentliche Ziel und Ende des Weges, auf den sich die kirchliche Lehre mit ihrem in Auseinandersetzung mit der Gnosis gewonnenen und ausgebildeten Dogma von der Gottheit Christi begehen hat. Beweise dafür sind: Erstens die schon vor lrenäus in der Kirche lebendige Sondertradition des «naiven» Modalismus 51 ; zweitens die modalistischen Anwandlungen des die Gnosis bekämpfenden lrenäus selbst; drittens das Ergebnis der großkirchlichen Auseinandersetzung mit dem Modalismus im dritten Jahrhundert; und viertens endlich die spätere Entwicklung der Lehre, sofern sie in das nicänischathanasianische Dogma ausläuft. Dieser vierte Punkt wird im folgenden Kapitel näher ins Auge zu fassen sein. Hier haben wir unsere Aufmerksamkeit abschließend zunächst dem dritten zuzuwenden. Die Art und Weise, wie von Tertullian, Hippolyt und Novatian die Auseinandersetzung mit dem Modalismus geführt wird, zeigt deutlich, daß diese, was die Sache selbst angeht, unentschieden verläuft. Auf dem Kampfplatz des Schriftheweises, auf den die Modalisten selber ihre Gegner herheinötigen, glauben sie des Sieges sicher zu sein. Die Deutlichkeit, mit der sie Dt 6, 4; Exod 3,6; 20,3 den Monotheismus durch die Bibel bezeugt finden 52 , gibt ihnen die Zuversicht zu der Überzeugung, daß die Schrift zweifellos auch die Identität des Vaters 50 51 52
574
Siehe S. 560. Siehe S. 519 f. H i p p o 1 y t , c. N oet. l; E p i p h a n i u s , h. LXII, 2, 3.
und des Sohnes als des einen Gottes bestätigen werde, da sie ja sonst im Widerspruch mit sich selbst zwei Götter lehren würde. Allein hier vermögen eben ihre großkirchlichen Gegner die Unterscheidung der Eigenpersönlichkeit des Sohnes (oder des Christus) von der Persönlichkeit des Vatergottes als schriftgemäß-neutestamentlich nachzuweisen. Wenn nun jedoch daraufhin diese Gegner ihrerseits ebenso zuversichtlich meinen, gegenüber den Modalisten auch eine entsprechende eindeutige biblische Lehre über den Ausgleich des Dogmas von der Gottheit des Vaters und des Sohnes mit dem Monotheismus geltend machen zu können, so geraten an diesem Punkte nun sie in Verlegenheit. Nach Ausweis der neutestamentlichen Zeugnisse über die Lehre Jesu und der Apostel hat sich in bezug auf den alttestamentlich-jüdischen Monotheismus einfach nichts geändert: Mc 12, 29 wird das hohe monotheistische Glaubensbekenntnis der israelitisch-jüdischen Religion in aller Form ohne jeden Vorbehalt bestätigt, und irgendeine Diskussion hier• über entsteht überhaupt nicht. Hier sind und bleiben die Modalisten im Recht und dies gibt ihnen den Mut, auch das Neue Testament für das Ganze ihrer Lehre als Zeugen in Anspruch zu nehmen. Dement· sprechend bleibt die Art und Weise, wie ihnen ihre Gegner den Ausgleich ihres Dogmas von den zwei göttlichen Personen mit dem Monotheismus vordemonstrieren wollen, unsicher und widerspruchsvoll. Einerseits müssen sie der modalistischen These von der göttlichen Einheit des Vaters und des Sohnes Zugeständnisse machen, soweit sich dies nur veran.tworten läßt. Allein je mehr man hier dem Modalismus entgegenkommt, je mehr also derWesensunterschied zwischen der Gottheit des Vaters und der Gottheit des Sohnes reduziert wird, desto drohender wird, sobald man dann die Eigenpersönlichkeit des Sohnes ge· genüber dem Vater betont, der Fall in die Zweigötterlehre. Um so schroffer muß dann plötzlich umgekehrt, um dieses fatale Ergebnis zu vermeiden, die Unterordnung des Sohnes . unter den Vater behauptet werden, damit man in der Gottheit des Vaters deutlich die monotheistische Spitze der Konstruktion aufweisen kann. Allein je entschiedener man diese suhordinatianische Korrektur vornimmt, desto offenkundiger fällt man damit wieder in das gnostische Grundschema zurück: Der Sohn nimmt wieder die Stelle einer aus dem gnostischen Urvater gezeugten Äonenfigur ein. Am auffälligsten macht sich dieser Widerspruch der Argumentation gegen den Modalismus bemerkbar bei dem in allen Dingen unerschrocken aufs Ganze gehenden Tertullian. Einerseits geht er mit dem Zugeständnis an die modalistische Einheit von Vater und Sohn bis zur Behauptung der Einheit der «Substanz», des «Wesens»
575
(status) und der Macht 53 • Aber sobald es gilt, die Selbständigkeit des Sohnes als der «zweiten Person» neben dem Vater zu wahren, betont Tertullian stark die Subordination des Sohnes unter den Vatergott 54• Die erste Phase der Bekämpfung des Modalismus ist eben dadurch gekennzeichnet, daß die Auseinandersetzung über diesen Widerspruch nicht hinausführt. Und damit ist festgestellt, daß der Streit zunächst, auf die Sache gesehen, unentschieden bleibt. Diesem Ergebnis entspricht auch die tatsächliche dogmengeschichtliche Situation. Im Urteil der maßgeblichen theologischen und kirchlichen Führung wird zwar der Modalismus zur Häresie. Aber bevor es in Rom zu dieser Entscheidung kommt, verfallen der neuen «Häresie» mindestens drei Päpste: Victor 55, Zephyrin 56 und Kaliist 57 • Später entpuppt sich noch der Abendländer Commodian ohne alle Skrupeln als Modalist 58• Und im Osten lebt der Sabellianismus fort und um seine Überwindung geht es zutiefst in den Wirren des arianischen Streites. Im übrigen aber genügt es, auf eine Aussage Tertullians hinzuweisen, die offen eingesteht, daß die Masse der gläubigen Laien, unbekümmert· um die widerspruchsvollen und schwierigen Distinktionen der gelehrten Theologen, weithin einfach modalistisch denkt 59 • Aus dem geschilderten Stand der Dinge ergibt sich aber eine wichtige Prognose über den eigentlichen, tiefsten Sinn der weitern problemgeschichtlichen Entwicklung. Auszugehen ist dabei von der Erkenntnis, wie und warum im Verlauf der Auseinandersetzung zwischen Modalismus und Großkirche die Möglichkeit einer Entscheidung des Streits am Mißlingen des Schriftbeweises scheiterte. Zur Lösung des brennend 53 Te r tu ll i an (adv. Prax. 2): unius autem substantiae, et unius status et unius potestatis, quia unus deus. 54 Te r tu ll i an (adv. Prax. 4): ceterum qui filium non aliunde deduco, sed de substantia patris, nihil facientem sine patris voluntate, omnem a patre consecutum potestatem, quomodo possum de fide destruere monarchiam, quam a patre filio traditam in filio servo? c. 12: tarnen alium dicam oportet ex necessitate sensus eum qui iubet et eum qui facit. c. 14: consequens erit, ut invisibilem patrem intellegamus pro plenitudine maiestatis, visibilem vero filium agnoscamus pro modulo derivationis. c. 3: monarchiam nihil aliud significare scio quam singulare et unicum imperium. 55 P s.- Te r tu ll i an, adv. omn. haer. 8. 56 H i p p o I y t , Refut. IX, 7, 11. 57 H i p p o l y t , Refut. IX, 11. 12. 58 Co m m o d i an (carm. apol. 94) sagt vom deus· omnipotens, unus, a semetipso creatus: ·qui pater et filius dicitur et spiritus sanctus. 59 Te r tu l1 i an (adv. Prax. 3); simplices enim quique, ne dixerim imprudentes et idi!ltae, quae maior semper credentium pars est, quoniam et ipsa regula fidei a pluribus diis saeculi ad unicum et verum deum transfert, non intelligentes unicum quidem sed cum sua oiconomia esse credendum, expavescunt ..•
576
gewordenen Problems des Ausgleichs zwis.chen uneingeschränkter W ahrung des Monotheismus und Unterscheidung der Eigenpersönlichkeit des Sohnes vom Vatergott vermag keine der streitenden Parteien aus der Schrift ein sicheres, einleuchtendes und durchschlagendes Argument zu gewinnen. Und doch ist dieses Problem in den Zeugnissen der Lehre Jesu und der Apostel gelöst, und mit Recht lassen sich beide Parteien durch diesen allgemeinen Eindruck leiten. Allein in den neutestamentlichen Urkunden der urchristlich-apostolischen Lehre ist eben das Problem gelöst von den grundlegenden Anschauungen der Engelchristologie aus! Genauer: Das Problem besteht hier überhaupt noch gar nicht so, wie es im modalistischen Streit gestellt ist. Denn erst die nachapostolische Kirche hat durch die Preisgabe der Engelchristologie im Übergang zum; Dogma von der Gottheit Christi das Problem selber geschaffen, dessen Lösung sie nun nachträglich in der Schrift suchen und finden will. Das Unternehmen eines Schriftbeweises ist unter diesen Umständen von vornherein unmöglich und sinnlos. Niemals ist auf dem von der Kirche eingeschlagenen Wege der ausgebrochene Streit um die Christologie von der Schrift aus zu schlichten. Vielmehr ist die Kirche in ihren Bemühungen um die Lösung des gestellten Problems u n entrinnbar gebunden an die Bedingungen, unter denen sie das Problem selbst geschaffen hat. Das heißt aber: Sie wird auch weiterhin mit allem, was sie nur immer in dieser Sache unternehmen mag, notwendig eingeklemmt bleiben zwischen den beiden Extremen der Gnosis und des Modalismus. Es nützt ihr gar nichts, daß sie diese beiden Richtungen als Häresien verurteilt und abstößt. Solange sie mit ihnen das Dogma von der Gottheit Christi · als neue Grundvoraussetzung teilt, kann ihre eigene Lehre nie etwas anderes sein als ein Kompromiß irgendwo zwischen Gnosis und Modalismus. Nie wird die kirchliche Lehre dabei über die Unvermeidlichkeit hinauskommen, selber eine Häresie zu sein, weil sie den Kompromiß nie anders als dadurch zustande bringen kann, daß sie sich jeder der beiden Häresien durch Anleihen bei der andern zu erwehren sucht. Diesem Gesetz, nach dem sie angetreten, folgt die großkirchliche Lehre zwangsläufig in der weitem Entwicklung gerade auch mit der Ausbildung und Durchsetzung des' homousianischen Trinitätsdogmas. Und so kann eine problemgeschichtliche Darstellung dieser letzten Phase im Entstehungsprozeß des kirchlichen Dogmas in nichts anderem bestehen als im Nachweis eben dieses Sachverhalts. Kirchenpolitisch bedeutete
577
im vierten Jahrhundert die Gnosis keine innerkirchliche Gefahr mehr. Dafür setzte innerhalb der Kirche, als man mit Hilfe des nicänischen Dogmas zur endgültigen Üherhietung und Überwindung des sahellianischen Modalismus den Anlauf nahm, die arianische Engelchristologie dem neuen Unternehmen einen letzten erbitterten Wid'erstand entgegen. Daher sah man damals im nicänischen Dogma mehr die richtige Mitte zwischen Sahellianismus und Arianismus 60 • Und auch diese Beurteilung hatte natürlich ihre Berechtigung. Zutiefst handelte es sich jedoch um einen Kompromiß zwischen Sahellianismus und Gnosis. Denn die wichtigsten begrifflichen Mittel, mit denen man in der Konstruktion des nicänischen Dogmas den Sahellianismus überbot und überwand, sind dem Begriffsschatz der Gnosis entlehnt. Diese gnostischen Anleihen konnte man sich aber im damaligen Moment ohne viel Aufsehen leisten, weil nun als Hauptgegner gar nicht mehr die Gnosis, sondern vorab der Arianismus im Vordergrund stand.
Fünftes Kapitel Das homousianische Trinitätsdogma als V ersuch zur Lösung des Konflikts Ist schon das Vorspiel des arianischen Streits um die Mitte des dritten Jahrhunderts, der «Streit der beiden Dionyse», der Bischöfe von Alexandrien und Rom 1, durch die im Osten aufbrechende Auseinandersetzung mit dem sahellianischen Modalismus veranlaßt, so ist die Stellungnahme zum Sahellianismus letztlich auch das tiefste Grundproblem der arianischen Kämpfe des vierten Jahrhunderts selbst. Schon zu Anfang des Streits operieren die Arianer zu ihrer Rechtfertigung in ihrem Schreiben an den alexandrinischen Bischof Alexander u. a. mit der ausdrücklichen Ablehnung des Saheilins 2 • Und von besonderer symptomatischer Bedeutung sind dann die Bekenntnisformeln, die anläßlich des mißglückten Einigungsversuchs der Synode von Sardica (a. 343) vorgelegt werden. Nachdem die Eusehianer die Synode unter Protest verlassen haben, proklamieren sie eine Bekenntnisformel, der oo Siehe S. 386, Anmerkung 63.
Siehe S. 385. Text bei At h an a s i u s (de syn. 16, MG XXVI, 709): Die Arianer bekennen den Sohn als "'(EVVTJ!lll, &.11' oux 00~ l!v "tOOV "'(E"'(EvVTJilEVO>V ••• ouö' 00~ ~aße11w~ "tftV flOVcil\a Ötllt{lOOV \JLOJt
2
578
sie, mit Spitze gegen die Führer der homousianischen Gegenpartei, eine Verdammung der sabellianischen Lehre beifügen 3 • Die in Sardica erschienen Homousianer dagegen stellen eine Formel auf, in der sie ihrerseits betonen, daß sie nicht sahellianisch lehren 4• Si~ :wollen nicht mit den Sabellianern zusammengeworfen werden. DieseJ. polemischen Erklärungen und Gegenerklärungen kommt nicht nur dogmatische, sondern auch eine erhebliche praktische, kirchenpolitische Bedeutung und Tragweite zu. Denn eben auf Grund der Anklage auf Sabellianismus betreiben die Arianer aller Schattierungen den Sturz der führenden homotisianischen Bischöfe. Es ist also zu fragen, ob und in welchem Ausmaß die Entwicklung der kirchlichen Lehre von ihrer Vornicänischen zur nicänischen Form sich als eine Annäherung an den Sabellianismus darstellt. Vom Koordinationsschema der sabellianischen Theorie unterscheidet sich die Vornicänische kirchliche Lehre sogut wie allgemein durch ihren subordinatianischen Charakter. Auf diese Subordination mußte im Verlaufe der ganzen bisherigen Darstellung bereits an so vielen Punkten Bezug genommen werden, daß die Tatsache selbst als solche hier keines Nachweises mehr bedarf. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang nur dies, daß das subordinatianische Schema von den Vornicänischen Theologen nicht einmal in einem einheitlichen Sinne durchgeführt wird. Der Hauptunterschied entsteht dadurch, daß kirchliche Tradition und philosophische Spekulation die Konstruktion in verschiedenem Maße . bestimmen. Die in der Vornicänischen Großkirche vorherrschende Theorie hat mit der sabellianischen Lehre eines gemeinsam: Die Orientierung am Begriff des göttlichen Welt- und Heilsplanes (Ökonomie). Sohn und Geist gehen als dem Vatergott untergeordnete und ihm ursprünglich immanente Kräfte oder Organe in zeitlichem Nacheinander aus diesem hervor zur Verwirklichung der göttlichen Ökonomie. Der Logos-Sohn wird als Organ der Weltschöpfung vor aller Zeit vom Vater gezeugt, um alsdann zum Zwecke des Erlösungswerkes in Christus für kurze Zeit unter die Engel erniedrigt und inkarniert zu werden. Der Geist aber geht nach der hier für die Großkirche maßgehlich werdenden Anschauung des J ohannesevangeliums aus dem fleischgewordenen Logos-Sohn erst nach dessen Kreuzestode hervor, um 3 Formel der Synode von Philippopolis a. 343 (Hahn, S. 191): similiter et eos, qui dicunt, . . . eum ipse esse patrem et filium et spiritum sanctum, . . . anathematizat sancta et catholica ecclesia. 4 Sardicensische Formel von a. 343 (Hahn, S. 188): ou AoEYOfLEV 'tOV na'tEQa utov Etvat oUöE: naÄtv 'tOV ulov 1ta'tEQa dvat, aA.Ä' b 1ta'ti)Q na'ttJQ ECJ'tt, l(at ö utos 1ta'tQO(;
ut6s ecrnv.
579
in den Gläubigen - durch sakramentale Vermittlung - die Erlösung zu wirken 5 • Diese Anschauung meinte also, wie man sie auch im einzelnen durchführen mochte, ein s u k z es s i v es «Sichausdehnen», «Sicherweitern» der Einheit Gottes zu einer Dreiheit, wobei man auch an eine Rückbildung dieser göttlichen Selbstentfaltung dachte: Die Dreiheit zieht sich, nachdem der göttliche Weltplan seine volle Verwirklichung gefunden hat, wieder zur ursprünglichen Einheit zusammen 6 • Dieser durch den Begriff der heilsgeschichtlichen Ökonomie bestimmten subordinatianischen Konstruktion der Vornicänischen kirchlichen Theologie hat sich Sabellius in seiner Lehre von Vater, Sohn und Geist als den ebenfalls in zeitlicher Folge auftretenden drei Erscheinungsformen der einen Gottheit angepaßt. Der stark subordinatianische Charakter der Konstruktion des Origenes dagegen kommt dadurch zustande, daß er den Logos-Sohn und den Geist hineinstellt in eine Gesamtschau des Universums als eines Stufenbausystems im neuplatonischen Sinne 7 • In der Betonung der Unterordnung des Sohnes geht Origenes dabei bis zur Ablehnung des Gebets zu 5 Te r tu 11 i an (adv. Prax. 2): nos vero •.• unieuro quidem deum credimus, sub hac tarnen dispensatione, quam oiconomiam dicimus, ut unici dei sit et filius, sermo ipsius, qui ex ipso processerit, per quem omnia facta sunt et sine quo factum est nihil. hunc missum a patre in virginem et ex ea natum .•. hunc passum hunc mortuum et sepultum secundum scripturas ... et in caelo resumptum sedere ad dexteram patris . . . qui exinde miserit secundum promissionem suam a patre spiritum sanctum, paracletum, sanctificatorem fidei eorum, qui credunt in patrem et filium et spiritum sanctum. Hip p o I y t (c. Noet. 14): Mo [tE'V o'Öx. EQiö iteouc;, &.'A.'A.' -1\ E'Va, :7tQ611om:a M Mo, OL'XO'VO[tLQ. M 't!)L 't'IJ'V 'tfJ'V :x;aQL'V 'tOÜ aytou :7t'VEU[tU't0c;'. 8 Dieser Ausdrucksweise begegnet man mehrfach. D i o n y s von AI e x andrien bei Athanasius (de sent. Dion. 17, MG XXV, 505): olhoo [tE'V ftftELc;' e'tc; ,;e ,;f)v ,;gtalla ,;f)v ttov6.6a ni..a,;uvoftE'V &.atatee,;ov, x.at ,;f)v 'tQtalla n6.i..w O.ttEloo,;ov etc; 'tfJ'V !-LO'Valla auyx.ecpa'A.mo'Ö[teita. M a r c e 11 v o n A n c y r a (nach E u s e b , de eccl. theol. III, 4, 2 f.): o'Ö aacpiöc; x.at cpa'VEQiöc; i\v,;aüita (sc. Joh 15, 26) Ö.:7tOQQTJ'tq> (M) Mycp it tt6vac; !jlUL'VE'tUL :7tAU'tU'VO[tE'VTJ fl.E'V ELc;' 'tQLalla, l!LULQELGitaL lle [tTJliU[tWc;' u:cotth•
580
Christus s. Aber der auf diese Weise, durch Einbau der kirchlichen Lehre vom Logos-Sohn und vom Geist, christianisierte Neuplatonismus, das heißt also, das eigentliche System des Origenes in seiner eigentümlichen Grundstruktur, ist als ganzes in der Folgezeit preisgegeben worden, auch von den sogenannten «Ürigenisten». Diese haben schließlich doch nur Bruchstücke aus dem Gesamtertrag der Theologie des Meisters übernommen und stehen in Einzelheiten an andern Punkten zu ihm sogar im Gegensatz, unterscheiden sich daher letztlich von dessen Gegnern mehr nur relativ 9 • Daß insbesondere die Betonung des selbständigen Wesens des Logos-Sohnes und seiner Unterordnung unter den Vatergott im Osten etwas spezifisch Origenistisches gewesen sein sollte, kann angesichts der auch hier deutlich und kräftig nachwirkenden alten Engelchristologie nicht behauptet werden. Und so darf man doch wohl die problemgeschichtliche Bedeutung der origenistischen Konstruktion der Christologie für den Verlauf der Kämpfe um die neue nicänische Lehre im vierten Jahrhundert nicht übertreiben 10• (Comm. in Hehr., Lommatzsch V, 300: aporrhoea enim homousios videtur, id est, unius s.uhstantiae cum illo corpore, ex quo est vel aporrhoea vel vapor), kann er doch auch wieder behaupten (de orat. 15, 2): 1!-cEQO\; •.. xa-.;' ouoLav xat \m;oxELJlEVO\; ßonv ö uio\; -.;oü :rtfl"tQO\;. 8 0 r i g e n es, de orat. 15, 1. Wenn de princ. I, 3, 7 der Satz steht: porro autem nihil in trinitate maius minusve dicendum est, cum unus deitatis fons verbo ac ratione sua teneat universa ... nulla est in trinitate discretio, so ist dies eine der aus dogmatischen Motiven veranlaßten argen Textentstellungen, die sich Rufinus in der lateinischen Übersetzung dieses Werkes gestattet hat. Er hat zugleich in dem Abschnitt de princ. I, 3, 5 die ganz andern Sätze unterdrückt, die H i e r o n y m u s (Epist. ad Avit.) so wiedergibt: filium quoque minorem a patre eo quod secundus ab illo sit, et spiritum sanctum ·inferiorem a filio in sanctis quibusque versari (siehe P. K o e t schau zur Stelle in seiner Editio). 9 Siehe auch E d. S c h w a r t z , Kaiser Konstantin und· die · christliche Kirche, S. 114 f.: «Auch eifrige Anhänger des Origenes, die von dem Glauben an die Größe des Meisters durchdrungen sind, haben die Positionen des Systems, die, weil sie aus dem Platonismus stammten, dem allgemeinchristlichen Bewußtsein am anstößigsten waren, die Universalität sowohl wie die geistige Sublimierung der Erlösung wohl entschuldigt, aber nicht behauptet oder gar entwickelt. Das Problem der Glauben und Erkenntnis in sich bergenden Kirche ist vollends von niemand wieder so groß und ehrlich augefaßt worden. Das waren aber die Schlußsteine des riesigen Gewölbes; wurden sie herausgenommen, so stürzte der kühn gespannte Bau zusammen. Er macht keinem andern Platz; vielmehr wurden seine Trümmer bald so, bald so zu Lehren und Lehrsystemen zusammengestückt, die in allem Einzelnen aus Origenes genomme1;1 und doch als Ganzes etwas anderes sind.» 10 In den modernen Darstellungen der alten Dogmengeschichte ist sie zu hoch eingeschätzt worden; offenbar gerade deshalb, weil man die Nachwirkung der alten Engelchristologie problemgeschichtlich nicht in Rechnung stellte. Vorsicbtig hat sich R. Seeberg (S. 522) geäußert: «Zwar hat Origenes der griechischen Theologie den wissenschaftlichen Apparat der Christologie geliefert ( cpum\;, u:rtoo-.;aot\;, ouota, öt-to-
581
Vor eine besondere Schwierigkeit stellt Sabellius die Vornicänische kirchliche Theologie dadurch, daß er mit folgerichtiger Entschlossenheit auch den heiligen Geist neben dem Vater und dem Sohne zu einer Erscheinungsform des einen Gottes erhebt. An diesem Punkte steht diese sehr unsicher einer bemerkenswerten Mannigfaltigkeit von Tra· ditionen gegenüber. Origenes zählt denn auch in seinem systematischen Hauptwerk das Dogma vom heiligen Geist unter diejenigen Lehrstücke, denen bisher noch die nötige Bestimmtheit gefehlt habe, sofern es hier immer noch ungelöste Fragen gebe 11 • Die Probleme der nachapostolisch-kirchlichen Lehre vom Geist sind zutiefst nicht weniger als diejenigen der Christologie durch die Krisis der Enteschatologisierung bedingt. Für die apostolisch-urchristliche Anschauung ist der göttliche Geist einfach der Inbegriff der übernatürlichen Wunderkräfte, die Gott seiner Verheißung gemäß in den Tagen der anbrechenden Endzeit und eben darum in der Zeit nach Tod und Auferstehung Jesu «Über alles Fleisch» ausgießt 12, eine Auffassung, die Paulus entsprechend seiner besondern eschatologischen Deutung der Wirkung des Todes und der Auferstehung Jesu steigert zu dem Gedanken, daß der göttliche Geist der Inbegriff der schöpferischen Kräfte sei, die seit und infolge Tod und Auferstehung Jesu das Auferstehungsleben der Existenzweise des neuen Äon zu wirken beginnen und deren die Gläubigen durch die Sakramente teilhaftig werden. Alle paulinischen Aussagen über den heiligen Geist sind Explikationen dieser eschatologischen Grundanschauung oder Folgerungen aus ihr. Und darum gibt es darüber hinaus hier keine Probleme betreffend die Lehre vom Geist. Mit dem Hinfälligwerden der urchristlichen, auch der paulinischen Auffassung von der Heilsbedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu muß, da nunmehr das apostolische Zeitalter nicht mehr als Anbruch der Endzeit gelten kann, auch der eschatologische Sinn der urchristlich-paulinischen Lehre vom Wesen und Wirken des heiligen Geiouato~, ewige Zeugung}, aber man hat nicht den Eindruck, daß er diese Termini zuerst in Anwendung bringt; auch hat er durch seine Fragestellungen und Formeln tief auf die Folgezeit eingewirkt, aber seine Christologie als ganze ist von niemand reproduziert worden.» 11 0 r i g e n es (de princ., praef. 4}: in hoc non iam manifeste discernitur, utrum natus aut innatus (nach Hier o n y m u s, Epist. ad Avit. 2 wäre hier genauer zu übersetzen gewesen: utrum factus sit an infectus}, vel filius etiam ipse dei habendus sit necne. Auch Comm. VI, 3 in Rm bekundet 0 r i g e n e s seine Unsicherheit in Fragen der Lehre vom heiligen Geist. 12 Act 2, 17 ff.
582
stes dahinfallen. Der Montanismus ruft sie der nachapostolischen Kirche noch einmal in Erinnerung durch die Art und Weise, wie er den verkündeten Anbruch des Zeitalters des Geist-Parakleten mit der Naherwartung des Endes verbindet. Und so redet denn lrenäus noch mehrfach davon, daß die Ausgießung des heiligen Geistes für die letzten Zeiten verheißen worden sei 13 • Allein auch der Montanismus wird durch die weiter dauernde Parusieverzögerung widerlegt und bringt damit das eschatologische Dogma vom Geist für die Kirche der Folgezeit vollends und endgültig in Mißkredit 14 • Daß spätere Theologen gelegentlich noch davon reden, wird zur auffälligen Seltenheit 15• lnfolge der Preisgabe der ursprünglichen Auffassung, daß die «Ausgießung» des Geistes eine Erscheinung der Endzeit sei, muß auch die Anschauung von der Wirkungsweise des Geistes eine andere werden. So sind die Folgen der Enteschatologisierungskrise für die Lehre vom Geist radikal. Die nachapostolische Kirche ist also hier zunächst vor lauter Fragen gestellt. Das heißt: Sie muß die Lehre vom Geiste neu aufbauen. Denn ohne eine solche kommt sie schon deshalb nicht aus, weil sie ja auf die «apostolische Tradition» sich verpflichtet weiß. Die Unsicherheit mancher Kreise unter den einfachen kirchlichen Gläubigen in dieser Sache könnte wohl kaum deutlicher dokumentiert werden als durch die gelegentliche Mitteilung des Origenes, es gebe Bibelleser, die unter dem Joh 14, 16 f. verheißenen Geist-Parakleten den Apostel Paulus verstehen 16 ! Verwirrend wirkt auf die Neugestaltung der kirchlichen Lehre vom Geist, daß verschiedenartige Motive wirksam werden. Einerseits drängt die neue kirchliche Erlösungslehre dahin, den heiligen Geist als sakramental zu vermittelnde übernatürliche Erlösungskraft im Sinne dieser Lehre zu denken. Andererseits weckt die immer intensiver werdende Beschäftigung mit den Fragen und Vorstellungen der Christologie das Bestreben, den Geist in Analogie zur Person des Christus ebenfalls als personhaft gedachte Hypostase aufzufassen. Die an 13 J r e n ä u s (adv. haer. 111, 17, 1): hunc (sc. spir. sanct.) proniisit per prophetas effundere in novissimis temporibus super servos et ancillas, ut prophetent; vgl. auch IV, 33, 15; 36, 7; V, 15, 4; 17, 1; 18, 3. 14 Darauf verweist auf Grund älterer antimontanistischer Schtiften E u s e h , h. e. V, 16, 18 f.; 17, 4. 15 Nova t i an (de trin. 29): est enim per Joelem prophetam repromissus, sed per Christum redditus. in novissimo, inquit, diebus effundam de spiritu meo super servos et ancillas meas. dominus autem: (Joh 20, 22). 16 0 r i g e n es (Horn. XXV in Lc): porro alii legentes: «mittam vobis advocatum, spiritum veritatis>> (Joh 14, 16 f.), nolunt intellegere tertiam personam a patre et filio (diversam) et divinam sublimemque naturam, sed apostolum Paulum.
583
sich schon gegebene Vieldeutigkeit des Pneumabegriffs begünstigt diese Tendenz, und zwar bereits da, wo noch die Engelchristologie nachwirkt. Daher kommt es ja auch verhältnismäßig frühe schon geradezu zu einer mehrfach feststellbaren Identifikation ·des heiligen Geistes mit dem Christus selbst 17 • Oder er wird zur Mutter des irdischen Jesus, oder zur Schwester des himmlischen Christus, überhaupt zu einem (weiblichen) Engel 1s. Es ist natürlich, daß sich mit der Engelchristologie au.ch die Vorstellung des heiligen Geistes als Engel zu halten vermag und erst mit ihr sich verliert. Im einzelnen läßt sich diese Entwicklung nicht näher verfolgen. Aber die Einreihung des Geistes unter die Engel ist wohl weiter und länger verbreitet gewesen als sich aus den Quellen unmittelbar belegen läßt. Tatsächlich hat man allen Grund, beispielsweise sogar bei Origenes zu fragen, wie nahe wohl seine Auffassung vom heiligen Geiste bei dieser Anschauung liegt. Wer ist für ihn der heilige Geist, wenn er ihm neben Vater und Logos-Sohn als die «dritte Person» gilt 19 , aber nur als das erste der Geschöpfe des Logos 20 ? Und wie falsch der Eindruck ist, den die vorhandenen fragmentarischen Quellen vortäuschen, als ob im dritten Jahrhundert die Vorstellung vom heiligen Geist als einem Engel in der großen Kirche nur noch ein kümmerliches latentes Dasein geführt hätte, das zeigt der große Streit des vierten J ahrhunderts: Sowie hier im Zusammenhang mit der Entwicklung der Christologie ein entsprechender entscheidender Schritt auch in der Gestaltung der Lehre vom Geist getan wird, tritt sofort die These, daß der heilige Geist, wie der Christus, ein Engel sei, wieder vernehmlich in den Vordergrund und wird von den arianisch Gesinnten kräftig, aber freilich nutzlos gegen das neue hoinousianische Dogma verteidigt 21 • Die «Pneumatomachen» spotten: Nach der neuen Lehre der Homousianer sei der Vatergott in Wahrheit der Großvater des heiligen Geistes 22 • Siehe S. 337, Anmerkung 81 und 82. Siehe S. 338, Anmerkung 86. 19 Siehe Zitat Anmerkung 16. 20 0 r i g e n es (Comm. II, § 75 in Joh): -c6:~Et (:rtQiii"tov) :rt6:v,;oov ,;iiiv uno "t"OÜ :rtll"t"QO~ öuJ. :X:QtO""t"OÜ YEYE"V"VTJfU~voov (sc. äywv :rt"VEÜf11X) (sc. der heilige Geist). Nach E p i p h an i u s (h. LXIV, 5, ll) gilt dem Origenes äywv rt"VEÜf11X %"tlO"f11X %"tlO"f11X"t"O~ (sc. ,;oü utoü). Siehe auch de princ. I, 3, 3, wo P. Koetschau in seiner Ausgabe (S. 52) nach Rufinus (de adult.) einsetzt: inter ceteras creatura8 factum esse 8piritum 8anctum. 21 Siehe S. 374, Anmerkung 13 und 14. 22 Nach At h an a 8 i u 8 (Epist. I ad Serap. 15, MG XXVI, 568): et öE ,;oü utoü EO""tt ,;o rt"VEÜf1a., o'Ö?t ·ovv n6:nno~ o :rta."tijQ ,;oü :rt"VEUf11X'tO~; 17
18
,;o
584
,;o
Kein Wunder auch, daß im dritten Jahrhundert die Theologen, wo sie im ersten Konkurrenzstreit mit dem Modalismus ihrerseits um eine Gleichstellung der göttlichen Personen innerhalb der einen Gottheit sich zu bemühen anfangen, oft genug den heiligen Geist zunächst noch außer acht lassen und statt von drei nur von zwei Personen, dem Vater und dem Sohne reden 23 • So macht sich der Abstand der vornicänischen Kirchenlehre gegenüber dem sabellianischen Modalismus in bezug auf das Dogma vom heiligen Geiste noch viel deutlicher bemerkbar als in der Christologie. Zieht man nun dem gegenüber die neue nicänische Lehre zum Vergleiche heran, wie sie sich im Verlaufe der langwierigen arianischen Wirren des vierten Jahrhunderts schließlich durchsetzt 2 4, so wird der Sinn der Entwicklung als wesentliche Annäherung an den Sabellianismus deutlich offenbar. Die offizielle Formel von Nicäa (325) bekundet zunächst das energische Bestreben, aus der Beziehung zwischen Vater und Sohn alles Subordinatianische grundsätzlich und vollständig auszuschalten. Steht auch über den eigentlichen Sinn der behaupteten «Zeugung» des Sohnes aus dem Vater, wenn damit nicht einfach eine Emanation gemeint sein soll, nichts Positives fest, so dient sie doch dazu, den Gedanken einer «Erschaffung» des Sohnes entschieden abzulehnen. V erneint wird dieser als Inbegriff oder mindestens als Voraussetzung aller nur irgendwie subordinatianischen Vorstellungen. Denn «geschaffen» hieße: Entweder «aus dem Nichts» oder im besten Fall aus einer andern als der göttlichen «Substanz» geworden, daher von vornherein der Substanz nach der Gottheit des Vaters gegenüber we~ sensmäßig inferior. So wird denn auch mit der V erneinung eines zeitlichen Anfangs der Existenz des Sohnes diesem, wenn auch nicht im· mer positiv und ausdrücklich, so doch dem Sinne nach, die gleiche Ewigkeit zugeschrieben wie dem Vater. Dem Gedanken der Einheit von Vater und Sohn strebt man also zunächst zu mit der Ausschaltung der Vorstellung zweier wesensmäßig verschiedener Größen. Sofern 23 0 r i g e n es redet bald von drei (Comm. II, § 75 in Joh), bald von zwei Hypostasen (c. Cels. VIII, 12). Te r tu ll i an (adv. Prax. 24): manifestam fecit duarum personarum coniunctionem. Hip p o I y t (c. Noet. 7): Mo ltQOGoona llöeL~E'V, M"VaJlL'V öE JlLU'V. c. Noet. 14: nu'ti]Q JlE'V yaQ EI~. ~tQ6aoona öE Mo, Ön xat ut6~. 'tO
öE
'tQL'tO'V 'tO Ü.yto'V lt'VEÜJlU.
24 Der Verlauf des Kampfes in seinen einzelnen Phasen und theologischen Repräsentanten in den verschiedenen Lagern ist hier problemgeschichtlich nicht von wesentlicher Bedeutung. Die Schwankungen der starken politischen Einflüsse haben bekanntlich vieles kompliziert.
585
hier überhaupt noch eine Beziehung zwei er Größen in Frage stehen soll, darf sie nur nach dem Schema der Koordination, nicht mehr der Subordination bestimmt werden. Dieses Postulat kommt zum Ausdruck in den Aussagen, daß der Sohn gezeugt sei «aus der Substanz des Vaters, Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott». Allein mit einer solchen bloßen Koordination von Vater und Sohn hätte man in der Tat an die Stelle der zwei wesensmäßig verschiedenen Größen lediglich das Nebeneinander zweier wesensmäßig gleicher Größen gesetzt und würde damit selber erst recht die auf Grund der sabellianischen Kritik an der Kirchenlehre so gefürchtet gewordene Zweigötterlehre proklamieren. Um dem sabellianischen Gegner gewach~ sen zu sein, muß man daher über die bloße G 1 eich h e i t von Vater und Sohn hinaus, wie der Sabellianismus, irgendwie zur Behauptung der absoluten Identität ihrer Gottheit zu gelangen suchen. Zu diesem Zwecke hat man schließlich (mit Kaiser Konstantins Hilfe) die Aufnahme der alle übrigen Bestimmungen überbietenden Aussage über die « Homo u s i e » des Sohnes in bezog auf den Vater in das Nicänum durchgedrückt. Für die ältern Homousianer ist in der Tat die Homousieformel Bezeichnung der absoluten Identität der einen göttlichen Substanz in V ater, Sohn und Geist 25, wobei allerdings die offiziell-kirchliche Anerkennung der Homousie auch des Geistes erst in den Bestimmungen des Konzils von Konstantinopel (381) durchgesetzt werden konnte 26 • Da erst mit diesem Satz der sabellianische Vorwurf der Zwei- oder Dreigötterlehre widerlegt werden kann, so muß er deutlich und stark betont werden. Man soll sich nach Athanasius die göttliche Einheit von Vater und Sohn durchaus auch nicht etwa so vorstellen, als wäre in 25 Daß es sich . nicht um Gleichheit, sondern um Identität (Selbigkeit) der einen göttlichen Substanz in Vater und Sohn h~ndeln soll, wird bei A t h a n a s i u s , dem Vorkämpfer der neuen nicänisch-homousianischen Orthodoxie, sehr deutlich. Siehe Orat. c. Arian. lll, 3, MG XXVI, 328: ÖLu 'tOU'tO "(UQ xal Elx{nw~ ELQl']XW~ :TCQO'tEQOV' (Joh 10, 30), E:rtfl"f!l"(E 'tO' (Joh 14, 10), iva 'tijv f.LEV 't!l1hO'tl'J't!l Ti\~ 'frEO't'l]'tO~, 'tijv M EVO't'lj'tU 'tij~ ouata~ ÖEL~U· 111, 4, MG XXVI, 329: EL "(UQ !hEQOV E
ut6~. u/..1..0: 't!lU'tOV E
ö
:rta'ti]Q 'tÜ lÖLO't'lj'tL xal OL%ELO-
26 Nach T h e o d o r e t (h. e. V, 9, 11) erklären die Synodalen, man müsse gemäß der Lehrdefinition der Väter von Nicäa :rtL
utoii xal 'tOU U"(LOU :rtVEUf.L!l'tOt;;, ÖTjÄ!lÖTJ 'frEO'tl']'tO~ xal ÖUVUf.LEWt;; xal o'Öoiat;; f.LLÜt;; 'tOU :rtfJ.'tQOt;; xat 'toii utoii xat 'toii O.ytou :rtVEUf.La'tOt;; :TCL
586
diesen die eine substanzielle Gottheit sozusagen in zwei Teile geteilt 27 • Die .eine und unteilbare Gottheit des Vaters ist auch die Gottheit des Sohnes und keine andere 28 • Wie schon im dritten Jahrhundert Dionys von Rom die Behauptung dreier göttlicher «Hypostasen» ( = Usien, Substanzen) in Vater, Sohn und Geist ablehnte als eine völlig verkehrte Art, den Sabellianismus zu bekämpfen, so erklären die Homousianer auch noch in ihrer Bekenntnisformel von Sardica (343) offiziell, daß nur von einer «Hypostase» (= Usia, substantia) in Vater und Sohn die Rede sein dürfe. Nur so ist auch die eine Gottheit in Vater und Sohn gewahrt 29 • So uneingeschränkt ist die ganze «Fülle» der Gottheit des Vaters auch im Sohne 30, daß man sehr wohl schließlich sagen kann, was Athanasius tatsächlich sagt: Der Sohn sei die «Erscheinungsform» der Gottheit des Vaters 31 • Und in der Formel von Sardica gehen die Homousianer sogar bis zu der Behauptung, auf Grund der strengen Identität der einen göttlichen Substanz könne ein Unterschied zwischen Vater und Sohn nur noch in eben diesen «Namen» selbst bestehen 32 • Mit solchen Aussagen schwenken nun aber die extremen Homousianer handgreiflich in die sabellianische Denkweise ein. Auch Sabellius hat ja, nach dem Bericht des Epiphanius, seine Anschauung auf die kurze Formel gebracht: «Eine Hypostase, drei Benennungen» 33 • Dabei hat auch für Sabellius «Hypostase» nicht den Sinn von «Person» 34, sondern bedeutet, wie schon aus der Verwendung des Sonnengleichnisses At h an a s i u s (Orat. c. Adan. 111, 4, MG XXVI, 328): l!v yaQ etaLV, ou:x; ro~ 1tcH.Lv el~ Mo f.LEQlJ ÖLaLQE~ev·w~. 28 A t h a n a s i u 8 (Orat. c. Arian. 111, 4, MG XXVI, 329): i) 'tOii utoii ~echt]~ 'tOU 1tU'tQO~ E
ivo~
39
587
hervorgeht und das Zeugnis des Basilius bestätigt 35 , wie bei den Homousianern die «Substanz». Und die drei «Benennungen» Vater, Sohn und Geist sollen drei «Erscheinungsformen» (Prosopa) der einen göttlichen Substanz bezeichnen 36 • In diesem Zusammenhang ist sehr zu beachten, daß schon bei Tertullian, wo er in der Auseinandersetzung mit dem Modalismus die Unterscheidung der drei «Personen» (persona = prosopon) in der einen göttlichen Substanz durchgeführt, «persona» «viel mehr ,Erscheinungsform' als unser ,Person'» bedeutet 37 • Schon Tertullian steht also der sabellianischen Auffassung des Prosopon nahe. Der Homousianer Athanasius verwendet das sabellianische «Prosopon» nicht. Er hat überhaupt keine Bezeichnung für das personale .Sondersein von Vater, Sohn und Geist, wie denn auch noch die sardicensische Formel der Homousianer eine solche vermissen läßt. Gewiß hat er dieses Sonderdasein als Postulat vorausgesetzt. Allein dies bedeutet schließlich nur: Er hat den Ansatzpunkt aller Modalisten, die ausdrückliche Ineinssetzung von Vater, Sohn und Geist, in abstrakter Grundsätzlichkeit abgelehnt und in diesem allgemeinsten Sinne wollte er kein Sabellianer sein. Wenn er jedoch die «Gottheit» schlechthin als die eine «Substanz» bestimmt, in bezug auf welche Vater, Sohn und Geist nicht bloß einander gleich, sondern miteinander absolut identisch sein sollen, so ist es tatsächlich kein Zufall, wenn er keinen Ausdruck und keinen Begriff findet, mit dem er deren Sondersein bezeichnen könnte, ohne dabei offenkundiger Sabellianer zu werden. Besteht für Saheilins wie für alle Modalisten das Grundproblem in der Frage, was nach der Identifikation von Vater, Sohn und Geist die Unterscheidung dieser Namen überhaupt noch für einen Sinn haben kann, so wird unvermeidlich auch für Athanasius wie für alle extremen altnicänischen Homousianer diese nämliche Frage zur großen Schwierigkeit Denn wenn die «Gottheit» schlechthin als «Substanz» von Vater, Sohn und Geist in diesen das Eine in sich Identische, sich selbst Gleiche sein soll, so kann also das Besondere und Eigene in diesen drei unterschiedenen 3 5 Nach E p i p h a n i u s (h. LXII, 1, 6): t] oo~ M.v TI ev iji..tq>, OV'tL ftEV EV ftt(i. u:n:oGL
•u
:X:QEla.~. 37
588
Diese Feststellung macht F r. L o o f s , Pauius von Samosata, S. 215.
Größen nur noch dies im Reste bleiben, daß sie irgendwie verschiedene «Erscheinungsformen» dieser einen göttlichen Substanz sind. Daß dem so ist, beweist Athanasius damit, daß er vorübergehend gelegentlich seihst sich in diesem Sinne äußert. Allein, da er ja nicht Sahellianer sein will, so darf er diese Auffassung niemals programmatisch vertreten. Und wenn er sich immerhin gelegentlich auf diese Ansicht einläßt, so kann er dabei doch eines Unterschiedes gegenüber Saheilins sich noch bewußt sein: Er denkt nicht, wie dieser, an ein Auftreten der «Erscheinungsformen» in zeitlicher Sukzession, sondern läßt sie im Schema der ewigen Gleichzeitigkeit miteinander existieren 38 • Aber dieser Unterschied ist freilich nicht von fundamentaler Bedeutung. Da es sich indessen für Athanasius bloß um eine unsichere Gelegenheitsauskunft handelt, so bleibt schließlich das Problem für ihn unlösbar. Das eigentliche Ergebnis seiner Behandlung der ganzen Frage ist dies, daß oh der Art, wie er die Einheit der Gottheit in Vater, Sohn und Geist verficht, die Dreiheit absolut «rätselhaft» bleiben muß 39. Die starke sahellianische Tendenz der altnicänischen Homousianer kommt auch in ihrer Beweisführung deutlich zum Ausdruck. Sie argumentieren beispielsweise - um hier nur das Bezeichnendste hervorzuheben- gegen ihre arianischen Gegner energisch mit der Stelle Joh 10, 30, die vorher schon die älteren Modalisten gegenüber der großkirchlichen Theologie geltend zu machen pflegten: «Ich und der Vater sind eins». Auf diesen Ausspruch des johanneischen Christus wird nun im Kampf gegen die Arianer häufig Bezug genommen. Allein nur schon die Formel von Sardica zitiert ihn dreimal. lnfolge der sahellianisierenden Betonung der Einheit von Vater, Sohn .und Geist durch die homousianischen Altnicäner wird das Sondersein der drei göttlichen Personen derart problematisch, daß ein Rückschlag ganz unvermeidlich eintreten muß. Die neu aufkommenden Ho38 Daher kommt denn nun auch der Gedanke des «Sicherweiterns" der Einheit zur Dreiheit, wie immer er auch ausgeführt werden mag, als häretisch in Verruf. Siehe die Anathematismen der Formel der ersten sirmischen Synode (a. 351) bei At h an a s i u s (de syn. 27, MG XXVI, 736): et -cL<; -cijv oiiotav -coü iteoü :n:Äa-cuveoitaL i\
589
möusianer, die nächstverwandte Mittelgruppe, beharren in klarer Erkenntnis dieser Lage fest bei der Auffassung, daß wenn die kirchliche Lehre nicht selber im Sabellianismus enden soll, die Homousie im Sinne nicht der strengen Identität, sondern nur der Gleichheit der göttlichen Substanz in Vater, Sohn und Geist behauptet werden darf 40 • Dem neuen Unternehmen, innerhalb der vorausgesetzten göttlichen Einheit von Vater, Sohn und Geist deren Eigensein und Sondersein eindeutig klar zu machen und zu betonen, dient die jetzt aufkommende Unterscheidung der bisher identischen Begriffe «Usia» (platonisch) und «Hypostasis» (stoisch). Nur «Usia» bedeutet nun weiterhin die «Substanz» schlechthin. «Hypostasis» dagegen wird zur Bezeichnung des Eigen- und Sonderseins der drei in bezug auf die Usia einander gleichen drei Größen 41, wird also Wechselbegriff für «Persona» = «Prosopon» 4z. In diesem Sinne darf fortan von «drei Hypostasen» gesprochen werden. Allein je bestimmter man in der hier gewiesenen neuen Richtung das Sondersein von Vater, Sohn und Geist betont, desto problematischer wird wieder die vorausgesetzte göttliche Einheit. Bezeichnet die durch das nicänische Bekenntnis endgültig sanktionierte Homousie nach der neuen Auslegung nicht mehr die absolute Identität, nicht mehr die Selhigkeit, sondern nur die Gleichheit der göttlichen Substanz, die als göttliche «Energie» in drei Hypostasen ( = Personen) tätig ist, wobei sich diese drei Hypostasen als «zeugende» (Vater), als «gezeugte» (Sohn) und als (aus Vater und Sohn) «hervorgehende» (hl. Geist) voneinander unterscheiden, dann nähert man sich mit dieser Anschauung wieder dem Polytheismus. Deutlich tritt dieser polytheistische Charakter zutage in den Analogien, mit denen Basilius, der mit den beiden andern Kappadokiern das Programm der jungnicänischen Orthodoxie für die Zukunft maßgehlich durchführt, seine Grundanschauung gelegentlich illustriert. Danach verhalten sich die drei, Hypostasen zur einen SubIhr Entscheid bei E p i p h an i u s (h. LXXIII, 11, 10): 'ltat Ei n; t;ouol~ 'ltUL öE 1i 'tUU'tOOUIJWV AEYOL 'tOV ulov 1:0 ltU'tQt, ava'Ö'EJ.l.U EIJ'tOO. E p i p h a n i u 8 (h. LXXIII, 4, 3): Der Sohn ist dem Vater ISJ.toLO; 'lta't' ouolav (Lehrbrief des B a s i 1 i u s v o n An c y r a und G e o r g v o n La o d i c e a). 41 Siehe die homöusianische Erläuterung bei E p i p h an i u s (h. LXXIII, 16, 1): öux 'tOÜ'tO yag UltOIJ'tUIJEt; ol ava'tOAL'ltOt J..tyouow, tva 'ta; lÖLO'tT]'ta; 'tOOV ltQOIJWltOOV UqlEIJ'tWOa; xat UltUQJCOUOa; yvcoQliJOO()"LV . . • 16, 2: ouxt 'ta; 'tQEi; UltOIJ'tUIJEt; 'tQEi; aQxa; 1i 'tQEi; iteou; J..ßyov'ta;. üva'Ö'EJ.l.U'tt~OUIJL yaQ lit n; AEYEL 'tQEi; iteou;. 42 Der Ausdruck «prosopon>> (= persona) wird offiziell in der Großkirche erst seit der Formel der dritten antiochenischen Synode von 345 (H ahn, S. 193: 'tQla ltQOIJOJJta) verwendet. 40
ouol~ i..Eyo:YV 'tOV Jta'tEQa ltU'tEQU 'tOÜ uloü, OJ.l.OOUIJWV
590
stanz wie etwa die Individuen Andreas, Johannes und Jakobus, oder Paulus, Silvanus und Timotheus zum «Menschen» als Gattung 43 • Mit den Positionen der alt- und jungnicänischen Auslegung des neuen Dogmas von der Homousie sind die Schranken abgesteckt, innerhalb welcher sich die Auseinandersetzung der großkirchlichen Orthodoxie mit dem Sabellianismus und seinen verschiedenen Antipoden vollziehen muß. Und wenn sie diesen Extremen gegenüber proklamiert, mit dem Bekenntnis zur Einheit in der Dreiheit und zur Dreiheit in der Einheit den einzig legitimen Mittelweg der echten Wahrheit gefunden zu haben 44 , so verfügt sie in Wirklichkeit nicht über eine eindeutige und definitiv gesicherte Durchführung dieses dogmatischen Programms. Mit allen Versuchen, die sie hier unternehmen mag, schwankt sie selbst nur unsicher zwischen sabellianischer Sicherung des Monotheismus und Polytheismus hin und her. Und zwar ist dieses zweite Extrem, genau besehen, in der Tat der alte g n o s t i s c h e Polytheismus. Nur oberflächlich ist der zutiefst gnostische Untergrund des nur mehr oder weniger «Verhüllten» 45 Polytheismus der jungnicänischen Orthodoxie zugedeckt durch die Tatsache, daß hier das alte suhordinatianische Schema der gnostischen Vielgötterlehre durch das von dem andern Gegner, dem Sahellianismus übernommene neue Schema der Koordination ersetzt worden ist. Dieser Unterschied ist letztlich sekundär. Er kann über die offenkundig gnostischen Elemente nicht hinwegtäuschen. Wie sich die großkirchliche Lehre durch Anleihen heim sahellianischen Modalismus des gnostischen Polytheismus zu entledigen versucht hat, so hat sie nachweislich die Auseinandersetzung mit dem Sabellianismus gerade an den entscheidenden Punkten mit Hilfsmitteln durchgefochten, die der Gnosis entlehnt sind: Es sind die Grundbegriffe der Homousie und der Trinität s e I h s t. Dies ist zum Abschluß dieses Kapitels noch in Kürze zu belegen. Bereits vor bald dreißig Jahren hat Eduard Schwartz die «landläufige Meinung», die Homousiosformel sei aus der abendländischen Dog's Ba s i l i u s (Epist. 210, 4): ro~ yag ö dmov llaül..o~ XIXL l':tA.ouavo~ xal TtfA.OitEo~. -rgta JlEV el:rttv ov6JlaTa, ouvEÖYJOE ÖE au-ra äA.A.iJA.ot~ öta -rij~ «xaL» ouA.A.a~ij~. oihw~ ö d:rtoov övoJla :rta-rgo~ xat uloii xat &.ytou :rtvEuf.LaTo~, -rgla Ei:rtoov ouvE:rtAYJ;Ev au-ra ouvÖEOf.Lcp ••. Epist. 38, 2 wird die Analogie mit Petrus, Andreas und Jakobus in aller Ausführlichkeit expliziert und neuerdings mit Paulus, Timotheus und Silvanus illustriert. 44 E p i p h a n i u s (h. LXII, 3, 3): OfA.OAOYOÜf.LEV . -ri]v TQLtiöa, f.LOVclÖIX ev TQLclÖL xat TQLaöa 6v f.LOVclÖL xat f.Llav ittÖTYJTIX xat utoii xat dytou :rt'VEuf.LaTo~. 45 R. S e e b e r g , Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. II (1923), S. 120: «Für ,athanasianisch' galt hinfort der verhüllte Polytheismus der Homoiusianer».
591
matik in das nicänische Symbol und damit in die Theologie auch der Ostkirche übertragen worden, als unzutreffend abgelehnt 46 • Er hat auf den gnostischen Ursprung Gewicht gelegt und auf die Tatsache, daß der Homousiebegriff schon im dritten Jahrhundert~ lange vor der dog· matischen Entscheidung der großen Synode von Nicäa 325, von der sich bildenden neuen Orthodoxie des Ostens übernommen und im Konkur· renzkampf gegen . den Sabellianismus verwertet worden ist 47• Die Erkenntnis, daß es die gnostische Theologie gewesen ist, die erstmals mit dem Begriff der Homousie operierte, ist an sich nichts Neues. Aber in den bisherigen modernen dogmengeschichtlichen Gesamtdarstellungen hat man sich damit begnügt, von dem Tatbestand nur nebenbei - meist nur in Fußnoten - Notiz zu nehmen, d. ·h. man hat es unterlassen, .ihn unter problemgeschichtlichem Gesichtspunkt gebührend zu würdigen 48 • Zunächst ist festzustellen, daß der Begriff der Homousie in der Gnosis nicht etwa bloß vereinzelt und gelegentlich erscheint. Und zwar hat er, nach dem Befund der fragmentarisch erhaltenen Quellen zu urteilen, insbesondere in der valentinianischen Gnosis eine beträchtliche Rolle gespielt. So kommt er vor bei den V alentinianern Ptolemäus 49 , Theodot 50 und Herakleon 51 , ferner in einem valentinianischen Quellenstück bei lrenäus 52 • Aber auch im System des Basilides ist er nachweisbar 53 • Gelegentlich erscheint nur der Ausdruck «homoios». Er ist jedoch im Sinne der Homousie zu verstehen. So bei dem V alen46 E d. S c h w a r t z folgte hier einer Anregung von K a r I H o 11 , siehe E d. Schwa r t z, Kaiser Konstantin und die christliche Kirche, 1913, Vorwort S. VIf.: «K. Holl hat mich in einem Briefe davon überzeugt, daß der Begriff der Homousie nicht, wie ich, der landläufigen Meinung folgend, früher annahm, aus der okzidenta· lischen Dogmatik entlehnt ist, und hat mich gezwungen, hier einen neuen Weg zu suchen.» 47 E d. Schwa r t z, a. a. 0., S. 118 f. 48 A. Harn a k, S. 284, Anmerkung 3. Dabei bemel'kt Harnack selbst zu deni Satz des Pt o I e m ä u s bei E p i p h an i u s (h. XXXIII, 7, 6) über die Zeugung des substanzgleichen Sohnes aus dem Vater (in Sperrdruck): «Das I. s t die spätere n i c ä n i s c h e F o r m eh>. Man sieht nicht recht ein, warum eine derartige Feststellung nur als mehr oder weniger versteckte Glosse in den Fußnotentext verbannt wird. Siehe ferner Fr. L o o f s , S. 110; R. Seeberg, S. 311, Anmerkung 1; W.
c
K o e h I e r , S. 152. 49 Nach dem Bericht des Iren ä u s (adv. haer. I, 5), wozu in dieser Hinsicht der von E p i p h a n i u s (h, XXXIII, 3) überlieferte Brief des Ptolemäus an die Flora eine frappante Bestätigung liefert. 50 Nach CI e m e n s AI e x., Exc. ex Theod. 42, 1; 50, 1; 53, 1; 58, 2. 51 He r a k I e o n zu Joh 4, 24, bei 0 r i g e n es, Comm. XIII, § 149 in Job. 52 Iren ä u s, adv. haer. I, 11, 3. 53 Hip p o I y t, Refut. VII, 22, 7.
592
tinianer Markus 54 und in einer alten valentinianischen Quelle, die Epiphanius zitiert 55, auch im Referat des Irenäus über die ptolemäische Gnosis 56 • Ptolemäus selber stellt in einer der wichtigsten, hier in Betracht fallenden Aussagen seines Briefes an die Flora die Ausdrücke «homoios» und «homousios» als gleichbedeutend nebeneinander, genauer: Durch den einen wird der andere eindeutig näher bestimmt. «Homoios» heißt nicht «ähnlich», sondern «gleich», und «homousios» bezeichnet nicht die absolute Identität, sondern «Gleichheit der Substanz». Die Aussage lautet grundsätzlich und bezieht sich auf die obersten Erzengungen des Urvaters: «Es gehört zur Natur des guten (sc. Gottes), daß das, was er erzeugt und hervorbringt, ihm g I e i c h, und zwar s u h stanz g I eich ist 57 .» Dementsprechend bezeichnet Irenäus in seinem Referat über die ptolemäische Pieromalehre den vom Urvatergott mit der Sige gezeugten Nus als «homoios» und «isos» im Verhältnis zu seinem Erzeuger 58 • An anderer Stelle findet sich bei lrenäus eine Variante der obersten valentinianischen Tetras, in der neben der Monas eine ihr «suhstanzgleiche» Dynamis hesteht 59 • Analoges zitiert Epiphanius aus einem valentinianischen Schriftstück 60 • Im System des Basilides endlich gibt es eine «dreigeteilte Sohnschaft, die in allem dem nichtseienden Gotte substanzgleich ist, gezeugt aus dem Nichtseienden» 61. Die wesentliche Bedeutung, die dem Homousiehegriff in der Gnosis zukommt, wird unterstrichen durch die Tatsache, daß sie davon auch in Zusammenhängen des Systems Gehrauch macht, in denen später die kirchliche Orthodoxie auf eine Verwendung verzichtet. Der V alentinianer Theodot kann vom Leihe Jesu sagen, daß er der Ekklesia «BuhIren ä u s , adv. haer. I, 14, l. E p i p h a n i u s , h. XXXI, 5, 6. 56 Iren ä u s , adv. haer. I, 1, l. 57 E p i p h an i u s (h. XXXIII, 7, 8): ... -.:oü aya~oü (sc. ~eoü)
593
stanzgleich» sei 62 • Natürlich bietet die Anthropologie Gelegenheit zur Anwendung des Begriffs. Herakleon bezeichnet den Pneumatiker als substanzgleich mit dem Urvater 63 , und nach Ptolemäus sind alle Psychiker «homousioi» dem von der Achamoth aus psychischer Substanz gebildeten Demiurgen 64 • In mehrfacher Beziehung macht auch der V alentinianer Theodot in seiner Anthropologie von der Homousie Gehrauch 65 • Großkirchlichen Theologen konnte, je intensiver sie sich für die Einzelheiten des christologischen Problems interessierten, bei der Lektüre gnostischer Schriften die Verwendung des Homousiehegriffs unmöglich verborgen bleiben. Und daß sie gnostische Literatur lasen, sicher vor allem solche valentinianischer Herkunft, bedarf keines Beweises. Ausdrücklich festgestellt zu werden verdient in diesem Zusammenhang nur die Tatsache, daß solche Literatur auch noch im vierten Jahrhundert für großkirchliche Kreise erreichbar war und wirklich studiert wurde. Dafür ist allein schon Epiphanius Beweis genug. Mindestens aber las man die Schriften der ältern antignostischen Väter und ihre Darstellungen gnostischer Lehren. Hier vor allem die des lrenäus, sowohl im Osten wie im Westen. Gerade lrenäus hat aber seinerzeit die gnostische Homousieformel in einer beachtenswerten Weise aufgegriffen. Erstens sieht er, daß die V alentinianer das Homousieverhältnis zwischen dem Urvater und den obersten, aus ihm erzeugten Göttern des Pieroma aus dem Wesen der Emanation begründen, und zwar an Hand der Gleichnisse von der strahlenden Sonne usf. 66 • Zweitens geht er hypothetisch auf diese Argu~entation ein, um von ihr aus die gnostische Pieromakonstruktion überhaupt zu widerlegen. Er weist darauf hin, daß die V alentinianer dann doch grundlegende W esensunterschiede zwischen dem Urvatergott und einzelnen Emanationen behaupten, die der Homousie widerstreiten 67 • Aus dem Brief des Ptolemäus an die Flora ist zu entnehmen, daß dieser bedeutende valentinianische Theologe die Schwierigkeit selbst gesehen hat. Er schreibt
,;o
82 C 1 e m e n s . A I e x. (Exc. ex Theod. 42, 1): 11Wflll ,;o\i 'I1JI10ii, ÖitEQ Öf.tooumov ~v ,;ft btx.1..1J11LQ.. 83 0 r i g e n es (Comm. XIII, § 148 f. in Joh): x.at yag au,;ot ,;Tj~ au,;Tj~
594
der Flora zum Schluß: «Jetzt aber soll es dich nicht beunruhigen, wissen zu wollen, wie aus einem einzigen Uranfang des Alls, der da einfach ist und zu dem wir uns bekennen und an den wir glauben, aus dem ungezeugten, unvergänglichen und guten, auch diese W esenheiten sich gestalten, (nämlich) die der Vergänglichkeit und der Vermittlung, die ihm nicht substanzgleich (anomousioi) sind, wo es doch zum Wesen des guten (sc. Gottes} gehört, ihm Gleiches, und zwar Substanzgleiches zu erzeugen und hervorzubringen» 6S. Was lrenäus hier aufgreift, kehrt nachher in den Beweisführungen der neuen nicänischen Orthodoxie, ja bereits bei ihrem abendländischen Vorläufer Tertullian, wieder. Tertullian sagt: Bringt Gott den Logos so aus sich hervor wie die Wurzel den Strauch, die Quelle den Fluß und die Sonne den Strahl, dann muß diese Probole von ebenderselben Substanz sein wie die, die sie hervorbringt 69 • Später argumentiert vor allem Athanasius genau ebenso 70 • Und Epiphanius spricht in kurzer Formulierung den Grundsatz aus, daß, was aus einer bestimmten Substanz erzeugt wird, zwar mit dieser nicht absolut identisch, aber doch «substanzgleich» sein muß 71 • Damit wird der problemgeschichtliche Zusammenhang der ·großkirchlichen Lehre von der Homousie mit der Gnosis bereits evident. Zudem bildete lrenäus eine sehr bequeme Vermittlung. Wer sah, wie lrenäus die gnostische «eadem substantia» hypo thetisch, zum Zwecke der Beweisführung gegen die Gnosis. sich vorübergehend selbst ·zu eigen macht, konnte sich einreden, den Homousiebegriff bei diesem Kirchenvater selbst, nicht bei seinen gnostischen Gegnern, gefunden zu haben. Tertullian übt noch deutlich eine auffällige Zurückhaltung. Er übernimmt die una substantia 72, vermeidet jedoch das dem gnostischen Ausdruck «homousios» genau entsprechende lateinische «consubstantialis». Er hat gerade genug daran, sich wegen der Übernahme der gnostischen «Probole» gegenüber den Modalisten es E p i p h an i u s, h. XXXIII, 7, 8. 68 Te r tu II i an (adv. Prax. 8): protulit enim deus sermonem, quemadmodum etiam paracletus docet, sicut . radix fruticem et fons fluvium et sol radium. nam et istae species probolae sunt earum substantiarum, ex quibus prodeunt. 70 At h an a s i u s (de synod. 48, MG XXVI, 777): ,;ß ouolq. 'J..Oyo; lo,;t (sc. o
ulo;) ?tat ooo:pla 'tOÜ :ta'tQO(;, ij M ouola aÜ't'IJ ,;f); ouota; ,;f); :ta'tQL?If)(; E
595
rechtfertigen zu müssen und will sich nicht durch weitere gnostische Anleihen noch mehr kompromittieren 73 • Aber Tertullian bekundet auch damit seine Beziehung zur gnostischen Homousielehre, daß er die «eine Substanz» im Sinne der Substanzgleichheit sowohl im Vatergott wie im Logos-Sohn ihrem Wesen nach als Pneuma hestimmt 74 • Das entspricht der gnostischen Grundauffassung. Weniger ängstlich sind die beiden Alexandriner Clemens und Origenes. Statt deutlich gegen die V alentinianer Stellung zu nehmen, wo diese die Pneumatik er als der Substanz der Gottheit von Natur teilhaftig, als «homousioi» erklären, macht es Clemens nichts aus, gelegentlich hypothetisch diese These selbst zu übernehmen, um von ihr aus gegen die V alentinianer zu argumentieren 75 • Das ist bezeichnender noch als die andere Tatsache, daß er nach einem Adumhrationenfragment den Homousiehegriff im gnostischen Sinne auch auf das Verhältnis des Logos-Sohnes zum Vatergott anwendet 76 • Und dies Zweite läßt sich auch bei Origenes feststellen 77 • Clemens Alexandrinus und Origenes sind dogmengeschichtlich helegte Beispiel dafür, wie dank der weiten Verbreitung der valentinianischen Gnosis kirchliche Kreise auch des Ostens mit dem Homousiehegriff bekannt werden· und ihn akzeptieren. Auch der Streit der beiden Dionyse und die Auseinandersetzung mit Paul von Samosata machen offenbar, daß im Osten, lange .vor dem Nicänum, dieser Begriff bekannt ist. Daß er als etwas der großkirchlichen Tradition von Haus aus Fremdes und Neues von außen her eindringt, kommt in der Tatsache zum Ausdruck, daß die kirchlichen Gegner, zuerst Dionys von Alexandrien, nachher die Arianer, ihn mit Recht als nicht schriftgemäß kritisieren 7S. Allein wider alle Gegnerschaft setzt sich der Begriff im vierten Jahrhundert schließlich durch, weil eine großkirchliche Partei in ihm Siehe S. 385. Siehe hievor Anmerkung 72. 75 c I e m e n 8 AI e x. (Strom. IV, 91, 2): Et EJ'tL ro %Cn:a/.ii11aL {}ava,;ov &qJL%'VEhaL 1:0 l'lL!Xq:>EQO'V yEvor; (sc. die Pneumatiker), ou:x; ö %(1LI11:or; 1:0'V {}ava,;ov %1X1:i](IY'IJI1E'V, Ei !l.TJ %!XL au,;or; au,;oir; Ö!J.001JI1LOt; AE%{}EL'Ij. 76 CI e m e n 8 AI e x. (Adumhrat., Fragm. 111, ed. Stählin 111, 210): quod (sc. verhum) secundum aequalitatem 8Ubstantiae unum cum patre consistit, sempiternum est et infectum. 77 0 r i g e n es (Comm. in Hehr., Lommatz8ch V, 300) schreibt dem Sohne die cominunio substantiae cum patre zu und fährt erläuternd fort: aporrhoea enim homousios videtur, unius suhstantiae cum illo corpore, ex quo est vel aporrhoea vel vapor. V gl. E d. Schwa r t z, Kaiser Konstantin und die christliche Kirche, S. 119: «Ürigenes hat das Wort (sc. homousios) nur in gnostischem Sinne gebraucht.» 78 Siehe S. 385, Anmerkung 60; S. 378, Anmerkung 31. 73
74
596
die Waffe erkennt, mit der sie den Sabellianismus im immer schärfer gewordenen Konkurrenzkampf entscheidend zu schlagen vermag. Und nun vollzieht sich im Aufkommen des altnicänischen Homousianismus eine Wendung, die die Situation, in welche die großkirchliche Theologie durch die Entwicklung der christologischen Frage problemgeschichtlich geraten ist, mit verblüffender Klarheit erhellt. Daß dieser Kirchenlehre nichts anderes mehr übrig bleibt, als in dieser Sache zwischen den beiden Häresien der Gnosis und des Sabellianismus irgendwie hin und her zu lavieren, bekundet sie damit, daß sie im Stadium der altnicänischen Orthodoxie den Sabellianism.us schlägt mit dem gnostischen Begriff der Homousie, aber so, daß sie dies e n g n o s t i s eh e n B e g r i ff s e l b e r s a b e ll i a n i s c h d e u t e t ! Denn die gnostische Homousie bedeutet, dem gnostischen Polytheismus entsprechend, «Substanzgleichheit». Die altnicänischen Homousianer dagegen steigern diese Homousie zum Begriff der absoluten substanziellen Identität. Nur so vermögen sie in der Wahrung des Monotheismus mit dem sabellianischen Modalismus erfolgreich zu konkurrieren. Damit geraten sie aber selber auf die Bahn des sabellianischen Denkens, trotzdem sie beständig gegen die sabellianische Ineinssetzung von Vater, Sohn und Geist protestieren. Sie werfen in dieser Polemik in Wahrheit den echten Sahellianismus allzu summarisch in einen Topf mit den ältern Formen des Modalismus. Und eben deshalb, weil die neu aufkommenden Homoiusianer den sahellianischen Charakter der Auffassung der Homousie im Sinne der Substanzidentität erkennen, lehnen sie diese ah und wollen nur noch Substanzgleichheit gelten lassen. Diese Korrektur setzt sich in der Kirchenlehre mehr oder weniger klar und konsequent durch. Aber damit kehrt die j un gnic änis ehe Orthodoxie wieder zum gnostischen Sinn der Homousie zur ü c k. In ihrem von Georgius von Laodicea ca. 360 verfaßten, von Epiphanius wiedergegebenen Lehrbrief erläutern die Homoiusianer die Homousie folgendermaßen: Die Substanz des Sohnes sei der Substanz des Vaters insofern gleich, als sie in beiden Pneuma, Geist sei 79 • Das ist die «pneumatische Substanz» 80 , kraft welcher alle pneumatischen Wesen nach valentinianischer Auffassung als «substanzgleich» mit dem Urvatergott gelten können. 79 E p i p h a n i u s (h. LXXIII, 18, 1): oinwiiv liLa Tij~ nQo~ ~LALmt1]alou~ smaToAii~ sötöu;Ev (sc. Paulus) fJilä~ n<Ö~ f) 'ÖnOI1'tUI1L~ 'tOÜ utoii O!J.Olu El1'tL 'tlJ unoO'tUI1EL TOÜ ltUTQ6~· n'VEÜIJ.U yaQ EX. ltUTQO~ x.ut X.UTa IJ.E'V TTJ'V 'tOÜ lt'VEUIJ.UTO~ E'V'VOLU'V TU\J'tO'V ••• ou Tuu-rov &.J.J.' Ö!J.oLov, ÖLoTL -ro nvEÜIJ.U, ö EI1TL'V ö ut6~, oux. EOTL'V ö nu-ri}Q.
ös
80 I r e n ä u s (adv. haer. I, 2, 4): lt'VEUIJ.U'tLX.TJ ouatu.
597
Damit biegt die kirchliche Orthodoxie in ihrer allgemeinen Tendenz wiederum in die Richtung auf den gnostischen Polytheismus zurück. Dem entspricht, daß die ganze Konstruktion, wie sie sich im Entstehungsprozeß des kirchlichen Dogmas durch alle Kämpfe und Schwankungen hindurch nunmehr gestaltet hat, unter dem Haupttitel nicht der Monas, sondern der Trias = Trinitas in den vorderhand gefestigten Dogmenbestand der Kirche eingeht. Trias = Trinitas bedeutet nicht eine «Dreieinigkeit», sondern eine «Dreiheit». Und auf der Dreiheit, nicht auf der Einheit, liegt nunmehr und späterhin der Ton st. Und auch dies ist schließlich ein Symptom der rückläufig-gnostischen Tendenz. Denn der Zahlbegriff der «Trias» ist, als dogmatischer terminus technicus, in das Wörterbuch der kirchlichen Lehre erst nach dem Aufblühen der Gnosis, in der Zeit der Auseinandersetzung mit ihr, aufgenommen worden. Er ist tatsächlich als dogmatischer Begriff von Haus aus gnostisch. Und daß die kirchliche Theologie auch· ihn aus der Gnosis übernommen hat, ist ganz einwandfrei nachweisbar. Die Trinitas (Trias) ist einer der vielen Zahlbegriffe, mit denen die Gnosis in so ausgiebiger und auffälliger Weise die göttlichen Wesen ihrer Pieromaspekulation in Gruppen zusammenzuordnen pflegte. Das Pieroma der dreißig valentinianischen «Äonen» ist angeordnet in eine oberste, zur Ogdoas sich erweiternde Tetras, eine Dekas und Dodekas s2 • lrenäus stellt fest, daß diese Gruppen des valentinianischen Pieroma wieder eine Trias darstellen ss. In einer von Epiphanius zitierten valentinianischen Quelle werden innerhalb einer untern Ogdoas auch noch eine Dyas, Tetras und Hexas unterschieden s4 • Besondere Beachtung verdient das Vorkommen der Trias = Trinitas. Im System der Peraten, die Hippolyt als eine ältere Sekte bezeichnet ss, spielt die Trinitas eine bedeutende Rolle. Aus der obersten Einheit als Quelle geht eine Trias hervor. Die drei Größen, die sie umfaßt, werden unterschieden als
öuvar.ud}a xat -ri)v 'E/,J..ftvwv ötaÄ:UEtv xal:TJYOQtav, t:paax6v-rwv xat VOf.Ltl;6v,;wv Öta -ri)v -tQtaöa i..EyEw iJf.Lä; :rcoA.A.ou; itEou;. 82 Iren ä u s, adv. haer. I, 1. Auch einzelnen Äonen wird ein Zahlbegriff beigelegt: Der valentinianische Demiurg wird auch als Hehdomas bezeichnet, weil er über den sieben Himmeln thront, die er unterhalb des Pieroma geschaffen hat. 83 Iren ä u s (adv. haer. II, 24, 5): et illi quidem omne pleroma in tres dividunt (id est in octonationem et decadem et duodecadem). 84 E p i p h a n i u s , h. XXXI, 6, 2. 85 Die P e r a t e n sind auch schon C I e m e n s A I e x. bekannt (Strom. VII, 108, 2).
598
und «Hyle», enthalten aber jede in sich eine Vielheit von göttlichen Kräften ss. Eine Trias bilden dann auch die Mächte, als deren Erscheinung die Peraten den irdischen Christus auffassen S7• Von einer «dreiteiligen Sohnschaft» hat nach Hippolyt auch Basilides gesprochen ss. Endlich lehrt auch der Gnostiker Justinus eine Trinität göttlicher Wesen, die als «drei Archai» alle <
599
Ebenso steht es bei Athenagaras 92 • Der erste kirchliche Theologe, der den Terminus «Trias» verwendet, ist der Antiochener Theophilus (um 181). Aber seine Trias lautet nicht «Vater», «Sohn» und «Geist», sondern «Gott», «Logos» und «Sophia». Und zudem führt er unbefangen die Trias in eine Tetras über: «Gott», «Logosl>, «Sophia», «Anthropos» 93 • Daß Theophilus die Trias aus der Gnosis übernommen hat, liegt auf der Hand; denn wir wissen von ihm, daß er gnostische Literatur gelesen hat. Im einzelnen läßt sich der gnosJische Einfluß nicht nachweisen, weil die antignostischen Schriften des Theophilus verloren sind. Um so deutlicher wird die Beziehung zur Gnosis auch an diesem Punkte sichtbar bei lrenäus, der vielleicht eine Schrift des Theophilus benützt hat, und bei Tertullian. lrenäus vertritt wie Theophilus die Trias deus (pater), verbum und sapientia 94 • Aber er gestattet es sich nicht, den Ausdruck Trias (Trinitas) zu gebrauchen, offensichtlich eben deshalb, weil ihm auf Grund seiner Lektüre der häretischen Literatur solches Theologisieren in Zahlbegriffen allzu deutlich als gnostische Mode zum Bewußtsein gekommen ist. Aber seine Auseinandersetzung mit der gnostischen Pieromaspekulation zeigt dennoch sehr schön den Weg, auf dem die neue Kirchenlehre hier den Anschluß an die Gnosis vollzieht, den er selber aber noch nicht zu Ende zu gehen wagt. Nicht den Ausdruck Trias, aber den gnostischen Pieromabegriff eignet er sich grundsätzlich an 95 ; denn dieser ist schließlich durch Col 2, 9 als schriftgemäß legitimiert. Und nun läßt er sich gelegentlich in seiner Auseinandersetzung mit der Häresie von der Intention leiten, die Vielheit der Äonen des gnostischen Pieroma auf die wenigen drei Größen zu reduzieren, die gemäß seiner Theologie das wahre göttliche Pieroma ausmachen. Wenn nach der valentinianischen Konstruktion der oberste Teil des Pieroma eine Octonatio, eine Achtheit von göttlichen Wesen darstellt, so kann man zunächst mit lrenäus fragen: Warum gerade eine Octonatio? Warum nicht eine Quinio (Fünfheit) oder Trinitas (Drei92 At h e n a g o r a s (Suppl. 10): i..Eyov-car; (sc. die Christen) {}Eov na-ceQa "Kat u!ov {}Eov "Kat nvEiitJ.a ÜyLOv, ÖEL"Kuv-car; {11hiöv "Kat -ci)v 1\v -cn E'Vroan öUvaf.tLV "Kat -ci)v 1\v -cn -ca~EL ÖLaLQEC1LV. Siehe auch Suppl. 24. 93 T h e o p h i I u s (ad Autol. II, 15): roaau-coor; "Ka.t at 'tQE'Lr; TJflBQaL 1tQO -ciöv cpwa-ciwoov yEyow'Lm -cunoL Etat -cijr; 'tQLaöor;, -coii {}EOii "Kat -coü Myou xat -cijr; aocplar; {}E6r;, Myor;, au-coü ... 'tE'tUQ't(!l öi; -cuncp EC1-ctv lfv{}Qoonor; ö 1tQOC1ÖEi)r; -coii cpoo-c6r;, tva aocp(a, lfv{}Qoonor;. 94 Iren ä u s (adv. haer. IV, 20, 4): unus igitur deus, qui ,·erho et sapientia fecit et aptavit omnia. 95 Iren ä u s (adv. haer. 11, 1, 2): quemadmodum enim poterit super hunc alia pienitudo aut initium aut potestas aut alius deus esse; quum oporteat deum horum omnium Pieroma in immenso omnia circumcontinere et circumcontineri a nemine?
n
600
heit) oder eine Septenatio (Siebenheit) oder irgendein anderer numerus?96 Und wenn das ganze Pieroma der Valentinianer in eine Dreiheit von Gruppen zerfällt, so fragt lrenäus auch hier: Warum gerade drei, warum nicht vier oder fünf oder sechs? 97 Dazu kommt bei lrenäus nun noch die sachliche Kritik an den einzelnen. Positionen: Die valentinianische «Zoe» beispielsweise ist doch nach der Schrift keine selbständige, aus dem Vatergott emanierte «Probole». Vielmehr ist der eine Gott selbst das wahre «Leben» 98 . Besonders auffällig ist der Sinn der irenäischen Kritik als einer bloß reduzierenden Korrektur der gnostischen Pieromakonstruktion in den Aussagen über «Nus», «Ennoia» und «Logos»: Nach Valentinus soll der Urvater mit der Ennoia den Nus zeugen. Danach wäre die Ennoi,a die Mutter des Nus. Aber besser wäre doch der Nus als der Vater der Ennoia zu bezeichnen. Allein der Nus ist überhaupt keine aus dem Vater gezeugte Probole, sondern eben die ihm wesensmäßig immanent bleibende «Vernunft». Und wie diese schon beim Menschen den Gedanken im «Wort» aus sich herausgehen läßt, so ist auch die wahre Prohole der göttlichen Vernunft der «Logos» 99 • Angesichts dieser Art der Auseinandersetzung mit der valentinianischen Lehre bleibt es in der Tat auffällig, daß lrenäus sein Pieroma nicht schließlich doch selbst ausdrücklich als eine Trias oder mindestens als eine Dyas, Trinitas oder Binitas, bezeichnet. Diesen letzten Schritt auf dem gleichen Wege tut Tertullian. Eignet er sich ganz offen un.d bewußt schon den gnostischen Begriff der Prohole (Emanation) an, so macht er nun auch die gnostische Trinitas zu einem kirchlich-theologischen Begriff. Es ist zu beachten, daß Ter96 Iren ä u s (adv. haer. II, 15, 1): nune dicant nobis caussam istam Aeonum emissionis, quid quia facta est talis, propter quid autem prima et archegonos omnium octonatio emissa est, et non quinio vel trinitas aut septenatio aut aliquid eorum, quae in alterum numerum confiniuntur? 9 7 Iren ä u s (adv. haer. II, 15, 2): universum quoque pleroma quid utique tri· partitum est in octonationem et decadem et duodecadem et non alterum quendam praeter hos numerum? et divisio autem ipsa, quid utique in tres, et non in quattuor vel quinque vel sex vel in· alterum quendam facta est numerum? 98 Iren ä u s (adv. haer. II, 13, 9: peccaverunt (sc. haeretici) autem et circa Zoen, dicentes eam sexto loco emissam, quam oportebat omnibus praeponere, quoniam deus vita est et incorruptela et veritas. 99 Iren ä u s (adv. haer. II, 13, 1): non capit igitur ex Bytho et Ennoia emis· sum esse Nun. verisimilius enim erat dicere eos, de propatore et de hoc Nu emissam esse filiam Ennoiam. non enim Ennoia mater est Noos, sicut dicunt, sed Nus pater fit Ennoiae. quemadmodum autem et emissus est Nus a propatore, qui principalem et primum eins, quae est intus, absconditae et invisibilis affectionis locum continet? Schon beim Menschen verhält sich der Nus sicut per radium emittens verbum, sed non ipse ab alio emittitur.
601
tullian einmal den Ausdruck «Trinitas» in der Wiedergabe valentinianischer Gedanken gebraucht 100 • Er weiß auch sehr wohl, daß er mit der Ausgestaltung eines kirchlichen Trinitätsbegriffs zur Bezeichnung dreier «Personen» der einen göttlichen «Substanz» etwas Neues, in der kirchlichen Tradition nicht Vorgesehenes konstruiert, das deshalb von den einfachen Gläubigen, nicht zu reden von den erklärten Modalisten, auch als anstößig empfunden und als heidnischer Polytheismus abgelehnt wird. Aber er setzt sich mit abschätzig-verächtlichen Ausfällen gegen die theologische Urteilsunfähigkeit dieser Masse der Einfältigen über alle Bedenken hinweg 101 • Und wenn lrenäus das gnostische Theologisieren in Zahlbegriffen ablehnte, indem er im Hinblick auf die obere Ogdoas des valentinianischen Pieroma fragte: Warum nicht ebensogut eine Quinio oder Trinitas oder Septenatio? - so läßt sich Tertullian durch solche Fragen nicht aus dem Konzept bringen. Seine Antwort auf den Vorwurf willkürlichen Theologisierens lautet echt tertullianisch einfach: Wenn es eine wirkliche Trinitas ist und nicht eine Quinio oder Octonatio, so hat es Gott nun einmal so und nicht anders gewollt 102 • Schließlich wird der christliche Monotheismus ja auch dadurch nicht angetastet, daß der eine Gott seine Herrschaft durch ein nach vielen Tausenden zählendes Engelheer ausübt 103• Einen besonders deutlich gnostischen Zug erhält die Trinitätslehre des tertullianischen Typus dadurch, daß sie im Schema der Subordination und zudem der Oikonomia entsprechend - nur sukzessive die göttliche Urmonas zuerst zu Dyas und diese dann zur Trias werden läßt. Dieser Typus 1oo Tertullian (adv. Valent. 17}: peperit (sc. Achamoth} denique, et facta exinde trinitas generum est, ex trinitate causarum. unum materiale, quod ex passione, aliud animale, quod ex conversione, tertium spiritale, quod ex imaginatione. 101 Te r tu 11 i an (adv. Prax. 3}: simplices enim quique, ne dixerim imprudentes et idiotae, quae maior semper credentium pars est, quoniam et ipsa regula fidei a pluribus diis saeculi ad unicum et verum deum transfert, non intellegentes unicum quidem sed cum sua oiconomia esse credendum, expavescunt, quod oiconomiam numerum et dispositionem trinitatis divisionem praesumunt unitatis, quando unitas ex semetipsa derivans trinitatem, non destruatur ab illa, sed administretur •.. itaque duos et tres iam iacticant a nobis praedicari, se vero unius dei cultores praesumunt. 102 Te r tu 11 i an (adv. Prax. 4): vide ergo, ne tu potins monarchiam destruas, qui dispositionem et dispensationem eins .evertis in tot nominibus constitutam, i n quot deus voluit. 103 T er t u ll i a n (adv. Prax. 3}: igitur si et monarchia divina per tot Iegiones et exercitus angelorum administratur, sicut scripturn est: milies centies centena milia adsistebant ei ... nec ideo unus esse desiit, ut desinat monarchia esse, qui per tanta milia virtutem procuratur, quale est ut deus divisionem et dispensationem pati videatur in filio et spiritu sancto, secundum et tertium sortitis locum, tarn consortibus substantiae patris, quam non patitur in tot angelorum numero?
602
wird denn auch später abgelehnt: Es ist nicht so - so charakterisiert der Protest des Gregor Thaumaturgus die abgelehnte Anschauung besonders deutlich - daß «die Monas sich erweitert zur Dyas und die Dyas zur Trias», sondern ganz unwandelbar besteht ein und dieselbe heilige Trias immerfort 104 • Nicht verwunderlich ist, daß ein kirchlicher Gnostiker wie Clemens Alexandrinus in seiner Anschauung von der christlichen obersten Trias auch noch über die Beziehungen zur Gnosis hinweg zurückgreift in die hellenische Philosophie 105 • Bei Origenes steht die Trias von Vater, Sohn und Geist mutatis mutandis durchaus in Analogie zur obersten Tetras des valentinianischen Pleroma. Sie ist der oberste Bereich einer im Stufenbau geordneten obern Welt himm· lischer Wesen 106 , die Origenes tatsächlich selber gelegentlich als «Pleroma)) bezeichnet: Aus dem göttlichen «Pleroma)) stieg die Seele Jesu bei der Inkarnation auf die Erde herab 107 • Origenes gibt auch das Merkmal an, wodurch sich die Göttlichkeit der Personen der Trias von derjenigen der Wesen des übrigen Pieroma unterhalb der Trias unter· scheidet 10s. Schließlich ist aber die überraschende Tatsache festzustellen, daß selbst in der weitern Entwicklung, bis zur abschließenden Ausgestaltung des kirchlichen Trinitätsbegriffs, die Symptome der Beziehung zur gno· stischen Pieromaspekulation keineswegs verschwinden. In gewissem Sinne werden sie sogar noch massiver. Das kann in nichts anderem seine Ursache haben als darin, daß man die Gnosis im großen und gan· zen nicht mehr als eine unmittelbar drohende Gefahr empfindet wie in der Zeit des Irenäus. Dabei fällt erst noch besonders ins Gewicht, daß sich gerade auch noch bei so bedeutsamen Repräsentanten der groß· kirchlichen Theologie wie Methodius im Osten und Hilarius im Westen G r e gor T hau m a tu r g o s (Expos. fidei, MG X, 935): o'Ü'tE aü!;tmlL !lO'VU~ &.i..i..' chQE:rt'tO~ XIXL &.vaÄÄOLOO'tO~ iJ IXU'tij iiyta 'tQLU~ &.Et. 105 C 1 e m e n s A 1 e x. (Strom. V, 103, 1): WO'tE xat E:rtUV EL:rtTI (sc. Platon)· «:rtEQL ,;ov :rtanoov ßaotÄEa ;n;uv,;a to,;t x&.xEtvou EVEXEV ,;u ;n;uv,;a x&.xEi:vo ahLOv a;n;unoov {tiilv) xai..wv, ÖEU'tEQOV öE :rtEQL ,;u ÖEU'tEQIX xat 'tQhov :rtEQL 'tu 'tQhW>, o'Öx äi..i..oo~ E'YOO'YE t;axouoo 11 ,;-ftv iiytav 'tQtaöa !lTJVUEo{}m· 'tQL'tOV !lEV y&.Q dvm ,;o ä.yLOv ;n;vEÜf.tiX, -rov ulov öE öEunQov, öL' oil :rtav,;a tytvE'to xa,;u ßouÄTJOLV ,;oii ;n;a,;Qo~. 106 0 r i g e n es (in Joh, Fragm. XX, ed. Preuschen, S. 500): 'to !lE'V ato{}T]'tW~ SOOQIXXE'VIXL i}Eo'V 'tOU~ &.ytou~ livÖQIX~ &.Mva,;ov EO'tL )\(XL 0\J'VOAOO~ ,;i]v 'tQL&.öa 11 -ra u;n;o -rau't'I]V VOTJ'ti]v il:rtaQ1;LV llx.ov,;a. 107 0 r i g e n e s ( Comm. XX, § 162 in J oh): 'tU)(.IX "(UQ iJ !lE'V ,;oii 'IT]OOÜ 'IIJ\JX.i] E'V -rn EIX'IJ'tij~ 't\J'Y)(.U'VO\JOIX 'tEÄELO'tT]'tL E'V {}eiiJ xat 't/il :rtAT]QOO!liX'tL 1jv, xat EXEL{}Ev e;EÄT]Ä'Uitui:a, ,;iiJ &.neo,;U.Mm &.no -roii :rtiX'tQo;, &.vtJ..aßEv ,;o ex ,;ij~ MaQta~ oiil~ta. 108 0 r i g e n e s (in Psalm. 135, Lommatzsch XIII, 134): 'tOU~ !lE'tU ,;'l]y 'tQL&.öa ittoU~ !lE'tO'UOLq. i}EO'tT]'tO~ El'VIXL 'tOLOU'tO\J~" Ö ÖE ooo'ti]Q ou XIX'tU !1-E'tO\Jotav, uÄÄa xa,;a ouolav {}go~. 104
El~ öuaöa, O'Ü'tE öuu~ Et~ 'tQLUÖIX,
40
603
Belege finden. Zufällig ist dies nicht. Denn ausgerechnet diese zwei Theologen bezeugen uns ja auch die andere Tatsache, daß man um diese Zeit selbst in der Großkirche noch Kenntnis hat von jener aus der Gnosis stammenden Auslegung von Lc 15, 4-6, die dann die Arianer als Schriftbeweis für die Engelchristologie benützt haben to9. Von Methodius steht übrigens fest, daß er Schriften oder jedenfalls die Theologie des Valentinus kennt 110 • Während früher ein lrenäus noch eine so große Ängstlichkeit gegenüber aller V ermengung kirchlicher Lehre mit dem Gift gnostischer Häresie an den Tag legte, daß er nicht einmal den Ausdruck «Trias» zu übernehmen wagt, trotzdem er ihn sehr wohl verwerten könnte, fühlen sich nun Methodius und Hilarius von der gnostischen Mode des Theologisierens in Zahlbegriffen derart angezogen, daß sie über die Lehre von der Trinitas hinaus gelegentlich sogar noch in Spielereien mit der «Ügdoas» sich ergehen. So Methodius in einer Allegorie über die achtzig Nebenfrauen des Königs Salomo (Cant 6, 7), in der er von einer «pneumatischen Ogdoas» redet 111 • Anderswo benützt er die 1260 Tage in Apoc Joh 12, 1-6 zu einer Spekulation über die göttliche Trias 112 • Hilarius stellt in der Einleitung zu seinem Psalmenkommentar Betrachtungen an über die Zahl der alttestamentlichen Psalmen. Daraus, daß es ihrer drei mal fünfzig sind, ergibt sich ein deutlicher Hinweis auf die Trinität. Aber dies genügt Hilarius nicht. Er muß neben der Trias auch noch eine Ogdoas und eine Dekas herausbekommen und gewinnt sie durch Zerlegung der Zahl 50 113 • Es fehlt wirklich nur noch die Dodekas, so hätte man das valentinianische Pieroma beisammen. Als letztes Glied in der Kette der Belege ist hier endlich noch die seltsame Tatsache festzuhalten, daß im Verlaufe der Kämpfe des vierSiehe S. 371 f., Anmerkung 1-3. M e t h o d in 8 nennt ausdrücklich den V alentinus, Sympos. VIII, 10. 111 M e t h o d i u 8 (Sympos. VII, 6): Ö ovv itE6~, iva J.liJ 3tU'V'tU ,;o ylivor:; 'tiö'V uvitgclmwv ui:o,;witu Ät'JitU 'tiö'V xaÄiö'V 'tO'V tiiLov mxtlla ,;oi:r:; 3t(lO(Jltl't!lLr:; EXEÄEUOE'V U3tTJ:X:TiOaL ,;ljv EOOJ.lE'VTJ'V eau,;oü 3ta(louolav ÖLa oagxor:; Elr:; 'tO'V ßlov, xait' l\v fJ ,;Tjr:; 3t'VEUJ.l!l'tLX'ijr:; öyöo6.öor:; :X:UQcl xat yviöOL~ X"Y)pux.6 ~OE:"t"Ot:L. ÜqJEO"Lr:; UJ.l!l(l'tTJJ.lU'tCO'V ovoa XUL U.vao,;aoEwr:; 3tU(lEX'tLXTJ. 3tE(lL'tJ.lTJitiJoEmL yrig ÖL'
110
604
ten Jahrhunderts, in der Auseinandersetzung mit der Lehre des Apollinar von Laodicea, für einen Moment die ernsthafte Frage zur akuten Gefahr wird, ob nicht auf Grund der bisherigen Entwicklung des christologischen Dogmas die so mühsam entwickelte christliche Trias plötzlich in eine gnostische Tetras umzuschlagen drohe. Hat Epiphanius seine Widerlegung des Valentinianers Herakleon mit einem Lobpreis Gottes abgeschlossen, in dem er triumphierend feststellt, er habe die christliche Trias siegreich gegen die Spekulation der Häretiker verteidigt 114, so muß er gegen Ende seines großen Werkes über die Häresien sich mit der apollinaristischen Anklage befassen, wonach die großkirchliche Lehre die Trias in eine Tetras verwandle. Nach Apollinaris ist es nicht nur um die christliche Erlösungslehre, sondern um das ganze Christentum geschehen, wenn man nicht anerkennt, daß auch der Leib des irdischen Christus in die Trinität gehört 115 • Wenn man nun aber im irdischen Christus zwei Personen unterscheidet, die Gottheit und den in der Inkarnation mit ihr verbundenen Menschen, der alsdann nach der Auferstehung mit ihr erhöht wird, dann kommt zur göttlichen Trias ein N eues, ihr bisher Fremdes als das Vierte hinzu, und die Trias wird zur Tetras 116 • So verfechten denn einige radikale Apollinaristen die Behauptung, der Leib des irdischen Christus sei eben so ewig wie der ewige Sohn als die zweite Person der Trinität selbst 117• Und sie überraschen die großkirchliche Theologie mit dem Vorwurf: «Wer behauptet, der Leib des Herrn stamme aus Maria, meint nicht mehr 11 4 E p i p h an i u s (h. XXXVI, 6, 2 f.): w<; xal nav,;axoii xa,;u naoiöv ,;iöv atg6ocmv 1tOL01Jf.tEVO<; ,;ov 'J..Oyov U.n{ÖcL'!;a, ÖTL EI<; EO'tLV ö itcÖ<; ö TU mJ.v,;a 1tOLftoa<; xal ÖTtf.ti.OU(lYfJOa<;, Ö 1tCl'tTJ(l 'tOU XU(llou lJJ.tOOV 'ITt
605
eine Trias, sondern eine Tetras in der Gottheit» 118 • Diese Tetras ist nun noch viel schlimmer als die gnostische des V alentinus: In ihr figuriert, verbunden mit einer der drei göttlichen Personen, ein Mensch. Das Hin- und Herschwanken der Kirchenlehre dieses Zeitalters zwischen Gnosis und Sabellianismus, Sabellianismus und Gnosis ist das unvermeidliche und erfolglose Hin- und Herschwanken zwischen angestammtem Monotheismus und heidnischem Polytheismus, zu dem die Kirche verurteilt ist, seit sie an die Stelle der im Prozeß der Enteschatologisierung notwendig preisgegebenen ursprünglichen Engelchristologie das neue hellenistische Dogma von der Gottheit Christi gesetzt hat. Im Augenblick, da endlich nach langem, schwerem und verworrenem theologischem Streit das neue nicänische Trinitätsdogma in homoiusianischer Auslegung den Sieg zu erringen sich anschickt, gesteht der Abendländer Hilarius das schwere Dilemma ein, mit dem die kirchliche V erteidigung des Monotheismus zu rechnen hat 119 • Er hat so wenig wie irgendein anderer Theologe der neuen kirchlichen Rechtgläubigkeit auch nur eine Ahnung von den geschichtlichen Ursachen, die die kirchliche Lehre im Aufbau ihres neuen Dogmas in diese vorderhand ausweglose Schwierigkeit hineingedrängt haben. So sucht er sich über das Bedrükkende der Situation einigermaßen zu beruhigen mit der dogmatischen Auskunft, es handle sich in der Lehre von der Trinität um ein göttliches Mysterium, das die unzulängliche menschliche Vernunft nicht aufzuhellen vermöge 120.
118 A t h a n a s i u s (E p i p h a n i u s , h. LXXVII, 4, 6): ö 'J..eyrov ~'X. MaQta<; EtvaL 'tO 'X.UQLaif.ov O"öiiJ.a 01J'X.E'tL 'tQLUÖa, a'J..J..i'J. 'tE'tQUlla ~V 'tTI fiE('J't1jn q>QOVEi. 119 Hilarius (de trin. V, 1): Für die Behauptung des Monotheismus ergibt sich das schwierige Dilemma, daß unus deus aut alium excluderet, aut per alium non esset, aut tauturn in nominibus unus esset, quia et unitas alium nesciret et alius non permitteret unionem et duo ilnus esse non posset. 120 H i I a r i u s (de trin. IV, 1): non ignoramus autem, ad res divinas explicandas neque hominum elocutionem, neque naturae humanae comparationem posse sufficere. quod enim inenarrabile est, id signifieantiae alicuius finem et modum non habet. 111, 25: non ergo sunt stulta quae dei sunt; sed humanae naturae insipiens prudentia est quae a deo suo aut signa aut sapientiam ad fidem postulet.
606
Sechstes Kapitel Die Entwicklung der Zweinaturenlehre Es ist in einem frühern Abschnitt unserer Darstellung gezeigt worden, daß das Urchristentum die Frage, in welchem Sinne der geschichtliche Jesus als der himmlische Christus aufzufassen sei, nach dem Schema der Verwandlungsvorstellung beantwortet hat, die dem Wesen der ursprünglichen Engelchristologie entspricht 1 • Aus den dogmengeschichtlichen Quellen des nachapostolischen Zeitalters ergab sich sodann die Tatsache, daß zwar die Verwandlungsvorstellung in der Folgezeit überraschend stark und lange nachgewirkt hat, daß sie aber schließlich von der großkirchlichen Theologie entschieden abgelehnt und durch das Zweinaturenschema ersetzt wurde 2 • Die Darstellung dieses Prozesses der Verdrängung des Ursprünglichen mußte bereits auf die treibenden Motive dieser Wandlung hinweisen: sie liegen in der neuen Erlösungslehre und in der Erhebung des Engelwesens Christus zur Gottheit, woraus sich folgerichtig die Forderung ergibt, daß der himmlische Christus an der göttlichen Absolutheit und damit an der göttlichen Unwandelbarkeit Anteil habe 3 • Hier ist nunmehr die Entwicklung des neuen Dogmas, des Zweinaturenschemas, selbst genauer ins Auge zu fassen. Der Prozeß der neuen Dogmenbildung erfolgt an diesem Punkt in sehr langwierigem und mühseligem Fortschreiten. Trotzdem in der dem neuen Erlösungsdogma entsprechenden neuen Lehre von der Heilsbedeutung der Inkarnation des göttlichen Logos-Sohnes das Zweisubstanzenschema als Grundschema der neuen Auffassung von der Erscheinung der Gottheit im geschichtlichen Jesus schon zu Beginn des zweiten Jahrhunderts deutlich vorgezeichnet ist4, dauert es noch Jahrhunderte bis zur abschließenden Klärung und Definition des Dogmas. Nicht einmal mit der Kompromißformel des Chalcedonense sind die innerkirchlichen Meinungsverschiedenheiten und Kämpfe um die Klärung der Einzelheiten abgeschlossen. Allein dieser Verlauf kann nicht verwundern. Die dogmengeschichtliche Entwicklung wird hier beträchtlich gehemmt durch Schwierigkeiten, die keineswegs zufälliger Natur sind. Diese Schwierigkeiten treten sehr deutlich zutage in den Auseinandersetzungen, in 1 2
3 4
Siehe Siehe Siehe Siehe
S. 313-321. S. 362-371. S. 362. S. 468-480.
607
welche die großkirchliche Theologie mit der Gnosis, dem Modalismus und den Arianern verwickelt wird. Und sogleich zeigt sich, daß es sich dabei um weit mehr handelt als um Hemmungen, die lediglich aus der Konkurrenz der nachwirkenden Verwandlungsvorstellung der alten Engelchristologie erwachsen würden. Es handelt sich vielmehr um Störungen, denen die Entwicklung der neuen Kirchenlehre auf ihrem eigenen Wege begegnet. Würde es sich ausschließlich darum handeln, die Auffassung vom Wesen Jesu als der geschichtlichen Erlöserpersönlichkeit folgerichtig nach den Intentionen der neuen Erlösungslehre zu gestalten, so könnte die großkirchliche Theologie sehr wohl es dabei bewenden lassen, sich auf die einfache Vorstellung der «Inkarnation» im strengen Sinne dieses Wortes festzulegen. Danach hätte im geschichtlichen J estis der präexistente Logos-Sohn, der Substanz nach Gott, sich mit der Substanz des menschlichen «Fleisches» verbunden, d. h. er hätte einen menschlichen Fleischesleib sozusagen wie ein Kleid angezogen 5• Man kann diese einfache Vorstellungsweise als das primitive Zweisubstanzen- oder Zweinaturenschema bezeichnen. Es wird in den Dokumenten der johanneischen Theologie, im Evangelium und in den Briefen, nicht nur vertreten, sondern gefordert und verteidigt 6 und wird daher weitverbreitete und lange nachwirkende gemeinkirchliche Auffassung. Daß der Logos-Sohn «Fleisch angenommen» habe, ist eine sehr gebräuchliche Aussage, mit der recht verschiedene Vertreter des nachapostolischen Christentums ihre Auffassung von der Erscheinung des göttlichen Sohnes im irdischen Jesus zum Ausdruck bringen 7 • Gelegentlich wird auch 5 In der Sprache der überlieferten apokalyptischen Eschatologie ist der Leib häufig mit einem Kleide verglichen oder kurzweg als solches bezeichnet. Die endzeitliehe Auferstehung wird dann vorgestellt als das Anziehen des neuen, unvergänglichen Kleides; siehe Apoc Joh 3, 4; 6, ll; 7, 14; 16, 15; 19, 13. Hiezu W. B o u s s e t, Die Offenbarung Johannis, 1906, S. 271: «Mit den Kleidern, welche die Frommen bekommen, hat es, wie es scheint, eine besondere Bewandtnis. Es sind keine gewöhn· liehen Kleider, sondern die neue Erscheinungsform, der himmlische Leib.» Siehe ferner Ascensio Jesaiae 9, 2. 8. 11. 24 ff.; V. Esra 2, 45. Noch Eu s eh redet (Theophanie I, 43. 75) vom Leihe als vom <
608
gesagt, der präexistente Christus habe «den Leih Adams angezogen» s. Es ist bemerkenswert, daß man sich nicht einfach streng an die Ausdrucksweise der nunmehr kanonisch maßgehliehen Stelle Joh 1, 14 hält. Das «der Logos wurde Fleisch» wird zwar mit der Zeit immer häufiger zitiert, und vorab lrenäus drückt sich auch sonst mehrfach so aus 9 • Aber man empfindet doch, daß hier in der F o r m der Aussage noch das alte Verwandlungsschema nachklingt und daß man sich deshalb zur Vermeidung von Mißverständnissen deutlicher aussprechen muß 10 • Daß es sich wirklich um die Verhindung zweier an sich wesensverschiedener Substanzen und gerade nicht mehr um die in der alten Engelchristologie gemeinte Verwandlung eines himmlischen Wesens in irdische Menschengestalt handeln soll, kommt im großen und ganzen deutlich zum Ausdruck. Schon Melito von Sardes redet ausdrücklich von «zwei Substanzen». Er unterscheidet sie als Gottheit und Menschheit oder «Fleisch» 11 • Oft aber werden des nähern die beiden Substanzen, in voller Übereinstimmung mit den Postulaten der neuen Erlöt4ungslehre12, als (göttlicher) Geist und Fleisch hezeichnet 13 . Zur Vercarnis coniunctione concreatus. L a c t an z (inst. epit. 38): ut . . . in secunda (sc. nativitate) carnali ex sola matre genitus caro sancta fieret, ut per eum caro, quae subiecta peccato fuerat, ab interitu liberaretur. M a r c e ll von An c y r a (bei Eus e b, c. Mare. II, 3, 1) redet von der &:vai..Tjljltc; -rijc; 11UQ?t6c; dv.rch den Logos. Auch in der Gnosis ist diese einfache Ausdrucksweise vereinzelt anzutreffen. Wenigstens gibt Iren ä u s (adv. haer. I, 15, 2) die Av.ffassung der Markosier wieder mit
609
aeutlichung der Zweisuhstanzenlehre gehört auch die gelegentlich ausdrücklich vollzogene Abgrenzung gegenüber der Vorstellung einer bloßen Inspiration des Menschen Jesus durch den Logos oder den göttlichen Geist 14 • Noch im vierten Jahrhundert gibt uns Apollinar von Laodicea in seinem Streit mit der neuen Orthodoxie die Bestätigung dafür, daß jedenfalls von der neuen kirchlichen Erlösungslehre her in der Tat keinerlei Gründe sich ergaben, dieses einfache Zweinaturen- oder Zweisubstanzenschema preiszugeben 15 • Für diejenigen, die lediglich von der neuen Heilslehre aus sich die Lösung dieses christologischen Problems zurecht legen, war das Schema auch durch einen besondern Vorzug ausgezeichnet. Es macht nämlich die Einheit der Person nicht problematisch. Als handelndes Subjekt der geschichtlichen Erlöserpersönlichkeit J esus Christus kann eindeutig der göttliche Logos-Sohn gelten: Er ist es, der in der Inkarnation den menschlichen Fleischesleib annimmt und, indem er diesen mit sich einigt und ihn vergottet, die Erlösung bewirkt. Trotzdem muß gerade durch das, was hier zunächst als Vorzug erscheint, das primitive Zweinaturenschema zum Problem werden, sobald die Gesamtheit der neutestamentlichen Aussagen über das Leben Jesu in Betracht gezogen und zugleich damit gerechnet wird, daß dem inkarnierten Logos-Sohn als Gottheit auch die göttliche Absolutheit zukommt. aroaa-; fJ!lii';, &v !1-EV 'tO ~QOO'tOV ~vtii~ta, Ej'EVE'tO CJUQ~ ... Im Anschluß an die johanneische Ausdrucksweise klingt hier noch die Verwandlungsvorstellung nach. T e r • tu ll i an (adv. Prax. 27): sed quia suhstantiae amhae in statu suo quaeque distincte agebant, ideo ·illis et operae et exitus sui occurrerunt .•. neque caro spiritus fit neque spiritus caro. in uno plane esse possunt. ex his Jesus constitit, ex carne .homo, ex spiritu deus. K a ll i s t v o n R o m redet (Hip p o I y t, Refut. IX, 12, 16 ff.) von dem EV 'tÜ ~aQfrEVq> CJUQ%C.OitEv ~VEii~ta. P s .• C y p r i an (de montibus Sina et Sion 4): spiritus carni mixtus Jesus Christus. V i c t o r in u s P e t a v. (Comm. in Apoc." Joh. I, 2): adunatum istud corpus cum spiritu gloriae. Das <
610
Auf die hier sich erhebenden Schwierigkeiten ist erstmals die Gnosis gestoßen und hat sie auf ihre Weise zu lösen gesucht. Sobald die kirchliche Theologie sich mit der Gnosis auseinanderzusetzen beginnt. müssen die nämlichen Schwierigkeiten auch ihr zum Bewußtsein kommen und sie wird zugleich gezwungen, zu den Lösungsversuchen der Gnosis Stellung zu nehmen. Die kirchliche Theologie hat ihre neue Erlösungslehre im Gegensatz zur Gnosis ausgebildet 16• Gnostische und großkirchliche Erlösungslehre haben jedoch dies gemeinsam, daß sie heide eine Neukonstruktion der Christologie im Sinne des Zweinaturenschemas erfordern. Verschieden ist nur die Endahsicht. Im geschichtlichen Erlöser der Gnosis muß Geist mit irdischer Materie in vorübergehende Verhindung treten, um allen an diese Materie gebundenen Geistern die Erlösung aus dieser Gefangenschaft zu ermöglichen. Im geschichtlichen Erlöser der kirchlichen Theologie dagegen muß diese Verhindung als dauernde zustandekommen, um sie auch den Gläubigen möglich zu machen, sofern die Erlösung für sie darin besteht, daß ihr irdischer Fleischesleih durch die Vereinigung mit dem Logosgeist vergottet d. h. der Unvergänglichkeit teilhaftig wird. Obwohl nun vereinzelt, wenn man dem Bericht des lrenäus volles Vertrauen schenken darf 17, auch in der Gnosis Formeln auftreten, die im Sinne des primitiven Zweinaturenschemas lauten, so besteht doch die Eigentümlichkeit der gnostischen Christologie darin, daß sie dieses einfache Schema zu einer komplizierten Konstruktion ausgestaltet. Indem sie erstmals im nachapostolischen Christentum die Aufgabe einer durchgängigen Exegese der Evangelienschriften in Angriff nimmt, fäJlt ihr unvermeidlich auf, daß hier, vor allem in den ältern synoptischen Berichten, der geschichtliche Jesus niemals lediglich als die Inkarnation einer göttlichen Person in dem einfachen Sinne des primitiven Zweinaturenschemas geschildert ist. Das heißt: Es wird ihr offenbar, daß nach den bestimmten, anschaulichen Angaben dieser Evangeliendarstellung das Irdisch-Menschliche an Jesus niemals reduziert ist auf einen bloßen menschlichen Fleischesleih, in de~ ein göttliches Wesen als sichtbare Gestalt erscheint. Vielmehr tritt als Inbegriff des Menschlichen hier zutage eben ein Mensch, der Mensch Jesus von Nazareth, der geboren wird, eine Kindheit erlebt und zum Mannesalter heranreift. Diese exegetische Erkenntnis drängt zu einer komplizierten christologischen Konstruktion, die man als das differenzierte Zweinaturen16 17
Siehe. S. 398. Siehe hievor Anmerkung 7.
611
schema bezeichnen kann: Es wird unterschieden einerseits der himmlische göttliche Gottessohn, andererseits der Mensch Jesus von Nazareth, und indem jener in diesen eingeht und sich mit ihm verbindet, entsteht der geschichtliche Erlöser Jesus Christus. Diese gnostische Konstruktion wird in verschiedenen ungleich komplizierten Varianten ausgeführt. Die Ophiten sagen vom Menschen Jesus ausdrücklich, er sei durch die Mitwirkung eines Gottes aus der Jungfrau geboren und daher «weiser, reiner und gerechter als alle Menschen» gewesen 18 • Die übernatürliche Erzeugung in der Jungfrau hatte den Zweck, den Menschen Jesus als ein «reines Gefäß» für den aus dem Pieroma herniedersteigenden Christus zuzubereiten. Nach lrenäus gibt es unter den gnostischen Richtun- · gen, die den Menschen Jesus vom himmlischen Christus unterscheiden, auch solche, die sich speziell an die Darstellung des Markusevangeliums halten. Diese verzichten demnach auf das Dogma von der übernatürlichen Erzeugung und Gehurt aus der Jungfrau 19 • Basilides hat den Gedanken der Menschheit Jesu unerbittlich bis zur grundsätzlichen Bestreitung der Sündlosigkeit Jesu durchgeführt: Er habe zwar nicht tatsächlich gesündigt, aber die allgemein-menschliche Anlage zur Sünde in sich getragen 20 • Mehrfach ist bei den Gnostikern auch von der Seele J esu oder dann von einem «psychischen Leihe» die Rede 21 • Eine besonders komplizierte Konstruktion des differenzierten Zweinaturenschemas 18 Nach Iren ä u s (adv. haer. I, 30, 12): Jesum autem, quippe ex virgine per operationem dei generatum, sapientiorem et mundiorem et iustiorem hominibus oinnibus fuisse. Christum perplexum Sophiae descendisse et sie factum esse Jesum Christum. Ausdrücklich ist Jesus bezeichnet als homo ex virgine factus per Jaldahaoth (1, 30, 11). 19 Iren ä u s (adv. haer. 111, 11, 7): qui antem Jesum separant a Christo, et impassibilem perseverasse Christum, passnm vero Jesum dicunt, id quod secundum Marcum est praeferentes Evangelium. 2 CI e m e n s AI e x. berichtet (Strom. IV, 83, 1): d~' 1m:oßu~ 'l!.ClL 3tEQL 'tOU 'XtiQlOU U'V'tL'XQtl~ ro~ 3tEQL &.v~eron:ou AE"{EL (sc. Basilides in seinen «Exegetica»): EU'V Jl.EV'tOL n:aeaA.Ln:rov 'tOU'totJ~ än:av'ta~ -.:ou~ A.Oyou~ eA.~n~ tn:t 'to liucrron:Eiv Jl.E ÖLu n:eocrwn:rov 'twiöv, Ei 'tU:X:OL, AEyrov· ö ÖEiva oiiv ilf.Lae-.:Ev, en:a~Ev yue ö ÖEiva, Eav Jl.EV lim'teen:n~. eew, ou:x: ilf.LctQ'tE'V f.LEv, Öf.LoLo; öE f]v 't/p n:acr:x:ov'tL 'VTJ3tLCfl. EL f.LE'V crcpoöeo'tEQov E'XßLUO"ClLO 'tO'V A.Oyov, EQiii, U'V~Q<03tO'V Ö'V'tL'V' av O'VOf.LUO"TI~ U'V~Q<03tO'V ctvm, ÖL'l!.ClLO'V ÖE 'tO'V ~EO'V, ')!.(l~ClQO~ yue oUöcl~, W0"3tEQ EL3tE 'tL~, &.n:o QU3t0tJ. 21 Karpokrates nach lrenäus (I, 25, 1): Jesnm autem e Joseph natum, et quum similis reliquis homiuibns fnerit, distasse a reliquis secundum id, quod anima eins firma et munda quum esset, commemorata fuerit, quae visa essent sibi in ea circumlatione quae fuisset ingenito deo. Die B a r b e I o gnosis läßt eine «Kraft des großen Sabaoth, des Gutem>, die Stelle der Seele Jesu einnehmen (Pistis Sophia 8). Te r tu ll i an lehnt (de carne Christi 15) die Behauptung einer caro animalis Jesu ab; siehe auch de carne Christi 10, wo er sich wendet gegen diejenigen, qui carnem . Christi animalern affirmant, quod anima caro sit facta, ergo et caro anima, et sicut caro animalis, ita et anima carnalis.
°
612
findet sich in der irenäischen Darstellung der valentinianisch (-ptolemäischen) Christologie. lrenäus hält sich darüber auf, daß hier geradezu ein vierteiliger Christus konstruiert werde 22 • Allein die Ausgestaltung des differenzierten Zweinaturenschemas, mit dem die Gnosis ein durch die Evangelienexegese aufgeworfenes Problem lösen will, schafft neue Schwierigkeiten. Von vornherein muß ja schon fraglich werden, wie die im primitiven Zweinaturenschema verhältnismäßig leicht vorstellbare Einheit der Persönlichkeit des geschichtlichen Jesus weiterhin gewahrt werden kann, wenn in ihm nun zwei persönliche Wesen, der himmlische Christus und der irdische Mensch Jesus von Nazareth irgendwie vereinigt sein sollen. Bei der besonders komplizierte~ Konstruktion der V alentinianer drängt sich die Frage ohne weiteres als besonders dringlich auf. Sie müssen dies selber deutlich empfunden haben; denn lrenäus berichtet von ihnen, sie hätten sich um die Behauptung der Einheit besonders bemüht und sie mit Hilfe des Johannesevangeliums nachzuweisen versucht 23 • Das Problem wird jedoch noch wesentlich verschärft dadurch, daß die Gnosis in der Auslegung der Evangelienberichte über J esus ihr Homousiedogma mitberücksichtigen muß. Ist es möglich, als Subjekt sämtlicher Erlebnisse, Taten und Worte des Jesus der Evangelien ein göttliches Wesen wie den gnostischen Christus zu denken, dem die Homousie mit dem Urvatergott zugeschrieben wird? Bedingt nicht letztlich schon die Inkarnation eines solchen göttlichen Wesens in dem Menschen J esus eine Beschränkung der Wesenszüge der Gottheit? Nach der Auffassung des Apostels Paulus erfolgt die Menschwerdung des präexistenten himmlischen Christus jedenfalls nicht ohne eine Selbstentäußerung seiner himnilischen Herrlichkeit (Phil 2). Das entspricht freilich dem seiner Engelchristologie eignenden Verwandlungsschema. Aber läßt sich diese Auffassung von einem Engelwesen auf einen mit dem Urvatergott substanzgleichen göttlichen Äon des gnostischen Pieroma übertragen? Daß sich dies tatsächlich nicht von 22 Iren ä u s (adv. haer. I, 7, 2): TO'V ouv xugwv TJfl.OO'V EX TEO'O'UQOO'V TOUTOO'V auvil'ETO'V yeyo'VE'Vfl.L (jlUO'XOU
613
selbst versteht, bezeugt der Valentinianer Theodot., von dem wir aus den Exzerpten des Clemens Alexandrinus wissen, daß er die paulinische Kenosistheorie mit Berufung auf die synoptische Verklärungsgeschichte für unannehmbar gehalten hat 24 • Wenn aber der himmlische Erlöser von seiner Göttlichkeit nichts preisgibt, kann er dann noch der Erzeugung und Geburt durch eine irdisch-menschliche Mutter unterworfen gedacht werden? Die Antwort lautet mehrfach verneinend: Erzeugt und geboren wird nur der Mensch Jesus. Erst später verbindet sich mit ihm der göttliche Erlöser. Die Darstellung des Markusevangeliums bietet die Möglichkeit, das Ereignis in die Taufe Jesu zu verlegen. Indessen wird nicht immer ausdrücklich diese Datierung angegeben 25• Die V alentinianer wollen in ihrer komplizierten christologischen Auffassung nicht einmal die Geburt des «psychischem> Christus durch Maria ohne Vorbehalt gelten lassen: Er ging durch Maria hindurch nur so, wie Wasser durch eine Rinne fließt, also ohne von ihrer. Leiblichkeit etwas anzunehmen 26 • In diesen Zusammenhang gehören auch gewisse Spekulationen über die besondere Beschaffenheit des Leibes Jesu, die nicht auf eine pure doketische Leugnung der Wirklichkeit dieses Leibes hinauslaufen, sondern z. B. auf die Behauptung eines «pneumatischen» Leibes, eine Vorstellung, die rein als solche dem nachapostolischen Christentum von der paulinischen Eschatologie her bekannt ist 27 • Problemgeschichtlich bemerkenswert ist nun, daß die gnostischen Theologen sich auch sonst gezwungen sehen, in den evangelischen Be24 CI e m e n s AI e x. (Exc. e Theod. 4, 2): a\rto; yaQ xat &wo
w;
614
richten über Leben und Wirken Jesu im Sinne ihres Zweinaturenschemas zu unterscheiden, was davon im einzelnen entweder auf den Menschen Jesus oder auf den göttlichen Christus zu beziehen sei. Man stellt fest, daß Jesus erst Wunder tut, nachdem der himmlische Christus in ihn eingegangen ist. Die Wunder sind demnach Manifestationen seiner göttlichen Natur, während sein «Essen» natürlich nur auf den Menschen Jesus zu beziehen ist 28 • Die Valentinianer sind dazu fortgeschritten, auch die Worte Jesu daraufhin zu beurteilen, von welcher der in Jesus vereinigten Wesenheilen sie gesprochen seien 29 • In den Theodotexzerpten des Clemens Alexandrinus finden sich Beispiele dafür, wie dieser V alentinianer hier im einzelnen verfahren ist. Theodot läßt sich dabei als exegetischen Anhaltspunkt die Tatsache nicht entgehen, daß Jesus mehrfach, so vor allem in gewissen «Menschensohn»-Sprüchen, in der dritten Person von sich selbst zu reden scheint, was ihm als Beweis dafür dienen kann, daß in diesen Fällen ein anderes Ich in ihm gemeint ist 30• Ganz systematisch haben auch die von Hippölyt beschriebenen Naassener eine derartige christologische Evangelienauslegung betrieben 31 • Unvermeidlich macht sich aber als das dringlichste Problem geltend die Frage, ob der Bericht über das Leiden Jesu auch auf den Christus in ihm bezogen werden dürfe. Und an diesem Punkte wird die wesentliche Bedeutung der Wandlung der ursprünglichen Engelchristologie zur nachapostolischen Vergottungschristologie handgreiflich offenbar. Nach dem Urteil und dem persönlichen Empfinden des Paulus ist freilich ein am Kreuze leidender und sterbender himmlischer Messias «den Juden ein Ärgernis» (I Cor l, 23), aber nur deshalb, weil ein solcher der spätjüdischen Messiaslehre fremd ist. Sobald aber Paulus von der Messia28 Iren ä u s (adv. haer. I, 30, 12 ff.) über die 0 p h i t e n : descendente autem Christo in Jesum, tune coincepisse virtutes perficere et cenare. 2D Iren ä u s (adv. haer. I, 7, 3): Die Vaientinianer behaupten, xa.t -r:ov 'IT]UOÜ'V ooaa.u-r:ro,; -r:o ~tßv -r:t &no -r:oü aro-r:ijpo,; etpT]xßva.t, -r:o öß -r:t &no -r:ij,; !tTJ"tQ6~, -r:o öß "tL U3t0 "tOÜ ÖT]!tLOUQYOÜ. 8 C I e m e n s AI e x., Exc. ex Theod. 61, l. T h e o d o t greift hier auf Stellen wie .loh 14, 6; 10, 30; Lc 9, 2i; Mc 8, 31. Zu diesen synoptischen Stellen führt T h e 0 d 0 t aus: w~ TCept oD.).ou
°
615
nität Jesu überhaupt überzeugt ist, bietet ihm die Vollziehung der Vor~ stellung eines gekreuzigten Messias, trotzdem dieser für ihn ein himmlisches Wesen ist, gar keine Schwierigkeiten mehr: Da er von der apokalyptischen Engelchristologie ausgeht, vermag er ohne weiteres mit Hilfe der Verwandlungsvorstellung den Gedanken des leidenden und sterbenden Christus dem Sinnzusammenhang seiner überkommenen Messiaslehre einzuordnen. Indem die gnostische Theologie den Übergang von der Engelchristologie zu einer homousianischen Lehre von der Gottheit des himmlischen Christus vollzieht und deshalb das Verwandlungsschema zugunsten eines differenzierten Zweinaturenschemas preisgeben muß, wird ihr notwendig der Gedanke des leidenden Christus problematisch. Konsequenterweise muß sie sich für die Behauptung der Leidensunfähigkeit des mit dem Menschen Jesu verbundenen göttlichen Wesens entscheiden, also Kreuzesleiden und Tod nur dem Menschen Jesus zuschreiben. In diesem Sinne lautet denn auch die klare Lehre der wichtigsten gnostischen Schulen. Im Vordergrund stehen hier die Belege für die Lehre der V alentinianer 32 , Basilidianer und Ophiten. Man ist in diesem Falle gezwungen, einleuchtend zu machen, daß der Christus den Menschen Jesus vor der Passion wieder verlassen habe 33 • Wie stellt sich nun die großkirchliche Theologie zu den Problemen, die sich für das auch von ihr zunächst vertretene primitive Zweinaturenschema ergeben? Und welche Bedeutung erhalten für sie die gnostischen Lösungsversuche? Das wird sehr deutlich ersichtlich aus der Art und Weise, wie lrenäus hier die Auseinandersetzung mit der Gnosis führt. Als bewußter und energischer Verfechter der neuen kirchlichen Er32 Nach Iren ä u s (adv. haer. I, 7, 2) lehren die (ptolemäischen) Valentinianer: xal "toihov (sc. "tOV O"Ol"tijea) fLEV a:n:a'frij Öt!lfLEfLEV'I)"KEV(lt" ou yae EVEÖE)GE"tO :n:a'freiv !lU"tOV, U"KQU"t'I'J"tOV xat UOQ!l"tOV u:n:U.e:x:ov-ca. So auch III, 7, 11; 16, 9; 17, 4. Der Valentinianer T h e o d o t lehrt (Cl e m e n s AI e x., Exc. ex Theod. 61, 1): a:n:E'fravev llE a:n:OO"tUV"tO~ "tOÜ "K!l"tal36.v-co~ i::n:' (lU"tcp i::n:t "tcp 'loelluvn :ltVEUfL!l"tO~, OU"K tlltq; YEVOfLEVOU, aHa OUO"t!lAEV"tO~, iva xat i:veeyiJon 0 'fruva,;o~. E:ltEL :n:&~ "tij~ 'C;ooij~ :lt!lQOUO'I)~ EV (lU"tcp a:n:E{}avEV "tO OWfL!l; OÜ"tOl yae O.v xat !lU"tOÜ "tOÜ O"Ol"tijQO~ 0 'fruva,;o~ E"KQU"t'I'}OEV ü.v, 8:n:ee Ü.-co:n:ov. Aber auch für den V alentinianer H e r a k I e o n ist die Unterscheidung des leidensunfähigen Gottes in dem leidensfähigen Menschen Jesus bezeugt. Er hat sie als Exegese zu Joh 1, 29 vorgetragen (0 r i g e n es, Comm. VI, § 306 f. in Joh). 33 Nach Iren ä u s (adv. haer. I, 7, 2) lehren die (ptolemäischen) Valentinianer von J esus: fie'frm, :n:eooayOfLEVOU au,;oii -ccp IltAU"tq>, "tO EL~ au,;ov xa-ca-cE'frtv :n:vEÜfL!l :X:QLO"tOÜ. So auch Ill, 16, 9. Von B a s i I i des erzählt Iren ä u s (adv. haer. I, 24, 4) die Geschichte von der Vertauschung Jesu mit Sirnon von Kyrene, der an Stelle des Christus gekreuzigt wird, siehe S. 292, Anmerkung 7. Die 0 p h i t e n lehren nach Iren ä u s (adv. haer. I, 30, 13): et in eo, quum adduceretur, ipsum quidem Christum cum Sophia abstitisse in incorruptibilem Aeonem. Jesum autem crucifixum.
616
lösungslehre muß auch lrenäus das primitive Zweinaturenschema übernehmen und in seinem Inkarnationsbegriff vertritt er es auch tatsächlich. Wenn er nun aber sieht, wie die gnostische Ausbildung und Anwendung des differenzierten Zweinaturenschemas zu neuen Unterscheidungen führt, die den himmlischen .Christus nicht mehr als einheitliches Subjekt des gesamten, von den Evangelien berichteten Lebens, Wirkens und Leidens J esu gelten lassen, so empfindet er dieses ganze gnostische Schema als eine schriftwidrige neue Spekulation, durch die die Einheit der Person des geschichtlichen Erlösers aufgehoben werde. An Stelle des einen Jesus Christus hat man nun zwei in ihm irgendwie verbundene persönliche Wesen, ein göttliches und ein menschliches 34 • Das christologische Gespenst der hier drohenden gnostischen Doppelpersönlichkeit, wovon die eine geboren wird, leidet und stirbt, die andere aber nicht, schreckt den lrenäus derart ab, daß er in der Polemik dagegen sich nun viel weiter vorwagt, als er mit Rücksicht auf seine eigene christologische Lehre verantworten kann. Im Interesse der Personeinheit des gottmenschliehen Erlösers lehnt er jetzt ganz allgemein die Unterscheidung zweier verschiedener «Substanzen» im geschichtlichen Jesus Christus überhaupt als eine Blasphemie aL 35• Allein damit verleugnet er offenkundig sein eigenes primitives Zweinaturen- resp. Zweisubstanzenschema. Dementsprechend nimmt er nun auch Stellung zu der gnostischen Entscheidung des Problems des Leidens Jesu. Auch in der Passion Jesu muß der göttliche Logos-Sohn das personale Subjekt des hier Erlebten sein. Leidet dieser selbst, so ist eben mit der Menschwerdung der an sich nicht leidensfähige göttliche Logos leidensfähig g e wo r den, wie er auch als der an sich U nsichthare und Unfaßbare sichtbar und faßbar geworden ist 36 • Wie klar lrenäus mit dieser in das alte Verwandlungsschema zurückbiegenden 37 34 Iren ä u s (adv. haer. Ill, 16, 9): si enim alter quidem passus est alter autem impassihilis mansit, et alter quidem natus est, alter vero in eum qui natus est, descendit et rursus reliquit eum, non unus, sed duo monstrantur. quoniam autem unum eum, et qui natus est et qui passus est, Jesum Christum novit apostolus, in eadem epistola iterum dixit: (Rm 6, 3 f.). 35 Irenäus zu Joh 20, 31 (adv. haer. Ill, 16, ): provideus (sc. Johannes) has hlasphemas regulas, quae dividunt dominum, quantum ex ipsis attinet, ex altera et altera suhstantia dicentes eum factum. 36 Von dem unus Christus Jesus dominus noster sagt Iren ä u s (adv. haer. 111, 16, 6): in omnihus autem est homo, plasmatio dei, et hominem ergo in semetipsum recapitulans est, invisihilis visihilis factus, et incomprehensibilis factus comprehensibilis, et impassihilis passihilis, et verhum homo. 37 Siehe die irenäische Aussage Epideix. 62: Christus ist
617
antignostischen These seinem eigenen Zweinaturenschema widerspricht, ergibt der Vergleich mit einer ganz andern gelegentlichen Aussage, in der er selber den Menschen und den Logos in Jesus folgendermaßen unterscheidet: In Versuchung, Kreuzigung und Tod habe der Logos im Menschen Jesus «geruht», sei also hievon nicht betroffen worden, und nur im «Siegen» Jesu sei er mitbeteiligt gewesen 38 • Es ist hier auch der Ort, sich dar an zu erinnern, wie Irenäus es den V alentinianern zum Vorwurf machte, daß sie inkonsequenterweise aus dem leidensunfähigen göttlichen Urvater durch Zeugung eine leidensfähige Sophia hervorgehen lassen: Entweder sei alles aus dem Urvater Gezeugte leidensunfähig wie er selbst, oder dann sei auch er leidensfähig wie dieses 39 • Nun läßt er selber aus dem leidensunfähigen Vatergott einen Logos-Sohn gezeugt werden, der an sich als Gottheit zwar leidensunfähig sein muß und ist, dann aber in der Inkarnation leidensfähig wird. Die antignostische Polemik des Irenäus läßt erkennen. daß in der Entwicklung der Zweinaturenlehre die Gnosis auf die großkirchliche Theologie zunächst durchaus hemmend wirkt. Abgeschreckt durch die gnostische Ausgestaltung des Zweinaturenschemas widerstrebt es ihr, ihre Aufmerksamkeit auf die Probleme zu richten, um deren Lösung es der Gnosis zu tun ist, trotzdem diese Probleme sich auch der kirchlichen Lehre unvermeidlich stellen müssen. Sie verhüllt sich zunächst die Schwierigkeiten und geht darüber hinweg mit Hilfe der Anlehnung an den bekannten alttestamentlichen Sprachgebrauch, der den allgemein gefaßten Begriff «Fleisch» gleich «Mensch» setzt. Der göttliche Logos-Sohn hat im irdischen Jesus einen menschlichen Fleischesleib angenommen, und dies eben heißt: Er ist Mensch geworden. Diese verschwommene Ineinssetzung von «Fleischwerdung» und «Menschwerdung» des Gottessohnes, die mit einer grundsätzlichen und bewußten Überbietung des primitiven Zweinaturenschemas gar nichts zu schaffen hat, ihr vielmehr gerade aus dem Wege zu gehen sucht, wird im. nachapostolischen Zeitalter mit großer Selbstverständlichkeit häufig geübt. Sie war ja auch leicht zum Ausdruck zu bringen, schon durch bloße Kombination johanneischer und etwa synoptischer Worte. Was hier als wesentlich zu belegen ist, ist dies, daß diese Variante des primitiven (adv. haer. III, 19, 3): &cntEQ '(UQ f\v livi}Qwno~, tva. 1tELQilOi}ii, -&0 1tELQatEoi}at xat amugoiiofta.t xat ö.noi}vftoxEtV, ouyytVOflEVOU ÖE -ci[l ö.vi}Qtbncp E'V -ci[l vtxiiv. 3D Siehe S. 528, Anmerkung 13. 38
Iren ä u
8
oihw~ xa.t Myo~, tva. öo!;aoi}ü, Y!ouxatov-co~ flEV -coii Myou ev
618
Zweinaturenschemas in der großkirchlichen Theologie in der Tat auch 1m dritten und vierten Jahrhundert anzutreffen ist 39 a. Als höchst bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch die Art undWeise zu beachten, wie man sich auf großkirchlicher Seite im Osten speziell zu der christologischen Anschauung des Origenes verhält. Origenes ist auf großkirchlicher Seite der erste Theologe, der nicht bloß gelegentlich und zufälligerweise 40 auch von einer menschlichen See I e Jesu spricht, sondern aus innern sachlichen Gründen eine solche zu postulieren sich gezwungen sieht, so daß sie in seiner christologischen Konstruktion eine notwendige Stelle hat. Für Origenes ist der Wesensgegensatz zwischen der Göttlichkeit des Logos-Sohnes und der Stofflichkeit des menschlichen Fleischesleibes zu groß, als daß die Verbindung beider in der Inkarnation ohne ein vermittelndes Drittes zustandekommen könnte. Als solche Vermittlung ist die menschliche Seele erforderlich 41 , die daher nach Origenes auch nicht aus Davids Geschlecht natürlich erzeugt ist, sondern direkt aus dem Pieroma stammt 42 • Und so ist denn auch nach seiner Exegese mit dem «Mittler» von I Tim 2, 5 nicht der göttliche Logos-Sohn selbst, sondern die Seele Jesu gemeint 43 • soa N o v a t i a n bewegt sich ganz selbstverständlich in dieser Denkweise, vgl. etwa die bezeichnende Aussage (de trin. 16): quique verbum caro factus habitavit in nobis, ex nobis hic Christus non homo tantum, quia hominis filius, sed etiam deus, quia dei filius comprobatur. Als sozusagen offizielle kirchliche Äußerung aus dem Osten sei hier zitiert ein syrisches Fragment des Synodalbriefes gegen Panins von Samosata (Fr. L o o f s, P. v. Samosata, S. 333 f.): «als Mensch des Leibes wegen ... Ein menschlicher Leib war es, den er nahm.» Dann C y r i ll v o n Je r u s a I e m (Kat. IV, 9, MG XXXIII, 465): öoxf)crEt xat
ou
j.1Ev'l'];, 0.')...1..&. •ü &./.'t']itElq. ... &.1./.U.
O'UQ%witd~.
Bei Te r tu ll i an könnte man fragen, ob er aus innerer Notwendigkeit gelegentlich von der Seele Jesu spricht. Er sagt nämlich einmal (de carne Christi 10): non nostram animam liberavit, si carneam habuit; nostra enim (sc. anima) carnea non est. Aber ist dies m eh r als ein gelegentliches Argument der antihäretischen Polemik? Ist bei ihm die Frage der Edösung der See I e abgeklärt? Gelegentlich wird Tertullian auch durch Stellen wie Mt 26, 38 und I Cor 15, 47 veranlaßt, von der Seele Jesu zu reden (de resurr. carnis 49; de fuga 8). 41 0 r i g e n es (de princ. II, 6, 3): hac ergo substantia animae (sc. Jesu) inter deum carnemque mediante (non enim unitari possibile erat dei naturam corpori sine mediatore misceri) nascitur . . . deushomo, illa substantia media existente, cui utique contra naturam non erat corpus assumere. sed neque rursum anima illa, utpote sub· stantia rationabilis, contra naturam habuit capere deum. 42 0 r i g e n es (Comm. I, 5 in Rm): certurn est enim, quia haec (sc. anima Jesu) non de semine David generata sit. Comm. XX, § 162 in Joh: Die Seele Jesu war il~ • JtA'I']QOJj.1an, "Kat E%E'iitEv tl;E/.'1']/.uituia, • Ö.JtEcr't6./.itat um) ,;oi.i JtU'tQO~ &.vil.aßEv 40
,;o ilx 43
•ii~ MaQla~
criöj.1a. 0 r i g e n es (Comm. 111, 8 in Rm) zu I Tim 2, 5: videtur mihi inter deum
et hominem media haec esse anima . • . propterea ergo et apostolus de mediatore
41
619
Mit dieser Auffassung geht Origenes grundsätzlich vom überlieferten primitiven Zweinaturenschema zu einem differenzierten über. Allein in der Folgezeit bekundet die kirchliche Theologie kein Interesse für diese Konstruktion. Selbst alexandrinische Theologen, vorab Athanasius, lassen sie beiseite liegen. Es ist nicht Origenes, der im Osten die kirchliche Theologie veranlaßt, die Auffassung der menschlichen Natur Christi durch das Dogma von der menschlichen Seele Jesu zu vervollständigen. Vermutlich empfindet man vorderhand seine Konstruktion als zu gnostisch. Dem allem entspricht schließlich, daß im zweiten Jahrhundert auf großkirchlicher Seite lrenäus durchaus nicht der einzige Theologe ist, der im Gegensatz zur Gnosis an der Auffassung festzuhalten sucht, daß in Jesus doch auch der Logos-Sohn selbst trotz seiner Göttlichkeit die Passion erdulden mußte. lgnatius redet unbefangen vom «Leiden Gottes» und polemisiert gegen die Häretiker, die ein nur scheinbares Leiden des Sohnes Gottes behaupten wollen 44 • Barnahas empfindet es deutlich als Paradoxie, daß der Kyrios in Jesus als der «Herr der ganzen Welt» dem Leiden unterworfen gewesen sein soll 45 ; aber er legt sich das erstaunliche Faktum einfach zurecht als eine notwendige Veranstaltung des göttlichen Heilsplanes, der sich der Kyrios übrigens aus eigenem freiem Willen unterzog 46 • Für Justin dagegen scheint das mehrfach bezeugte Leiden 47 des himmlischen Logos-Sohnes kein Problem zu sein, was nicht verwundern kann, wenn man liest, wie er den leidenden Gottessohn in eine Reihe stellt mit den leidenden Göttersöhnen der griechischen Mythologie 48 • Ohnehin steht die Christologie des Justin' ja sehr deutlich erst im Übergang von der alten Engelchristologie zum neuen Dogma von der Gottheit des präexistenten Logos-Sohnes. Angesichts der Art und Weise, diRserens, evidentem distinctionem signavit dicens: (I Tim 2, 5), quo scilicet mediatorem non ad deitatem Christi, sed ad humanitatem, quae est eins anima, referendum doceret. 44 I g n a t i u s (Rom 6, 3): E:l'tL'tQ!hJla•ß ftOL ftLfll]'tljv dvm •ou Jtaitou~ 'tOU itEOu ftOU. Smyrn. 2 f.: 01'!x &crrrEQ il.1tLO'tOL VLVE~ A.ßyouOLv, 'tO lioxELV ainov 1tE1tovitßvm. 45 B a r n a b a s 5, 5: lhL Ii€ xat 'tOU'tO, aÖEA(jlOL ftOU, EL ö XUQLO~ Ul'tEflELVEV :n:aitELV 1tEQL Tii~ \jn!Xij~ ~ftiiiv, wv 1tUV'tO~ 'tOU xÖOftOU XUQLO~ .•. 1tiii~ o:Ov 'Ö1tEftELVEV 'Ö1tÖ X,ELQO~ avitQcll1tWV ;n:aitELV; JlUitE'tE. 46 Bar n ab a s 5, 13: a'Ö'to~ Ii€ ijitEAl]OEV oil'tw 1taiteiv. ßlieL yfJ.Q tva El'tL f;uA.ou 1taitn. AliyEL yfJ.Q ö 1tQO!IJTJ•Euwv E1t' au•i!J· (Ps. 22, 21; 119, 120; 22, 17; Jes 50, 6). 47 Justin sagt von Christus (Dial. 100, 1): llQW'toxoxo~ 'tOU itwu xal 1tQO 1tUV'tWV 'tWV X'tLOftU'tWV liuJ. •'ii~ . . . 1tO.Qitßvou OCI.QX01tOLT]itel~ xal il.vitQomo~. UELÖlJ~, il.'tLflO~ xal 1tCI.itl]'tO~. Siehe auch Dial. 99, 2; 89, 1; Apol. I, 63 und andere Stellen. 48 J u s t in (Apol. I, 22): Et Ii€ ahtaoaL 'tO 'tL~ EO'tCI.UQiiioitaL a'Ö'tov, xal 'tOU'tO xowov 'toi~ xa'tlJQLitftl]ftEVOL~ :n:aitoucrw uloi~ xait' 'ÖftÜ~ •ou .ito~ ümiQXEL.
620
wie Melito von Sardes in der Anwendung des Zweinaturenschemas bereits wie die Gnostiker die Tätigkeiten des irdischen Christus auf die zwei Naturen zu verteilen beginnt, könnte man erwarten, daß er von dieser Unterscheidung vor allem auch beim Leiden Jesu Gebrauch machen würde. Dennoch macht er dann Aussagen wie. die. daß der «Leidensunfähige leidet», ja daß «der Gott gelitten hat» 4 ~. Wenn dann aber später selbst Hippolyt im Widerspruch zu seinen sonst vorgetragenen Anschauungen gelegentlich noch diese alte These geltend zu machen sucht, so bekundet seine Formulierung deutlich, daß inzwischen eine neue dogmengeschichtliche Situation entstanden ist, die an diesem Punkte auch die kirchliche Lehre über das primitive Zweinaturenschema hinauszugehen zwingt. Er versucht es nämlich gelegentlich mit der fragwürdig dialektischen Behauptung, daß der an sich leidensunfähige göttliche Logos-Sohn auch im Leiden selber der Leidensunfähige gehliehen sei 50 • In der Tat hilft der großkirchlichen Theologie alle leidenschaftliche Versteifung in antignostischer Polemik auf die Dauer doch nicht über das Unvermeidliche hinweg, auf die von der Gnosis gesichteten Probleme des Zweinaturenschemas ehenfalls einzugehen und sich um ihre Lösung zu bemühen. Schließlich ist es eben die innere Logik der Sache selbst, die sich hier irgend einmal zwingend durchsetzen muß. Damit hängt aber zusammen, daß die großkirchliche Theologie auch in ihren Lösungen ganz wider eigenen Willen doch nur mit den Grundgedanken der gnostischen Lehren zu operieren vermag, mag sie diese auch in weniger phantastischer und ohne weiteres als schriftwidrig erkennbarer Mythologie ausführen, als dies die Gnosis getan hat. Mit andem Worten: Auch die großkirchliche Theologie muß ihr primitives Zweinaturenschema in ein differenziertes fortbilden. Ausgelöst wird auch diese Entwicklung wiederum durch das Auftreten des Monarchianismus, speziell des Modalismus. Und wiederum ist es, nach dem Stand und Befund der erhaltenen dogmengeschichtlichen Quellen, wie er sich uns heute darbietet, so, daß der Modalismus die Dinge neu ins Rollen bringt, indem er an einem bestimmten Punkt das Problem so aufgreift, wie es lrenäus in seiner Auseinandersetzung 49 M e l i t o (Fragm. XIII, Otto IX, 419): impassibilis patitur; Fragm. VII, Otto IX, 416: ö ~EO~ 1tE1tOV~EV un:o ÖE~Lä~ taeaEJ..tnöo~. &o Hip p 0 l y t (1tEQL TOÜ mxaxa, Fragm. IV): «Der Leidensunfähige litt im Fleische, und der Unsterbliche starb; ... daß der Leidensunfähige litt und dabei doch leideusunfähig blieb, ist das nichts Neues?»
621
mit der Gnosis liegen gelassen hat. Irenäus hat sich im Eifer der antignostischen Polemik zuweilen zu Aussagen hinreißen lassen, die in modalisierender Weise die Gottheit des Sohnes mit der Gottheit des leidensunfähigen Vaters des Alls in eins setzen 51 • Zugleich hat er der Gnosis inkonsequenterweise die Behauptung von der an sich ebenfalls leidensunfähigen Gottheit des Sohnes, die in Jesus leidensfähig werde, entgegengestellt 52 • Solche Sätze konnten um so mehr Beachtung finden, da es im zweiten Jahrhundert schon vor Irenäus einen «naiven» Modalismus gab, dem der Gedanke der leidensfähigen Gottheit keine Schwierigkeiten bereitete 53 • So tritt nun um die Wende des zweiten zum dritten Jahrhundert der zur eigentlichen dogmatischen Theorie ausgebildete Modalismus auf und führt auch hier die fragmentarischen Ansätze bewußt und in vollem Ernst zum folgerichtigen Ende: Kann überhaupt mit Recht von einer leidensfähigen Gottheit gesprochen werden, dann bildet das Leiden J esu kein Problem, das die lneinssetzung des göttlichen Sohnes mit dem Vatergott verunmöglichen müßte. Es gibt demnach kein berechtigtes grundsätzliches Bedenken gegen die Auffassung, daß in Jesus Gott, der Vater, selbst gelitten habe, gekreuzigt worden und gestorben sei 54 • Die Modalisten müssen unter diesen Umständen, freilich in sehr kühner Weise, auf das alte Verwandlungsschema zurückgreifen und von dem Vatergott selber die Wandelbarkeit behaupten: Er kann, wenn er will, unsterblich und auch sterblich sein55 • Mit diesen Behauptungen wird nun aher, von ihrer offenkundigen Schriftwidrigkeit ganz abgesehen, von den Modalisten ein unbedingt feststehendes Dogma der kirchlichen Tradition, die Lehre von der Absolutheit des V atergottes, in einer so gröblichen Weise angetastet, daß Siehe S. 564, Anmerkung 13. Siehe S. 617, Anmerkung 36. 53 Siehe S. 520, Anmerkung 34-36. 54 N 0 e t lehrte (nach Hip p 0 l y t' c. Noet. 1): -cov XQLO"COV au-cov dvat -cov na-cega ?tat a'Ö-cov -cov na-cega yEyEvvfioitm ?tat nEnovitevat ?tat &nonitv'l)?tEvdt. c. Noet. 2: XQto-cos; yag fiv itEos; ?tat llrraoxEv ßt' iJ!J.äs;, av-cos; &v rra-ciJg, tva ?tat oiöoat iJfl.äs; öuvrtitfi. Der modalistische Römerbischof K a ll i s t soll sich nach H i p p o l y t (Refut. IX, 12, 16 ff.) etwas vorsichtiger geäußert haben: ?tat oihros; -cov rra-cega ou!J.rrErrovitevm -c0 ul0. o'Ö yag iteA.Et A.EyEw -cov rra-cega rrErrovitevat. Siehe auch T e r tu l I i an (adv. Prax. 29): scilicet directam blasphemiam in patrem veriti diminui eam hoc modo sperant, si filius quidem patitur, patcr vero comp,atitur . . . times dicere passibilem, quem dicis compassibilem. Te r tu ll i an von Pr a x e a s (adv. Prax. 1): ipsum dicit patrem descendisse in virginem, ipsum ex ea natum, ipsum passum; denique ipsum esse Jesum Christum ..• patrem crucifixit. Nach Hip p o • l y t (Refut. X, 26) gibt es auch unter den Montanisten solche, die
52
622
die großkirchlichen Theologen mit nicht geringem Schrecken 58 inne werden, wie gefährliche Folgerungen von kühnen «Häretikerm> aus der dem primitiven Zweinaturenschema entsprechenden Lehre von der in Jesus, leidenden und gekreuzigten Gottheit des Sohnes gezogen werden können. Novatian weiß nunmehr von solchen zu berichten, denen die Rede von dem «gestorbenen Gott» derart zum Ärgernis wird, daß sie darob sogar den Glauben an die Gottheit Christi, in dem sie den Anlaß zu diesem Ärgernis sehen, überhaupt preisgeben 57 • Auf eine derart radikale Beseitigung der Schwierigkeit will und kann natürlich die großkirchliche Theologie, wenn nicht der ganze Neubau ihres 'Dogmas einstürzen soll, sich niemals einlassen. Sie hat allen Grund, die Lösung in der entgegengesetzten Richtung zu suchen. Das heißt: Sie muß zusehen, wieweit sie den Versuch zu verantworten und durchzusetzen vermag, auch die Gottheit des Logos-Sohnes an der Absolutheit des V atergottes teilhaben zu lassen und darf sich den Folgerungen nicht mehr verschließen, die sich daraus für die weitere Ausbildung und Anwendung des Zweinaturenschemas ergeben. Problemgeschichtlich bezeichnet auch hier Tertullians Auseinandersetzung mit dem Modalismus einen deutlichen Wendepunkt. Tertullian weiß sehr wohl und spricht es auch aus, daß bisher im wesentlichen nur die (gnostischen) Häretiker es abgelehnt haben, das Leiden Jesu auch auf den in ihm erschienenen Gottessohn zu beziehen 58, während der Apostel Paulus unter dem Gekreuzigten durchaus den in menschlicher Knechtsgestalt vom Himmel herniedergestiegenen Messias verstehe 59 • Aber die gnostische Häresie erscheint ihm nun als harmlos im Vergleich mit der neuen Gotteslästerung des Modalisten Praxeas, der in Jesus Gott, den Vater des Alls, selber gekreuzigt sein und sterben 56 Sie empfinden die modalistischen Behauptungen als eine Blasphemie, siehe T e r t u 11 i a n und H i p p o I y t , Anmerkung 54. 57 N o v a t i a n ( de trin. 20}: ergo, inquiunt, si Christus non homo est tantum, sed et deus, Christum autem refert scriptura mortuum pro nohis et resuscitatum, iam docet nos scriptura credere deum mortuum. aut si deus non moritur, Christus autem mortuus refertur, non erit Christus deus, quoniam deus non potest accipi mortuus. 5B Te r tu 11 i an (adv. Prax. 16}: sed quae haeretici quidem nec filio dei deputabunt convenire, tu ipsi patri inducis. 59 Aber T e r tu 11 i a n bringt dieses Zugeständnis in einer höchst bezeichnenden Form vor, die deutlich offenbart, wie ungelegen ihm nun diese paulinische Auffassung kommt. Es sei, so behauptet er, in Wahrheit schon Paulns selber schwer genug geworden, vom Tode des Gottessohnes zu reden (adv. Prax. 29}: sufficiat Christum, filium dei mortuum dici, et hoc quia ita scripturn est. nam et apostolus, non sine onere pronuntians Christum mortuum, adiecit «secundum scripturam», ut duritiam pronuntiationis scripturarum auctoritate molliret et scandalum auditori everteret.
623
läßt 60 • Mehr noch! Er geht jetzt selber ganz bewußt und grundsätzlich auf jene Durchführung des Zweinaturenschemas ein, die lrenäus an der Gnosis getadelt und, freilich in einer inkonsequenten Weise, abgelehnt hat als ein «Trennen der Substanzen» im geschichtlichen Jesus Christus, das seine Personeinheit problematisch mache. Man darf die von der Schrift geschilderten Erlebnisse und Tätigkeiten Jesu nicht gleichmäßig und einheitlich auf die beiden in ihm irgendwie vereinigten «Substanzen» beziehen 61 • Insbesondere darf niemals dem Göttlichen in Jesus, da ihm die Substanzgleichheit mit der Gottheit des Vatergottes zukommt, das Kreuzesleiden oder gar der Tod zugeschrieben werden. Beides kann sich nur auf das «Fleisch» als die menschliche Natur Jesu beziehen 62 • Diese durch die Auseinandersetzung mit dem Modalismus erzwungene grundsätzliche Schwenkung des Tertullian zu einem Grundgedanken der gnostischen Auffassung wird in der Folgezeit vorherrschende großkirchliche Lehre. Aus der Fülle der vorliegenden Belege 63 seien hier nur noch zwei ausdrücklich zitiert. Bei Origenes führt nicht nur der entschiedene Gegensatz zum Modalismus zur strengen Unterscheidung des ·leidensunfähigen göttlichen Logos-Sohnes und seiner leidensfähigen menschlichen Natur. Auch die Rücksicht auf die hellenistische philosophische Theologie veranlaßt ihn zu einer deutlichen Betonung dieser Unterscheidung. Es ist ihm peinlich, daß Celsus gegen die kirchliche Lehre init dem Einwand fechten kann, eine Weissagung, die den Siehe Anmerkung 58. Te r tu ll i an (adv. Prax. 27): quia substantiae ambae in statu suo quaeque distincte agebant, ideo illis et operae et exitus sui occurrerunt. 62 Te r tu ll i an (adv. Prax. 29): quamquam cum duae substantiae censeantur in Christo Jesu, divina et humana, constet autem immortalem esse divinam, euro mortalem quae humana sit, apparet quatenus eum mortuum dicat (sc. apostolus), id est qua carnem et hominem et filium hominis, non qua spiritum et sermonem et dei filium . . . tarn autem incompassibilis pater est quam impassibilis etiam filius ex ea conditione, qua deus sit. Anderswo (adv. Mare. II, 16) bezeichnet er es als Unsinn, auf die göttliche Natur zu beziehen, was nur von der menschlichen ausgesagt werden kann: heue autem, quod Christianorum est etiam mortuum deum credere et tarnen viventern in aeva aevorum. stultissimi, qui de humanis divina praeiudicant, ut quo-. niam in homine corruptoriae condicionis habentur eiusmodi passiones, idcirco et in deo einsdem status existimetur. discerne substantias ... ! Das ist genau das dividere dominum et ex altera et altera substantia eum factum dicere, das Iren ä u s als gnostische Häresie verboten hat! 63 Es sei Mer nur auf folgende Stellen verwiesen: CI e m e n s AI e x. , Paed. 23, 2; Hip p o I y t, in psalm. Fragm. XVIII, zu. Pa. 2, 7; Refut. X, 33, 15; c. Noet. 18; Nova t i an, de trin. 10. 11. 20; La c tanz, div. inst. IV, 13. 25; t r a c t. 0 r ig e n i s XIV (ed. Batiffol, S. 154); Adamanti u s, Dial. V, 8. 12; Eu s tat h v. Antiochien, Fragm. bei MG XVIII, 681. 693f.; Athanasius, de decr. Nie. syn. 14 (MG XXV, 440); C y r i ll von Je r u s al e m, Kat. IV, 9 (MG XXXIII, 465). 00
61
624
Tod Gottes prophezeie, sage von Gott so Unmögliches aus, daß sie sich damit selbst als völlig unglaubwürdig erledige. Und er beeilt sich, darauf zu antworten mit der hisher als häretisch geltenden Auskunft, nur der Mensch in Jesus Christus, nicht die Gottheit in ihm, sei in den hetreffenden Weissagungen über seine Kreuzigung und seinen Tod ge· meint 64 • Durch den tatsächlich weitgehenden neuen Consensus in dieser Frage läßt sich schließlich im vierten Jahrhundert der freilich apollinaristische, seiner eigenen Überzeugung nach aber gut großkirchlichrechtgläubige Antiochener Bischof Vitalis ermuntern zu der Ent.scheidung: «Wer zu behaupten wagt, der Christus habe nach seiner Gottheit, nicht nach dem Fleische gelitten, wie geschrieben steht, der sei verflucht» 65 • Nun ist also nicht nur die frühere Häresie zur Kirchenlehre, sondern auch die frühere Kirchenlehre zur Häresie geworden. Es ist aber nur folgerichtig, daß die großkirchliche Theologie die gnostische Anwendung des Zweinaturenschemas nicht auf das für die Erlösungslehre besonders wichtige Problem des Leidens Jesu beschränkt, sondern sie nunmehr wie die Gnosis auf die Deutung aller Einzelheiten der neutestamentlichen, insonderheit der evangelischen Angaben über Erlebnisse und Tätigkeiten Jesu ausdehnt. Es kommt nun die Zeit, da die großkirchlichen Theologen die dogmatische Auslegung der Evangelienberichte noch viel unerbittlicher und umfassender betreiben, als dies, wenigstens nach den erhaltenen Nachrichten, die Gnostiker getan haben 66• Lediglich als Erlebnis, Betätigung, Äußerung der menschlichen Natur in Christus dürfen aufgefaßt werden: Erzeugung und Gehurt, Wachstum, Essen und Trinken, Hunger und Durst, Versuchung durch den Teufel, Ermüdung, Schlaf, Ängstigung, Betrübnis, Weinen, die von Paulus behauptete Unterwerfung Jesu unter das Gesetz, Kampf, Gebet und Blutschweiß in Gethsemane, Stärkung durch den Engel, Gottverlassenheit am Kreuz, Begräbnis und Auferstehung. Auch Worte wie Mt 4, 4 und Joh 20, 17 kann nicht ,der Gottessohn, sondern nur der Mensch in Jesus gesprochen haben. In entsprechender Weise wird fest64 0 r i g e n e s (c. Cels. VII, 16): ol'J yU.Q 1tQOEL1tOV a.t 1tQOc:prp:e'LUL {h::ov t:n:mJQW· iti]aE!Jita.L, a.L"tLVE~ q:;a.OL 1tEQt 'tOÜ ava.lld;a.f.tEVOU 'tOV ituva.,;ov. ÖQa. OUV (oo~) aa.c:pw~ iiviteronov etei]xaaL ,;ov nEnovitOv,;a. &.vitQoo1tLva.. xa.t a.l'J,;o~ &.xQLßoo~ döro~ 'll]aoü~ ö-n 'tO &.noitvftaxov &vitQW1tO~ ~V, c:pl]Ot 1tQO~ 't01J~ emßou~EUV't(l.~ a.Ü,;{il• (J oh 8, 40). Die gleiche Auffassung äußert 0 r i g e n e 5 c. Cels. IV, 15; Comm. XX, § 85 in Joh. 65 Vita I i 5 (Fragm. 172, ed. Lietzmann, Apollinar v. Laodicea, S. 273): Ei 'tL~ ,;o~11a 'AliyELv ,;ov XQLO,;ov itEO'tl]-rL nEnovitßva.L xa.t 11ft aa.exl, oo~ yßyea.n,;a.L, lla,;ro &.vuitEf.ta.. 8 6 H i I a r i u 5 (tract. in Ps. CXXXVIII, 5): diligenter contuendum est, ut iutel· legamus, quid diviuitati eiu5, qnid homiui sit aptandum. Aber dieses lebhafte Interesse bekundet natürlich nicht erst Hilariu5.
625
gestellt, was nur als Manifestation der göttlichen Natur in Christus verstanden werden darf. Im wesentlichen handelt es sich hier - auch an diesem Punkte folgt man nun der gnostischen Auslegung - um die Wundertaten Jesu. Und zwar begnügt man sich bezeichnenderweise nicht mit einer allgemeinen Feststellung. Sondern mehrfach finden sich Aufzählungen von Einzelheiten: Kanawunder, Sturmstillung und Wandeln auf dem See, Exorzismen, Auferweckung des Lazarus, die Reinigung von Aussätzigen, Heilungen von Blinden, Lahmen und Tauben, die Speisungswunder und das Passieren durch die geschlossene Türe. Ferner gehören hieher die Zusicherung der Sündenvergebung, die Erteilung der Macht über die Dämonen an die Jünger, die Geistmitteilung an sie und endlich Worte wie die vom Herrn über den Sahhat 67 • Auf diesem Wege muß aber die großkirchliche Lehre schließlich auch noch mit der Umhildnng ihres primitiven Zweinaturenschemas in eine differenzierte Form der Gnosis grundsätzlich Folge leisten. Einmal kommt ihre dogmatische Exegese ehensowenig wie die Gnosis mit dem primitiven Zweinaturenschwa zurecht in der Deutung der von den evangelischen Berichten angedeuteten menschlichen Wesenszüge Jesu. Und sodann wird sie vollends durch die Auseinandersetzung mit der dogmatischen Evangelienexegese der Arianer zu einer immer komplizierteren Ausgestaltung ihrer Auffassung von der menschlichen Natur Christi fortgetrieben 6 s. Dem menschlichen Fleischesleih, den der göttliche Logos-Sohn nach der neuen Erlösungslehre in der Inkarnation anzieht, muß nun unbedingt auch eine Seele gegeben werden; denn von einer Seele Jesu ist nicht nur in den Evangelien ausdrücklich die Rede 69 , sondern eine solche ist offenkundig als selbstverständlich vorausgesetzt 70 • Zum dogmatischen Satz ringt sich die These von der Seele Jesu im Kampf gegen die Arianer durch, weil diese eindrücklich gegen die 67 Die Belege solcher Exegese sind zahlreich. Es seien hier folgende Stellen genannt: Te r tu 11 i an, adv. Prax. 30; de carne Christi 5; Apolog. 21; 0 r i g e n es, Horn. XXIX in Lc; c. Cels. II, 25; Hip p o I y t, in P~alm. Fragm. XVIII; c. Noet. 18; Novatian, de trin. 11; tract. Origenis XIV (ed. Batiffol., S.154); Dionys v. AI e x an d r i e n, Comm. in Lc, Fragm. bei MG X, 1589; Eu s tat h v. Antio c h i e n, Fragm. bei MG XVIII, 680. 693 f.; At h an a s i u s, de incarn. 18, MG XXV, 128; Cyrill v. Jerusalem, Kat. IV, 9, MG XXXIII, 465; Hilarius, de trin. IX, 5; X, 56. 6S Siehe S. 377 f. 89 So schon Te r tu ll i an (de fuga 8): professus quidem (Christus) et ipse est animam anxiam usque ad mortem (Mt 26, 38). 70 Siehe etwa H i I a r i u s ( de trin. X, 56): sed corpus per se tantum non habet lacrymas, quas ad dolorem animae maerentis profundit.
626
homousianisch verstandene göttliche Natur Christi argumentieren, indem sie an Stelle einer menschlichen Seele Jesu in altertümlicher Weise den himmlischen Engelchristus setzen 71 • Aber nun muß die Seele Jesu auch eine «vernünftige Seele» sein: Der Nus darf ihr nicht fehlen 72 • Und so strebt denn schließlich diese ganze EI,J.twicklung mit innerer Notwendigkeit der später im chalcedonenBischen Symbol vom Jahre 451 dogmatisierten Ausgestaltung des differenzierten Zweinaturenschemas zu, die die Gottheit des Sohnes in Christus mit einem «vollkommenen Menschen» im Sinne der antiken philosophischen Anthropologie verbunden sein läßt. Auf das Wesentliche und Grundsätzliche gesehen schreitet damit die großkirchliche Lehre in mühsamem und mannigfach gehemmtem Vorwärtstasten zu der christologischen Auffassung fort, die längst vorher im zweiten Jahrhundert schon die Gnosis erreicht hatte, sofern sie den göttlichen Erlöser in den Menschen Jesus von Nazareth eingehen ließ. Es ist aber nicht verwunderlich, daß diese gnostische Lösung in der Großkirche erst um die Mitte des fünften Jahrhunderts dogmatisiert wird, und daß sie nicht nur vor der Synode von Chalcedon, sondern trotz deren Entscheid auch noch Jahrhunderte nachher heftigen Streit verursacht. Denn sie beschwört nun in der Kirche selber jenes Problem herauf, das einst lrenäus in der gnostischen Christologie mit Recht aufbrechen sah, und um deswillen er das differenzierte Zweinaturenschema der Gnosis als Häresie abgelehnt hatte: Das Problem der Personeinheit der zwei Naturen in Jesus Christus. Wenn Tertullian im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Modalismus sich auf die von Irenäus verpönte gnostische « Zerteilung des Herrn» einzulassen beginnt, so macht er sich die Lösung des Problems der Personeinheit leicht. Er dekretiert einfach: Die beiden «Suhstan· zen» im irdischen Christus seien, da jede ihre besondere Beschaffenheit wahre, nicht als vermischt, sondern als verbunden zu denken, und eben in dieser Verhindung werden sie die «eine Person» 73• Wie diese «eine Person» möglich sein, ja was sie überhaupt bedeuten soll, wenn als Subjekt so vieler Erlebnisse und Tätigkeiten Jesu jeweilen nur die eine der beiden «Substanzen», nicht aber auch die andere gelten darf, darSiehe E p i p h an i u s, h. LXIX, 19, 7. Es mag hier genügen der V erweis auf die Begründung des E p i p h a n i u s , h. LXXVII, 30, 4. 73 Te r tu II i an (adv. Prax. 27): videmus duplicem statum, non confusum, sed coniunctuni, in una persona, deum et hominem Jesum - de Christo enim differo et adeo salva est utriusque proprietas substantiae, ut et spiritus res suas egerit in illo, id est virtutes et opera et signa, et caro passiones suas functa sit. 71
72
627
über gibt Tertullian sich keine Rechenschaft.. Dies erklärt sich aus der offenkundigen Tatsache, daß bei ihm doch immer noch die Art und Weise nachwirkt, wie man sich bisher im primitiven Zweinaturenschema die Personeinheit denken konnte und wirklich dachte: Das einheitliche personale Subjekt ist der (im Fleischesleib erschienene) Logos-Sohn. Um sich den natürlichen Schranken und Notwendigkeiten des menschlichen Daseins unterziehen zu können, ließ dieser sich (nach Ps. 8, 6) vorübergehend selbst unter die Engel erniedrigen. Man merkt, daß Tertullian hier auch von der paulinischen Kenosislehre sich beeinflussen läßt 74 • Daß aber das durch die neue Anwendung des Zweinaturenschemas provozierte Problem der Personeinheit die kirchlichen Gläubigen bei der Lektüre der Evangelien verwirrt und gestört haben muß, läßt Origenes merken, wenn er einmal darauf zu reden kommt, wie seltsam den naiven Menschenverstand die merkwürdige Mischung von Göttlichem und Menschlichem in diesen Erzählungen über Jesus anmute: Hat man sich bei dem einen Bericht darauf eingestellt, daß man es hier mit der Gottheit zu tun habe, so findet man im nächsten einen Menschen dargestellt; stellt man sich auf den Menschen Jesus ein, so begegnet man in der folgenden Schilderung wieder einem Gott. Und da muß denn Origenes dem Bibelleser den Sinn und Zweck dieser von lrenäus noch als «Zerteilung des Herrn» empfundenen dogmatischen Exegese erläutern 75 • Das Problem wurde wesentlich verschärft, wenn man, wie Origenes und nach ihm auch andere Theologen, aus der dem LogosSohn notwendig zukommenden göttlichen Absolutheit Konsequenzen zog wie die: Er könne unmöglich durch die Inkarnation in der menschlichen Erscheinung Jesu «eingeschlossen» gewesen sein; er sei als Inkarnierter doch zugleich allgegenwärtig, auf die Erde herniedergestiegen und doch zugleich immer noch im Himmel anwesend gewesen 76 • . 7 4 Te r tu ll i an sagt gelegentlich vom Sohne Gottes (adv. Prax. 16): qui etiam passiones humanas et sitim et esuriem et lacrimas et ipsam nativitatem ipsamque mortem erat subiturus, propter hoc minoratus a patre modicum citra augelos • . . et haec nec de filio dei credenda fuissent si scripta non essent. Siebe auch adv. Prax. 14. 15; de carne Christi 5; adv. Mare. II, 27. 75 0 r i g e n es (de princ. II, 6, 2): si deum sentiat (sc. humanus intellectus), mortalem videt; si hominem putet, devicto mortis regno cum spoliis redeuntern a mortuis cernit. propter quod . . . contemplandum est, ut in uno eodemque ita utriusque naturae veritas demonstretur, ut neque aliud indignum et indecens in divina illa et ineffabili substantia sentiatur, neque rursum quae gesta sunt falsis inlusa imaginibus aestimentur. 76 0 r i g e n es (de princ. IV, 4, 3): non ita sentiendum est, quod omnis deitatis eins maiestas intra brevissimi corporis claustra conclusa est. Joh 1, 26 f. ostenditur,
628
Schon hier wird offenbar, daß mit der bloßen Dogmatisierung der tertullianischen Formeln von der Verbindung (nicht Vermischung) der zwei Substanzen zu einer Person für die Kirchenlehre das Problem der Personeinheit niemals zu erledigen ist, und dies um so weniger, je mehr in der zunehmenden Differenzierung des primitiven Zweinaturenschemas die menschliche Natur Christi in gnostisierender Weise zum Typus eines vollständigen Menschen durchkonstruiert wird. Cyrill von Jerusalem täuscht seine Katechumenen in jeder Hinsicht über die wirkliche Situation, in der sich die Kirchenlehre des vierten Jahrhunderts an diesem Punkte des christologischen Problems befindet, wenn er sie darüber belehrt: Nach der Lehre der (gnostischen) Häretiker sei ein anderer der Christus, ein anderer Jesus von Nazareth, während die Kirche ihrem Symbol gemäß nur den «einen Herrn Jesus Christus» kenne 77 • In der Zeit nach Tertullian machen sich die Schwierigkeiten in der großkirchlichen Theologie in zunehmendem Maße bemerkbar. Unsere Darstellung kann sich darauf beschränken, dies an zwei wesentlichen Punkten zu belegen. Einmal macht sich alsbald eine grundsätzliche Unsicherheit und Zwiespältigkeit in der Bestimmung des Verhältnisses der beiden Substanzen oder Naturen in Christus geltend. Man will im Gefolge Tertullians - das ist an diesem Punkte das Ergebnis der Auseinandersetzung mit dem Modalismus - die Unterscheidung der wesensverschiedenen «Substanzen» des Göttlichen und Menschlichen in Christus deutlich durchführen. Aber zugleich wird dieses Bestreben durchkreuzt durch die entgegengesetzte Tendenz, in der Vorstellung der Vereinigung dieser Substanzen zur Einheit der Person die Unterscheidung wieder zu verwischen. Man setzt sich über die grundsätzliche Entscheidung Tertullians, daß es sich nicht um eine «Vermischung», sondern um eine «Verbindung» der beiden Substanzen handle, in der jede ihre besondern Weseneigentümlichkeiten unverändert bewahrt, mehrfach hinweg, indem man es mit Ansätzen zu einer Lehre vom Austausch der Eigenschaften versucht. Dafür zeugen im Westen bereits Novatian und quia et in corpore totus et uhique totus aderat filius dei. So auch E u s t a t h , Fragm. MG XVIII, 684. Hila r i u s (tract. super psalm. II, 11): descenderat quidem filius hominis, sed per naturae virtutem non aherat filius dei unde descenderat, neque se ex eo, quod ante erat, tum, cum homo est natus, ahsumpserat . . . adeo filius hominis filius dei est, ut descendens de caelo filius dei per virtutis suae suhstantiam idem filius ho~inis esset in caelo. 77 C y r i ll von Je r u s a l e m (Kat. X, 4, MG XXXIII, 665): xat t\uJ. ,;a~ :n:A.u:va~ ,;iöv algE'tLxiöv, ,;iöv A.ty6nwv uA.A.ov f.LEV dvaL ,;ov :X:QL
629
später Hilarius 78 , im Osten das Synodalschreiben gegen Paulus von Samosata 79, der seinerseits den bemerkenswertesten Beitrag des dynamistischen Monarchianismus zur Lösung des Zweinaturenproblems liefert, indem er über den Gedanken einer metaphysischen Verbindung von Substanzen hinauszukommen sucht 80 • Eine Theorie der communicatio idiomatum ist ja tatsächlich nahegelegt durch den längst schon in der neuen Erlösungslehre festgelegten Gedanken, daß der Logos-Sohn den menschlichen Fleischesleib annimmt, um ihn zu «vergotten». Ferner muß sich denen, die die alte Tradition nicht völlig aus den Augen verlieren, von der Erlösungslehre her auch das Bedenken aufdrängen, ob nicht die Heilsbedeutung des Todes Jesu illusorisch werde, wenn es nicht der himmlische Erlöser selber ist, der Todesleiden auf sich nimmt. Daher gerät denn auch tatsächlich die im Kampf gegen den Modalismus wichtig gewordene Überzeugung von der Leidensunfähigkeit des göttlichen Logos-Sohnes zuweilen ins Schwanken. Ein syrisch erhaltenes Fragment des Synodalbriefes gegen Paulus von Samosata sagt vom Logos-Sohn: «Er ward gekreuzigt um unserer Schwachheit willen in erster Linie als 1\:[ensch des Leibes wegen, in zweiter Linie aber war es Gott, welcher litt, wegen der Einheit» 81 • Epiphanius hilft sich mit verschiedenen Kompromißformeln. Bald sagt er: Der an sich leidensunfähige Gott «leidet mit», oder, im gleichen Atemzuge: Er leidet als Gottheit nicht, aber das Leiden seiner menschlichen Fleischesnatur ist ihm doch «anzurechnen>>, weil nur unter dieser Bedingung der Tod Jesu Erlösung wirkt 82 • Sehr deutlich kommt die Schwierigkeit des Problems der Personeinheit in den Aussagen des Hilarius über das Leiden des Christus zum 78 Nova t i an (de trin. 13): per connexionem mutuam et caro verbum dei gerit et filius dei fragilitatem carnis adsumit. Bei H i I a r i u s kommt der Widerstreit der Tendenzen hauptsächlich in einer Behandlung des Problems des Leidens Jesu zum Ausdruck, siehe S. 631, Anmerkung 83. 79 Synodalbrief (Text nach Fr. L o o f s, Paulus v. Samosata, S. 333 f.): oU'tE öE ,;rov &.vitQronlvrov 1tQOTJYOUftf.vro(; nait&v UftllTO)(;O(; ftv cpOQEGa(; xat EVÖUGCXftEVO(; avitQ001tL"VOV itEO(;. oUn 'tOOV itELOO"V 1tQOTJYOUftEVOO(; EQYOOV ÜftOLQOV 'tO &.vitQ001tLVOV, EV c1> ftv xai Öt' o-li ,;aii,;a ;totEi. so P a u I u s v o n S a m o s a t a (nach den Fragmenten des Synodalbrief es, Text nach F r. L o o f s , a. a. 0., S. 333): 'tTJV llE auvacpEtav hf.QOO(; 1tQO(; 'tTJV Gocptav VOEi, xa,;a ~-t6.itEGtv xat ftE'toualav, o'Ö:x;i (xa't') o'Öalav, o'ÖGtOOftEVTJV E"V GOOftll'tt. Sl Synodalbrief gegen Paul v. Samosata, a. a. 0. 82 E p i p h a n i u s (h. LXIX, 24, 7): nro(; yaQ J..f.yrov· «Eyro Ei~-tt Tj trorJ>> &.noitavEiv ÖUVTJGE'tllt; a/..J..U anaiti](; ÖtllftEVEL o itEO(;, OUft1tUG)(;EL lle 'tÜ IJilQ%L, tva 'tO naito(; Ei(; ,;i]v itEo"ilJ'ta J..oytaitü, ftTJ naa:x;ouOTJ(; 'tij(; ite6'tTJ'tO(;, el(; dvat T!~-tiv ev itecp 'tTJV (JOO'tTJQLilV. Ancoratus 93, 4: t/..oylait'lj lle 'tO nai}o(; EL(; 'tTJV i}EO'tTJ'tll, xahot YE 'tij(; itEO'tTJ'tO(; anai}oii(; oUOTJ\;·
o
,;o
o
,;o
630
Ausdruck. Er führt aus: Die Gottheit kann nicht dem Leiden unterworfen ~erden. Um der Erlösung willen muß aber doch der Sohn Gottes selbst das Todesleiden erduldet haben. Man muß wohl annehmen, daß er als Gott die Schmerzen des Leidens nicht gefühlt hat. Indessen führen alle Verstandeserwägungen über das Leiden Jesu unvermeidlich zur Auflösung der Einheit seiner Person. Der Herr Jesus Christus ist aber einer und derselbe. Es handelt sich letzlieh um ein für den menschlichen Verstand unaufklärbares Geheimnis. Gott will uns nicht durch kniffliehe Grübeleien zum ewigen Leben führen. Darum lasse man sie; sie enden nur im Unglauben 83 • Zur unheilbaren Krisis wird aber die Situation durch das Aufbrechen des innerkirchlichen Streites zwischen Apollinar von Laodicea und der zeitgenössischen großkirchlichen Lehre des vierten Jahrhunderts. Hier geht es um die Frage, die durch die inzwischen erfolgte gnostisierende Ausbildung des differenzierten Zweinaturenschemas unausweichlich gestellt ist: Ob und wie die Personeinheit des irdischen Christus festgehalten und expliziert werden kann, wenn die menschliche Natur, mit der sich der Sohn Gottes verbindet, ein vollständiger Mensch, bestehend aus Leib, Seele und Geist (Nus) sein soll. In einer den neuen Umständen entsprechenden Weise spielt in diesem Streit Apollinar die Rolle des lrenäus. Nur gehört zu diesen veränderten Umständen vorab dies, daß Apollinar die Kritik, die im zweiten Jahrhundert Irenäus an der gnostischen Häresie übte, nunmehr gegen die großkirchliche Lehre selber richten muß, die inzwischen das Erbe der Gnosis angetreten hat. Ein anderer Unterschied ist der, daß Apollinar von Laodicea ein schärferer Beobachter und Denker ist als lrenäus und· über ein besseres theologisches Rüstzeug verfügt. Er ist daher für die Großkirche des vierten Jahrhunderts und der ganzen Folgezeit noch gefährlicher als einst lrenäus für die Gnosis. 83 H i I a r i u s (de trin. I, 13): . . . dum immortalis ipse ... pro morientium aeternitate moreretur. (tract. super psalm. LIII, 12): quamquam passio illa non fuerit condicionis generis, quia incommutabilem dei naturam nulla vis iniuriosae perturbatio· nis offenderet, tarnen suscepta voluntarie est, ·officio quidem ipsa satisfactura poenali, non tarnen poena sensu laesura patientem: non quod illa laedendi non habuerit pro ipsa passionis qualitate naturam, sed quod dolorem divinitatis natura non sentit. (de trin. X, 61): Für die tripertientes Christum in verbum et animam et corpus gibt es zahlreiche Probleme des Leidens Jesu. Besser ist es, bei der Überzeugung zu bleiben (de trin. X, 62): unus enim atque idem est dominus Jesus Christus verbum caro factum, se ipsum per haec universa significans. (de trin. I, 13): haec itaque ultra naturae humanae intelligentiam a deo gesta non succumbunt rursum naturalibus mentium sensibus. (de trin. X, 70): non per difficiles nos deus ad beatam vitam quaestiones vocat . . . nemo itaque ea, quae ob ignorationem nostram dicta sunt, ad occasionem irreligiositatis usurpet.
631
Vorauszuschicken ist, daß Apollinar zwar im Verlauf des Kampfes schließlich dem neuen differenzierten großkirchlichen Zweinaturenschema eine Konzession macht, indem er die im Kampf gegen die Arianer unerläßlich gewordene Behauptung einer menschlichen Seele Jesu zugesteht und sich auf die These zurückzieht, im irdischen Christus habe der göttliche Logos-Sohn die Stelle des menschlichen Nus einnommen. Aber seine eigentliche Lehre, mit der er in den Kampf getreten und die auch in der Mehrzahl seiner Schriften enthalten ist, lautet anders, und dieser ursprünglichen Form seiner christologischen Theorie kommt wesentliche problemgeschichtliche Bedeutung zu S4 • In der Terminologie seiner polemischen Auseinandersetzung mit der großkirchlichen Lehre bekundet ApoBinar sich als Theologen des vierten Jahrhunderts. Er ist zudem getreuer Homousianer, und zwar bekennt er sich auch zur Homousie des heiligen Geistes 85 • Für seine Lehre von der Fleischwerdung des Logos beruft er sich auf Athanasius, der sich seinerseits in dieser Sache mit ihm einig wisse. Er ist mit dieser Behauptung letzten Endes durchaus im Recht 86 • Denn auch Athanasius, der lrenäus gelesen hat, denkt an diesem Punkte faktisch ebenso altertümlich wie Apollinar. Apollinar hat das Bewußtsein, lediglich althergebrachte kirchliche Tradition zu lehren und sich mit seinem Kampf ausschließlich gegen das Aufkommen von Neuerungen zu wenden, die er in der zeitgenössischen Theologie vorfindet. In der Tat ist das, was er positiv in seiner christologischen Theorie vertritt, nichts anderes als die alte einfache Inkarnationslehre im Sinne des primitiven Zweinaturenschemas: Wie lrenäus und andere alte Väter lehrt er, der göttliche Logos-Sohn habe im irdischen Christus durch die Geburt aus der Jungfrau einen menschlichen Fleischesleib angenommen und sei 8 4 H. Li e t z man n, Apollinar v. Laodicea I, S. 163: «Sehr beachtenswert ist die Tatsache, daß die bei weitem überwiegende Mehrzahl der erhaltenen Traktate und Fragmente des Apollinaris der ersten dichotomischen Periode angehört, sicher trichotomisch ist nnr die a1t6öELt;L,; 1tEQL 'tij,; ~Eta,; craexrocrero,;, der Traktat «Quod unus sit Christus>> und ... fragm. 2; die Schriften der Schüler lassen an keinem Punkte die trichotomische erkennen. Es scheint somit, als ob die zweite seit alters in der Dogmengeschichte fast allein behandelte Form des Apollinarismus eine den letzten Lebensjahren des Meisters angehörige, historisch relativ bedeutungslose Abschwächung des ursprünglichen Lehrtypus darstellt.» 85 Apo ll in a r (f] xa'tu f.LEQo,; 1tLO"'tL,; 33, ed. Lietzmann, S. 180): Öf.LOAoyoiif.LEV O!-IOOUO"LOV dvaL 'tqi 1ta'tQL 'tOV utov xal 'tO Ö.yLOv ·1tvElif.La xal f.LLaV 't
632
eben in diesem und keinem andern Sinne «Mensch geworden» 87 • Und diese Inkarnation ist zum Zwecke der Vergottung im Sinne der neuen Erlösungslehre geschehen 88. Von diesem alten primitiven Zweinaturenschema aus erhebt nun Apollinar gegen die neue christologische Lehre der Großkirche den gleichen Einwand wie einst lrenäus gegen die Gnosis 89 : Wenn man den göttlichen Logos-Sohn in der Inkarnation nicht mehr bloß einen menschlichen Fleischesleib anziehen, sondern mit einem wirklichen ganzen Menschen, dem Menschen Jesus von Nazareth, sich verbinden läßt, dann zerteilt man damit den einen Herrn, den irdischen Christus, in zwei völlig verschiedene persönliche Wesen 90 , in «zwei Christusse» 91 • Christus ist aber Einer, das heißt: Persönliches Subjekt in ihm ist der göttliche Logos-Sohn; den menschlichen Fleischesleib hat er nur als «Ürgan» angenommen, und nur insofern ist er auch «Mensch» 92 • Über lrenäus hinaus geht Apollinar nur in der Terminologie nnd überhaupt in den Mitteln der Beweisführung. Er verwendet an entscheidender Stelle die Termini «Person» und «Natur» (prosopon, physis), und zwar sind ihm beide begrifflich gleichbedeutend: Die fälschlich behauptete V erbindung des Logos mit dem Menschen Jesus ergibt zwei «Personen» oder zwei «Naturen» 93 • Christus ist aber «ein Prosopon und eine Hypostase und eine Natur Gottes, des Logos, der Fleisch ward; er ist aber 87 Man kann die Meinung des Apollinar einfach mit der Formel Myor:, augxwil'Etr:, am kürzesten bezeichnen (ft xu"tu f.IEQOr:, :n:Lanr:, 2, ed. Lietzmann, S. 168): ••. :n:E(IL "tijr:, mü "J..Oyou augxroaEwr:,, Mv"tor:, f.IEV E:uu"tov &.vil'gw:n:Lvn augxt, l]v 1\x MugLur:, :n:goaEJ.ußc"tO • . . So spricht sich Apollinar auch sonst aus, siehe a. a. 0. 36, Lietzmann S. 181: mhor:, o :n:goii:n:ag:x;wv uior:, E:vwil'dr:, augxt Ex Mugtur:, x.u"tEO"tl'J, "tEÄELov xut ÜyLOv xut &.vuwxQ"tyt"tov ävil'gw:n:ov auvta"tur:, EUU"tov. 88 A p oll in a r (ft xu"tu f.IE(IOr:, :n:Lanr:, 30 f., Lietzmann, S. 178 f.): ftf.!Etr:, yug cpuf.tEV ävil'gw:n:ov yEyEvija-6m "tov "toü il'Eoü J.oyov :n:gor:, aw"tytQLuv f)f.tii>V, tvu "tljv of.toLwmv "toü 1\:n:ouguvtou J.ußwf.IEV xut il'co:n:otytil'iiif.tcV. 89 Siehe über Iren ä u s S. 617, Anmerkung 34-36. 9o Apo ll in a r (f) xu"tu f.IE(IOr:, :n:La"tLr:, 30, Lietzmann, S. 178): Da einige den rechten Glauben verkehren, oü il'cov augxwil'EV"tU Of.IOÄoyoüv"tcr:, uÜ"tOV &.J.J.u ävil'gw:n:ov il'Eq'J auvucptv"tu, "tOU"tou :x;aQLV of.toÄoytuv :n:oLOUf.IEil'u :n:EQL "tijr:, :n:goELQl'Jf.IEVytr:, n:Lanwr:,, 1\xßaJ.I.ov-rcr:, "tljv äma"tov &.vnJ.oytuv. Ebenda 36, Lietzmann, S. 181: ävil'gw:n:or:, xut il'Eor:,, E:xa"tEQov ffi~ f:v, xut oü:x; f:ngov f.IEV :n:g6aw:n:ov o il'Eor:, Myor:, E"tEQov Be ävil'gw:n:or:, 'IlJOoür:,, &.J./,' uü"tor:, o :n:goiin:ag:x;wv ulor:, E:vwil'Etr:, augxt. 91 E p i p h a n i u s gibt den von ihm abgelehnten Vorwurf des Apollinar mit dieser Formel wieder (h. LXXVII, 29, 5): xut IJ"tL f.IEV "tEÄELwr:, 1\vytvil'gcb:n:yt!JEV 1\J.il'ffiv o J.oyor:,, "tOÜ"to Mj"-ov. xut 1\uv Et:n:wf.tEV «nÄEtwr:,», oü Mo :X:QLO"tour:, EJGOf.IEV. 92 Apo ll in a r (Fragm. 117, ed. Lietzmann, S. 235): il'Eor:, &.vuJ.ußoov ogyuvov xut il'Eor:, E!J"tL xuM EVEQYEL xut ävil'gw:n:or:, 'l\U"tU ogyuvov. 93 Apo ll in a r (f) xu"tu f.IEQor; n:Lanr:, 31, Lietzmann, S. 179): xut ea"tL il'Eor:, Ö.Äytil'Lvor:, o Üaugxor:, Ev augxt qJUVEQWil'ELr:,, "tEAELOr:, "tTI Ö.Äytil'LVii xut il'Et~ "tEAELO"tl']"tL, oü Mo :n:goaw:n:u, oüM Mo «pU!JELr:,.
633
ganz Gott, und er ist ganz Mensch, ebenderselbe und nicht zwei Pro· sopa ,welche eins wurden» 94 • Diese Ineinssetzung der einen «Person» mit der einen «Natur» kann den falschen Eindruck erwecken, als hätte Apollinar überhaupt nicht einmal das primitive Zweinaturen- oder Zweisubstanzenschema vertreten, dies um so mehr, als er gelegentlich sogar auch nur von einer Substanz (Usia) wissen will. Auch noch in dieser inkonsequenten Überspitzung der polemischen Antithese gegen das differenzierte Zweinaturenschema stimmt Apollinar mit lrenäus überein 95 • An Argumenten weiß Apollinar über lrenäus hinaus Folgendes vorzubringen: Läßt man den göttlichen Logos-Sohn mit einem ganzen Menschen sich verbinden, dann werden die drei Personen der göttlichen Trinität noch um eine vierte, menschliche, vermehrt; die Trias wird zur Tetras 96 • Von der Erlösungslehre her beurteilt ist es auch gar nicht erforderlich, daß der Logos sich mit einem ganzen Menschen verbinde. Es genügt ihr zufolge durchaus, daß er einen Fleischesleib annimmt 97 • Dazu kommt noch der Schriftbeweis. Nicht nur weist Apollinar darauf hin, daß die Fundamentalstelle der kirchlichen Lehre von der Inkarnation, Joh I, 14, nur vom Erscheinen des Logos im Fleische redet und nichts sagt von einer menschlichen Seele, mit der sich der Logos verbunden hätte 98 • Er legt Gewicht auf die Feststellung, daß in der Schrift von einer Teilung des Christus im Sinne der Unterscheidung der Naturen überhaupt nicht die Rede sei 99 • Besonders bemerkenswert ist, daß die Apollinaristen mit den wichtigen paulinischen Aussagen Phil 2, 6 ff. beweisen, auch Paulus h11be keineswegs im Sinne A p o II in a r, de fide et incarnatione 3, ed. Lietzmann, S. 194. V gl. Ir e n ä u s, adv. haer. 111, 16, 5 siehe S. 617, Anmerkung 35) mit folgender Aussage des Apo II in a r (Fragm. 117, ed. Lietzmann, S. 236): oux ligcr &1.1.1] Xllt liAAT] ouotcr frEo,; xcrt livfrgom:o,;, &.J.J.&. J1Lil X!l'tU ouvfrtotv itEOU n:go,; OÖJft!l uvfrgwmvov. Gerade noch in dieser Ablehnung der zwei Substanzen wird doch das primitive Zweinaturenschema deutlich behauptet. 96 Apo II in a r (Quod unus sit Christus 3, ed. Lietzmann, S. 296): ;t!lQ!lVOftm,; öe, ön -ritv rtLcrv un:6o-rcrotv Mo n:oLOuotv, E:;,tELouyovn,; -rii -rptuöt n-rup-rlJV un:6o-rcrotv ;tvT]V ;t!lV'tU;t!lOL xcrt &.J.A6qmJ.ov XllL n:uv-rmv 'tÖJV J.oytxÖJV X'tLOftU'tWV -ro 'tEAEU'tllLOV 'xcrt lloxcr-rov xcrt ftLX(IOV. 97 Apo II in a r (Fragm. 76, ed. Lietzmann, S. 222): oux ligcr ow~E'tllt -ro &.vfrgwmvov yevo,; ÖL' &.vcrl.ft'lj!EOO~ vou )t(lL ÖAOU uyfrgwn:ou, &.J.J.u Ötu UV!lAijljlEOO~ O!lQ%0~. 98 A p o II i n a r (n:EQL EVWOEm~, Fragm. 2, ed. Lietzmann, S. 204): ÖitEv xcrt oxftvmOLV ö 'ImuvvTJ~ -rl)v E:möTJrtLcrv mhou -ritv t; ougcrvwv övof1u~Et. Elmüv yug ö-rt «6 Myo,; oag; E:yevE'tO», ou ;tQOOEfrT]XE «lt!lL ljluxft», &.Mvcr-rov yag Mo VOEQU )t(lL frEAT]'tt)tU EV 'tifl Üfl!l lt!l'tOLXELV. 99 A p o II i n a r (Epist. ad. Dionys. 10, ed. Lietzmann, S. 260): E;tWftEfrll xcrt iJrtti:; -roi:,; ll'llflllOt -roi:,; frstot,; xcrt ftTt flEQL~WftEV -ru UflEQtO't!l rtft 'tE -rl)v frEO'tTJ't!l Ötcrtgouvn,; 'tOU OWfl!l'tO,; w,; öt' EU
95
634
des differenzierten Zweinaturenschemas gelehrt 100• Diese zutreffende Feststellung ist nur die negative Kehrseite der Tatsache, daß die urchristliche Lehre faktisch weder im primitiven noch im differenzierten Zweinaturenschema gedacht, sondern die Frage, wie der Jesus der Geschichte der himmlische Christus sein könne, im Sinne der Verwandlungsvorstellung beantwortet hat. Der Vergleich der dogmengeschichtlichen Stellung des Apollinar von Laodicea mit derjenigen des lrenäus erhärtet vollends die Tatsache, daß im vierten Jahrhundert die großkirchliche Lehre in der Ausgestaltung des ältern primitiven Zweinaturenschemas zum diffe1·enzierten - wie auch an andern wichtigen Punkten des christologischen Dogmas - einen gnostischen· Grundgedanken akzeptiert hat. Aber problemgeschichtlich kommt der apollinaristischen Lehre noch eine andere wesentliche Bedeutung zu. Die offizielle Großkirche mußte Apollinar als Häretiker ablehnen, obschon nicht sie, sondern er die altkirchliche Tradition des zweiten Jahrhunderts vertrat - oder vielmehr eben deshalb. Die großkirchliche Theologie konnte das im Zuge der arianischen Streitigkeiten zur Ausgestaltung gekommene differenzierte Zweinaturenschema nicht preisgeben. Es war ihr unentbehrliches Requisit einer dogmatischen Evangelienexegese geworden, mit dere1:1 Hilfe einzig die aus den Evangelien geschöpften arianischen Schriftbeweise gegen die Homousie des Logos-Sohnes zu widerlegen waren 101 • Aber Apollinar ist der Vater des Monophysitismus geworden. Und am Gegensatz zwischen Monophysitismus und Dyophysitismus ist die Großkirche in der Folgezeit auseinandergebrochen. Nur um diesen Preis hat sie vorher den Arianismus zu überwinden vermocht. Im Arianismus hat die Großkirche die ursprüngliche urchristliche Lehre von Chri· stus, die Engelchristologie, niedergerungen und verketzert. An ihre Stelle setzte sie das neue Dogma von der Gottheit Christi. Von diesem gemeinsamen neuen Grunddogma aus wollen «Monophysiten» und «Dyophysiten» erklärlich machen, wie der Christus der ursprünglichen Lehre auch Mensch sein konnte. Dieses Unternehmen mußte mißlingen. Denn der Christus der ältesten Lehre war nicht Gott. eines Menschen verkündigten- und das wäre (j~ auch) eine geringe Gnade gewesensondern vom Sohne Gottes verkündigten sie Kreuz und Tod und hielten sich ferne von (Aussprüchen betreffs der) Naturen. Auch du schweige (also) über die Frage des Sterblichen und des Unsterblichen und rufe (vielmehr), daß Gott den einzigen Sohn für die Welt ans Kreuz gegeben hat». 1oo Apo II in a r (de incarnatione dei verbi 2, ed. Lietzmann, S. 304): errnllit
Xll"CU lluiil.ov EV O~lOLWflll"tL avitewmov yE:yove, xat oxftfl
635
Vierter Abschnitt
Die Auswirkung der Enteschatologisierung im übrigen Dogma
Erstes Kapitel Die Wandlung des Kirchenbegriffs Der urchristliche Kirchenbegriff 1 ist in seinem wesentlichen Grundgehalt sowohl bei Jesus wie nachher bei Paulus (und der Urgemeinde) eschatologisch bestimmt und tritt in dieser Prägung nicht als etwas Neues auf. Denn es handelt sich um die aus Henoch (38, 1-5; 62, 7-8; 14--15) stammende Idee der «Gemeinde der Heiligen» oder der «Gerechten», die mit dem endzeitliehen Offenbarwerden des himmlischen Messias in Erscheinung tritt als die prädestinierte Zahl derjenigen, die in der Gemeinschaft mit dem Messias Anteil haben an der Herrlichkeit seines Reiches als eines neuen W eltzustandes. Bei Henoch selbst führt die Betonung der «Erwählung» der Glieder dieser Gemeinde durch göttlichen Ratschluß bis zur Vorstellung von der Präexistenz dieser Gemeinde. Sie ist demnach in verschiedener Hinsicht eine übernatürliche Größe. Diese eschatologische Grundbedeutung des ältesten Kirchenbegriffs liegt bei Jesus und Paulus in charakteristisch verschiedener Ausprägung vor. Die Unterschiede sind hier in Rechnung zu stellen, weil ihnen wesentliche dogmengeschichtliche Bedeutung zukommt. Sie sind nicht zufälliger Art, sondern durch die Grunddifferenz zwischen der Lehre Jesu und der Theologie des Paulus überhaupt bedingt, nämlich erstens dadurch, daß in bezug auf den Inhalt der eschatologischen Naherwartung Jesus von Henoch ausgeht, Paulus dagegen von einer Eschatologie nach dem Typus des IV. Esra; zweitens dadurch, daß Paulus für das Ganze seiner eschatologischen Lehre, durchaus den Inten1 Alles Nähere hierüber siehe bei A I b. S c h w e i t z e r , Die Mystik des Apostels Paulus, S. 102-122; 175-184; 334-336.
636
tionen Jesu entsprechend, die Folgerungen zieht aus dem Umstande, daß Tod und Auferstehung Jesu als bereits eingetretene Ereignisse von entscheidender eschatologischer Bedeutung in Rechnung zu stellen sind. Da Jesus den Anbruch des Reiches und sein eigenes eschatologisches Erscheinen in der verklärten Gestalt des himmlischen Messias für erst zukünftig, aber nahe bevorstehend hält (zuletzt auf Grund seines bevorstehenden Todes), so ist für ihn auch das Offenbarwerden der messianischen Gemeinde zwar etwas nahe Bevorstehendes, aber doch noch Zukünftiges. Daher redet er selten ausdrücklich von dieser seiner «Ekklesia». An der einzigen Stelle aber, an welcher dies geschieht, Mt 16, 18 f., tritt sofort die Beziehung des Begriffs auf die eschatologische Zukunft deutlich heraus. Einmal lautet der Spruch tatsächlich futurisch. Zweitens wird die spezifisch eschatologisch-apokalyptische Beziehung offenbar in der Andeutung des künftigen (endzeitlichen) Kampfes zwischen den widergöttlichen Geistermächten der Unterwelt und der messianischen «Gemeinde», der für ·diese siegreich ausgehen wird. Und drittens fehlt nicht der Hinweis auf den künftigen Anbruch des Reiches Gottes. Daß er verbunden ist mit der Zuerkennung einer besondern, einzigartigen richterlichen Kompetenz an Petrus, ist durch die vorausgesetzte geschichtliche Situation ( « Messiasbekenntnis zu Cäsarea Philippi) veranlaßt. Andererseits macht sich im Verhalten Jesu die Überzeugung seines Selbstbewußtseins geltend, daß in seiner Person der zukünftige Messias (als designatus) doch bereits anwesend ist, der in Gemeinschaft mit den Genossen seines Reiches bei dessen baldigem Anbruch offenbar werden wird, was also auch das baldige Offenbarwerden seiner Gemeinde bedeutet. Hieher gehört alles, wodurch er fortgesetzt kund gibt, daß diejenigen des Reiches teilhaftig werden sollen, die jetzt mit ihm in Gemeinschaft treten und sich zu ihm bekennen. Was er aber so sagt und tut, hat nirgends die Absicht oder den Sinn einer 0 r g an i s a t i o n der Gemeinde. Denn die endzeitliche Gemeinde des Messias wird nicht organisiert. Sondern ihre Glieder sind als solche bestimmt durch göttliche Erwählung, und kraft dieser Erwählung werden sie sich in der vorbestimmten Zahl der Genossen des Reiches vorfinden und ausweisen, wenn mit dem Anbruch des Reiches die Gemeinde der Erwählten mit dem Messias offenbar werden wird. Für das Urteil Jesu ist es genug, daß, wer sich jetzt zu ihm bekennt (ohne um seine Bestimmung zur künftigen messianischen Würde wissen zu müssen), damit seine Erwählung bekundet. Dem entspricht endlich auch, daß zwar nach der
637
Universalistischen Auffassung Jesu am Tage des Reichsanbruches und der endzeitliehen Auferstehung aus allen Generationen aller Völker und Zeiten, so also auch aus den Heidenvölkern der gegenwärtigen letzten Generation Erwählte als Glieder der messianischen Gemeinde offenbar werden und in das anbrechende Reich eingehen werden, daß er jedoch grundsätzlich eine Mission unter den Heiden ablehnt. Bei Paulus tritt notwendig die Kirche als endzeitliche messianische Gemeinde viel deutlicher hervor. Einmal beschränkt er, entsprechend seiner Unterscheidung der Endvollendung des Reiches Gottes 2 und der voraufgehenden begrenzten Heilszeit der messianischen Herrschaft (I Cor 15), die messianische Gemeinde auf die Gesamtheit der erwählten Juden und Heiden der letzten Generation. Diesen allein ist die Heilszeit des messianischen Reiches bestimmt. Zudem wirkt sich aus, daß nach Paulus Jesus nunmehr bereits durch Tod und Auferstehung zum himmlischen Messias erhoben ist, das endzeitliche Geschehen in Gang gesetzt hat und demnach in Bälde zur Vollendung seiner messianischen Aufgabe wiedererscheinen wird. Daher befinden sich auch die Erwählten der Gemeinde des Messias in einer andern Situation als vor Tod und Auferstehung Jesu. Sie sind berufen, die Gemeinschaft mit dem Messias als das Mitsterben und Mitauferstehen mit ihm zur neuen Leiblichkeit des neuen .Äon zu erleben, um alsbald mit ihm bei seiner nahen Parusie zur Herrlichkeit der messianischen Heilszeit eingehen und mit ihm «herrschen» zu können. Damit ist aber für Paulus der Zwang zur Mission gegeben, sofern die Mission den Zweck hat, auch die erwählten Heiden der gegenwärtigen letzten Generation zum Glauben an den bereits in J esus erschienenen Christus zu bringen, damit sie als Gläubige durch Taufe und Teilnahme am Herrnmahl das erleben, was die Gemeinschaft mit dem Christus nunmehr wirken soll. So wird aber die Gemeinde des Christus zur konkreten geschichtlichen Größe. Sie sammelt und konstituiert sich auf Grund des gemeinsamen Glaubens an Jesus als den Christus und der Teilnahme an den eschatologischen Sakramenten unter der Leitung und «Erbauung» durch diejenigen, die sich vermöge der Charismen des in der angebrochenen Endzeit «ausgegossenen» göttlichen Geistes als zu dieser Funktion besonders berufen erweisen. In Erscheinung tritt diese Gemeinde in den einzel~en, durch .die Mission entstandenen Ortsgemeinden. In ihrer Gesamtheit sind ihre Glieder, kraft des sakramental vermittelten Ster2 An dieser E n d v 0 II e n d n n g werden selbstverständlich die Erwählten a II e r früheren Generationen sowohl Israels wie anch der Heidenvölker teilnehmen dürfen.
638
hens und Aufersteheus in der Gemeinschaft des Christus zur neuen Auferstehungsleihlichkeit, der «Leih Christi». Und als der Bereich, in dem sich so der neue Äon mitten im alten zu realisieren beginnt, sind sie der ~
639
lus ihnen )ieher erspart wissen möchte. So mögen denn diejenigen, «die Frauen haben, sein als hätten sie keine». Es ist begreiflich, daß das nachapostolische Christentum unter dem Zwang der dauernden Parusieverzögerung diese paulinische Einstellung preisgibt und sich damit abfindet, daß im unaufhaltsamen Weiterlauf der natürlichen Weltzeit die entstandene messianische Gemeinde als Kirche geschichtliche Kontinuität erhält. Und beschleunigt wird diese Anpassung des kirchlichen Selbstbewußtseins in der nachapostolischen Zeit jedenfalls in denjenigen christlichen Kreisen, in denen man das Beispiel der montanistischen und der markionitischen Kirche als abschreckend empfindet. Die Montanisten wollen weiterhin wie die apostolische Gemeinde der ersten Gläubigen lediglich die Gemeinde der Heiligen der letzten Tage sein und daher, wenigstens die konsequenten Nachfolger des Propheten unter ihnen, sich darauf beschränken, in Pepuza die Ereignisse des nahen Endes zu erwarten. Sie demonstrieren damit für das Urteil aller Einsichtigen, daß dieser Versuch, die Rechnung mit der alten Welt abzuschließen, zum Ruin der Kirche führen muß. Die markionitische Kirche verweigert die Anpassung an die uneschatologisch verlaufende wirkliche Geschichte nicht grundsätzlich. Sie gibt sich eine Organisation, die auf geschichtlichen Bestand berechnet ist. Ja, im kirchlich-organisatorischen Aushau schreitet der Kirchengründer Markion offensichtlich denjenigen christlichen Kreisen, aus denen die Großkirche erstehen sollte, sogar wesentlich voraus. Allein darin will er unerbittlich an der ursprünglichen Ordnung festhalten, daß auch seine Kirche, wie die paulinische Urkirche, sich auf dem Wege der Mission erhalten und vermehren sollte, nicht aber durch den natürlichen Nachwuchs neuer Generationen, die in sie hineingeboren werden. Was nach der Intention des Paulus ein durch Motive der eschatologischen Naherwartung begründeter, wohlgemeinter Ratschlag an die Gemeinden war, das macht er - auch diese Wandlung stellt sich im Zuge der Enteschatologisierung ein 3 --'---- zu einem schroffen, in streng asketisch orientierter Ethik begründeten Fundamentalsatz: Er verbietet den Gliedern seiner Kirche die Ehe und den Geschlechtsverkehr4. Die werdende Großkirche lehnt diese Ordnung als unhaltbar
Siehe S. 708 f. Te r tu ll i an (adv. Mare. I, 29): non tingitur apud illum caro, nlSl virgo, nisi vidua, nisi caelebs, nisi divortio baptisma mercata . . . sine dnbio ex damnatione coniugii institutio ista constabit. · 3
4
640
ab. Auch in ihr bleibt die Virginität ein ethisches Ideal. Allein sie begnügt sich damit, seine Verwirklichung Einzelnen anheimzustellen 5. Mit dieser Anpassung hängt auch das deutlich feststellbare Zurücktreten des für die ursprüngliche apokalyptisch-eschatologische Auffassung von der ,
641
kräftig, nach in den Schriften der sogenannten «apostolischen» Väter, so bei lgnatius 8 und im ersten Clemensbrief 9 • Und bezeichnend ist vor allem, daß er hauptsächlich in apokalyptischen Schriften konserviert ist, so in der johanneischen Apokalypse (17, 14), in der Petrusapokalypse (c. 4. 13. 17), im Hirten des Hermas 10, in den Esrabüchern 11 und in den sibyllinischen Orakeln (VIII, 295). Dagegen fehlt er in der sonst so charakteristisch altertümlichen «Himmelfahrt des Jesaja». Im Übrigen mag noch vermerkt werden, daß auch in der «Epistula apostolorum» (c. 28) und in der «Pistis Sophia» von den Erwählten die Rede ist, in diesem gnostischen Buche speziell auch von der «bestimmten Zahl der vollkommenen Seelen» (c. 23). Diese festgelegte «Zahl der Erwählten» kennt auch noch Justin (Apol. I, 28. 45). Bei Origenes ist dann die Entwicklung soweit gediehen, daß er in seinem Römerbriefkommentar die paulinischen Aussagen über die Prädestination um jeden Preis unschädlich machen muß 12 • Die Gewalttätigkeit, mit der Origenes hier notgedrungen verfährt, bringt freilich jedem einigermaßen unvoreingenommenen Leser deutlich zum Bewußtsein, daß damit die Auseinandersetzung mit Paulus nicht zu Ende geführt ist und daß seine so entschieden prädestinatianischen Aussagen sich irgendeinmal neue Beachtung erzwingen werden. Aber bis zu Augustin ist hier noch ein weiter Weg. Vorderhand spielt der Erwählungsgedanke in der großkirchlichen Theologie keine Rolle mehr. Was nun aber im Zuge dieser Wandlung den entscheidenden Wendepunkt der Enteschatologisierung darstellt, ist die Tatsachel daß damit zugleich sozusagen stillschweigend die paulinische Auffassung von der endzeitliehen messianischen Gemeinde als dem Bereich des bereits im alten vergehenden Äon anbrechenden neuen Äon preisgegeben ist. Es 8 I g n a t i u s, Eph (inscr.); Magn 3, 2; TraU (inscr.). • I CI e m e n s 2, 4; 6, 1; 57, 2; 59, 2; an dieser letzten Stelle ist auch noch von der vorbestimmten <
642
gibt auch hier nur ein schwaches Nachklingen, das wenigstens bezeugt, daß in der Tat die nachapostolische Auffassung vom Weseu der Kirche ursprünglich von dieser eschatologischen Idee der messianischen Gemeinde herkommt. Fraglich ist, ob im ersten Clemensbrief nicht wenigstens andeutungsweise einmal die Identifikation der Kirche mit dem Reiche Gottes vorschwebt 13 • Dann würde es sich aber bereits um einen enteschatologisierten Reichgottesbegriff handeln; denn das Reich Gottes wäre in diesem Fall die empirische Bischofskirche. Und man hätte ·es zu tun mit einem verfrühten leisen Anklingen der spätern Idee von der Kirche als dem Gottesstaat, die vor Augustin nicht Origenes 14, sondern vor diesem bereits Clemens Alexandrinus als erster deutlich postuliert 15. Dagegen klingt wirklich die ursprüngliche eschatologische Idee der messianischen Gemeinde als des Bereichs des anbrechenden neuen Äon nach, wenn seltsamerweise noch in den pseudoorigenistischen Traktaten von der Kirche gesagt wird, daß sie in der Zeit des nahenden Weltendes gestiftet worden sei 16 • Was sonst noch in nachapostolischer Zeit in irgendwelcher Weise auf die preisgegebene eschatologische Auffassung zurückweist, bringt mindestens zum Ausdruck, daß die Kirche ihrem Wesen nach eine überirdische Größe sei. Speziell der Zusammenhang mit dem Prädestinationsgedanken wirkt nach, wenn im zweiten Clemensbrief, im «Hirten» des Hermas und bei dem V alentinianer Theodot die Kirche als präexistent vorgestellt wird 17 • Bezeichnend ist auch, daß in der Gnosis 13 I c I e m e n 8 42, 3 f.: fA.E'tcl .ltATJQOIJ'OQL«; .lt'VEUflCl'tO; a:ylou e;ijA.itov (sc. ot U.ltllO'tOAOt) eüayyeA.toofA.EVot •iJv ßaatA.elav 'tOÜ iteoü flEAAEtv EQ:X:EOitat. xa•a :x:roga; ouv xat .ltOAEL; 'XTJQU!flfOV'tE; xaitt
643
die «Ekklesia» eine Größe des Äonenpieroma wird 18 • Bei lrenäus und Tertullian erscheint die ursprüngliche Beziehung der messianischen Gemeinde zum anbrechenden neuen Ä.on transformiert zu einer Beziehung der Kirche zum Paradiese 19 • Noch die von Epiphanius beschriebenen Adamiteil machen aus dieser Identifikation der Kirche mit dem Paradies ein spezielles Dogma ihrer Sekte 20 • Sie pflegen sich daher nackt in einer - geheizten - Kirche zu versammeln. Clemens Alexandrinus kann gelegentlich von der Kirche als einer himmlischen Größe reden 21 • Origenes schließlich kennt eine Anschauung, nach welcher die irdische Kirche sozusagen der «Ausfluß» einer himmlischen Kirche höherer Ordnung sein sollte 22 • Hier schwebt überall die Intention. vor, die Kirche als einen besondern Bereich zu ·verstehen, in dem und mit dem ein ÜbernatürlichJenseitiges in die Sphäre des Natürlich-Diesseitigen hereinragt. Es kündigt sich hier der für das Wesen der Enteschatologisierung höchst charakteristische V ersuch an, die ursprüngliche eschatologische Grundanschauung von der messianischen Gemeinde als dem Bereich des mitten im vergehenden alten Äon anbrechenden neuen Äon aus dem Schema des Zeitlich-Dynamischen ins Zeitlos-Statische zu übersetzen. Der ursprüngliche Gegensatz der vergehenden natürlichen und der kommenden übernatürlichen Weltzeit reduziert sich und erstarrt zum permanenten Gegensatz von Diesseits und Jenseits, Irdischem und Himmlischem. Und so besteht nun für die kirchliche Theologie des nachapostolischen Zeitalters das eigentliche dogmatische Problem der Gestaltung eines neuen Kirchenbegriffs darin, des Nähern das Wesen dieses in der Kirche gegebenen Übernatürlichen, Jenseitig-Himmlischen neu konkret zu bestimmen. Es ist lehrreich, sich die Problematik dieses zwangsläu18 Siehe Iren ä u s, adv. haer. I, 30, 2. 19 Iren ä u 8 (adv. haer. V, 20, 2): plantata e8t enim eeclesia, paradisus in mundo; Te r tu ll i an sagt von Adam (adv. Mare. II, 4): translatus in paradisum iam tune de niundo in eeclesiam. 20 E p i p h an i u s (h. LII, .2, 3 f.): f}yoÜV'tllL yng 'tTJV EUU't<ÖV exxl•llO'LUV EtVUL ,;ov :n:agnöEtcrov ll.al a1hou~;; etvat ,;ou~;; :n:Egl 'Aönf.t xal Ellav. 21 C I e m e n s A I e x. (Paed. I, 84, 3): val, :n:möayroyß, :n:OLf.tUVOV flfliil;; Eil;; 1:0 üyt6v crou ögo~;;, :n:go~;; ,;T}v Ell.XÄTJcrlav, ,;T}v fnjlrof!.EVTJV, ,;T}v ü:n:EQVEcpij, ,;T}v O:rr,;of!.EVTJV OU!]UV<ÖV. 22 0 r i g e n e s zieht diese Anschauung heran zur Erklärung eines Ausdrucks, den er bei Ce I s u s findet; der gewisse Christen (Gnostiker) von <
644
figen Umdenkens zu vergegenwärtigen an der Art und Weise, wie die kirchliche Theologie sich zu der so auffälligen und charakteristischen paulinischen Bezeichnung der messianischen Gemeinde als des «Leibes Christi» stellt. Zunächst muß beachtet werden, daß man diese paulinische Aussage vorab zumeist als Ausdruck der Einheit der Kirche versteht. Deshalb redet man denn auch gerne von der Kirche .als dem Leibe Christi, wo man sich zur Warnung vor innern Spaltungen durch Häresie oder aus andern Gründen veranlaßt sieht. Diese Deutung tritt alsbald schon seit der frühen nachapostolischen Zeit als etwas Selbstverständliches auf 23 • Der Einheitsgedanke erweitert sich dann zum Begriff der «katholischen» Kirche 24 • Man hält sich also im wesentlichen an die Art und Weise, wie Paulus I Cor 12 den Ausdruck «Leib Christi» verwertet, und wo man in dieser Sache Paulus wirklich zitiert, greift man in der Tat zumeist diese Ausführungen heraus. Wesentlich ist, daß die paulinische Aussage demzufolge bildlich als «Allegorie» verstanden wird, wie Clemens Alexandrinus ausdrücklich bemerkt 25 • «Leib Christi» gilt also in erster Linie als bildhafte Veranschaulichung des Gedankens, daß die Kirche eine einheitliche Ganzheit dar· stellt vermöge der gliedhaften organischen Zusammengehörigkeit der einzelnen Gläubigen und Einzelgemeinden. Von da her wird denn auch nicht nur für die Wahrung der (gefährdeten) Glaubenseinheit argumentiert. Beispielsweise tröstet und ermuntert Tertullian mit dem Verweis auf diese lebendige gliedhafte Verbundenheit der Gläubigen den Rück· fälligen, der vor dem demütigenden öffentlichen Sündenbekenntnis vor 23 So schon I CI e m e n s 46, 5 f.: iva·tl EQEL~ xat it'UtJ.OL xat ÖL)(OG'tacrtaL xat axtcrtJ.a'ta n6Ä.Efl6~ 'tE E\1 UflLV; .•. tva,;l ÖLEAXOJl.EV xat ÖtaaniiitJ.EV 'tU Jl.EA'I] ,;oii XQLG'toii xai. cr,;acrta~OflE\1 3tQO~ 'tO criiitJ.a ,;o 'Löwv, xat d~ ,;ocrau't'l]\1 &.n6votav EQX6tJ.Eita roG'tE emÄ.aitf.critaL TJJl.Ü~ lhL Jl.EA'I] EC1Jl.EV &.1../..Tji..rov; I g n a t i u s (Smyrn. 1, 2): EL'tE E\1 'lo'U· öalot~, EhE Ev ß'frvEGL\1 Ev ßvt OWJl.U'tL 'tij~ EXXA'I]C1La~ a1hoii. Iren ä u s (adv. haer. IV, 33, 7): &.vaxQLVEL ÖE xat ,;ou~ 'tu crxtcrtJ.a'ta egya~OtJ.Evou~ ... xat ,;o 'iöwv /..ucrL'tEAE~ axonoiiv'tE~, &.i../..u !lfl 'fl" i(vrocrw 'fl" exx/..'l]crta~· xut ötu tJ.LXQä.~ xat ,;u~ ,;uxoucra~ ahta~ ,;o Jl.Eya xat l!vöosov criiitJ.a ,;oii XQLG'toii 'tEJl.VOV'ta~ xat Ötatgoüv,;a~. Hier sei
beispielsweise noch zitiert S y r. D i das k a I i a 13 (ed. Achelis-Flemming, S. 71): <
ÖLu 'tO xa,;u 3tUO'I]~ dvaL •Ti~ otxO'UflE\1'1]~ •.• xat Ötu 'tO ÖtÖacrxEw xa'fro/..txiii~ xat &.vEA· linana 'tU Et~ yviiicrw &.v'frgronrov e/..itEL\1 ()(jlELAO\I'tU MytJ.a'ta. 25 CI e m e n s Ale x. (Strom. VII, 87, 3): criiitJ.a öE a/.J.. TJYOQEL'tat i) exx/..'l]crla xugtou. AEL3tiii~
645
der versammelten Gemeinde zurückschreckt: Die Gemeinde wäre nicht der eine Leib, ja Christus selbst, wenn sie sich an der Pein des Bekenntnisses eines ihrer büßenden Glieder ergötzen wollte, statt mit ihm zu trauern und zu seiner Heilung mitzuwirken 26 • Umgekehrt kann aber auch Origenes einmal I Cor 12, 21 nach dem ganz andersartigen Spruch Mt 18, 8 auslegen: Die Hand kann mit dem, was sie treibt, für den ganzen Leib derart zum Ärgernis werden, daß das Auge mit Recht zu ihr sagt: Ich bedarf deiner nicht mehr, ja daß sie um der Erhaltung des Ganzen willen abgehauen werden muß 27 • Nun hat es natürlich in der Tat auch schon Paulus selbst I Cor 12 darauf abgesehen, mit Hilfe der Vorstellung vom «Leihe» Christi dieses Ideal der lebendigen, gliedhaft-organischen Verbundenheit der Gläubigen in der Gemeinde herauszustellen. Aber diese eine Analogie für sich allein würde ja noch nicht erklären, warum Paulus nicht bloß von einem «Leihe» überhaupt, sondern vom Leihe des Christus redet. Und zudem ist, sobald man nicht nur die Ausführung I Cor 12, son· dern alle Aussagen des Paulus in Betracht zieht, die bedeutsame Tatsache nicht zu übersehen, daß in der so charakteristisch paulinischen Formel «·Leih Christi» der Ausdruck «Leih» für Paulus selber gar nicht den Sinn einer bloßen Metapher hat. Vielmehr ist ganz realistisch die neue verklärte Auferstehungsleiblichkeit des erhöhten Messias Jesus im eigentlichen Sinne gemeint. Genauer: Die Formel «Leib des Christus» als Bezeichnung der erwählten Angehörigen der Gemeinde des Messias Jesus ist bei Paulus aus der Auffassung heraus geprägt worden, daß die Gläubigen, eben als Genossen des Messias, kraft dessen Tod und Auferstehung nunmehr teilnehmen an der eschatologischen Verwandlung zu derselben neuen Aufer!'tehungsleihlichkeit, in die er selbst als erster verwandelt worden ist. Es fehlt in der Theologie des nachapostolischen Zeitalters durchaus nicht etwa gänzlich an Au~sagen über die Kirche als den «Leih Christi», in denen diese ursprüngliche realistische Auffassung des Leibes nachklingt. So bei Origenes, der ja auch an so manchem andern Punkt 26 T e r t u ll i a n ( de paenit. 10): quid consortes casuum tuorum ut plausores fugis? non oportet corpus de unius memhri vexatione laetum agere; condoleat universum et ad remedium conlahoret necesse est. 27 0 r i g e n es (in Matth. XIII, 24): x.o.l x.o.l..ov JlEV oüv EL tn:o.LVE"tOf: EL1J ö Öq>ito.l..!10~ x.o.l iJ XELQ, tvo. !1ft Ö1iV1J"tO.L tül..6ym~ ttn:tiv ö Öq>ito.I..Jlof: 1:ii XELQL" xeeta.v aou oüx. EXOJ. tt llE "tLf: F:v 1:cp öl..cp aroJlo."tL 1:iiiv auvo.yooyiiiv 1:ij~ ßx.x.I..1Jalo.~ xtle XQ1JflO."tlao.; öui "tL n:ea.x.nx.6v, flt"ta.ßa.l..cbv yivoL"to ax.a.vöa.l..t~ouaa. xtte, l..tyhoo 1:ii "totmhn XELQl ö oq>itai..J16s· xetlo.v IJO\J oöx. l!xoo, x.o.l Etn:cbv El!l!.O'iJ!hoo O.lJ"tftV x.at ßo.l..hoo Üq>' EO.U"toii.
646
älteste Tradition zu Worte kommen läßt oder auf seine Weise verwertet. Mehrfach bringt er auffälligerweise die Kirche als den Leib Christi in irgendwelchen Zusammenhang mit dem Auferstehungsleibe Jesu und sucht demzufolge auch dem Gedanken einer Auferstehung der Kirche als des Leibes Christi einen Sinn abzugewinnen 2s. Sogar noch im vierten Jahrhundert findet man bei dem Lateiner Hilarius Sätze, die die Kirche als «Leib Christi» zu dem wirklichen verklärten Auferstehungsleibe Jesu ausdrücklich in Beziehung setzen 29 • Es ist als seltsam günstiger Zufall zu betrachten, daß derartige Aussagen in nachapostolischer ·Zeit überhaupt noch anzutreffen sind. Denn was hier nachklingt, ist ja eine paulinische Anschauung, die die großkirchliche Theologie längst preisgeben mußte. Der in der Formel von der Kirche als dem «Leibe des Christus» prägnant zum Ausdruck gebrachte Gedanke, daß die Gläubigen jetzt schon verwandelt werden in die neue eschatologische Auferstehungsleiblichkeit des Christus, hängt unmittelbar zusammen mit der paulinischen Grundauffassung vom W esen der Erlösung als des gegenwärtig auf Grund der Taufe sich vollziehenden Sterheus und Aufersteheus mit Christus. Im Zuge der Ent· eschatologisierung der paulinischen Erlösungslehre hat ja die Großkirche diesen Gedanken als eine sinnlose Paradoxie ausgestoßen und durch den andern Gedanken ersetzt, daß die gegenwärtige, sakramental vermittelte Erlösung in der Verbindung des Fleischesleibes mit dem göttlichen Geiste des Logos-Sohnes bestehe, zum Zwecke der Sicherung der Unvergänglichkeit, die durch die endzeitliche Auferstehung dereinst endgültig realisiert werden soll. Und diesen Vorgang bezeichnet die großkirchliche Lehre nunmehr hellenistisch als Vergottung durch Wiedergeburt 30 • Konsequenterweise muß daher die großkirchliche Theologie die Auffassung der Kirche als des Leibes Christi mit diesem neuen Grundgedanken der Erlösungslehre in Einklang bringen. Dies geschieht denn auch in der Tat. Soweit man sich die Frage wirklich stellt und beant28 0 r i g e n es (Comm. X, § 236 in .loh): Ö-rE ÖE 'YLVETUL uu-ri] i} UVUOTUOL<; 'tOÜ Ö.ÄTj{hvoü xut 'tEÄELOTE(IOU )((ILOTOÜ OOO!J.UTO,;, 'tO'tE 'tU !J.EI..Tj 'tOÜ )(Qll1'tOÜ TU vüv ro<; ;n:go<; 'to !J.EÄ/..ov, ~TJQU oo-ra ouvaxßiJot-rat ..• xat -rou 'tU no/..Au !J.EATJ 'to ev Eo-rm o&!J.a. Entsprechendes siehe auch Comm. X, §§ 229. 230 in Job. 2 9 Hila r i u s Pi c t a v. (tract. in psalm. CXXVIII, 9): •.• in dominum nostrum c.redentes, in cuius glorifico corpore, quod in caelestem gloriam transformatum est, spei nostrae honorem speculamur, humilitatis nostrae corpore in gloriam corporis sui conformando. ecclesiam autem esse corpus Christi, cuius invicem membra sumus, apostolus testis est. so Siehe S. 401-403.
647
wortet, in welchem Sinne überhaupt die Kirche als der Leib Christi zu bezeichnen sei, beschränkt man sich auf den Gedanken, daß sie der übernatürliche Organismus sei, in welchem der göttliche Geist des Logos-Sohnes erlösend wirkt 31 • Aber dieser Gedanke wird nun hier eingesetzt in dem Sinne, den er in der neuen Erlösungslehre erhalten hat, und damit ist diejenige Interpretation der Aussage von der Kirche als dem Leibe Christi in die Wege geleitet, in der die Kirche zur sakramentalen Heilsanstalt wird, außerhalb welcher es kein Heil im Sinne der neuen Erlösungslehre gibt. Genau in diesem Sinne lautet programmatisch jenes berühmte Wort des lrenäus, wonach da, «Wo die Kirche ist, auch der Geist Gottes ist, und wo der Geist Gottes ist, da auch die Kirche». Man muß diese These nur in dem Context belassen, in dem sie steht; denn sogleich wird gesagt, daß an diesem Geiste eben nur der Teil hat, der sich an den Brüsten der Mutter «Kirche» nährt mit dem Sakrament, das ja letztlich aus dem Leibe des gekreuzigten Christus stammt 32 • Die hier - veranlaßt durch die neue Erlösungslehre - sich einschiebende Anschauung von der Kirche als der sakramentalen Heilsanstalt bewirkt nun also, daß der «Leib Christi», sofern damit die Kirche gemeint ist, personifiziert wird zur «Mutter» der Gläubigen. Und der sakramentale Sinn dieser Personifizierung kann auf zwiefache Weise veranschaulicht werden. Einmal mit der Aussage - so gerade lrenäus - , daß die Kirche die Gläubigen mit dem Sakrament zum ewigen Leben nährt, dann aber auch - in Verwertung des alten Gleichnisses von der Gemeinde als der «Braut» Christi und im Gedanken an die sakramentale Bewirkung der «Wiedergeburt» der Gläubigen - mit der Auffassung, daß von der Kirche die Gläubigen als die durch den Logos erzeugten 31 Die Belege können sich darauf beschränken, zu illustrieren, daß tatsächlich die verschiedensten Autoren so denken: Her m a s (Sim IX, 13, 5): ot :n:LO'tEUOClV'tE~ ,;cp KUQlcp liLa ,;oii utoii KClL EvÖLÖ1JI1KOf.LEVOL 'tU :n:vEUf.LCl'tCl ( ='= Ö1JV6.f.LEL~ "tOÜ utoii 'tOÜ il'Eoii, Sim IX, 13, 5), l!aov-.:aL EL~ ilv :n:vEÜf.La, EL~ ~v 11Wf.LC1, Kat f.Lla ')(QOCl -.:&v lf.La'tll1f.LWV aihiöv. T er tu ll i an (pudic. 21): nam et ipsa ecclesia proprie et principaliter ipse est spiritus sanctus. CI e m e n s AI e x. (Strom. VII, 87, 3): ,;o öe 11Wf.La ,;oii,;o (-.:o) :rtVE1Jf.LCl'tLKOV, 't01J'tEI1'tLV iJ. &.yla EKKA'1]11La. 0 r i g e n es (c. Cels. VI, 48): A.eyOf.LEV Ö'tL 11Wf.LC1 ')(QLI1'tOÜ !pC111LV dvm ot il'EtOL AOYOL 'Ö:n:o 'tOÜ utoii "tOÜ iJ'EOÜ ljJU')(OUf.LEVOV ,;ljv :n:äaav ,;oii il'EOii EKKA1']11lav. P s .• C y p r i an (de dupl. mart. 37): hoc est credere in spiritum sanctum, unum deum et ecclesiam sauetarn mysticum Christi corpus, extra quam non est salus et in qua non est pernicies. 32 Iren ä u s (adv. haer. 111, 24, 1): uhi enim ecclesia, ibi et spiritus dei, et ubi spiritus dei, illic ecclesia et omnis gratia. spiritus autem veritas. quapropter qui non participant eum, neque a mammillis matris nutriuntur in vitam, neque percipiunt de corpore Christi procedentem nitidissimum fontem ..•
648
«geistlichen» Kinder geboren werden 33 • Der Zusammenhang mit der neuen Erlösungslehre wird vollends geschlossen mit Hilfe der entsprechend ausgebauten neuen sakramentalen Auffassung von der Heilsbedeutung des Todes Jesu: Indem Christus in seinem Tode die sakramentalen Substanzen aus seinem Leibe fließen läßt, schafft er auch die Kirche {als Heilsanstalt) 34 • Dieser ganze Gedankengang gipfelt schließlich in der allgemeinen These von der unbedingten Heilsnotwendigkeit der Zugehörigkeit zur Kirche: salus extra ecclesiam non est 35 • Und so erscheint nun diese übernatürliche Heilsanstalt im V erderben drohenden Sturm des Weltmeers als die einzige Rettungsinsel, in deren schützenden Hafen man sich bergen kann, oder als das einzige wunderbare Rettungsschiff 36 • Allein gerade auch noch an diesem Schlußpunkt der neuen Deutung des Wesens der Kirche als des corpus Christi tritt die Abweichung von 33 Markion hat den Text von Gal 4, 26 folgendermaßen geändert: Et,; t]v E1t1]"{"{ELÄ6.f1E1}u uyluv E'K'KAT]CJLU'V, 1]-n,; ECJ"tL'V fl.iJ"tTJ(l flfl&'V. 0 r i g e n e 8 zu II Cor 11, 2 (Comm. in Joh, ed. Preuschen, S. 521): 'VUfl.CjlT]'V A.eyrov (sc. Paulus) -rijv ÖAT]'V E'K'KAT]CJluv, "tU"{l(:UVOUCJU'V uyvijv 1tUQ1}8vov öux ,;i}v "tW'V ÖO"{fl.U"t(f)'V xut Tj1}&v OQM"tT]"tU. Dann aber gilt auch Eph 5, 32: L'VU E'KEL'VOL (sc. Adam und Eva) "{O'VEL\; E"{E'VO'V"tO 1tU'V"t(f)'V 0.v1}Qffinrov, oihro,; ö XQLCJ"tO\; xut "I) E'KXAT]CJlu nav,;rov -rrov &.yu1}&v itQyrov, 'VOTJflU"tW'V "tE xut A.6yrov "{E'V'Vij"tOQE\; clicrtv. Hier ist natürlich von Origenes die eigentliche kirchliche Anschauung spiritualisiert. C y p r i an (testim. II, 19): quod ipse (sc. Christus) sit sponsus ecclesiam habens. sponsam, de qua filii spiritales nascerentur. de cath. eccl. ~nitate 4: ecclesia una est • . • unum caput est et origo una et una mater fecunditatis successibus copiora: illius fetu nascimur, illius lacte nutrimur, spiritu eius animamur. ibidem c. 6: habere non potest deum patrem, qui ecclesiam non habet matrem. S y r. D i das k a l i a 13 (ed. Achelis-Flemming, S. 73): «Seid nun stetig versammelt mit den Gläubigen, die in der Kirche, eurer Mutter, leben, die lebendig ist und Leben spendet.» M e t h o d i u s findet die Mutter Kirche in dem Weibe am Himmel (Apoc Joh 12, 1-6) wieder und bezeichnet sie als rollwoücru xut U'VU"{E'V'VOÜCJU ,;ou,; '\j.IU)(:txou,; EL\; 1t'VEUflU"ttxou,;, xu1}' ov t..Oyov xut fl.iJ"tTJQ ECJ"tL'V (Symposion VIII, 6. 5). 34 Siehe S. 508-511. 35 So schon I g n a t i u s, dann vor allem C y p r i an, Epist. 73, 21; P s. - C y p r i an (de dupl. martyr. 37): ecclesia sancta mysticum Christi corpus, extra quam non est salus. t r a c t. 0 r i g e n i s XII (ed. Batiffol, S. 139): nemo alius saluti et vitae aeternae servandus est, nisi intra domum ecclesiae • . • fuerit inventus. L a c t an z (div. inst. IV, 30): sola igitur catholica ecclesia est •.• templum dei: quo si quis non intraverit vel a quo si quis exierit, a spe vitae ac salutis alienus est. 36 So schon T h e o p h i l u s von Anti o c h i e n (ad Autol. II, 14): xut xu1}anE(l ev 1}uf..acrcrn vi'jcrol ELCJL'V ut fl.E'V olx1J-rut xut EÜUIIQot xut XUQ1tOq>OQOt, ltxoucrut ÖQflOU\; xut ALfl.Evu,; :n:Qo,; ,;o ,;ou,; XELflU~OflE'Vou,; itl(:EL'V E:v uü-roi:,; xu-ruq>uya,;, olhro,; öEöroxEv ö 1}Eo,; ,;qi XOCJfl
ro,;
649
der urchristlichen eschatologischen Auffassung zutage. Der Satz, daß «außerhalb der Kirche kein Heil» sei, ist der paulinischen Lehre sowohl dem Wortlaut, wie dem Sinne nach fremd 37 • Es wird übersehen, daß nach Paulus die Kirche als die endzeitliche Gemeinde des Messias eben nur die Erwählten der I e t z t e n Generation umfaßt, deren Privileg es dem eschatologischen Programm gemäß ist, in der Gemeinschaft mit dem Messias die befristete Heilszeit der mit der Parusie beginnenden messianischen Herrschaft zu erleben. Wobei vorbehalten bleibt, daß selbstverständlich die Erwählten sämtlicher früheren Generationen am Ende des messianischen Reiches durch die Ereignisse der allgemeinen Endauferstehung (das letzte «Tagma» nach Paullls) und des allgemeinen Endgerichts hindurch zur ewigen Seligkeit des vollendeten Endzustandes eingehen dürfen - ohne je die Taufe empfangen und der Kirche angehört zu haben. Es hängt mit der - ebenfalls durch die Parusieverzögerung bedingten Umgestaltung des eschatologischen Programms des Paulus in der kirchlichen Lehre von den letzten Dingen zusammen, daß in der nachapostolischen Zeit die Auffassung von der absoluten Heilsnotwendigkeit der Taufe zu der Zwangsvorstellung führt, auch die Erwählten der verstorbenen Generationen der vorchristlichen Zeit müßten unbedingt als Glieder der christlichen Kirche gelten können, um der ewigen Seligkeit teilhaftig zu werden 38 • Wo nun die Kirche nicht als sakramentale Heilsanstalt, sondern als die Gesamtheit der ihr angehörigen Gläubigen in Betracht gezogen wird, da macht sich die Umprägung des Begriffs im Sinne der sakramentalen Erlösungslehre darin geltend, daß die Kirche als die Gemeinschaft der Vergotteten gilt. Sie ist die «Versammlung der Götter», von der in Psalm 81, l LXX die Rede ist 39 • Und da die Vergottung im Sinne der physischen Erlösungslehre sich auf den natürlichen Fleischesleib bezieht, kann gelegentlich die Bezeichnung «Leib Christi» · in der Be37 Neuerdings hat noch W. K o eh I e r (S. 230) sich dahin geäußert, das extra ecclesiam nulla salus sei bei Paulus «der Sache nach da». Aber diese unrichtige These sollte aus den dogmengeschichtlichen Darstellungen verschwinden. 38 Das Postulat der Heilsnotwendigkeit der Taufe auch für die Erwählten der vorchristlichen Generationen hat Her m a s aufgestellt und in seiner Darstellung der Turmvision in drastischer Weise veranschaulicht (Sim IX, 16, 1-7). Im übrigen gab auch. die Vorstellung von der Präexistenz der Kirche die Möglichkeit, die Frommen der Vorzeit als deren Glieder aufzufassen, vgl. Hip p o I y t, Danielkomm. I, 17, 7 (siehe S. 641, Anmerkung 5). 39 Iren ä u s (adv. haer. 111, 6, 1): et iterum: «deus stetit in synagoga deorum, in medio autem deos discernit»; de patre et filio et de his, qui adoptionem perceperunt, dicit. hi autem sunt ecclesia.
650
ziehung auf die Gemeinde der Gläubigen in der Weise angepaßt werden, .daß man diese statt «Leib Christi» vielmehr das «Fleisch Christi» nennt. So der Verfasser des zweiten Giemensbriefes (14, 3) und der PseudoOrigenes der «origenistischen Traktate», der geradezu den Text von Eph 5, 30 in diesem Sinne abändert 40 • Ein besonderes Problem stellt aas vom Urchristentum übernommene und im spätern kirchlichen Symbol festgelegte Postulat der Heiligkeit der Kirche dar, soweit dieses sich nicht nur auf den übernatürlichen Charakter der Kirche als sakramentaler Heilanstalt und der Vergottung der Gläubigen, sondern auch auf deren Sündlosigkeit bezieht. Unter den gegebenen Umständen 41 mußte es akut werden und mit unaufschiebbarer Dringlichkeit eine Lösung fordern, wo die Gläubigen nach der Taufe sich neuer Todsünde schuldig machten, vollends wenn dies nicht mehr nur in vereinzelten Fällen, sondern häufig geschah. Bis zur Mitte des zweiten Jahrhunderts mochte es angehen, sich mit dem Notbehelf zu begnügen, der darin bestand, daß vereinzelte apokalyptische Propheten (der Apokalyptiker J ohannes, Elchasai und Hermas 42 ) als Inhalt einer neuen Offenbarung die Gewährung einer außerordentlichen «zweiten Buße» und damit einer zweiten Sündenvergebung verkündeten. Aber einmal war dies nur eine Augenblickslösung, die der Kirche der Folgezeit nichts nützte. Zudem hing ihr Wert überhaupt von der Voraussetzung ab, daß man den Inspirationsanspruch solcher Propheten als berechtigt anerkannte. Es kam aber die Zeit, da neue inspirierte Propheten und neue Offenbarungen in der Großkirche jeglichen Kredit verloren. Dadurch wurde das ganze Problem für die Folgezeit kompliziert und die Lösung wesentlich erschwert. Die Frage, welche Lösungen die richtigen seien, vollends die Frage der praktischen Behandlung der einzelnen Todsünder, ließ sich nun nicht trennen von der andern, wer hier überhaupt zu irgendwelchen gültigen Entscheidungen in der Kirche legitimiert sei. Daher kann sie auch in der dogmengeschichtlichen Darstellung nur behandelt werden im Zusammenhang mit dem Problem der hierarchischen Organisation der Kirche. 40 T r a c t. 0 r i g e n i s IX (ed. Batiffol, S. 99 f.): carnem Christi indicat, quam ecclesiam esse apostolus definivit dicens: «caro>>, inquit, «Christi, quod est ecclesia>>, ex qua omnes credentes in Christo generati sumus, cuius fetus sancti appellantur. In diesem Sinne hat sogar Eph 5, 30 selbst in verschiedenen abendländischen und östlichen Textzeugen einen Zusatz erhalten: EX ,;ij~ oagxo~ mhoü xo.t EX "tÖ>V Öo,;irov
m'noü. 41 42
43
Siehe S. 441 f. Siehe S. 123 f.
651
Der wesentliche Punkt ist die Herausgestaltung des monarchischen Episkopats und die zugehörige dogmatische Theorie. Problemgeschichtlich wichtig ist die Tatsache, daß schon bei Ignatius von Antiochien eine dogmatische Theorie des bischöflichen Amtes zutage tritt, die derjenigen des Cyprian im Grunde sehr nahe kommt, nur daß, um die Hauptunterschiede zu nennen, bei Ignatius eine Lehre von der apostolischen Sukzession und die These von der Repräsentation der anstaltliehen Gesamtkirche durch den Episkopat als Gesamtkollegium der Bischöfe noch fehlt. Deshalb kommt den Schwankungen, die die dogmatische Theorie von Ignatius bis Cyprian noch durchzumachen hat, verhältnismäßig geringe problemgeschichtliche Bedeutung zu gegenüber der Frage, warum schon Ignatius vom Bischof so reden kann, wie er es faktisch tut. Die Sukzessionstheorie ist in nuce sogar schon vor lgnatius da, nämlich im ersten Clemensbrief 43 • Sie tritt nur nachher seit Irenäus noch schärfer und in präziserer Ausführung heraus, weil man nun den Bischof im Kampf gegen die Häresien auch als legitimen Garanten der in den großkirchlichen Gemeinden erhaltenen «apostolischen» Lehrtradition nötig hat 44 • Die Theori~ aber von der Repräsentation der einen Gesamtkirche durch den Gesamtepiskopat stellt ein so folgerichtiges Postulat der Entwicklung dar, daß man doch schon bei Ignatius seine künftige Realisierung voraussehen kann. Aus Anlaß seiner Reise zum Martyrium knüpft er sehr lebhafte Beziehungen zu mehreren kleinasiatischen Bischöfen an und benützt diesen Verkehr sogleich reichlich als günstige Gelegenheit, weit über die Grenzen seines eigenen antiochenisch-syrischen Bischofsbezirks Weisungen gewichtigen Inhalts zu erteilen. Und seine Hauptabsicht ist dabei gerade die, im ganzen Bereich der Kirche, soweit er seinen Einfluß geltend zu machen vermag, in gleichmäßiger Weise das Ansehen des monarchischen Gemeindebischofs zu stärken und seine Kompetenzen zu erweitern. Nach allen Seiten hin kämpft Ignatius für eine Auffassung der kirchenamtlichen Stellung des Bischofs, derzufolge dieser einmal der legitime Vermittler der sakramentalen Gnadenkräfte Ist, die die Kirche zu spenden hat, darüber hinaus aber die legitime Vollmacht besitzt zur Anordnung und Entscheidung in bezug auf alles, was 4a I CI e m e n s 44, 1-3: xal ol &:n:oo"toAot fJJliil'V llyvrooav !Iux ,;oü xuglou fJJlöi'Y 'ITJooü XQLO'toü ll'tL ilgL,; llo,;aL btl ,;oü öv6f-tu,;o,; ,;ij,; e:n:uJ'x;o:n:i'j~. liLa ,;au'tTJV o~v ,;iJv ahlav :n:goyvroOLV ttf.. TJ!pO'tE,; 'tEAELUV XU'tEO'tTJOUV 'tOU':" 3t(IOEL(ITJflEVOU~, xal flE'tllSU E:n:LVOfllJV llllroxav ll:n:ro,; Eav xoLJlTJi}öioL llLallßl;rov,;aL ilngoL lltlloxLJlUOf-tEVOt livllgt,; 'tft'Y AEL'tOU(IYLUV mhöiv. ,;ou,; o~v XU'tUO'tai}ßv,;a,; fm' EXELVOOV 1\ flE'tal;u uo:p' ETE(IOOV EAAO· ytJ.lrov &vllgöiv ouvwllox1Jo6.o1J,; ,;ij,; EXXATJOta~ :n:6.oTJ,; ••• 44 Siehe S. 173.
652
die Gläubigen zur Sicherung des Heils selber zu leisten haben. In dieser Hinsicht vertritt nach lgnatius der Bischof gegenüber der Gemeinde geradezu die Stelle Gottes und Christi, und die Gläubigen sind ihm gegenüber denn auch zu entsprechendem Respekt und Gehorsam ver• pflichtet 45 • Wäre schon zur Zeit des lgnatius die Frage nach der Kompetenz des Bischofs für die Handhabung des Boßinstituts in der Behandlung der Todsünder in der Weise akut geworden, wie dies später zur Zeit Kallists und weiterhin sich ereignete, dann hätte auch schon lgnatius ganz selbstverständlich hier dem Bischof die ganze potestas iurisdictionis vorbehalten. Freilich ist bei lgnatius der Bischof vicarius Gottes und Christi, also Hierarch im vollen Sinne, zunächst mehr nur in der dogmatischen Idee, noch nicht in geschichtlicher Wirklichkeit. Das geht daraus hervor, daß lgnatius in Kleinasien vorderhand sich für die Verwirklichung dieses Postulats erst noch einsetzen muß 46 • Er tritt also nach Beginn des zweiten Jahrhunderts als der große Vorkämpfer dieses hierarchischen Ideals auf. Dies entspricht durchaus der Tatsache, daß er zu den eigentlichen bedeutenden Begründern des neuen nachapostolisch-kirchlichen Dogmas überhaupt gehört. Als letztes Problem des Umwandlungsprozesses des Kirchenbegriffs stellt sich die Frage, ob und inwiefern dieses hochgeschraubte Postulat hierarchischer Ordnung der kirchlichen Heilsanstalt und Glaubensgemeinschaft seine dogmengeschichtlichen Voraussetzungen in der urchristlich-paulinischen Lehre habe. In den von pneumatischen Charismatikern geleiteten paulinischen Gemeinden gab es (nach Phil l, l) zwar Episkopen. Ihre Stellung und Funktion ist jedoch nicht mit Sicherheit deutlich zu erkennen. Die Angaben sind zu dürftig. Auf keinen Fall aber handelte es sich um den monarchisch-hierarchischen Bischof der dogmatischen Theorie des lgnatius. Einmal kam hier ein priesterlicher Heilsvermittler als einzig legitimierter Verwalter und Spender der Sakramente von vornherein noch gar nicht in Betracht. Das lag am besondern Charakter der paulinisch45 Dieses Thema wird in den Briefen des I g n a t i u s so ausführlich und so häufig behandelt, daß die Angabe einzelner Belegstellen wenig Sinn hat. Nur die Stellen, an denen der Bischof als vicarius Gottes und Christi erscheint, seien hier genannt: Eph 5, 1; 5, 3; 6, 1; Trall 2, 1; Magn. 3; Philad 3, 2; Smyrn 9, 1; Polyc 6, 1. ' 6 Die Theorie wird von I g n a t i u s beständig in der Form eindringlicher Paränese vorgetragen. Bezeichnend ist zudem, daß Ignatius den Smyrnäer Bischof mit Ermahnungen anfeuert, aus denen sich offenkundig ergibt, daß Polycarp nach dem Urteil des Ignatius seine bischöfliche Autorität viel zu wenig geltend macht (vgl. vor allem I g n a t i u s , ad Polyc. 1. 2).
653
urchristlichen Sakramente, sofern deren sakramentale Wirkung weder bei der Taufe noch beim Herrnmahl von einer besondern Weihe der Elemente abhing. Daher ist für Paulus die Frage, wer in der Gemeinde zur Spendung der Taufe kompetent sei, geradezu belanglos (vgl. I Cor 1, 14--17). Über dem Becher beim Herrnmahl wird keine W eiheformel, sondern ein Dankgebet gesprochen (I Cor 10, 16), und da es sich zudem um eine wirkliche Gemeindemahlzeit handelt, zu der die Teilnehmer nach Möglichkeit das Nötige selber mitbringen, ist ein besonderer, ausschließlich kompetenter Spender sakramentaler Speise völlig ausgeschlossen. Deshalb kann denn auch Paulus, wo er (I Cor 11, 17-34) Mißstände bei der Herrnmahlfeier rügt und deren Beseitigung fordert, lediglich an die Verantwortlichkeit der ganzen Gemeinde appellieren, nicht aber an einen in dieser Sache in erster Linie verantwortlichen kirchlichen Amtsträger. Ein besonderer ordo als Legitimation zur ausschließlichen Vollmacht der Sakramentsspendung kommt erst dann in Frage, wenn als Materie des Sakraments Elemente erforderlich sind, denen durch besondern Weiheakt eine übernatürliche Qualität erteilt werden muß. Diese Voraussetzung ist erst durch die neue kirchliche Lehre vom Sakrament erfüllt, die · gerade auch lgnatius vertritt 47 • Dazu kommt, daß erst in der nachapostolischen Zeit im kultischen Ritus auch eine Opferhandlung sich entwickelt, die einen Priester erfordert48. Wenn man nun nach den besondern Gründen fragt, denen es der Bischof (in ältester Zeit wohl mancherorts identisch mit dem Presbyter) zu verdanken hat, daß ihm dieser ordo zuerkannt wurde, so stößt man schon im ersten Clemensbrief auf die Auskunft, daß das Bischofsamt auf die Einsetzung durch die Apostel zurückgehe und daß die Apostel hiermit einer prophetischen Weisung des Alten Testaments nachgekommen seien 49 • Der alttestamentliche Schriftbeweis für das kirchliche Priestertum gewinnt in späterer Zeit erhebliche Bedeutung. 47 Und so dekretiert denn eben I g n a t i u s sehr bestimmt (Smyrn. 8, 2): oux e;6v EO"tt :x:roQt~ "tOU EJttOXOJ'tOU olln: ßun,;tl;ew olln: uyal'tTJ'V J'tOtEiv. 4s I C I e m e n s 44, 4: U!J.UQ"tLU yfJ.Q ou !J.tXQU fJ~J.iv i(o,;ut, Mv ,;ou~ U!J.E!J.l't"trot; xut öotro~ J'tQOOE'VEYXO'V"t(l~ "tU llöiQU ,;ij~ EJttOXOJ'tij~ unoßa/..ro!J.E'V. Erstmals ist die ituotu erwähnt Didache 14. n I CI e m e n s 42, 4 f.: xu,;a :X:WQU~ o:Ov xut n6f..Et~ XTJQUOOO'V"tE~ xuitto,;uvov ,;ac; Ü.J'tUQ:X:U~ uu,;öiv, lloxt!J.aOuvn:~ ,;cp J't'VEUIJ.U"tt, Ei~ entox6nou~ xut lltux6vou~ ,;öiv !J.EA· Mnrov JttO"tEUEtV. xut ,;ou,;o ou xmv&~· Ex yfJ.Q llij nof..Aöiv :X:QÖvrov EYEYQUJ't"tO J'tEQt emox6nrov xut lltux6vrov. o'ihro~ YUQ J'tOU (Jes. 60, 17) f..EyEt f) YQU!j)T)" XU"tUO"tf)Oro ,;ouc; EJ'ttOXOJ'tOU~ uu,;öiv Ev lltxutoouvn xut "tOU~ lltux6vou~ UU"tÖJV E'V J'tLO"tEt. Das Zitat ist sehr ungenau. Im folgenden wird der alttestamentliche Schriftbeweis von Clemens noch weiter ausgebaut.
654
Im zweiten Jahrhundert jedoch ist er noch umstritten. Offenbar wird er gerade im korinthischen Bischofsstreit, in den der römische Clemens mit seinem Schreiben eingreifen will, nicht anerkannt. Vor allem aber Ignatius operiert nicht mit diesem Beweis, was seiner so betonten grundsätzlichen Scheidung von Judentum und Christentum sehr gut entspricht. Ja, er verzichtet sogar auf die beim römischen Clemens mit dieser alttestamentlichen Begründung gestützte These von der Einsetzung der Bischöfe durch die ihrerseits von Christus auserwählten Apostel. Dies fällt aber deshalb besonders auf, weil ja nach der Theorie des Ignatius der Bischof noch unverhältnismäßig viel mehr bedeutet als bei Clemens: Nicht bloß «Cultusbeamter» 50 ist der Bischof, sondern in jeder Hinsicht Stellvertreter Gottes und Christi, ohne dessen Einverständnis die einzelnen Gläubigen als Glieder der Gemeinde nichts von sich aus entscheiden dürfen, der also die Gemeinde autoritär regiert 51 • Diese spezifisch hierarchische Position des Bischofs ist an sich durchaus unselbstverständlich und in dieser betonten Verabsolutierung auch nicht ohne weiteres aus seinem kultischen Amt ableitbar. Man ersieht dies aus den Bedenken, die noch die Epistula apostolorum die Apostel dem Christus vorbringen läßt: «Ü Herr, warest du es denn nicht, der gesagt hat: Nennet niemanden auf Erden Vater und Meister; denn nur einer ist euer Vater und euer Lehrer, nämlich der im Himmel. Jetzt sagst du uns, daß wir gleich dir vielen Kindern zu Vätern werden sollen und zu Lehrern und Aposteln 52 .» Tatsächlich trägt nun Ignatius seine Theorie durchaus nicht ohne Begründung vor. Nur legt er diese nicht lehrhaft dar, sondern betrachtet sie als gesicherte Voraussetzung, so daß sie nur in Andeutungen sichtbar wird. Sie ist stark durch seine persönliche Lage bedingt. Es ist bedeutsam, daß Ignatius sich gerade auf seiner Reise zum M a r t yr i um so intensiv mit der Autoritätsstellung des Bischofs beschäftigt. In seinem bischöflichen Amtsbewußtsein setzt sich die Gewißheit, in Bälde als Märtyrer durch die Nachahmung des Leidens Christi in die Gemeinschaft mit dem himmlischen Christus und damit zum Mither r s c h e n mit ihm zu gelangen, in die Überzeugung um, schon jetzt ~o A. Harn a c k, S. 236, Anmerkung 1: «Daß die Episkopen und Diakonen primär Kultusbeamte waren, erkennt man am deutlichsten aus I Clem. 40--44.» 51 I g n a t i u s (Magn 7, 1): ooCJ:rtEQ otiv ö XUQLO~ ÜvEu ,;oii :rta'tQO~ oilöev ~:rroltjCJEV, ftvm!dvo~ &v, oÜ'tE ÖL' äau,;oii, oÜtE ÖL' a:rroCJ,;61..mv· o1i'tro~ f.t1JÖE Uf.tEi~ ÜvEU ,;oü bnCJx6:rrou xat 't<Ö'V :rt(!ECJßU'tEQOOV f.t1jÖE'V :rt(HlCJCJE'tE, J.t1jfiE 3tELQaCJ1j'tE EÜ1..oy6v 'tt q:>al'VECJitat iötq. il~tiv, a1..1..' i\:rrt mh6. 52 Epist. apost. 41.
,;o
655
als der vicarius Christi auch seine irdische Gemeinde monarchisch regieren zu dürfen. Da lgnatius aber überhaupt grundsätzlich erst im Martyrium die Vollendung der «Jüngerschaft» als der Nachfolge Christi sieht, weil er das paulinische Mitsterben mit Christus so deutet, so ist ihm selbstverständlich, daß in erster Linie der Bischof als Gemeindevorsteher stets zum Martyrium bereit sein muß. Deshalb kann lgnatius die zunächst persönlich bezogene Schlußfolgerung verallgemeinern zu einer dogmatischen Theorie über das bischöfliche Amt und Recht zur Stellvertretung Christi überhaupt 53 • Während also der römische Clemens zur Begründung des Bischofsamtes eine historische Sukzessionsreihe konstruiert, die von Christus über die Apostel zu den Bischöfen führt, setzt lgnatius an Stelle dieser historischen Sukzession das Martyrium. Und damit erreicht er viel mehr. Während bei Clemens der. Bischof als legitimer Inhaber eines von. den Aposteln gestifteten kirchlichen Amtes nur Kultusbeamter wird, wird er bei lgnatius durch die Bereitschaft zum Martyrium Stellvertreter Christi und als solcher Hierarch. Die Vorstellung voin Mitherrschen des Jüngers mit Christus (d. h. mit dem Messias) stammt aus der eschatologischen Lehre des Urchristentums. Die Wahl der zwölf Aposteljünger geht darauf zurück, daß 53 Man muß bei I g n a t i u s darauf achten, daß er mehrfach von der Erörterung seines Martyriums in die Mahnungen zum Gehorsam gegenüber dem Bischof als dem Stellvertreter Gottes und Christi übergeht. Besonders zu beachten sind Stellen wie Eph 3, 1 ff.: «Nicht erteile ich euch Befehle, als wäre ieh (schon) irgendwer. Denn, wenn ich auch gefesselt hin im Namen, so hin ich noch nicht vollendet in Jesus Christus. Stehe ich doch jetzt erst am Anfang des Jüngerwerdens und rede zu euch wie zu meinen Mitschülern.» Streng genommen könnte er herrschen erst nach Vollendung des Martyriums, während er jetzt als Verurteilter und Gefesselter erst auf dem ·Wege zum Martyrium ist und äußerlich gesehen zur Zeit tiefer erniedrigt ist als alle andern Gläubigen, die noch frei ihres Glaubens leben können. Aber das Martyrium wird eben bald vollendet sein und damit ist er (nach überlieferter eschatologischer Lehre) zum baldigen Mitherrschen mit Christus bestimmt. Und eben dieser Gedanke veranlaßt den lgnatius, im folgenden (4, 1) nU):l doch sogleich die monarchische Stellung und Würde des Bischofs zu verteidigen. lgnatius redet nicht ausdrücklich von dem künftigen Mitherrschen mit Christus, das mit der Gemeinschaft mit dem· himmlischen Christus dem vollendeten Märtyrer verliehen wird. Er kann diesen Gedanken als etwas selbstverständlich Bekanntes voraussetzen. Daß er aber daran denkt, zeigt die Aussage Rm 6, 1: «Nichts können mir die Enden der Erden nützen, noch die Königreiche dieser Weltzeit. Es ist besser für mich, auf Christus J esus hin zu sterben, als König zu sein über die Enden der Erde.» Daß hier gerade das irdische königliche Herrschen zum Vergleich herangezogen wird, erklärt sich ohne weiteres aus dem mit dem Gedanken an das Martyrium verbundenen Ausblick auf das künftige Herrschen im Reiche des himmlischen Christus. Der dem lgnatius befreundete Bischof P o I y c a r p von Smyrna redet ausdrücklich von diesem Mitherrschen der Gläubigen mit dem himmlischen Christus (ad Phil. 5, 2).
656
diese nach der Intention Jesu im Endgericht als Mitrichter des Messias fungieren, speziell als Richter der zwölf Stämme Israels auf zwölf Thronen ihres Amtes walten werden (Mt 19, 28). Aus besonderem Anlaß wird von J esus als dem Messias designatus eine spezielle messianische Jurisdiktionsgewalt auf den (baldigen) Anbruch des Himmelreiches hin dem Petrus übertragen (Mt 16, 19). Verallgemeinernd nimmt Paulus an, daß alle «Heiligen» zur Mitwirkung im Endgericht, sogar im Gericht über die (gottfeindlichen) Engelmächte, berufen sind (I Cor 6, 2). Gelegentlich erscheint eine besondere Herrschaftsstellung im messianischen Reich als Belohnung für das Martyrium des Jüngers (Mc 10, 37. 38; Apoc Joh 20, 4. 6). Offenbar im Hinblick auf die ihnen zuteil gewordene messianisch-eschatologische Verheißung halten sich die zwölf Apostel für berechtigt, bereits in _der Zeit zwischen Tod und Parusie Jesu die Befugnisse einer hierarchischen Zentralgewalt über die von Jerusalem aus sich bildende Urkirche auszuüben, und Paulus anerkennt grundsätzlich diese Stellung der «Säulenapostel» (Gal 2, 9), wenn auch nicht ohne beträchtlichen Vorbehalt. Den korinthischen Gläubigen sodann wirft er einmal die ironische Bemerkung hin, sie hätten wohl schon ihre Herrscherstellung angetreten, was er freilich als armer Apostel von sich leider noch nicht behaupten könne (I Cor 4, 8). Faktisch übt er aber selber, gelegentlich auf eigenartige Weise, eine Jurisdiktionsgewalt aus, die sogar die Entscheidung des Parusiegerichts präjudiziert (I Cor 5, 5). Zudem hofft er als Märtyrer bereits vor der Parusie mit dem himmlischen Christus vereinigt zu werden (Phil1, 21-23). In der apostolischen Zeit selbst macht sich also die Tendenz bemerkbar, speziell für die Apostel aus der ihnen verheißenen künftigen Teilnahme an der eschatologischen messianischen Herrschaft ein Recht zur Ausübung gegenwärtiger hierarchischer Machtbefugnisse in der irdischen messianischen Gemeinde abzuleiten. In diesem Sinne läßt der nachapostolische Johannesevangelist den auferstandenen Christus selbst eine kirchliche Jurisdiktionsgewalt auf alle Apostel übertragen (Joh 20, 22f.). In analoger Weise leitet alsdann Ignatius aus der den Gläubigen verheißenen Teilnahme an der künftigen Herrschaft des Messias das Recht zur gegenwärtigen hierarchischen Machtbefugnis in der irdischen Kirche für den B i s c h o f ab, wobei er als Bedingung die Bereitschaft des Bischofs ·zum Martyrium einsetzt. In der Folgezeit stellt sich die weitere Entwicklung als die genaue Fortsetzung der hiermit aufgewiesenen Linie dar. Im Selbstbewußtsein
657
des Märtyrerbischofs lgnatius wird der Anspruch des Märtyrers ohne weiteres zur Stütze der Postulate des bischöflichen Amtshewußtseins. Für die Zukunft ist damit jedoch die Möglichkeit und die Gefahr provoziert, daß Märtyrer hzw. Confessoren und Bischöfe im Anspruch auf die hierarchische Jurisdiktionsgewalt in der Kirche rivalisieren. Dazu ist es in der Tat gekommen, und zwar in dem Moment, da die Frage der Heiligkeit der Kirche in hezug auf die Sündlosigkeit ihrer Glieder in das kritische Stadium geriet und das Problem der Behandlung der nach der Taufe in neue Todsünde Verfallenen eine endgültige und grundsätzliche Lösung erforderte. Bei der hohen Wertschätzung, welche das nachapostolische Christentum der Leistung des Martyriums zollt 54 , ist es begreiflich, daß man darauf ausgeht, den Märtyrern, die durch die Bluttaufe 55 völlige Entsündigung erlangt haben, einen hesondern eschatologischen Lohn zuzusichern 56 • So kommt man dazu, die Mitwirkung heim Parusiegericht ihnen als besondere Auszeichnung 1zu reservieren, wie wir vor allen von Origenes, Hippolyt, Cyprian und Dionys von Alexandrien vernehmen 57 • Es handelt sich, wie diese Zeugen bekunden, um eine im Bereiche des großkirchlichen Christentums geläufige Auffassung. Daher gehen die Confessoren von einer tatsächlich unbestrittenen Prämisse aus, wenn sie nunmehr im Streit um die. Behandlung der Todsünder aus ihrem Anrecht a.1f das künftige übernatürliche Richteramt eine richterliche Kompetenz in der irdischen Kirche ableiten 58 • Und auch 54 Auch schon I C l e m e n s 45, 8 wird im Hinblick auf die alttestamentlichen Märtyrervorbilder gesagt: ot liE Ul'tO!J.EVOV'tE~ EV l'tEl'tOL~TJO'EL M;av xat 'tL!J.lJV E:KAo1JQO-
VO!J.1JO'UV, El'tTJQ~1JO'uv 'tE xat iiyyeacpoL eytvov,;o am) ,;oü ~Eoü ev ,;iiJ !J.V1J!J.OO'UV
Siehe S. 443, Anmerkung 82. H e r m a s (Sim IX, 28, 3): ÖO'OL l'tO'tE El'ta~ov ÖLU 'tO OVO!J.U, iivöo;ot ELO'L l'tU(lcl
,;o
,;iiJ ~EiiJ, xat mxv,;oov ,;ou,;oov at Ö.!J.ae,;la.L acpnet~1JO'av, ön !il'ta~ov öta övo!J.Il ,;oü utoü ,;oü ~Eoü. Sim IX, 28, 4: ÖO'OL • . • El't'. E!;ouO'lav ax~EV'tE~ e;1J'tU0'~1JO'UV :KilL ou?<. ft(l'VTJO'IlV'tO a/..A.' El't(X~OV l't(hl~U!J.OO~, oii'tOL [J.Ö.AAOV evöo!;6'tEQOL ELO'L l'tll(lcl ,;iiJ xuetcp. 'tOU'tOOV 6 :Kil(ll'tO~ EO''tLV 6 Ul'tEQEXOOV. 57 0 r i g e n e s (Exhort. ad mart. 28): :KUL O'U!J.ßUO'LAEUO'EL :KilL OUVÖL:KUOEL ,;iiJ ßo.OLAEL 't<ÖV ßaO'LAEUOV'tOOV. Hip p o l y t (Danielkomm. II, 32, 4): &o'tE EUXEO~oo 6 E'VE:KEV 'tOÜ O'VO!J.U'tO~ l't(lOO!pEQO!J.EVO~ OL
C y p r i an (Epist. 6, 2): quando ergo iudicaturos vos et regnaturos cum Christo domino cogitatis. D i o n y s v. Ale x an d r i e n (Eu s e b, h. e. VI, 42, 5): llU'tOL 'tOLV\JV ot ~ELOL !J.U(l't\J(lE~ l'tll(l' ft!J.LV, ot VÜV 'tOÜ XQLO'tOÜ l'tU(lEÖQOL :KUL ,;ij~ ßaOLAELU~ (XU'tOÜ XOLVOOVOL :KilL f.LE'tO)I;OL 'tij~ :KQLOEOO~ llU'tOÜ :K(XL 0\JVÖL:KU~OV'tE\; au,;iiJ. 58 Schon im Streit mit den Montanisten spielt der Anspruch der Konfessoren eine Rolle. Der Kleinasiat A p o ll o n i u s ruft eine montanistische Prophetin auf zur Auskunft über einen gewissen Alexander, mit dem sie zusammenlebt (bei Eu-
658
die Schlußfolgerung selbst klingt plausibel. Als «Bekenner» sind sie zum Martyrium angetreten. Hätte es nicht durch äußere Umstände sich gefügt, daß es alsdann nicht .(oder noch nicht) bis zur wirklichen Bluttaufe kam, so wären sie nun bereits in die himmlische Hierarchie versetzt. Allein in dieser Rivalität um die kirchliche Richtergewalt muß schließlich den Bischöfen der Sieg zufallen. Märtyrer und Konfessoren sind eine außerordentliche Erscheinung außerordentlicher Zeiten. Die notwendige Kontinuität in der Ausübung der kirchlichen Gewalt er· fordert eine feste, dauernde Institution, wie sie der Episkopat darstellt. Zudem werden die Konfessoren auch schon dadurch mattgesetzt, daß der Episkopat in der speziellen Frage der Behandlung der rückfälligen Todsünder der im Kirchenvolk als zeitgemäß empfundenen Auffassung der Konfessoren in der Sache schließlich zustimmt. Was aber dog· matisch den Ausschlag gibt, ist die Tatsache, daß inzwischen die Theo· rie der apostolischen Sukzession, die die Bischöfe als legitime Nachfolger der Apostel zu Garanten der echten Lehrtradition macht, sich in der Großkirche durchgesetzt hat. So kann man die Bischöfe nun, wenn nötig mit Hilfe von Joh 20, 22 f., auch als die rechtmäßigen kirchlichen Erben jener Gewalt über die Schlüssel des Himmelreiches ausgehen, die Christus selber dem Apostel Petrus einst übertragen hat. Damit verfällt freilich auch das bedeutsame Herrnwort Mt 16, 18 f. endgültig der Enteschatologisierung. Denn seinem ursprünglichen Wort· s e b , h. e. V, 18): i] neo'Pi'rn; iJf.tiv ELna·no -ra xa-ra 'AJ..e;avöeov -rov 'Aeyov-ra Eau-rov f.t6.e-ruea, iiJ EOTLC'i'tat, iiJ neooxuvoüoL xat athiiiv :n:oi..Aol· oü -ru~ J..uo-rEla~ xat -ra ii.l..l..a -roJ,f.LiJf.taTa EqJ' oi~ xExol..ao-raL, oux. iJf.tä~ ÖEi I..EyELV . . . -rl~ ouv -rlvL x.ael~ETUL -ra df..l.ue-riJf.ta-ra; :n:oneov ö :n:eoqJTjTTJ~ -ra~ J..uo-rEla~ -r/il flUQTUQL, t] ö flclQTU~ -r/il :rtQOqJTJTU TU~ :n:AEOVE;ta~; Bei Te r tu 11 i an ist interessant, daß er einerseits den Anspruch der Konfessoren auf Ausübung kirchlicher jurisdiktioneUer Gewalt ab· lehnt, dann aber doch selbst den Entscheid der kirchlichen Gerichtsbarkeit zum Urteil des eschatologischen Gerichts in Beziehung setzt. de pudic. 22: at tu iam in martyras tuos effundis hanc potestatem . . . sufficiat martyri propria delicta purgasse. apolog. 39: ibidem etiam exhortationes, castigationes et censura divina. nam et iudicatur magno cum pondere, ut apud certos de dei conspectu, summumque futuri iudicii praeiudicium est, si quis ita delinquerit, ut a communicatione orationis et conventus et omnis sancti commercii relegetur. D i o n y s berichtet (a. a. 0., siehe Anmerkung 56) von den Konfessoren, nachdem er auf ihr erworbenes Anrecht auf das Mitherr· schen und Richten mit Christus hingewiesen hat: -riiiv :n:aea:n:E:rt'tOOXO'tOOV nÖEAqJiiiV 'tLVU~ u:n:Eu'ftuvou~ -rot~ -riiiv oftuotiiiv EYXATJf.tUOL YEVOf.tevou~ :n:eooEI..aßov-ro· xat -rijv emo-reocriJv xat flETavotav airtiiiv tö6v-rE~ ÖEx-rtxijv 'tE yEveo'ftaL öuvaf.tEVTJV -r/il f.LTJ ßouAOf.tEVq> xa'ftO. AOU 'tO'V oftava-rov 'tOÜ UflUQ'tOAOÜ ro~ 'tlJV flE'tU'VOLU'V ÖOXLflcliJUV'tE~, ELOEöe;av,;o xat ouvijyayov xat ouveO'tl]Oav, xut :n:eooEux,iiiv au-roi~ xat EI1TLaOEoov exowrovl]oav. C y • p r i an (Epist. 15, 1): cum vos ad me litteras direxeritis, quibus examinari desideria vestra et quibusdam lapsis pacem dari postulatis .•.
659
laut und Sinn zufolge redet es vom eschatologischen Reiche Gottes und vom zukünftigen Offenbarwerden der messianischen Gemeinde, nicht aber von der spätem geschichtlichen Größe der empirischen Kirche. Es ist kaum Zufall, daß gerade der römische Bischof Kailist als erster in dieser Weise mit Mt 16, 18 f. den episkopalen Anspruch auf die jurisdiktionelle Gewalt in der Kirche verteidigt hat. Denn er beanspruchte zugleich selber den Ruhm des Konfessors. Da er als Bischof zugleich das Konfessorenpostulat der milden Behandlung der Todsünder (Ehebrecher) sanktionierte, wurde offensichtlich durch ihn der Schriftbeweis mit Mt 16, 18 f. den moralischen Rigoristen zunächst verdächtig. Daher lautet im dritten Jahrhundert und darüber hinaus das kirchliche Urteil über die Begründung der episkopalen Kirchengewalt durch diese Matthäusstelle noch nicht einheitlkh 59 • Bei Cyprian ist das Dogma von der kirchlichen Plenargewalt des 59 Es seien hier folgende Zeugnisse erwähnt: 0 r i g e n es (in Matth. XII, 11): et öe enl TOV Eva EXE'i:vov IIE't:Qov VO!J.L~EL~ uno TOÜ i}Eoü otxoÖO!J.E'i:ai}m TTJV näaav EXXAT]IJLUV !J.OVOV, TL av !pTJIJEL~ :ri:EQl 'lroavvou ... 1\ EXUIJTOU Ti.öV aJtOIJTOAOlV; ... mixt öE xal iinl navTrov xul E!p' txaamu u'ÖTi.öv TO JtQOELQT]!J.EVOV -ro <
660
Bischofs sehr entschieden zum Ausdruck gebracht 60 • Es gibt jedoch neben den bekannten cyprianischen Aussagen über dieses Thema einige andere Zeugnisse, die problemgeschichtlich noch lehrreicher sind, weil sie zeigen, wie nun der messianische Glanz des von den Konfessoren in die irdisch-kirchliche Sphäre übertragenen eschatologischen Herr· schens und Richtens auch den Bischof umspielt. Sogar einem Clemens Alexandrinus gilt die kirchliche Hierarchie als Abbild der himmlischen 61 • Ganz besonders frappant sind aber die Anweisungen der syrischen Didaskalia. Der Bischof wird als «Abbild des allmächtigen Gottes» bezeichnet. Er hat «die Macht, die Sünder an Stelle des allmächtigen Gottes zu richten». Man soll die Bischöfe nicht nur ehren, sondern auch «fürchten»; «denn sie haben von Gott die Macht über Leben und Tod erhalten». Wenn die Bischöfe die regelmäßigen Gerichtsverhandlungen (stets am Montag) im Beisein von Presbytern und Diakonen abhalten, dann wird «Christus Teilnehmer und Beisitzer, Berater und Prüfer des Rechtshandels» sein. «So erforscht mit Sorgfalt, wie sol- . ehe, die einen Urteilsspruch über das ewige Leben abzugeben haben, oder über einen grausamen und bittern Tod. Denn wenn jemand auf Grund der Wahrheit angeklagt, verurteilt und aus der Kirche ausgestoßen wird, so ist er auch aus dem Leben und aus der ewigen Herrlichkeit hinausgestoßen worden, bei den Menschen ist er verabscheut und vor Gott verdammt». Es ist bei all dem nur folgerichtig, daß diese alte Kirchenordnung, die offenkundig ignatianische Tradition voraussetzt, den Bischof ausdrücklich nicht nur als den Priester und Propheten des neuen Gottesvolkes der christlichen Kirche, sondern als «Anführer, Leiter, König und Mittler zwischen Gott und seinen Gläubigen» hinstellt. In diesem Prädikat «König» schimmert das Messianisch-Eschatologische der Vor~ stellungen, von denen diese ganze dogmatische Theorie über den Bischof herkommt, sehr deutlich durch. Und so· ist schließlich auch die Vorschrift sehr zu beachten und ernst zu nehmen, daß der Bischof in der Kirche an der Ostseite auf einem Thron zu sitzen habe inmitten oo Siehe Anmerkung 58. Ferner Epist. 66, 8: scire debes, episcopum in ecclesia esse et ecclesiam in episcopo et si qui cum episcopo non sit et in ecclesia non esse. Weil es über dem Bischof keine höhere kirchlich-hierarchische Instanz gibt, lehnt C y p r i an den Summepiscopat ab, siehe C y p r i an, sent. episcop. de haer. bapt. (ed. Rartel I, 436). o1 C 1 e m e n s A 1 e x. (Strom. VI, 107, 2 f.): ~ntt %at al ~'V'taii~a %a'ta 'to/j'V E%%ATJ· atav :rtQo%onat ema%onrov, 1tQtcJßll'tEQOl'V 1lta%ovrov J.I.LJ.I.T]!.ta'ta olJ.I.aL üyytAL%ij~ M;TJ~ %Ö.%EL'VTJ~ 'tij~ ot%O'VOJ.I.La~ 'tlly·;avovcJL'V, t]v üvaJ.I.E'VEL'V
661
der Presbyter zu seiner Rechten und Linken: Dies ist das Abbild des auf seinem himmlischen Thron oder auf dem Richterstuhl des Parusiegerichts thronenden himmlischen Christus, umgeben von der Versamm· lung der himmlischen Heiligen 62 • Es möchte vielleicht zunächst verwunderlich erscheinen, daß diese syrische Kirchenordnung das alles vor· bringt, ohne sich dabei auf die Theorie der apostolischen Sukzession der Bischöfe zu stützen 63 • Allein die Didaskalia führt in der Tat ledig· lieh etwas bestimmter, ausführlicher und anschaulicher im Sinne einer kirchlichen Rechtsordnung aus, was dem wesentlichen Grundgedanken nach schon der einstige berühmte Bischof der syrischen Kirche lgnatius dogmatisch postuliert hat, und zwar ebenfalls ohne eine Begründung durch die Theorie der apostolischen Sukzession. Dieser Grundgedanke hängt eben seinem Ursprung zufolge gar nicht von einer derartigen Sukzessionstheorie ab. Als Nachwirkung und Ausgestaltung der igna· tianischen Auffassung vom bischöflichen Amt ist die kirchenrechtliche Theorie der syrischen Didaskalia nichts Auffälliges, sondern das Ergebnis einer folgerichtigen Entwicklung. Es ist freilich zum Schluß festzustellen, daß es in alter Zeit nicht an Bedenken und Protest gegen die Übersetzung der dogmatischen Theorie von der messianischen Herrgewalt des Bischofs in die irdische Wirklichkeit kirchlicher Praxis gefehlt hat: Origenes ist als solcher Warner aufgetreten 64 • Im innern Zusammenhang mit der bei Cyprian zu einem Abschluß gelangenden Diskussion über den Episkopat ist nun auch das Problem der Heiligkeit der Kirche zur Entscheidung gekommen. Rigoristen wie Tertullian versuchen unentwegt mit der alten Anschauung 65 Ernst zu 62 Alle diese Angaben sind enthalten in cap. 5. 8. 9. 11. 12 der S y r. D i da· s k a I i a {ed. Achelis-Flemming, S. 19-68). Auch P s. CI e m. Ho m. III, 66 wird die Mahnung zum Gehorsam gegenüber dem Bischof in den Worten zum Ausdruck gebracht: {}g6vov ouv XQLO"toii 'tL!liJaa'tE. 63 Ach e I i s - F I e m m in g, Die syrische Didaskalia, S. 270: «Wir erwarten seitenlang jeden Augenblick die Bemerkung, daß sie (die Apostel) an allen Orten Bischöfe eingesetzt hätten. Aber die Bemerkung fällt nicht. Dem Verfasser ist der Gedanke einfach fremd, daß der Episkopat apostolischer Herkunft sei.» 64 0 r i g e n es (in Matth. Comm. ser. 61): peccat autem in deum, quicumque episcopus non quasi conservis servus ministrat sed quasi dominus, frequenter autem et quasi amarus dominus dominans per vim, similis constitutus Aegyptis qui adflige· bant vitam filiorum Israel cum vi. ergo memores esse debent verborum Christi dicentis: «vos vocatis me magistrum et dominum, et bene dicitis, sum enim. si ergo et lavi pedes vestros, et vos debetis alterutrum lavare pedes.» 65 Es entspricht dem dogmengeschichtlichen Tatbestand, wenn H er m a s diese Auffassung als kirchliche Lehrüberlieferung ausgibt und anerkennt (Mand. IV, 3, 1 f.):
-1\xouau, !p'l]!ll, XUQLE, J"tUQU nvrov ÖLÖaaxcil..rov, lhL htga !lE'tUVOLa oux EO''tLV Et llfJ ExELV'I], Ö'tE Et~ üörog xu'tEß'IJ!lEV xut EAußo!lEV licpEO'LV d.!!UQ'tU:Öv il!!iöV 'tOOV 1tQO'tEQOlV. l..tyn !lOL" xal..ro~ -1\xouaa~. o\hro yO.g E%EL" EÖEL yO.g 'tOV ELA'IJ!pO'tu äcpEO'LV U!1UQ'tLOOV ~-t'IJXE'tL allae'tuvELv, u.t..t..' E-v ayvEt~ xa'toLxEiv.
662
machen, wonach der Gläubige nur mit der einmaligen, mit der Taufe verbundenen Sündenvergebung zu rechnen hat, die sich auf die Sündenschuld des vorchristlichen Lebens bezieht, und daher nach der Taufe darauf angewiesen ist, aus eigener moralischer Anstrengung seine Sündlosigkeit zu bewahren 66 • Eine Erleichterung der Lage hat sich das nachapostolische Christentum immerhin bereits verschafft durch die Beschränkung der unvergebbaren Sünden der Getauften auf die «Todsünden». In den ersten Jahrzehnten des zweiten Jahrhunderts proklamiert schon der Autor des ersten Johannesbriefs die Unterscheidung von läßlicher Sünde und Todsünde (I Joh 5, 16), und sicher nicht zuletzt deshalb kanonisiert die Kirche alsdann diese Epistel. Auch Rigoristen wie Tertullian und Origenes halten sich an diese johanneische Weisung 67 • Als «Todsünden» gelten zumeist: Unzucht (Ehebruch), Mord und Abfall zum Heidentum 68 • Daher liegt auch die Annahme nahe, das Sündenbekenntnis der alten Liturgie beziehe sich auf die «läßlichen» Sünden. Noch im vierten Jahrhundert lehrt Hilarius ausdrücklich, das gottesdienstliche Sündenbekenntnis sei eine stete Erinnerung an die Sünden des frühern vorchristlichen, nicht des gegenwärtigen Lebens des Gläubigen. Da· man zum Ausgleich der läßlichen Sündenschuld nicht mehr das satisfaktorische Verdienst des Sühnetodes Christi in Anspruch nehmen kann, so muß der Gläubige mit eigenen satisfaktorischen Leistungen aufzukommen suchen 69 • Das ganze bedrückende Problem verliert aber erst dann seine immer unerträglicher werdende Schärfe, wenn diese Möglichkeit des satisfaktorischen Ausgleichs auch für die Todsünde zugestanden wird. Daß gerade auch die «Bekenner» sich für diese milde Praxis gegenüber den Todsündern einsetzen, indem 66 Te r tu ll i an (de pudic. 17) zu Rm 6, 1 ff.: igitur semel Christo mortuo nemo potest, qui post Christum mortuus delinquentiae, et maxime tantae, reviviscere. aut si possit fornicatio et moechia denuo admitti, poterit et Christus denuo mori. 67 Te r tu ll i an erklärt auch die Unsicherheit in den Aussagen von I Joh über die Sündlosigkeit aus dieser Unterscheidung (de pudic. 19): ita Johannis ratio constabit diversitatis, distinctionem delictorum disponentis, cum deHnquere filiis dei nunc admittit, nunc abnuit. prospiciebat enim clausulam litterarum suarum et illi praestruebat hos sensus dicturus in fiue manifestus: (I Joh 5, 16). meminerat et ipse Hieremiam probibiturn a deo deprecari pro populo mortalia delinquente (folgt Zitat I Joh 5, 17). Siehe auch 0 r i g e n es, de orat. 28, 10. 68 0 r i g e n e ;; ( de orat. 28, 10): oiix. otll' önoo~ EllU'toi:~ 'ttvE~ 'ta unf:Q 'tlJ'V lEQil'tLx.i]v &!;lav, 'tax.a fl'llÖE &x.QLßoüv'tE~ 'tlJ'V LEQil'tLx.i]v EnLCJ'tfJfl'll'V, aiix.oüaLv
663
sie die bewundernde Verehrung, die man ihnen zollt, mit der Parteinahme für die «Verleugner» verdanken, ist bemerkenswert. Problemgeschichtlich verdient Beachtung schon die Art und Weise, wie man im Streit um diese Frage das Für und Wider begründet. Die Befürworter der milden Praxis machen darauf aufmerksam, daß der synoptische ] esus in seiner Belehrung über die Sündenvergebung die Unterscheidung von läßlichen Sünden und unvergebbaren Todsünden weder geltend macht, noch auch voraussetzt 70 • Um der Schrift nicht einen Widerspruch vorwerfen zu müssen, muß man über I Joh 5, 16 und vollends Hehr 6, 4 ff. möglichst hinwegsehen. Wie man nun mit Hehr 6, 4 ff. umgeht, wenn man sich zur Seltenheit einmal darauf einläßt, zeigt Athanasius: Er zitiert die Stelle zweimal so, daß er mitten im Satz abbricht, a'lso die Aussage über die Unmöglichkeit der zweiten Buße für den rückfälligen Getauften unterdrückt 71 • Einmal aber behauptet er, Hehr. 6, 4 ff. werde gar nicht die Möglichkeit einer zweiten Buße, sondern nur einer zweiten Taufe abgelehnt 72 • In den pseudojustinischen «Quaestionen» aber wird als seltsam paradoxer Tatbestand festgestellt, daß ausgerechnet das alttestamentliche Gesetz die Möglichkeit stets neuer Vergebung gewähre und damit der wirklichen Lage des Menschen, der faktisch auch stets neu wieder in Sünde fällt, besser gerecht werde als die neutestamentlichen Lehren, wonach die durch den Tod Christi begründete und durch die Taufe gewährte Vergebung nur als eine einmalige gelten darf7 3 • Den Ausschlag gibt schließlich die kräftige Berufung auf die synoptischen Herrnworte über die Sündenvergebung, vor allem auf Lc 15 74 • Speziell im Streit um das Edikt des römischen Bischofs KaUist über die Behandlung der Ehebrecher spielt begreiflicherweise die Perikope von der Ehebrecherin Joh 8 eine wesentliche Rolle, und man hat es offenbar den rigoristischen Gegnern 70 0 r i g e n e s zu Mt 18, 15 ff. (iu Matth. XII, 30): Ö flEV E:rtEQELG6.f1EVO~ ,;ß AE;EL :KilL ,;f}v 'Ö:rteQßaÄÄouGilV ,;oü 'ITJGOÜ qnÄilV~Qro3tlllv :rtllQLG'ta~ q>lJGEL Ö'tL, ,;ii"Jv QTJ'tiiiv llLilq>OQUV &.flllQ'tT}flti'l:rov O'ÖX 'Ö:rcoßllÄAOV'tOlV, :rtEQLGGOV :rtoLTjGOUGL :KilL :rtllQU 'tfJV XQTJG'tO· 'tTJTil ,;oü 'lTJGOÜ ot 3tQOGU:rtllxouovn~ E:rtL ,;ii"Jv EAil't'tovrov flOVOlV &.flllQ'tTJflthrov 'tllÜ'tll XWQilV ilXELV AEYEG~IJ.L. 71 A t h an a 8 i u s , Epi8t. I ad Serap. 22. 27 (MG XXVI, 584. 593). 72 At h an a s i u 8 (Epi8t. ad Serap. IV, 13, MG XXVI, 656): :KilL yag iiv ,;ij 3tQO<; 'Eßglllour; ELQTJflEVOV oiix E%%AEiov EG'tL 'tOOV &.JlllQ'tllVOV'tOlV 'tfJV flE'taVOLilV, &.Ha ,;ijr; xll~oÄLxijr; iixxÄTJGLilr; ßa:rc'tLGflll :KilL !lTJ öeu,;egov. öeLxvuov llv dvllL 7S P 8. Justin, Quaest et re8p. ad orth. 97 (Otto V, 141 ff.). Die Darlegung schließt mit der Frage: :rtiiir; oüv ÖELX~lJGE'tllL 'tOÜ VOflOU TJ xaQL<; ljlLAilVitQOl3tO'tEQil 3tEQL 'tOU<; aflllQ'tQVOV'tll<;; 74 T e r t u ll i a n muß diese V erwertuug von Lc 15 zu entkräften suchen ( de pudic. 7. 8). Siehe auch· P 8. - C y p r i an, de dupl. mart. 21 f.; D i o n y s v. Alex a n d r i e n Fragm. bei MG X, 1601.
,;o
,;o
664
des Kailist zu verdanken, daß dieses synoptische Stück in so vielen Bibelhandschriften unterdrückt worden ist 75• Der Schriftbeweis wirc:l ergänzt und verstärkt durch den Nachweis, wie oft die Fehltritte der Heiligen, ja gerade auch der Apostel, durch Gottes Fügung für die Gemeinde von heilsamer Wirkung geworden seien 76 • Die Gegner pochen selbstverständlich in ihrem Schriftbeweis auf I Joh 5, 16 und Hehr 6, 4 ff. 77 • Dabei macht freilich der Widerspruch zwischen Hehr 6, 4 ff. und dem ehenfalls in der alten Kirche vielfach als kanonisch geltenden Hermas (mand. IV, 3) Schwierigkeiten 7s. Im übrigen sind die kräftigsten Argumente dieser Rigoristen dogmatischer Art: Todsünde sei jedes Vergehen nicht gegen den Menschen, sondern gegen Gott, daher, wenn überhaupt, nur von ihm selber vergehbar 79• Zudem sei die vom Gläubigen nach der Taufe begangene Todsünde die nach dem Wort Jesu unvergehbare Sünde wider den (in der Taufe emp· fangenen) heiligen Geist 80 • Endlich laufe die unbegrenzt wiederholte Vergebung der Todsünde des Gläubigen faktisch auf eine Ermunterung zu stets neuer Todsünde hinaus 81 • 75 S y r. D i das k a I i a 7 (ed. Achelis-Flemming, S. 38 f.). Dagegen Hip p o I y t s Protest (Refut. IX, 12, 24): ÖLC) xat nl..'l)itUVOV'tat ... öux 'tel~ Tjöova~, Ü~ oü
665
Die Gegner der unbeschränkten Möglichkeit eines Schulderlasses für Todsünder wollen das ursprüngliche Ideal einer Heiligkeit der Kirche verteidigen, die auch in der Sündlosigkeit ihrer Glieder zu verwirklichen sei. Auf dieses Heiligkeilsideal war das paulinische Dogma ausgerichtet gewesen, sofern die Heiligkeit der Gemeinde des Messias bekunden sollte, daß diese Gemeinde der Bereich des seit Tod und Auferstehung Jesu anbrechenden neuen Äon sei. Heiligkeit bedeutet hier letztlich die Loslösung der Erwählten aus der Welt des vergehenden bösen, gegenwärtigen Äon. Die Kirchenlehre des nachapostolischen Zeitalters schließt den Streit um die Behandlung der Todsünder ab mit dem richterlichen Entscheid der Bischöfe, daß die Heiligkeit der Kirche nicht die Sündlosigkeit aller ihrer Glieder verlange. Der römische Bischof Kaliist findet heraus, daß man mit Hilfe von Gen 6, 19 ff. das Symbol der Kirche, nämlich das durch das gefährliche Weltmeer fahrende Rettungsschiff, auch dahin deuten kann, daß es in diesem Schiff wie einst in der Arche Noahs auch Hunde, Wölfe und Krähen, neben den reinen Tieren also auch unreine gebe. Auch den Acker, de~ in dem Gleichnis Mt 13, 24--30. 38 die Welt bedeutet, kann er jetzt vielmehr als die Kirche auffassen. Und darum darf nun auch in der Kirche Unkraut wachsen 82 • Solche Vergleiche sind alles andere als paulinisch (vgl. I Cor 5, 13!). Es ist nun aber der bischöfliche Stellvertreter Christi, der den neuen Entscheid über den Sinn der Heiligkeit der Kirche fällt. Und die Kirche sieht damit ihr eigentliches Wesen so trefflich gekennzeichnet, daß sie ihn unmöglich im Ernst endgültig ablehnen kann. 83 • Damit ist eine Wesenswandlung festgelegt: Die einstige Gemeinde des Messias, die Gemeinde der erwählten Heiligen der letzten Generation, die durch Sterben und Auferstehen mit dem Messias bereits der natürlichen Welt des vergehenden alten Äon den Rücken kehrt, schließt jetzt mit diesem Äon, weil er nicht verging, grundsätzlich ihren Kompromiß. Das ist, nach der dogmatischen, die praktische Enteschatologisierung der Kirche. 82 Hip p o I y t (Refut. IX, 12, 22 f.): &."J.."J..u :~w.t naQaßo"J..i]v -c&v ~~~avtwv 1t:Qot; 'tO'Ü'tO i(q>'I'J (sc. Kallist) "J..EyEo-&m· «Üq>E'tE 'tU ~~~avta ouvau!;Etv -c0 O'L'tql» (Mt 13, 29 f.), -cou-c!lonv 1\v -cu l\l~:~t"'..1Jolq., -cou,; &.fLa!_)-cavov-ca,;. &."J.."J..u :~tat -ci]v :~ttßw-cov -coü N&E Et,; Öf10LWf1a E:~tlt"'..'I'JO'Lat; i(q>TJ yEyovivm, 1\v u :~tat :~tuvEt; :~tat "'..U:~tot :~tat :~toQa:~tEt; :~tat nav-ca -cc'r. :~ta-fraQu :~tat &.:~ta-&aQ-ca, oü-cw q>uo:~twv ÖEi:v dvm 1\v E:~t:~t"'..T]olq. ÖfLolw,;. 83 P s .• C y p r i an (ad Novatianum 2): Iex unam nobis et ·singularem designat ecclesiam, iu illa scilicet quae sub Noe ante diluvium dei providentia fabricata est arca, iu qua non tantum munda animalia, sed et immunda invenimus esse reclusa. quae arca sola euro his, quae secum fuerant, liherata est in aqua, at ceteri qui iu ea inventi non sunt, diluvio perierunt.
666
Zweites Kapitel Die Störungen im eschatologischen Zukunftsprogramm Alle dogmengeschichtlichen Wandlungen, von denen in der Lehre des nachapostolischen Zeitalters das eschatologische Zukunftsprogramm betroffen wird, stellen nichts anderes dar, als eine Reihe von Störungen, in denen sich die nunmehr beschriebene Enteschatologisierung des gesamten paulinisch-urchristlichen Dogmas auswirkt. Und zwar geht in der Tat auch hier die Entwicklung von Paulus aus. Schon rein äußerlich bekundet sich der ganze Sachverhalt darin, daß der Streit um eschatologische Fragen, wo solcher geführt werden muß, sich an den wichtigsten Punkten zumeist als Diskussion über Aussagen des Paulus - weniger über die johanneische Apokalypse - abspielt. Man würde in die Irre gehen mit der voreiligen Annahme, diese Streitigkeiten hätten im wesentlichen ihre nächste natürliche Ursache in «Unklarheiten» und «Widersprüchen», mit denen das eschatologische Zukunftsprogramm der paulinischen Lehre angehlieh von vornherein he· lastet gewesen sei. Gleich am wichtigsten Punkt der nachapostolischen Auseinandersetzungen über die Eschatologie, in den Diskussionen über den Begriff der endzeitliehen Auferstehung, wird sofort deutlich offenbar, daß der Streit unvermeidlich provoziert ist als Folge der Umwandlung der paulinischen Erlösungslehre 1 • Die vermeintlichen sachlichen Unklarheiten und innern Widersprüche, welche die neuere Exegese in der paulinischen Eschatologie glaubte feststellen zu müssen, reduzieren sich auf die Art und Weise, wie Paulus ungewollt für moderne Leser durch die Form seiner Darstellung das Verständnis seiner Auffassung etwas erschwert. Selbst da, wo er sich am ausführlichsten über diesen Gegenstand äußert, I Cor 15, schreibt er keineswegs in der Absicht, eine vollständige, systematische Darstellung des Programms der eschatologischen Zukunft zu bieten. Einmal kann er auf Grund vorausgegangener Belehrung durch die Missionspredigt manches Wichtige als bekannt voraussetzen. Sodann will er I Cor 15 lediglich die Frage der Auferstehung erörtern, und auch dieses Problem ist nur eines unter zahlreichen andern, zu deren Behandlung er sich auf Grund der erhaltenen N achrichten aus der Korinther Gemeinde veranlaßt sieht. Was er selbst so als bekannt voraussetzt, das muß auch dogmengeschichtlich als vorhandene, lebendige älteste Tradition in Rechnung gestellt werden. Und das für 1
44
Siehe S. 391 f.
667
die Dogmengeschichte problemgeschichtlich Wichtigste ist nur schon aus I Cor 15 durchaus mit hinreichender Sicherheit teils direkt zu entnehmen, teils zu erschließen. Ein Vergleich mit der einfachen Eschatologie Jesu (nach der Synopse) läßt sogleich die eigentümliche Kompliziertheit derjenigen des Paulus hervortreten: Die endzeitliche Auferstehung erfolgt in Etappen. Zwischen den zwei letzten läuft die befristete Periode der Herrschaft des wiederkommenden Messias, die sich im siegreichen Endkampf gegen die gottfeindlichen Engel- und Geistermächte verwirklicht. Als deren letzte wird der «Thanatos», der Todesengel, endgültig vernichtet. Dem entspricht, daß bei der Parusie des Messias zunächst nur die vorzeitig entschlafenen Christen zur Auferstehung gelangen (während die überlebenden Gläubigen «verwandelt» werden), . alle übrigen Toten dagegen erst am eigentlichen «Ende» auferstehen. Dieser gestufte Ablauf der endzeitliehen Auferstehung läßt erwarten, daß nach Paulus auch das Endgericht sich in zwei verschiedenen Akten abspielt. Dem entspricht, daß die Gläubigen bald als passiv, bald als aktiv am Gericht beteiligt gedacht sind 2 • Es handelt sich demnach hier nicht um eine sachliche Unstimmigkeit, sondern um den Hinweis auf die Unterscheidung eines Parusiegerichts, in welchem der Messias seinen Genossen, den Gliedern seiner Gemeinde als den Erwählten der letzten Generation, je nach Verdienst ihren größern und geringeren Lohn zuteilt, und des allgemeinen Endgerichts nach Abschluß des siegreichen messianischen Endkampfes und der allgemeinen Totenauferstehung, an welchem, nunmehr unter aktiver Mitwirkung der Genossen des Messias, iiber ewige Seligkeit und Verdammnis zu ewiger Pein entschieden wird. Man hat es also ,bei Paulus mit einem eschatologischen Programm zu tun, das wie dasjenige des IV. Esra im Unterschied zu Henoch und Jesus die Periode der Messiasherrschaft nicht mit dem Gottesreich identifiziert, sondern in entsprechender Weise kombiniert. Neu ist im wesentlichen an dieser paulinischen Kombination, verglichen mit dem IV. Esra, nur dies, daß die Gemeinde des Messias mit diesem bereits im übernatürlichen Auferstehungszustand an der Periode der messianischen Heilszeit teilnimmt. Paulus ist sich dieses Unterschiedes auch offenkundig wohl bewußt und verkündet daher diese These von der Teilauferstehung der Gläubigen bei der Parusie des Christus als ein «Mysterium» (I Cor, 15, 51). Sie stellt für ihn eine Korrektur des vorausgesetzten spätjüdisch-apokalyptischen Programms dar, die sich ihm 2
668
I Cor 3, 13-15; 4, 4 f.; 6, 2 f.
von der eschatologischen Deutung des Todes und der Auferstehung Jesu her als folgerichtig und notwendig erweist 3 • Im nachapostolischen Zeitalter wirkt alles daraufhin zusammen, der kirchlichen Theologie den Einblick in die innerlich-folgerichtige Logik des paulinischen Programms der endzeitliehen Ereignisse zu erschweren und zu verdunkeln. Manche Einzelheiten verschwimmen jetzt unklar ineinander. Manches wird als unwichtig oder unmöglich gestrichen oder umgedeutet. Dafür setzen an einzelnen Punkten neue Triebe an und zeigen die Tendenz, die Reste des Ursprünglichen zu überwuchern. Zunächst muß von vornherein schon eine wesentlich verminderte Intensität und Unmittelbarkeit in der Beschäftigung des nachapostolischen christlichen Denkens mit den Einzelheiten der urchristlichen apokalyptischen Eschatologie in Rechnung gestellt werden. Die Enttäuschung, die man mit dem Erlebnis der dauernden Parusieverzögerung in Kauf nehmen muß, und der Zwang zur Anpassung an das Un• vermeidliche, durch Generationen hindurch neuerdings ernsthaft mit dem Weiterbestand der natürlichen Welt und des Lebens in ihr rechnen zu müssen, ermüden das lebendige eschatologische Denken. Die auf der ganzen Linie sich auswirkende Enteschatologisierung der urchristlichen Lehre führt zwangsläufig zu dem Ergebnis, daß .die Bedeutung der Eschatologie darauf reduziert wird, im Gesamtzusammenhang des im Neubau befindlichen kirchlichen Dogmas das letzte Kapitel darzustellen, eben als das bloße Schlußkapitel «von den letzten Dingen». Mag auch diese Umschaltung innerhalb der Eschatologie selbst neue Probleme heraufbeschwören, mit denen sich das dogmatische Denken notwendig beschäftigen muß, so kann die Eschatologie wohl theoretisches Streitobjekt der Schultheologie werden; aber das bedeutet noch nicht, daß man mit urchristlicher Intensität in ihr lebt. Daß die Eschatologie jetzt nicht mehr Inhalt der Naher wa r tun g ist, wirkt sich als ein Unterschied von bedeutender Tragweite aus. Für die Gläubigen der apostolischen Zeit war die Eschatologie ein Gebirge, in dessen gewaltigen Schründen sie marschierten und den Weg zum Gipfel suchten. Die Gläubigen des nachapostolischen Zeitalters müssen das kühne Unternehmen aufgeben, den Rückzug antreten und sich in der weiten Ebene ansiedeln. Für sie steht das Gebirge der Eschatologie am Horizoni. Immer noch und immer wieder richtet sich ihr Blick voller Sehnsucht nach diesen Höhen. Aber im Dunst der Ferne ist das Gebirge nur noch in allgemeinsten Umrissen erkennbar. Die Einzelheiten werden undeutlich oder verschwinden teilweise ganz. 3
Siehe A I b e r t S c h w e i t z e r , Die Mystik des Apostels Paulus, S. 94--96.
669
Auch gegen die Grundvoraussetzung alles intensiven eschatologischen Denkens, die mehr oder weniger radikal pessimistische Entwertung der natürlichen Welt, wird in der enteschatologisierten kirchlichen Theologie eine Schranke aufgerichtet, die sich in zunehmendem Maße als solche auswirken muß. Je mehr man zu sagen weiß von der Wirksamkeit des göttlichen Logos in Natur und bisheriger Menschheitsgeschichte, desto gedämpfter muß der Ton der urchristlichen Rede vom Teufel als dem «Gott dieser Welt» werden. Tatsächlich zeigt die Weltbeurteilung des nachapostolischen Christentums eine bemerkenswerte Uneinheitlichkeit. Sehr scharf lautet das pessimistische Urteil Markions. Es verdichtet sich bei ihm sogar zu einer Kritik am Weltschöpfergott, welche die Großkirche als blasphemisch empfindet. Auch in der Großkirche hört man bei Hermas und vor allem bei Tertullian und Gyprian noch sehr pessimistische Töne 4 • Aber wenn es Markion zu bekämpfen gilt, dann kann es sich selbst Tertullian leisten, darzutun, daß «diese Welt Gottes würdig» sei 5 . Mimteins Felix vergleicht die Welt einem schönen, wohlgeordneten Hause, von dessen Besitzer man von vornherein nur Gutes denken kann 6 • Methodius gar sieht die Welt immer noch im Bau begriffen: Noch ist der Schöpfer am Werk. Dieser Gedanke liegt weit ab vom Wunsche nach dem Weltuntergang 7 • Und besonders zu beachten sind die gelegentlich aufkommenden optimisti· sehen Urteile apologetisch interessierter Theologen über die Geschichte 8 • Die problemgeschichtliche Darstellung muß bei derjenigen Um4 Her m a s (Sim 111, 2): ö yae atwv oÖ•o~ Toi~ ÖL:~tatoL~ XEL~-toov iia•w. Te rtu 11 i an (de spectac. 8): totum saeculum satanas et angeli eins repleverunt. de spectae. 15: utinam ne in saeeulo quidem simul eum illis moraremur..sed tarnen in saecularibus separemur, quia saeculum dei est, saecularia autem diaboli. Nach de anima 1 befindet sich die Seele in isto tenebrosiore carcere saeculi. Siehe auch ad martyr. 2:. si enim recogitemus ipsum magis mundum carcerem esse, exisse vos (sc. martyras) e carcere quam in carcerem introisse intellegemus. C y p r i an (de mortalitate 25): mundus ecce nutat et laliitur et ruinam sui non iam senectute rerum sed fine testatur. Siehe auch S. 109, Anmerkung 14. 5 Te r tu ll i an (adv. Mare. I, 14): mundus deo dignus ... intus ac foris considera hominem: placebit tibi vel hoe opus dei nostri, quod tuus dominus, ille deus melior, adamavit? ... 6 M in u e i u s F e 1 i x 18: quod si ingressus aliquam domum omnia exculta, disposita, ornata vidisses, utique praeesse ei crederes dominum et illis bonis rebus multo esse meliorem: ita et in hae mundi domo, euro caelum terramque perlustraus perspicias providentiam, ordinem, Iegern, crede esse universitatis dominum parentemque ipsis sideribus et totins mundi partibus plllehriorem. 7 Met h o d i u s (Sympos. II, 1): •.. :nA.uaaov•o~ 'tO'V üvitero:nov ~TL 'tOÜ Ö1J~-tL oueyoü. 'tOÜ'tO yae )t(lL :ltll'V'tL )t(l'tll(jlll'VE~, c:h~ üea 'tO'V ltOCJ!tO'V &:~t~-tiJ'V EQyul;E"tUL l;royeaCjJÖl'V ö itE6~, ooa:nEQ öi] :~tal ö :~tuew~ iiötöa!;Ev «Ero~ ÜQTL ö :na•fJe ~-tou EQyul;ETUL» A.tiyrov. 8 Siehe S. 112 f., besonders die Einstellung Eu s e b s.
670
schaltung einsetzen, durch die der paulinische Plan der eschatologischen Zukunft die empfindlichste Störung erleidet. Sie setzt an bei der paulinischen Unterscheidung der befristeten messianischen Heilszeit von der nachfolgenden definitiven Endvollendung des Reiches Gottes. Diese Unterscheidung verliert für das nachapostolische Christentum ihren Sinn durch die Art und Weise, wie sie mit der J>roblematik der urchristlich-paulinischen Naherwartung verquickt ist. Die Gläubigen der apostolischen Zeit gelten nach Paulus zur Teilnahme an der messianischen Heilszeit berufen, weil sie die Erwählten der letzten Generation sind und als solche, in ihrer Gesamtheit als die Gemeinde des Messias offenbar werdend, bereits mit dem Messias Jesus einen kurzen Weltaugenblick vor dessen glorioser eschatologischer Parusie sterben und auferstehen zur übernatürlichen Leiblichkeit des neuen Äon. Da aber diese Gläubigen der Urgemeinde für das Urteil der nachapostolischen Christenheit nach Ausweis der dauernden Parusieverzögerung nicht mehr als die Erwählten der letzten Generation gelten können, in ihrem Endschicksal vielmehr ausnahmslos den verstorbenen Gerechten und Frommen aller früheren Generationen gleichgestellt erscheinen, so verliert auch die Vorstellung eines besondern endzeitliehen messianischen Heils, welches das Privileg einer besondern Generation von Gläubigen sein sollte, seinen Sinn und seine Berechtigung. Dieses Stadium der Enteschatologisierung hat sich nach verschiedenen Richtungen hin unvermeidlich ausgewirkt, so in der Ausbildung des Hadesfahrtdogmas und in der Umwandlung des Kirchenbegriffs 9 • Vor allem aber hat der Vorgang zur Folge eine wesentliche Vereinfachung des paulinischen Programms der Endereignisse. Fällt das problematisch gewordene Privileg dahin, so erscheint es als folgerichtige Selbstverständlichkeit, die Vorstellung der befristeten messianischen Heilszeit in derjenigen der nachfolgenden Seligkeit des Reiches Gottes als der Endvollendung aufgehen zu lassen. Diese Tendenz führt also im Endergebnis zur Ausscheidung des «Chiliasmus». Logischerweise läßt sie damit aber auch die Unterscheidung einer ersten Teilauferstehung und einer allgemeinen Endauferstehung, damit im Zusammenhang dann auch die Unterscheidung des Parusiegerichts und des allgemeinen Endgerichts bedeutungslos und überflüssig werden. Nur kommt es in dieser Entwicklung eigentlich nicht zu einer durchgreifenden klaren Entscheidung. So peinlich genau man es nimmt mit so manchen subtilen Einzelfragen der Christologie und so hartnäckig man um solche Dinge 9
Siehe S. 254 und S. 639 f.
671
streiten kann, so leicht scheint man sich in der Eschatologie am erwähnten Punkt mit Unklarheiten abzufinden. Indessen waltet doch auch hier kein Zufall. Offenkundig ist nämlich eine endgültige und durchgreifende Neuordnung des Programms der Endereignisse im Sinne der neuen Tendenz gehemmt durch die Tatsache, daß im kirchlichen neutestamentlichen Kanon die paulinische Eschatologie nunmehr einerseits diejenige der Lehre des synoptischen Jesus, andererseits das eschatologische Programm der johanneischen Apokalypse neben sich hat. Im eschatologischen Programm Jesu, wie es aus der Synopse ersichtlich ist, findet die nachapostolische Tendenz zur Vereinfachung des paulinischen Aufrisses der Endereignisse eine kräftige Stütze. Jesus hält sich im wesentlichen an den einfachen Typus der henochischen Eschatologie. Er identifiziert das Reich Gottes als die Endvollendung von vornherein mit dem messianischen Reiche des Menschensohnes. Daher kennt er keine Verdoppelung der Auferstehung und so auch nicht zwei Gerichtsakte. Die eine allgemeine Auferstehung und das eine allgemeine Endgericht finden im Zusammenhang mit der Parusie statt. Andererseits aber ist das komplizierte Programm des Paulus in der johanneischen Apokalypse nicht nur konserviert, sondern noch viel deutlicher und viel ausführlicher entwickelt als bei Paulus selbst. Und mag auch das Ansehen dieser Apokalypse in manchen Kreisen sehr angefochten sein, so ist diese Schrift. doch da, vermag ihre einmal errungene Stellung im Kanon zu behaupten und setzt einer radikalen Timdeutung der paulinischen Eschatologie im Sinne der synoptischen beträchtlichen Widerstand entgegen. Der Einfluß der johanneischen Apokalypse bekundet sich schon darin, daß man die Dauer des messianischen Reiches, das Paulus I Cor 15, 28 ohne bestimmte Zeitangabe als ein befristetes dem eschatologischen Plan einfügt, nunmehr allgemein - soweit man überhaupt an der Unterscheidung von Messiasreich und Gottesreich noch festhält - gemäß Apoc Joh 20, 4 ff. auf tausend Jahre festsetzt. Diese Zeitangabe erhält zudem besondere Bedeutung, sofern sie in die älteste eschatologische Zeitrechnung eingeht 10 • Es ist klar, daß auch diese Zeitrechnung, solange ihr ein einigermaßen aktueller Wert zukam, der Erhaltung des Grundgedankens des Chiliasmus eine Stütze zu bieten vermochte. Endlich ist zu bedenken, daß innerhalb des von Paulus herkommenden hellenistischen Christentums die Vorstellung vom zukünftigen messianischen Mahle besonders geeignet ist, die Erinnerung an die paulinische to Siehe S. 83-88.
672
Auffassung der Heilszeit des messianischen Zwischenreiches wach zu halten. Denn die Hoffnung auf die künftige Mahlgemeinschaft mit dem Messias in seinem Reiche ist eng verknüpft mit der stets wiederholten Herrnmahlfeier der Gemeinde. Und so ist denn auch gerade vom messianischen Mahl als dem Mahle der Seligen im nachapostolischen Zeitalter noch recht oft die Rede 11 • Indessen kennt nach der synoptischen Tradition auch die Zukunftserwartung Jesu die Vorstellung vom messianischen Mahl. Und die Art und Weise, wie Jesus sich darüber äußert, liefert dem nachapostolischen Christentum wieder einen guten Ansatzpunkt zur Vereinfachung der paulinischen Eschatologie im Sinne der lneinssetzung des messianischen Reiches mit der Endvollendung des Reiches Gottes 12 • Spiritualisten wie Origenes ist natürlich der urchristliche eschatologische Realismus des Essens und Trinkens im Messiasreich anstößig. Merkwürdigerweise versteht Origenes das messianische Mahl der ältesten Lehre im Sinne eines himmlischen «Passahmahles». Er lehnt jedoch die wörtliche Auffassung als «jüdisch» ab, rechtfertigt diese Kritik mit Berufung auf den paulinischen Spruch, daß das Reich Go t t es «nicht Essen und Trinken» sei (Rm 14, 17) und gewinnt die spiritualisierende Umdeutung mit Hilfe von Joh 4, 34: «Meine Speise ist die, daß ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk 13 • 11 So J u s t in, Dial. 51, 2, der das messianische Mahl mit dem wiedergekommenen Christus nach Jerusalem verlegt: n6.A.Lv ltUQU'YE'VijGEGituL E'V 'lEQ01JGuA.iJ!l- xut 1:01:E ,;oi:s !J.UitTJ1:UiS au..:oü 111.!!1-ltLEi:'V xat auwpuyEiv. M a r k i o n hat, nach T e r t u l l i an, adv. Mare. IV, 31, das caeleste convivium auf eine spiritalis saturitas et iocunditas gedeutet. B a r d e s an e s , siehe A. H i l g e n f e l d , Ketzergeschichte des Urchristentums, S. 522; V. Es r a 2, 38; Iren ä u s, adv. haer. V, 36, 3; Te r tu II i a n , de spectac. 28; H i p p o l y t , Capp. c. Gaium, fragm. VII zu Apoc J oh 20, 2 f.; die H i s t o r i a J o s e p h i 26 (Tischendorf, S. 135) redet ausdrücklich vom convivium mille annorum; At h an a s i u s, Epist. heortast. VII, 12 (MG XXVI, 1389). 12 In der eschatologischen Erwartung Jesu ist die Teilnahnie am messianischen Mahle der Z11kunft, da hier das messianische Reich des Menschensohnes . mit dem Reiche Gottes der Endvollendung identifiziert wird, nicht das Privileg der Erwählten .der letzten Generation. Jesus redet nicht nur ausdrücklich vom messianischen Mahle im Reiche Gottes (Mc 14, 25) - im Unterschied zu Paulus, für den es im Reiche G o t t e s nicht mehr Essen und Trinken gehen wird - , sondern macht geltend, daß auch die Frommen der Vorzeit, Abraham, lsaak und Jakob mit den Erwählten aus allen Völkern im Reiche Gottes zu Tische sitzen werden (Mt 8, 11). Demgemäß liest man in den T r a c t. 0 r i g e n i s V (ed. Batiffol, S. 56) in einer Ausführung über Gen 27, 28 f.: uhi ergo et quando haec henedictio complehitur, nisi in regno d e i, uhi est ahundantia frumenti et vini et olei? sponte enim frugem terra dahit et omnis malitia auferetur. , 13 0 r i g e n es (de princ. II, 11, ·2): et de novo quoque testamento vocem proferunt salvatoris, qua discipulis repromittit de vini laetitia dicens quia: (Mt 26, 29) . . . quorum vim figuralher vel spiritaliter intellegi dehere non sentiunt . . . judaico
673
Der geschilderten Situation entspricht durchaus die zwiespältige Art und Weise, wie die nachapostolische kirchliche Theologie zum Dogma vom (tausendjährigen) messianischen Reiche Stellung nimmt. Einerseits finden .sich während des ganzen Zeitraums, besonders im Westen, immer wieder Theologen, die dieser urchristlichen eschatologischen Erwartung treu bleiben 14 • Anderseits erhebt sich im Osten ein zunehmender Widerstand gegen den Chiliasmus, und im vierten Jahrhundert kommt man auf Grund einer Verquickung der Diskussion mit den trinitatiseh-christologischen Streitigkeiten sogar dazu, die paulinische Darstellung des messianischen Zwischenreiches zur Häresie zu erklären. Daß Origenes die Vorstellung vom messianischen Reiche in moralistischem Sinne umdeutet, versteht sich so ziemlich von selbst 15• In der Folgezeit erhebt sich jedoch gerade in Ägypten über die Frage der Deutung dieses eschatologischen Lehrstücks beträchtlicher Streit. Nach ~der Mitte des dritten Jahrhunderts muß Dionys von Alexandrien alle Presbyter und kirchlichen Lehrer der Gemeinden der Arsinoitis zu einer dreitägigen Disputation mit dem chiliastischen N epos zusammenrufen. Dieser verficht mit Berufung auf die johanneische Apokalypse autem quodam sensu scripturas divinas intellegentes. In Matth. Comm. ser. 85 wendet er Rm 14, 17 ein gegen Lc 22, 15 f.: corporaliter enim et secundum similitudinem praesentis cihi et potus non est regnum dei esca et potus. (spiritaliter autem est esca et potus) his qui exhihuerunt se dignos esse pane caelesti et pane angelorum et esca illa, de qua dicit salvator: (J oh 4, 34) ... ergo inplebitur in regno dei hoc pascha et manducahit eum J esus cum discipulis suis et hihet. Vom himmlischen Passah redet Origenes auch Comm. X, § 83 in Joh. Als eine Kritik des Essens und Trinkens im messianischen Reiche ist es wohl zu verstehen, wenn der Rö~er Gaius die Lehre des Kerinth vom messianischen Reiche u. a. mit den Worten wiedergibt: )Gat nal..w entituJ.Llats )GIXL i]öovais 'IEgouaal.. -ci}v aag)Ga nol..t-ceuoJ.LEV"IJV öoul..etJELV (nach E u s e h , h. e. III, 28 2). 14 Zunächst ist hier die von Hier o n y m u s (de vir. inl. 18) zusammengestellte Liste der alten Chiliasten voranzustellen: Papias Johannis auditor, Hierapolitanus in Asia episcopus ... dicitur mille annorum Judaicam edidisse deuterosin. quem secuti sunt Irenäus et Apollinaris et ceteri, qui post resurrectionem aiunt in carne cum sanctis dominum regnaturum. Tertullianus quoque in lihro de spe fidelium et Victorinus Petaviensis et Lactantius hac opinione ducuntur. Nach diesem Bericht weiß Hieronymus selbst, daß hier noch weitere Namen zu nennen wären. So vor allem natürlich Justin (Dial. 80. 81); aber auch C y p r i an (ad Fortunat. 11), S y r. D i das k a I i a 26 (ed. Achelis-Flemming, S. 137) und H i I a r i u s Pi c t a v. (tract. myster. I, 41); Met h o d i u s, Symposion IX, 5; E p i p h an i u s (h. LXXVII, 36, 5) berichtet, daß auch dem A p o 11 i n a r i s v o n L a o d i c e a chiliastische Anschauungen zugeschrieben werden; er selbst hält diese Nachricht für unglaubwürdig. 15 0 r i g e n es (Comm. VI, 5 in Rm): est tarnen ordo profectuum et sunt in virtutibus gradus: et idcirco dicitur Christus regnare, profecto secundum hoc, quod iustitia est, donec in unoquoque compleatur plenitudo virtutum. uhi vero mensura fuerit perfectionis expleta, tune dicitur tradere regnum deo patri, ut iam sit deus omnia in omnihus.
ev
674
iu.t
die realistische Auffassung des tausendjährigen Reiches, polemisiert kräftig gegen die allegoristisch-spiritualisierende Auslegung der Apo· kalypse und erregt damit kirchlichen Streit, der zur Spaltung und «Abfall» führt. Dionys vermag ihn und seine Anhänger zu überzeugen und den Streit zu schlichten 16• Im vierten Jahrhundert alsdann wird mit besonderem Nachdruck und Eifer die «Endlosigkeit», die «Ewigkeit» des Reiches Christi betont 17 • Cyrill von Jerusalem warnt eindringlich vor den· «vielen, die behaupten, daß das Reich Christi ein Ende nehme» 18 , und schimpft über diese Anschauung als über eine hassenswerte Häresie 19 • Daß man so temperamentvoll etwas als Häresie verdammt, was Paulus I Cor 15, 28 klärlich selber sagt, rührt daher, daß vor allem Mareeil von Ancyra sich für seine Logoslehre auf diese paulinische Aussage beruft, der sich freilich selber schon über diese zeitliche Begrenzung der Herrschaft Christi als über ein unerhörtes Geheimnis verwundert 20 • Tatsächlich hat schon Origenes seine Verwunderung über diese Paulusstelle ausgesprochen 21 , deren klarer, eindeutig «chiliastischer» Sinn freilich schwer in sein Gegenteil zu verkehren ist 22 • Allein eine kirchliche Exegese muß nun einmal richtig sein, wenn sie nur das klare Gegenteil dessen behauptet, was eine «Häresie» lehrt. 16 Ne p o s lehrt (nach Eu s e b, h. e. VII, 24, 1 ff.): 'tTJ'V 'tOÜ :x;(ltl1'tOÜ ßaatÄELil'V EitL yij~ eaEat}at . . • · ,;wa x;tJ..t&.öu. hö'Jv 't(IUq:>ij~ GOJf..Lil'ttx.ij~ Ent ,;fJ~ ~'I'J(IÖ.~ 'tllU'tTJ~ i!aEat}at und führt seinen Kampf in einer Schl:ift «"EJ..Eyx;o~ uÄÄ'I'JYO(ILI1'tW'V». 17 Eu s e b (dem. evang. VII, 3, 12): x.at 'tOlhou (sc. 'tOÜ )(;(ILG'toii) yE f..LE'V'tOL x.al ÖL
ßaatJ..Eta~. 21 0 r i g e n e s ( de princ. III, 6, 7): sed miror quomodo hoc intellegi possit, ut is, nondum sibi subiectis omnibus non et ipse subiectus, tune cum subiecta sibi fuerint omnia, cum rex omnium fuerit et potestatem tenuerit universorum, turn eum subiciendum putent (sc. haeretici!). . 22 C y r i Il von Je r u s a I e m (Kat. XV, 31 ff., MG XXXIII, 913) glaubt von Rm 5, 14 und Il Cor 3, 14 aus für I Cor 15, 28 beweisen zu· können, Ö'tL ,;o «f..LE:X:(IL» Q1l'tO'V oil :x;Q6vou El1'tL 1tE(ILO(ILI1'ttx.6v.
675
Wird die Ewigkeit des messianischen Reiches dekretiert und damit dieses mit dem Reiche Gottes als der Endvollendung faktisch in eins gesetzt, so ergibt sich daraus die logische Nötigung, im überkommenen paulinischen Plane des Enddramas die zwei Auferstebungen und die ihnen nachfolgenden zwei Gerichtstage je in ein einziges Ereignis zusammenlaufen zu lassen: Nach der Parusie des Christus findet dann die a 11 gemeine Auferstehung statt, verbunden mit dem allgemeinen Endgericht. Allein auch hier ist es so, daß die bereits namhaft gemachten Störungsfaktoren die klare und bewußte Herausarbeitung dieser folgerichtigen Lösung erschweren. Es fällt faktisch keine Entscheidung. Im Grunde müßte hierüber eine Auseinandersetzung zwischen den Anhängern und Gegnern des Chiliasmus entstehen. Allein dies geschieht nicht. Das Folgerichtigste, was sich in dieser verschwommenen Situation feststellen läßt, ist die Tatsache, daß es immerhin Chili.asten gibt, die deutlich an der Unterscheidung der partiellen Parusieauferstehung (Auferstehung der «Gerechten» oder der «Heiligen») und der allgemeinen Endauferstehung nach Ablauf des Milleniums festhalten 2a. Bezeichnend ist die Tatsache, daß die gesamte Theologie des nachapostolischen Zeitalters es unterläßt, in ihren Aussagen über den Plan der Endereignisse auf die paulinischen «Tagmata», die Stufenfolge im Ablauf der endzeitliehen Auferstehung Bezug zu nehmen (I Cor 15, 23 f.). Tertullian, der als Chiliast die Unterscheidung der partiellen Parusieauferstehung und der allgemeinen Endauferstehung klar und eindeutig vertreten und daher auch für das paulinische Schema der Tagmata Verständnis aufbringen sollte, deutet sogar den Tagmabegriff in unsinniger Weise um, wo er einmal in seiner Abhandlung über «Die Auferstehung des Fleisches» darauf zu reden kommt 24 • Die Verständnislosigkeit gegenüber der im Gesamtzusammenhang der paulinischen 23
So etwa Ascensio Jesaiae 4, 16. 17; Didache XVI, 6ff.: eha
,;o
11TJf.IELO'V
qJrovij~ oai..;ctyyo~, )tal ,;gl,;ov avaa,;aat~ vE)tQißv, ou ;cav,;rov ÖE, Ö.i..i..a ro~ EQQEitTJ' (Sach 14, 5); Po I y c a r p, Phil 2, 2; Iren ä u s, adv. haer. IV, 22, 2; V, 35, 1 f.;
36, 3. An der letzten Stelle deutet I r e n ä u s bemerkenswerterweise die «erste» Auferstehung (der Gerechten) auch noch in die Lehre Jesu hinein, weil er bei ihm den Hinweis auf das messianische Mahl findet; Hip p o I y t, Danielkomm. II, 37, 4; <
676
Lehre durchaus wichtigen Darlegung I Cor 15, 20-24 ist nicht etwa zufällig. Paulus entwickelt ja hier die Tagmata der endzeitliehen Auferstehung von dem Grundgedanken aus, daß diese mit der Auferstehung Jesu bereits begonnen habe. Dieser Gedanke ist jedoch für die enteschatologisierte Theologie des nachapostolischen Zeitalters völlig unhaltbar geworden. Daher geht sie mit ihrer Lehre von den letzten Dingen an I Cor 15, 21 ff. möglichst vorbei. Dazu kommt erst noch, daß die in den überlieferten Aufrissen der Endereignisse vorgesehene allgemeine Auferstehung denjenigen Theologen zum Problem werden müßte, die bereits in der Mt 27, 52 f. berichteten Auferstehung beim Tode Jesu sämtliche Gerechten aller Generationen seit Adam wollen auferstanden sein lassen 25 • Allein auch hierüber entsteht keine Diskussion. Auch daran wird ersichtlich, daß die Theologie des nachapostolischen Zeitalters es vermeidet, ihre Aufmerksamkeit auf die Einzelfragen des Gesamtablaufes des Enddramas zu richten. Ebenso sorglos und unachtsam ist man in bezug auf die Einordnung des Gerichts in das Gesamtprogramm. Und nur ausnahmsweise werden die Unklarheiten bemerkt, die dadurch entstehen. Origenes macht einmal darauf aufmerksam 26 • Einige Bedeutung legt man offensichtlich der Frage nach der Person des eschatologischen Richters bei. Mehrfach wird betont, nicht Gott selbst, sondern Christus sei der Weltrichter 27 • Diese Entscheidung entspricht zunächst der Tatsache, daß sowohl in den synoptischen Evangelien wie bei Paulus der Messias der Richter des Parusiegerichts ist, was der Situation völlig entspricht. lndessen ist zu beachten, daß vorab Markion dagegen protestiert hat, den guten Gott als vergeltenden Strafrichter vorzustellen 28 • Auch nach den torum dispositor). merita autem cum corpori quoque adscribantur, ordo quoque corporum disponatur necesse est, ut possit esse meritorum. Auch 0 r i g e n e s hat die Tagmata von I Cor 15, 23 f. mit Hilfe johanneischer Stellen umgedeutet (Comm. X, § 244 ff. in Joh). 25 Siehe S. 93 f. 28 0 r i g e n es (in Matth .. Comm. ser. 70) zu Mt 25, 31 f.: utrum autem omnes ab omnibus, qui in omnibus generationibus fuerint, aut illae tantum (gentes intelligendae sint), quae crediderunt in deum per Christum, et ipsae utrum omnes aut non omnes, non satis est manifestum. 27 Justin, Dial, 132, 1; Ar ist i des, Apol. 16; Epist. apostol. 22 ff.; Ire. n ä u s, adv. haer. V, 27, 2; 0 r a c. Si b y ll. II, 238 ff.; 0 r i g e n es, Comm. II, 10 in Rm; C y p r i an, testim. II, 28-30; C y r i ll von Je r u s a l e m, Kat. XV, 25 (MG XXXIII, 905). 28 Nach Adamanti u 8 (Dial. II, 4): O:yaM~ (i}eo~) ,;ou~ ma,;euov,;a~ a\mp (JOO~Et, ou j.LlJV 'lta"ta'KQLVEL 'tOU~ UltELi}i)aav,;a~ aui-4>. 0 M Ö'l'}j.LLOllQYO~.. 'tOU~ ltLG'tEU!Jav"ta~ aro~rov, 'tOU~ &.J.LaQ"tOlÄOU~ 'KQLVEL 't8 'Kat 'KOÄU~EL. T e r t u 1 I i a n hat freilich (adv.
o
677
V alentinianern ist das Vergeltungsprinzip als ein ethisch inferiores Prinzip des höchsten Gottes unwürdig. So Ptolemäus im Brief an die Flora. Nach Herakleon ist das Vergeltungsprinzip rein mosaisch, nicht christlich 29 • Aus Opposition gegen Markion hat Tertullian die richterliche Funktion Gottes stark betont 30 • Vielleicht ist eine Konzession an die markionitisch-valentinianischen Argumente mit im Spiel, wenn die kirchliche Theologie überwiegend an dem Gedanken festgehalten hat, daß Gott nicht selbst richtet, sondern das Gericht dem Christus übergeben hat. Mit dem V erblassen der paulinischen Vorstellung von der Heilszeit des messianischen Reiches hängt schließlich zusammen, daß die Aufmerksamkeit der kirchlichen Theologie nicht mehr bewußt auf das gerichtet ist, was nach Paulus die Ausübung der messianischen Herrschaft charakterisiert. Nach I Cor 15 entfaltet der Christus nach der Parusie seine Macht im siegreichen Endkampf gegen die Heere der widergöttlichen Engel- und Geistermächte. Das (nach Verdienst abgestufte) Mitkämpfen und Mitherrschen und der Anteil am endgültigen Triumph über diese Mächte im allgemeinen Endgericht ist der messianische Lohn, den der Christus im Parusiegericht den Erwählten, den Gliedern seiner Gemeinde, zuteilt. Nach der Johannesapokalypse beschäftigt sich auch noch die «Himmelfahrt Jesaias» mit dem Thema des messianischen Kampfes gegen die Engelmächte 31 • Allein derartige apokalyptische Schilderungen werden fortan selten. Im Grunde genügt es jetzt, zu wissen, daß dem Teufel und seinen Engeln auf alle Fälle das ewige Feuer schon zubereitet ist (Mt 25, 41). Mit der andauernden Parusieverzögerung hängt die Tatsache zusammen, daß man größere Aufmerksamkeit der andern Frage zuwendet, was für Ereignisse in der immer länger erscheinenden Frist vor der Parusie noch zu erwarten seien. Angeregt durch die Schilderungen der synoptischen und der johanneischen Apokalypse und auf Grund der Ankündigungen in II Thes 2 und in I, II Joh bleibt die Erwartung einer schweren Enddrangsal im Zusammenhang mit der Erscheinung des geheimnisvollen und mächtig-furchtbaren Antichrists lebendig. Hippolyt Mare. I, 27) dem Markion nachzuweisen versucht, daß nach seinen eigenen Voraussetzungen doch auch der gute Gott als Richter gelten müßte. 29 Origenes, Comm. XX,§ 359 in Joh. 80 T e r t u ll i a n , Apol. 17. Auch in der A p o e. P e t ri 4 und bei L a e t a n z , div. inst. VII, 20 ist Gott der Weltriehter. 81 A s e e n s i o Je s a i a e 1, 3; 4, 14. 18; 7, 9 ff.
678
hat dem Antichristthema ein ganzes Buch gewidmet 32 • Da schon in früher nachapostolischer Zeit der Antichrist auch zum Auftreten der Häresie in Beziehung gesetzt worden ist (I Joh 2, 18 ff.), so kann diese Waffe auch weiterhin im Kampfe gegen die Ketzer verwendet werden. Es ist kennzeichnend für die kirchenpolitische Kampfesweise des Athanasius, daß er den Arius als den Vorläufer des Antichrist für die einfältigen Gläubigen zum Schreckgespenst macht 33 • Bei allen Störungen und V erdunkelungeil, die das paulinische Programm des eschatologischen Dramas im dogmengeschichtlichen Prozeß des nachapostolischen Zeitalters aus den· dargelegten Gründen erleidet~ lassen die kirchlichen Theologen an einem Punkte doch immer noch deutlich das Zweiäonenschema erkennen, das den charakteristischen Grundriß der spätjüdisch-urchristlichen apokalyptischen Eschatologie gebildet hat. Für das gewöhnliche Denken bedeutet der zukünftige Anbruch des Reiches Gottes als der Endvollendung immer noch den Untergang der bestehenden natürlichen Welt und die Schöpfung einer neuen vollkommenen, des neuen Himmels und der neuen Erde. Dabei wird gemäß jüdischer und stoischer Tradition das Weltende als Wehbrand vorgestellt 34• Zuweilen taucht freilich bei gut kirchlichen Theologen, so besonders deutlich bei Methodius, der kritische Einwand auf, mit einer wirklichen Vernichtung der bestehenden natürlichen Welt würde Gott sein eigenes Schöpfungswerk als verfehlt kennzeichnen; daher dürfte der künftige Weltbrand nicht als ein tatsächliches Vergehen, sondern nur als eine Reinigung, als Erneuerungsprozeß aufgefaßt werden 35 • Mit solchen Überlegungen greift Methodius freilich an den Nerv alles apokalyptisch-eschatologischen Denkens und gerät in gefährliche Nähe seines Gegners Origenes und aller derer, die die überkom3 2 Enddrangsal- bzw. Antichristerwartung, in der Tat mehrfach beides ausdrück· lieh verbunden, sind z. B. bezeugt: D i da c h e XVI, 4; VI. Esra 16, 37 ff.; Her· mas, Vis II, 2, 7; IV, 2, Sff.; Epist. apostol. 34; lrenäus, adv. haer. V, 25, 1; 35, 1; Hip p o I y t, Danielkomm. IV, 50 f.; de antichristo 5; C y p r i an, testim. 111, 118; La c tanz, div. inst. VII, 19. 33 At h an a s i u s (Orat. c. Arian. I, 1, MG XXVI, 13): htEtÖft flE f) fLLU ,;ci)v utee
679
mene Eschatologie grundsätzlich preisgeben 36• Bei Lactanz ist andererseits bemerkenswert, daß er in der von ihm noch kräftig gewahrten Zweiäoneneschatologie den neuen kommenden Äon mit dem «goldenen Zeitalter» der Poeten identifiziert 37 • Es ist nun aber noch der Schwierigkeiten zu gedenken, die der überlieferten Eschatologie aus der Neugestaltung der kirchlichen Erlösungslehre erwachsen. Ein Widerspruch zur paulinischen Eschatologie entsteht durch die neue kirchliche Auffassung, daß die Möglichkeit der Auferstehung zum ewigen Leben grundsätzlich durch den Emp· fang der sakramentalen Garantie bedingt sei, sofern nur das Sakrament die erforderliche Verbindung des natürlichen Fleischesleibes mit dem übernatürlichen Lebensprinzip des göttlichen Geistes vermittelt 38 • Diese kirchliche Anschauung, die das Ergebnis der Enteschatologisierung der paulinischen Lehre von der gegenwärtigen Erlösung darstellt, steht nicht mehr im Einklang mit der Art und Weise, wie in der überlieferten paulinischen Eschatologie die Auferstehung und die übernatürlichen Güter des ewigen Lebens zu dem im Gericht festgestellten und beurteilten sittlichen V erhalten des Menschen in seinem irdischen Dasein in Beziehung stehen. Auch in der neuen sakramentalen kirchlichen Erlösungslehre kommt dem sittlichen Verhalten eine wesentliche Bedeutung zu, aber in einem andern Sinne. Danach geht der Gläubige trotz Empfang des Sakraments der Auferstehung verlustig, wenn er in neue, ungesühnt bleibende Todsünde verfällt, sofern die Todsünde den Verlust des durch das Sakrament empfangenen Geistes bewirkt und in diesem Sinne also die Wirkung des Sakraments aufhebt. Diese Wirkung der Todsünde tritt automatisch ein. In diesem ganzen Gedankengang kommt der Vorstellung vom Gericht gar keine Bedeutung zu: Weder die Zusicherung noch der Verlust der Möglichkeit der Auferstehung zum ewigen Leben hängt von einem Urteilsspruch des endzeitliehen Gerichts ab. In ihrer Lehre vom eschatologischen Gericht dagegen pflegt dann die kirchliche Theologie das juridische Vergeltungsprinzip derart scharf zu betonen, daß Empfang und Verlust der Güter des ewigen Lebens Siehe S. 701 f. La e tanz (div. inst. VII, I. 2):. ita fit ut natum sit quidquid potest interire. sed et omne quod sub visum oeulorum venit, et corporale, ut ait Plato, et solubile sit neeesse est . . . dispositione summi dei sie ordinatum, ut iniustum hoc saeculum deeurso temporum spatio terminum sumat extinctaque protinus omni malitia et piorum animis ad beatam vitam revocatis quietum tranquillum pacificum, aureum denique ut poetae vocant saeculum deo ipso regnante florescat. 38 Siehe S. 392 ff. 36
37
680
ausschließlich als Lohn und Strafe erscheinen, die dem Menschen durch Urteilsspruch des göttlichen Weltrichters entsprechend seinem sittlichen V erhalten im Erdenleben, seinem Konto an guten resp. bösen Werken, unwiderruflich zugesprochen werden 39 • Der Widerspruch in der Einordnung des Gerichtsgedankens macht sich folgerichtig bereits im Johannesevangelium (Joh 5, 24. 29) geltend. Demgemäß erscheint in diesem Zusammenhang die Auferstehung des Fleischesleibe& gar nicht abhängig von der Wirkung des Sakraments und wird. auch nicht von vornherein erfolgen als Auferstehung zum ewigen Leben, sondern sie ist die Maßnahme, durch die der göttliche Weltrichter alle Menschen aller Geschlechter, gute und böse, zum Erscheinen vor seinem Richterstuhl beordert 40 • Bei Paulus besteht dieser auffällige Widerspruch nicht Zwar werden nach seiner Lehre im Parusiegericht die (überlebenden und vorzeitig verstorbenen) Christgläubigen, denen bereits die Auferstehungsleiblichkeit des ewigen Lebens durch das sakramental vermittelte «Sein im Christus» garantiert ist, nach ihren Werken gerichtet werden. Allein das Urteil des Parusiegerichts entscheidet gar nicht über den Empfang oder Verlust der übernatürlichen neuen, unvergänglichen Auferstehungsleiblichkeit oder gar der ewigen Seligkeit des Reiches Gottes als der Endvollendung, sondern lediglich über den größern und geringern Anteil am messianischen Herrschen mit Christus, den die Gläubigen als ihren Lohn im messianischen Reiche empfangen. In dem nach Ablauf der messianischen Heilszeit stattfindenden Weltgericht empfängt dann die ganze übrige Menschheit, durch die allgemeine Auferstehung aus 39
Siehe schon Bar n ab a s 4, 12: Ö ?tVQLO~ ö::n:gocroo:n:OATlf.t:Jt't(l)~ ?tQLVEi: ,;ov ?t0!1ftOV.
i(?tacr,;o~ ?tailiö~
mhoü, Mv 1\8
E:7tOLTJ!1EV ?tOftLEhm. Mv
u :n:OVTJQO~, ö ~ttcrM~
u ö:yaM~,
ft
1\t?tatocr'llvTJ mhoü :7tQOTJ'Ytli1E'taL
•ii~ :7tOVTJQLa~ Eft:7tQ0!1~Ev mhoü.
40 S. 406 f., Anmerkung 73, ist bereits, in einem Vorausweis auf das ganze vorliegende Problem, die Aussage des Athenagora s (de resurr. 14) zitiert worden, die diese Anschauung als die vorherrschende voraussetzt und kritisiert. In der Tat gehört sie nachweislich zu den landläufigen altkirchlichen Beweisen für die Auferstehung des Fleischesleibes, hauptsächlich gegen die häretische Beschränkung der Erlösung auf die Rettung der Seele. Te r tu ll i an sagt (Apolog. 41): dignius credi hominem ex homine rediturum . . • ut eadem qualitas animae in eandem restauraretur conditionem, etsi non effigiem. certe quia ratio restitutionis destinatio iudicii est, necessario idem ipse qui fuerat exhibebitur, ut boni seu contrarii meriti iudicum a deo referat. ideoque repraesentabuntur et corpora, quia neque pati quicquam potest anima sola sine materia stabili, id est catne, et quod omnino de iudicio dei pati debent animae, non sine carne meruerunt intra quam omnia egerunt. Weitere Belege: Te r tu ll i an, de testim. animae 4; de anima 33; de resurr. carn. 8; A p o c. P e tri 4; Justin, Apol. I, 52; E p i s t. a post o I. 22 ff.; La c tanz, div. inst. VII, 20; Cyrill von Jerusalem (Kat. IV, 30, MG XXXIII, 492); Epiphanius, h. LXIV, 71, 13.
681
dem Hades gerufen, ihr Urteil, durch das entschieden wird über die Verleihung der Auferstehungsleiblichkeit des ewigen Lehens oder die Verdammnis zur ewigen Pein. Da es sich aber hier um das Gericht über die außerchristliche Menschheit handelt, so ist der Fall ausgeschlossen, daß von diesem Urteil jemand betroffen würde, der bereits vorher sakramental durch die Taufe in den Zustand des Sterheus und Auferstehens mit Christus zur neuen Auferstehungsleiblichkeit des ewigen Lehens versetzt worden wäre. Der Vergleich mit der paulinischen Lehre zeigt, daß in der Tat der fatale Widerspruch in der kirchlichen Theologie zunächst darin seinen Anlaß hat, daß im Zuge der Enteschatologisierung der Erlösungslehre die sakramentale Sicherung verallgemeinert und verabsolutiert wird. Zugleich wird aber klar, daß der Widerspruch unheilbar verschärft wird durch die V ergleichgültigung und Verdunkelung der paulinischen Unterscheidung von Parusieauferstehung und allgemeiner Auferstehung, Parusiegericht und Weltgericht, messianischem Zwischenreich und Reich Gottes als Endvollendung. Der Widerspruch ist nicht zu lösen, es sei denn durch bloße Kompromisse, die neue verwirrende Unstimmigkeiten schaffen. Daß er den kirchlichen Theologen nicht zu schaffen macht, ist nur wieder ein neuer Beweis für das geringe Maß von Aufmerksamkeit, das sie den Einzelfragen des eschatologischen Programms entgegenbringen. Nur geringfügige Symptome verraten zeitweise wenigstens ein undeutliches Empfinden dafür, daß hier irgend etwas nicht in Ordnung ist. So der gelegentliche Protest gegen das Unterfangen, die Notwendigkeit der Fleischesauferstehung zu erweisen im Sinne einer unerläßlichen Voraussetzung des Endgerichts 41 • Bei Tertullian sodann fällt auf, daß er eine Vermittlung sucht in dem Gedanken, daß zunächst jeder lediglich in seinem alten Fleischesleih aufersteht, der dann erst bei der Gewäh· rung des Eingangs ins Reich Gottes mit der Unvergänglichkeit begabt werde 42 • Ein schlecht üherlegter Versuch, die Auferstehung des Fleischesleibes zum ewigen Lehen sowohl durch die sakramentale Verbindung des Fleisches mit dem Geiste, wie auch durch den Urteilsspruch 41 Neben der S. 406 f., Anmerkung 73, zitierten Aussage des Athen a g o ras ist zu beachten Ps.- Justin, Quaest. ad orth. 13 (Otto V, 18): et ylve-.:at ij avU.o-.:aot,; ()Lu 'tfJ'V 'tOO'V ~E~LOOIJ.E'VOO'V exU.o,;cp av-.:Laoot'V, ;n;oo,; "tU ~QEcpTJ 1\ xal. "tU E'V "{a
682
des Endgerichts bedingt sein zu lassen! Denn nach der kirchlich landläufigen, auch von Tertullian vertretenen, eschatologischen Gerichts· theorie bedarf ja auch der zur ewigen Höllenpein Verdammte eines unvergänglichen Fleischesleibes, um die ewige Höllenstrafe 43 auch wirklich in gebührender Weise empfinden zu können 44 • Von den andern hieher gehörenden Belegen sei nur noch eine in jeder Hinsicht bezeichnende Äußerung des Methodius zitiert: «Seltsam aber ist auch jenes, was wir beinahe vergessen hätten, wie die Leiber der Heiligen, in einer andern, wunderbaren Gestalt auferstehend, verwandelt werden, aber die der Sünder nicht, - wenn es unmöglich sein wird, daß jene Leiber auferstehen. Denn niemand wagt zu sagen, daß sie ,gleichgestaltig' sein werden mit dem Leibe Christi, von denen Daniel sagt, daß sie ,zu gro· ßer Schmach' auferstehen ... ; denn wenn gepeinigt werden die Leiber 43 In der Regel wird als die durch das Endgericht verhängte Strafe die ewige Höllenfeuerpein angegeben: I g n a t i u s, Eph 16, 2; Justin, Apol. I, 12. 19; T h e o p h i I u s, ad Autol. I, 14; Iren ä u s, adv. haer. IV, 40, 1; V, 27, 2; Hip· p o I y t, Danielkomm.. IV, 56, 6 f.; C y p r i an, ad Demetr. 9; t r a c t. 0 ri g e n i s XVII (ed. Batiffol, S. 189); H i I a r i u s, tract. super psalm. II, 49. Aus den paulinischen Briefen könnte man als Strafe des Endgerichts auch die endgültige Vernichtung herauslesen. Aus Apoc Joh 20, 14; 21, 8 ergibt sich der Ausgleich, den Te r tu II i an (de resurr. carnis 35) und La c tanz (div. inst. II, 12) vorbringen, wonach der ewige Tod eben die ewige Höllenpein ist. Dagegen wird P s. C I e m. Ho m. 111, 6 die ewige Höllenstrafe für unmöglich erklärt, weil sie der Bestrafte auf die Dauer nicht auszuhalten vermöge. Sie führt also doch zur schließliehen Vernichtung. A p o c. P e tri 7-12 schildert ausführlich die verschiedenen Höllenstrafen für die verschiedenen Vergehen. Dementsprechend wird andererseits mehrfach auch eine Abstufung des Lohnes der ewigen Seligkeit geltend gemacht: Iren ä u s, adv. haer. V, 36, 2; C y p r i an, de hahitu virginum 23; «Von den dreierlei Früchten des christlichen Lehens» 9 ff. (ed. Reitzenstein, ZNW 1914, I, S. 21 ff.); Met h o d i u s, Symposion VII, 3. Man beruft sich dabei auf die verschiedenen Verheißungen der Seligpreisungen Jesu oder auf Mt 13, 3 f. Dogmengeschichtlich bemerkenswert ist Novat i an s Schilderung der Gehenna nach V e r g i l s Beschreibung des Ausbruchs des Ätna (Aen. 111, 570 ff.), vgl. A. Harn a c k (Eine hisher nicht erkannte Schrift Novatians, TU XIII, 4, S. 47): «Mit Novatian beginnt ... der Einfluß Vergils auf die kirchliche Literatur.» Endlich ist zu beachten die Erörterung E p i s t. a p o s t o I. 45. Hier wird im Bereich der gemeinkirchlichen Theologie das Dogma von der ewigen Verdammnis als Problem empfunden. Zu Mt 25, 1 ff. wird ausgeführt: Diejenigen (sc. Jungfrauen) aber, die wachten und mit dem Herrn, dem Bräutigam, hineintraten, werden ja doch keine Freude genießen wegen denjenigen, die eingeschlummert waren. Und er (sc. Christus) sprach zu uns {sc. den Aposteln): Sie werden sich freuen; denn sie kamen mit dem Herrn hinein. Und sie werden trauern um diejenigen, die eingeschlummert waren; denn es sind ja ihre Schwestern, und die Töchter Gottes sind es, die zehn. Da sagten wir ihm: 0 Herr, deiner Herrlichkeit geziemt es, ihren Schwestern Gnade angedeihen zu lassen. Da erwiderte er uns: Dies ist nicht eure Sache, sondern desjenigen der mich gesandt hat, und ich stimme mit ihm üherein>>. 44 Auch die S. 676 f., Anmerkung 24 mitgeteilte tertullianische Umdeutung des Tagma von I Cor 15, 23 ist ein Ausgleichsversuch. Und hier äußert sich T e r t n I l i an vorsichtiger, aber deshalb auch undeutlicher und allgemeiner.
45
683
der Sünder, so müssen sie doch wohl unverweslich und unsterblich sein, damit sie auch imstande seien, Pein zu erdulden 45 .» Bei all dem verwickelt sich die kirchliche Theologie schon dadurch in besondere Schwierigkeiten, daß sie infolge der Umgestaltung ihrer Erlösungslehre mit einem von vornherein unpaulinischen Auferstehungsbegriff operiert, indem sie sich mit großer Schärfe und Hartnäckigkeit auf da,s Dogma von der Auferstehung des natürlichen FleischesleiBes festlegt. Und die neue kirchliche Erlösungslehre, der Gegensatz zur Häresie, der Widerspruch, in den sich die großkirchliche Theologie gegenüber Paulus verwickelt, die heidnische Skepsis, - das alles hat zum Ergebnis, daß der Begriff der Auferstehung des Fleisches zum größten Problem der ganzen Eschatologie wird, das der Kirche die härteste Mühe bereitet. Für Cyrill von Jerusalem ist die Theorie der Fleischesauferstehung das «große Lehrstück», das aber leider viele Gegner hat 46 • Die großkirchliche Theologie hat deshalb einen schweren Stand in dieser Sache, weil die Häretiker - und diese bereiten ihr größere Schwierigkeiten als die skeptische heidnische Polemik - sowohl rationale wie auch biblische Argumente gewichtiger Art gegen die Fleischesauferstehung geltend zu machen imstande sind. Der rationale Beweis lautet, daß die Auferstehung des Fleischesleibes zur Unvergänglichkeit an sich unmöglich ist. Einmal deshalb, weil der Fleischesleib seinem Wesen nach vergängliche irdische Materie ist. So dann aber vor allem auch aus dem besondern Grunde, weil der Fleischesleib mit seiner Auflösung derart in den allgemeinen natürlichen Prozeß der dauernden, kreisläufigen Vermischung der Elemente eingeht, daß er für das einzelne, bestimmte Individuum niemals mehr in seinen ursprünglichen Bestandteilen neu zusammengesetzt werden kann 47 • In bemerkenswerter Weise wird das erste Argument zuweilen verschärft durch die Feststellung, daß der natürliche LeiB nicht nur im unvermeidlichen Tode seine Vergänglichkeit bekundet, sondern schon zwischen Geburt und Tod eine «fließende Substanz» darstellt, ein Sein, 45 Methodius, de resurr. III, 11, 1ff.; Cyrill von Jerusalem lehrt einmal ausdrücklich (Kat. XVIII, 19, MG XXXIII, 1040), daß auch der Sünder eines «ewigen Leibes» bedürfe, dainit er die ewige Höllenfeuerstrafe auszuhalten und zu empfinden vermöge. 46 C y r i ll von Je r us a I e m (Kat. XVIII, 1, MG XXXIII, 1017) zählt die vielen Bestreiter des JlEY« ötöayJ.ta folgendermaßen auf: UV'ttAeyouow "EAA1]VE\;, &.m11'tOUI1L ~«Jl«QEL'tat, Ötai1UQOU11W alQE'tL%oL 47 Justin (de resurr. 2, Fragm. I): cpaatv ot )(.ELQOVIX AEYOV'tEt; JlTJ dvat ,;f]t; GIXQ%Ot; &.v6.amaw, &.Mva,;ov yaQ dvat ,;iJv cpfrEtQOJ1EV1JV %at öta!..uoJ1EV1JV 'tiXU't1JV auvax.frf]vat dt; 'tO au,;6.
684
das in beständigen Wandlungen begriffen überhaupt nie eine mit sich selbst identisch bleibende Größe ist. Es ist demnach von vornherein unklar, was Auferstehung des Fleischesleibes überhaupt soll bedeuten können. Diese Lehre läßt ja völlig dunkel, in welchem seiner frühern Lebensstadien das verstorbene Individuum leiblich soll auferstehen können: Als Kind? Als vollreifer Mensch? Als Greis 48 ? Das zweite Argument wird in drastischer Anschaulichkeit durchgeführt: Man denke an die vielen Menschen, die zu Wasser und zu Lande bei Schiffbrüchen, in Kriegen und aus andern Ursachen ihr Leben verlieren und alsdann, weil sie nicht begraben werden, gefrässigen Raubtieren als Nahrung dienen und damit zu Bestandteilen ihrer Leiber werden 49 • Über die Vernunftgründe hinaus führt aber der Nachweis, daß die Lehre von der Auferstehung des Fleisches gar nicht mit der biblischen Offenbarung übereinstimmt. Einmal zeugt schon das Alte Testament gegen sie; Gewisse alttestamentliche Aussagen lauten so scharf ableh· nend, daß nach dem Bericht des Cyrill von Jerusalem unter ihrem Eindruck manche Gläubigen das Dogma von der Auferstehung überhaupt preisgegeben haben. Ps. l, 5 LXX lesen sie, daß die Gottlosen überhaupt nicht auferstehen werden, nicht einmal zum Gericht. Ps. 113, 25 LXX finden sie die Aussage, daß die Toten, daß alle, die einmal in den Hades run:abgestiegen sind, den Herrn nicht mehr sehen werden. Und Hiob 7, 10 LXX erschreckt sie die allgemeine, in ihrem negativen Sinn noch deutlichere Ankündigung, daß der einmal in den Hades V erbannte niemals mehr heraufsteigen werde, also eine glatte, allgemeine Verneinung jeglicher Auferstehung überhaupt 50 • Andere verweisen auf Der Bardesanit Marin u s führt aus bei Adamanti u s (Dial. V, 16): OiiiJ.!.a tm:EXQei bt ,;ij; 'tQO
QEUI11;ij~ ouola~ 8v 'tO 'tat~ v6oot~ öa3tav'1]{}8v
°
685
Gen 3, 19: «Erde bist du und sollst wieder zur Erde zurückkehren» 51 • Mit Hilfe einer bekannten Allegorese läßt sich auch aus Gen 3, 21 ein Argument gegen die Fleischesauferstehung gewinnen: «Wenn nach euch eine Auferstehung dieser toten Leiher und ihre V erwaudlung in die Unsterblichkeit geschieht, warum, saget an, schuf Gott von Anbeginn den Menschen ohne den Lappen des Leibes, wie die Schrift selbst lehrt? Denn die ,Kleider von Fellen' (Gen 3, 21), welche er nach der Übertretung Adam und Eva machte, sind deutlich die Leiber, mit denen wir bekleidet worden sind, nachdem wir das Gebot übertraten, der Buße halber mit einer solchen Fessel bekleidet. Daher sie auch passend ,Fell' genannt werden, weil auch eine Fessel dieser Leib ist ... ein Grabmal der Seele, die verurteilt ist, in ihm begraben zu werden, damit er uns nicht lasse ewige Pein haben 52 .» Diese Beweisführung leitet bereits über zu einer andern, die die Ablehnung der Fleischesauferstehung aus dem Vergleich des natürlichen Fleischesleibes mit dem vom Neuen Testament offenkundig gelehrten übernatürlichen himmlischen Auferstehungsleibe zu begründen vermag. Der natürliche Leib ist der Auferstehung gar nicht würdig. Einmal ist ja (nach Paulus) der Fleischesleib der Sitz der Sünde 53• Dann aber ist er überhaupt ein höchst fragwürdig-wertloses Gebilde: «Zusammengesetzter Ton, außen zum Trug mit Schönheit ausgeschmückt, inwendig aber angefüllt mit Würmern und Maden und Gestank 54 .» Der übernatürliche Leib aber, mit dem man nach neutestamentlichen Aussagen wie Mc 12, 25 vermöge der endzeitliehen Auferstehung zum ewigen Leben eingeht, ist dem ganz andern Leibe der himmlischen Engelwesen gleichgeartet, daher auch die Geschlechtslosigkeit des Auferstehungsleibes. Die Auferstehung des Fleisches führt niemals zur Verwandlung in diese übernatürliche Daseinsform der Engel. Als die bloße Wiederherstellung des irdisch-natürlichen Leibes mit allen seinen Organen und Funktionen bewirkt sie nichts anderes als die V erlängerung der gegenwärtigen irdisch-natürlichen Existenzweise in die jenseitige Ewigkeit 55 • Ihre schärfste Spitze erhält diese Beweisführung T r a c t. 0 r i g e n i s I (ed. Batiffol, S. 10). So läßt Met h o d i u s (de resurr. I, 4, 2) seinen Gegner Aglaophon reden. 53 J u s t in, de resurr. 2. 7. 54 Met h o d i u s, de resurr. I, 6, 2. 5 5 Die Widerlegung der Fleischesauferstehung mit Hilfe der neutestamentlichen Hinweise auf die engelgleiche Leiblichkeit der Auferstandenen ist mehrfach bezeugt, so bei Justin, de resurr. 2; Te r tu ll i an, de resurr. carn. 60; Met h o d i u s, de resurr. I, 7, 2 ff.; 49, 1 f. Die Hauptthese des Beweises lautet: oi öl; liyyEÄOL oiln 51
52
O'UQl!.ll e:x:ouotv, oiln taiHouow, oil'tE auvouotul;ouow. ooc:r,;E oUilf: O'llQl!.O<; uvuo,;ac:rtr; YEVi}O'E'tllL.
686
da, wo sie jeweilen ausläuft in eine Bekräftigung mit charakteristisch paulinischen Aussagen üher das Fleisch und die neue Auferstehungsleiblichkeit, so vor allem Rm 7, 18. 24; 8, 8; I Cor 15, 44. 50; Gal 5, l7 56• Man versteht angesichts dieser kritischen Einwände der Häretiker (vor allem der Gnostiker}, daß Tertullian selbst eingesteht, die Auferstehung des Fleisches sei ein schwer zu glaubendes Dogma, schwerer zu glauben als die Einheit Gottes 57 • Daß man auch sonst in großkirchlichen Kreisen die Schwierigkeiten der eigenen Position stark empfunden hat, bezeugt die Epistula apostolorum mit folgendem Gespräch der Apostel mit dem auferstandenen Christus: «Wir sagten ihm: 0 Herr, ist es denn wahr, daß das Fleisch mit der Seele und dem Geist zugleich gerichtet werden wird ... ? Und er sagte uns: Wie lange wollt ihr nun fragen und nachgrübeln? Wir sagten ihm wiederum: 0 Herr, es ist notwendig. Du hast uns ja befohlen, daß wir predigen, verkündigen und lehren, damit wir, nachdem wir von dir genau gehört haben, gute Boten werden . . . Er antwortete und sagte: Wahrlich ich sage euch, der Körper eines jeden Menschen wird (lebendig} mit der Seele zugleich auferstehen und mit dem Geist. Und wir sagten ihm: Kann denn leben, was verwest und verstreut worden ist?» 58• Die großkirchliche Theologie gerät in um so größere Bedrängnis, je hartnäckiger sie sich, offenbar aus Opposition gegen die Häresie, auf den Gedanken versteift, daß in der Auferstehung die haargenaue Wiederherstellung des verstorbenen natürlichen Fleischesleibes stattfinden müsse: «Er wird uns aber von den Toten auferwecken so, wie wir sind in dieser Gestalt, die wir jetzt tragen ...., wie der Herr, unser Heiland, gesagt hat: «Nicht soll ein Haar von eurem Haupte verloren gehen» 59 • Diese starke Betonung des Postulates der genauen Wiederherstellung des Gewesenen, vollends mit der Begründung, daß auch die Auferstehung Jesu ~ie Rekonstruktion seiner frühern natürlichen Leiblich56 Die häretische Verwertung dieser paulinischen Stellen als Schriftbeweise gegen die Fleischesauferstehung ist mehrfach bezeugt, so von Iren ä u s, adv. ha.er. V, 13, 2; Te r tu ll i an, de resurr. carn. 5. 10. 53; adv. Mare. V, 10; Nova t i an, de trin. 10; Met h o d i u s, de resurr. I, 5, 2 ff.; 12, 9; Adamanti u s, Dial. V, 21. 22: tract. Origenis XVII (ed. Batiffol, S.181); Titus von Bostra, ad Manich. I (Fragm.). 51 Te r tu 11 i an (de resurr. carn. 2): durins creditur resurrectio carnis quam una divinitas. 58 E p i s t. a p o s t o I. 22 ff. 59 S y r. D i da s k a I i a 20 (ed. Achelis-Flemming, S. 100). Auch anderswo wird der Gedanke der Wiederherstellung des V ergangenen stark .betont, so bei At h e n a gor a s, de resurr. 3; Te r tu li i an, de resurr. caruis 48; H i I a r i u s Pi c t a v., tract. super psalm. Il, 41.
687
keit gewesen sei 60 , ist nicht nur in den Einzelheiten gänzlich unpaulinisch - man denke an Worte wie II Cor 5, 16! - sie ist vor allem von hervorragender symptomatischer Bedeutung für die hier vollzogene Wandlung im Prinzipiellen. Sie zeigt, wie sogar auch noch die immerhin ühemommenen eschatologischen Grundbegriffe der apostolischen Lehre selber enteschatologisiert werden! Für Paulus bedeutet «Auferstehung» ausschließlich und grundsätzlich des h a I b gerade nicht Wiederherstellung des Alten, Gewesenen, sondern Verwandlung in eine neue, übernatürliche Daseinsform, weil «Auferstehung» nach seiner Anschauung zu den fundamentalen Ereignissen gehört, in denen sich seit und auf Grund von Tod und Auferstehung Jesu das Vergehen des alten und der Anbruch des neuen Äon vollzieht. In diesem Sinne der apokalyptischen Zweiäonenlehre ist «Auferstehung» für Paulus ein eschatologischer Begriff - und in diesem Sinne ist sie es für die Auferstehungslehre der Großkirche nicht mehr. Vielmehr will sie gerade auch noch in dem, was am Ende der Tage durch die «Auferstehung» werden soll, peinlich genau restituiert und konserviert wissen, was zum alten Äon gehört. Der kräftige häretische Angriff diktiert der kirchlichen Theologie von vornherein die Methode der Verteidigung. Rückt die Häresie mit massiven Vernunftgründen wider das Dogma von der Fleischesauferstehung los, so muß die Großkirche zusehen, wie sie dagegen ebenfalls mit Vernunftgründen aufzukommen vermag. Das Ergebnis dieser Bemühung fällt bescheiden aus. Zunächst werden als vermeintliche Be~ weise allerlei Naturvorgänge als Analogien geltend gemacht: Die Auferstehung des Fleischesleibes ist nichts anderes als ein Sonderfall der allgemeinen Gesetzmäßigkeit, wonach im rhythmischen Wechsel des Naturgeschehens stetsfort das V ergangene erneut wiederkehrt. So im Wechsel von Tag und Nacht, Untergang und Aufgang der Sonne und der übrigen Gestirne, Abnehmen und Zunehmen des Mondes, sodann im Entwicklungsprozeß vom Samenkorn zur Pflanze, und in der Erneuerung des Wachstums im Frühling 61 • Als besonders beweiskräftig erachtet man den ,;;.wunderbaren Fall, von dem der Mythus vom Vogel 60 Te r tu 11 i an (de resurr. carn. 48): quod cecidit in morte, quod iacuit in sepultura; hoc et resurrexit . . . igitur si ad exemplum Christi resurgemus, qui resurrexit iu carne ... ; E p i s t. a p o s t o 1. 21. 61 Diese Art rationaler Beweisführung tritt schon früh auf, seit I C 1 e m e n 8 24, 1 ff., dann in den dem A t h e n a g o r a 8 zugeschriebenen Fragmenten «de resurrectione» (Otto VII, 194 ff.), wo sogar der Schriftbeweis gegenüber den rationalen Argumenten sehr stark zurücktritt; ferner Mi n u c i u s Fe 1 i x 34; C y r i 11 von Je r u s a 1 e m, Kat. XVIII, 6 (MG XXXIII, 1024).
688
Phönix berichtet, der alle fünfhundert Jahre aus seinem eigenen, verwesenden Leichnam neu ersteht 62 • Dazu kommt, als Argument gegen die Behauptung der Unmöglichkeit der Fleischesauferstehung, die Erwägung, daß für Gott, den Schöpfer, die bloße Wiederherstellung des menschlichen Fleischesleibes zweifellos ein Leichteres ist als die erst· malige Schöpfung der Welt aus dem Nichts 63 • Endlich gehört hieher auch das moralische Postulat, daß es um der Möglichkeit einer gerechten jenseitigen Vergeltung willen eine Auferstehung des Fleisches zum Gericht gehen muß 64 • Wo die kirchliche Theologie alsdann den Schriftbeweis gegen die Häresie zu führen genötigt ist, muß sie sich im wesentlichen auf eine mühselige Defensive beschränken. Dabei wird sie am wichtigsten Punkte zu Konzessionen gezwungen, die im Grunde eine Kapitulation darstellen. Die alttestamentlichen Beweise der Häretiker gegen die Fleischesauferstehung sind nicht zu entkräften. Das Gewichtigste, was man aus dem Alten Testament selbst dagegen vorzubringen hat, ist der Versuch eines Gegenbeweises mit der Vision Hesekiels (Hes 37, 1-14) 65 • Aber nicht einmal Origenes, geschweige die offenkundigen häretischen Bestreiter der Fleischesauferstehung, läßt diesen Beweis gelten. Man sieht allzu deutlich, daß die in dieser Vision beschriebene Auferstehung der in der Ebene zerstreuten Menschengeheine vom Propheten selber gar nicht im eigentlichen Sinne gemeint ist, sondern die nationale Wiederherstellung des im Exil seufzenden Judenvolkes als tröstliche Zukunftsverheißung darstellen soll. Gegen diese von den ·Häretikern tatsächlich vertretene, richtige Auslegung von Hes 37, 1-14 ist mit keinem großkirchlichen Protest gegen allegoristische Auslegung des 62 I CI e m e n s 25, 1--26, 1; Te r tu ll i an, de resurr. carn. 13, findet den Mythus vom Vogel Phönix in Ps. 91, 13 LXX bezeugt. Andere altchristliche Belegstellen sind gesammelt von R. K n o p f im Kommentar zum I Clemensbrief, Exkurs zu I Clemens 25, 1 (Handbuch zum NT, ed. Lietzmann, Ergänzungsband, 1920, 88-89). 83 Justin, Apol. I, 19; Mi n u c i u s Fe I i x 34; C y r i ll von Je r us a I e m, Kat. XVIII, 9 (MG XXXIII, 1028); S y r. D i das k a I i a 20 (ed. Achelis-Flemming, S. 101}: «Denn wenn er aus dem Nichts die Welt hingestellt und aufgerichtet hat, so ist es doch so viel leichter, daß er aus dem, was ist, den Menschen lebendig macht und auferweckt, der das Geschöpf seiner Hände ist.» 64 Te r tu ll i an (adv. Mare. V, 12): non enim potest quod corpore admissum est non corpore iudicari. iniquus enim deus, si non per id punitur quis aut iuvatur, per quod operatus est; C y r i ll von J er u s a I e m (Kat. XVIII, 4, MG XXXIII, 1021): EO.V f.lll x.glaL,; x.at civ-ra~t6öoaL,; f.LETU TOV l!.OC1f.LOV Toihov, itEOÜ l!.!XTTJYOQEi,;. 65 0 r i g e n e s berichtet, daß die Verteidiger der Fleischesauferstehung mit Hes 37, 1 ff. argumentieren (in einem Origenesfragment bei Met h o d i u s, de resurr. I, 20 ff.). Ausgeführt ist der Beweis schon A p o c. P e tri 4, dann vor allem auch t r a c t. 0 r i g e n i s XVII (ed. Batiffol, S. 180 ff.).
s.
n
689
Alten Testaments etwas auszurichten 66 • Zudem geraten an diesem Punkte die großkirchlichen Theologen unter sich in Widerspruch, sofern sie selber ungehemmt alttestamentliche Stellen allegorisieren, sobald sie auf diese Weise einen Beweis für die Fleischesauferstehung glauben gewinnen zu können 67 • Im Neuen Testament scheint der großkirchliche Schriftbeweis am ehesten an den evangelischen Totenauferweckungsberichten eine Stütze zu finden. Allein hier handelt es sich gar nicht um die es c h a t o I o g is c h e Totenauferstehung, sondern um vereinzelte wunderhafte Totenauferweckungen, durch die den (nur vorübergehend) Auferweckten nicht das ewige Leben des neuen Äon verliehen wird, was denn auch in der altkirchlichen Diskussion festgestellt wird 68 • Die Entscheidung aber muß fallen im Streit um die paulinischen Aussagen über den Fleischesleib und die Auferstehung. Und hier ist der wesentliche Punkt die paulinische Ausführung I Cor 15 über den pneumatischen Leib der himmlischen Wesen, den auch die Gläubigen durch die endzeitliche Auferstehung (bzw. Verwandlung) erlangen. Solange die großkirchlichen Theologen es mit denjenigen Häretikern zu tmi haben, die nur von einer «Auferstehung der Seele» etwas wissen wollen, damit aber im Grunde lediglich die Unsterblichkeit der Seele meinen, haben sie leichten Stand. Sie können dartun, daß hier ein schriftwidriger Mißbrauch des Auferstehungsgedankens mit im Spiele ist, und stellen alsdann ohne weiteres ihre Lehre von der Auferstehung des· Fleischesleibes als die schriftgemäße in Rechnung 69 • Es ist jedoch keineswegs so, daß alle 68 T r a c t. 0 r i g e n i s XVII: aliter interpretantur (sc. haeretici), dicentes ossa illa dispersa in campo figuram fuisse filiorum Israel, qui erant in istins saeculi campo per captivitatem dispersi. et sicut ossa, inquiunt, illa conpessa sunt et incorporata, ita et illi essent a captivitate in J erusalem et in regno proprio, a quo exclusi fuerant, colligendi et in statu pristino redituri. denique haue resurreetionem domui Israel iam tune faetam dieunt, quando de Babyloniea a eaptivitate post septuaginta annos in Judaea sunt restituti. Auch 0 r i g e n es hat Hes 37, 1 ff. uneigentlich verstanden. M e t h o d i u s bezieht seinen Protest gegen die origenistisehe Bibelexegese gerade auch auf die Auslegung des Origenes zu Hes 37 (Met h o d i u s, de resurr. I, 39, 2). 67 Hip p o I y t (Danielkomm. li, 28, 4J.) zu Dan 3, 23: Äeyh-ooaav (ouv IJ.OL) atgeauJ.gxaL ( ot ,;iJv) tau,;iiiv &.vaa,;aaw &.gv01Jf.LevoL, niii; ÄEyouaLv aagxo; &.vaa,;aaLv I.LTJ eivm, 01t01:E
690
Gegner der Fleischesauferstehung einfach mit dem Dogma von der Unsterblichkeit der Seele sich begnügen würden. Vielmehr vertreten manche positiv die paulinische Auffassung der eschatologischen Auferstehung als der Begabung mit der pneumatischen Leiblichkeit der himmlischen Wesen und verstehen eben diese als die auch von J esus gelehrte engelgleiche Daseinsform der Auferstandenen 70 • Innerhalb der Großkirche selber entwickelt Origenes diese Lehre exegetisch mit besonderer Deutlichkeit und Entschiedenheit. Die wichtigsten Aussagen des Origenes zu diesem Thema hat später Methodius in seiner Abhandlung über die Auferstehungsfrage zusammengestellt 71 • Ausdrücklich beurteilt Origenes diese Geistleiblichkeit der auferstandenen Gläubigen als die engelgleiche Existenzweise 72, vergleicht sie sachgemäß mit der übernatürlich verwandelten Gestalt Jesu, die der synoptische Verklärungsbericht beschreibt 73, legt das paulinische Samenkorngleichnis (Cor 15, 36 ff.) in entsprechendem Sinne durchaus textgemäß aus 74 und verfehlt schließlich nicht zu betonen, daß diese Auffassung vom paulinischen Sinn des 'tflV Ö.vaO''tMLV (a'Ö'tij~) ..• ilVTJO'XEL ÖE O'aQ!;. 'lj!U)(.fl yaQ O.Mva'tO~. xat 'tOLVUV Ei f! \jlux.fl &.Mva'to~, O'ÖJ!la M ö vExQ6~, ol Ä.eyovn~ O.vaO''taO'LV !1EV Elvm, O'aQxo~ M !lfl dvaL, O.Qvoiiv'taL !lfl Elvm O.va
691
Auferstehungsleibes der ältesten «Tradition» entspreche, die man treulich bewahren müsse 75, Die auf das Dogma von der Fleischesauferstehung festgelegte gewöhnliche großkirchliche Theologie muß, wenn sie konsequent sein will, diese Auffassung durchaus bekämpfen. Sie tut es auch. In diesem Zusammenhang ist vor allem Methodius zu nennen, weil er sich in dieser Sache geradezu mit Origenes auseinandersetzt. Er legt dessen Aussagen über den «Geistleib» zu keinem andern Zwecke vor, als um sie entschieden abzulehnen und zu widerlegen. Er will sich dabei seinerseits ebenfalls auf Paulus stützen und glaubt an I Cor 15, 53- indem er diese Aussage aus dem Gesamtzusammenhang des Abschnitts herauslöst hinreichend Handhabe zu besitzen 76 • Indessen redet nun einmal doch Paulus I Cor 15, 44 ausdrücklich vom Auferstehungsleib als einem «Geistleib». Und wer es unbedingt nicht sehen wollte, daß Paulus damit in diesem Zusammenhang sicher nicht die natürliche, irdischmenschliche, sondern die übernatürliche Leiblichkeit himmlischer Wesen meint, der könnte· doch nicht bestreiten, daß wenigstens in dem Herrn· wort Mc 12, 25 eben diese Anschauung vom Wesen des Auferstehungsleibes ausgesprochen und anerkannt ist. So wird denn nun gelegentlich von der großkirchlichen Theologie der Kompromiß vorgetragen: Unter dem paulinischen «Geistleib» sei - im Sinne der kirchlichen Erlösungslehre - derjenige Fleischesleib zu verstehen, mit dem sich der heilige Geist verbunden hat 77 • Was aber den habitus angelicus betrifft, so soll 75 Met h o d i u s (de resurr. 111, 4, 1): 0 r i g e n es sagt: :X:(ITJ öE nciv-.:a -.:ov
ou
692
dieser dem Gläubigen nachträglich irgendwie verliehen werden, nachdem er zunächst einfach in seinem alten irdischen Fleischesleib auferstanden ist 78. Allein die Gegner lassen sich auch durch diese Kompromisse nicht blenden und zum Schweigen bringen. Endgültig verharren sie dabei, mit Hilfe vor allem von I Cor 15, 50 zu zeigen, daß die in den kirchlichen Kompromissen immer noch geltend gemachte Voraussetzung einer Auferstehung des Fleischesleibes unpaulinisch ist 79 • Und da geschieht es denn schließlich doch mehrfach, daß großkirchliche Theologen unter dem Eindruck dieser häretischen Beweisführung weitere Zugeständnisse machen, mit denen faktisch das Dogma von der Fleischesauferstehung preisgegeben ist 80 • Damit werden diese Theologen freilich ihrer Erlösungslehre untreu und gestehen deren unpaulinischen Sinn ein. Neben den Störungen, welche die Enteschatologisierung des urchristlich-paulinischen Dogmas im Programm der endzeitliehen Ereignisse für den nachapostolischen Glauben verursacht, macht sich ein besonderes Problem stark bemerkbar, für das die überlieferte Eschatologie keine befriedigende Lösung bietet, weil es für sie infolge der Naherwartung gegenstandslos war. Es ist die Frage nach dem Schicksal des verstorbenen Glä~bigen während der immer länger sich dehnenden Frist vor der Parusie. 78 Te r tu 11 i an, de resurr. caruis 26. 42; adv. Mare. 111, 24: post cuius mille annos . . • demutati in atomo in angelicam substantiam . . • transferemur in caeleste regnum. Im Symposion redet M e t h o d i u s von einer stufenweise erfolgenden Erhebung der Jungfräulichen zur höchsten Seligkeit: Die erste Stufe ist die Auferstehung des Fleischesleibes, die zweite bildet die Verwandlung der menschlichen Gestalt zu engelgleicher Größe und Schönheit (Symposion IX, 5): &./. 'Au flE'tU 'tftV :X:LAWV'tll·
E'tTJQLiia ~tnaßi..Tji}t\v,;o~ &.mi xov t.tliyci}o~ xat xut..Ao ;.
'tOÜ C1:X:TJ!J.Il'tO~ 'tOÜ
ö.vi}Qom:lvou xat
,;ij~ c:pi}oQ
&.yyc!..t-
79 Im Dialog des Adamanti u s (V, 26) führt der Bardesanit Marin u 8 gegen die großkirchliche Exegese zu I Cor 15, 50 aus: numquid apostolus in hoc loco sicut tu interpretatus es, de morihus tractat aut de vitiis, ut carnem carnales diceret? de resurrectione erat ei sermo. denique posteaquam dixit quia «Caro et sanguis regnum dei non possidehunt», in consequentihus sie dicit: «ecce mysterium vohis dico. omnes quidem surgemus, non omnes autem immutabimur» (I Cor 15, 51). unde evidenter apparet, quod ipsam naturam carnem nominavit, quae regnum dei non esset adeptura. 80 So A d a m a n t i u 8 in seiner Antwort auf die Exegese des Marinus zu I Cor 15, 50 (Dial. V, 26): ita et in futuro, cum naturam carni8 huius deus in corpu8 resil· scitaverit spiritale, iam non dicetur caro, quia haec quae erant proprie carnis ahiecit, id est, quia neque esuriet, neque sitiet, neque algebit aut dolehit, aut concupiscentiis stimulabitur, aut morhorum diversitate solvetur ... ita et illud corpus quod futurum est 8piritale iure caro dicitur, quia origo eius ex carne est. unde constat apostolum quod dicit: «quia caro et sanguis regum dei non possidehunt»', non de natura carnis
693.
Aus den wenigen paulinischen Aussagen (II Cor 5, 1-4; Phil 1, 21-23) über den Zwischenzustand wird die Unvermeidlichkeit und Dringlichkeit dieser Frage verständlich. Diese Äußerungen des Apostels haben aber auch die Beantwortung des Problems im V erlaufe der nachapostolischen Diskussion beeinflußt. Aus ihnen ergibt sich: Der Zwischenzustand besteht für den Gläubigen darin, daß sein Ich (der «inwendige Mensch») des Fleischesleibes entkleidet im Hades auf die vollendete Gestaltung des neuen Geistleibes durch die Auferstehung bei der Parusie warten muß. Trotzdem dieser Zustand nur von kurzer Dauer sein kann, da infolge der Nähe der Parusie nicht einmal alle Gläubigen in ihn versetzt werden, wünscht Paulus persönlich davon überhaupt verschont zu werden· und hofft sehnlich, die Verwandlung zur Vollendung der neuen Leiblichkeit noch im alten Fleischesleibe erleben zu dürfen und demnach vor der Parusie nicht erst noch in den Hades steigen zu müssen. Später, Phil 1, 20 ff., rechnet er mit dem baldigen Märtyrertode, hält aber trotzdem an der Hoffnung fest, nicht in das Hadesdasein im Zustande der «Nacktheit» versetzt zu werden. Denn er zählt nun auf das Privileg des Märtyrers 81 , unmittelbar nach dem Tode als ein sogleich in die vollendete Auferstehungsleiblichkeit Verwandelter in die himmlische Gemeinschaft mit dem Messias zu gelangen. Sollte bei andauernder Parusieverzögerung für die Gläubigen des nachapostolischen Zeitalters die Vorstellung des Zwischenzustandes erträglicher werden, als sie es für Paulus und das Bewußtsein des Urchristentums überhaupt war, so mußte sie in befriedigender Weise ausgestaltet werden. In der Tat entwickelt sich diese primitive paulinische Vorstellung in der nachfolgenden Kirchenlehre zu einer besondern neuen christlichen Eschatologie, die als die individuelle mit der kosmisch orientierten Eschatologie des überlieferten apokalyptischen Programms immer mehr in Konkurrenz tritt. Die zunehmende Konkurrenz ist begreiflich. Denn bei andauernder Parusieverzögerung wird die Frage nach dem Endschicksal des Einzelnen nach seinem Tode zusehends sed de qualitatibus dixisse. Ebenso gesteht Ti tu s von B o s t r a (adv. Manich. I, Fragm. aus den Sacra ParaHeia des Johannes Damascensus) unter dem Eindruck des manichäischen Hinweises auf I Cor 15, 50 zu: rocn:E !lll'ta.ßol..rrv il;o!lll"V ot oroitT]OO!LE"VOt EJtL 'ttva. 'X(>ELnova. OCOf.tthrov 'XO.'tUO'ta.OtV. xa.t OOO!la. !LE"V EO'ta.t 'tO !LE'ta.ßol.:ii~ ötiiO!LE"VO"V fJ!li"V OU'XE'tt öE Oa(l; xa.t a.i!la. &.oitEvEL~ 0\J!lltEJ'tÄEY!LE"VO.. ou ya(l EL 'tt 000!10., ltU"V'tCO~ xa.t ou(l; .. Und endlich C y r i II v o n J e r u s a I e m (Kat. XVIII, 18, MG XXXIII, 1040): t;a.t(>E'tro~ ÖE 'toiho tmOTJ!lTJ"Va.OitE, ön !lovovou:x.t öa.x'tuÄoÖEt'X'toov ö Ila.ul..o~ MyEt" (I Cor 15, 53). 'to ya(l ooo1:1a. EYEL(lll'ta.t, ou 'totaii'tov !LEvOv aaitevE~, 0.1..)..' a.Ü'to 'tOU'tO EYEL(lll'ta.t . . • ai..Äu !LE"VIlt a.toovwv .•. ylve'ta.t ya(l Jt"VIl\J!lO.'ttx6v. 81 Siehe A 1 b. S c h weit z er, Die Mystik des Apostels Paulus, S. 136-138.
694
wichtiger als die Frage nach dem in ferner Zukunft liegenden Endschicksal der bestehenden Welt. Es lag auch im Bereich sowohl der spätjüdischen, wie auch der hellenistischen Welt ein V orstellungsmaterial bereit, mit dem der Aushau durchgeführt\ werden konnte und tatsächlich durchgeführt wurde. In einer Beispielerzählung J esu, die einer sekundären synoptischen Schicht, dem Sondergut des Lukas, angehört (Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus Lc 16, 19~31), tritt auch bereits solches Material zutage. Origenes weist selbst auf die Zusammenhänge der neuen kirchlichen Eschatologie mit Spätjudentum und Hellenismus hin 82 • Und vollends Späteren ist diese Einsicht ganz geläufig 88• Es ist problemgeschichtlich nicht bedeutungslos geblieben, daß Paulus den Genuß jenseitigen Lohnes schon im Zustand des Abgeschiedenen zwischen Tod und Parusie des Christus, wo er von einem eigenen künftigen Schicksal in Phil 1 redet, als ein Privileg des Märtyrers hetrachtet. Mit dieser Einschränkung war der künftigen nachapostolischen Entwicklung der individuellen Eschatologie eine Hemmung in den Weg gelegt. Deren Beseitigung konnte nicht ganz ohne Schwierigkeiten gelingen, die freilich nie die ganze alte Kirche in Mitleidenschaft gezogen haben. Weithin setzt sich im nachapostolischen Zeitalter die Überzeugung, daß auch der gewöhnliche Gläubige, sofern er nur nicht mit Todsünde helastet ist, nach seinem Tode Besseres zu erhoffen habe, als was ihm Paulus li Cor 5, 1 ff. abschreckend in Aussicht stellt, ohne besondere Hemmungen durch, und zwar trotzdem allgemein ein besonderes Privileg der Märtyrer anerkannt hleiht 84 • Warum dies möglich ist, wird aus den Quellen klar ersichtlich. Man schränkt nämlich den Sinn des Märtyrerprivilegs weithin ganz selbstverständlich ein auf das Mit h er r s c h e n mit Christus in der himmlischen Hierarchie 85• 82 0 r i g e n es (c. Cels. VII, 5): ci/..i..a xat ebteg oü naga :X:QLO'-tLavoi\; xat 'IouöalOL\; ~tbvoL\; &.i..i..a xat J"taQ' lii..ÄOL\; J"toi..i..oi\; 'Ei..Mrvrov xat ßagßagrov . . . ön tü xat iinag:x;eL ~te-ta -tov &.no ,;oii O'roj.ta-to\; :x:roQLO'j.tOV f! ltvitgronlv'll ljlu:x;i} •.. Siehe auch _schon J u s t in , Apol. I, 20. 83 Eu s e b bemerkt einmal (praep. evang. XI, 32, 9), von einem_ Platonzitat zum andern übergehend: ,;ou-toL; ä.naaw ilnoßa\; ~sij; negt -tij\; ,;&v n-teÄEU't'I]Xo-trov &.vaf}LroO'EOl\;, Oj.tOLOl\; 'tllL\; 'Eßgatrov MsaL\; XLVOUj.tEVO; ,;aii,;' EltLÄBYEL • • • A r n 0 b i u s sagt den Hellenen (adv. gentes II, 14): audetis ridere nos, cum geennas dicimus, et inextinguibiles quo8dam ignes, in quos animas deiici ab earum hostibus inimicisque cognovimus? quid, Platon idem vester in eo volumine, quod de animae immortalitate compo8uit, non Acherontem, non Stygem, non Cocytum fluvio8, et Pyriphlegethontem nominat, in quibus animas asseverat volvi, mergi, exui? S4 Siehe S. 655 ff. 85 S y r. D i das k a 1 i a 20 (ed. Achelis-Flemming, S.101 f.): «Und wiederum die Gläubigen unter den Gläubigen, das sind die Märtyrer, wird er lebendig machen und auferwecken und sie fest einsetzen in große Herrlichkeit und zu seinen Ratgebern machen.>>
695
Hierauf konzentriert sich die Aufmerksamkeit, weil dieses besondere Vorrecht bald eine höchst bedeutsame Rolle zu spielen beginnt in der Ausbildung der dogmatischen Postulate betreffend die hierarchische Gewalt in der Kirche und ihre Ausübung. Das Märtyrerprivileg wird also nicht illusorisch, wenn man allen gläubigen Gerechten einen jenseitigen Ort zuweist, an dem ihnen wenigstens ein Vorgeschmack der ewigen Seligkeit zugebilligt wird. So sieht der Verfasser der Ascensio Jesaiae «alle Gerechten von Adam an» im siebenten Himmel, und zwar sogar bereits angetan mit dem «höhern Gewand» des neuen Auferstehungsleibes. «Aber auf ihren Thronen saßen sie noch nicht, noch waren die Kronen der Herrlichkeit auf ihrem Haupte» 86 • Man kann diese Auffassung auch rechtfertigen mindestens mit dem Hinweis auf alttestamentliche Gerechte wie Henoch, Elias, die sich bereits an einem Ort der Seligen befinden, wohin sie einst, ohne sterben zu müssen, entrückt wurden 87 • Eindrücklicher noch mit der Umdeutung der Mt 27, 52 berichteten Auferstehung der Heiligen, die man im Sinne der Descensuslehre als Befreiung und Entrückung der See 1 e n aller Gerechten aus dem Hades in den Himmel auffaßt 88 • Vor allem aber kann man sich nun berufen auf den armen Lazarus, der Lc 16, 19 ff. nach seinem Tode in «Abrahams Schoß» versetzt wird 89. In der bezeichneten Richtung ist die individuelle Eschatologie bereits bei Justin in Ausbildung begriffen 90 , auch bei andern ältern Apologeten 91 • Bei den Alexandrinern Clemens und Origenes bildet sie A s c e n s i o Je s a i a e 9, 6 ff. A s c e n s i o Je s a i a e a. a. 0.; P s. CI e m. Re c o g n. I, 52. Hier antwortet Petrus auf die Frage des Clemens, ob die vor dem Reichsanbruch verstorbenen Gerechten der Teilnahme am Messiasreich verlustig gingen, zunächst mit dem Hinweis auf diejenigen, die nach dem Alten Testament um ihrer Gerechtigkeit willen bereits in den Himmel entrückt wurden, und fährt dann fort: simile exemplo etiam cum ceteris gestum est qui eins voluntati placuerunt, ut ad paradisum translati serventur ad regnum. 88 Siehe S. 94. Daran denkt offensichtlich 0 r i g e n es, wenn er einmal zu Lc 23, 46 ausführt (in Lc Fragm. LXXXIV, ed. Rauer, S. 274): ail'tTJ 1] cprovlj, 1] ~xga !;Ev E3tL •0 U'taue0. ÖLÖUUXEL, 3n xat 'tOOV &.ylrov 'ljluxat ouxhL Etr; u ALÖO\J XU'taXÄELOV'tat, xa{}u xat 3tQOOTJV, uÄÄu 3tUQU •0 {}E0 ELULV, 'tOlhou yEyov{nor; ror; EV U3tUQXÜ EV XQLU't0. • 89 Schon Ire u ä u s beruft sich (adv. haer. II, 34, l) auf diesen Bericht de Lazaro eo, qui refrigerabat in sinn Abrahae, und zieht daraus deu Schluß: et dignam habitationem unamquamque gentem percipere etiam ante iudicum. Siehe auch T e r t u II i a n , de anima .58. 90 J u s t in (Apo!. I, 20): •0 lle ÄEyELV i](lä<; xoM~Eu{}aL ev atu{}i]UEL xat flE'tU {}6.va'tov oiluar; 'tU<; 'tiiiv &.lllxrov 'ljluxar;, •ur; llE •iiiv U3toullalrov U3tTJÄÄay(lEvar; •iiiv 'tLflOOQLiiiv EV llLayEtv, 3tOLTJ'tai:r; xat cpLÄouocpotr; 'tu au•u ÄEYELV M!;o(lEV. 91 Ar ist i des, Apol. 15; Athenagora s, Suppl. 31. 86
87
696
dann, folgerichtig ausgeführt, einen wesentlichen Bestandteil des Systems der theologischen Gnosis 92 • Indessen macht sich nun gegenüber dieser Entwicklung doch auch der Widerstand der überlieferten paulinischen Anschauung bemerkbar. Im uneingeschränkt paulinischen Sinne ist das Märtyrerprivileg noch festgehalten im ersten Clemensbrief (5, 4. 7; 6, 1). Tertullian sodann kämpft in bemerkenswerter Weise gegen zwei entgegengesetzte Auffassungen, zwischen denen er mit seiner eigenen Anschauung mitten drin steht. Diese darf nicht übersehen werden, weil sie bezeugt, daß Tertullian den Unterschied zwischen dem paulinischen Standpunkt und der Schilderung Lc 16 deutlich gesehen und sich um eine Vermittlung bemüht hat. Einerseits lehnt er die Auffassung ab, wonach die Seelen der abgeschiedenen Gläubigen und Gerechten direkt in den Himmel versetzt werden sollen. Nicht einmal die Märtyrer gelangen sogleich in den Himmel, sondern nur ins Paradies 93 • Anderseits wendet er sich auch gegen diejenigen, die gemäß paulinischer Auffassung den Zwischenzustand in gar keinem Sinne als Seligkeit gelten lassen wollen, weil diese dem gewöhnlichen Gläubigen erst durch das Urteil des Endgerichts zugesprochen werden könne. Irgendwie muß nun doch im Sinne von Lc 16 auch den Seelen der gewöhnlichen Gläubigen schon vor der endzeitliehen Auferstehung der Genuß einer jenseitigen Seligkeit zugebilligt werden. Nur darf es weder die himmlis~he Seligkeit, noch auch diejenige des Paradieses sein. Siehe S. 699. Te r tu 11 i an (de anima 55): nulli patet caelum, terra adhuc salva, ne dixerim clausa . . . immo, inquis in paradiso, quo iam tune et patriarchae et prophetac appendices dominicae resurrectionis ab inferis emigraverint. Allein Johannes hat in seiner Vision ((Apoc Joh 6, 9 f.) im Paradies nullas alias animas ... praeter martyrum gesehen. Daher gilt die Regel: tota paradisi clavis tuus sanguis est. Das Paradies befindet sich nach gewöhnlicher Auffassung nicht im Himmel, sondern auf der Erde. Das ergibt sich schon aus der Tertullianstelle, wird aber ausdrücklich ·bestätigt von Theophilus von Antiochien (ad Autol II, 24): !Sn ÖE xat Ö JtUQ6.I'leuJo~ yij EIJTL'V xat EJtL yij~ ~n:
93
697
Es handelt sich um die Versetzung an einen ·erquickenden Ruheort im Hades 94• Das Ergebnis der Entwicklung ist klar: Das infolge der andauernden Parusieverzögerung unentbehrlich werdende Postulat einer Seligkeit des Gläubigen schon im Zwischenzustand setzt sich grundsätzlich trotz Paulus durch. Allein die hemmende Nachwirkung der paulinischen Auffassung verhindert eine einheitliche Beantwortung der Frage nach Art und Ausmaß dieses Vorgenusses der Seligkeit (Ruheort im Hades, Paradiesesfreude, himmlische Seligkeit). An der Art und Weise, wie im einzelnen diese individuelle Eschatologie ausgeführt wird, sind zwei Punkte als problemgeschichtlich bedeutsam hervorzuheben. Einmal muß unbedingt dem sehr folgerichtigen Einwand der unentwegten Verfechter der kosmisch-apokalyptischen Eschatologie Rechnung getragen werden, daß über jenseitige Seligkeit wie auch jenseitige Pein doch erst durch den Urteilsspruch des Endgerichts nach der Auferstehung entschieden werde. Daher postuliert man ein Gericht, das über die Seele des einzelnen Gläubigen unmittelbar nach seinem Tode ergeht (iudicium particulare), in welchem nun aber auch bereits über die Seele des schuldbeladenen Sünders Strafe verhängt wird, die sie im Hades erdulden muß 95 • In der überlieferten apokalyptischen Eschatologie waren zwei Gerichtstage vorgesehen, das nur über die Gläubigen ergehende Parusiegericht und das allgemeine Endgericht. In der nachapostolischen Theologie verblaßt diese Unterscheidung. An ihre Stelle tritt mit der Ausbildung der individuellen Eschatologie die Doppelvorstellung eines allgemeinen Endgerichts und eines Gerichts über die Seele des einzelnen Gläubigen sogleich nach dessen Tode. Demnach hat man also das ursprüngliche Parusiegericht in das iudicium particulare der individuellen Eschatologie . umgedeutet 96 • 94 T e r t u 11 i a n , de anima 58. Das Argument derer, die von keiner Seligkeit des Zwischenzustandes etwas wissen wollen, gibt Tertullian hier folgendermaßen wie· der: quia salvum debet esse, inquis, in iudicio divino negotium suum sine ulla praelibatione sententiae; tum quia et carnis opperienda est restitutio ut operarum atque mercedum. Allein Tertullian entscheidet: omnis e~go anima penes inferos inquis? velis ac nollis, et supplicia iam illic et refrigeria; habes pauperum et divitem (Lc 16, 22 ff.). 95 An das iudicium particulare ist wohl schon gedacht bei J u s t i n , Apol. I, 18; dann P s. ·Jus t in, cohort. ad gent. l. 8. 26 (Otto 111, 16. 38. 86); Te r tu 11 i an, de anima 58; P s. C 1 e m. Ho m. 111, 28; E p ist. CI e m. 10; 0 r i g e n es, in Matth. Comm. ser. 62. 67; P s. -Jus t in, Quaest. ad orth. 75. Eine deutliche Ablehnung des iudicium particulare wird aber noch von La c tanz ausgesprochen (div. inst. VII, 21}: nec tamen quisquam putet animas post mortem protinus iudicari. 96 Das wird auch offenbar in der Auslegung zu Mt 25, 20 ff. 0 r igen es
698
Zweitens ist zu beachten der Punkt, an welchem sichtbar wird, daß die neue individuelle Eschatologie der großkirchlichen Lehre problemgeschichtlich beurteilt nur ein vermittelndes Zwischenstadium im Übergang von der urchristlich-apokalyptischen Eschatologie zur gnostischen darstellt. Wo sich nämlich die individuelle Eschatologie der kirchlichen Theologie am weitesten von der paulinischen Auffassung vom Zwischenzustand entfernt und die Seelen aller gerechten Gläubigen nach dem Tode geradezu in den Himmel versetzt, da werden mehrfach Vorstellungen im Sinne der gnostischen Himmelsreise der Seele verwertet. Am ausführlichsten hat sie natürlich Origenes entwickelt, wenn auch betont werden muß, daß er nicht etwa der Einzige ist, der si.e innerhalb der Großkirche vertritt 97• Es genügt hier, auf einige der wichtigsten Aussagen des Origenes hierüber hinzuweisen. Er behandelt dieses Thema auch in der Schrift gegen Celsus, weil dieser die Vorstellung von der Himmelsreise der Seele bereits bei den Juden vorfindet und sie als eine aus den Fremdreligionen übernommene dartut. Origenes will sie nun aber als schriftgemäß erweisen und führt als Belege Jakobs Himmelsleiter (Gen 28, 12 f), ferner Hes 48, 31 ff., Num 2, Exod 14, 19 ff. und Apoc Joh 21 vor 98 • Nach seinen Schilderungen werden die Seelen der Gläubigen nach dem leiblichen Tode ·durch das Reinigungsfeuer - nach Origenes ein rein geistiges Erlebnis 99 zunächst ins Paradies geleitet, hier in die höhere Erkenntnis der verborgenen jenseitigen und zukünftigen Dinge eingeführt 100 , um alsdann durch die verschiedenen überirdischen Sphären in jene Himmelshöhe emporzuzusteigen, in der sie schließlich, zu ihrem Ursprung zurückkehrend, in die geistige Gemeinschaft mit Gott gelangen 101 • Beim Durchgang durch die Sphären müssen sie die daselbst Wache haltenden Geistermächte passieren, die ihnen den weitern Aufstieg in die Höhe verwehren wol(a. a. 0.) deutet das zweimalige ltQOO"EA{hhv (= accedens) folgendermaßen: quod autem dicit ... : «accedens>>, intellege mihi accessnm et transitum de hoc mundo ad illum. 97 Sie findet sich auch bei C l e m e n s A l e x., Strom. VII, 83, 1; A r n o b i u s , adv. gentes II, 66, und in den populären Apostelakten. 98 0 r i g e n es , c. Cels. VI, 21-23. 99 So deutet 0 r i g e n es das Feuer des Gerichtstages I Cor 3, 12 ff., von dem er c. Cels. IV, 13 sagt, es sei nicht ein niiQ UALliOV xat alo{}l]'tO'V. Siehe auch Comm. VIII, 11 in Rm; Hom. XXIV in Lc. 1 0° de princ. II, 11, 6 schildert 0 r i g e n e s das Paradies als ein auditorium vel schola animarum, in quo de omnibus his, quae in terris viderunt, doce.antur, indicia quoque quaedam accipiant etiam de consequentibus et futuris. 101 0 r i g e n e s , c. Cels. VI, 21; de princ. II, 11, 6 f.
46
699
len. Denjenigen Seelen aber, die in der Kraft des Logos vollkommen geworden sind, werden diese Mächte nichts anhaben können 102• Die individuelle Eschatologie hat im großkirchlichen Christentum bald festen Fuß zu fassen vermocht, keineswegs nur bei so ausgesprochen hellenistisch~philosophischen Theologen wie bei den Alexandrinern Clemens und Origenes. Das bezeugt auch die populäre kirchliche Erbauungsliteratur der Apostelakten, in denen diese Eschatologie, gerade auch die Himmelsreise der Seele, eine auffallende Rolle spielt 103 • Sogar der Montanismus hat gelehrt, daß die Seelen der Abgeschiedenen bereits vor der künftigen Auferstehung im Hades Lohn und Strafe empfangen werden 104; Aus dem gesamten Tatbestand ergibt sich eine klare Beantwortung des Problems der Hellenisierung der urchristlichen Eschatologie. Eindeutig ist festgestellt, daß die neue individuelle Eschatologie ihrem Ursprung nach nichts anderes ist als eine unter dem Druck der andauernden ParusieverzQgerung unvermeidlich erfolgte Umbildung und Ausgestaltung der paulinischen Auffassung vom «Zwischenzustand». Sofern sie aber auf diesem Wege ihrem Grundgedanken nach zu einer Lehre von der Erlösung der vom Fleischesleibe getrennten Seele des Gläubigen wurde, ko"nnte sie wie von selbst in die hellenistisch-synkretistischen Vorstellungen von der Erlösung ·der Seele als Befreiung vom irdischen Leibe und Erhebung in das jenseitige göttliche Geisterreich ausmünden und sich diese assimilieren. Diesen Gang der Entwicklung mußte freilich die Großkirche des nachapostolischen Zeitalters aufzuhalten suchen. Denn dem Gesamtergebnis der dogmengeschichtlichen Entwicklung zufolge durfte ja die neu ausgebildete individuelle 1o2 0 r i g e n e s zu Rm 8, 38 (Comm. VII, 12 in Rm): vel etiam <
700
Eschatologie, in welchem Ausmaß man sie auch ausgestalten mochte, doch nichts anderes sein als ein Teilausschnitt aus dem kosmisch orientierten Gesamtprogramm der traditionellen christlichen Eschatologie. Das heißt: Das Letzte war doch nicht die Himmelsreise der Seele, sondern das kosmische Drama der Endereignisse mit der so schwer erkämpften Fleischesauferstehung im Mittelpunkt. Problemgeschichtlich gesehen mußte es daher im nachapostolischen Zeitalter zu einem Entscheidungskampfe kommen, in dem es darum ging, ob die neue individuelle Eschatologie wirklich das bleiben sollte, als was sie entstanden war, eine infolge der Parusieverzögerung notwendig gewordene Ergänzung des Programms der aufgeschobenen kosmischen Endereignisse, oder ob sie sich konsequent hellenistisch vollendete und das problematisch gewordene Programm der kosmischen Endzeiteschatologie überhaupt verdrängte. Dieser Entscheidungskampf hat sich denn auch ereignet, und zwar im Ringen zwischen gemeinkirchlicher Theologie einerseits und außerkirchlicher und kirchlicher Gnosis (Clemens Alexandrinus, Origenes) andererseits. Man tut gut, sich das Endergebnis um seiner problemgeschichtlichen Bedeutung willen vorweg zu vergegenwärtigen: Gesiegt hat im Zeitalter der alten hellenistischen Reichskirche nicht die Gnosis und nicht Origenes, sondern die Lehre der Großkirche, also nicht die neue indivi~uelle Eschatologie in ihrer konsequenten und die apokalyptische Eschatologie verdrängenden Hellenisierung, sondern die Lehre von der endzeitliehen Auferstehung des Fleischesleibes und ihren Folgeereig· nissen, verbessert und ergänzt durch eine neugestaltete Lehre vom Zwischenzustand, die die andauernde Vertagung des ganzen Programms erträglich machte. Die hellenistische Kirche fixierte als Ergebnis des Kampfes in ihrem Glaubensbekenntnis das nichthellenistische Dogma, daß nur die Fleischesauferstehung der wirkliche Weg zum ewigen Lehen sei. In dieser Tatsache dokumentiert sich noch einmal, daß auf dem hellenistischen Boden des spätantiken nachapostolischen Christentums das Hellenistische, wo es wirklich siegt, nicht deshalb siegt, weil es als das Hellenistische «a priori» schon das Stärkere gewesen wäre. In den Systemen der außerkirchlichen Gnosis und kirchlicher Gnostiker wie Clemens Alexandrinus und Origenes vermochte sich die individuelle Eschatologie der Kirchenlehre vorübergehend konsequent zu hellenisieren. Sie entwickelte sich bis zu einer schließlich auch wieder kosmisch ausgeweiteten Lehre von der Befreiung des Geistes aus der Materie hzw. der Vergeistigung der Persönlichkeit durch Versittlichung und Erhebung zur Rückkeh1: in Gott. Sie ersetzte dabei den ursprüng-
701
Iichen dynamischen Dualismus des vergehenden alten und des anbrechenden neuen Äon durch den statischen Dualismus von materiell-vergänglichem Diesseits und geistig-ewigem Jenseits und gab damit die urchristliche Eschatologie grundsätzlich preis. DieBe Wendung vollzog sich aus besondern Gründen. Am besten kennen wir die Gedankenwelt des Origenes, weil uns von seinen Schriften so vieles erhalten geblieben ist. Und hier ist der Sachverhalt ganz klar. Origenes erkennt deutlich und unwiderruflich, daß die großkirchliche Theorie der Auferstehung des Fleischesleibes zum ewigen Leben und damit auch das darauf ausgerichtete gesamte neue kirchliche Dogma von der Erlösung und vom Erlösungswerk Christi gänzlich unpaulinisch ist - und doch kann er so wenig zur echten paulinischen Gesamtanschauung zurückkehren wie die Großkirche. Er empfindet ferner die Unklarheiten und Schwierigkeiten, die sich (als Auswirkung der Enteschatologisierung des gesamten paulinischen Dogmas) in der großkirchlichen Auffassung und Verarbeitung des paulinischen Programms der endzeitliehen Ereignisse einstellen 105 - und ihn lockt um so mehr die große Geschlossenheit und einfache Folgerichtigkeit einer konsequent ausgeführten hellenistisch-neuplatonischen Eschatologie, zu der man durch Neuformung der paulinischen Vorstellung vom Zwischenzustand so leicht gelangen kann. So geht er (wie andere Gnostiker auf andere Weise) diesen Weg und gibt wie die Gnosis die traditionelle christliche Eschatologie preis, indem er sie entsprechend umdeutet oder verneint. Damit wird Origenes mit aller andern Gnosis für die Großkirche zum Häretiker. Sie hält trotz allem die für sie fundamental bedeutsam gewordene Lehre von der Erlösung als Sicherung der Fleischesauferstehung zum ewigen Leben für gut apostolisch-paulinisch. Was würde auch aus ihr, wenn sie diese so schwer errungene Lösung des Gesamtproblems der dogmatischen Krise des nachapostolischen Zeitalters preisgeben müßte! Sie muß an dem Irrtum festhalten, daß ihre Lehre paulinisch-apostolisch sei.
tos W 0 sich 0 r i g e n e s mit den Einzelheiten der überlieferten Eschatologie befaßt, weist er auffällig oft auf Unklarheiten, Widersprüche und sonstige Schwierig, keiten hin.
702
Drittes Kapitel Die Krisis der kirchlichen Ethik Der Umschwung, der sich im Prozeß der Enteschatologisierung des urchristlichen Glaubens und in dem dadurch bedingten Neubau des kirchlichen Dogmas vollzog, hat auch die kirchliche Ethik in so tiefgreifender Weise beeinflußt, daß eine problemgeschichtliche Gesamtdarstellung der Dogmengeschichte des nachapostolischen Zeitalters nicht abschließen darf, ohne auch diesen Tatbestand in seinen wesentlichen Grundzügen ins Licht zu stellen. Paulus hat dem kirchlichen Christentum der Folgezeit eine reiche und lebendige Ethik überliefert. Aus dem Gesamtzusammenhang seiner eschatologischen Grundanschauung ist sie in originaler Weise herausgewachsen als eine ethische Deutung des Sterheus und Auferstehens der Gläubigen mit Christus als der erwählten Glieder seiner Gemeinde. Im Rahmen der apokalyptischen Eschatologie hat dieses Sterben und Auferstehen eine kosmisch-metaphysische Bedeutung: Es ist die Art und Weise, wie sich an den Gläubigen als den Erwählten der letzten Generation auf Grund von Tod und Auferstehung Jesu das Vergehen der natürlichen Welt und der Anbruch des neuen Äon auswirkt. Dieser eschatologische Dualismus bietet aber als weltanschaulich-religiöse Konzeption eine ausgezeichnete Möglichkeit, in ihr eine lebendige und gehaltvolle Ethik zum Ausdruck zu bringen. Denn in aller echten Ethik ist wirksam eine dualistische Spannung zwischen dem, was ist, und einem andern, das sein· soll. So erhält in ungekünstelter Weise bei Paulus das eschatologische Sterben und Auferstehen der Gläubigen unmittelbar auch einen ethischen Sinn, sofern diese Wandlung dank den in ihr wirksamen (Geist-) Kräften des neuen Äon den ganzen Menschen, auch seinen Willen, in Mitleidenschaft zieht. Dies irgendwie so, daß die neue Seinsweise, an sich eine neue metaphysische Situation des Menschen, im Bereich des Gesinnungsmäßig-Persönlichen auch als eine besondere ethische Haltung willentlich zu verwirklichen ist. Und hier ergeben sich naturgemäß zwei Aspekte. Vor allem ist zunächst der einzelne Gläubige durch das Sterben und Auferstehen mit Christus gliedhaft-organisch eingeordnet in eine metaphysische Verbundenheit mit Christus und seiner Gemeinde, die schon in diesem metaphysischen Sinn für Paulus «Liehe» bedeutet. Dieses metaphysische Verbundensein muß und kann sich aber auch in der willentlich-persönlichen Haltung manifestieren,
703
und dann realisiert sich die .Liehe ethisch konkret so, wie sie Paulus I Cor 13 und anderswo beschreibt. Andererseits bedeutet die neue Seinsweise des Gläubigen metaphysisch das «Herausgerissenwerden aus dem gegenwärtigen bösen Äon», aus der natürlichen, von dämonischen Mächten, Sünde und Tod, beherrschten, aber jetzt im Vergehen begriffenen Welt. Ethisch wird dieses metaphysische Verhältnis zum natürlichen Weltzustand als «Freiheit» verwirklicht. In der Art und Weise, wie Paulus dieser Freiheit einen konkreten Sinn gibt, sind ihm zwei Gesichtspunkte maßgebend. Einmal die Naherwartung der Parusie mit ihren Folgeereignissen; Die Gewißheit, daß das siegreiche Erscheinen des himmlischen Christus in übernatürlicher Macht und Herr. lichkeit nahe bevorsteht, hält die Überzeugung lebendig, daß es mit deri Zuständen der natürlichen Welt bald gänzlich und definitiv aus sein wird, wobei aber zugleich beständig der Gedanke beherrschend im Vordergrund steht, daß es in der Tat der himmlische Messias ist, dem diese endgültige Abrechnung mit der natürlichen Welt vorbehalten bleibt. Dies bewirkt, daß das Bewußtsein der Freiheit sich nicht radikalisiert zur aktiven revolutionären Auflehnung gegen die Mächte und Ordnungen der natürlichen Welt, soweit man äußerlich und tatsächlich ihnen noch irgendwie ein- und untergeordnet ist. Die Freiheit wird zum geistigen Erlebnis der innerlich erkämpften Überlegenheit, die, was auch äußerlich der natürliche Weltlauf noch bringen mag, keine Furcht mehr kennt. Was an Leiden in dieser äußern Weltverflochtenheit noch erduldet werden muß, wird triumphierend hingenommen und durchgehalten als eine Manifestation des verheißungsvollen Sterhens und Aufersteheus mit Christus. In der praktischen Stellungnahme aber zu den Dingen, Ordnungen und Institutionen der vergehenden natürlichen Welt wird die Freiheit nicht grundsätzlich zum weltverachtenden Nihilismus, insbesondere a:uch nicht zur prinzipiell und eindeutig weit- und lehenverneinenden Askese, obschon begreiflicherweise asketische Züge durchaus nicht fehlen. Die Freiheit ist vielmehr hier die innere geistige Überlegenheit, die sich beständig die Möglichkeit offen hält, im einzelnen Fall negativ oder auch positiv zu entscheiden nach Maßgabe einer höhern Zweckmäßigkeit. Für diese aber ist maßgehend der zweite der beiden hier in Frage stehenden Gesichtspunkte: Die Rücksicht auf die Möglichkeit stetiger Selbstverwirklichung («Erbauung») der Gemeinde im Sinne dessen, was ihr tiefstes Wesen ausmacht. Demgemäß verhält sich zwar Paulus beispielsweise unerbittlich verneinend in der Gesetzesfrage. was die Verpflichtung der nichtjüdischen Gläubigen auf den jüdischen Gesetzes-
704
dienst durch Annahme der Beschneidung betrifft, und in hezug auf die Teilnahme der Heidenchristen an heidnischen religiösen Opfermahlzeiten. Denn heides, jüdischer Gesetzesdienst nicht weniger als Teilnahme an heidnischen Götzenopfermahlzeiten läßt den heidenchristliehen Gläubigen aus dem Bereich des Christus wieder unter die Botmäßigkeit der gottfeindlichen Engel- und Geistermächte zurückfallen. Anders verhält es sich für Paulus mit der Stellungnahme zum Besitz, zum Staat, zur Ehe usf. Beispielsweise ist an sich, mit Rücksicht auf die Nähe der Parusie, Nichtheiraten besser, und Paulus selbst bleibt ehelos. Unter hesondern Umständen kann jedoch für einzelne Gemeindeglieder die Ehe als das für sie Zweckmäßigere erscheinen 1 • Für den Verlauf der Enteschatologisierung der paulinischen Ethik im nachapostolischen Zeitalter ist das Verhältnis dieser Ethik zu derjenigen Jesu nicht bedeutungslos gehliehen Haben die Forderungen der Ethik Jesu in ihrem tiefsten Kern auch den gleichen Grundgehalt, so sind sie doch nicht an den in der übernatürlichen W esensverwandlung des Sterheus und Aufersteheus mit dem Messias begriffenen Gläubigen gerichtet, sondern an den natürlichen Menschen des alten, eindeutig noch bestehenden Äons, genauer: An den zur Teilnahme am kommenden Reiche Gottes Erwählten. Für diesen bedeutet die Erfüllung der hohen sittlichen Forderungen die Bewährung der Buße (Sinnesänderung), die er als Erwählter im Hinblick auf den baldigen Anbruch des Reiches Gottes und des ihm vorausgehenden Gerichts zu leisten hat. Uin Weltgelöstheil geht es auch hier. Die tatsächliche Ordnung der natürlichen Welt steht für das Urteil Jesu durchaus im Widerspruch zu der wahren Gerechtigkeit, die seine Ethik meint und als Bedingung zur Teilnahme am kommenden Reiche Gottes fordert. Da Jesus keine mehr oder weniger organisierten Gemeinden von getauften Gläubigen zu betreuen hat mit Hirtenbriefen, die aktuelle Fragen des Gemeindelehens . beantworten müssen, so lauten seine Aussagen über die Stellungnahme zu den Dingen und Ordnungen der natürlichen Welt meist allgemeiner, grundsätzlicher und daruni oft auch schroffer als bei Paulus. Man vergleiche beispielsweise das Wort Mt 19, 12 über die Entmannung um des Reich!!s Gottes willen mit den paulinischen Ratschlägen I Cor 7. Endlich hat die Ethik übereinstimmend sowohl bei Jesus wie bei Paulus - das liegt an der intensiven und durchgreifenden Bestimmtt Siehe Näheres über die paulinische Ethik in der wichtigsten neuem Darstellung, die sie bei A I b. S c h w e i t z e r (Die Mystik des Apostels Paulus, S. 285-323) gefunden hat.
705
heit durch die eschatologische Naherwartung- einen nicht-nomistischen Charakter. Kennzeichnend sind daher die Betonung der gesinnungsmäßigen Echtheit, der Appell an die selbständige Entscheidung im Einzelfall in der Orientierung an einem beherrschenden, inhaltlich gefaßten ethischen Grundprinzip und die Schrankenlosigkeit der sittlichen Verpflichtung, insbesondere die Forderung des ganzen persönlichen Einsatzes. Wie wirkt sich nnn die Enteschatologisierung des urchristlichen Dogmas auf die paulinische Ethik aus in der Gestaltung der Ethik des nachapostolischen Christentums? Zwei Tatsachen sind es, deren verschiedenartigen, zum Teil katastrophalen Auswirkungen man überall begegnet. Einmal muß die paulinische Ethik sich wandeln, sobald mit der V erleugnung der urchristlichen Naherwartung auch der Grundgedanke der paulinischen Erlösungslehre, das eschatologisch verstandene Sterben und Auferstehen des Gläubigen mit Christus preisgegeben werden muß. Sofern die Ethik in der originalen paulinischen Konzeption im Ansatzpunkt nichts anderes ist als eine ethische Deutung und Auswirkung des Sterheus und Aufersteheus mit Christus, wird ihr durch diese Preisgabe geradezu die Wurzel weggeschnitten. Die Veränderungen, welche die paulinische Ethik daraufhin notwendig erleiden muß, sind bedingt durch die verschiedenartigen Auffassungen vom Wesen der Erlösung, die in den verschiedenen Ausgestaltungen des nachapostolischen Christentums an die Stelle der paulinischen Lehre vom Sterben und Auferstehen des Gläubigen mit Christus treten. Zugleich wird aber die Gestaltung der Ethik, wiederum in verschiedenartiger Weise, beeinflußt durch den V erlauf der dogmengeschichtlichen Entwicklung in der Behandlung des Gesetzesproblems 2 • Mit drastischer Deutlichkeit spielen diese Beziehungen schon in den ältesten Häresien (Gnosis, Markionitismus), die an der Auseinandersetzung mit Paulus besonders interessiert sind und sich mehrfach gegen die großkirchliche Lehre - an bedeutsamen Punkten sogar mit Recht - auf Paulus berufen, dabei aber dem Zwang zur Enteschatologisierung doch auch nicht entgehen. Die Krisis bekundet sich hier schon darin, daß in der Gestaltung der Ethik die schroffsten Gegensätze entstehen, und problemgeschichtlich sind gerade die auffälligsten Extr'eme die lehrreichsten Paradigmen. Bei Markion bleibt vom paulinischen Sterben und Auferstehen mit Christus im Zuge der Enteschatologisierung immerhin erstens einmal doch das Postulat der Vernichtung des Fleisches (und der natürlichen, 2
706
Siehe 8.197-237.
materiellen Welt) übrig, dem als neue positive These die Erlösung der See I e vom Fleischesleibe entspricht. Ferner aber klingt stark nach der Gedanke einer Verbundenheit der Gläubigen mit Christus. Dies kommt zum Ausdruck in der markionitischen Betonung des Kirchenbegriffs. Markions radikale Textrevision der paulinischen Briefe läßt Eph 5, 22-32 stehen, trotz der für ihn anstößig gewordenen Vergleiche für das Verhältnis zwischen Christus und der Kirche (Verhältnis von Mann und Frau; Verhältnis des Menschen zu seinem «Fleisch>>). Ferner läßt er Paulus Gal 4, 26 in Abänderung des Urtextes von der «heiligen Kirche» (statt vom «obern Jerusalem») redP-n als von der «Mutter» der Gläubigen 3 • Der Beitrag, den diese Überreste der paulinischen Lehre vom Sterben und Auferstehen der Gläubigen mit Christus zur Gestaltung der markionitischen Ethik liefern, wird nun aber sehr wesentlich - im Sinne einer beträchtlichen Verschärfung - mitbestimmt durch die von Markion vollzogene Radikalisierung der paulinischen Lehre vom Gesetz 4• Einmal ergibt sich von da her ein scharfer ethischer Gegensatz zwischen dem Gott des jüdischen Gesetzes und dem Erlösergott, mit dem· sich die Gemeinde der Gläubigen verbunden weiß. Während jener in seiner Gesetzesoffenbarung sich nicht über das Prinzip der vergeltenden Gerechtigkeit zu erheben vermag, bekundet sich dieser in seinem erlösenden Handeln an seiner Gemeinde durch Christus als der Gott der reinen, grundlos schenkenden Liebe und offenbart damit im Unterschied zu dem ethisch inferioren Judengott das Prinzip des allein wahrhaft Guten, das auch die Gläubigen als Glieder der Gemeinde dieses Gottes zu verwirklichen berufen sind. Dazu kommt aber eine Verschärfung des ethischen Problems, die sich aus der Identifikation des ethisch inferioren jüdischen Gesetzgebergottes mit dem Weltschöpfer ergibt. Der Gott des jüdischen Gesetzes ist also auch der Schöpfer des (eckelhaften) menschlichen Fleischesleibes, von dem die Gläubigen durch die Gnade ihres Gottes erlöst werden sollen, überhaupt der Schöpfer der ganzen, mit tausend Übeln belasteten materiellen Welt, aus deren Elementen de:.; menschliche Fleischesleib besteht. Für die Ethik ergibt sich daraus, daß der Gläubige nicht nur durch die Verwirklichung der Liebe seine Treue gegenüber dem in Christus als Person erschienenen göttlichen Prinzip des wahren höchsten Guten zu bewähren 5 und damit gegen die ethische InferioriSiehe A. Harn a c k, Marcion, S. 181 f. Siehe S. 208. 5 A. H a r n a c k weist (Marcion, S. 188) darauf hin, daß Markion die Seligpreisungen Jesu (nach Lc 6, 20 ff.) als die fundamentalen sittlichen Weisungen Jesu beurteilt hat (Te r tu 11 i an, adv. Mare. IV, 14: edictum Christi). 3
4
707
tät des Judengottes und seines Gesetzes zu protestieren hat. Er muß auch irgendwie aktiv protestieren gegen die verpfuschte Weltschöpfung dieses Gottes. Und dies kann nicht anders geschehen als durch möglichst konsequente praktische Verneinung des natürlichen Lebens und der natürlichen Welt, also durch schärfste Askese 6 • «Eine weltflüchtigere und schwerere Lebensordnung und -Führung hat keine christliche Gemeinschaft vorgeschrieben als die Markionitische. Markion verbot seinen Gläubigen die Ehe und jeglichen Geschlechtsverkehr ganz und taufte daher nur solche Katechumenen und ließ nur solche zum Abendmahl zu, die das Gelübde der Ehelosigkeit leisteten, bzw. solche Eheleute, die eine vollständige Trennung fortan gelobten ... Aber nicht nur durch die vollkommene geschlechtliche Enthaltung soll man dem Schöpfer trotzen, sondern ebenso durch die strengste Enthaltung in Speise und Trank und durch die Bereitwilligkeit zum Martyrium 7 .» Der Grundunterschied zwischen der markionitischen und der paulinischen Ethik ist evident: Während bei Paulus die Askese, sofern damit mehr gemeint ist als eine in bestimmten Einzelfällen durch das Liebesgebot begründete Rücksichtnahme auf das «schwache Gewissen» des Bruders (Rm 14, 21-15, 1), lediglich mit Rücksicht auf die Nähe der eschatologischen Ereignisse als zweckmäßig empfohlen wird, erscheint sie bei Markion zu einem strengen, fundamentalen ethischen Gebot verabsolutiert. Das Neue ist also hier eine ungeheure Verschärfung der Askese. Oberflächlich gesehen könnte diese Wandlung der paulinischen Ethik zunächst als höchst paradox erscheinen, sofern es sich ja um eine Auswirkung ausgerechnet der Enteschatologisierung der paulinischen Lehre handeln soll! In Wahrheit geht aber hier alles logisch folgerichtig zu. Paulus kann seine Ethik als ethische Deutung des Sterbens und Aufersteheus des Gläubigen mit Christus entwickeln unter dem Vorbehalt, daß es Aufgabe des in Bälde wiedererscheinenden Christus sein werde, allen natürlichen Gegebenheiten der vergehenden gegenwärtigen Welt auch äußerlich definitiv durchgreifend ein Ende zu bereiten. Es kommt deshalb für seine Auffassung nicht darauf an, daß der Gläubige durch einen gewaltigen asketischen Krampf das bereits ins Rollen geratene große Rad des endzeitliehen Geschehens im 6 Das gekennzeichnete Motiv der markionitischen Askese ist mehrfach ausdr·ückiich bezeugt, so bei C I e m e n s A I e x a n d r i n u s (Strom. 111, 4, 25): Magxlrov IIL' uv-rb:a;w -ri]v :ltQO~ örnuoueyov -ri]v XQijO'LV TWV XOO'!l.tXWV :lt(lQ(llTOUJ.1EVO~, und Hip p o I y t (Refut. X, 19): EV -rou-rot~ VOf.l.L~rov l..u:n:ELV -rov Ö'llf.l.LOUQYOv, Et -rwv im' mhoii yEyov6-rrov 1j OOQLO'f.l.EVCOV MEXOt-ro. 7 A Harn a c k ,. Marcion, S. 186-187.
708
letzten Augenblick noch meint von sich aus beschleunigen zu müssen. Das Sterben seines Fleischesleibes mit Christus ist ja schon gar nicht durch einen solchen eigenen Krampf in Gang gekommen, sondern durch das Sakrament der Taufe auf Grund des Kreuzestodes und der Auferstehung J esu. Für Markion aber liegen die Dinge ganz anders. Auch bei ihm möchte zwar wenigstens die See 1 e des Gläubigen vom Fleischesleib befreit und aus dieser ganzen verpfuschten Welt des jüdischen Weltschöpfergottes heraus erlöst werden. Allein Markio1,1. hat die eschatologische Naherwartung des Paulus und den dadurch bedingten eschatologischen Sinn des gesamten paulinischen Dogmas preisgegeben. Mit der Nähe der Parusie rechnet er nicht? daher auch nicht mit der baldigen Beseitigung der natürlichen Welt durch Christus. Der Augenblick der Erlösung schlägt erst mit der Todesstunde des Gläubigen, und nur für ihn als einzelnen. Weil die natürliche Welt bis auf weiteres bestehen bleibt, wie sie ist, muß der Gläubige, was er allenfalls bei Leibesleben an Freiwerden von der Bindung an Leib und Welt vorweg zu erreichen vermag, ganz und gar durch eigene Anstrengung in schärfster Askese selber erkämpfen. Tatsächlich stellt also bei Markion die gewaltige Verschärfung der Askese ein sehr folgerichtiges Ergebnis der Enteschatologisierung des· paulinischen Dogmas dar. Nicht Markion, sondern seine extremsten Antipoden unter den V ertretern der außerkirchlichen Gnosis müssen mit einer Paradoxie experimentieren, wenn auch sie trotz der Enteschatologisierung der paulinischen Lehre als Erlösung doch grundsätzlich das gleiche erstreben wie Markion: Die Befreiung des Geistigen aus der Verstrickung in die irdische Materie. Als Illustration kommen hier freilich nur Ausprägungen gnostischer Ethik nach Art der basilidianischen und karpokratianischen in Frage. Es gibt hier in der Gnosis Übergänge, ja Gegensätze. Bei dem Valentinianer Ptolemäus ist der Einfluß der Ethik Jesu nicht zu verkennen. Er beschäftigt sich in unmittelbarer Weise mit dem Inhalt der «Bergpredigt» Jesu 8 • Für andere Gnostiker aber verschwindet der ethische Gehalt der synoptischen Herrworte hinter einer hemmungslos alle· gorisierenden Auslegung mehr oder weniger von vornherein. Dazu kommt aber, daß im großen und ganzen in der Gnosis auch die eigenartigen Töne der paulinischen Ethik verstummen, so daß also nun die Gnosis den Anschluß an die urchristliche Ethik überhaupt verliert. In der Gnosis greift die Enteschatologisierung des Sinnzusammenhanges der Lehre vom Sterben und Auferstehen des Gläubigen mit 8
Über seinen Brief an Fl.ora siehe S. 236 f.
709
Christus wesentlich weiter als bei Markion. Der Gedanke der Verbundenheit der Gläubigen mit Christus und untereinander in einer neuen übernatürlichen Lebensbeziehung, der bei Markion sich wenigstens .noch in seiner ethischen Bedeutung wirksam erhält und dem Begriff der Kirche besonders Gewicht gibt, fällt für die Gnosis im Zuge der Enteschatologisierung dahin. Übrig bleibt hier nur noch der individualistische Pneumatiker, der als solcher aus der Verstrickung in die irdische Materie erlöst werden will und vermöge der erlangten höhern Gnosis sich dazu befähigt weiß, diese Erlösung für seine Person zu verwirklichen. Aus der eschatologischen Gemeinde des Messias, in der die Gläubigen kraft übernatürlicher Verbundenheit mit dem Messias auch die sittliche Gemeinschaft der Liebe verwirklichen, ist eine Schule von erkenntnisstolzen, geistbegabten individualistischen Gnostikern geworden. Der paulinische Begriff der Kirche ist gänzlich aufgelöst. Damit ist eine Entwicklung eingeleitet, in deren V erlauf auch die gemeingnostische Lösung des Gesetzesproblems, trotzdem sie mit der markionitischen wesentliches gemeinsam hat, zu ganz andern Konsequenzen führen kann als bei Markion. Auch die gemeingnostische Auffassung verwirft das jüdische Gesetz als Rechtssatzung eines inferioren Gottes, sei es des weltschöpferischen Judengottes, sei es einer Vielheit von Engeln, wie bei Paulus. Allein nun kann sich die Ablehnung der Verpflichtung auf das alttestamentlich-jüdische Gesetz verallgemeinern zur grundsätzlichen Bestreitung jeglicher Norm, die den Menschen verpflichten würde, wollend und handelnd überhaupt eine andere als die naturgesetzliche Ordnung der irdisch-materiellen Welt zu verwirklichen. Ist damit der vollendete Gegensatz zur markionitischen V erabsolutierung der Askese als sittlicher Forderung erreicht, so bleibt dem gnostischen Pneumatiker als Weg zur Selbstverwirklichung der Erlösung aus der Verstrickung in die Materie der irdischen Leiblichkeit und Welt einzig noch die Paradoxie übrig, sich in bewußter innerlich-indifferenter Haltung hemmungslos gerade dem äußern Erleben dessen zu überlassen, wovon er frei werden will. Tatsächlich wird in der Gnosis der Basilidianer und Karpokratianer die Theorie aufgestellt, daß der Gnostiker nur in dem Maße von der natürlichen Welt frei wird, als er sie in indifferentem Hingegebensein an sie durchlebt hat 9 • Es gibt auch 9 Siehe den Bericht des Iren ä u s über die Kar p o k rat i an er (adv. haer. I, 25, 4): .•. uti omnia quaecumque sunt irreligiosa et impia in potestate habere et operari se dicant. sola enim humana opinione negotia mala et bona et dicunt. et utique secundum transmigrationes in corpora oportere in omni vita et in omni actu
710
Valentinianer, die sagen: «Wie nämlich das Gold im Kote seine Schönheit nicht verliert und seine Natur bewahrt, so leiden auch sie (sc. die Pneumatiker) keinen Schaden, noch verlieren sie ihre pneumatische Substanz, da ihnen die materiellen Handlungen nichts anhaben können. Daher tun denn auch die Vollkommensten von ihnen alles Verbotene ohne Scheu, jene Dinge, von denen die Schrift versichert, daß die solches tun, das Reich Gottes nicht erben werden». «Gute)> Werke sind nur für die gewöhnlichen Psychiker notwendig zur Seligkeit, nicht aber für die Pneumatiker, die Geistesmenschen 10 • Mag daher auch der Weltschöpfergott die Seelen der Abgeschiedenen, die nicht nach den Geboten seines Gesetzes gelebt haben, richten und bestrafen wollen, - die Pneumatiker werden auf ihrer Himmelsreise nach dem Tode ihm entschlüpfen 11 • Eine letzte Sicherung findet der Gnostiker in einem Determinismus, der auf den apokalyptisch-eschatologischen Begriff der «Erwählung» bei Paulus zurückgeht. Ausgestattet mit der übernatürlichen «Substanz» des pneumatischen Wesenskernes ist der Gnostiker ein Pneumatiker «von Natur», und dadurch ist er zur Erlösung vor· bestimmt 12 • Die höhere Gnosis zeigt ihm nur den Weg zum sichern Ziel. Das großkirchliche Christentum des nachapostolischen Zeitalters muß seine Ethik unter den nämlichen allgemeinsten Grundbedingungen ge· stalten wie die vorgeführten Häresien. Es geht aus von der Ethik des Paulus, muß jedoch diese umbilden nach Maßgabe der neuen Erlösungslehre, die es im Zuge der Enteschatologisierung an die Stelle der paulinischen Lehre vom Sterben und Auferstehen mit Christus gesetzt hat, und wird dabei unvermeidlich auch durch seine Lösung des Gesetzespro· blems beeinflußt. Es ist jedoch der großkirchlichen Theologie ohnehin von vornherein unmöglich gemacht, das Problem der christlichen fieri anima: (si non praeoccupans qms m uno adventu omnia agat semel ac pariter, quae non tantum dicere et audire non fas est nobis, sed ne quidem in mentis con· ceptionem venire, nec credere si apud homines conversantes in his quae sunt secun· dum nos civitates tale aliquid agitatur), uti, secundum quod scripta eorum dicunt, in omni usu vitae factae aJiimae ipsorum, exeuntes in nihilo adhuc minus habeaJlt ad operandum in eo; ne forte, propterea quod deest libertati aliqfta res, cogaritur iterum mitti in corpus. propter hoc dicunt Jesum hanc dixisse parabolam (Lc 12, 58; Mt 5, 25); ferner Clemens Alex. (Strom. II, 117, 5f.): ol8a eyoo atQEOE~ "tL'Vt ev,;uxrov, xat ö "taUTTJ~ nQoi:o"ta!lEvo~ 8ul. ,;i'j~ xQi]osro~ ilcpaoxEv "ti'j~ i]8ovlj~ fJ8ovü !lUXEOitat, au"tO!lOAEiv ;t!_lO~ fJI\ovf!v 1\~a ;t!_lOO;t0~1J"tO\i !J.UXT]~, Ö ysvvaio~ oii,;oc; yvroon· :KO~ ... ' E;tEL ouM !lEYU EAEYEV "tO untxsoita~ 7]1\ovi'j~ !li! ;tE;tE~QU!lEVOV, EV aUTÜ 86 YEVO!J.EVOV !lli :K!_la"tEi
711
Ethik in unbefangener und allseitiger Weise zu durchdenken. Sie sieht neben sich die auffälligen Extreme eines gnostischen Indifferentismus und Libertinismus auf der einen Seite, und der radikal asketischen Lebens- und WeltverDeinung Markions auf der andern Seite. So ist sie in ihren eigenen Erwägungen von vornherein bestimmt durch die Abwehr dieser als abschreckend empfundenen gegensätzlichen Konkurrenten. Antignostisch und antimarkionitisch - freilich zugleich antipaulinisch - lautet ja schon der Entscheid der großkirchlichen Theologie in der Gesetzesfrage. Ihre Auffassung, daß Christus als der neue Gesetzgeber das Sinaigesetz revidiert und damit vollendet habe, führt in· der Gestaltung ihrer Ethik von vornherein zu einer starken Betonung des Begriffs des Gesetzes, wodurch dem Bewußtsein der kirchlichen Gläubigen der Gedanke der unbedingt verpflichtenden sittlichen Norm beständig fest eingeprägt wird. Zugleich ist sie dazu geeignet, die Aufmerksamkeit auf die sittlichen Weisungen Jesu hinzulenken. Allein eben die Betonung des Gesetzesbegriffes erschwert auch das sinngemäße Verständnis der Ethik J esu, da der Inbegriff seiner ethischen Weisungen nicht nur allgemein und grundsätzlich unter den Gesetzesbegriff gestellt, sondern geradezu in Analogie zur Gesetzgebung vom Sinai erfaßt und gar noch Christus (als der Präexistente) mit dem Gesetzgeber vom Sinai identifiziert wird. So liegt es für die kirchliche Ethik des nachapostolischen Zeitalters sehr nahe, die nichtnomistischen Wesenszüge der Ethik Jesu zu übersehen und sie ins Nomistische zu verflachen. Gewiß finden sich im nachapostolischen kirchlichen Schrifttum vielfach Hinweise auf ethische Fundamentalgebote Jesu, wie sie Mt 22, 37 ff. und anderswo in der Synopse, vor · allem in der «Bergpredigt», stehen 13 • Allein aufs Ganze gesehen spielen doch in der kirchlichen Ethik, wenn man auf das achtet, was Gegenstand eingehender Diskussion und demnach auch der eigentlichen Aufmerksamkeit wird, andere Dinge eine beherrschende Rolle. So überaus große Bedeutung man der Feststellun~ beimißt, daß Jesus nach seiner eigenen programmatischen Erklärung Mt 5, 17 ff. in der Tat niemals beabsichtigt, mit der Verkündigung seiner Lehre das alte Gesetz aufzulösen, so gering ist doch weithin das Verständnis dafür, daß er seine Ethik als Forderung der Buße auf das Kommen des Reiches Gottes hin verkündigt, und inwiefern dies seinem tiefsten Sinn zufolge etwas ganz anderes ist als eine 13 Siehe D i da c h e I, 2. 3 ff.; Athenagora s, Suppl. 11; Justin, Apol. I, 15. 16; Iren ä u s, adv. haer. II, 32, 1; IV, 12, 2. 3; 33, 8; Epideix. 87. 95 .
. 712
nomistisch-kasuistische Auslegung des «Gesetzes» 14 • Es ist denn auch durchaus mehr Ausnahme als Regel, wenn überhaupt nur schon auf den von Jesus stark betonten Gesinnungscharakter des echten Ethos ernsthaft geachtet wird. Es ist bezeichnend, daß außer etwa Theophilus und lrenäus 15 hauptsächlich so ausgesprochene Hellenisten wie Clemens Alexandrinus und Origenes hierauf Gewicht legen 16 • Im allgemeinen herrscht die Tendenz vor, die ethischen Weisungen Jesu einfach als eine Sammlung kodifizierter kasuistischer Gesetzesparagraphen aufzufassen, deren Übertretung vom göttlichen Gesetzgeher und Richter unter Strafe gestellt ist. Dafür zeugt auch die Neigung zur Üherrtahme und Ausbildung der ausführlichen Gesetzestafeln der sogenannten «Zwei Wege» 17• Wo das jüdische Paragraphenschema nicht ausreicht zur Ruhrizierung, unterscheidet man grundsätzlich zwischen dem, was dehitum und was supra dehitum ist 18• Von den Intentionen Jesu in der Verkündigung seiner ethischen Forderungen als Buße auf das Kommen des Reiches Gottes hin bleibt in der nomistisch eingestellten kirchlichen Ethik gerade noch die Lohn- und Vergeltungsrechnung übrig. Im Hinblick darauf wird die Übertretung des Gebots nach dem Schema der Unterscheidung von läßlicher und Todsünde beurteilt. Der Grundsatz der V erdienstlichkeit der guten Werke wird zum beherrschenden Grundmotiv der kirchlichen Ethik. Im vierten Jahrhundert ist man soweit, die Katechumenen rundweg zu belehren: «Die Wurzel jeder guten Tat ist die Hoffnung auf die Auferstehung; denn die Erwartung des Lohnes ist es, welche die Seele anspannt zu guten Werken». Für Cyrill von Jerusalem, der in seinen Katechesen so redet, gilt dieser Satz so allgemein, grundsätzlich und selbstverständlich, daß er beifügt: «Wie käme überhaupt ein Mensch dazu, Gott zu dienen ohne den Glauben, daß er ihm zum lohnenden V ergelter werde?» 19• 14 Es fällt als etwas Außerordentliches und Besonderes auf, wenn I r e n ä u s die lex Christi als die legisdatio in libertatem vom alten Gesetz als d.er legisdatio in servi· tutem unterscheidet, mit Bezugnahme auf Joh 15, 15 (adv. haer. IV, 9, 2; 13, 2. 4). 15 Siehe T h e o p h i l u s (ad Autol. III, 13): 'Xat :rtEQt OEJ.1VO't'lj1:0~ oü J.lOVOV ötM.O'XEL fJJ.1Ü~ ö äyto~ Myo~ 'tO J.1TJ ÜJ.lCI.Q'tuvELv EQyq>, &.i.J.iJ. 'Xat J.1EX.QL~ ivvola~. 'tO J.11JM 'tÜ 'XCI.QÖtq: E'V'V01J~ljvat :rtEQt 'tWO~ 'Xa%oÜ. Iren ä u 8, adv. haer. II, 32, 1; 33, 8. 16 Siehe z. B. Cl e m e n 8 Ale x. (Strom. IV, 135, 4): J.10'V1J ö' f] llt' &.ya1t1J'V EÜ:rtotta f] 1\L' atJ'tO 'tO 'Xa.ÄOv CI.LQE'tfJ 'tq'l yvroan'Xq'l. 0 r i g e n es (in Matth .. Comm. ser. 21): et quidquid boni fecerit homo non ex conscientia munda propter deum, a foris qnidem mundus videtur, ab intus autem plEinus est malis. 17 Siehe D i da c h e I, 2; Bar n ab a s 18 ff.; La c tanz, div. inst. VI, 3. 1s Mit dieser für die spätere Entwicklung der kirchlichen Gesetzesethik bedeutungsvollen Unterscheidung operiert sogar 0 r i g e n es, Comm. III, 3; X, 14 in Rm. 19 C y r i ll v o n J e r u s a I e m (Kat. XVIII, 1, MG XXXIII, 1017): {!l~a :rtua1J~ 'tlj~ &.ya~OEQyla~ f] 'tlj~ &.vaa'taaEro~ H.nt~. f] yiJ.Q :rtQoalloKla 'tlj·~ J.1LO~a:rtolloata~ vEUQOi 'tTJ'V 'I!'UX.TJ'V Et~ EQya.crtav &.yaMjv.
713
Wenn die ethischen Weisungen J esu in der alten Kirche trotz des so wichtig gewordenen Lehrsatzes von Christus als dem neuen Gesetzgeber nicht unmittelbarer, tiefer und nachhaltiger gewirkt haben, als dies tatsächlich der Fall gewesen ist, so ist dies schließlich doch durchaus nicht unbegründet. Einmal ist die These von Christus als dem neuen Gesetzgeber überhaupt schon gar nicht aus unmittelbarer Beschäftigung mit den ethischen Weisungen J esu herausgewachsen, sondern an diese herangetragen als das Ergebnis des schwierigen dogmatischen Streits über die ganz anderswo her, nämlich aus der durch die Problematik der paulinischen Lehre von der Heilsbedeutung des Todes Jesu aufgeworfenen Frage nach der Verbindlichkeit des Sinaigesetzes. Allein dies ist nur ein Sachverhalt neben andern, in denen sich bekundet, daß das nachapostolische hellenistische Christentum gar nicht direkt von der Lehre J esu ausgegangen ist und auch keine unmittelbare Beziehung zu ihr zu gewinnen vermochte, als es sie in den synoptischen Evangelien kennen lernte. Es kam von der paulinischen Lehre her, und der bebeginnende Prozeß ihrer Enteschatologisierung war der Umweg, über den es mit der Lehre Jesu in erste Berührung gelangte. Das heißt: Das nachapostolische hellenistische Christentum der Großkirche trat auf der ganzen Linie mit dogmatischen Voraussetzungen an die Beschäftigung mit der Lehre Jesu heran, die ihm das Verständnis von vornherein verbauten. Die kirchliche Theologie unterwarf so die synoptischen Evangelien einer dogmatischen Exegese, die von derjenigen der Gnosis nur relativ verschieden war und sowohl das Wesen der Person Jesu wie den Sinn seiner Lehre nicht erhellte, sondern verdeckte, so aber auch die Wirkung der ethischen Weisungen Jesu lähmte. Die kirchliche Theologie betrieb ihre Exegese von dem Dogma aus, wie sie es in ihrer neuen Erlösungslehre und Christologie als etwas Neues, dem Urchristentum Fremdes gestaltete. Man mache sich klar, welche Voraussetzung für ein sachgemäßes Verständnis des Ethos Jesu geschaffen war, wenn man von seiner Person selbst eine Auffassung hatte, die Hippolyt einmal unübertrefflich charakteristisch folgendermaßen zum Ausdruck brachte: «Das Wort sprang vom Himmel in den Leib der Jungfrau; es sprang aus dem Mutterleib an das Holz; es sprang von dem Holz in den Hades; es sprang hinauf auf die Erde wieder - o der neuen Auferstehung! - , sprang von der Erde in den Himmel. So setzte es sich zur Rechten des Vaters» 20 • Kein Wunder, wenn als ein Hauptproblem 20
714
H i p p oIy
t ,
Comm. z. Hohenlied, Fragm. XI, zu 2, 8.
der kirchlichen Auslegung der Herrnworte im dogmatischen Streit die Frage in den Vordergrund rückte, wer im einzelnen Fall als deren eigentlicher Autor zu gelten habe: Ob die menschliche oder die göttliche Natur Christi! Und wo die kirchliche Exegese auf den Inhalt der Worte Jesu einging, suchte sie doch weithin in ihnen, gerade wie dies auf ihre Weise auch die gnostische Auslegung tat, eine allegorische Darstellung ihrer im Zuge der Enteschatologisierung des paulinischen Dogmas ausgedachten neuen Erlösungslehre. Das klassische Paradigma solcher Auslegung wird immer die in der großkirchlichen Literatur mehrfach begegnende Deutung der schönen Gleichniserzählung Jesu vom barmherzigen Samariter bleiben, die Origenes einmal folgendermaßen wiedergibt: Der Mensch, der von Jerusalem nach Jericho hinabreist, ist Adam, Jerusalem das Paradies, Jericho die Welt, die Räuber sind die widergöttlichen Geistermächte, der Priester ist das Gesetz, der Levit stellt die Propheten dar, der Samariter ist Christus, die Wunden des Überfallenen der «Ungehorsam», das Reittier der Leib Christi, die Herberge die Kirche, die zwei Denare Gott, der Vater, und Gott, der Sohn, der Herbergswirt der Bischof. Und wenn der Samariter diesem verspricht zurückzukommen, und ihm allfällige Mehrauslagen zu vergüten, so weissagt Christus hier seine künftige Parusie 21 • An anderer Stelle eignet sich Origenes diese Exegese selber an, nur daß er als eifriger biblischer Exeget die beiden Denare lieber auf das Alte und Neue Testament deutet 22 • Daß man in der Tat mehr oder weniger allgemein der Gemeinde der Gläubigen das Gleichnis vom barmherzigen Samariter im Namen gelehrter und sachkundiger Bibelwissenschaft in solcher Allegorisierung auszulegen pflegte, ist dadurch bestätigt, ditß sie sich in ähnlicher Ausführung auch in einer der Homilien der pseudoorigenistischen Traktate findet 23 • Sie ist aber schon bei Origenes nichts Neues. Schon lrenäus trägt sie in einer etwas einfacher ausgeführten Variante vor 24 • 21 0 r i g e n es ·(Rom. XXXIV in Lc): aiebat quidam de presbyterio, volens parabolam (Lc 10, 30-35) interpretari, hominem, qui descendit, esse Adam, Jerusalem paradisum, Jericho mundum, latrones contrarias fortitudines, sacerdotem Iegern, Ieviten prophetas, Samariten Christum, vulnera vero inohedientiam, animal corpus Christi, pandochium i. e. stabulum, quod universos vQientes introire suscipiat, ecclesiam interpretari; porro duos denarios patrem et filium intelligi, stabularium ecclesiae praesi· dem, cui dispensatio credita est; de eo vero, quod samarites reversurum se esse promittit, secundum salvatoris figurabat adventum. 22 0 r i g e n e s , Comm. IX, 31 in Rm. 23 T r a c t. 0 r i g e n i s XVI (ed. Batiffol, S. 178 f.). 24 lrenäus, adv. haer. 111, 17, 3.
47
715
Aber man ist . zuweilen noch erheblich weiter gegangen. Man h~t gelegentlich an bedeutsamem Punkte die Ethik Je~u. geradezu korrigi&rt. nach Maßgabe der eigenen kirchlichen Eiliik:;' ~~ si-;;- si~h i~' Zu,ge der Enteschatologisierung der paulinischen Lehre gestaltete. Im zweiten Jahrhundert hat in diesem Sinne ein großkirchlicher Kleriker die «Sefu;~llJ
26
716
A c t a P a u I i e t T h e c I a e 5 f. (Lipsius-Bonnet I, 238 f.). Siehe S, 636-666.
Insbesondere vermag sich trotz aller Enteschatologisierung die diesen Begriff kennzeichnende Mystik des Verhundenseins der Gläubigen mit Christus und untereinander, die Paulus sowohl in ihrem metaphysischen, wie in ihrem ethischen Sinn als «Liehe» bezeichnet, zu erhalten. Sich lösend aus dem Zusammenhang mit den Gedanken der paulinischen Eschatologie kann sie sich sogar, wie die johanneische und die ignatianische Theologie deutlich zeigen 27 , erweitern zu einer als «Liehe» interpretierten Gottesmystik. Es finden sich in den Schriften der frühern nachapostolischen Zeit auch Hinweise speziell auf das paulinische Hohelied der Liehe I Cor 13 28 • Indessen verblaßt der ethische Gehalt in dem Maße gegenüber dem metaphysischen, als der Begriff der Kirche im Sinne der hierarchisch organisierten, sakramentalen Heilsanstalt beherrschend in den Vordergrund rückt. Im innern Zusammenhang mit dieser Entwicklung steht aber die Tatsache, daß das Gebot der Liebe auch hinter den Forderungen der asketischen Ethik zurücktritt 29 • Es gibt bald einmal für die Großkirche keine ethischen Probleme, die derart ausgiebig und intensiv erörtert würden wie diejenigen Fragen, die mit der Forderung der Askese zusammenhängen (insbesondere Ehe, Enthaltsamkeit, Virginität). Wie in der markionitischen, so verläuft also auch in der großkirchlichen Ethik die Entwicklung deutlich im Sinne einer beträchtlichen Verschärfung der Askese. Allein in der Großkirche ist diese Entwicklung anders hegrünCiet~ls im Markionitismus. Daher machen sich auch Unterschiede in der asketischen Theorie und Praxis selbst geltend 80 • Der augenfälligste Unterschied, der dann aber auch große kirchengeschichtliche Bedeutung erlangt hat, liegt darin, daß sich in der Großkirche als besonderer höherer Stand der Religiosen das Mönchtum herausbildet, während die markionitische Kirche, wenigstens was das Keuschheits· 27 Joh 17, 21; I g n a t i u s, Eph 4, 1; 9, 1; 14, 2; Magn 7, 1; 13, 1; Trall 3, 2 f.; 8, 1; Philad · 5, 1; 6, 2; Smyrn 6, 1. 28 Po I y c a r p, Phil 3, 3; I Cl e m e n s 50, 1 ff.; Iren ä u s, adv. haer. IV, 33, 8. Von der Gottesliehe redet mit besonderem Nachdruck auch der D i o g n e thrief, c. 9 und 10. 29 Sehr symptomatisch kommt der Sachverhalt schon rein äußerlich darin zum Ausdruck, daß in den Aufzählungen der christlichen Tugenden bei H e r m as Glaube und Enthaltsamkeit an den Anfang, das Gebot der Liebe jedoch ganz an den Schluß gestellt sind: Vis III, 8, 3 ff.; Sim IX, 15, 2. Das Nämliche zeigt sich auch in den neuen «Seligpreisungen» der Paulusakten. '10 0 r i g e n e s macht folgendermaßen auf den Unterschied aufmerksam (zu I Cor 7, 18 ff., Cramer, Catene V, 188, 29): viiv M ecr·nv EUQEL'V xa.t ~-to:xihtQ~ :n:eoitEO'EL &.y0.1-tOll~. ot yoiiv 'tOÜ Mo.exlwvo~ &.crxoiicrL xat a1hot 'tft'V &.ya~-ttav xat 'tft'V xafro.e6ntm, &.iJ..' ou:x w~ ot EXXÄTtO'LUO''tLXOL
717
gelübde betrifft, als ganze überhaupt nichts anderes als eine mönchische Kirche war. Der Grundunterschied hängt damit zusammen, daß für die Großkirche mit der Enteschatologisierung der paulinischen Lehre vom Sterben und Auferstehen der Gläubigen mit Christus auch das noch dahinfällt, was Markion und die Gnosis übrig behalten: Die Vernichtung des Fleischesleibes. Eben gegenüber diesen Häresien distanziert sich hier die großkirchliche Theologie, wendet sich damit von der paulinischen Anschauung vollständig ab und verkündet als Erlösung die Rettung des Fleischesleibes von der Vergänglichkeit durch die sakramental vermittelte V erbin dung des Fleischesleibes mit dem heiligen Geiste zur Sicherung seiner Auferstehung zum ewigen Leben. Durch die Verbindung mit dem heiligen Geiste wird das Fleisch zum «heiligen Fleisch» (Tertullian: caro sancta). Aher der Gläubige muß kraft moralischer Anstrengung seines freien Willens, soll die Wirkung des Sakraments nicht hinfällig werden, zur Erhaltung dieser Heiligkeit des Fleischesleibes selber beitragen, das heißt aber: Er muß durch Askese die Reinheit des Fleisches auch ethisch verwirklieben und bewahren. Zwischen markionitischer (auch gnostischer) und großkirchlicher Askese entsteht so ein grundsätzlicher Sinnunterschied. Markionitische Askese hat den Sinn der Abtötung des Fleisches, die großkirchliche Askese dagegen bezweckt Erhaltung der Reinheit des Fleischesleibes um der für ihn erhofften Auferstehung zum ewigen Leben willen 31 • Es liegt geradezu ein schroffer Widerspruch der dogmatischen Intention vor. Und während in der markionitischen Theorie das gewählte Mittel (die strenge Enthaltsamkeitspraxis) dem Zweck ohne weiteres offenkundig entspricht, ist für die großkirchliche Lehre nicht 1mmittelbar klar, wie die Erhaltung der übernatürlichen Reinheit des Fleischesleibes durch asketische Praxis zu bewerkstelligen sein soll. In den Vordergrund stellt auch die großkirchliche Ethik die geschlechtliche Askese. «Heiligkeit» wird vornehmlich durch solche Enthaltung dokumentiert 32 • 31 Schon J u s t in erklärt geradewegs, daß die Askese überhaupt keinen Sinn hätte, wenn die Hoffnung auf die Auferstehung des Fleischesleibes illusorisch wäre (Fragm. I de resurr. 10): EL ÖE fl.fl avtcn;a-caL fJ aag~. öuJ. -ct IJ>UAal1c:JE'tllL 'XIli ou f!.ÜÄ.Ä.O'V llU'tij auyxroQOÜf!.E'V~ xgiJaaoitaL -cais emituf.ttllLS; Ferner A c t a p a u I i e t T h e c I a e 12 (Lipsius-Bonnet I, 244): Q.J.J.ros UVUc:J'tllc:JLS Uf.t'iV OU'X EO'tLV, Mv J.LiJ ayvot J.LElV'I]'tE 'XIlL -ciJv aag'Xa J.LiJ f!.OAUV'IJ'tE, aJ.J.U. 't'I]Qijc:J'I]'tE ayvijv. 3! 0 r i g e n es (Comm. VI, 5 in Rm): quod autem perfectiores dicat (sc. Paulus) hos, quos servire deo nominat, quam illos, quos primo servire iustitiae dixerat, etiam et hoc probatur, quod horum fructum in sanctificationem posuit: qui intelligi pos-
718
Allein in der Begründung muß nun die Großkirche Vorsicht walten lassen, wenn sie nicht in ketzerische markionitische Behauptungen verfallen will 33 • Denn den Markionitismus lehnt sie ja doch in der Tat ab! Das entscheidende Argument ist die Auffassung der geschlechtlichen Askese, zu höchst der Virginität, als «engelgleiches Leben». Es handelt sich also um die irdische Vorwegnahme der Verwandlung der Gläubigen in die übernatürliche himmlische Leiblichkeit der Engel, die in der ursprünglichen, apokalyptisch-urchristlichen Eschatologie vorgest"hen ist 34• Diese Vorstellung setzt freilich gerade die von der großkirchlichen Theologie bestrittene Vernichtung des irdischen Fleischesleibes voraus. Wenn die großkirchliche Lehre trotzdem damit argumentiert, so gehört dies zunächst zu den zahlreichen Unklarheiten und Verworrenheilen ihrer Eschatologie. Wichtiger ist etwas anderes. Es wird hier das gleiche Motiv sichtbar, das zutiefst auch der markionitischen Verschärfung der asketischen Züge der paulinischen Ethik zugrundeliegt: Weil infolge der dauernden Parusieverzögerung die reale Aufhebung des alten Weltzustandes und damit die Erlösung der Gläubigen zum neuen übernatürlichen Lehen ausbleibt, so muß der Gläubige aus eigener Anstrengung um so mehr - innerhalb der Schranken des Irdisch-Möglichen - in der Richtung des von der Endzukunft Erhofften selber zu verwirklichen suchen. Allein letztlich bewegt sich hier die großkirchliche Theologie in einem Widerspruch: Einer Vorstellung der alten überlieferten Eschatologie Folge gebend will sie durch asketische Anstrengungf."n eine im Sinne dieser Vorstellung höhere, übernatürliche Lebensordnung in den irdisch-natürlichen Verhältnissen als besondere Reinheit und Heiligkeit sunt hi esse, qui se castitati et continentiae devoverunt. T er tu 11 i an (de exhort. cast. 9): et ipsae (sc. nuptiae) ex eo constant, quod est stuprum. Ideo optimum est homini mulierem non attingere, et ideo virginis principalis est sanctitas, quia caret stupri affinitati. 33 Solche Unvorsichtigkeit begehen freilich die großkirchlichen Theologen zu· weilen; si:lhe die Begründung Te r tu 11 i ans, hievor Anmerkung 32. 34 «Von den dreierlei Früchten des christlichen Lehens» 40 f. ( ed. R. Reitzen· stein, ZNW 1914, I, S. 86): negantihus futuram resurrectionem dominus ita dixit: (Le (20, 34). qui ergo in illa resurrectione socinm, te futurum speras, scruta et resurgen· tium itinera. P s.. C y p r i an (de hono pudic. 7): virginitas aequat se angelis. si vero exquiramus, etiam excedit, dum in carne luctata victoriam etiam contra naturam refert quam non hahent angeli. virginitas quid aliud est quam futurae vitae gloriosa meditatio? Methodius (Sympos. 11, 7): I Cor 7, 38 der Logos durch Paulus ,;ou~ !lEV yug ouM:n:ro
719
vorgreifend selbst verwirklichen. Und doch muß sie die natürliche Lebensordnung, die sie damit außer Kraft zu setzen sich bemüht, auf Grund ihrer Lösung des Gesetzesproblems und vollends ihrer Logostheologie als die göttliche Schöpfungsordnung anerkennen. Sie bringt die geistige Kraft nicht auf, diesen Widerspruch in sachlicher Weise zu klären. Und die Art und Weise, wie sie innerhalb des Widerspruchs hin und her argumentiert, wird zu einer verkrampften Unwahrhaftigkeit und klingt zudem leider oft noch bedenklich dekadent. Markioniten und andere gleichgesinnte Häretiker bleiben wenigstens konsequent ihrer Weltanschauung treu, wenn sie in der Ehe nichts anderes als konventionell erlaubte Unzucht sehen und im Geschlechtstrieb eine Unflätigkeit, die sie der verpfuschten Schöpfungsordnung des inferioren Schöpfergottes aufs Konto schreiben können 35 • Die großkirchliche Ethik muß sich über derartige Urteile als über eine Blasphemie entrüsten und die Ehe verteidigen. Allein dann bedrängt sie selber die Gläubigen mit der Behauptung, eine zweite Ehe sei nichts anderes als ein beschönigter Ehebruch 36 • Und in der Propaganda für das asketische Ideal der Virginität geht sie soweit, in den heiratsfähigen jungen Frauen mit Hinweis auf die nach Gen. 3, 16 der Eva auferlegten Strafe die Furcht vor den Geburtsschmerzen zu erregen, um ihnen dann im nächsten Moment die Annehmlichkeit eines sorgenfreien, kinderlosen Daseins anzupreisen, die für die Jungfrau erst noch erhöht werde durch den besondern Vorteil, keinem Mann als Herrn gehorchen zu müssen 37 • 3 5 E p i p h an i u s über Ta t i an (h. XLVI, 2, 1): E'Y:>t(>IJ:tELUV M oii·w~ :>GT]Qll't'tEL, -rov 1\i; 'YU!lOV :7tOQVELUV :>tut qn'toQUV TJ'YEL'tUL, !jlU!1XOOV f.LT]ÖEV ÖLUAAU't'tELV :7tOQVELU~ -rov y&.f.Lov, &XA.u -ro uu-ro eivm. Siehe auch Iren ä u s, adv. haer. I, 28, 1; I, 24, 2. C I e m e n s AI e x., Strom. Ill, 49, 1. 36 A t h e n a g o r a s (Suppl. 33) begründet diese Auffassung (Ö yuQ ÖEU'tEQO<;; j'Ctf.LO~ EU:7tQE:7t~~ EO'tL f.LOLJGELU) mit Mt 19, 9, unterschlägt jedoch den in dieser Stelle geltend gemachten Vorbehalt !lfi 1\:n:t :7tOQVELq;. Siehe auch Te r tu ll i an, de exhort. cast. 3. 4; adv. Mare. I, 29; Mi n u c i u s Fe 1 i x 31. 37 Acta T h o m a e 12. 28 (Lipsius-Bonnet II, 2, S. 116 ff., 144); C y p r i an, Testim. III, 32; de habitu virg. 22: vultis scire quo malo careat et quid boni teneat continentiae virtus? <
720
Endlich ist kein Geringerer als Cyprian Zeuge dafür, daß nicht nur häretische Asketen speziell mit dem Herrnspruch Mt 19, 12 von der Entmannung um des Reiches Gottes willen Propaganda für die Erleichterung des Virginitätsgelübdes gemacht haben, sondern daß dies auch in der Großkirche vorgekommen ist 38 • Und auch diese Propaganda hat gewirkt. Schon Justin weiß von einem Christen zu berichten, der dem Präfekten von Alexandrien ein schriftliches Gesuch um Erlaubnis zur Operation einreichte, weil die alexandrinischen Ärzte sich weigerten, ohne behördliche Genehmigung den Eingriff vorzunehmen 39 • Und im vierten Jahrhundert weiß dann Euseb zu erzählen: «Wir haben viele uns bekannte Männer gesehen, die Eisen benützten und ihre Leiber zu verschnittenen gemacht haben um keiner andern Ursache als um der Hoffnung auf das himmlische Reich willen, die nicht lange in der Lehre unseres Erlösers erstarkt waren, sondern schlicht und schnell sich an die Sache heranmachten» 40 • Nach dem Bericht des Epiphanius entstand in Transjordanien sogar eine als «Valesier» bezeichnete Sekte, die ihre Mitglieder zur Kastration zwang'u. In den Johannesakten und an andern Stellen wird allerdings auch Protest gegen diesen Usus erhoben 42 • Auf alle Fälle aber lautet das Ergebnis des großkirchlichen Drängens zur Askese: «
C 1e m e n
721
ziplin gegenüber den Todsündern beträchtlich und endgültig lockern mußte. Die asketische Ethik der Großkirche ist nicht weniger als die markionitische, nicht weniger auch als der extreme ethische Indifferentismus bestimmter gnostischer Schulen bedingt durch die Nachwirkung des Diesseitspessimismus der urchristlichen eschatologischen Naherwar. tung, der sich auf das baldige Kommen des Gottesreiches ausrichtet, weil er der bestehenden natürlichen Welt als einer verdorbenen den Untergang wünscht. Allein das Mißliche daran ist dies, daß man diesem überlieferten eschatologischen Diesseitspessimismus in so betonter Weise ethisch Folge gibt in einer Situation, in der sich gleichzeitig die Kirche dem Zwang zur Enteschatologisierung des gesamten alten Dogmas fügt und damit bekundet, daß sich das Christentum definitiv mit dem unerwarteten Weiterbestand der natürlichen Welt abfinden muß und daher auch ethisch nicht lediglich negativ zu ihr Stellung nehmen dürfte. Die Proklamation des Virginitätsideals ist auch nicht der einzige Punkt, an dem das großkirchliche Christentum mit einer betont negativen ethischen Haltung gegenüber der Welt den Einfluß des alten Diesseitspessimismus in seiner Ethik gewähren läßt. Mit der ständigen Berufung auf den Fundamental~>atz der längst grundsätzlich preisgegebenen paulinischen Auffassung von der Heilsbedeutung des Todes Jesu, Gal 6, 14 45 , glaubt man sich berechtigt zur Forderung einer allgemeinen und grundsätzlichen ethischen Einstellung zur Welt, die man offen als Weltverachtung hezeichnet 46 • Nach Origenes ist es sogar Pflicht und Aufgabe der Lehrer der Kirche, immer wieder den Gläubigen darzutun, «daß man alle sinnlichen, zeitlichen und sichtbaren Dinge v e r· achten muß» 47 • Wie weit man es damit unter Umständen treibt, zeigt die Antwort des Lactanz auf die Frage, ob denn nicht beispielsweise der Duft einer Blume dazu geschaffen sei, daß wir uns daran erfreuen dürfen. Lactanz hat darauf in der Tat nichts anderes zu erwidern als dies: Ehen solcher Sinnengenuß sei des Teufels Waffe, um bei den Siehe S. 191 f. C y p r i an geht in seiner Schrift über den Stand der Jungfräulichkeit auf Gal 6, 14 ein und kommt dabei zu Aussagen wie den folgenden: ceterum quaecumque . terrena sunt in saeculo accepta et hic cum saeculo re·mansura, tarn contemni debent, quam mundus ipse contemnitur, cuius pompis et deliciis iam turn renuntiavimus, cum meliore transgressu ad deum venimus (de habitu virg. 6. 7; siehe ferner ad Donat. 14; testim. 111, 11). Ausdrücklich von Weltverachtung ist natürlich nicht nur bei Cyprian die Rede. 47 0 r i g e n e s , c. Cels. 111, 56. 45 46
722
Menschen die Tugend zu Falle zu bringen 48 • Je mehr die Weltverachtung das Ethos bestimmt, desto geringer ist begreiflicherweise auch der Antrieb, Zuständen, Problemen und Aufgaben des allgemeinen gesellschaftlichen und kulturellen Lehens ein ethisches Interesse ent· gegenzuhringen. Die Aufmerksamkeit richtet sich darauf nur soweit, als von den gegebenen Ordnungen und Verhältnissen der Gesellschaft her die Interessen der Kirche berührt werden. Einem T ertullian ist zwar wichtig, daß, gemäß gemeinkirchlicher Auffassung, ein Christ nicht Kriegsdienst leiste. Im Übrigen aber ist für ihn das Problem als solches erledigt mit der Erwägung, daß Kriege, so gut wie Seuchen und Hungersnöte, wenigstens die Gefahr der Übervölkerung eindämmen 49 Auch das Urchristentum hat, infolge seiner eschatologischen Naherwartung, es für unnötig erachtet, sich noch mit ethischen Problemen und Aufgaben des gesellschaftlichen Daseins zu befassen. Zutiefst hat es aber gerade in dieser Haltung der Naherwartung des Reiches Gottes ein persönliches Ethos gelebt, dessen Größe darin bestand, daß. es durch positives ethisches Wollen im Sinne einer gehaltreichen lndivi· dualethik mit ganzem Einsatz für eine neue Ordnung einer neue n Welt demonstrierte, die besser wäre als die bestehende, und auf deren baldiges Kommen es sich auf diese Weise rüstete. Diese gewaltige Zielsetzung und Haltung des urchristlich-eschatologischen Ethos bei Jesus und Paulus ist in der kirchlichen Ethik der Folgezeit verloren gegangen. Auch diese alte Kirche zeigt, wie ihre geschichtliche Umwelt, auf ihre besondere Weise die Züge der müden Spätantike. Der Enthusiasmus der Bereitschaft zum Martyrium in Verfolgungszeiten widerlegt dieses Urteil nicht, sondern bestätigt es - durch seine Motive. Das Gesagte gilt schließlich, wenn auch nicht in gleichem Maße, auch von der Ethik desjenigen altkirchlichen Theologen Clemens Alexandrinus, der lebendiger, aufgeschlossener und universaler als alle andem christlichen Theologen des nachapostolischen Zeitalters, abseits auch von der gewöhnlichen kirchlichen Theologie, über das ethische Problem nachgedacht und in seinem .zugleich philosophischen und religiösen Geiste in sympathischer Weise um dessen Lösung gerungen hat 50 • La c tanz, div. inst. VI, 22. Te r tu ll i an (de anima 30): onerosi sumus mundo, vix nobis elementa sufficiunt, et necessitates artiores, et querellae apud omnes, dum iam nos natura non sustinet. revera lues et fames et bella et voragines civitatum pro remedio deputanda, tamquam tonsura insolescentis generis humani. 50 Über das ethische Problem in der .Religionsphilosophie des Clemens von Alexandrien siehe Fr. Bur i, Clemens Alexandrinus und der paulinische Freiheitsbegriff. 1939. 48 49
723
Das alles mag genügen um zu erkennen, daß in der Tat im Entstehungsprozeß des altkirchlichen Dogmas die Krisis der zwangsläufigen Enteschatologisierung des ursprünglichen Christentums auch zu einer Krisis des christlichen Ethos geworden ist.
Epilog Die «Entstehung des christlichen Dogmas», das heißt der dogmen geschichtliche Prozeß des voraugustinischen Zeitalters ist nichts anderes als die Art und Weise, wie die hellenistisch-synkretistische Spätantike die Auseinandersetzung mit dem Urchristentum unter der objektiven Notwendigkeit der zwangsläufigen Enteschatologisierung dieses ursprünglichen eschatologischen Glaubens vollzogen hat. Das neue kirchliche Dogma, das so entstand, konnte sich unmöglich als etwas Definitives, Endgültiges durchsetzen. Die neuen dogmengeschichtlichen Wandlungen der Folgezeit bezeugen es. Nicht einmal der abendländische mittelalterliche Katholizismus hat es unverändert übernommen. Zunächst muß der Prozeß der Enteschatologisierung allen Beharrungstendenzen zum Trotz seinen unaufhaltsamen Fortgang nehmen. Denn in dieser Hinsicht stellt ja die dogmengeschichtliche Entwicklung des nachapostolisch-voraugustinischen Zeitalters sehr deutlich nur einen Übergang dar. Wie hier die weitere Wandlung verläuft, läßt sich sogar an der Abfolge der verschiedenen philosophischen Systeme erkennen, mit denen das Christentum in der Folgezeit der Reihe nach eine Synthese sucht. Zuerst fühlt es sich vor allem von dem entschieden jenseitig ausgerichteten Neuplatonismus mächtig angezogen. Dann wählt es den anfänglich, schon in der alten Kirche, als irreligiös verpönten Realisten Aristoteles zum Führer, um sich im Diesseits wohnlich einzurichten und hier endgültig heimisch zu werden. Später schlägt in der Verbindung mit der Philosophie der Aufklärung und mit der Spekulation des deutschen Idealismus der verblaBte altchristliche Diesseitspessimismus in einen grundsätzlichen und entschieden betonten Diesseitsoptimismus um. Im Neuprotestantismus des 18. und des 19.
724
Jahrhunderts erreicht der Prozeß der Enteschatologisierung des ur· sprünglichen Christentums seinen Abschluß. Diese ganze spätere dogmengeschichtliche Entwicklung ist ihrem Wesen nach jedoch mehr als nur der Vorgang der folgerichtig durchgreifenden Enteschatologisierung des Ursprünglichen. Sie stellt zugleich eine geistige Bewegung dar, die mit zunehmender Bewußtheit und Energie die Überwindung und Überbietung dessen anstrebt, was im Kirchendogma der christianisierten Spätantike aus dem Urchristentum geworden ist. Dieses altkirchliche Dogma bedeutet an und für sich schon eine Belastung für die Zukunft. Es erhebt Anspruch auf unbedingte Anerkennung als die endgültig richtige und daher für alle Zeiten verbindliche Interpretation des wesentlichen Gehalts der urchristlichen .Lehre. In Wahrheit verhüllt es aber der Folgezeit das wahre, eigentümliche Wesen des Ursprünglichen. Damit erschwert es ihr in ungeheuerlicher Weise die unmittelbare, sachgemäße eigene Auseinandersetzung mit dem Urchristentum. Als Ersatz für dieses Ursprüngliche überliefert es dem abendländischen Mittelalter als «das Christentum» eine in christlichem Gewande einhergehende hellenistischsynkretistische Mysterienreligion, belastet mit der Dekadenz dieser spätantiken Religiosität. Es ist eine im Banne weltflüchtiger Mentalität ausgedachte Theorie der Erlösung, in der die Lehren von Gott, von Christus, vom Geist, von den Sakramenten, von der Kirche und ihrer Lebensordnung ihre wesentliche Bedeutung zuhöchst dadurch erhalten, daß sie ausgerichtet sind auf das Postulat einer übernatürlichen Garantie der künftigen Auferstehung der irdischen Leiblichkeit zum ewigen Leben im bessern J enseiis. In der Art und Weise, wie diese Dog· matik, in der Christologie, in der Lehre von den Sakramenten und in der Theorie von der Erlösung, beständig übernatürliche und natürliche, himmlische und irdische, göttliche und menschliche «Substanzen» zusammendenkt, entwickelt sich geradezu ein religiöser Materialismus. Jedenfalls haben schon im Zeitalter der spätantiken Kirche selbst Außenseiter wie Clemens von Alexandrien und Origenes das Wesen der damaligen gemeinkirchlichen Lehre durchaus so empfunden, sich deshalb von ihr distanziert und Wege zu einer Vergeistigung und Verpersönlichung des zeitgenössischen Christentums gesucht. In dieser spätantik-voraugustinischen Ausprägung verliert das kirchliche Christentum in seinem religiösen Gehalt die unmittelbare Beziehung zum personalen Zentrum der menschlichen Existenz und ihren eigentlichen tiefsten Sinnfragen. Im Zuge der Enteschatologisierung
725
des Ursprünglichen ist es in bedenklich zunehmendem Maße geistig verarmt. In ihrem weitern Verlaufe ist die dogmengeschichtliche Entwicklung des abendländischen Christentums durch ein mehr oder weniger deutliches, zu Zeiteil sog
726
stantisches Dogma der neuen Kirchenbildung sich durchsetzt, als vielmehr in der theologia crucis des jungen Luther. Im Übergang zum Neuprotestantismus des 18. und 19. Jahhrunderts erweist sich die aus dem Umbruch der Reformation hervorgegangene Form des Christentums als innerlich lebendig und entwicklungsfähig. Es handelt sich freilich neuerdings um einen t!efen Umbruch. Die Ent· wicklung, die sich im Übergang vom Altprotestanismus zum Neuprotestantismus vollzieht, ist nicht einfach die Entfaltung eines bisher noch Unfertigen, sondern aufs Ganze gesehen wiederum eine W esenswandlung. Dabei fällt nun auch das, was die Reformation vom Dogmenbau der spätantik-altkatholischen Kirche noch stehen gelassen hat, dahin. Der Neuprotestantismus erkämpft die Befreiung von dem Dogma, das aus der großen Krise des Urchristentums im Verlaufe des nachapostolischvoraugustinischen Zeitalters entstanden war. Von besonderer Bedeutung ist, daß damit die Mauer fällt., die für Jahrhunderte den Durchblick in das eigentliche Wesen des ursprünglichen Christentums von vornherein verdeckte. Schon in der Reforma· tion bricht die Frage nach dem Wesen des Ursprungs als neues, brennendes Problem auf. In der richtigen Erkenntnis, daß die bisherige innere Geschichte des Christentums eine tatsächliche Entfremdung ge· genüber dem Ursprünglichen war, will der reformatorische Protestantismus im Kampfe mit der mittelalterlichen Kirche sich selbst als die Wiederherstellung des echten Urchristentums legitimieren. Dieser V er· such muß mißlingen und mißlingt tatsächlich. Ohne den wahren Sachverhalt zu durchschauen, untersteht der Protestantismus in seinem V er· hältnis zum Urchristentum genau so wie der Katholizismus der objektiven Notwendigkeit der zwangsläufigen Enteschatologisierung und ge· horcht ihr, indem er sie wider Willen weiterführt. Schon die inner· protestantischen Lehrstreitigkeiten der Reformationszeit selbst beweisen zur Genüge, daß die Beziehung auch des reformatorischen Protestan· tismus zum ursprünglichen Christentum durchaus problematisch ist. Beispielsweise der plötzlich losbrechende Streit um das «Gesetz>> nimmt sich aus wie eine nachträglich neu aufbrechende Phase der altkirchlichen Streitigkeiten um das Gesetzesproblem. An der leidenschaftlich ausgefochtenen und ergebnislosen ·Diskussion um den eigentlichen Sinn des ursprünglichen Herrnmahls bricht sogar der reformatorische Pro· testantismus selbst auseinander. Der Neuprotestantismus aber macht sich ans Werk, in einem durch Generationen hindurch fortgesetzten Bemühen mit den Mitteln der neubegründeten historischen Forschung die Frage nach dem Wesen des
727
Ursprungs zu klären. Sein Unternehmen kann nicht anderswo enden als da, wo es tatsächlich geendet hat, bei der Erkenntnis des eigentümlichen eschatologischen Charakters des Urchristentums. Und wie er in der Neugestaltung der protestantischen Dogmatik den längst schon andauernden Prozeß der Enteschatologisierung zu seinem folgerichtigen Abschluß bringt, so kommt ihm in seinem historischen Forschen dieser Prozeß als solcher endlich zum Bewußtsein. Ein Zurück gibt es auf diesem langen dogmengeschichtlichen Wege nicht mehr, sondern nur noch ein Vorwärts, wie dies von Anfang an immer schon so war. Da die Unmöglichkeit des Zurück in einer von jeher wirksamen objektiven Notwendigkeit begründet ist, gehorchen ihr wider Willen immer auch diejenigen, die sie nicht anerkennen wollen. Was sie auch unternehmen mögen, um den Rückweg zu erzwingen, sie bewegen sich damit lediglich auf irgendeine unnütze und verwirrende Weise in der alten Problematik der Enteschatologisierung. Der Versuch, das V ergangene zu repristinieren, bleibt notwendig aussichtslos. Er vermag nur vorübergehend die in der abgelaufenen Geschichte nacheinander aufgekommenen Formen des Christentums allesamt gleichzeitig als einen einzigen großen Knäuel von veralteten Problemen neu heraufzubeschwören, aus dessen wirrem Durcheinander dann der Geist der Zeit nur schwer den Ausweg findet. Es verschärft sich so die Situation, die Albert Schweitzer zutreffend geschildert hat: «Weil überlebte, orientalische und griechische Vorstellungen sich unter uns erhalten haben, verbluten wir uns an Problemen, die sonst für uns nicht existieren würden. Was bedeutet es nicht allein, daß seit Jahrhunderten und heute noch unsere religiösen Gedanken unter der angestammten Fremdherrschaft jüdischer Transzendenz und griechischer Metaphysik stehen! Statt sich, so wie sie sind; aussprechen zu können, erleiden sie Qualen und Entstellungen» 1• Nur noch in zeitraubenden Schwächeanfällen kann sich der moderne Protestantismus vorübergehend diese Einsicht verdunkeln. Und nur kurzschlüssige, verängstigte Torheit kann meinen, der Weg nach vorwärts führe nunmehr in einen Abgrund. Adolf Harnack sah richtig, als er im Jahre 1904 schrieb: «Daß der Protestantismus zur Zeit aus der doktrinären Epoche heraustritt, ist offenbar. Ihn schauert aber noch vor dem Ernste der Aufgabe, die nun seiner wartet. Um ihr zu entfliehen, wird er vielleicht eine Art Katholizismus werden, ohne den Buchstaben der Augustana zu verletzen» 2 • 1 2
728
AI b. Sc h weit z er, Verfall und Wiederaufbau der Kultur (1923), S. 43. A d. Harn a c k, Reden und Aufsätze. Zweiter Band (1904), S. 375.
Es handelt sich für die christliche Theologie darum, die Bedeutung der endlich gewonnenen geschichtlichen Erkenntnis vom Wesen des ursprünglichen Christentums und vom Sinn seiner bisherigen innern Wandlungen für die Dogmatik abzuklären. Fähig ist zur Lösung dieser dringlichen Aufgabe einzig und allein ein freier, über das Dogma der spätantiken Kirche und seine Problematik prinzipiell hinausgeschrittener, wider allen dekadenten theologischen und sonstigen Skeptizismus gewappneter, gegenüber den tatsächlichen Ergebnissen der Geschichte der Philosophie und der allgemeinen Religionsgeschichte kritisch aufgeschlossener Neuprotestantismus. Die Meinung, gerade mit der im geschichtlichen Wissen unmittelbar gegebenen negativen Erkenntnis, daß die Rückkehr in das spätjüdischapokalyptisch bedingte eschatologische Dogma des Urchristentums unmöglich ist, sei die ganze Frage bereits - eben im negativen Sinne entschieden, zeugt von erstaunlicher Oberflächlichkeit und Kurzschlüssigkeit. In Wahrheit ist mit dieser Erkenntnis die Frage erst gestellt. Und erst nachdem der Sinn der bisherigen dogmengeschichtlichen Entwicklung als der zwangsläufigen und unwiderruflichen Enteschatologisierung des ursprünglichen eschatologischen Dogmas klargelegt ist, wird es endlich möglich, über sie hinweg, ohne von ihr her beständig gestört und verwirrt zu werden, die Auseinandersetzung mit dem ursprünglichen eschatologischen Urchristentum unmittelbar unter dem durch die Sache selbst gewiesenen Gesichtspunkt in neuer Weise durchzuführen. Handelt es sich nicht mehr um irgendwelche mehr oder weniger künstliche und kompromißhafte V ersuche, das apokalyptisch"eschatologische Dogma als solches, wie es bei Jesus und Paulus in der Form der Naherwartung zutage tritt, zu repristinieren, so dürfte doch aufgeschlossenes Denken, das aus der Geschichte der Philosophie wie auch der Religionen gelernt hat, was hier zu lernen ist, mindestens an der Frage nicht vorbeigehen können, w a rum ein solches Dogma hier, und gerade so, auftritt. Aber bei näherem Zusehen wird sogleich klar, daß diese Frage noch deutlicher zu präzisieren ist. Sowohl bei Jesus wie bei Paulus ist ja das apokalyptisch-eschatologische Dogma innerlichorganisch verbunden mit einem bestimmten, gewichtigen ethischen Gehalt. Bei J esus handelt es sich um die Synthese von apokalyptischer Eschatologie und vertieftem altprophetischem Ethos. Im Zuge der Enteschatologisierung hat der Neuprotestantismus seit der Aufklärung be-
729
greiflieherweise vielfach vor allem diesen ethischen Gehalt als das W es entliehe der Lehre Jesu herausgestellt, das apokalyptisch-eschatologische Dogma dagegen dogmatisch teils ignoriert, teils umgedeutet. Er wollte eben dieses Dogll).a als solches nicht mehr repristinieren. Das war richtig. Die Frage nach seiner Bedeutung für die Dogmatik kann jedoch erst dann vollständig und richtig beantwortet werden, wenn man zuvor in eingehender religionsphilosophischer Besinnung auch nach seiner letzten, tiefsten Intention fragt. Was hat es allenfalls positiv für die Dogmatik zu bedeuten, daß bei Jesus im Sinne des vertieften altprophetischen Ethos der «Liehe zu Gott und dem Nächsten» die Welt bejaht wird als Schauplatz eines sittlichen Ringens, das die gottgewollte Bestimmung des Menschen ist, während seine Eschatologie diese Welt, trotzdem sie Gottes Schöpfung ist, als Hemmung dieses Ringens verurteilt, weil sie durch das Böse, das Leiden und den Tod helastet ist? So lautet das Problem, wie es von der Lehre Jesu aus gesehen für uns sich stellt. Weit entfernt davon, daß diese Frage infolge der zwangsläufigen Enteschatologisierung hinfällig und bedeutungslos geworden wäre, wird sie durch diese nur noch gewichtiger und dringlicher. Um so unabweislicher aber stellt sich einer neuprotestantischen Dogmatik die Aufgabe, auf diese Frage eine begründete Antwort zu gehen, die in klarer und folgerichtiger Anerkennung dessen, was uns die bisherige Geschichte des christlichen Dogmas deutlich und unmißverständlich lehrt, die Tatsache der unvermeidlichen Enteschatologisierung ohne Zweideutigkeiten in Rechnung stellt. Eine neuprotestantische Dogmatik, die diesen Weg unerschrocken geht, denkt im Geiste Jesu und des Paulus und darf deshalb die Sorge, ob sie den Namen «christlich» verdiene, den Kleingläubigen überlassen, wird aber auch_ ihnen den guten Rat gehen, diese Sorge zu überwinden. So hält sich denn auch der Verfasser des vorliegenden Werkes für verpflichtet, dieser dogmenhistorischen Darstellung in Bälde, sofern es die äußern Umstände gestatten, eine Dogmatik nachfolgen zu lassen, die das dringend notwendig gewordene Unternehmen zu fördern sucht.
730
Stellenregister (Altes und Neues Testament) Genesis 1, 1 1, 2 1, 26 1, 27 2 2, 2 2, 21 ff. 3 3, 16 3,19 3, 21 3, 22 6 6, 1 ff. 6, 2 6, 19ff. 9, 21 16,5 18 18, 1 ff. 18, 4 18,10-12 19, 31 ff. 21, 2. 10 22, 11 27,28 f. 28,10-14 28, 12 f. 30, 38 31,11 31, 11 ff. 32,10 48,16 49,10 49,11 49,12
Exodus 542 441 342, 408, 534 534 501 f. 84 509,511 412, 419 720 686 686 342 150 241 327 666 456 206 368 329 436, 507 643 456,510 206 329 673 373 507,699 507 373 329 507 329 148 282,499,500 496
1, 15 ff. 3, 2 3, 2 ff. 4, 21 7, 3 14, 16.21 14, 19'ff. 15 15, 23-25 17,5 f. 17, 10-12 20 20, 3 22,28 LXX 32 33, 1. 3 34
508 329 347, 373, 574 410 410 507 699 508 507 507 262 225 234, 574 213, 345 221,456 485 f. 221
Leviticus 4,13 f. 5,17 f. 12, 3 14, 7 16, 5 ff. 16,7 f. 21,17 22, 18 f. 23,5
219 219 199 463 448 350 200 219 199
Numeri 2 9, 4 f. 13, 24 19, 2 f. 19,14
699 199 499 f. 497 216
731
20, 25 f. 21, 81. 22,22 Deuteronomium 4, 35 5, 8 6, 4 17, 12 f. 21,23 25,4 27,26 32,7 H. .32, 8 LXX . 33, 17 Ruth 2, 9.14
200 193, 251, 548 329
535 234 387, 574 200 189f., 212 222 199 241,375 213 156
40,7-9 50,18 LXX 50,19 LXX 52,4 LXX . 67,19 LXX 73, 12 73,28 81,1 LXX • 81, 1. 6 LXX 89,4 LXX • 91,13 LXX 95,10 LXX. 103,4 LXX 109 LXX . 109,4 LXX 110,1 113,25 LXX 119, 120
215 215 215 412 266 502 164 344,650 403,518 84,110 689 148, 156 337 158 278 146 685 620
438 Proverbia
I Regum 22, 19ff.
328, 337
3,1 8, 21 ff. 8,22-25
II Regum 6,6 LXX
508 8, 30{. 9,12 ff.
Hiob 7,10 LXX. 14, 4 f. 38, 16 f. Psalmi 1, 3 1, 5 LXX 2,1 2, 7 LXX 3, 6 8, 6 21, 25a 22,5 22,17 22,.21 23,7-10 LXX "23, 8 ff. LXX 35,10
732
685 416 256
507 376 340 f., 382 f. 387, 540 542,544 544 455
Koheleth 1,9
114
Canticum Cantieorum 505 f., 508 685 244 351 510 628 496 466 620 620 266 268f. 436
507 604
4, 12 6, 7 Sapientia Salomonis 7,25 Micha 4, 3 Joel 2, 11.25 2, 25 3, 1-5
532
..
113
374 373 75
Zacharias 2, 10-3,2 2, 14 f. 3, 1 8, 22f. 9, 9 f.
329 6 278 6 113, 157
47,1-12 48, 31 ff.
487, 505 699
Daniel 3, 23 LXX 7, 13 f. 12, 1
328,690 157, 322f. 330
Malachias 3, 23 (4, 4)
182
Esaias 1, 8 1,11-13 1, 22 2, 3 2,4 6, 2 f. 9, 6 LXX 10,23 '25, 6 f. 45,5 45,7 48,21 50,6 52, 13 ff. 53 53, 1-8 58,4-10 60, 2 f.
499 215 216 508 113 327 262, 328 f., 336 347, 373, 380 173 6 573 133 438,488 620 156 277 156 f. 215 6
Jeremias 4, 3 f. 7, 21 f. 7, 22f. 9, 26 31, 26
215 219 215 f. 215 510
Tbreni 4, 20 Ezechiel 20,25 37,1-14
156
221,224 689f.
Secundum Matthaeum 1, 16 3, 2 4,1-11 4, 4 4,11 5, 3 ff. 5, 17 ff.
5, 17. 19 5,18 5, 23 6, 9-13 6, 10 6,11 6, 28 7, 1 7,6 7, 7 7,10 8, 11 f. 8, 12 9,13 9, 14f. 9, 29 10 10, 5 f. 10,9 10, 10 10, 17ff. 10,23 10,25 10,26 10,31 10,34 10, 39
320, 354 179 245 625 304 70,716 96, 76, 159 213, ~18, 227 229, 231, 712 230 f., 235 231 58 462 179 462 58 70 482 128 f. 58 7, 673 287 215 103 414 62, 70 ff., 74, 179 7 f., 73 73 72 73 71 ff. 229 129 73 73 72
733
11,11 11, 12 11, 13 11,14 11, 19 11,27 11, 27 ff. 12,7 12,28 12,29 12, 31 12,40 12, 41 f. 12,48 13, 3 f. 13,24-30.38 13, 41 f. 14, 15 ff. 15,7-9 15,24 16, 12 16, 18 f. 16, 19 16,22 16,27 16,28 17, 1 17, 2 17,4 17,9-13 18,7 18, 8 18,12-14 19,28 19,12 22, 13 22,30 22, 37 ff. 22, 41 ff. 24, 15 ff. 24,22 24,24 24,30 24,42 25, 1 ff. 25, 20 ff.
734
.
184 69 ff., 74 226, 229, 230, 235 164, 182 ff. 510 97, 303, 373, 380 70 215 50f. 251,260,264,275 415 146 7 153 683 666 304 451 215 7 316 637,659 657 246 304 179 f. 179 367 246 182 f. 192 646 335, 371 146, 179, 657 705, 721 287 719 712 156 184 266 107 114 110 683 698
25, 31 25, 31 f. 25,41 26, 17 ff. 26, 28 f. 26,29 26,38 26,39 26,64 27, 45.51 H. 27, 51ff. 27,52 27, 52 f. 28, 2 ff. 28, 17 28,18 28, 19
146 675,677 678 494 494 98,140,673 234,619 245 104,179 88 ff. 179 421,696 261,264 103 101 103 f. 426,441,492
Secundum Marcum
1,11 1, 12 f. 1, 13 1,14 3,16 4,11 4,12 4, 35 ff. 6 6, 31-9,30 6, 45 ff. 7, 6 f. 8, 22 f. 8,28 8, 31 8, 38 9 9, 1 9, 2 f. 9, 9-13 9, 13 10, 17 ff. 10,32-45 10, 37 f. 10,38 12, 25
303 245 304 68 367 51,72 410 432 72 67 432 215 58 312 615 302,304 314 179 99 183 146 70 313 657 490 41,686,692
12,26 f. 12,29 12,35-37 13' 13,22 13, 26 ff. 13, 32 14,8 14,22-25 14,25 14,36 14,61 14,62 14,64 15,32 16,5 f. 16,14
146 575 146, 158, 303, 312 72 107 304 378 f., 382, 563 428 313 98,101,673 245 302 104, 313 104 303 103, 316 101, 448
Secundum Lucam
1,1-4 1, 6 1,17 1, 35 1, 52 2, 33 2, 40.52 3, 22 4,1-13 4,13 4,18 6, 20 9 f. 9,22 9, 26 9, 35 10,9 10, 18 10, 30-35 11,2-4 12,49-52 12,50 15 15,4-6 16 16,9.11
57 416 182 f. 164,352 f. 146 354 615 351 245 243 302 707 72 615 304 303 179 179 715 462 446 443,490 664 335 f., 371, 604 697 146
16,16 16,17 16, 19-31 17, 20 f. 20, 35 f. 21, 18 f. 22, 3 22, 15 f. 22,42 22,43 23,14 23,35 23,42 f. 23,46 24,4 24, 12-35 24, 13-15 24,26 24, 36-4~ 24,51
230 231 695 f. 50 315 411 243 674 167 304 98 303 95 f. 696 316 101 448 313 101 99
Secundum Johannem
1,1 1, 1 ff. 1, 2 1,14 1,14.18 1, 16 1,16 f. 1,17 1,18 1, 21 1, 29 1, 29.35 2 2,13 2,11 2,15 3 3,1-11 3, 3 3, 4
540 168, 340, 534 542, 553, 555 522, 529, 543 340 62, 164, 352, 361 471, 608 f., 634 529 413 525 210,383 316 164, 182ff. 279, 616 282 438 263 355 263 439,446 435 401,414 401, 608
735
3, 5 3, 16. 18 3, 17 4 4, 2 4, 7 4,7-14 4,10-14 4, 13 f. 4,14 4, 24 4, 32 4, 34 5 5, 1-9 5, 2 ff. 5,24-29 5, 46f. 6 6, 9 ff. 6,11 6, 13-63 6, 16-21 6, 26 ff. 6,40 6, 50 ff. 6,53-56.63 6, 61 6, 63 6,70 7,14 7, 37 ff. 7, 38 7, 39 8 8,44 9,1-11 9, 6 9, 6 ff. 9, 7 10,29 10,30 10,34 12,24 12,27
736
434 ff., 439 f., 444 451, 492 529 353 438 f. 491 435 435 434 438 436 592 439 673 f. 436 434 435 396,681 . 209 439, 451 f.,.458, 467 467 608 467 434 467 396 467 451 467 467 243 608 436,487 f. 488 f., 508 169, 491 f. 664 208 434f. 435 435 435 580 572 f., 589 403 488,490 243
12, 29 12,31 12, 31 f. 13 13,2.27 13,4-17 13, 10 13,34 14 14,6 14,9 14, 16 f. 14,28 14,30 15, l 15, 15 15,26 16,11 16, 12 f. 16, 15 17,21 18,11 19,13 19,34 19, 34 f. 19,35 20,14 f. 20, 17 20, 17 ff. 20,22 20,22 f. 20,24 ff. 20,29 21,1-14
580 49,247 246 432,437,452,487,492 243 434,438 433,436 226 455 615 573 583 563, 580 243 f., 246 456, 466, 490, 498 713 580 246 136 608 717 167 608 487 f., 490, 495 f., 497 499 f., 508 f., 511, 571 488 f. 489 316 625 99 492,583 657,659 f. 121 519 101
Aetus Apostolorum
1, 3 ff. 1, 7 1,10 2,16 f. 2,22 2, 36 2, 22 f. 2,24
100, 125 101 316 75 313 f., 354 99 243 313
2, 32 ff. 3,13 f. 3, 14 3, 18 3, 22 4,25-27 4, 27 5, 30 5, 30 f. 5, 31 6, 6 7, 37 7, 52 7, 56 8, 32 ff. 9, 5 10,3 f. 10, 13 10,39 10,41 10,42 13,27-29 14, 11 f. 15,29 17,31 28,6
313 313 313 313 313 243 313 243 313 99 422 313 313 313 313 309 309 309 243 101 99 243 316 229 99 316
Ad Romano!i 1, 3 1, 4 3, 19. 21 f. 3, 21 ff. 3, 23 3, 25 5, 12 5,14 5, 20 6 6-8 6, lff. 6, 2-11 6, 3 6, 3 f. 6,3-8
353 99, 104, 303, 315 206 187 417 280 412 675 201,232 106, 421, 423 f. 426,446,497 273,276 663 189 497 424f. 274
6, 4 6,4-6 6, 5 6, 6 6, 7 6, 9 6, 10 6, 11. 13 6,14 7, 5 7, 5. 7 7, 7 ff. 7,11-25 7,12 7, 12-H 7, 14 7, 17 7, 18.24 7, 19 f. 8,1-11 8, 3 8, 4-7.9 8, 8 f. 8, 9 f. 8, 30 8, 33 f. 8, 38 f. 9, 4 9, 1Hf. 9, 16 ff. 9, 20 ff. 10,4 10,5 11,25 11, 25 f. 13,12 14,17 14,20-15,1 16,20
427 425 367, 425 424 278 114 275 425 233 286 233 232 201 210,218 201 222 276 687 273 189 189, 273 f., 276, 315 367,369,524 286 286,687 337 163,410 442 188,429 206 642 410 163 155, 188, 212 f., 235 205 103,641 72 179 673 f. 708 250
Ad Corinthios I 1, 14 1,14-17 1, 17
433 654 428
737
1, 20 1,23 1, 27 2,2 2,6-8 2,6--'-9 2, 8 3, 1 ff. 3, 2 3, 12 ff. 3, 13 ff. 4, 4f. 4, 8 5, 5 5, 13 6, 2 f. 6, 11 6, 13 6,15 6,17 7 7, 14 7,18 7, 18 ff. 7, 20 7, 29 ff. 7, 31 7, 38 7, 39 8,2 8, 4 ff. 8, 5 8, 6 9, 9 f. 9, 22 10, 1 ff. 10,4 10,5 10,11 10, 16 10, 19f. 11,7 11,17-34 11,19 11,28 11,23-26
738
163 615 359 297 188 97 213, 243 f., 246 173 213 699 416,668 .668 657 287,657 666 668, 657 417 423 393 550 112, 639, 705. 443 f. 234 203,717 202.234 179 f. 76, 189 719 399,404 173 211 211,309 306,546 206, 222 347 442 370,497,509 547 179 654 219 306,387,534 654 134 451 494
12 12,21 12, 24 f. 13 15 15,3 15,20 15,20-24 15,20-24 15, 21 ff. 15,23 15, 23 f. 15,23-26 15, 24 ff. 15,25 15, 26.54 f. 15,28 15, 36 ff. 15, 38 ff. 15,44 15, 44.50 15,45 15,47 15,50 15, 51 15,53 15,56 16,19
645 646 493 704,713 638 f., 667, 678, 690 187, 273 395 189,274 677 677 89, 94, 676, 683 676 f. 406 106, HO, 551 303 248 305,557,672,675 691 691 692 687 305 619 288,693 f. 94, 179, 314, 668, 693 692,694 232 f. 173
Ad Corinthios II 3, 6 219 3, 7 232 147,675 3, 14ff. 3,18 314 4,4 179, 212, 287, 309, 534 4, 5 211 4,16 285 5, lff. 695 5, 1-4 694 5, 2 f. 179 5, 14_:_21 189 5,16 297 f. 179, 289 5, 17 11,12 649 11,14 316
Ad Galatas 1,1 1, 4 1, 6 1, 8 1, 17-22 2 2, 4 2, 9 2, 11 ff. 3 3,. 1 3, 13 3,13-4,4 3,19 3, 19 f. 3, 23 4 4,1-5 4, 2 4, 3. 9. 24 f. 4, 4 4, 4f. 4, 10 4, 21-31 4, 25 5,1 5, 3 5, 7 5,17 6, 12 6,14
164 187, 202 173 358 186 77 178 657 177 209 173 189, 212, 299 188 163, 209 ff., 232 f. 201, 206 201 209,269 210 207 201 212 f., 235, 353 226 199 206 649 201 214 173 687 185 187, 189, 191 ff. 203, 273, 390, 723
6, 5-8 6, 9
164 164
Ad Philippenses 1,1 1, 8 1, 21-23 2 2, 5-11 2, 6 f. 2, 7 2, 7 f 2, 9 2, 9ff. 2, 10 ff. 3, 21 4, 3
653 177 657,694 613 377 367, 524 315, 376 157 377 305 188 314 641
Ad Colossenses 1, 15 1, 16 1, 16-20 1, 19 2,8-18 2, 9 2,14 2, 15 3,18 3,19 3, 20 3, 22 4, 1
342, 376 309 24.6 599 204 599 f. 212 188, 246 f. 164 164 164 164 164
Ad Ephesios 1,10 1, 21 2,15 4, 8 4, 8f. 4, 22 5, 22 5, 25 f:i, 1 6, 4
477 309 212 256,266 246 286 164, 707 164 164 164
Ad Thessalonicenses I 4, 13-18 4,15 f. 4,16
106 676 304
Ad Thessalonicenses II 2 2, 2
678 106
739
Ad Timotheum I
1 1, 3-10 1, 17 2, 5 5, 23 6, 8 6, 14 6,16 6,17 6, 20
Ad Timotheum II 1, 10 1, 20 2, 2 2, 18 2, 19 ff. 4, 1. 8 Ad Titum 1,12 2, 4 2,13 3, 5 3, 1 f. Ad Hebraeos 1, 2 1, 4 1, 4-14 1, 7. 14 2, 2 2, 7 f. 2, 14 3, 2 5,11-14 6, 4 6,4-6 6, 14 ff. 7, 13 f. 8, 13 9, 22
740
212 232 164 163, 209, 619 456 164 320 164 164 163
320 246 171 421 f. 163 320
163 164 320 401,439 162
9, 26 10,4-8 10,20 10,26-31 12, 16 f. 12,23 13, 15
83 215 97 124 124 94 278
Jaeobi Epistola 1, 6-8 1, 17 1, 18 2, 14-26
117 316 401 417
Petri Epistola I 1, 3. 23 1, 19 1, 20 2, 2 3,19 3, 19 f. 3, 19-22 3, 22 3, 20 f. 4, 1 f. 4, 6
401 213 83 180,401 264 255 256 255 440 278 255
Petri Epistola II
83 345, 374, 380 344 337 204 246 194,246 374 117 415 124, 664 665 278 194 215
1, 4 1,16 2,10 3, 3 f. 3, 8 ff. 3,15 f.
403,459 109 309 109 110 141
Johannis Epistola I
1, 1 1, 7 2, 18 ff. 2, 19 3, 8 4, 2 f.
293 296 679 130 525 366,608
401 529 525 401 487 282 491 663,665
4, 7 4, 9 4, 9 f. 14 5, 1 5,5-8 5, 6 ff. 5, 6. 8 5, 16 f. Johannis Epistola II
1, 7 7,
\
...
Judae Epistola 1, 4 1, 7 f. 1, 8 ff. l, 14 f. Apokalypsis Johannis 2, 3
366 608
327 269 309,327 149 f., 326
124
2, 8 3, 20 7, 4 7, 13 f. 10, 1 f. 12,1-6 12,7 13,8 14, 1 17,8 17,14 19,9 20,1-3 20, 2f. 20, 4 ff. 20, 4.6 20, 14 20,15 21 21,8 21, 27 22,2
501 448 641 308 347 604, 649 330 641 262 641 642 448 87,259 271 672 657 683 641 699 683 641 504
741
Personen- und Sachregister Abessinische Kirche 150 Achelis, H. 662 Acta Andreae 262 f., 358, 360 Acta Andreae et Matthiae 262, 359 f., 529 Acta J acobi 359 Acta Johannis 193, 208, 293, 349, 360, 369, 459 f., 520, 700, 721 Acta Pauli 91, 162, 164, 357, 343., 353, 360, 398, 404, 415, 456, 716 f., 718 Acta Petri 262 Acta Petri et Andreae 359 Acta Philippi 216, 263, 360, 404, 457, 502, 700 Acta Pilati 96 Acta Thomae 114, 239, 244, 258, 260 f., 341, 360, 448 f., 453, 456 f., 459, 503, 520, 700, 720 Acta Timothei 167 Actus Vercellenses 268, 359, 448 Adamantius 85, 130, 137 f., 165, 197, 212, 227, 230, 285, 287, 361, 367, 393, 395, 454, 497, 624, 677, 685, 687' 691, 693 Adam-Christus-Spekulation 490, 500 f., 508 Adamiten 644 Adoption 34 Ägypter-Evangelium 109 Aetius 536 Aleith, Eva 10, 140 Alexander von Alexandrien 91 f., 259, 275, 300, 365, 371, 376, 380, 383, 536, 578 Alexander von Lykopolis 277 Allegorese 11, 73, 94, 147 ff., 151 ff., 154, 156 f., 170 f., 179, 207, 222, 227, 263, 268, 294, 301, 324, 336, 372,
742
396, 423, 455, 467, 498, 504, 507, 510 f., 604, 645, 675, 690, 709, 715 Aloger 165, 552. Altercatio Jasanis et Papisci 542 f. Altercatio Simonis et Theophili 251, 500 Altes Testament: als Problem der alten Kirche 145 ff. Altbaus, Paul 40 Altnicaener 386, 588 f., 591, 597 Altprotestantismus 195 Amphilochius v. lkonium 95, 213, 244 f., 252, 264, 341, 366, 500 Ambrosiaster 229 Anaphora Pilati 90 f. Anhomöer 536 Ansatzpunkt der dogmengeschichtlichen Entwicklung 3-28, 78 f., 185 Anthropologie 408 f., 413 f., 415 Aphraates 248, 259, 436 Apokalypse des Abraham 308, 330, 337 Apokalypse des Petrus 108, 118, 125, 264, 519, 678 f., 681, 683, 689 Apokalypse des Sophonias 308 f. Apollinar v. Laodicea 213, 250, 446, 476, 538, 605, 610, 631 ff., 674 ApolUnaristen 323, 364, 605, 632, 634 Apologeten 30, 112, 137, 205, 261, 301, 397, 482, 514, 543, 547, 551 Apostoliker 455 Apostolische Canones 198 f., 426 Apostolische .Constitutionen 459 Aquarier 455 ff. Archontiker 431 Arethas v. Caesarea 137 Arkandisciplin 481 f., 494 Arianismus 32 f., 130, 137, 172, 298 ff., 335f., 338, 362, 371ff., 375ff., 380f., 382, 384 ff., 466, 475, 482, 512,
523 f., 530, 539, 552, 571, 573, 576, 578 f., 585, 589, 596, 608, 626, 635 Aristides 112, 154, 205, 226, 412, 514, 520, 535, 608, 677' 696 Aristoteles 724 Arius 91, 299 f., 343, 372 f., 374, 376f., 381, 383 f., 387 f., 537 ff., 554 f., 557, 679 Arnobius 84, 96 f, 112 f., 133, 244, 253, 342, 394, 411, 516, 695, 699 Ascensio Jesajae 89, 108, 117, 125, 240, 243 f., 260, 308, 310, 328, 338, 343, 345, 350, 358, 361 f., 608, 642, 676, 678, 696. Ascensio Mosis 330 Askese 227, 704, 708 f., 717 ff., 721 Asterins 372 ff., 376 Athanasius v. Alexandrien 33, 72, 97, 130, 163, 172, 213, 240, 248, 250, 261 f., 268, 277, 299 f., 343, 370 f., 373, 375 f., 377 ff., 380, 382 f., 385 ff., 388, 400, 403, 406, 448, 452, 459, 468, 472, 475, 482, 484, 507, 512 f., 529, 533, 537 f., 549, 554, 556, 568, 578, 580, 584, 586 ff., 595, 598, 605 f., 610, 624, 626, 632, 664 f., 673, 679 Athanasius v. Anazarbus 371 Athenagoras 239, 241, 337, 359, 406f., 412, 514 f., 545, 548, 600, 681 f., 685, 687 f., 696, 712, 720 Audianer 364 Auferstehung 12, 106, 608, 647, 650, 667 f., 671 f., 676, 681, 684 ff. Eschatologischer Charakter 94 f., 315 Parusie-Auferstehung 52, 98 ff., 676, 682 Endauferstehung 676, 682 Tagmata der Auferstehung 670, 683 Auferstehung des Fleisches 135, 288, 396, 451 Leugnung der Auferstehung 392, 407 Aufklärung 724, 729 Augustin 198, 419, 642 f., 726 Aulen, Gustav 1
Baldensperger, Wilh. 7, 9 Bardesanes 673 Barnabas 11, 84, 117 ff., 135, 145, 147, 149, 153, 158, 171, 204f., 215 f., 219, 226, 233, 248, 322, 343, 350, 363, 397 f., 441, 485 f., 505, 525, 609, 620, 681, 713. Barth, Carola 130, 336 Barth, Karl 39 Baruchapokalypse 149, 188, 308, 501 Basilius der Grosse 588, 591 Basilius v. Ancyra 590 Basilius-Liturgie 461 Bauer, Walter 85, 112, 164, 167, 199, 293, 354, 456 Baur, Ferd. Chr. 24, 31, 62 Beer, G. 150 Bertram, Georg 53, 55 f. Beschneidung 199, 215 f., 217, 220, 224, 227, 229, 234, 366, 463 Bonwetsch, Nath. 88, 133, 308 Bornemann, Job. 485 Bousset, Wilh. 7, 45, 56, 77, 258, 304, 307' 330, 608 Brückner, Martin 315 BruQrter, Emil 44 f. Bultmann, Rud. 38 f, 41 f., 49, 51, 53 f., 55 f., 58 f., 60, 62, 64 f. Buri, Fritz 45, 114, 237, 723 Bücher Jeü 191, 266, 333, 402, 438, 443, 465
Canon Muratori 125, 143, 151, 166 Canones Hippolyti 427, 430, 443 f., 449, 460, 486 Celsus 90, 104, 107, 127, 153, 192, 247, 256, 343, 361, 365 f., 419, 501, 503; 515, 518, 644, 699 Chalcedonense 83, 482, 539, 607, 627 Christologie: adoptianische 34 christologischer Streit 32 Christus als Erscheinung der Endzeit 84, 194 Christus als Kyrios 307 ff.
743
Communicatio idiomatum 630 Davidsohnschaft 158 Dyophysitismus 635 Emanation 527, 532, 594, 601 Engelchristologie 32, 34, 304, 513, 517, 519, 521, 523 f., 535, 539, 541, 546, 577, 581, 599, 604, 606 f., 609, 613, 616, 635 Christus als Engelwesen: im Urchristentum 304-320 im nachapostolischen Chr. 321-349im Arianismus 371-388, 627 Erwählung 303 f., 345, 383 Geschöpflichkeit 340 ff. Gottheit 347 f., 512 ff., 518, 521, 529, 566 f., 570, 573, 577 Homousie 365, 371 ff., 384 ff., 475, 479, 512, 523, 527, 532 f., 538, 554, 586, 590 ff., 593 ff., 596 f., 613, 632 Hypostase 583, 587, 599, 633. Inkarnation 284, 299, 352 f., 366, 371, 459, 468 f., 470 ff., 484, 518, 567, 570 f., 603, 605, 607 f., 610 f., 613, 617 f., 619, 626, 628, 632 Jungfrauengeburt 284, 352 f., 354, 473, 477, 518, 554, 612, 632 Kenosis 377, 628 Koordination 586, 591 Logoschristologie 32 f., 167, 330, 340, 382. Logos 32, 143, 158, 160, 165, 193, 209 f., 212, 217, 220, 226, 228, 269, 296, 320, 330 f., 333, 335, 340 f., 342, 346, 375, 386 ff., 468, 470 ff., 525, 540 ff., 599 Menschensohn-Problem 157, 302 f., 322 f., 326, 526 Monophysitismus 635 Natur 633, 634 Person 587 ff., 590, 602 f., 605, 610, 627 ff., 631, 633 Pneumatische Christologie 34
744
Praeexistenz 209 f., 212, 217, 341, 351 f., 382, 524 ff., 553, 643. Prosopon 57 4, 588, 590, 633, 634 Salbung 324 Subordination 338, 340, 343, 345, 361 ff., 365, 383, 535, 558, 560, 563, 575 f., 579 f. 585, 591, 602 Vergottung 299, 370 f., 388, 402 ff., 406, 414, 445, 459, 469, 475 f., 484, 513, 567, 570, 610, 630, 647, 650 f. Verwandlungsschema 314 ff., 317 f., 349 ff., 356 ff., 361 ff., 365 f., 367 ff., 370, 376 f., 479, 607 f., 609 f., 616, 622 Zeugung 342, 352 f., 526 f., 528, 530 ff., 533, 535 ff., 538, 543 f., 545 f., 547, 553, 555, 560, 598 Zweinaturenschema 155, 163, 167, 235, 353, 355, 362 ff., 365 f., 368, 370, 377, 382, 479, 607 ff., 610 f., 616 ff., 620 f., 624 f., 631, 634 f. Christusmystik 406, 717 Chrysostomus 366, 489 Chrysostomus-Liturgie 461 Claudius 474 Clemens II 108, 111, 117, 279, 337, 398, 519, 609, 642 f., 645, 651 f. Clemens Alexandrinus 70 f., 72 f., 114, 127, 129 f., 132, 134 f., 144, 155, 163, 165, 167 f., 172, 179, 191 f., 210 f., 213, 220, 223 f., 225 f., 237, 241, 243, 250, 256 f., 267 f., 270, 277' 282, 291, 293 ff., 308 f., 314, 327, 329, 333, 335, 357, 369, 394, 400, 402 ff., 405, 409, 411, 423, 429 f., 436, 442, 453, 455, 465, 467, 485, 496, 498, 500 f., 511, 528, 534, 543, 548 ff., 592, 594, 596, 598 f., 603, 608, 612, 615 f., 624, 643 ff., 648, 661, 665, 699, 701, 708, 711, 712, 720 f., 725 f. Clemens Romanus 108, 111, 113, 115, 117 f., 171, 179, 215, 241, 343, 396, 418, 520, 643, 654 ff., 658, 688 f., 697, 717
Commodian 364, 502, 576, 676 Concilium Quinisextum 103, 483 Concil v. Constantinopel (a. 381) 586 Constantin der Grosse 33, 72, 113, 198, 262, 381, 443, 586 Constantius 381 Crispus 381 Cyprian 72, 86, 96 f., 109, 113, 118, 173, 192, 197, 199 f., 215, 220 f., 226 f., 244, 262, 270, 279, 281, 405, 415, 425, 431, 437 f., 440, 443, 449, 455 f., 457, 463, 475, 481, 488 f., 490, 494, 500, 507 f., 649, 652, 658 f., 660 f., 665, 670, 673, 675, 677, 679, 683, 720 ff. Cyrill v. Jerusalem 93 f., 97, 111, 127, 171, 184, 236, 259, 261 f., 264, 275f., 281, 288, 323, 354, 357, 386, 403, 407, 409, 411, 415, 420, 425, 427 f., 430, 436, 440 f, 444 f., 453 f., 459, 461 ff., 481, 483, 489, 502 ff" 507 ff., 538, 619, 624, 626, 629, 645, 675 f., 677, 681, 684 f., 688 f., 694, 713
Determinismus 409 f. Dialog des Aquila und Timotheus 354 Dibelius, Martin 53 f., 55 f., 60, 124, 201, 204, 273, 315, 334 Didache 117, 126, 173, 279, 343, 441, 448 f., 453, 459 f., 462, 493, 498, 676, 679, 712 f. Dionys v. Alexandrien 109, 151, 167, 243 f., 245, 385, 533, 578, 580, 596, 626, 658 f., 664, 67 H. Dionys Areopagita 374 Dionys bar Salibi 166 Dionys v. Rom 385, 578, 596 Diognetbrief 199, 216, 277, 346, 717 v. Dobschütz, E. 85 Dogma, altkirchliches 1 Doketismus 229, 289, 366 ff., 369 f., 377, 465, 480 Dölger, F. J. 438 Domitian 332 Donatisten 381
Dositheus 107 Dreigötterlehre 387 Dreyer, Max 271 Duhm, Bernhard 328
~lchasai 107, 208, 332, 338, 427, 443, 609, 651 Elkesaiten 114, 124 Empedokles 404 Engelwelt 239 ff., 304 ff., 308 ff., 330, 371 ff., 514, 517, 602 Gabriel 333, 335, 478 Michael 95, 308, 330, 333, 335, 357, 376 Epiktet v. Karinth 605 Epiphanius 93, 107, 114, 120 f., 130, 151, 157 ff., 164 ff., 172, 190, 198, 203, 208, 212, 218 f., 229, 233, 236f., 243 ff., 248, 251, 256, 259, 262 f., 264, 271, 285, 306 f., 331 f., 337 f., 341 ff., 349, 354, 360 f., 364 f., 373 f., 376, 379, 381 ff., 387 f., 395, 407, 412, 421, 431, 436, 441, 443, 455 f., 457, 465, 489 f., 509, 513, 516, 527, 535 f., 552 ff., 555, 560, 565, 567 ff., 571, 573 fo, 584, 587, 590 ff., 593 ff., 597 f., 605, 609, 627, 630, 633, 644, 674 Epistula Apostolorum 108 f., 110, 118 f., 121, 125, 244, 256, 264, 333, 608, 642, 655, 679, 681, 683, 687 f., 700 Epistula Synodi Paris.iensis 386 Erbammgsliteratur, populäre 91, 260, 361, 448, 456, 497 f., 529 Erbsünde 412 Erlösung 132, 166, 186 f., 240, 272, 285, 289, 292 ff., 299, 344, 362 f., 388ff., 394 f., 399, 419, 458, 551 f., 707 Erlösung des Fleisches 363, 366, 392, 399. Eschatologie 7 ff., 12 f., 17, 25, 40 ff., 89, 667 ff. Antichrist 678 f. Auferstehung 12, 106, 608, 647, 650, 667 f., 671 f., 676, 681, 684 ff.
745
Eschatologischer Charakter 94 f., 315 Parusieauferstehung 52, 98 ff., 676, 682 Endauferstehung 676, 682 Tagmata der Auferstehung 676, 683 Auferstehung des Fleisches 135, 288, 396, 451 Leugnung der Auferstehung 392, 407 Chiliasmus 139 f., 151, 671, 674, 676, Enddrangsal 105, 678 Endgericht 682, 683, 698 Endvollendung 638, 671, 673, 679, 681 f. Enteschatologisierung 89 f., 93, 98, 104, 133, 149, 190 f., 193 ff., 203, 223, 228, 234, 237, 239, 245, 251, 255, 257, 261, 269, 272, 284 f., 289 f., 321, 323, 326, 338, 348 f., 362 f., 369, 390 f., 405 f., 413, 417, 420, 426, 431, 433, 445, 449 f., 454, 458, 460 f., 468 ff., 479, 495, 497, 523, 526, 546, 548 f., 582, 606, 639 ff., 644, 647, 659, 666, 667, 669, 671, 680, 682, 693, 702 f., 705 f., 708 f., 711, 714 f., 716 ff., 722, 724 ff. Ewige Höllenstrafe 683 f., Gericht 407, 410, 416, 418, 657 f., 659, 662, 668, 671 f., 676 f. Geistleib 692 Hades 685, 694, 696, 698 Himmelsreise der Seele 94, 394, 429 f., 503, 699, 700, 701, 711 Jenseits 644 judicium particulare 698 Konsequente Eschatologie 36 ff., 61 ff., 77 ff. Naherwartung 22, 28, 107 ff., 110 f., 113 f., 133, 178 f., 180, 182, 190, 279, 290, 460, 669, 723 Paradies 697, 698, 699 Parusie 106 ff., 110, 113, 350, 448 ff.,
746
455, 457, 461, 547, 650, 657, 668, 676, 678 Parusieerwartung in der Osterzeit 103 Parusiegericht 677 f., 681 f., 698 Parusieverzögerung 13 f., 75, 93, 100, 104 ff., 108 ff., 114, 118, 120, 122 f., 128, 178, 182, 185f., 190, 195, 218, 239, 245, 253, 290, 321, 391, 457, 583, 639 ff., 650, 669, 678, 694, 701, 719 Reich Gottes 10, 39, 43 ff., 45 ff., 50 ff., 643, 660, 668, 673, 676, 679, 682 Unsterblichkeit 396, 400ff., 419, 422, 438, 459 f., 477, 479, 686, 690 Vorzeichen 110 f., 112 Weltbrand 769 Zwischenzustand 694 f., 698, 700 Zwischenreich 106, 639, 657, 668, 671, 673 ff., 682 IV. Esra 149, 188, 303 f., 308, 505, 636, 639, 641, 668 V. Esra 109, 216, 359; 608, 642, 673, 691 VI. Esra 642, 679 Ethik 703, 705 ff., 708 f., 711 ff., 716, 718, 722 f. Besitz 705 Busse 123 f., 279, 651, 705 Ehe 705, 708, 717, 720 Ehebrecher 664, 720 Ehelosigkeit 423, 640, 708 Freiheit 703 Enthaltsamkeit 717 Gerechtigkeit 705 Gesetzesproblem 706, 712, 720 Gewissen 708 Heiligkeit 666, 718 Indifferenz 710, 722. Kasuistik 713 Liebe 703 f., 707, 710 Libertinismus 712 Lohnrechnung 713 Mönchtum 717 f. Moralpessimismus 415
Nihilismus 704 Nomismus 713 Pneumatiker 710 Psychiker 711 Staat 705 Sünde 414f. Sündlosigkeit 651, 658, 663, 666 Todsünde 278, 280, 651, 658, 660, 663, 665 f., 680, 722 Virginität 717, 719, 720 Weltverachtung 722 Euseb v. Caesarea 73, 84, 94 f., 104, 107, 109, 113, 124 ff., 130, 133, 136, 148, 151, 156 f., 160, 162, 167 ff., 171 ff., 183, 195, 210, 215, 220, 224, 227, 233, 241, 252, 256, 259 f., 262 ff., 268 f., 271, 277, 283, 324, 329, 340, 354 ff., 373 ff., 376, 381, 408, 443, 466 f., 472 f., 476, 479 f., 482, 488, 496, 500, 514, 522, 530f., 535 ff., 539, 541 f., 554 ff., 565, 568, 580, 583, 609, 658 ff., 670, 675, 695, 721 Euseb v. Nikomedien 376, 388 Eusebianer 578 Eustath v. Antiochien 92, 95, 154, 235, 259 f., 263 f., 370, 624, 626, 629 Evangelium infantiae arabicum 268, 357, 360, 431, 497 Evangelium Mariae 117 EvangeliumNicodemill 86, 89, 93, 95f., 243 f., 257, 259 f., 261, 263 f., 503 Evangelium Petri 90, 99, 103, 255, 262, 351 Evangelium Philippi 700 Evangelium Ps.-Matthaei 334, 506 Evangelium Thomae 334, 351, 505 Eznik 97, 243, 267 f.
F ascher,
Erich 53 f., 55 f., 58 f., 60 f. Flavian v. Constantinopel 483 Fleisch 393, 400 formgeschichtliche Methode 52 ff. Förster, Werner 77, 165, 263 Freer-Logion 122
Gajus v. Rom 151, 166, 271 Galilei, G. 74 Geffken, J. 205 Geist, hl. 337 f., 342, 351 f., 374 f., 396, 399 ff., 402, 414, 420, 441, 445, 450 f., 453, 455, 457, 461, 466, 528. 551, 574, 582 ff, 599, 648 Gennadius v. Massilia 265 Georgius v. Laodicea 590, 597 Geschichtlichkeitskriterium 60 ff., 64, 67 ff., 74, 78 Gesetzesproblem 155, 706 f., 710 f., 712, 720, 727 nachapostolischer Gesetzesstreit 197, 204, 212, 214 ff., 228 urchristlicher Gesetzesstreit 176 ff. Sinaigesetz und Engelmächte 204 Teilrevision des Sinaigesetzes 214, 230 Zeremonialgesetz 215 f., 217, 219 ff., 222 ff., 227, 233 Glaubensregel 34, 113, 130 f., 170, 174, 228, 325, 409, 446, 480, 483 Gloege, Gerhard 46 f., 48 f. Gnosis 17, 30, 109, 118, 122, 127 f., 130 f., 135, 138, 142 f., 145, 152 f., 159 f., 162 f., 170, 172 f., 197, 204f., 207ff., 210f., 217f., 220, 228, 240f., 244, 255, 266, 285, 295, 298, 331, 335, 338, 351, 353, 363, 366, 371, 385, 392, 394, 399 f., 410, 423, 429, 437, 451, 454 f., 464 ff., 470, 502, 516, 524, 527 f., 530 f., 532, 534, 540, 543, 546, 558 ff., 563, 569 f., 577 ff., 591 f., 597 f., 603, 606, 608, 611, 616, 618, 625, 627, 687, 701 f., 706, 709 ff., 714, 718 Barbelognostiker 338 Basilides 208, 307, 517, 530, 543, 593, 599, 612, 616 Basilidianer 183, 292, 351, 616, 709, 710 Cerdo 207 lsidor 132 Justinus (Ophit) 291, 308, 329, 437, 502, 599
747
Kainiten 208 Karpokratianer 183, 266, 291, 307, 612, 709 f. Menauder 208, 306, 422 f. Naassener 172, 615 Ophiten 291, 323, 338, 343, 358, 428, 455, 465, 516, 612, 615 f. Peraten 598 f. Satornil 208, 306, 517, 530 Sethianer 132, 291, 307, 437, 470 Sirnon Magus 107, 207, 241, 244, 342, 358, 422, 519, 527 Stratiotiker 457 Valentinianer 73, 89, 130, 142, 153, 163, 172, 191, 193, 213, 231, 263, 267 f., 291' 306, 323, 332, 336, 351, 353, 380, 394, 402, 428, 430, 559, 561, 592, 594, 596 ff., 601, 609, 613, 615 ff., 711. Herakleon 165, 263, 540, 549, 592, 594, 605, 616, 678 Markosier 333, 428 f., 430, 443, 465, 609, 709 Markus 85, 325, 465, 471, 593 Ptolemäus 130, 172, 236, 560, 592 ff., 678 Theodot 179, 243, 250, 332, 357, 495, 593 f., 599, 615 Valentinus 165, 291, 355, 517, 530 f., 532, 540, 543, 569, 604, 606 Goetz, K. 166 Gottesbegriff 187, 316, 339 f., 343, 345, 361 ff., 365, 375, 384, 387 f., 514ff., 518 f., 521 f., 534 f., 537, 545, 553, 558 f., 561 f., 565 ff., 569, 571 ff., 575, 606, 622, 670 Gottesmystik 406, 717 Gregor v. Nyssa 474 Gressmann, Hugo 283 Gunkel, Hermann 55, 149
Hadrian 126 Haeresie 126, 128, 132 Hahn, A. 83, 264 f., 483 v. Harnack, Adolf VII f.,
748
X,
17 ff.,
22 ff., 26 f., 28 ff., 31 ff., 34 ff., 66, 79, 85, 103, 115 f, 120, 132, 134, 137, 140, 143f., 152, 160, 173f., 184, 208, 243, 268, 298 f., 304, 326, 333, 382, 385, 443, 545, 558, 567, 592, &99, 655, 683, 707 f., 728 Hebräer - Evangelium 102, 338, 357, 462, 528 Hegernonius 131, 134, 163, 197, 213, 220, 226, 230, 232, 243 f., 266 ff., 337, 355, 366 f., 485 Hegesipp 126, 324 Heidegger, M. 45 f. Heidenchristentum 10 ff., 18 f., 22, 29, 147, 196 f., 199, 205, 214 f., 225, 245, 323 Heilswerk Christi 31, 97, 119 f., 123, 155, 186 f., 194, 321 Ausserkraftsetzung des Sinaigesetzes 188, 195 f., 201, 207 f., 212, 220, 228 Christus als Hohepriester 195, 277 f., 281, 294, 324 eschatologische Deutung des Todes und der Auferstehung Jesu 115, 121, 185 Hadesfahrt 90 ff., 253 ff., 294, 671, 696 Heraufführung der endzeitliehen Auferstehung 189, 249, 315 Heraufführung des Weltendes 76, 187, 189 Neue Gesetzgebung 226 Periodische Wiederholung des Erlösungswerks 114 Rekapitulation 390, 476, 478, 490, 500, 508 Schaffung der Sakramente 197, 249 f., 252, 280 f., 291, 295, 299, 397 f., 469, 480 ff., 552, 571, 649 Sühneleistung 188, 194, 196, 276ff., 294f. Oberwindung der Geistermächte 42, 97, 188, 194, 197, 207, 220, 243 ff., 247 ff., 250, 257 ff., 265, 268 f., 294
Vernichtung des Fleisches 189, 195, 272, 285, 706, 718 Vernichtung der Sünde 189, 272, 407 Heitmüller, Wilh. 166 Hellenisierung des Urchristentums 2 ff., 9, 13 f., 18 f. 20, 25, 28 ff., 32, 34, 36, 132, 139, 227, 298, 701 Helm, R. 87 Hennecke, E. 293 Heraklit 404 Hermas 116 f., 126, 199, 226, 241, 257, 277, 308, 334, 337, 343, 358, 398, 414, 446, 472, 525, 609, 642 f., 648, 650, 658, 662, 670, 679, 717 Hermegenes 351 Hieronymus 88 f., 114, 122, 198, 382, 344, 347, 449, 542, 581 f., 674 Hilarius Pictaviensis 70, 94, 130 f., 158, 168, 172, 179, 181, 192, 210, 213, 220, 241, 243, 251 f., 253, 259 f., 271, 347, 355, 369 f., 372, 379, 381, 385, 412, 425, 468, 474, 476, 485, 538 f., 557 ff., 603 f., 606, 610, 625 f., 629 ff., 647, 660, 663, 674, 683, 687 Hilgenfeld, Ad. 263, 673 Hippolyt v. Rom 87, 96 f., 103, 109 f., 111, 114, 124, 132, 136, 151, 162, 166 f., 172., 178, 181, 190, 193, 199, 208, 210, 213, 224, 226, 229, 257 f., 259 f., 264, 271, 277, 280, 291, 306f., 308, 322 f., 328 f., 332 f:, 338, 342, 344, 351 ff., 358. 364, 400, 403, 422, 427, 431, 437, 441, 443, 449, 465, 470 f., 473 f., 489, 500, 502, 520, 522, 529, 536, 545, 551, 553, 560, 565 f., 568 f., 570 ff., 573 f., 576, 580, 585, 592 f., 598 f., 608, 610, 615, 621 ff., 624, 626, 650, 658, 666, 673, 676, 679, 683, 690, 697, 708, 714 Historia Josephi 91, 448, 673, 700. Hoennicke, G. 188 Holl, Karl 120, 166, 176, 341, 400, 457, 592
Holmström, Folke 37 f., 40 f., 44 f. Hymenäus-Brief 210 f., 329, 565
J akobus,
der Herrnbruder 102 f. Idealismus 724 Jeremias, Joachim 69 J esus, der historische Abendmahlsszene 69 Auftreten in Jerusalem 69 Auferstehung und Parusie 52, 98 ff. Auffassung der Enddrangsal 105 Aussendungsrede 66, 69, 71 ff. Bergpredigt 58, 66 Bestreitung der Auferstehung durch das kleinasiatische Judenchristentum 120 f., 290 Davidssohnschaft 158 Deutung des Todes und der Auferstehung Jesu 73 f., 83, 93 Dubletten der altsynoptischen Tradition 67 Erscheinungsberichte und Parusiemotiv 100 ff. Eschatologie 7 f., 40, 50 Eschatologische Bedeutung der Gemeinde 69 Ethik 7 Gerichtsverhandlung 69 Gleichnisbelehrung 69 Jüngeraussendung 69 Jüngerwahl 69 Kurze Wirksamkeit 58, 65 Lehre 3 H., 8, 37 f., 40 f. Leidens- und Auferstehungsweissa. gungen 69 Markusplan 65 ff., 74 Menschensohn 43, 49 f., 69, 146, 157 Messianität 7, 10, 39, 45 ff., 78, 312 f. Motivierung der Todesreise 69 Naherwartung 13, 17, 25, 67 f., 73 f., 449, 547, 669 Passionsberichte 55 Peirasmos als messianische Wehen 69 Petrusbekenntnis 67
749
Reichspredigt 69 Schächer am Kreuz 95 Stellung zum Gesetz 7, 27, 69, 230 Stellung zur Heidenmission 7 f. Stürmerspruch 69 f. Streit um die Geschichtlichkeit 63 Sündenbegriff 26 f. Tempelreinigung 69 Universalismus 5, 8 f., 16 f. Unservater 449, 462 f. Verhältnis zur Apokalyptik 38 ff., 42 f., 49, 51, 74 Verhältnis zum A. T. 146 Verhältnis zu den Dämonischen 69 Verhältnis zum Täufer 68, 182 ff. Verklärungsszene 67, 69 VVanderung nach ~orden 69 VVidersprüche 26 VVunder bei seinem Tode 88 ff., 261, 264, 380 Speisungen und messianisches Mahl 69 Zweifel der Jünger an seiner Auferstehung 122 lgnatius 27, 89, 119 ff., 126 f., 142, 145, 184, 191, 204 f., 239, 243 f., 264, 270, 277, 279, 366 f., 397 f., 454, 459, 465, 485, 502, 519 f., 529, 599, 620, 642, 645, 649, 652 f., 645 ff., 658, 662, 683, 717 Imperium Romanum 112, 381, 539 Johanneische Theologie 27, 142 f., 165 ff., 277, 396 f., 407, 433, 451f., 455, 458, 468, 471, 485, 529, 531, 608 Johannes Damascenus 694 Johannesevangelium 61, 123, 125, 143, 164 ff., 168, 182, 204, 208, 226, 243, 320, 340, 361, 398, 403, 434, 437, 467, 485 f., 491, 494 f., 540, 553, 561, 573, 579, 613 Irenaeus 27, 70, 73, 84, 87, 89, 123, 126 ff., 130, 132, 135, 139, 142 f., 148, 153, 155 ff., 159, 163, 165 f., 170 ff., 174 f., 176, 178, 180, 184, 193, 203, 207, 209, 211 f., 215, 217,
750
219 ff., 225 ff., 231 ff., 237, 241, 244 f., 248, 255 f., 260, 264, 266, 268, 274 f., 277, 282, 284, 288 f., 291, 306 f., 324 f., 329, 332, 336, 338, 342 f., 347, 351 f., 355 f., 360, 363, 366, 368, 380, 382, 389, 390, 393 ff., 398 f., 402 f., 410 f., 414, 418, 422, 424, 429, 431, 435, 442, 446, 448, 543 f., 459, 461, 464 f., 468, 470 ff., 474 ff., 478 ff., 488 f., 491, 500, 502, 509 f., 517, 525, 527 f., 532, 540, 543 ff., 548, 551, 558 f., 560 ff., 563 f., 583, 592 ff., 597 f., 600 ff., 603 f., 609 f., 611 ff., 615 ff., 620, 622, 624, 626, 628, 631 ff., 644 f., 648, 650, 652, 673, 676 f., 679, 683, 687, 696, 711 ff. 715, 717, 720 Judas Galiläus 107 Judenchristentum 11, 31, 74 f., 120, 131, 135, 139, 142, 144 f., 152, 159, 161, 169, 172, 175, 178, 186 f., 189, 196, 203, 205, 208, 214, 218, 220, 228 f., 230, 235, 245, 255, 273, 277, 283 f., 290, 318, 331, 343, 345, 353, 355f., 425, 449, 524 ~azoraeer 159, 331 Ebioniten 198, 203, 284, 331 f., 337, 351, 455, 566, 609 Judentum Apokalyptik 6 ff., 12 f., 16 f., 22 f. 28, 38 ff., 41 ff., 51, 83, 145 f., 149 f., 303 ff., 311 A. T. im Judentum 147 f., 327 Estherbuch 148 Hellenisierung 6, 12, 19 Henochapokalypse 149 f., 188, 303 f., 306, 336, 636, 668, 672 Jüdische Exegeten 160, 327, 342 Messiasvorstellung 23 ~omismus 7 Partikularismus 7 Prophetismus 6, 216 f., 219, 221 f., 225 Universalismus 6 ff. V er hältnis zum Heidenchristentum H7f.
Julius Africanus 87, 168, 278 Julius v. Rom \t82 Justin Martyr 32, 71, 89, 101, 110, 130, 132, 135, 137, 140, 145, 147, 153, 156 ff., 183, 193, 204, 212, 215 f., 220, 222, 224, 226, 241, 243 ff., 248, 252, 255 f., 262, 266 f., 269 f. 271, 277, 281, 322, 324 ff., 329, 331, 334, 339, 342f., 346, 350ff., 362, 375,388, 401, 403, 409 ff., 422, 439 f., 441, 445, 448 f., 452, 455, 459, 463, 468, 471, 477 f., 484, 493, 500 f., 507 f., 514f., 517f., 522, 526, 530, 541, 545 f., 548 f., 551, 620, 642, 673 f., 677, 679. 681, 683 f., 686, 689, 695 ff., 698, 712, 718, 721 J ustinian 33
Kaehler, M. 44 Käsemann, E. 69 Kaliist v. Rom 280, 443, 569 f., 573, 576, 608, 610, 622, 660, 664 f., 666, 721 Kattenbusch, F. 483 Kerinth 121, 125, 151, 208, 306, 340, 540 Kirche 240 f., 509 f., 636 ff., 671, 707, 710 Episkopat 652 ff., 654ff., 657, 659f., 661, 666 Erwählung 636 ff. Gemeinde der Heiligen 636 Gemeinde des Messias 638, 642 ff., 666, 668 Konfessoren 658 ff., 661, 663 Leib Christi 645 ff., 648, 650 f. Märtyrer 655 ff., 694 ff., 696 f. Suk~ession 652, 656, 662 Kittel, G. 146 Klostermann, E. 146 Knopf, R. 689 Koehler, Walther 1, 15, 23-28, 35 f., 123, 144, 363, 592, 650 Koetschau, P. 581 Koptische Matthaeusakten 359, 503
Koptisches Synaxarium 499 Kreuzesspekulation 193, 196, 261 ff., 498, 501, 504, 548 Kümmel, W. G. 38, 41 f., 52, 62 Lactanz 86 f., 96, 111, 113, 133, 157, 227, 241, 244, 262, 280, 301, 323, 336 f., 342 f., 345, 358, 375, 381, 394, 472, 481, 485, 530, 609, 624, 649, 678 f., 680 f., 683, 698, 713, 723 Leben Adams und der Eva 503 Lebensbaum 498, 501 ff., 504, 506 Leo der Grosse 483 Lietzmann, H. 143, 201, 259 f., 263, 322 f., 329 f., 336, 441, 461, 464, 494, 632 Lipsius, R. A. 167, 262 f., 428, 499 v. Löwenich, W. 165 f., 434 f., 439 Löwy, M. 188 Loofs, Fr. VII f., 1 f., 15, 19-23, 24, 28 f., 34 ff., 89, 97, tat, t68, 211, 385, 414, 477, 523 ff., 532, 542, 563 f., 580, 588, 592 Lucian v. Antiochien 96, 248, 372 Luther 140, 142 Makarius v. Alexandrien 482 Manichäer 134, .163, 197, 213, 266 ff., 271 Marinus, Bardesanit 367, 393, 685, 691, 693 Markeil v. Ancyra 95, 271, 340, 346, 376, 467, 479, 526, 530, 535 f., 538f., 542, 552, 554 ff., 557 f., 580, 609, 675 Markion 30 f., 96, 130 f., 140, 142 f., 145, 152 f., 154 ff., 158, 160 ff., 165, 168 f., 170, 172, 175, 193, 205, 207f., 209, 211f., 217 ff., 225, 228, 244, 255, 264, 285, 289, 358, 366 ff., 377' 389, 394, 418, 443, 448, 462, 520, 524, 640, 670, 673, 677 f., 706 ff., 709 ff., 718 Markioniten 130, 159, 163, 173, 180, 197, 204, 209, 211 f., 213, 217, 220,
751
230, 243, 267 f., 287 f., 368, 428, 616, 640, 643, 717, 719 f. Apelles 154, 208, 306, 333, 358 ~egethius 130, 137, 165, 285 Markusakten 360 Martyrium Matthaei 359, 404, 504 Martyrium beati Petri 263 Martyrium Petri et Pauli 164, 178, 358 Martyrium Polycarpi 343 Melchisedekianer 338, 344, 349 Meletianer 381 Melito v. Sardes 96 f., 112, 148, 248, 277, 334, 348, 390, 410, 418, 471, 520, 537, 548, 609, 621, 679 Methodius v. Olymp 133, 160, 180, 193, 216, 220, 222, 224, 226 f., 256, 264, 267, 278, 285 f., 329, 335 ff., 371, 393, 409, 425, 472 f., 475, 489, 497, 507, 509, 603 f., 649, 670, 674, 679, 683ff., 686f., 689ff., 692f., 697, 719 Metempsychose 183 Michaelis, W. 50 Michel, Otto 37 f.. Missale Alexandrinum St. Marci 265 Missale Gothicum 461 Mission 111, 171, 176, 638 ff. Mittelalter 725 f. Monarchianer 139, 348, 512, 524, 526, 552, 555 f., 558 ff., 563 f. Dynamisten 348, 351, 3B4f., 564ff., 567 Artemoniten 172, 353 f., 565 Paul v. Samosata 210, 275, 329, 380, 385, 523 f., 554, 565, 567, 596, 619, 630 Theodot der Gerber 151, 164, 166, 354, 553, 565 f. Theodot Trapezites 349, 353, 566 Modalismus 349, 364, 384 f., 386ff., 519 f., 530, 563 f., 565, 567 f., 569 ff., 573 ff., 575, 577 f., 588f., 595, 599, 602, 608, 621 ff., 624, 627 Kleomenes 622 Noet 512, 520, 529, 536, 553, 568 f., 570 ff., 622
752
Patripassianer 162 Praxeas 163, 384, 556, 568 f., 571, 622f. Sabellianismus 384 ff., 569, 574, 576, 578, 585 f., 588 ff., 591 f., 597, 606. Sabellius 568, 573, 578, 580, 582, 587 Montanismus 30, 107, 109 f., 123 f., 130, 136, 172, 457, 520, 524, 552, 572, 583, 640, 658 Montanns 107 Mundle, Wilh. 140 f., 417
N arratio
J osephi 91 Nemesianus v. Thubunas 441, 445 Nepos 151, 1 674 f. Nero 164, 358 Neuplatonismus 138, 297, 338 f., 514, 542, 580 f., 724, 726 Neuprotestantismus 724, 727, 729 Niccaea (a. 325) 33 f, 198, 300, 383, 539, 585 f., 592 Nicaeno-Constantinopolitanum 539, 675 Novatian 163 f., 168, 197, 220, 223, 225, 235, 241, 326, 329, 336, 344, 355, 400, 403 f., 445, 479, 492, 537, 557, 568, 571 f.; 574, 583, 608, 619, 623f., 626, 629 f., 683, 687
Üden Salomos 124 f., 258, 437 Oecumenius 454 Offenbarung, neue 123 ff. Oikonomia 34, 367, 471, 564, 568, 579 f., 602 Oracula Sibyll. 89, 205, 244 f., 256, 352, 519, 528, 642, 677 Origenes .11, 70, 72 f., 83 f., 87 f., 89f., 91, 93 f., 96 ff., 103 f., 106 f., 110, 114, 127, 133 ff., 137, 142, 147 f., 150, 153 f., 156 f., 159 f., 162 ff., 167 ff., 171, 173, 175, 179, 181, 183, 192 f., 210, 212 ff., 215 ff., 220, 222, 224, 226, 229, 233 f., 240 f., 243 ff., 247 f., 251 f., 256 f., 260, 262 ff.,
266 f., 269 f., 275 f., 277, 279 f., 283, 293, 296 ff., 298, 301, 314, 324f, 327, 329, 335, 337 ff., 341 ff., 347 ff., 351, 353, 355 f., 358, 361, 365 f., 368 f., 372, 380, 394, 401 f., 405, 40,?, 410 ff., 413 ff., 425 f., 428, 438 f., 440 ff., 444, 451 f., 459, 462 f., 466 f., 471 f., 476, 496, 501, 503, 507, 511, 513, 515, 518, 522, 528, 530 ff., 532, 534 f., 537 f., 540 f., 543, 544, 546, 548 f., 550 f., 555, 560, 571, 580 ff., 583 ff., 594, 596, 603, 610, 616, 619 f., 625 f., 628, 642 ff., 646, 658, 660, 662 ff., 665, 673ff., 677f., 685, 689ff., 692, 695f., 697 ff., 700 ff., 713, 715, 717 f., 721, 723, 725 f. Otto, Rud. 7, 48, 51, 69, 78, 146, 304, 319 Overbeck, Franz 10
P amphilus
v. Caesarea 137, 301, 409, 531 Papias 139, 171 Passahfest 199, 224, 493 f., 673 Passahstreit 173 Passio Bartholomaei 259 f., 262, 268 f. Passio S. Apost. Petri et Pauli 509 Pastoralbriefe 62, 123, 127, 162 ff., 209, 456 Paulinus v. Tyrus 522 Paulus Allegorese 11, 147 Archonten als Urheber des Todes Jesu 243, 246 Auslegung der Patilus-Briefe als Problem der alten Kirche 142 f. Christusmystik 404 ff., 717 Davidssohnschaft des Christus 317 Einflusslosigkeit 10 Erlebnisreligion 18 Eschatologie 667 f. Eschatologische Deutung des Todes und der Auferstehung Jesu 76, 188 f., 201, 203, 235, 238, 272, 290, 315, 390
Ethik 703 f. Fleisch und Geist 140 Glaubensbegriff 140 Herrnmahl 447, 449 f., 458, 464, 493, 638, 654, 673 Lehre vom Gesetz 27, 147, 200 ff., 230, 233, 239 Jüdische Elemente 18 J esus als der Christus 315 f. Praeexistenz des Christus 185, 318 Rechtfertigung 140, 416 Sühneveranstaltung 187 Sünde und Gnade 140 Universalismus 10 Verhältnis zur Apokalyptik 70, 188 Verhältnis zum A. T. 146 f., 151 f. Verhältnis zum Hellenismus 10, 15 Verhältnis zu Jesus 3, 27, 169 Verhältnis zur Urgemeinde 76 Pelagius 419 Petrus v. Alexandrien 72 Pfleiderer, Otto 293 Philetus und Hymenäus 421 f. Philo v. Alexandrien 6, 12, 330 f, 340, 541 f. Philosophie 20, 132 f., 228, 296 f. 343, 362, 409, 419, 439, 514, 517, 541, 545, 550, 579, 603, 624, 627 Philoxenus v. Mabbug 368 Philumene 358 Photin v. Sirmium 157, 526, 552, 555 Photius v. Byzanz 88, 137, 342 Pierius v. Alexandrien 137 Pistis Sophia 100, 102 f., 125, 131, 149, 266, 269, 309, 333, 394, 435, 446, 466, 489, 536, 612, 642 Platon 193, 224, 393 f., 409, 548, 581 Pneumatornachen 584 Polycarp v. Smyrna 116, 120, 141, 145, 277, 366, 653, 656, 676, 717 Praedestination 8, 163, 642 f. Preisker, H. 146. Protevangelium Jacobi 354 Ps. Clemens, Homilien und Recognitionen 90, 128, 131, 143, 159, 172, 203, 218, 220, 231, 241, 268, 332, 345 f.,
753
354, 357, 364, 402, 412, 457, 519, 536, 649, 662, 683, 691, 696, 698, 720 Ps. Cyprian 85 f., 96 f., 149, 259, 277, 279, 337, 399, 443, 488 f., 491 f., 502, 507 f., 511, 610, 648 f., 664, 666, 719 Ps. Justin 88, 95, 154, 322, 428, 443, 664, 682, 698 Ps. Hippolyt 402 f., 430 Ps. Origenes, Tractate 129, 163, 184, 197, 213, 215, 220, 227, 232 f., 247, 252, 257, 259 f., 263 f., 277 f., 281, 286, 314, 347, 352f., 370, 395, 400, 403, 436, 459, 478, 485, 489, 497, 499 f., 503, 507 ff., 624, 626, 643, 649, 651, 673, 683, 686 f. 689 f., 715 Ps. Tertullian 306, 344, 566, 568, 576 Quartodecimaner 199 Rechtfertigung 417 Reformation 726 f. Reitzenstein, R. 334, 341 Ritschl, Albr. 44 Rolffs, E. 91 Rufinus 181, 581
Sabinus-Fragmente 567 Sakrament 240, 249, 255, 257, 389, 395, 398, 429, 433, 436, 439, 447, 450, 457f., 464f., 466, 468, 648, 654, 680, 709 Agape 460 Buss-Sakrament 141 Epiklese 336, 441, 453, 461 f., 465, 503 Eucharistie 281, 389, 447 ff., 459, 460, 466, 469, 485. Eucharistie und Parusieerwartung 101 ff. Exorzismus 429 f. Kindertaufe 443
754
Myronsalbung 428 Opfer 463 f., 654 Taufe 169, 189, 199 f., 208, 249, 252, 255 f., 257, 278, 286, 389, 392, 401 f., 415, 420 ff., 458, 463, 464, 468 f., 485, 647, 654, 658, 664 f., 709 Schermann, Th. 461 Schmidt, C. 91, 131, 138, 144, 159, 162, 164, 176, 199, 258 f., 333, 466 Schmidt, K. L. 48, 52 f., 58 f., 60 f., 64 Schmidtke, Alfr. 198 Schniewind, Julius 38, 59, 69, 71, 303 Schrenk, G. 70 Schriftauslegung 170 Schriftbeweis 163, 170, 189 f., 222, 255, 336, 340, 344, 346, 350, 354, 355, 371, 377, 451, 492, 498, 504ff., 513, 541, 572 f., 574, 576 f., 654, 665, 689 f. Schwartz, Eduard 143, 380, 384 f., 581, 591 f., 596 Schweitzer, Albert 7, 22 f., 36 f., 38 ff., 40 f., 43 f., 50, 59 f., 61 f., 63, 66f., 69, 72, 101, 103, 105 f., 146, 185, 188, 202, ·226, 255, 278, 304, 312, 391, 397, 404, 406, 416 f., 434 f., 447, 451, 462, 488, 636, 669, 694, 705, 728 Seeberg, Reinhold VII, 1 f., 15-20, 23, 26, 28, 34 ff., 97, 207, 307, 477, 525, 564, 566, 581. 587 ff., 591 f., 643 Seneca 342 Serapion 374 Serapion-Liturgie 454, 461 Severus Alexander 87 I. Sirmische Formel 351, 365, 589 v. Soden, H. 61, 354 Sophia Jesu Christi 99, 118, 125, 333, 351 Stephanus, Bischof 173 Strauss, David Friedrich 53, 61 Sündenfall 114, 411 f., 419, 477, 484 Sündenvergebung 442, 444, 446, 459, 651, 663 f. Synkretismus 2, 22, 131, 184, 343, 455
Synodalbrief gegen PvSamosata 630 Synode von Antiochien (a. 341) 199 Synode von Antiochien (a. 345) 590 Synode von Karthago (a. 256) 441 Synode von Philippopolis 343, 579 Synode von Sardika 343, 378 f., 587, 589 Syrische Didaskalia 125, 176, 200, 215, 221, 227, 231, 256, 258, 279, 401, 414, 454, 520, 645, 649, 661 f., 665, 674, 687, 689, 695, 720 f.
T atian
137, 154, 167, 271, 337, 339, 342, 358, 409, 420, 515, 520, 537, 545 f., 553, 720 Taufbekenntnis 115, 173 f., 187, 264, 283, 325, 446, 563 Testamenturn Domini nostri J. Chr. 259 f., 489 Testamenturn Levi 330 Ter-Minassiantz, E. 386 Thales v. Milet 20, 24 Theodicee 133 Theodoret 586 Theognost v. Alexandrien 342, 533, 545, 558, 665 Theophilus v. Antiochien 34, 86, 166f., 227, 337, 339, 343, 403, 410 f., 418, 420, 440, 514, 523, 545 f., 548, 600, 649, 679, 683, 697, 712 Titus v. Bostra 133, 213, 687, 694 Trinität 338, 386, 492, 577, 578 ff., 589, 591, 598 f., 600, 602, 605 f. Tryphon 153, 145, 155, 183, 204, 327, 339, 343, 514.
Tradition 162, 168, 171 ff., 217, 219, 296 f., 341, 361, 379, 511, 652
Victor v. Rom 172, 354, 565, 576 Victorin Petaviensis 101, 168, 277, 337, 347, 478, 531 Virtutes Andreae 193, 499 Vitalis v. Antiochien 625 Vergil 683 Veil, H. 135
Waitz, H. 90 Weber, F. 316, 501, 547 Weber, H. E. 39 Weiss, Johanne.s 37, 43 f., 62 Weilhausen J. 112 Weltzeit, Dauer 84 Wetter, G. P. 258 ff., 263, 448, 453, 461, 494 Wiedergeburt 401 f., 426, 439, 444 ff., 458, 468, 648 Willensfreiheit 133, 142, 162 f., 276, 409 ff., 718 Windisch, H. 65, 147 Winkel, M. E. 37, 61 Wrede, William 22, 39, 319 W endland, H. D. 42, 44, 47 f., 49 f., 51, 64, 69
v. Zahn-Harnack, Agnes X Zeitrechnung, eschatologische 83 ff., 672 Zephyrin v. Rom 576 Zwingli 726
755