ROMMEL
Clausewitz Spezial
Das Magazin für Militärgeschichte
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ROMMEL
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Clausewitz Spezial
ROMMEL
Aufstieg und Fall des Generals
Frankreich 1940 „General Tempo“ – Rommels ungestümer Vormarsch
Der Wüstenfuchs
Normandie 1944
Taktisches Genie oder gescheiterter Stratege?
Im Angesicht der Niederlage
n e d n e g e L e t f ü der L at Jeden Mon k! s neu am Kio
Editorial
Inhalt
Liebe Leserin, lieber Leser, er ist zweifellos der bekannteste deutsche General des Zweiten Weltkriegs: Erwin Rommel. Noch heute wird der hochdekorierte Feldherr auch und vor allem im angelsächsischen Raum verehrt, der Personenkult um den „Wüstenfuchs“ ist ungebrochen. In unserem CLAUSEWITZ-Spezial zu dem bekanntesten deutschen Feldmarschall beleuchten wir die verschiedensten Facetten eines Mannes, der sein gesamtes Leben in den Dienst des Militärs gestellt hat. Bereits im Ersten Weltkrieg wurde der gebürtige Schwabe mehrfach und am Ende sogar mit der höchsten deutschen Tapferkeitsauszeichnung des Krieges, dem Orden „Pour le Mérite“, ausgezeichnet. Somit war er schon in jungen Jahren ein „Kriegsheld“, dessen Karriere in der Reichswehr zunächst stockte, in der neuen Wehrmacht ab Mitte der 1930er-Jahre dafür einen kometenhaften Aufstieg nahm. Um 1941/42 stilisierte die NS-Propaganda Erwin Rommel während der aus deutscher Sicht überraschend erfolgreichen Phase des „Afrikafeldzuges“ zur lebenden Legende. Wie einen gefeierten Schauspieler umgarnten ihn die Kriegsberichterstatter, um ihn über seine spektakulären Erfolge zu befragen und ihn auf Propagandafotos als siegreichen Feldherrn in Szene zu setzen. Erst als Rommels Name im Zusammenhang mit den Hitler-Attentätern des 20. Juli 1944 genannt wurde, fiel er bei seinem „Führer“ in Ungnade. Die genauen Umstände und das Ausmaß seiner Verwicklungen in das Hitler-Attentat, die zu seinem erzwungenen Selbstmord im Herbst 1944 führten, werden noch heute kontrovers diskutiert. Fest steht, dass sich der „Mythos Rommel“ bis in die Gegenwart hinein erhalten hat, wenngleich dieser seit Beginn des 21. Jahrhunderts immer stärker zu bröckeln beginnt. Er ist und bleibt ein „Faszinosum“, das es zu ergründen gilt. Aber lesen Sie selbst ...
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Siege und Niederlagen. Erwin Rommel – Stationen eines Soldatenlebens
12 „Kriegsheld“ Rommel. Dienstzeit im Deutschen Heer
16 Schwieriger Neubeginn. Dienst in der Reichswehr
18 Protegé des Reichskanzlers. Aufstieg unter Hitler
20 „Wo Rommel ist, ist vorn!“ Divisionskommandeur im Westfeldzug 1940
26 Der Wüstenfuchs. „Afrika-Feldzug“ 1941–1943.
34 Rommel und die Offiziere des
Deutschen Afrikakorps. Harmonische Führungskunst?
38 Bernard Montgomery. Rommels bedeutendster Gegner
42 Aufklärer und Panzerschütze
in Afrika. Eine erkenntnisreiche Lektüre wünscht Ihnen
Augenzeugenbericht eines Kriegsfreiwilligen
46 Kriegsschauplatz Wüste. Ausrüstung des Deutschen Afrikakorps
Dr. Tammo Luther Verantwortlicher Redakteur
50 Der Mythos. Geehrter, gehasster General
54 In heikler „Sondermission“.
58 Rückkehr nach Frankreich. Abwehrkampf statt „Blitzkrieg“
63 Kolumne „Nur-Soldat“ oder ein überzeugter NS-General?
64 Tragisches Ende. Verwundung und erzwungener Selbstmord
70 Rommel und der „Aufstand
des Gewissens“. Widerstand gegen das NS-Regime
72 „Verabschiedung“ durch
das NS-Regime. Das Staatsbegräbnis vom 18. Oktober 1944
74 Der Propaganda-Faktor. Ein Held für Hitler
78 Sei tapfer und rede darüber! Rommels höchste Tapferkeitsauszeichnungen
82 Rommels Selbstzeugnisse. Nüchtern und engagiert zugleich!
84 Kritisches Gedenken. Museen und Gedenkorte
90 Rommel erobert die Leinwände. Hollywoods „Held”
95 Leserservice Literatur zu Erwin Rommel
97 Impressum
Abtrünnige Italiener Titelfotos: NARA (2), picture alliance, picture alliance/dpa, picture alliance/picture alliance, picture alliance/Südd. Zeitung Photos; Foto Inhalt: Bundesarchiv
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Aufstieg und Fall
Erwin Rommel – Stationen eines Soldatenlebens
Siege und Niederlagen
AUF DEM GIPFEL: Oberleutnant Erwin Rommel nach der Erstürmung des Monte Matajur am 26. Oktober 1917. Foto: Haus der Geschichte Baden-Württemberg
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Erwin Rommel gilt als bekanntester deutscher General des Zweiten Weltkriegs. Selbst seine Gegner bewunderten seine mutige und zugleich riskante Art der Kriegführung. Zahlreiche Siege, aber auch empfindliche Niederlagen sind und Von Tammo Luther bleiben mit seinem Namen verbunden.
1917
Erstürmung des Monte Matajur
Kompaniechef Oberleutnant Erwin Rommel steht im Kreise seiner Soldaten des Königlich Württembergischen Gebirgsbataillons auf dem Gipfel des Monte Matajur in den Julischen Alpen. Die Erstürmung des von italienischen Soldaten verteidigten Berges am 26. Oktober 1917 in der 12. Isonzoschlacht stellt einen ersten wichtigen Meilenstein in Rommels außergewöhnlicher militärischer Karriere dar. Für die Eroberung des strategisch bedeutsamen, 1641 Meter hohen Berges erhält Rommel den Orden Pour le Mérite – die höchste deutsche Tapferkeitsauszeichnung im Ersten Weltkrieg.
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Aufstieg und Fall
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Feuertaufe als Frontoffizier
1940
Divisionskommandeur im Frankreich-Feldzug
Während Rommel im „Blitzkrieg“ gegen Polen 1939 als Kommandant des Führerhauptquartiers vor allem für die Sicherheit des „Führers“ zu sorgen hat, übernimmt er im Krieg gegen Frankreich auf eigenen Wunsch hin das Kommando über die 7. Panzerdivision. Diese ist aufgrund ihrer schnellen Vorstöße schon bald als „Gespensterdivision“ bekannt, da man in den übergeordneten Kommandoebenen nicht immer im Bilde darüber ist, wo sich die Division und ihr Kommandeur, der seine Truppen vorrangig von der vordersten Front aus befehligt, gerade befinden. Für seine militärischen Erfolge im Westfeldzug wird Generalmajor Rommel mit dem „Ritterkreuz“ ausgezeichnet.
HÖCHSTPERSÖNLICH: Generalmajor Erwin Rommel inspiziert die Umgebung an einem Frontabschnitt in Nordfrankreich. Er führt seine Verbände auf allen Kriegsschauplätzen zumeist von ganz vorn. Foto: BArch, Bild 146-1998-043-20A
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Aufstieg und Fall
AUF MEIN KOMMANDO: Erwin Rommel lässt sich von einem Offizier (Oberst) der Aufklärungstruppen anhand einer Karte die aktuelle Foto: Sammlung Bernd Peitz Lage erläutern
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„Wüstenfuchs” Rommel
1941--1943
An der Spitze des „Deutschen Afrikakorps“
Anfang 1941 erhält Generalleutnant Rommel von Hitler den Auftrag, mit einem „Sperrverband“ den in Bedrängnis geratenen italienischen Bündnispartner militärisch zu unterstützen und den britischen Vormarsch in Nordafrika aufzuhalten. Nach teilweise spektakulären Erfolgen gegen die Britische Armee wird Rommel im Sommer 1942 zum Generalfeldmarschall befördert. Im November 1942 wendet sich das Kriegsglück. Der gefürchtete und zugleich bewunderte „Wüstenfuchs“ muss Libyen räumen und sich nach Tunesien zurückziehen, wo die „Achsenmächte“ schließlich kapitulieren.
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Aufstieg und Fall
IN DER DEFENSIVE: Generalfeldmarschall Erwin Rommel mit hochrangigen Offizieren bei der Besichtigung einer betonierten Geschützstellung des „Atlantikwalls“, 1944. Foto: BArch, Bild 101I-263-1597-16A/Fotograf: Gauss
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Abwehr statt Angriff
1943/44
Inspekteur des „Atlantikwalls“
Ende 1943 erhält Rommel von Hitler den Auftrag, die Kontrolle über die Verteidigungsmaßnahmen am „Atlantikwall“ zu übernehmen. Ziel ist es, eine Invasion der Alliierten an der Atlantikküste und die Errichtung einer „zweiten Front“ im Westen zu verhindern. Rommel lässt Minengürtel anlegen und neue Bunker errichten. Der einst militärisch erfolgreiche „Angreifer“ ist zum „Verteidiger“ geworden. Als die alliierte Landungsoperation „Overlord“ am 6. Juni 1944 beginnt, weilt Rommel aus privaten Gründen in seinem Wohnort Herrlingen. Die Invasion nimmt ihren Lauf, die Alliierten sind nicht zu stoppen.
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Frühe Militärlaufbahn
HERAUSGEPUTZT: Rommel als Offiziersanwärter im Jahr 1910, dem Beginn seiner Militärlaufbahn. Foto: Haus der Geschichte Baden-Württemberg
VERKLEIDET: Erwin Rommel (mitte) als Revue-Girl während einer Aufführung im Jahr 1912. Foto: Stadtarchiv Weingarten
SCHNAPPSCHUSS: Erwin Rommel (ganz rechts im Bild) mit Offizierskameraden, Aufnahme aus dem Jahr Foto: Stadtarchiv Weingarten 1912.
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Dienstzeit im Deutschen Heer
„Kriegsheld“ Rommel Die Militärlaufbahn von Erwin Rommel begann im Jahr 1910 als er in das Infanterieregiment Nr. 124 eintrat, mit dem er vier Jahre später in den Krieg ziehen sollte. Die Auszeichnung mit dem Orden „Pour le Mérite“ während des Ersten Weltkriegs zählt zu den herausragenden Ereignissen in Von Tammo Luther Rommels früher Karriere.
E ROMMELS ELTERN: Helene und Erwin Rommel, Aufnahme aus dem Jahr 1905. Foto: Haus der Geschichte Baden-Württemberg
rwin Eugen Johannes Rommel erblickte am 15. November 1891 als zweites von fünf Kindern des Gymnasiallehrers und späteren Rektors Erwin Rommel und dessen Frau Helene, geborene Luz, in Heidenheim an der Brenz das Licht der Welt und wuchs in Aalen auf. Er besuchte zunächst die Volksschule und das Realprogymnasium in Aalen und anschließend das Realgymnasium Schwäbisch Gmünd. Nachdem er sich vergeblich bei der Artillerie und bei der Pioniertruppe beworben hatte, trat der 19-Jährige am 19. Juli 1910 als Fahnenjunker der 12. Kompanie des Infanterieregiments „König Wilhelm I.“ (6. Württembergisches) Nr. 124 in Weingarten seinen Dienst beim Militär an.
Kriegseinsatz
IM EINSATZ: Rommel mit seinen Gebirgsschützen beim Bau einer Behelfsbrücke im Foto: Haus der Geschichte Baden-Württemberg Jahr 1917.
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Dies war der Beginn einer außergewöhnlichen militärischen Karriere, die erst 34 Jahre später unter tragischen Umständen enden sollte. Während eines mehrmonatigen Aufenthaltes in Danzig – Rommel absolvierte hier einen Kriegsschullehrgang – lernte er 1911 seine spätere Frau, Lucie-Maria Mollin, kennen. Rommel, mittlerweile zum Leutnant befördert, bildete in den Jahren 1912 bis 1913
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Frühe Militärlaufbahn
LÄCHELN FÜR DIE KAMERA: Erwin Rommel als junger Offizier. Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
Rekruten des IR 124 in Weingarten aus und wurde im Frühjahr 1914 für die Dauer von fünf Monaten zum Feldartillerieregiment Nr. 49 nach Ulm kommandiert. Am 1. August 1914 erreichte ihn der Mobilmachungsbefehl beim IR 124 in Weingarten, mit dem er in den Krieg gegen Frankreich zog und Ende August an der Schlacht bei Longwy-Longuyon teilnahm. In den darauf folgenden Wochen kämpfte Rommel an der Westfront und wurde am 30. September 1914 mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet.
Tapferkeitsauszeichnungen Bereits im März 1915 folgte die Auszeichnung mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse als erster Leutnant seines Regiments. Im September 1915 wurde Rommel zum Oberleutnant befördert und kurz darauf zum Württembergischen Gebirgsbataillon (WGB), einem Spezialverband für Gebirgseinsätze, nach Münsingen versetzt. Mit dem WGB nahm Rommel 1916 an den Kämpfen in Rumänien teil. Im selben Jahr heiratete er Lucie-Maria. Kurz nach der Verleihung des Bayerischen Königlichen Militärverdienstordens 4. Klasse mit Schwertern an den ehrgeizigen Oberleutnant wird sein Gebirgsbataillon ab Ende September 1917 an die österreichischitalienische Front am Isonzo-Fluss in den Julischen Alpen verlegt. Österreich hatte um ERNSTE MIENE: Lucie-Maria und Erwin Rommel während eines Kurzurlaubs in Danzig, wo sie sich das Jawort gaben, Aufnahme aus dem Foto: National Archives Jahr 1916.
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Literaturtipp Haus der Geschichte Baden-Württemberg (Hg.): Mythos Rommel. Stuttgart, 2. Aufl. 2009
Eroberer des Monte Matajur
UNGEWOHNTER ANBLICK: Oberleutnant Erwin Rommel zu Pferde. Dieses Foto entstand im Kriegsjahr 1917, in dem Rommel die höchste deutsche Tapferkeitsauszeichnung erhielt. Foto: Stadtarchiv Weingarten
HOCHDEKORIERT: Erwin Rommel mit Major Theodor Sproesser nach der Verleihung des Ordens „Pour le Mérite“ Ende 1917. Foto: ullstein bild/Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
„Um 11:40 Uhr des 26. Oktober 1917 verkünden drei grüne und eine weiße Leuchtkugel, dass das Matajurmassiv gefallen ist. Ich ordne für meine Abteilung eine einstündige Gipfelrast an. Sie ist wohlverdient.“ Erwin Rommel in seinem Buch „Infanterie greift an“, Feldpostausgabe von 1942, S. 338
Unterstützung durch deutsche Truppen gebeten, da die Front gegen die Italiener dort nur mit Mühe gehalten werden konnte. Im Zuge der 12. Isonzoschlacht („Durchbruchsschlacht bei Flitsch und Tolmein“) vom 24. bis 26. Oktober 1917 konnte Rommel erneut besonders hervortreten, als er mit seinen Gebirgsschützen den 1641 Meter hohen und von den Italienern stark befestigten Monte Matajur im Sturmangriff eroberte und dabei eine große Zahl an Gefangenen machte. Der für die Erstürmung des strategisch bedeutsamen Berges ausgelobte Tapferkeitsorden „Pour le Mérite“ wurde jedoch zunächst nicht an Rommel verliehen, sondern irrtümlicherweise an Leutnant Walther Schnieber vom 4. Oberschlesischen Infanterieregiment Nr. 63. Allerdings war dieser mit seinen Männern auf den eher unbedeutenden Nebengipfel Monte Colonna aufgestiegen. Beide Berge waren im Stab offensichtlich verwechselt worden. Erst eine schriftliche Beschwerde des jungen Offiziers Rommel führte im Dezember 1917 zu seiner Auszeichnung mit dem begehrten „Blauen
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Max“, wie der Orden „Pour le Mérite“ im Volksmund auch genannt wurde (siehe auch das Kapitel zu Rommels Auszeichnungen S. 78–81). Zuvor hatte Rommel einen weiteren bedeutenden militärischen Erfolg erringen können, als er mit seinen Soldaten am 10. und 11. November 1917 bei Longarone fast 10 000 italienischen Soldaten den Rückzugsweg abgeschnitten hatte und diese gefangen genommen werden konnten.
Mann der Truppe Der „Kriegsheld“ Rommel war damit „geboren“, doch die militärische Lage entwickelte sich für die Mittelmächte trotz des Erfolges in der Isonzoschlacht zunehmend un-
DOKUMENT
günstig. Anfang 1918 wurde Rommel als Ordonnanzoffizier vom Königlich Württembergischen Generalkommando 64 z.b.V. angefordert. Seine Gebirgssoldaten wurden hingegen an die Westfront verlegt, wo sie in den blutigen Materialschlachten hohe Verluste hinnehmen mussten. Rommel widerstrebte die Versetzung in den Stabsdienst, den er verabscheute. Seiner Ansicht nach musste die Truppe nicht vom grünen Tisch aus, sondern von vorn geführt werden. Unmittelbar vor dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde Rommel am 18. Oktober 1918 schließlich zum Hauptmann befördert. Der Krieg jedoch konnte nicht gewonnen werden, Unruhe machte sich im ganzen Deutschen Reich breit. Im März 1919 wurde Rommel zur Sicherheitskompanie 32 nach Friedrichshafen versetzt, um zusammen mit anderen ehemaligen Frontsoldaten die innenpolitische Lage nach dem Waffenstillstand in Compiègne vom 11. November 1918 zu stabilisieren. Aufgabe war es, Umsturzversuchen der neu gebildeten Arbeiter- und Soldatenräte Einhalt zu gebieten. Der hochdekorierte Offizier Rommel blieb in diesen unruhigen Zeiten ein Mann der Truppe, nicht des Stabes.
Telegramm an König Wilhelm II.
„Ich habe den Königlich Württembergischen Offizieren Major Sproesser und Oberleutnant Rommel vom Württembergischen Gebirgsbataillon auf Vorschlag des Oberbefehlshabers der 14. Armee in Anerkennung ihrer glänzenden Leistungen in den schwierigen Vorhutkämpfen
gegen den italienischen Feind und bei der Eroberung des Monte Matajur den Orden Pour le Mérite verliehen. Es macht mir Freude, Dich hiervon in Kenntnis setzen zu können.“ gez. Wilhelm [Telegramm Kaiser Wilhelms II. an den König von Württemberg vom 10. Dezember 1917]
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Weimarer Republik STILLGESTANDEN: Soldaten der Reichswehr 1931 beim Appell. Foto: picture-alliance/landov
Dienst in der Reichswehr
Schwieriger Neubeginn D
ie Siegermächte des Ersten Weltkriegs hatten 1919 in Versailles festgelegt, dass die Heeresstärke Deutschlands zukünftig 100 000 Mann nicht übersteigen durfte. Von den anschließend einsetzenden massenhaften Entlassungen aus dem Militärdienst blieb Hauptmann Rommel verschont. Er konnte – auch weil sich sein Regimentskommandeur für den mehrfach ausgezeichneten ehemaligen Frontoffizier einsetzte – beim Militär bleiben und wurde am 18. Oktober 1919 auf die Republik vereidigt. Ein Leben als Zivilist war für ihn kaum vorstellbar. Rommel empfand wie viele andere ehemalige Frontsoldaten die Beschränkung auf ein 100 000-Mann-Heer und den damit verbundenen Bedeutungsverlust der deutschen Streitkräfte als eine Schmach, war infolge seines Verbleibs beim Militär aber immerhin finanziell einigermaßen abgesichert. Ende 1920 ging Rommel nach Stuttgart, wo er mehrere Jahre lang als Kompanieführer einer Schützenkompanie des 13. Infanterieregiments seinen Dienst leistete. Seine bis
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Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs stellte sich für Rommel und unzählige andere Offiziere die Frage, wie es weitergehen soll. Der hochdekorierte Hauptmann blieb dem Militär trotz düsterer Karriereaussichten treu. Von Tammo Luther auf den Konkurrenzkampf mit Friedrich Paulus, dem späteren Generalfeldmarschall und Oberbefehlshaber der bei Stalingrad vernichteten 6. Armee, eher ruhig verlaufende Dienstzeit in der Reichswehr war geprägt von dem Verlangen, seine militärischen Fähigkeiten und Kenntnisse in Praxis und Theorie zu erweitern.
Ehrgeizig und diszipliniert Rommels Bestrebungen gingen aber auch über das rein Militärische hinaus. So brachte er seinen Soldaten gesellschaftliche Umgangsformen bei und trieb sie zu sportlichen Höchstleistungen an.
1927 unternahm er mit seiner Frau Lucie eine Reise nach Italien, wo er ihr die Kriegsschauplätze des Ersten Weltkriegs zeigte. Im Jahr darauf brachte seine Frau Sohn Manfred zur Welt, der ab den 1970er-Jahren als Oberbürgermeister von Stuttgart (1974–1996) Karriere machte. Erwin Rommels Ambitionen, durch Fleiß und Disziplin voranzukommen, blieben auch seinem Bataillonskommandeur nicht verborgen. Dieser lobte die „sehr gute militärische Begabung“ seines Hauptmanns und bescheinigte diesem, „als Lehrer und Erzieher seiner Kompanie (...) sehr gute Erfolge“ erzielt zu haben und ein Offizier zu sein,
AMTLICH: Rommels Militärführerschein (Innenteil) aus seiner Dienstzeit an der Dresdner Infanterieschule, ausgestellt vom Wehrkreiskommando IV am 13. November 1930. Foto: picture-alliance/Artcolor
„der mehr ist, als er scheint“. So verwundert es nicht, dass Rommel im Oktober 1929 an die Dresdner Infanterieschule berufen wurde, wo er in den kommenden Jahren als Taktiklehrer tätig war.
Rommel fühlt sich übergangen Als Ausbildungsoffizier genoss er einen sehr guten Ruf und war beliebt bei seinen Untergebenen. Bei seinen Vorträgen über taktische Kampfhandlungen griff er oft auf seine persönlichen Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg zurück, besonders auf die
HINTERGRUND
Zeit des Gebirgskampfes in den Jahren 1916–1918. Allerdings litt der ehrgeizige Rommel darunter, dass seine Beförderung zum Major auf sich warten ließ. In einem Brief an den Lehrgangsleiter Oberst Bauer von 1931 beklagte sich Rommel, dass er entge-gen der bisher üblichen Praxis, die Träger des Ordens „Pour le Mérite“ vorrangig zu befördern, von dienstjüngeren Hauptleuten „überholt“ worden sei (zitiert nach „Mythos
Die Reichswehr
Als Reichswehr werden die deutschen Streitkräfte in der Zeit von 1919 bis 1935, während der Weimarer Republik und der ersten Jahre des „Dritten Reiches“, bezeichnet (1919–1921 lautete die gültige Bezeichnung: „Vorläufige Reichswehr“). Es handelte sich um eine Berufsarmee von maximal 100 000 Mann Landheer und 15 000 Marinesoldaten. Die Unterhaltung von Luftstreitkräften und bestimmten Waffengattungen wie etwa der Panzerwaffe waren verboten. Aufgrund der Bestimmungen von Versailles aus dem Jahr 1919 unterlagen Umfang und Bewaffnung der Reichswehr weiteren starken Beschränkungen. Ober-
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IM FELDE: Ein MG-Trupp der Reichswehr während eines Manövers auf einem Truppenübungsplatz. Rommel selbst führte in den 1920er-Jahren eine MG-Kompanie beim Infanterieregiment 13. Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo
befehlshaber der Reichswehr war der Reichspräsident, unter dem der Reichswehrminister die Befehlsgewalt ausübte. Nach der von Adolf Hitler am 16. März 1935 verkündeten „Wiedereinführung der Wehrpflicht“ wurde die Reichswehr mit dem „Gesetz über den Aufbau der Wehrmacht" umbenannt. Die Dauer des Wehrdienstes in der neuen Wehrmacht wurde zunächst auf ein Jahr festgesetzt und im August 1936 auf zwei Jahre verlängert. Der Jahrgang 1914 stellte die ersten Wehrpflichtigen. Das deutsche Friedensheer sollte zunächst aus 36 Divisionen mit insgesamt 580 000 Soldaten bestehen.
Rommel“, Stuttgart 2009, S. 37). 1932 war es dann schließlich so weit: Rommel erhielt die aus seiner Sicht längst überfällige Beförderung zum Major.
Bataillonskommandeur
Der Kommandeur der Infanterieschule sah in ihm eine „echte Führernatur“ und einen „vorzüglichen Lehrmeister im Infanterieund Gefechtsdienst“. Auch seine Fähnriche waren voll des Lobes über ihren Taktiklehrer. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 ging Rommel als Bataillonskommandeur nach Goslar. In der alten Kaiserstadt befehligte er fortan das III. Bataillon des Infanterieregiments 17, ein traditionsreiches Jägerbataillon. Auch dort konnte er seine Vorgesetzten von seinen militärischen Fähigkeiten überzeugen. AUFRUF: Plakat, das für den Im September 1934 traf Erwin Eintritt in die Reichswehr wirbt. Rommel in Goslar dann auf den Rommels Vereidigung auf die ArMann, der ihn in seinen Bann mee der Weimarer Republik fand zog und zehn Jahre später sein am 18. Oktober 1919 statt. Foto: picture-alliance/ZUMAPRESS tragisches Schicksal besiegeln sollte.
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Die Jahre 1934–1939 IM GEFOLGE: Erwin Rommel (rechte Bildhälfte) hinter dem „Führer“, der anlässlich seines Besuches in Goslar am 30. September 1934 eine Ehrenformation der Reichswehr abschreitet. Foto: RFA
Aufstieg unter Hitler
Protegé des Reichskanzlers D Am 30. September 1934 war es so weit: Erwin Rommel begegnete zum ersten Mal Adolf Hitler, als dieser der alten Kaiserstadt Goslar einen Besuch abstattete. Für Rommel war es der Beginn eines kometenhaften Aufstiegs. Von Tammo Luther
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ie erste Begegnung mit Hitler war der Auftakt einer außergewöhnlichen Karriere für den 43-jährigen Major, dessen „Goslarer Jäger“ vor der altehrwürdigen Kaiserpfalz die Ehrenformation bildeten. Als der „Führer“ die Front der Angetretenen abschritt, folgte dicht hinter ihm Erwin Rommel. Dabei sollte ursprünglich eine Einheit der Schutzstaffel (SS) für die Sicherheit des „Führers“ sorgen, doch Rommel drohte damit, sein traditionsreiches Bataillon nicht ausrücken zu lassen, sollten seine Soldaten nur in der zweiten Reihe stehen. Rommel setzte sich mit seiner Forderung durch, die SS nahm an einem anderen Ort Aufstellung. Zwar bot sich an diesem Tag für den aufstrebenden Bataillonskommandeur keine Gelegenheit zu einem längeren Gespräch mit Hitler, doch das erste Aufeinandertreffen hinterließ – zumindest bei Rommel – Spuren. Dass es für ihn etwas Besonders war, auf den Mann zu treffen, der an der Spitze des Deutschen Reiches stand, zeigt allein die Tatsache, dass er ein Fotoalbum mit Bildern des
Hitler-Besuches in Goslar anlegte und dieses mit Zeitungsartikeln über das Erntedankfest 1934 versah. Nur wenige Monate später, zu Beginn des Jahres 1935, stieg Rommel zum Oberstleutnant auf und wurde im Oktober Lehrgangsleiter an der Kriegsschule in Potsdam. Inzwischen hatte Hitler am 16. März 1935 die Wiedereinführung der Allgemeinen Wehrpflicht und eine deutliche Aufstockung der Truppenstärke der künftigen Wehrmacht beschlossen. Dies stellte einen klaren Bruch der Versailler Friedensbestimmungen dar, doch besonders die ehemaligen Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs – darunter auch Rommel – begrüßten diese Entscheidung.
Im „Führerbegleitkommando“ 1936 begegneten sich Rommel und Hitler anlässlich des Nürnberger Reichsparteitages zum zweiten Mal, als Rommel zum „Führerbegleitkommando“ abkommandiert worden war und durch die gründliche Ausführung des Auftrags offensichtlich Aufmerksamkeit bei Hitler erregte.
IM GESPRÄCH: Erwin Rommel an der Seite Hitlers während des Feldzuges gegen Polen. An Rommels linkem Arm ist das Ärmelband „FührerhauptquarFoto: NARA tier“ erkennbar.
EINMARSCH IN PRAG: Als Hitler im März 1939 zögerte, ohne das SS-Begleitkommando zum Hradschin aufzubrechen, riet Rommel dem „Führer“, mit ihm an seiner Seite auf die Prager Burg zu fahren. Foto: picture-alliance/IMAGNO ERSCHÖPFT: Rommel als Kommandant des Führerhauptquartiers im Sonderzug. Foto: BArch, Bild 146-1970-087-58
Mit der Veröffentlichung seines Buches „Infanterie greift an“ im Jahr 1937 stieg das Interesse des mächtigsten Mannes des „Dritten Reiches“ an dem ehrgeizigen, mit dem Pour le Mérite hochdekorierten Oberstleutnant.
Vorläufiger Karrierehöhepunkt Die eindringlichen Gefechtsschilderungen in dem Taktikleitfaden, der ein Bestseller wurde, berührten und beeindruckten Hitler offensichtlich so stark, dass er immer wieder Spezialaufträge von höchster Stelle erhielt. Einen weiteren vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere erreichte Rommel – inzwi-
schen zum Oberst befördert –, als er Anfang Oktober 1938 das Kommando über das Führerbegleitbataillon während des von einem Großteil der Bevölkerung viel umjubelten Einmarsches der Wehrmacht in das Sudetenland erhielt. Seine erfolgreiche Arbeit als Taktiklehrer in Potsdam führte dazu, dass Rommel den Auftrag erhielt, als Kommandeur der 1751 gegründeten Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt die fortschrittlichste Kriegsschule Europas aufzubauen. Doch die politischen und militärischen Ereignisse des Jahres 1939 beendeten dieses
„Gestern sprach der Führer: Soldat muss heute politisch sein, denn er muss stets einsatzbereit sein für die neue Politik. Die Deutsche Wehrmacht ist das Schwert der neuen deutschen Weltanschauung.“ Erwin Rommel in einem Brief an seine Frau Lucie-Maria vom 2. Dezember 1938
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Engagement frühzeitig. Rommel sollte erneut – dieses Mal beim Einmarsch in die sogenannte Rest-Tschechei und anschließend in das nach dem Ersten Weltkrieg vom Deutschen Reich abgetrennte Memelland im März 1939 – als Kommandant das Führerhauptquartier befehligen. Auch als sechs Monate später der Zweite Weltkrieg mit dem deutschen Angriff auf Polen begann, kommandierte der mittlerweile zum Generalmajor beförderte Rommel das Führerhauptquartier. Monatelang befand er sich nun in der unmittelbaren Nähe Hitlers, der Rommel mittlerweile sein besonderes Vertrauen schenkte und ihn protegierte.
Rommel zieht es an die Front Die neue Form der Kriegsführung in Polen mit dem Einsatz beweglicher Panzerverbände beeindruckte Rommel, in dem im Lauf des Jahres 1939 immer stärker der Wunsch heranreifte, in Zukunft selbst einen motorisierten Verband zu führen. Den ehemaligen Frontsoldaten des Ersten Weltkrieges zog es erneut an die Front.
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Westfeldzug
Divisionskommandeur im Westfeldzug 1940
„Wo Rommel ist, ist vorn!“
WEGWEISEND: Rommel zeigt die Richtung an, während Oberst Karl Rothenburg (Bildmitte), Kommandeur des PanzerregiFoto: NARA ments 25, die Karte studiert.
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10. Mai 1940: Erst jetzt begann für Erwin Rommel als Kommandeur der 7. Panzerdivision während des Frankreich-Feldzuges der aktive Fronteinsatz im Zweiten Weltkrieg. Seine schnellen Vorstöße und die offensive Art seiner Kriegsführung legten den Grundstein zum Von Lukas Grawe „Mythos Rommel“.
M
it Unterstützung Hitlers wurde Generalmajor Rommel im Februar 1940 das Kommando über die 7. Panzerdivision übertragen, nachdem er zuvor mit seinem Gesuch, eine Panzerdivision zu führen, am Widerstand des Heerespersonalamtes gescheitert war. Ohne praktische Erfahrung im Umgang mit der modernen Panzerwaffe sollte Rommel das in ihn gesetzte Vertrauen mithilfe seines unorthodoxen, aber letztlich erfolgreichen Führungsstils rechtfertigen. Die bisher gültigen Regeln der Zwischenkriegszeit verloren angesichts der Revolutionierung des Kriegsbildes schnell an Bedeutung. Dieser Umstand kam Rommel entgegen. Er war mit einem sicheren Gespür für sich abzeichnende Lageentwicklungen und einer verlässlichen Intuition ausgestattet und reagierte vielmehr kurz entschlossen und der jeweiligen Situation angepasst.
Ohne Flankenschutz Rommels 7. Panzerdivision (Pz.Div.) unterstand dem XV. Armeekorps (A.K.), das als Teil der 4. Armee innerhalb der Heeresgruppe (HGr.) A operierte. Diese sollte die alliierten Linien auf Höhe der Ardennen durchbrechen, um so den im nördlichen und mittleren Belgien vermuteten Feindverbänden den Rückzugsweg abzuschneiden. Das XV. A.K. sollte dabei die rechte Flanke der weiter südlich operierenden deutschen Hauptkräfte sichern. Rommel selbst brannte auf seinen lange erwarteten Einsatz. Rommels vordringliches Ziel war die Überquerung der Maas unmittelbar nördlich der belgischen Stadt Dinant, die etwa 115 Kilometer Luftlinie von der deutschen Grenze entfernt lag. Bei ihrem Vormarsch musste seine Division das bergige und waldreiche Gebiet der Ardennen durchqueren. Trotz dieses Hindernisses setzte Rommel bei seinem Vormarsch vor allem auf Geschwindigkeit und Überraschung. Rommels Führungstechnik kam während des Frankreich-Feldzugs erstmals zum Tragen. Er kümmerte sich weder um Flankenschutz oder lang andau-
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VOR DEM KAMPF: Soldaten der Wehrmacht bringen eine 3,7-cm-Panzerabwehrkanone in einer französischen Ortschaft in Stellung. Sie besaß eine lediglich geringe Durchschlagskraft und wurde daher spöttisch auch als „Heeresanklopfgerät“ bezeichnet. Foto: picture-alliance
ernde Angriffsplanung noch um Militärtheorie. Vielmehr suchte er in einem Gefecht den direkten Weg zum Angriff. Er hielt es für wesentlich wirksamer, schnell und schlagartig zu handeln und sofort das Feuer auf den Feind zu eröffnen, als durch langes Taktieren günstige Gelegenheiten abzuwarten. Ihm kam es darauf an, den Gegner zu verwirren und zu überraschen, um so seine Moral zu erschüttern und ihn zu lähmen. Diese Prinzipien ließen sich aus Rommels Sicht jedoch nur umsetzen, wenn der Befehlshaber bereit war, Risiken einzugehen und unkonventionell zu denken.
Führung „von vorn“ Rommel führte daher seine 7. Pz.Div. „von vorne“, weshalb er mithilfe eines eigens dafür ausgerüsteten Schützenfahrzeugs oder Panzers stets an vorderster Front zu finden war. Oftmals stieg er auch in ein leichtes Aufklärungsflugzeug, um sich einen besseren Überblick über die Lage zu verschaffen. Zudem verfügte er über einen eigenständig denkenden Stab, der in der Lage war, in seiner Abwesenheit Entscheidungen zu treffen.
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Westfeldzug
BITTERE REALITÄT: Soldatengräber einer deutschen Infanterieeinheit in Frankreich. Auch Rommels 7. Pz.Div. musste schmerzhafte Verluste hinnehmen. Foto: picture-alliance
KURZE RAST: Generalmajor Rommel gönnte sich und seinen Männern als Kommandeur der 7. Pz.Div. während der schnellen Vorstöße im Rahmen des Frankreich-Feldzuges nur wenig Zeit zum Durchatmen. Foto: NARA
UNERLÄSSLICH: Panzerkampfwagen einer deutschen Einheit werden betankt und für den nächsten Einsatz in Frankreich vorbereitet. Foto: picture-alliance
AUSGESCHALTET: Ein deutscher Soldat untersucht einen französischen Panzerspähwagen vom Typ Panhard AMD178. Die Wehrmacht übernahm nach ihrem Sieg in Frankreich rund 190 Exemplare dieses Fahrzeuges. Foto: picture-alliance
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Die 7. Pz.Div. erreichte auf diese Weise bereits am 12. Mai das Maastal. Gegen Abend war das gesamte Ostufer des Flusses in Rommels Hand, der nunmehr den komplizierten Übergang vorbereiten musste, da alliierte Truppen die Maasbrücken gesprengt hatten. Seiner Handlungsweise treu bleibend, befahl Rommel seinen Kradschützen, den Fluss in einem kühnen Vorstoß zu überqueren. Seine Aufklärer hatten ein unzerstörtes Wehr ausgemacht, das leichte Einheiten nutzen konnten, um die Maas zu überqueren. Rommels Vorausabteilungen wurden jedoch bald nach Ankunft am westlichen Ufer hart vom Abwehrfeuer der alliierten Truppen bedrängt und erlitten hohe Verluste. Am Morgen des nächsten Tages war die Lage daher äußerst gespannt. Rommel reagierte und ließ sämtliche Häuser am Westufer der Maas in Brand schießen, um den Fluss in einen Rauchschleier zu hüllen und seinen Truppen so das Übersetzen zu erleichtern. Seinen Panzern gab er den Befehl, aus allen Geschützen das Feuer zu eröffnen und jede mögliche feindliche Stellung ins Visier zu nehmen. Derart gedeckt, befahl Rommel den Strom mit Schlauchbooten zu überqueren. In einem der ersten Boote ließ sich der energische Generalmajor selbst übersetzen.
Über die Maas Am Westufer angekommen, wehrten seine Soldaten einen mit wenig Energie vorgetragenen französischen Angriff ab, wobei Rommel während der ganzen Zeit zwischen den verschiedenen Angriffsabschnitten hin und
Schneller Vorstoß SPUREN DES KAMPFES: Ein deutscher Schützenpanzerwagen durchquert eine von den Kämpfen stark zerstörte Ortschaft in Foto: picture-alliance/akg-images Nordfrankreich.
her pendelte und dabei mehrmals die Maas überquerte. Seine Truppen fühlten sich an einen „Wirbelwind“ erinnert, da ihr Befehlshaber in der Schlacht überall gleichzeitig zu sein schien. Stärkte die Anwesenheit Rommels die Moral der Truppe, ließ seine Handlungsweise zugleich auch seine Schwächen offenbar werden: Oftmals übernahm er Pflichten, die nicht die seinen, sondern Sache seiner Untergebenen waren. Seine eigentliche Aufgabe als Divisionskommandeur war die Leitung der Schlacht mittels Kartenstudiums und der Koordination des Angriffs via
Funk. Rommel mischte sich aber immer wieder in den Aufgabenbereich seiner Untergebenen ein. Erst am 14. Mai gelang es der 7. Pz.Div., die ersten 30 Panzer über den Fluss zu bringen. Die in aller Eile errichtete Pontonbrücke war anfangs nicht belastbar genug, um auch die schwereren Panzer aus Rommels Division tragen zu können. Mithilfe der vorausgeschickten Panzer gelang noch am selben Tag, den Maasübergang endgültig zu sichern. Das gesteckte Ziel war somit bereits vier Tage nach Angriffsbeginn erreicht.
HINTERGRUND Der „Sichelschnitt“-Plan Der ursprünglich von der deutschen Armeeführung ausgearbeitete Operationsplan lehnte sich eng an den deutschen Kriegsplan von 1914 an. Erneut sollte ein starker rechter Flügel durch die neutralen Benelux-Staaten vorstoßen, um den alliierten Truppen von Norden her in die Flanke zu fallen. Der Chef des Stabes der Heeresgruppe A, Erich von Manstein, entwarf jedoch einen Alternativplan, der sich mit Unterstützung Hitlers schließlich durchsetzte. Manstein verlegte den Schwerpunkt des Aufmarschs in die Mitte zu seiner Heeresgruppe A, die mit starken Panzerkräften
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durch die Ardennen bis zum Ärmelkanal vorstoßen sollte. Der gesamte Nordflügel des Gegners, dessen Aufmarsch in Belgien vermutet wurde, sollte auf diese Weise eingekesselt und geschlagen und eine vollständige militärische Entscheidung herbeigeführt werden. Zwar erfuhr Mansteins Idee anfangs massive Kritik aus den Reihen des Generalstabs, doch nachdem Hitler davon erfahren hatte, befahl dieser die beinahe unveränderte Übernahme von Mansteins Entwurf als Aufmarschplan für den am 10. Mai 1940 beginnenden Westfeldzug.
Rommel legte als neue Aufgabe die Eroberung der belgischen Stadt Cerfontaine 40 Kilometer westlich der Maas fest. Seine Panzer sollten unterwegs alle feindlichen Stellungen und Truppen der verlängerten Maginot-Linie unter Beschuss nehmen, ohne sich dabei aufhalten zu lassen. Anders als in den bergigen Ardennen hatte die 7. Pz.Div. nun eine ausgesprochen flache Ebene vor sich, die es Rommel ermöglichte, sein System des „Flächenmarsches“ anzuwenden. Dabei wurde die Division auf einer zwei Kilometer langen und 20 Kilometer tiefen Formation aufgestellt. Ortschaften und Hauptstraßen wurden gemieden, bei Bedarf wurde aus der Bewegung heraus nach vorn und nach den Seiten gefeuert.
Durch die Maginot-Linie Bereits jetzt schien der Widerstandswille des Gegners gebrochen zu sein, sodass Rommels Panzer ohne Probleme große Distanzen bewältigen konnten. Am 16. Mai durchbrachen seine Truppen die Ausläufer der Maginot-Linie und überschritten die französisch-belgische Grenze. Rommel ließ seine Panzer mit Höchstgeschwindigkeit und sämtliche Ziele ins Visier nehmend durch die Bunkerlinien fahren. Auf diese Weise stellte das scheinbar so mächtige Verteidigungsbollwerk Frankreichs kein ernsthaftes Hindernis dar.
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Westfeldzug
ZIEL ERREICHT: Generalmajor Erwin Rommel, seit wenigen Wochen mit dem „Ritterkreuz“ ausgezeichnet, im Hafen von Cherbourg mit gefangenen britischen Soldaten, 2. Junihälfte 1940. Foto: ullstein bild
Während Rommel in seinem Befehlsfahrzeug an der vordersten Front unterwegs war, befand sich die Masse seiner Division viele Kilometer hinter ihm. Statt auf den Rest seines Verbands zu warten, setzte Rommel seinen Marsch nach Westen jedoch unbeirrt fort, auch über seinen Einsatzbefehl hinaus. Das neue Ziel des schwäbischen Generalmajors war der Vorstoß über die Sambre.
Nachschubprobleme Der hohen Marschgeschwindigkeit Tribut zollend, konnte seine weit auseinandergezogene Division ihrem Befehlshaber nicht mehr geordnet folgen. Viele seiner Panzer verfügten über keinerlei Munition mehr, es mangelte an Treibstoff und Verpflegung. Rommels temporeicher Führungsstil war zwar kühn und erfolgreich, zugleich jedoch auch äußerst risikoreich und konnte bei einem entschlossenen Gegner verhängnisvoll werden. Der Übereifer des Generalmajors hatte seine Ursache auch in einem gewissen Konkurrenzdenken, da es Rommel darauf ankam, schneller als die benachbarten Verbände zu sein. Als am 17. Mai nur noch eine von
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Rommels drei Panzerabteilungen dem Tempo des Kommandeurs folgen konnte, beschloss dieser, bei Le Cateau auf den Rest der Division zu warten. Während seine Panzerabteilung sich einigelte, fuhr der Generalmajor zurück nach Osten, um die restlichen Verbände seiner Division zu suchen. Erneut wurden die negativen Folgen von Rommels hohem Marschtempo offenbar, da der Divisionskommandant nicht im Bilde war, wo genau sich sein eigener Stab befand. Unter diesen Umständen war die Koordinierung des Nachschubs keine leichte Aufgabe. Der Generalstab war daher mit Rommels Führung nicht immer einverstanden, doch ließ sich der Divisionskommandeur nicht in seine Handlungen hineinreden. Einem mitgereisten Kriegsberichterstatter rief er zu: „Der Platz des militärischen Führers im Krieg ist
Literaturtipps Frieser, Karl-Heinz: Blitzkrieg-Legende. Der Westfeldzug 1940. München, 3. Auflage 2005 Fraser, David: Rommel – Die Biographie. Rheda-Wiedenbrück 1996
vorn. Ich führe nicht wie ein Generalstabsoffizier vom grünen Tisch.“ Mochte Rommels Vorgehensweise für die eigene Seite auch Nachteile mit sich bringen, so verwirrte und demoralisierte sie den Gegner doch erheblich. Rommels Panzer tauchten völlig überraschend dort auf, wo die Alliierten es am wenigsten erwarteten. „Rommel agierte im Westfeldzug gleichsam als Stoßtruppführer in Generalsuniform. Er führte seine Panzer wie einen infanteristischen Stoßtrupp und wandte dabei die gleiche Infiltrationstechnik an wie als Oberleutnant im Ersten Weltkrieg. Diese unorthodoxe Art, die Panzerwaffe einzusetzen, wurde zum Alptraum seiner methodisch vorgehenden französischen Gegenspieler“, urteilt der renommierte Militärhistoriker Karl-Heinz Frieser.
„Gespensterdivision” Auch die französische Zivilbevölkerung wurde durch das plötzliche Auftauchen der 7. Pz.Div. weit hinter den feindlichen Linien oftmals derart überrumpelt, dass Rommels Einheiten nicht selten für verbündete britische Soldaten gehalten wurden. Ihr unerwar-
Überraschte Franzosen Thema ????? tetes Erscheinen brachte der Division bald den Spitznamen „la division fantôme“ ein, der von der deutschen Propaganda nur allzu gern als „Gespensterdivision“ aufgegriffen wurde. Bereits während des Feldzugs wurde Rommels Name daher zum Synonym für das deutsche „Blitzkrieg“-Konzept. Der Generalmajor trug selbst einen Teil zum Aufbau seines Mythos bei, indem er stets eine Kamera bei sich trug, mit welcher er propagandawirksame Situationen und Posen festhielt. Nach der Einnahme von Cambrai am 18. Mai gönnte Rommel seinen völlig erschöpften Männern eine zweitägige Ruhepause. Seit die 7. Pz.Div. acht Tage vorher die deutsche Grenze überschritten hatte, hatte sie etwa 280 Kilometer zurückgelegt und über 10 000 französische Soldaten gefangen genommen. Rommels Panzern war es gelungen, mehr als 100 feindliche Panzer, 30 Panzerspähwagen und 27 Geschütze zu zerstören. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte seine Division „lediglich“ 35 Gefallene zu beklagen und 59 Ausfälle durch Verwundung zu verkraften.
Alliierter Gegenangriff Erst jetzt rafften sich die alliierten Truppen, die dem deutschen „Sichelschnitt“ bislang kaum wirkungsvollen Widerstand entgegengesetzt hatten, zu einer energischen Gegenaktion auf. In der Nähe von Arras sammelten sich britische Verbände, um den ohne Flankenschutz vormarschierenden Verbänden Rommels in die Flanke zu fallen. Am 21. Mai wurde seine langgezogene Division von 72 britischen Panzern angegriffen. Besonders die neuen Panzer vom Typ „Matilda II“ waren ein ernstzunehmender
„Rommel agierte im Westfeldzug gleichsam als Stoßtruppführer in Generalsuniform. Er führte seine Panzer wie einen infanteristischen Stoßtrupp und wandte dabei die gleiche Infiltrationstechnik an wie als Oberleutnant im Ersten Weltkrieg.“ Der Militärhistoriker Karl-Heinz Frieser in seinem Buch „Blitzkrieg-Legende. Der Westfeldzug 1940“, S. 280
Gegner, da sie nicht nur über ein höheres Geschützkaliber als die deutschen Panzer verfügten, sondern auch stärker gepanzert waren. Der überraschende britische Flankenstoß sorgte zu Beginn des Angriffs für einige Verwirrung unter Rommels Soldaten. Erneut schritt der Generalmajor persönlich ein, koordinierte das Abwehrfeuer und befahl, auch die gefürchtete 8,8-cm-Flak zur Panzerabwehr einzusetzen. Diese war in der Lage, die dicke Panzerung der „Matildas“ zu durchschlagen, und hielt die Angreifer letztlich auf. Zwar hatte die 7. Pz.Div. den ersten energischen alliierten Gegenangriff abgewehrt, doch waren die Verluste mit 90 Gefallenen und über 300 Verwundeten dieses Mal sehr hoch. Beharrlich setzte Rommel seinen Vormarsch fort. Das neuerliche Ziel war nicht mehr die Atlantikküste, sondern die wichtige nördliche Industriestadt Lille, deren Einnahme er Ende Mai vermelden konnte. Der „Halt-Befehl“ Hitlers und die damit verbundene Vormarschpause der deutschen Verbände wurden bis zum 4. Juni vom alliierten Oberkommando genutzt, um
HÄNDE HOCH: Französische Soldaten ergeben sich den deutschen Angreifern, deren Entschlossenheit den kriegsmüden Gegner überraschte. Foto: picture-alliance/akg-images
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mehr als 330000 alliierten Soldaten aus dem brandgefährlichen Kessel von Dünkirchen zu evakuieren.
Rommel überrascht den Gegner Währenddessen stattete Hitler seinem verwegenen General einen persönlichen Besuch ab, bei dem der „Führer“ voller Anerkennung von den Leistungen der „Gespensterdivision“ sprach. Am 27. Mai war Rommel bereits mit dem „Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes“ ausgezeichnet worden. Der restliche Verlauf des Feldzuges war aus Sicht der deutschen Führung nur noch „Formsache“. Zwar waren die Franzosen noch nicht geschlagen, doch war ihre mangelnde Kampfbereitschaft allzu deutlich offenbar geworden. Rommels „Gespensterdivision“ machte ihrem Namen in den folgenden Tagen „alle Ehre“ und stieß über die Somme nach Süden vor, um anschließend in Richtung Kanalküste einzuschwenken. Die flache Landschaft ermöglichte Rommel erneut die Führung seiner Truppe im „Flächenmarsch“. Während die Marschleistungen nicht an die vorangegangenen Distanzen heranreichten, behielt Rommel dieses Mal seine ganze Division zusammen. Anfang Juni erreichte seine Division den Ärmelkanal, kurz darauf kapitulierten stärkere französische Verbände in der Küstenstadt Saint Valéry. Ein gefangener französischer General begegnete Rommel mit den Worten: „Sie sind zu schnell, viel zu schnell für uns. Das ist alles!“ Tatsächlich legten Rommels Panzer in den letzten Tagen des Feldzugs noch einmal beachtliche Distanzen zurück, um alliierte Truppen in Cherbourg an der Einschiffung nach Großbritannien zu hindern. Am 19. Juni 1940 rückte Rommel, wie immer an der Spitze seiner Verbände, in der Hafenstadt ein. Seine Division hatte bei Ende der Kampfhandlungen 97 000 Gefangene gemacht, aber auch 882 Gefallene, 1446 Verwundete und 296 Vermisste zu beklagen. Lukas Grawe, M.A., Jg. 1985, Historiker aus Münster
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Kriegsschauplatz Nordafrika 1941–1943
„Afrika-Feldzug“:
Der „Wüstenfuchs“ Als Italien Ende 1940 in Nordafrika im Kampf gegen die Briten in Bedrängnis geriet, sicherte Hitler seinem Bündnispartner militärische Unterstützung zu. Er entsandte einen „Sperrverband“, an dessen Spitze mit Erwin Rommel ein Von Tammo Luther erfahrener Schlachtenlenker stand.
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A
m 12. Februar 1941 landete Generalleutnant Erwin Rommel in Tripolis. Der 49-Jährige stand an der Spitze des kurz darauf in „Deutsches Afrikakorps“ (DAK) umbenannten Verbandes. Dass Hitler Rommel mit der Führung der schwierigen Mission betraute, ist kein Zufall. Rommel hatte während des Frankreich-Feldzuges mit seiner 7. Panzerdivision bedeutende Erfolge erzielt. Im Gegensatz zu den Truppen des British Empire verfügten die Soldaten des neu gebildeten DAK und ihr Befehlshaber jedoch über keinerlei Erfahrungen im Wüstenkrieg. Auch große Teile ihrer Ausrüstung und Waffen waren anfangs ungeeignet. In der zweiten Februarhälfte 1941 kam es zum ersten Gefecht in Libyen. Die Aufklärungs-Abteilung 3 der 5. leichten Division stieß Ende Februar nahe des Küstenortes El Agheila im Westen der Cyrenaika auf eine britische Aufklärungseinheit und vernichtete mehrere Fahrzeuge. Der Feldzug des „Afrikakorps“ in der Wüste hatte begonnen. Rommel, der nominell dem italienischen Oberkommandierenden General Italo Gariboldi unterstellt war, hielt nicht viel von des-
sen Defensivabsichten. Der Deutsche setzte vielmehr auf Angriff. Ohne die vollständige Überführung der eigenen Truppen von Neapel nach Tripolis abzuwarten und entgegen den zurückhaltenden „Auflagen“ aus Berlin griffen seine Soldaten an. Es gelang Rommels DAK innerhalb weniger Wochen, die Verbände des British Empire zurückzudrängen. Ende März wurden schließlich El Agheila und Marsa el Brega an der Küste der Großen Syrte genommen. Die Geländegewinne waren trotz großer Nachschub- und Materialprobleme enorm. Nach der Einnahme von Agedabia nordöstlich von Marsa el Brega Anfang April 1941
BLICK NACH VORN: Erwin Rommel setzte seit Beginn seines Einsatzes in Nordafrika auf Angriff und überraschte damit Foto: Sammlung Bernd Peitz die Briten.
OHRENBETÄUBEND: Ein 21-cmLangrohrgeschütz bei der Schussabgabe. Es zählte zu den schwersten auf deutscher Seite in Nordafrika eingesetzten Waffen. Foto: Sammlung Bernd Peitz
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Kriegsschauplatz Nordafrika 1941–1943
GEGEN LUFTANGRIFFE: Ein Fahrzeug mit einer aufmontierten 2-cm-Flugabwehrkanone sichert die langsam bergauf Foto: Sammlung Bernd Peitz fahrende LKW-Kolonne.
stellte Rommel eilig Vorausabteilungen zusammen, um auf verschiedenen Wegen mit Stoßkeilen in die Weiten der Cyrenaika vorzudringen. Ziel des riskanten Unternehmens war es, dem aus der nördlichen Cyrenaika zurückweichenden Gegner den Weg abzuschneiden. Rommels Verbände griffen Anfang April 1941 über die Küstenstraße Via Balbia und mit mehreren, ins Landesinnere der Cyrenaika vorrückenden Kampfgruppen an. Die Offensive zielte zunächst auf den Verkehrsknotenpunkt El Mechili.
Mörderisches Abwehrfeuer Als die ersten deutschen Panzer vor El Mechili auftauchten, entbrannte ein heftiger Kampf um das alte Wüstenfort. Obwohl die 3. Indische motorisierte Brigade erbitterten Widerstand leistete, musste sie schließlich am 8. April kapitulieren. Am selben Tag wurde auch Derna von den deutschen Truppen in Besitz genommen. Es blieb allerdings kaum Zeit zum Kräftesammeln. Rommels Befehl lautete: Auf nach Tobruk! Wer die Stadt besetzt hielt, verfügte über eine bedeutende Nachschubbasis und kontrollierte den Weg nach Ägypten und zum Suezkanal. Aus diesem Grund setzten die Verteidiger alles daran, Tobruk zu halten.
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„Ich war über das Bestreben des Feldmarschalls von Brauchitsch und des Generalobersten Halder wenig erbaut, nach Afrika nur geringe Truppenmassen zu schicken und das weitere Schicksal des Kriegsschauplatzes dem Zufall zu überlassen …“ Rommel in „Krieg ohne Hass“, hrsg. v. Lucie-Marie Rommel und Fritz Bayerlein, Heidenheim 1950
In der ersten Aprilhälfte 1941 entbrannte ein heftiger Kampf um die von starken britischen und australischen Einheiten verteidigte Festung. Rommels Verbände, nur unzureichend über das Ausmaß der einst von den Italienern errichteten Befestigungsanlagen informiert, griffen am 11. April aus der Bewegung heraus, ohne ausreichende Artillerieunterstützung, an. Der Angriff blieb im mörderischen Abwehrfeuer des Gegners stecken. Die Deutschen verloren mehr als 1000 Mann. Die Stadt wurde fortan belagert. Der Generalstabschef des Heeres, Generaloberst Franz Halder, kritisierte erneut Rommels eigenwillige Operationsführung und sein eigenmächtiges Vorgehen. Ungeachtet der Kritik aus Berlin und der Verluste bei Tobruk setzte Rommel seinen
Vormarsch zur ägyptischen Grenze fort. Ostwärts von Tobruk fielen schließlich mit Sollum und dem Wüstenfort Capuzzo sowie dem ägyptischen Halfayapass strategisch wichtige Punkte in deutsche Hand. Der Halfayapass konnte jedoch nicht gehalten werden. Ende Mai erhielt die „Kampfgruppe Herff“ daher den Auftrag, den Pass zurückzuerobern. Der Angriff begann am 27. Mai. Nach kurzem, aber heftigem Kampf befand sich der Höhenzug, der schon kurze Zeit später eine sehr wichtige Rolle spielen sollte, wieder unter deutscher Kontrolle. Als der Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte im Nahen Osten, General Archibald Wavell, Mitte Juni 1941 die Operation „Battleaxe“ (Streitaxt) befahl, um die Ach-
Überraschender Vorstoß
HOHES TEMPO: Ein Panzer III mit 5-cm-Langrohrkanone in voller Fahrt beim Durchqueren einer Wüstenebene. Fotos: (2) Sammlung Bernd Peitz
AUF ERKUNDUNGSFAHRT: VW-Kübelwagen mit Fahrer. Mit großen Ballonreifen meisterte das Fahrzeug nahezu jedes Gelände.
SELTENER ANBLICK: Das DAK erhält Nachschub auf dem Seewege.
senmächte zurückzudrängen, konnte Rommel einen unerwarteten Erfolg erringen. Zwar schafften die Briten umfangreichen Nachschub an Panzern und Flugzeugen nach Afrika, sodass Wavell mit rund 300 Panzern angreifen konnte. Doch die Angriffsvorbereitungen blieben dem deutschen Funkhorchdienst nicht verborgen. Rommel traf Gegenmaßnahmen, und trotz britischer Luftüberlegenheit blieb die Offensive im Feuer der deutschen 8,8-cm-Geschütze stecken. Für die Engländer endete die „Sollumschlacht“ in einer Katastrophe. Ein erheblicher Teil der Panzer ging verloren. Die 8,8cm-Flak fügte den Engländern empfindliche Verluste zu. Den Halfayapass tauften die Engländer schließlich „Hellfirepass“ (Höllenfeuerpass). Insgesamt verbuchten die Briten etwa 100 Tanks durch Totalverlust. Während die Kampfhandlungen in den kommenden Wochen und Monaten im Raum Tobruk – Sollum weitgehend erstarrten, hatte der Ausgang der Operation „Battleaxe“ Konsequenzen für General Wavell. Der britische Regierungschef und Kriegsminister Winston Churchill versetzte den Befehlshaber. Zu Wavells Nachfolger als Oberbefehlshaber der britischen Armee im Nahen Osten ernannte er General Sir Claude Auchinleck.
Auch auf deutscher Seite trat im Sommer 1941 eine Änderung an der Spitze des DAK ein. Rommel wurde am 1. Juli 1941 zum General der Panzertruppe ernannt und übernahm Ende August das Kommando der um zusätzliche Einheiten verstärkten „Panzergruppe Afrika“. Rommels Nachfolger als Kommandierender General des „Afrikakorps“ wurde Generalleutnant Ludwig Crüwell.
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Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo
„Panzergruppe Afrika” Zum neuen italienischen Oberbefehlshaber wurde Armeegeneral (später Marschall) Ettore Bastico ernannt, der General Italo Gari-
HINTERGRUND
IN WARTEPOSITION: Das Pz.Rgt. 5 vor Beginn einer Parade in Tripolis im Frühjahr 1941. Foto: Sammlung Bernd Peitz
boldi ablöste und dem formal neben den italienischen Armeekorps auch die „Panzergruppe Afrika“ unterstand. Innerhalb der „Panzergruppe Afrika“ stand auf der einen Seite das DAK mit der 15. Pz.Div., der 21. Pz.Div. und der in Teilen aus neu zugeführten Kräften aufgestellten 90. leichten Afrika-Division sowie der italienischen teilmotorisierten Division „Savona“ – auf der anderen Seite das XXI. Italienische Armeekorps mit den Divisionen „Bologna“, „Brescia“ und „Pavia“. Dem XX. Italienischen Korps gehörten die Divisionen „Ariete“ und „Trieste“ an. Zusammen mit der motorisierten Division „Trento“
Britisch-italienischer Kolonialkonflikt
Drei Monate nach dem Kriegseintritt Italiens an der Seite Deutschlands griffen im September 1940 italienische Truppen von Libyen aus die in Ägypten stationierten britischen Streitkräfte an. Die zahlenmäßig überlegenen Italiener konnten die schwachen englischen Grenzsicherungen ostwärts zurückdrängen und befestigte Nachschublager für weitere Operationen in Nordafrika errichten. Auf britischer Seite nutzte man die dadurch gewonnene Zeit für Verstärkungen und holte bereits im Dezember 1940 mit der
Operation „Compass“ zum Gegenschlag aus. Die britischen Truppen warfen die Italiener innerhalb kurzer Zeit aus Ägypten zurück. Schnell gelang es ihnen, weite Teile der im Osten Libyens gelegenen Cyrenaika zu erobern. Kurz darauf stand Italiens Armee vor dem Zusammenbruch. Die Kolonie Italienisch-Libyen drohte vollständig in die Hände der Engländer zu fallen. Mussolinis Vision von der Beherrschung des Mittelmeerraumes war in weite Ferne gerückt. Hitler sagte dem Duce schließlich die militärische Unterstützung durch deutsche Truppen zu.
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ÜBERRESTE: Wrackteile von britischen Wellington-Bombern liegen verstreut in der Wüste. Foto: Sammlung Bernd Peitz
bildeten sie das „Corpo d’armata di manovra“, das direkt dem italienischen Oberkommando unter Bastico unterstellt war. Anders als der neue britische Oberbefehlshaber Auchinleck musste Rommel seine Hoffnung auf weitere Panzerdivisionen für die „Panzergruppe Afrika“ begraben. Sein Nachschub wurde von Malta aus durch Attacken des Gegners erheblich gestört. Unterdessen drängte Churchill unentwegt auf eine neue Offensive gegen die Deutschen. Sie konnten im Gegensatz zu den Briten, die ihre in Ägypten bereitliegende 8.Armee durch Zuführung neuer Kräfte verstärkten, keine aufgefrischte Streitmacht aufbieten.
Operation „Crusader“ Die Festungsbesatzung von Tobruk wurde ebenfalls deutlich aufgestockt, sodass aus deutscher Sicht im Falle eines Ausbruchs die Entstehung einer zweiten Front im Rücken der im Raum Sollum stehenden deutsch-italienischen Verbände befürchtet werden musste. Rommel war sich der Gefahr eines möglichen „Zweifrontenkrieges“ bewusst. Er ließ den Einschließungsring um Tobruk enger ziehen. Dadurch wollte er seinen Truppen eine günstigere Ausgangsposition für einen erneuten Angriff auf die Festung verschaffen. Gleichzeitig musste man aber in der Lage sein, einen möglichen Entlastungsangriff von außen abzuwehren. Die Vorbereitungen zum Angriff auf Tobruk liefen im Herbst auf Hochtouren. Doch am 18. November war es nicht Rommel, sondern Auchinleck, der zuerst losschlug. Da ein Unwetter eine wirksame deutsche Luftaufklärung verhinderte, setzte sich – von den Deutschen anfangs unbe-
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AUSGEBAUT: Blick in ein StellungsFoto: Sammlung Bernd Peitz system.
„Wir haben trotz schwerster Verluste und Entbehrungen Tag und Nacht durchgehalten (...) in dem Geist, der uns alle beseelt heute, der Geist des Sieges.“ Erwin Rommel in einer Rundfunkübertragung nach der Einnahme der Festung Tobruk
merkt – eine Streitmacht, bestehend aus mehr als 1000 Panzern und fast 100 000 Soldaten in Bewegung. Sie griff im Rahmen der Operation „Crusader“ (Kreuzritter) die deutsch-italienischen Linien an der libyschägyptischen Grenze an. Den britischen Truppen der 8th Army gelang es durch einen Vorstoß am 19. November, bis auf knapp 20 Kilometer an Tobruk heranzukommen. Der Einschließungsring der „Achsenmächte“ war massiv gefährdet. Ausbruchversuche der Festungsbesatzung waren zu befürchten. Rommel entschied sich daher für einen Angriff in den Rücken des nach Tobruk vorstoßenden Gegners. Zu diesem Zweck bündelte er seine Panzerkräfte. Bei Sidi Rezegh südöstlich von Tobruk trafen am 23. November starke Panzerkräfte der verfeindeten Armeen aufeinander. Beide Seiten, besonders aber die Briten, mussten hohe Verluste hinnehmen. Am Abend zuvor hatte das Panzerregiment 8 der 21. Pz.Div. bereits die 4. Panzerbrigade überraschend eingekesselt und größtenteils gefangen genommen. Damit war ein wichtiger Stoßverband der Engländer ausgeschaltet. Der Oberbefehlshaber der 8. Armee, Generalleutnant Alan Cunningham, wollte die
Offensive abbrechen und sich an die ägyptische Grenze zurückziehen. Aber die Krise der 8. Armee konnte gemeistert werden: Auchinleck flog an die Front und setzte Cunningham ab. Er stellte seinen stellvertretenden Chef des Stabes, Generalmajor Neil Ritchie, an die Spitze der 8. Armee und verbot jedes Zurückweichen.
Verwirrung bei den Engländern Eine endgültige Entscheidung fiel auch in den kommenden Tagen nicht. Ein kühner Vorstoß mit der 21. Pz.Div. unter Generalmajor Johann von Ravenstein nach Ägypten hinein stiftete große Verwirrung und sorgte für Aufregung bei den Engländern. Aber die 15. Pz.Div. kam nicht rechtzeitig heran und der Mangel an Panzern und Treibstoff machte sich immer stärker bemerkbar. Da Ritchies neu formierte Verbände ihrerseits wieder in Richtung Tobruk vorstießen, musste das DAK Ende November den Rückzug nach Westen antreten. Dabei blieben am Halfayapass und in den italienischen Grenzbefestigungen Truppen in Bataillonsstärke zurück, die den englischen Nachstoß wochenlang entscheidend behinderten. Anfang Dezember wurde schließlich der Rückzug von Tobruk angetreten. Ende des
Britische Großoffensive
VORBEREITUNG: Flak-Kanoniere bereiten neben ihrem 8,8-cm-Geschütz die Munition vor. In Nordafrika wurde es von den Deutschen als wirFoto: Sammlung Bernd Peitz kungsvolle Panzerabwehrwaffe eingesetzt.
Monats erreichte das hinhaltend kämpfende DAK zusammen mit anderen Einheiten der „Panzergruppe Afrika“ Agedabia, den Ausgangspunkt des deutschen Vorstoßes in die Cyrenaika. Hier kam es erneut zu Gefechten mit zahlenmäßig überlegenen britischen Panzerverbänden. Die 22. Panzerbrigade wurde von Panzern der 15. und 21. Pz.Div. gestellt und zurückgeschlagen. Die übrigen Verbände der 8. Britischen Armee wichen ebenfalls aus. Der geordnete Rückzug der „Panzergruppe Afrika“ in die Auffangstellung von Marsa el Brega nahe El Agheila war am 12. Januar 1942 geglückt, die Cyrenaika jedoch in der Hand des Gegners. Den Soldaten der „Panzergruppe Afrika“ – seit 30. Januar 1942 „Panzerarmee Afrika“ – blieb erneut kaum Zeit zum Durchatmen. Ihr „Chef“ plante bereits den nächsten Coup.
Er wollte den Aufmarsch der nachrückenden Briten stören und erneut angreifen. Eines war klar: Rommel musste das Gesetz des Handelns an sich reißen.
Nächster Coup Um den Gegner zu täuschen, ließ Rommel das Gerücht verbreiten, er wolle die BregaStellung räumen. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer und blieb auch dem britischen Geheimdienst nicht verborgen. Als Rommel in Marsa el Brega leerstehende Häuser und alte Schiffswracks in Brand setzen ließ, glaubten die Briten, er treffe die letzten Vorbereitungen für den Rückzug. Der listige „Wüstenfuchs“ hatte den Gegner jedoch ein weiteres Mal getäuscht. Der Armee-Tagesbefehl vom 21. Januar befahl den Angriff und forderte die Rommel unterstellten Soldaten auf, „das Letzte“ zu geben.
DOKUMENT Telegramm an Rommel vom 20. Januar 1942 „Dank Ihrem hervorragenden Einsatz haben Sie erneut in Zusammenarbeit mit unseren Verbündeten die anglo-amerikanischen Absichten durch einen Abwehrsieg gegen weit überlegene Gegner zunichte gemacht. In dankbarer Würdigung Ihres Erfolges und des
Clausewitz Spezial
heldenhaften Kampfes der Ihnen unterstellten deutschen und italienischen Truppen verleihe ich Ihnen als sechstem Offizier der Deutschen Wehrmacht das Eichenlaub mit Schwertern zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes.“ [gez. Adolf Hitler]
Tatsächlich gelang es Rommels Truppen, die Briten zu überrumpeln und innerhalb kurzer Zeit über die Hafenstadt Bengasi bis zur Gazala-Stellung westlich von Tobruk vorzustoßen. Dabei konnte er nach langer Zeit wieder auf neue Panzer und Spähwagen zurückgreifen. Bei Gazala bildeten die Engländer eine Abwehrfront, die für sie eine ähnliche Bedeutung bekam wie zuvor die Marsa el Brega-Stellung für die Deutschen. Rommel, als sechster Offizier der Wehrmacht mit dem „Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes“ ausgezeichnet, wurde Ende Januar 1942 zum Generaloberst befördert. Bis zu seinem größten Triumph sollten allerdings noch einige Monate vergehen. Ende Mai 1942 setzte Rommel zur Großoffensive auf die gut ausgebaute Gazala-Stellung an (Unternehmen „Theseus“). Sie erstreckte sich als Bollwerk vor Tobruk von der Küste bis tief ins Wüsteninnere bei Bir Hacheim. Hier kam es zu verlustreichen Kämpfen gegen freifranzösische Brigaden und Fremdenlegionäre. Sie konnten schließlich am 11. Juni geworfen werden, doch ein Großteil von ihnen entkam. Immerhin waren die eingesetzten Verbände nun frei für den erneuten Angriff auf Tobruk. Dieses Mal
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Schussbereit: Ein MG-Schütze ist mit seinem sMG 34 (schweres MG) in Stellung gegangen. Foto: Sammlung Bernd Peitz
Kattara-Senke im Süden vor Alexandria beziehen. Ende Juni standen Rommels Truppen schließlich vor El Alamein.
Wende bei El Alamein
ZERSTÖRT: Soldaten des DAK auf einem abgeschossenen Panzer.
GEFANGEN: Deutsche Soldaten gehen in britische Kriegsgefangenschaft.
Foto: Sammlung Bernd Peitz
Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo
sollte ein gewaltiger Luftschlag auf die geplante Einbruchstelle im Südosten den Sturm auf die Festung vorbereiten. Für den Angriff am Boden waren das DAK und das XX. Italienische Korps (mot.) vorgesehen.
seinen Soldaten keine Verschnaufpause und wendete sich ostwärts der ägyptischen Grenze zu. Um Marsa Matruch entbrannten wenige Tage später erneut heftige Gefechte mit starken Verbänden der 8. Armee. Zwar gelang Rommel die Einnahme der Stadt, jedoch misslang die Einkesselung des Gros der feindlichen Infanterieeinheiten. Die gegnerischen Verbände konnten sich ostwärts zurückziehen und mit der AlameinFront eine 60 Kilometer lange Verteidigungslinie von El Alamein bis zur unbefahrbaren
„Held von Tobruk“ Rommel ließ Gassen in die Minenfelder schlagen, um der zum Sturm angetretenen Infanterie den Weg zu bahnen. Die Pionierverbände überbrückten unter starkem Feindfeuer die Gräben und machten den Weg frei für die Panzerverbände. Die Verteidiger konnten der Wucht des Sturmangriffs nicht standhalten und mussten schließlich nur einen Tag nach Angriffsbeginn am 21. Juni 1942 aufgeben. Nach der Einnahme von Tobruk wurde Rommel zum Generalfeldmarschall befördert. Deutschland bejubelte den Sieg des „Afrikakorps“ bei Tobruk. Nun rief Rommel das Ziel aus: Auf nach Ägypten, auf nach Suez! Er gönnte sich und
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Unterdessen machte sich im Sommer 1942 in britischen Führungskreisen Nervosität breit. Man befürchtete den Vorstoß der Deutschen bis zum Suezkanal. Churchill reiste daher nach Kairo ins britische Hauptquartier, um sich über die Lage vor Ort zu informieren. Er nahm die Verteidigungsstellung bei El Alamein in Augenschein und betraute neue Kräfte mit der militärischen Führung. Er ersetzte General Auchinleck durch General Harold Alexander und übertrug General Bernard Montgomery das Kommando über die 8. Armee. Dieser gab sofort die Losung aus: Es darf keinen weiteren Rückzug geben! Die Sommermonate waren geprägt von dem Versuch der „Achsenmächte“, die feindlichen Linien zu durchstoßen. Ihr Ziel war es, den Abwehrriegel bei El Alamein aufzubrechen. Vereinzelte Erfolge brachten jedoch keine Entscheidung. Rommel zeigte sich enttäuscht über die mangelnde Rückendeckung seiner „Panzerarmee Afrika“ durch
„Rommel hat mir und allen, die unter meinem Kommando standen, viele bange Stunden bereitet. Im Kampf gegen Rommel gab es keine Atempause.“ Sir Claude Auchinleck in seinem Vorwort zu Desmond Youngs Buch „Rommel“, Wiesbaden 1950
Erdrückende alliierte Überlegenheit Thema ?????
KARTE
Krieg in Nordafrika 1941–1943
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
das OKW. Er beklagte außerdem die Unfähigkeit beziehungsweise den Unwillen der Italiener, für eine funktionierende Versorgung zu sorgen. Hinzu kam, dass die von Malta aus operierenden britischen U-Boote und Flugzeuge die deutsch-italienischen Nachschubtransporte wirkungsvoll attackierten. Im September musste daher der letzte Versuch zum Durchbruch bei El Alamein aufgegeben werden.
Rommels Rückzug Von nun an spielte die Zeit den Briten und ihren Commonwealth-Truppen in die Hände. Mit Nachschublieferungen, darunter umfangreichem Kriegsgerät aus den USA, verschafften sie sich ein erdrückendes Übergewicht. Am 23. Oktober begann schließlich Montgomerys Großoffensive Operation „Lightfoot“. Seine gewaltige Übermacht entschied nach zähem zehntägigem Ringen schließlich den Kampf. Rommels Truppe erlitt hohe Verluste.
Clausewitz Spezial
Anfang November befahl Rommel seinen Verbänden den Rückzug. Als Hitler verspätet von Rommels Entscheidung erfuhr, war der „Führer“ außer sich und befahl, die Absetzbewegung zu stoppen. Der Rückzug nach Libyen befand sich zu diesem Zeitpunkt jedoch in vollem Gange. Kurz darauf, am 8. November 1942, wendete sich das Blatt endgültig. Im Rahmen der Operation „Torch“ (Fackel) landete eine alliierte Armada an der Küste Algeriens und Marokkos. Mehr als 100 000 Mann gingen an Land, um die deutsch-italienischen Streitkräfte durch Errichtung einer neuen Front in die Zange zu nehmen.
Literaturtipp Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd. 3: Der Mittelmeerraum und Südosteuropa. Stuttgart 1984
Vergeblich versuchte Hitler, durch die Landung deutscher Verbände in Tunis und die Aufstellung der 5. Panzerarmee dieses Vorhaben zu verhindern. Ende Januar 1943 fiel Tripolis. Rommels Truppen zogen sich ganz aus Libyen nach Tunesien zurück. Anfang März 1943 verließ Rommel Afrika. Vergeblich versuchte er, Hitler von einer Evakuierung seiner Truppen nach Italien zu überzeugen. Hitler übertrug den Oberbefehl über die „Heeresgruppe Afrika“ (seit 23. Februar 1943) am 9. März Generaloberst Hans-Jürgen von Arnim. Doch auch die Zuführung neuer Kräfte und Waffen konnte nicht verhindern, dass sich die „Achsenmächte“ in Nordafrika geschlagen geben mussten. Dr. Tammo Luther, Jg. 1972, Verantwortlicher Redakteur von CLAUSEWITZ und Freier Autor & Lektor in Schwerin mit Schwerpunkt „Deutsche Militärgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts“.
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Rommels Offiziere des DAK
FUNDAMENTALE FRAGE: War Rommel ein „Feldherrengenie“ oder ein überbewerteter Durchschnittssoldat? Oder liegt die Wahrheit irgendwo daFoto: National Archives zwischen?
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Harmonische Führungskunst?
Rommel und die Offiziere des Deutschen Afrikakorps Ein Sprichwort aus dem Alten Rom lautet: „Über die Toten nur Gutes.“ Und so hatte von 1945 bis 1976 das deutsch-britische „Nachkriegs-Gentleman-Agreement“ Bestand über Von Peter Andreas Popp den in Fragen militärischer Führung nahezu perfekten Rommel.
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iese Aussage muss freilich relativiert werden: Es hatte Bestand, was den Kreis der Offiziere anging, die Rommel direkt unterstellt waren. Nämlich so lange, bis 1976 das Buch des Publizisten Wolf Heckmann mit dem Titel „Rommels Krieg in Afrika. Wüstenfüchse gegen Wüstenratten“ erschienen war. Heckmann zählte zu den profiliertesten Journalisten des politischen Boulevards in der Bundesrepublik. Ihm ging es immer um das Freilegen der „story behind the story“. Rommels dienstliches Verhältnis zu den Offizieren des Deutschen Afrikakorps bildete demnach für seinen investigativen Ansatz ein geradezu ideales, aber auch schwieriges Sujet. Sein lebendiger Text fand später eine eher anekdotenhafte Ergänzung durch die 2007 erschienene Schrift „Rommel’s desert commanders“ des amerikanischen Militärhistorikers Samuel W. Mitcham. Um welche Namen geht es, beziehungsweise wer waren die Kritiker Rommels? Zu nennen sind: Fritz Bayerlein (Oberstleutnant i. G. und Chef des Stabes (CdS) des DAK), Ludwig Crüwell (Generalleutnant und Kommandierender General des DAK), Dr. Ing. Herbert Olbrich (Oberst und Kommandeur des Panzer-Regiments 5), Johannes Streich (Generalmajor und Kommandeur der 5. Leichten Division) und Siegfried
Westphal (Oberst i. G. und Erster Generalstabsoffizier (Ia) im Stabsquartier der Panzergruppe Afrika).
Großer Geltungsdrang Heckmanns Schrift schlug deshalb ein wie eine Bombe, weil sich die Angehörigen des DAK bis dato immer als verschworene Gemeinschaft präsentiert hatten. Schließlich waren bereits 1950 Rommels „Afrikanische Memoiren“ unter dem bezeichnenden Titel „Krieg ohne Hass“ erschienen. Für diese zeichneten posthum als Herausgeber Fritz Bayerlein und Lucie-Maria Rommel verantwortlich. Wie sollte es da Dissonanzen zwischen Rommel und Bayerlein gegeben haben? Die Wirklichkeit sah „etwas“ anders aus. Heckmanns Buch bestätigte, worüber die Kritiker Rommels aus dem Oberkommando des Heeres konstant Klage führten: Rommel als impulsiver und unlogisch handelnder militärischer Führer, der sich aus Profilierungssucht Kabinettstückchen leistete, ohne an das Leben der ihm unterstellten Soldaten zu denken. Als Beispiel hierfür sei Generalleutnant a. D. Heinrich Kirchheim zitiert, als Leiter des Sonderstabes Libyen Beobachter des Oberkommandos des Heeres (OKH) in Nordafrika. 1959 schrieb er in einem Brief seinem DAK-Kameraden von ehedem,
„Mag sein, dass Rommel kein großer mt in der Stratege war. Doch er war bestim Mann ganzen deutschen Armee der beste General Fritz Bayerlein für den Wüstenkrieg.“
AN DER SEITE ROMMELS: Fritz Bayerlein (links) zusammen mit dem „Wüstenfuchs“ während der Schlacht von El Alamein. Bayerlein gab später Rommels Afrika-Aufzeichnungen unter dem Titel „Krieg ohne Hass“ heraus. Eine Schrift, die maßgeblich zum Image Rommels beitrug. Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto
„Rommel war der Genera l, der von vorne führte, seinen Truppe n voranstürmte. Er war für uns junge Männer ein Idealbild des militärisch en Führers.“
Meinhard Glanz, Gener al a. D., Deutsches Afrika korps
„Es ist mit Rommel schwierig, weil er sich nur ungern unterstellt. Er ist in Afrika sehr selbstständig gewesen.“ Clausewitz Spezial
Wilhelm Keitel
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Rommels Offiziere des DAK
ZWEISCHNEIDIGES URTEIL: Im Juli 1940 bezeichnete General Hoth Rommel einerseits als fronterfahren und innovativ, andererseits aber auch als rücksichtslos und die Leistungen anderer unterschätzend. Foto: picture-alliance/akg-images
HARTE WORTE: Ludwig Crüwell bezeichnete Rommel rückblickend als Räuberhauptmann und Glücksritter. Lag dieses negative Urteil daran, dass Crüwell – wie viele andere Rommelkritiker – zu starr dachte? Aufnahme von 1955. Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto
MEINUNG DES GEGNERS: General Auchinleck hatte nicht die höchste Meinung von Rommel und stützte sich dabei auf Aussagen deutscher Offiziere. Grundsätzlich war das Bild des „Wüstenfuchses“ auf britischer Seite aber sehr positiv. Foto: ullstein bild/TopFoto
Johannes Streich: „Ich werde an die Zeit ungern erinnert, weil so viel Blut ganz unnütz vergossen wurde … Ich stehe bezüglich Rommel auf dem Standpunkt: Seine Person ist durch die Propaganda, erst von Goebbels, dann von Montgomery und schließlich, nachdem er vergiftet war, durch die Propaganda aller ehemaligen Feindmächte, zum Symbol besten Soldatentums geworden. (…) Seine Führereigenschaften werden glorifiziert, auch seine Charaktereigenschaften, insbesondere die Ritterlichkeit, Güte und Bescheidenheit!“
hier wiedergegebenen Zitate – die äußerst lesenswerte Detailstudie von Adalbert von Taysen akribisch Auskunft. Kirchheims Brief an Streich enthält einen äußerst bedenkenswerten Satz: „Jede öffentliche Kritik an dieser schon mythisch gewordenen Persönlichkeit würde dem Ansehen deutschen Soldatentums schaden.“ Eine kritische Sicht auf Rommel wäre demzufolge „Nestbeschmutzung“. Bei Kirchheim kommt allerdings noch ein sehr persönliches Moment zum Tragen: Karrierismus. Er hatte vor dem Ersten Weltkrieg bei den deutschen Kolonialtruppen gedient. Mitte Juni 1941 wurde er vom nordafrikanischen Kriegsschauplatz abgezogen und zum Leiter des Sonderstabes Tropen im OKH eingesetzt. Infolge der Kapitulation Rommels in Nordafrika verlor dieser Stab seine Existenzberechtigung. Kirchheim war sodann als Führer des Sonderstabes C im OKH für Kontrollaufga-
Persönliche Motive Kirchheim – wie überhaupt Rommels Offizierskameraden – fokussierten ihre Kritik am „Wüstenfuchs“ insbesondere auf die Schlacht im Raum Tobruk im Frühjahr 1941. Über das dortige Schlachtgeschehen gibt – zu verstehen als bewusste Hintergrundinformation und zum besseren Verständnis der
Kühnheit „Sein bei aller Energie und den klaren menschlich warmes Gesicht mit entstehen.“ blauen Augen ließ Vertrauen
Hans Speidel, General a. D.
„Er hat von seinen Soldaten nie etwas verlangt, was er nicht von sich selbst verlangt hätte.“ Wilfried Armbruster, Dolmetscher Rommels
ben in der Ausbildung des Ersatzheeres zuständig. Und jetzt kommt die eigentliche „Herausforderung“: Im Bereich Oberbefehlshaber des Ersatzheeres (OBdE) agierte ein gewisser Oberstleutnant i. G. Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Am Tage nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 übernahm Heinrich Himmler die Stellung des OBdE. Kirchheim passte sich an und gehörte zum neu eingerichteten Ehrenhof der Wehrmacht, der die Attentäter dem Volksgerichtshof überstellte. Rommel, der vermeintliche Mitverschwörer, beging Selbstmord, weil ihm ansonsten eben dieser Ehrenhof „geblüht“ hätte.
Kühn und sprunghaft Die kritischen Aussagen der Rommel unterstellten Spitzen- und Stabsoffiziere decken sich mit einer Aussage, die Rommels Kommandierender General, der spätere Generaloberst Hoth, im Juli 1940 über den ihm unterstellten Rommel getätigt hatte: „Ungewöhnlich frisch, wagemutig, einsatzbereit. Rücksichtsloser Wille. Seine eigene Kühnheit und erstaunliche körperliche Leistungsfähigkeit in Verbindung mit rastlosem Tätigkeitsdrang verführen ihn leicht zur Sprunghaftigkeit und Unterschätzung der Leistung anderer. Untrüglicher, durch Fronterfahrung
„Ich selbst hielt Rommel nie für das militärische Genie, als das er herausgestellt wu rde.“ Martin Bormann, Se kretär des „Führer s“
„Rückblickend ist Rommel eine der arrogantesten Offiziersgestalten gewesen, die mir im Leben begegnet sind. Das drückte sich besonders in seinem Verhalten gegenBaldur von Schirach über kleineren Leuten aus.“
Widersprüchlicher Charakter ihm unterstellten Kommandeure] daher, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln die Auffassung aus der Welt zu schaffen, dass Rommel mehr ist als ein gewöhnlicher deutscher General, und zwar ein sehr unangenehmer, wie wir aus dem Munde seiner eigenen Offiziere wissen.“ Wie wir anhand der publizierten Abhörprotokolle kriegsgefangener deutscher Generale und Offiziere wissen, sprachen diese auch recht freimütig über die Persönlichkeit Rommels. Es handelt sich hierbei um eine äußerst spannende Lektüre, wobei zu beachten ist, dass diese Protokolle nicht immer Mitschriften im Format 1:1 verkörpern.
Der Anti-Rommel
KRITIKER UNTER SICH: Ludwig Crüwell (links) und Fritz Bayerlein bei einer Lagebesprechung in Nordafrika. Im Falle Crüwells könnte dessen Negativbild Rommels aber auch mit Karrierismus zu tun haben. Crüwell selbst wurde von den Briten als „Möchtegern-Friedrichder-Große“ bezeichnet. Foto: ullstein bild/Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
geschulter Blick für die entscheidenden Punkte der Kampfhandlungen. Hat neue Wege in der Führung von Panzerdivisionen beschritten. Beansprucht hierzu große Selbstständigkeit, die er durch Erfolge rechtfertigt.“
Unterschiedliche Wahrnehmung Allein, der Tenor der ihm direkt unterstellten Offiziere ist härter als bei Hoth. Hierfür ein markantes Beispiel aus dem Munde Crüwells zu Rommels Führungsstil von vorn, Zeitpunkt Ende 1941: „So ein Verrückter, als MG-Schützen sind wir alle doch etwas überbezahlt.“ Rommel als „Marschall Vorwärts“ im afrikanischen Sand, der von den Mannschafts- und Unteroffiziersdienstgraden, nicht minder den jungen, durch das NS-Regime sozialisierten Leutnants und Oberleutnants als Volksgeneral geschätzt wurde. Die vor 1933 geformten Stabsoffiziere erlebten ihn als sprunghaft-impulsiv, weil nicht klar strukturiert denkend und handelnd. Crüwells weiteres Schicksal kann durchaus erklären, warum die Briten durch Weg-
Clausewitz Spezial
lassen negativer Elemente ein so positives Rommel-Bild zeichneten. Und das trotz des Urteils von General Auchinleck – dieser hatte jedenfalls so seinen ganz besonderen Blick auf Rommel: „Es besteht die höchst greifbare Gefahr, dass unser Freund Rommel bei unseren Truppen, die viel zu viel über ihn reden, zu einer Art Magier und Kinderschreck wird. Ich ersuche Sie [= die
Literaturtipps Heckmann, Wolf: Rommels Krieg in Afrika. Wüstenfüchse gegen Wüstenratten. BergischGladbach 1976, Neudruck Wien 2006 Mitcham, Samuel W.: Rommel’s desert commanders. The men who served the Desert Fox, North Africa, 1941–1942. Westport 2007 Neitzel, Sönke: Abgehört: Deutsche Generäle in britischer Kriegsgefangenschaft 1942–1945. Berlin 2005 von Taysen, Adalbert: Tobruk 1941. Der Kampf in Nordafrika. Freiburg i. Br. 1976
Crüwell geriet am 29. Mai 1942 westlich von Tobruk in britische Kriegsgefangenschaft. Zwischen Rommel und Crüwell hatte es beurteilungstechnisch jedenfalls keinerlei Verwerfungen gegeben. Rommel hatte sich am 12. April 1942 ausdrücklich der Beurteilung Crüwells aus der Feder des Generals Werner Kempf vom 28. Oktober 1941 angeschlossen: „Überragende Persönlichkeit. Beispielhaft tapfer. Großes taktisches Wissen und Können, große Umsicht, schnellste Entschlusskraft. Unermüdlich tätig. Hervorragend geführt und größte Erfolge erreicht.“ Crüwells Einschätzung britischerseits sollte zu denken geben und den Blick schärfen für den Wahrheitsgehalt von Zitaten, die ohne Berücksichtigung des Zeitpunktes und des Ortes, an dem sie getätigt wurden, wiedergegeben werden. Außerdem sollte die Tatsache bedacht werden, dass auch in der Regel affektkontrolliert agierende Menschen – wie sie im Idealfall höhere Offiziersdienstgrade ja repräsentieren – irren können. Für die Briten stellte Crüwell den AntiRommel dar – er wurde als Kopf der „Nazi Clique“ tituliert und galt „als ignoranter, dummer, empfindsamer, engstirniger, eitler und selbstzufriedener Typ eines preußischen Generals“, der sich ständig für einen Friedrich den Großen des 20. Jahrhunderts hielt und von Karrierismus zerfressen war. Dazu kontrastiert nun völlig die britische Perspektive hinsichtlich der Wahrnehmung Rommels auf dem französischen und nordafrikanischen Kriegsschauplatz. Was lehrt uns dies? Oftmals bildet die subjektive Wahrnehmung die Realität. So, wie das höhere Offizierskorps des DAK Erwin Rommel einschätzte, so war er eben auch beschaffen: eine letztlich doch sehr vielschichtige, absolut herausfordernde und Widerspruch erregende Persönlichkeit. Eine schillernde Figur, deren charismatische Eigenschaften Defizite auf strategisch-operativem Felde oft überlagerten.
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Bernard Montgomery
„DORT IST ROMMEL!“: General Montgomery kurz vor dem Gefecht in El Agheila/Libyen Ende 1942. Links: Generalleutnant Arthur Coningham von der Foto: picture-alliance Royal Air Force
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Rommels bedeutendster Gegner
Bernard Montgomery August 1942: Von nun an kommandierte „Monty“ die britische 8. Armee in Nordafrika. Als Sieger in der Schlacht von El Alamein über das Afrikakorps avancierte Montgomery Von Maximilian Bunk zum populärsten britischen Heerführer des Zweiten Weltkrieges.
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m 5. Juni 1945 posierte Bernard Law Montgomery zusammen mit Georgij Schukow, Dwight D. Eisenhower und de Tassigny in Berlin – der Krieg in Europa war vorbei, die vier Siegermächte feierten den Triumph über das Hitlerreich. Für den kleinen Mann mit Schnurrbart und Béret war es ein langer und beschwerlicher Weg bis in die Stadt an Havel und Spree: Er kämpfte auf Sizilien und in Süditalien, kommandierte die Operationen „Overlord“ und „Market Garden“ und stieß über den Rhein nach Deutschland vor, wo er am 4. Mai 1945 die Kapitulation der Wehrmacht in Nordwestdeutschland, Dänemark und den Niederlanden entgegen nahm.
Der „Angstgegner“ Rommel Doch all diese – von Rückschlägen und Entbehrungen begleiteten – Erfolge verblassen in der Erinnerung an den Kampf um Nordafrika. Hier traf Montgomery auf seinen populärsten Gegenspieler: Erwin Rommel. Die Auseinandersetzung wird oft verklärt als gigantisches Schachspiel zwischen zwei Feldherren-Titanen, die in der Militärgeschichte ein populäres Widersacher-Paar vom Range Löwenherz-Saladin oder Napoleon-Wellington abgeben. Rommel war ein extrem charismatischer Befehlshaber, der von der Front aus führt und kein Risiko scheut. In Nordafrika ging er nach seiner Ankunft sofort zur Offensive über, wenngleich sein Auftrag ursprünglich eine defensive Ausrichtung hatte. Rommel erkannte die Möglichkeiten, die sich ihm boten, und er handelte oft intuitiv, was viele erfolgreiche Feldherren auszeichnete. Vor allem aber erkannte Rommel wie wichtig es war, im Kampf die Initiative zu haben und somit das Geschehen (weitgehend) bestimmen zu können. Er operierte offensiv, führte einen „Blitzkrieg“ gegen die Briten, setzte auf den Überraschungseffekt und versuchte, seinen Gegner durch kreative Taktiken auszumanövrieren. Zunächst hatte Rommel damit auch Erfolg. Durch sein unkonventionelles Vorge-
Clausewitz Spezial
hen konnte er nach seinem Eingreifen auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz die Briten aus Libyen vertreiben. Sogar Churchill bezeichnete ihn als einen „großen General“.
Wer bezwingt das Afrikakorps? Für die Briten entwickelte sich Nordafrika zu einem militärischen Desaster. Die immensen Erfolge Rommels ließen Winston Churchill nach einem Befehlshaber suchen, der dem deutschen „Wundergeneral“ endlich et-
was entgegenzusetzen vermochte – Rommel hatte bereits drei britische Kommandeure verschlissen. Die Wahl fiel schließlich – gegen den Widerstand Churchills – auf Bernard Law Montgomery, der ab August 1942 Oberbefehlshaber der 8. Armee war. „Monty“ war hoch motiviert und kannte nur ein Ziel: Rommel, den „Wüstenfuchs“, schlagen und das Afrikakorps „abservieren“! Montgomery war von Gestalt ein eher kleiner Mann, der die Charaktereigenschaften eines Terriers aufwies: zäh, ausdauernd
DATEN Bernard L. Montgomery (1887–1976) 1887 Bernard Law Montgomery wurde in Kennington/London geboren (17. November). Als Sohn eines Geistlichen nordirischer Abstammung und einer Pfarrerstochter wuchs er zunächst in Tasmanien auf. 1901 Wieder in England, trat er in die Armee ein und besuchte die Militärakademie Sandhurst. 1914–18 Offizier im 1. Weltkrieg 1938 Generalmajor in Palästina 1941 Oberbefehlshaber des Südkommandos in England 1942 Kommandeur der 8. Armee in Nordafrika und Sieg bei El Alamein über das Deutsche Afrikakorps 1943 Landung auf Sizilien 1944 Ernennung zum Feldmarschall 1945 Erhebung zum Viscount Montgomery of Alamein 1949 Stellvertretender Oberster Befehlshaber der Alliierten in Europa 1958 Ausscheiden aus der Armee und Veröffentlichung seiner Memoiren 1976 Tod in Isington Mill/England (24. März)
KULTSTATUS: Montgomery war ein äußerst erfolgreicher Offizier und wurde für seine Verdienste sogar geadelt. Der „Sieger über Rommel“ inszenierte sich selbst gekonnt und machte das schwarze Béret zu seinem Markenzeichen. Er besaß auch zwei Hunde, denen er die Namen „Hitler“ und „Rommel“ gab. Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto
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Bernard Montgomery
ENTSCHLOSSENER BLICK: Montgomery in einem M3/Grant im November 1942. Ein von „Monty“ verwendeter Grant Kommandopanzer kann heute im Imperial War Museum in London besichtigt werden. Foto: NARA
und unnachgiebig. Er setzte auf exakte Planung und die richtige Ausbildung seiner Soldaten, d.h. in seiner militärischen Professionalität unterschied sich Montgomery nicht sehr von seinem deutschen Gegenüber. Außerdem war Churchills „Erster Mann“ in Nordafrika von seinen Fähigkeiten überzeugt, glaubte an seine Mission und Männer – und diese Einstellung übertrug er auf seine Untergebenen. Sofort nach seinem Erscheinen hämmerte er den Offizieren ein: „Rückzug habe ich gestrichen. Falls wir angegriffen werden, wird es keinen Rückzug geben. Wenn wir hier nicht überleben, dann werden wir hier tot liegen bleiben.“ Er festigte seinen Führungsanspruch nach dem Motto: „Es wird getan, was ich sage! Keine Diskussionen
HINTERGRUND
mehr!“. Dieses überzeugte Auftreten, zusammen mit häufigen Frontbesuchen bei seinen Truppen, führte bald zu einem Ansteigen der Moral (die in Folge des permanenten Rückzuges auf dem Nullpunkt angekommen war). Montgomery wusste: Die Moral, der Wille seiner Soldaten zu kämpfen, war entscheidend.
Befehlshaber mit Kultstatus Bisher bestand das Problem, dass die eigenen Soldaten vor Rommel mehr Respekt und Achtung hatten als vor den eigenen Befehlshabern. Dies war psychologisch eine höchst gefährliche Situation: Wenn die
Erfolgloser Gegenspieler
Archibald Wavell, ein durchaus erfahrener General, schlug zunächst die Italiener, aber er musste wegen des Angriffs der Achsenmächte auf Griechenland Truppen auf den neuen Kriegsschauplatz entsenden. Rommel konnte daraufhin offensiv vorgehen und einen mobilen Wüstenkrieg führen, was im krassen Gegensatz zur italienischen Militärführung stand, die für ein defensives Verhalten eintrat. Wavell scheiterte im Juni 1941 in der Operation „Battleaxe“, woraufhin ihn Claude Auchinleck ablöste. Dieser entsprach aber ebenfalls nicht den offensiven Erwartungen Churchills. Auchinleck sah die 8. Armee als zu schwach und erschöpft an, um gegen den gefürchteten „Wüstenfuchs“ zu bestehen. Rom-
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ERFOLGREICHER ABSCHLUSS: Im Gegensatz zu Rommel überlebte „Monty“ den Krieg nicht nur, sondern er stand auch auf der Seite der Sieger. Das Foto zeigt ihn neben Georgij Schukow auf einer Parade der Roten Armee in Berlin am 20. Mai 1945. Foto: picture-alliance/akt-images
mel hatte also bislang den Vorteil, gegen defensiver eingestellte Befehlshaber vorgehen zu können. DEFENSIV EINGESTELLT: Dieses Gemälde zeigt Rommels Gegenspieler in Nordafrika, Claude Auchinleck. Ebenso wie General Wavell erleichterte er dem „Wüstenfuchs“ ein offensives Vorgehen. Erst Montgomery verwies Rommel in seine Schranken. Das wirft die Frage auf: War Rommel ein begnadeter Feldherr oder hatte er bis zum Auftreten von „Monty“ schlichtweg schwache Gegner? Foto: picture-alliance/ Mary Evans Picture Library
Truppe nicht mehr fest davon überzeugt ist, den „Übermenschen“ und „Militärmagier“ Rommel, der ihnen schon so oft ein Schnippchen geschlagen hatte, besiegen zu können, dann werden sie dies auch nicht tun. Dieses Phänomen ist in Soziologie und Psychologie auch als „selbsterfüllende Prophezeihung“ bekannt. Montgomery erkannte den Bann, den Rommel auf seine Soldaten ausübte und begegnete diesem „Mythos Rommel“, indem er einen „Mythos Monty“ erschuf. Montgomery „verwandelte“ sich in einen noch größeren General als Rommel, d.h. er machte seine Soldaten glauben, dass er der Beste und jedem Feind überlegen sei. Zu dieser Inszenierung gehörte z.B. das Auftreten im schwarzen Panzer-Béret, das von nun an sein unverwechselbares Markenzeichen wurde. Er erschuf sich gewissermaßen selber neu, um den „Zauber“ Rommels zu brechen. Dieser Trick aus der psychologischen Wunderkiste wirkte, und die Männer der 8. Armee glaubten an „ihren Monty“ und die Möglichkeit eines Sieges über den vermeintlich unbezwingbaren „Wüstenfuchs“.
Vorsichtig, nicht feige! Neben solchen suggestiven Maßnahmen für die eigenen Soldaten kümmerte sich Montgomery auch um die Deutschen. Er studierte die Taktik Rommels intensiv und erkannte, dass dieser sich im Zweifelsfall stets für die Option „Angriff“ entscheiden würde und Flankenmanöver präferiere. Damit wurde Rommel bis zu einem gewissen Grad vorhersehbar. Ein Beispiel hierfür war die Schlacht von Alam Halfa, in der Rommel die linke Flanke der Briten zu vernichten ver-
„Ich glaube, Montgomery versuchte so zu denken wie Rommel.“ Charles Squire, Gegner Rommels in Afrika
sucht. Montgomery sah die Handlungen seines Rivalen korrekt voraus und raubte ihm somit zwei seiner größten Trümpfe: Geschwindigkeit und den Überraschungsmoment. Die Briten konnten den Angriff aufhalten, Montgomery setzt dem abrückenden Feind aber nicht nach – eine Entscheidung, die ihm zu Hause vorgeworfen wurde. Allerdings hätte eine solche spontane Verfolgung – die Gunst der Stunde nutzend – völlig „Montys“ methodischem Vorgehen widersprochen. Eine Eigenschaft, welche Rommel an seinem britischen Gegenüber fast schon angewidert hat: das behutsame und, aus der Perspektive Rommels, übervorsichtige Vorgehen. Jedenfalls wollte Montgomery nichts überstürzen und wenig riskieren. Ihm ging es nicht um kurz-, sondern langfristigen Erfolg. Er wollte seine Truppen lieber auf eine groß angelegte und gut geplante Gegenoffensive vorbereiten. Bei all dem muss beachtet werden, dass Churchill einen schnellen Sieg oder doch zumindest einen vorzeigbaren Erfolg haben wollte, den er der britischen Öffentlichkeit präsentieren konnte. Der Premierminister verlangte geradezu ein offensives Vorgehen. Und in diesem Licht betrachtet, zeichnete sich Montgomery besonders aus: Er gab diesem immensen politischen Druck nicht nach, da die 8. Armee seiner Meinung nach noch nicht für eine solche Operation bereit war. Als Befehlshaber vor Ort nahm er sich das Recht heraus, selbst zu entscheiden wie er seine Soldaten am besten einsetzen würde, und überließ dies nicht den nach einem propagandistischen Sieg lechzenden Politikern im fernen London. Damit bewies er in einer extrem angespannten Situation Haltung und Rückgrat!
Triumph bei El Alamein Montgomery unterzog seine Soldaten einem harten Training, um sie auf eine Entscheidungsschlacht vorzubereiten, die Disziplin zu stärken und auf die Auseinandersetzung mit dem kampferprobten Afrikakorps einzuschwören. Nach Wochen der konsequenten Ausbildung befanden sich die britischen Truppen auf dem Zenit ihrer Kraft (zusätzlich verstärkt mit neuen Sherman-Panzern und frischen Soldaten). Er konnte nun – und hier wendet sich das Blatt – zum Angriff blasen und damit die Rolle einnehmen, die Rommel bis dahin besetzt hatte.
Clausewitz Spezial
Dieser ging im Gegenzug, gezwungenermaßen und auch Nachschubproblemen geschuldet, zur Defensive über: Er grub sich hinter Minenfeldern ein. Die Verteidigungsanlagen der Deutschen waren formidabel und durchdacht. Rommel betätigte sich hier als Meister der Verteidigung und widerlegt den Ruf, nur offensiv vorgehen zu können. Auf britischer Seite zahlte sich das lange Training, zu dem auch das Zerstören von Minen gehörte, aus. Außerdem ließ Montgomery seine Panzer als Lastwagen tarnen und konnte somit die Deutschen von seinem Hauptangriff ablenken. Auch in Bezug auf unkonventionelle Kriegführung eiferte er mit diesem Vorgehen Rommel nach. Die (zweite) Schlacht von El Alamein ist trotzdem alles andere als einfach für die Briten, denn zunächst halten die deutsch-italienischen Linien. Doch letztendlich – und darauf kommt es an – gelang es Montgomerys Truppen durchzubrechen. „Monty“ improvisierte und gab nicht auf, und das führte am Ende zum Sieg. Mit El Alamein war das geschundene Selbstvertrauen der Briten wieder hergestellt – eine wichtige Schlacht war gewonnen und der Suezkanal vom Zugriff Rommels bewahrt. Churchill ließ im ganzen Königreich die Glocken läuten, um diesen psychologischen Sieg, der über den rein militärischen Aspekt hinausging, zu feiern. Ein Wendepunkt, der für immer mit dem Namen Montgomery verknüpft sein wird.
Der bessere Befehlshaber? War Montgomery nun der bessere Kommandeur? Hatte Rommel bis zur Ankunft „Montys“ nur Pfuscher als Gegner? Sicherlich verstand es Montgomery hervorragend, seine Soldaten zu motivieren, und bis zu einem gewissen Grad hat er Rommel auch „durchschaut“ und ihm einen Krieg
Literaturtipps Chalfont, Alun: Der Sieger von El Alamein. Feldmarschall Montgomery, der Gegner von Rommel. Frankfurt 1991 Hamilton, Nigel: The Full Monty: Montgomery of Alamein. London 2002 Heckmann, Wolf: Rommels Krieg in Afrika: „Wüstenfüchse gegen Wüstenratten“. Bergisch Gladbach 1976
IM RUHESTAND: Montgomery diente über 50 Jahre in der Armee und verfasste nach seinem Ausscheiden 1958 zahlreiche Bücher. Sein Name wird aber immer besonders mit Rommel in Verbindung bleiben, dessen berühmtester Gegner er war. Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto
aufgezwungen, der dem „Wüstenfuchs“ nicht lag beziehungsweise der den Briten in die Hände spielte. Andererseits dürfen die ungleichen Rahmenbedingungen nicht vergessen werden: Montgomery hatte viel mehr Soldaten und doppelt so viele Panzer. Er operierte nahe seiner Versorgungslinien und lockte Rommel immer weiter von den deutschen Nachschubbasen in Libyen weg. Die kontinuierlichen Angriffe auf die deutsch-italienischen Versorgungs- und Transportschiffe im Mittelmeer verschlimmerten die angespannte Zufuhr mit Treibstoff und Ausrüstung zusehends, während Montgomery aus dem Vollen schöpfen konnte. Bei der Schlacht von El Alamein kommt noch hinzu, dass Rommel aufgrund seines angeschlagenen Gesundheitszustandes für einige Zeit gar nicht anwesend ist. Am Ende war Montgomery kein besserer oder schlechterer Befehlshaber als Rommel. Beide dürfen als ebenbürtig im Wüstenkrieg angesehen werden. Montgomery hatte einfach von allem mehr zur Verfügung: mehr Soldaten, mehr Panzer, mehr Treibstoff. Diese Quantität gab am Ende den Ausschlag, ohne dass sie das Können von Rommels populärstem Gegner schmälern würde. Montgomery bleibt der Bezwinger des „Wüstenfuchses“!
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Zeitzeuge
Augenzeugenbericht eines Kriegsfreiwilligen
Aufklärer und Panzerschütze in Afrika 1941–1943: Der Wüstenkrieg tobte in Ägypten, Libyen und Tunesien. Otto Henning aus Norddeutschland kam im Sommer 1941 zur Panzertruppe. Bis zum April 1943 erlebte er den Krieg in Nordafrika und traf dabei auch Erwin Rommel. Vorgestellt von Maximilian Bunk
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ie Erinnerungen Hennings beginnen mit seiner Versetzung zur Panzer-Aufklärungs-Kompanie 580 (mot.) in Cottbus am 6. Dezember 1941. Es folgen Berichte über die Ausbildung, die Verlegung nach Italien und schließlich die Ankunft auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz. Henning erlebte in der Wüste dramatische Kampfeinsätze ebenso wie die Monotonie des Lagerlebens. Eingewoben sind Passagen über die Naturgewalten der Wüste, Berichte über Kameradschaft, Konkurrenz untereinander und ganz allgemein über den Alltag bei der Truppe. Henning schildert seine persönlichen Erlebnisse aus der Sicht des einfachen Soldaten – ungeschminkt, authentisch und stets mit einem Quäntchen Humor geschrieben. Zahlreiche qualitativ sehr gute Fotos aus dem Privatbesitz des Autors illustrieren seine fesselnden Kriegserinnerungen und verleihen vielen der erwähnten Personen und Erlebnisse ein Gesicht. Entstanden ist ein ehrliches Zeitdokument über das Soldatenleben im Afrikakorps – jenseits von Kriegsromantik und falschem Heldentum. CLAUSEWITZ druckt im Folgenden Auszüge aus dem Buch Otto Hennings ab.
Mit der Ju 52 nach Nordafrika „Am 1. März 1942 war es endlich so weit, wir bekamen je eine Schwimmweste verpasst, dazu eine Papiertüte, falls jemand spucken musste, und bestiegen mit je 16 Soldaten eine Ju 52. Fix hatte ich mir einen Fensterplatz erdrängelt und mein erster Flug konnte beginnen. Im Flugzeug saßen wir auf Holzbänken und mit den Knien dicht zusammen. Dann der Start – war das alles aufregend für uns. Die Maschinen sammelten sich über dem Flugplatz im Rundflug und dann ging es plötzlich abwärts, im Tiefflug über das Wasser
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des Mittelmeeres, von Trapani nach Tripolis. Ich musste immer wieder von meinem rechten Fensterplatz auf die Spitze der Tragfläche schauen, die sehr stark vibrierte, und dachte im Stillen, hoffentlich bricht der Scheißflügel nicht ab. Unser Pulk kam ohne Zwischenfälle wohlbehalten in Tripolis an. […] Beim Landeanflug sehe ich durch das Bordfenster den zusammengekarrten Flugzeugschrott. Unwillkürlich muss ich an meine Rekrutenzeit denken. Bei einer Geländeübung hatte ich die Bodenplatte meines Karabiners verloren. Das war vielleicht ein Drama! Auf allen Vieren musste meine Gruppe durch das Gelände robben, bis wir den Pfennigartikel gefunden hatten. Und dann das Getue und Geschrei der Ausbilder! Ich hätte Wehrmachtseigentum verschludert, weil ich die Bodenplatte nicht richtig eingerastet hätte. Mir kam es so vor, als hing die Existenz der Deutschen Wehrmacht von der Bodenplatte meines Karabiners ab. Unser Zugführer, Leutnant Eigner-Krüger, ordnete Strafexerzieren für mich an. Unteroffizier Lange war außer sich, weil er nun meinetwegen eine Stunde länger in der Kaserne bleiben musste. Dafür will er mir den Arsch bis zum Stehkragen aufreißen! Am schlimmsten gebärdete sich unser Stubenältester ,Herr Obergefreiter Gloßner!’. Der schickte mich bei passender Gelegenheit ins Gelände und
ich musste ganz laut rufen, damit es auch alle deutlich hörten: ,Ich bin das größte Rindvieh der Deutschen Wehrmacht!’ Dann Gloßner: ,Lauter, ich höre nichts’ usw. usw. (Den Gloßner traf ich 1944 bei der Panzerlehrdivision wieder, da war das ,Rindvieh’ Henning Unteroffizier und Panzerführer und der Gloßner nur Stabsgefreiter). Mein Gott, welch ein Drama, von meiner Bodenplatte zu diesem Berg von Flugzeugschrott. Was müssen das erst für Rindviecher sein, die für diesen Berg von kaputten Flugzeugteilen verantwortlich sind.
Ich werde Meldefahrer Nachdem die Kompanie im März 1942 vollzählig im Südabschnitt der Gazala-Front versammelt war, wurde der Vormarsch in der Cyrenaika ausgewertet und Änderungen in der taktischen Gefechtsordnung vorgenommen. So wurde ich eines Tages beim Morgenappel vom Spieß, Hfw. Mang, ausgerufen! ,Henning vortreten – Sie haben doch einen Führerschein! Ab sofort werden Sie Meldefahrer bei Oberfeldwebel Helms!’ […] Beim Tross, er lag an der Via Balbia, bekam ich vom Schirrmeister den VW-Kübel mit Ballonreifen übergeben. War ich stolz und aufgeregt vor meiner ersten Alleinfahrt. Der VW war neu und ich hämmerte mir in den Schädel ein, ja vorsichtig zu fahren, da-
LITERATUR Ein „Afrikaner“ berichtet Otto Henning: Als Panzerschütze beim Deutschen Afrika Korps 1941– 1943. Ein 17-jähriger Kriegsfreiwilliger in der Aufklärungs-Kompanie (mot.) 580 . 254 Seiten mit
64-seitigem Bildteil. Erschienen im Flechsig Verlag. CLAUSEWITZ dankt dem Verlag für die freundliche Genehmigung zum Abdruck der obigen Passagen.
le, und war korrekt bis in die Stiefelspitzen. In seinem Tross war Disziplin das erste Gebot. Bei unserem Chef genoss er deshalb hohes Ansehen. Denn – klappt der Nachschub im Wüstenkrieg über weite Strecken nicht mit Sprit, Munition, Verpflegung, Wasser usw., ist die kämpfende Truppe sehr bald aufgeschmissen und zu keinen operativen Handlungen mehr fähig. ,Der lange Helms ist ein harter Hund’, wurde ich von meinen Kameraden vorgewarnt! […] Helms musterte mich erst einmal in meiner von der Pistenfahrt verstaubten Uniform, danach ging er um den VW, ob der auch im einwandfreien Zustand ist. Danach erhielt ich die erste Instruktion über mein Aufgabengebiet als Meldefahrer für den Gefechtstross, der von ihm geführt wird. Nach dieser Musterung und Instruktion fragte er mich, auf meinen norddeutschen Dialekt ansprechend, wo ich beheimatet sei. Daraufhin sagte er zu mir, dass er nur 20 Kilometer entfernt von meinem Heimatort wohne. Das brach das Eis des Dienst- und Altersunterschiedes zwischen uns, er wurde sehr leutselig und gab mir wertvolle Hinweise für mein Verhalten in Afrika. […]
Besuch von Rommel
MIT STAHLHELM UND STAUBBRILLE: Der junge Rekrut Otto Henning während der Kradschützen-Ausbildung. Im März 1942 betrat er in Tripolis afrikanischen Boden. Das Foto entstammt dem Buch „Als Panzerschütze beim Deutschen Afrika Korps“. Henning konnte vor der Vernichtung der Heeresgruppe Afrika nach Deutschland zurückkehren. Foto: Flechsig Verlag
mit ich auch heil bei der Kompanie ankomme. […] Im letzten Moment musste ich noch einen Obergefreiten zur Kompanie mitnehmen. Langsam und mit Bedacht ging es los. […] Plötzlich sagte der Obergefreite zu mir: ,Mensch – was juckelst Du durch die Gegend, halt an, ich will Dir mal zeigen wie man in Afrika fährt!’ Gesagt, getan, ich überließ ihm das Steuer und bereute es innerlich. Jetzt gingen die Pferde mit uns durch! […] Ich bin der Fahrer und was ist, wenn dieser Idiot meinen VW kaputt fährt? […] Meine Gedanken überschlagen sich und dabei
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muss ich mich krampfhaft auf dem Beifahrersitz festhalten. Mit einer langen Staubwolke kamen wir bei der Kompanie angeprescht. Zum Glück, mein VW war heil geblieben und fuhr auch noch.
Meldefahrer bei Helms Nun doch etwas mutiger in meiner Fahrweise, meldete ich mich bei Oberfeldwebel Helms mit dem VW zur Stelle! Man nannte ihn in der Kompanie ,den langen Helms’! Helms war Berufssoldat, hatte Gardemaß von ca. 1,93 Meter, Soldat von Kopf bis Soh-
In mein Aufgabengebiet als Meldefahrer lebte ich mich sehr schnell ein. Meine Fahrweise passte sich schnell den Gepflogenheiten älterer Fahrer an. Das heißt, immer mit vollem Rohr fahren! Wir Meldefahrer waren immer auf Achse, obwohl es an der El Gazala-Front von beiden Seiten keine größeren Aktivitäten gab. In unserer Freizeit hockten wir Meldefahrer immer als Clique zusammen. Ab und zu mussten wir Meldefahrer mit einem Offizier von uns zu irgendwelchen italienischen Dienststellen fahren. Die italienischen Soldaten interessierten sich dann immer sehr für unseren VW, für ,macchina’ und ,motore’. Oft musste ich ihnen den luftgekühlten Motor zeigen, der keinen Tropfen Wasser in der afrikanischen Gluthitze braucht. Dann die Italiener: molto bene, piccolo motore! Klein sah er aus im Hinterteil des Wagens und war dafür von allen Seiten gut zugänglich. Acht Liter Sprit brauchte er etwa auf 100 Kilometer und war ein unverwüstlicher Sandfloh. […] Eines Nachmittags im Mai 1942 kreiste ein Fieseler Storch über unseren Standort und rollte in der Nähe meines eingegrabenen VW aus. Heraus kletterte Generaloberst Rommel mit verstaubten schwarzen Schaftstiefeln. Auf dem Kopf hatte er eine Tellermütze mit einer in der Sonne blitzenden Sonnenbrille. Der ihn begleitende Offizier hatte
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Zeitzeuge
TRUPPENBESUCH: Mit einem Flugzeug vom Typ Fieseler Storch „schwirrte“ Rommel im Mai 1942 im Lager der Einheit Hennings ein. Das gezeigte Bild stammt allerdings aus dem Jahr 1941. Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
ein großes Bündel Akten unter dem Arm und mit unserem Chef gingen sie in den Chefbus. Rommels schwarze Schaftstiefel waren ein ungewöhnlicher Anblick für mich, trugen wir doch alle diese Afrika-Schuhe bzw. Afrika-Stiefel mit Leinenbezug. Der begleitende Offizier und auch der Pilot hatten ebenfalls Afrika-Stiefel an. Unwillkürlich ging es mir durch den Kopf, ob ein General wohl auch Schweißfüße bekommt?
Mein erster Fronteinsatz Während der Besprechung beäugten wir Landser interessiert den Storch. Vor dem Abflug konnte ich noch zwei Fotos von Rommel machen. Rommel steht im Schatten der Tragflächen und beobachtet die Startvorbereitungen und der Pilot schlägt noch schnell im Hintergrund sein Wasser ab. Unsere Landser stehen zwei bis drei Meter hinter Rommel. Ganz so dicht bin ich aber nicht an Rommel herangegangen, denn mit einem General hatte ich schon einmal ein ungutes Zusammentreffen! Die alte Binsenweisheit kannte ich bereits: ,Gehe nie zu deinem Fürsten, wenn du nicht gerufen wirst!’ […] Nachdem der Storch mit Rommel abgeflogen war, sagten die alten Obergefreiten: ,Passt auf, Leute, der Besuch von Rommel ist
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kein gutes Zeichen, irgendetwas haben sie ausgeheckt und wir werden den Kopf hinhalten müssen!’ Am nächsten Tag, wir Meldefahrer merkten es zuerst, dass sich etwas ereignen würde, denn wir waren den ganzen Tag auf Achse. Oberfeldwebel Helms brachte seinen Gefechtstross auf ,Vordermann’, wie er sich auszudrücken pflegte. Jeder LKW und die Ladung wurden kontrolliert und wehe, die Fahrer wussten nicht genau, was sie auf ihren Fahrzeugen geladen hatten, dann gab Helms ihnen Nachhilfeunterricht! Oberfeldwebel Helms belehrte mich eindringlich, seinen Haufen ja zusammenzuhalten und Meldung zu erstatten, wer – wie – wo sich aufhält oder liegen bleibt. Am zweiten Tag nach ,Erwins’ Besuch, (so nannten wir unseren Oberbefehlshaber bereits) ging es langsam los. In einem Fahrzeugabstand von 80 bis 100 Metern fuhren wir in südlicher Richtung. Jetzt wussten wir auch schon, worum es ging, wir sollten einen englischen Stützpunkt ausschalten, der südwestlich von Bir Hacheim in der Wüste liegen soll. (Ich hörte zum ersten Mal den Namen Bir Hacheim und sollte ihn mein Leben lang nicht vergessen). Unsere gepanzerten Fahrzeuge fuhren an der Spitze und weit davor unsere Panzer-
spähwagen. Einige Kilometer vor dem vermeintlichen Stützpunkt wurde gehalten und umgruppiert. Jetzt ging es in breiter Front, im Flächenmarsch weiter. Vorweg die Spähwagen, dann die Schützenpanzer, dahinter die 2-cm-Flak und unsere 5-cm-Pak. In seinem Abstand folgte Oberfeldwebel Helms mit seinem Gefechtstross.
Unter Beschuss Im ersten Gang zuckelten wir durch das Gelände und jeder Fahrer suchte sich für sein Fahrzeug den besten Weg. Mir wird die Sache schon langweilig, immer dieser Zuckeltrab. Außerdem glaubte ich, wenn der Tommy unsere Streitmacht ankommen sieht, haut er schon von ganz alleine ab. Als Panzerspähmann bekomme ich so langsam Minderwertigkeitskomplexe, hier hinten im Tross herumzujuckeln, während vorne die Musik spielt! Um von Helms nicht gesehen zu werden, setze ich mich langsam, die Staubentwicklung der anderen Fahrzeuge ausnutzend, nach vorne ab und fahre nun neben den gepanzerten Fahrzeugen mit meinem VW. Das war nun meine Vorstellung vom Krieg! Wir kommen und walzen mit unseren Panzern alles nieder, was sich uns in den Weg stellen sollte. So habe ich es immer in
Hitze, Sand und wenig Wasser den Zeitschriften und in der Wochenschau gesehen. Ach, wie bedauere ich es, dass ich jetzt nicht als Schütze im Spähwagen sitzen kann. Junge, Junge, das würde einen Spaß geben. Ganz in Gedanken hadere ich mit meinem Schicksal und muss nur aufpassen, dass ich im Gelände den Unebenheiten, den Hügeln, Steinen und losen Sandflächen mit meinem VW ausweiche.
„Wenn ich die Mütze und die Staubbrille abnahm, sah mein Kopf wie ein Totenschädel aus. Der Kopf dick voll mit hellem Wüstensand und dazu die dunklen Augenhöhlen.“ Otto Henning nach einer Fahrt mit seinem VW durch die Wüste
Eintöniges Lagerleben Plötzlich – tschin – tschin – tschin – tswirr – rauscht es an meinen Ohren vorbei. Erschrocken gehe ich auf die Bremse und werde ruckartig um zehn Zentimeter kleiner in meinem VW. Verflucht, ist das ein widerliches Geräusch für meine Ohren, wenn die Geschosse und Querschläger an einem vorbeirauschen. In der Deckung beim Scheibenschießen hörte sich alles ganz anders an. Unsere Panzer erwidern das Feuer und eine wilde Knallerei beginnt. Erschrocken und hilflos bin ich plötzlich einer Gefahr ausgesetzt, die ich mir selbst zuzuschreiben habe. Mann – oh Mann, bin ich vielleicht ein Blödmann! Fieberhaft überlege ich, wie ich aus der Schießerei herauskomme? Zurückfahren, um aus dem Beschuss zu kommen, geht nicht, dann käme ich mir wie ein Feigling vor. Also fahre ich mit eingezogenem Kopf ganz, ganz langsam weiter und werde so von den Kampffahrzeugen überholt. Nach einer mir sehr lang vorkommenden Zeit bin ich wieder dort angekommen, wo ich hingehöre. Zu meinem Glück hat der ,lange Helms’ von meinem Ausflug nichts mitbekommen. Die Schießerei wird weniger und hört schließlich ganz auf. Der Gegner hat abgebaut und ist in südlicher Richtung verschwunden. Außer leeren Konservendosen konnte ich nichts weiter vom Tommy entdecken. Wir hatten Glück, es gab keine ernsthaften Ausfälle. Dafür habe ich die Erfahrung gemacht, mich nicht um Dinge zu kümmern, die mich nichts angehen. Nach einiger Zeit setzten wir uns zu einem neuen Standort ab und igelten uns in der Wüste zur RundumVerteidigung ein. Schon ging das Eingraben wieder los. […] Am Tage kletterte das Thermometer bis an die 40° C und am Morgen war es immer bitter kalt. Teilweise fiel leichter Schnee, der sich aber beim Sonnenaufgang schnell verkrümelte. Bei den heißen Sandstürmen verkrochen wir uns in unsere Zelte oder Fahrzeuge. Ich kroch dann in meinen VW und machte das Verdeck dicht, doch der feine Sand kam durch die Ritzen in den Wagen. Alles im Fahrzeug war mit einer Staubschicht überzogen. War der Sandsturm vorbei, mussten die Fahrzeuge gereinigt werden. […]
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Wenn wir mal Waschwasser bekamen, es war ja immer knapp bemessen, fing ein jeder mit der Kopfwäsche an und schrubbte sich bis zu den Füßen herunter. Anschließend wurde noch die Leibwäsche gewaschen. Zum Spülen hatten wir meistens kein Wasser mehr, dafür hatten wir beim Trocknen der Wäsche aber keine Probleme. Meistens zogen wir die nasse Unterwäsche gleich wieder auf den Körper und hatten somit etwas Abkühlung. Eine Kleiderordnung gab es in unserem Haufen nicht und ich glaube, die gab es im ganzen Deutschen Afrika Korps nicht. Jeder
GUT DOKUMENTIERT: Wie bei kaum einem anderen Großverband entfalteten die Angehörigen des Afrikakorps eine ausgeprägte Erinnerungskultur Foto: Sammlung Bernd Peitz
zog das an, was er aus seiner Tropenausrüstung für angemessen hielt. Lange Hose, kurze Hose, Stiefelhose, Turnhose, Afrika-Schuhe oder Afrika-Stiefel, Kakihemd oder Netzhemd, aber immer mit Mütze. […] Unseren Tropenhelm trugen nur Afrika-Neulinge und wer wollte von uns schon ein Neuling in Afrika sein? An dieser Stelle möchte ich eine sonderbare Begebenheit niederschreiben, die ich etwas später auf dem Vormarsch nach El Alamein erlebte. Mit meinem VW musste ich unseren Adjutanten Leutnant Liebrecht, mit einem englischen Tropenhelm auf dem Kopf, zum Gefechtsstand des OB fahren, der zwischen den Dünen an der Küste lag. Ganz dicht durfte man ja nicht an den Gefechtsstand heranfahren und Liebrecht musste das letzte Stück laufen. Mit meinem VW fahre ich, nach Peilung der Lage, etwas näher an den Gefechtsstand heran, stehe hinter einer größeren Sanddüne und warte dort am späten Nachmittag auf Leutnant Liebrecht. Dann höre ich plötzlich hinter den Dünen eine Stimme brüllen. Eigenartig, denke ich, wer brüllt denn hier wie auf einem Kasernenhof herum? Neugierig geworden über den ungewohnten Umgangston, den ich seit meiner Rekrutenzeit in der Form nicht mehr erlebt hatte, steige ich ganz langsam die Sanddüne hinauf, um vorsichtig einen Blick darüber zu werfen. […] Vorsichtig peile ich über den Rand der Düne und sehe Liebrecht mit hochrotem Kopf, ohne Kopfbedeckung, den englischen Tropenhelm in der Hand, vor Rommel stehen. Den OB kannte ich ja schon von seinem Besuch im Mai bei der Kompanie. Ziehe ruckartig meinen Kopf ein und trete den Rückmarsch zu meinem VW an. Meine Güte – denke ich, Rommel scheißt unseren Adjutant in Kasernenhofmanier zusammen! Nach einiger Zeit kommt Liebrecht zurück, sichtlich zusammengefaltet, den englischen Tropenhelm in der Hand, und steigt wortlos in den VW. Währen der Rückfahrt hat Liebrecht den Tropenhelm nicht wieder aufgesetzt, mit keinem Wort den Vorfall mit Rommel erwähnt und ich wollte den angeschossenen Hirsch auch nicht noch mit Fragen reizen.“
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Uniform und Ausrüstung FAHRZEUGMANGEL: Alles, was fuhr, war an der Wüstenfront unterwegs. Hier eine Gruppe „Afrikaner“, wie sich die Männer des Afrikakorps nannten, auf Foto: National Archives einem Beute-LKW.
Ausrüstung des Deutschen Afrikakorps
Kriegsschauplatz Wüste Ein Wüstenkrieg stand anfangs nicht im strategischen Kriegskonzept der Wehrmacht und somit nicht auf der Liste der Ausrüstungsplanung. Entsprechend provisorisch war daher Von Jörg-M. Hormann die Ausrüstung von Rommels Truppen in Nordafrika. 46
AM ÄRMEL GETRAGEN: Das Zugehörigkeitsabzeichen AFRIKAKORPS war keine Auszeichnung. Foto: Sammlung JMH
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ropendienstfähigkeit und Kolonialdiensttauglichkeit werden im „Taschen-Brockhaus zum Zeitgeschehen“ von 1942 ausführlich definiert und mit Empfehlungen bereichert: „… da das Tropenklima sehr verschieden sein kann, sind Lebens, Wohn-, Kleidungs-, Ernährungs- und Arbeitsweise diesen Klimagegebenheiten anzupassen (…). Die Gewöhnung daran stellt an den tropenungewohnten Weißen besonders große körperliche und hohe charakterliche Eignungsforderungen und Leistungsansprüche (…). Gegen übermäßige und
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UNBEQUEM, ABER SICHER: Unterm Stahlhelm mit gesandetem Anstrich fühlten sich die Soldaten sicherer als mit Tropenhelm.
AUFFÄLLIG: Rotes Innenfutter in der Feldmütze und im Schiffchen hatte – umgekrempelt getragen – Signalfunktionen im Wüstenkrieg.
BEWÄHRT: Drillichschiffchen mit gewebtem Abzeichen und rosa Soutachewinkel der Panzertruppe.
schädliche Sonnenstrahleneinwirkung auf die Haut (Sonnenbrand) schützt hellfarbene lockere Kleidung, auf das Gehirn (Sonnenstich) Tropenhelm oder entsprechende strahlenabwehrende Kopfbedeckung. Gegen die Gefahr des Versagens der körperlichen Wärmeregulierung (Wärmestau, Hitzschlag) schützt leichte, luftdurchlässige, schweißverdünnungsfördernde Kleidung (…).“
Nicht ohne Grund ersetzte der Stahlhelm die lederne Pickelhaube als wirklicher Kopfschutz in den „Stahlgewittern“ des Krieges. Die furchtbaren Kopfverletzungen durch Granatsplitter, die durch jeden Lederhelm, der ursprünglich vor Säbelhieben schützte, durchmarschierten, waren bittere Lehre genug. Warum wurde dann gut 25 Jahre später ein baumwollstoffbezogener Korkhelm für den Kampfeinsatz im Wüstenkrieg eingeführt? Dachten die planenden Herren nur an die Sonneneinstrahlung und nicht daran, dass auch geschossen wurde?
Erste Planungen Diese Punkte hatten sich die militärischen Planer bei der Heeresverwaltung notiert und bei der Umsetzung einer Tropenuniform fürs Deutsche Afrikakorps (DAK) umgesetzt oder zumindest umzusetzen versucht. Ein gewisser Erfahrungsschatz in Sachen Tropenuniform resultierte aus dem Einsatz in den Tropen während der Kolonialzeit des Deutschen Reiches vor dem Ersten Weltkrieg. Der wieder neu ins Leben gerufene Tropenhelm gehörte zu solchen Anachronismen wider besseren Wissens. MOTORRADMANTEL: Gefertigt aus leichtem Klepperstoff, bot er Schutz gegen Sand und Staub. Foto: Auktionshaus Hermann Historica
Fotos: (4) Auktionshaus Hermann Historica
FUNKTIONAL: Feldmütze aus olivfarbenem Drillich mit großem Sonnenschirm und gewebtem Hoheitsabzeichen.
Ungeliebter Tropenhelm Der Tropenhelm zur Tropensonderbekleidung des „Afrikakorps“ überlebte nur wenige Wochen nach der Ankunft der ersten Einheiten in Tunesien. Die „Landser“ wollten ihre Stahlhelme zurück. Lediglich im Propagandaduktus der Wochenschauen machte der Tropenhelm eine gute Figur. Übrigens ein Grund, warum heute noch geglaubt wird, der AfrikaFeldzug ab 1941 hätte unter dem Tropenhelm stattgefunden. In den Wochenschauen war kaum etwas anderes zu sehen. Dagegen erwiesen sich die baumwollenen Einheitsfeldmützen mit großem Sonnenschirm
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Uniform und Ausrüstung als praktisch und beliebt bei den „Afrikanern“, so die Bezeichnung für Angehörige des DAK.
Eigentümliche Tropenuniform Wie die ähnlich ausgeführten Schiffchen hatten diese Kopfbedeckungen anfangs ein rotes Innenfutter als typisches Merkmal der Tropenausstattung. Umgekrempelt aufgesetzt, hatten die Mützen so die Signalwirkung eines Fliegenpilzes und waren für eine Luftrettung aus der Wüste bestens geeignet. Doch die Luftwaffe hatte in Afrika andere Aufträge und es stellt sich die Frage, was am grünen Tisch zur Entscheidung eines roten Mützenfutters geführt hat? Sollten sie, rot getragen, die „Fliegertücher“ als Kennzeichen der vordersten Linie beim Stuka-Angriff ersetzen? Zur „Schreibtischplanung“ einer Tropenuniform gehörten auch die olivgrünen, Segeltuch geschafteten Schnürstiefel mit braunem Lederfuß. Das war im Hinblick auf die übliche militärische Optik der seinerzeit Breeches (Stiefelhosen) und Reitstiefel tragenden Offiziere angemessen, doch im Wüstenkrieg mit unpraktischem Tragekomfort. So setzten sich während des Feldzuges sandfarbene „Überfallhosen“ aus Baumwolle und braune Schnürschuhe oder gleich Shorts MIT TEMPO AN DIE FRONT: Neuer Einsatz des Kettenkrads beim Afrikakorps.
Motorradsattel Haltegriff Motorabdeckung mit Lüftung
Vorderradgabel
Foto: ullstein bild
Bosch Scheinwerfer
Rückenlehne der Rückbank Abdeckung der Kühlklappen
NOTEK Tarnscheinwerfer
Die zwei Männer des „Afrikakorps“, die bei staubiger Wüstenfahrt hinten saßen, bekamen im Kettenkrad nicht viel zu sehen, denn rückwärts in Fahrtrichtung sitzend, schauten sie in die Staubwolke ihres fixen Gefährts. Im militärischen Gebrauch war dies eindeutig ein Nachteil. Es fehlten vier Augen zur Sicherung nach vorn und zur Seite. An Geländegängigkeit übertraf das Kettenkrad alle Radfahrzeuge der Wehrmacht inklusive der schweren Motorradbeiwagengespanne. Und mit fast 70 km/h auf der Straße kam kein Panzer mit. Kein Wunder, dass dieses Fahrzeug von den Soldaten in schwierigen Geländesituationen als Transport- und besonders als Zugmittel für leichtere Geschütze geschätzt wurde. Während des Afrika-Feldzuges kam das Kettenkrad oder genauer „Kleines Kettenkraftrad HK 101 (Sd.Kfz.2)“ erstmals in größerer Anzahl zum Einsatz. Eigentlich war der funktionale Ansatz für den Bau des Kettenkrads bei NSU in Neckarsulm der einer Zugmaschine für kleine Anhänger oder leichte Geschütze wie die 2-cm-Flak oder 3,7-cmPak. Die gelungene Konstruktion kam dann
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Führungsrad Rückspiegel Seitenleuchte
Treibrad
Vier Laufräder
Tank mit Tankdeckel
zu vielerlei Einsatz, knapp 9000 gebaute Kettenkräder während des Zweiten Weltkrieges sprechen für sich. Angetrieben wurde das Sonder-Kraftfahrzeug 2 von einem wassergekühlten Vierzylinder-Reihenmotor, der auch in dem damaligen
Kettenpolster
Gleiskette
PKW vom Typ „Opel Olympia“ brummte. Übrigens: Der mattfarbene Anstrich für die Fahrzeuge des „Afrikakorps“ sollte zweifarbig ausgeführt sein: zwei Drittel der Fläche in Grünbraun (RAL 8000) und ein Drittel in Khakigrau (RAL 7008).
Foto: Auktionshaus Hermann Historica
AUSRÜSTUNG Das „Kettenkrad“
„U? berfallhose“ und „Tropenhelm“ Der „Tropenhelm“
Zu Kaisers Zeiten als angehende Kolonialmacht hatte der Tropenhelm schon einmal seine Trageberechtigung auf deutschen Soldatenköpfen. Zum Beispiel trug die Marineinfanterie in Ostasien Tropenhelme – abgeschaut bei den „kolonialen Herren“ der Welt seinerzeit, den Engländern und den Franzosen. Die Soldaten der ersten Einheiten des DAK standen mit Tropenhelm in Tunis zur Parade stramm, genauso wie ihr Befehlshaber Erwin Rommel. Da hatte der Feldzug in Nordafrika gerade begonnen, doch der schöne Schein eines stoffbespannten Tropenhelmes aus Kork war nach dem Splitterregen einer explodierten
Artilleriegranate keiner mehr. Man forderte den bewährten Stahlhelm zurück. Allein für den Sonnenschutz reichten dann die leichten Tropenfeldmützen aus Baumwolle mit rotem Innenfutter. Nach wenigen Wochen und bitteren Erfahrungen war der Tropenhelm bei den Soldaten des „Afrikakorps“ passé. Staub- und Sonnenschutzbrille
Lüftungsvorrichtung zum Abschrauben
Helmglocke aus formgepresstem Kork mit Stoffüberzug aus Baumwolle
metallgeprägtes Hoheitsabzeichen (links) Gummizugband
Bandeinfassung gefärbte CellonglasElemente
Helmband aus Gurtstoff
durch, an denen Erwin Rommel für sich kein Schirm mit Wohlgefallen empfand. „In Afrika war er Ledereinfassung sich zu fein, Shorts zu tragen. Stattdessen Sturmriemen aus Leder mit Einstellschlaufe Naht Bezugsstoffsegment kleidete er sich in einen schwarzen Ledermantel, in dem er von seinem mobilen Gefechtsstand aus mit dem Fernglas die Weiten he. Koppel, Tragegestell für das Sturmge- sitzenden „Überfallhosen“, alles khakifarder Wüste ausspähte. Abends zog er aus päck, Seitengewehrtasche und Spatenfutte- ben. Hinzu kamen Wickelgamaschen oder dem schweren Mantel die Geschosssplitter, ral waren aus khakifarbenem Gurt- oder kurze Segeltuchgamaschen oder aber braune die unter Tag darin steckengeblieben waren. Cordmaterial gefertigt anstatt aus Leder, wie Lederschnürschuhe. Oftmals wurde auch noch die alte grünliche Feldbluse der ersten sonst üblich. So ein Mann, das erkannte der PropaDie beiden dreigeteilten Patro- Ausstattung mit der khakifarbenen „Übergandaminister Joseph Goebbels nentaschen waren jene des Hee- fallhose“ kombiniert oder es wurden nur ein schnell, eignete sich hervorrares aus schwarzem Leder, mit Tropenhemd und Shorts getragen. Allgemein gend zum Volkshelden …“ – so dem Unterschied, dass sie wie beliebt und in der Wüste notwendig waren viel von Franziska Augstein auch der Stahlhelm sandfar- Schals wie der legendäre, buntkarierte Schal zum Thema „Heldenbekleiben bis braun waren. Einen von Erwin Rommel oder weiße Halstücher. dung“ in ihrem Kommentar matten Anstrich erzeugte man Mit ihnen konnten die Soldaten bei zu viel zur Ausstellung „Mythos vor Ort mit der Beimischung Staub oder Sand in der Luft den Mund überRommel“ von 2009 im Haus von Sand. Zum Sturmgepäck decken. Was noch wichtiger war: Schals verder Geschichte des Landes Bagehörten die Feldflasche, der hinderten das Wundscheuern des Halses am den-Württemberg in Stuttgart. Brotbeutel, das Kochgeschirr Uniformkragen beim ständigen Hin- und Dem Kolonialherren-Outfit GEWEBT: Funktionsabzeiund die Zeltbahn sowie ein Herwenden während des Beobachtens. der ersten Uniform des „Afri- chen „Waffenfeldwebel” kakorps“ mit Tropenhelm, des DAK. Foto: Sammlung JMH Tuchmantel in Heeresschnitt für die kalten afrikanischen Mit neuem Anstrich Schlips und Kragen, Stiefelhosen und Segeltuchschnürstiefeln war nur ein Nächte – alles in gelbbraunen Wüstentarn- Verwendet wurden auch alle möglichen Arrecht kurzes Trageleben an der Wüstenfront farben gehalten. ten von Sonnenschutz- und Staubbrillen, die Aus der ursprünglichen Sonderbeklei- bei den Afrikatruppen der sich gegenüberstein Nordafrika beschieden – insgesamt unpraktisch und nicht einsatztauglich. Es setz- dung des „Afrikakorps“ entwickelte sich henden Kriegsparteien Verwendung fanden. te sich eine „Felduniform“ aus einer leichten, schließlich eine Tropenuniform, die den kliBei Waffen und Gerät gab es nur eine Diolivfarbenen Feldbluse mit gewebten Kra- matischen Gegebenheiten und Erfordernis- rektive: sandfarben anmalen. Ansonsten zog genspiegeln und Abzeichen für Mannschaf- sen des Wüstenkrieges entsprach. Die neue, das DAK im Wesentlichen mit den bewährten sowie aufgeknöpfte Schulterklappen praktische Wüstenuniform bestand aus ei- ten Fahrzeugen und Panzern des Frankdurch. Dazu kamen olivgrüne, bis kurz über nem hellsandfarbenen Tropenhemd aus kräf- reich-Feldzuges in den Wüstenkrieg. Dadas Knie reichende kurze Hosen sowie grün- tigem Drillich mit offenem Kragen, darüber bei erlebten Rommels Soldaten einige böse liche Kniestrümpfe und braune Schnürschu- einer leichten Feldjacke, langen und locker Überraschungen. Ein neues Gefährt tauchte in Nordafrika erstmals auf und erregte die Neugierde der „Afrikaner“: das NSU Kettenkraftrad, zukünftig nur „Kettenkrad“ genannt. „In Afrika war er sich zu fein, Shorts zu
tragen. Stattdessen kleidete er sich in einen schwarzen Ledermantel, in dem er mit dem Fernglas die Weiten der Wüste ausspähte.“ Franziska Augstein
Clausewitz Spezial
Jörg-M. Hormann, Jg. 1949, Freier Journalist und Sachbuchautor aus Rastede mit Schwerpunkten bei der deutschen Luftfahrt-, Marine- und Militärgeschichte mit über 30 Buchveröffentlichungen zu den Themen.
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Foto: Auktionshaus Hermann Historica
UNIFORM
Mythos Rommel
Geehrter, gehasster General
Der Mythos Über kaum einen Feldherren des 20. Jahrhunderts sind die Meinungen so geteilt wie über Rommel. Man ist beinahe geneigt zu sagen, die Ansichten sind derart konträr, Von Peter Andreas Popp dass dieser Umstand selber fast schon legendär ist.
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in gutes Beispiel dafür, wie umstritten die Figur Rommel ist, liefert die jüngste Kontroverse um den Film „Rommel“ (2012) mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle. Sie erzeugte ein derartiges Rauschen in den deutschen Feuilletons, dass ein Wüstensturm dagegen ein laues Lüftchen darstellt. Und dies, obwohl der Titel des ebengenannten Filmes das Wort „Mythos“ vermeidet: in der Absicht, Rommel – fokussiert auf seine letzten vier Lebensmonate – so darzustellen, dass der wahre Kern zum Vorschein kommt. Dieses Unterfangen ist löblich, aber es lässt außer Acht, dass zu Rommel der „Mythos Rommel“ gehört. Kurzum, er bildet den integralen Bestandteil seines Lebenslaufs. Und es wäre wirklich grundfalsch, vorurteilsbehaftet davon auszugehen, dass „Mythos“ in der Kombination „Dichtung und Wahrheit“ immer nur die „Dichtung“ wiedergibt.
Charismatischer Rommel In der Alltagssprache mag das so sein. Hier überwiegt bei „Mythos“ das Bedeutungselement des Fiktiven. Das Faktische ist im-
IMMER IM VORDERGRUND: Es gehörte zu Rommels Charisma, dass andere Offiziere neben ihm blass wirkten Foto: Sammlung Bernd Peitz
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mer das Resultat objektiver Wahrheiten. Der Mythos hingegen beruht auf dem, was der Betrachter als Wahrheit ansieht. „Mythos“ zielt demnach auf das „Außeralltägliche“ im menschlichen Zusammenleben. Dieses wiederum hat zu tun mit „Charisma“, womit Rommel – darin sind sich alle einig – sehr wohl ausgestattet war. Er zog zu Lebzeiten Menschen in seinen Bann und er tut es auch noch nach seinem Ableben. Das „Wodurch“ und das „Womit“, nicht minder das „Warum“ bilden die eigentlichen Streitpunkte.
Rommel an der „falschen“ Front „Charisma“ ragt als Merkmal einer Persönlichkeit in die Sphäre des Übernatürlichen oder Übermenschlichen hinein, was die betreffende Person als ,,geborenen Anführer“ erscheinen lässt. ,,Charisma“ gehört demnach zur emotionalen Komponente der Politik. Hier geht es darum aufzuzeigen, aus welchen Komponenten der „Mythos Rommel“ besteht. Ist demzufolge Rommel nur auf den „Wüstenfuchs“ reduzierbar? Um es gleich vorwegzunehmen: Er ist es nicht. Das Tableau „Wüstenfuchs“ spielt zweifellos die ganz entscheidende Rolle in den Jahren 1941 bis 1943. Konkret also in dem Zeitraum, als Rommel auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz präsent war. Er spielt mindestens eine Rolle in der Zeit danach, als Rommel noch lebte. Dasselbe gilt für den Zeitraum nach dem 14./18. Oktober 1944 – doch dann in ganz anderen Facetten, die zeitlich präzisiert werden können durch die Einschnitte „1945“, „1949“, „1968“ und „1989/90“. Unschwer zu erkennen: Dies sind die Schlüsseljahre in der (Gesellschafsund Mentalitäts-)Geschichte Deutschlands seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Doch keine deutsche Nabelschau! Der „Mythos Rommel“ enthält sehr wohl auch
eine anglo-amerikanische Komponente, wobei hier der besondere Akzent auf britischer Seite liegt. Diese Komponente wirkt ab der militärischen Kampagne in Nordafrika. Sie wirkt bis heute … und blickt man auf das Schrifttum, so wirkt sie stärker denn je. Man ist fast geneigt zu sagen, in der angelsächsischen Welt hat das Thema Rommel mittlerweile fast Fetisch-Charakter. Das sagt vielleicht mehr aus über diesen Bereich der Welt als über Rommel selbst. Der Reihe nach: Im Ersten Weltkrieg liegt der „Mythos Rommel“ noch nicht vor. Er wird angelegt in der Rezeption des Ersten Weltkrieges in Deutschland unter Umgehung einer wirklichen Fehleranalyse auf deutscher militärischer Seite – freilich ohne dass dies auf das Wirken Rommels im Ersten Weltkrieg selbst zutrifft. Rommel kämpfte tapfer, er focht aber primär auf einem Kriegsschauplatz, der für das preußisch geprägte Deutsche Kaiserreich eher nebensächlichen Charakter hatte: die Alpenfront. Aus süddeutscher und österreichischer Perspektive sieht dies natürlich ganz anders aus. Rommels Wirken am Isonzo half, den fragilen Bündnispartner Österreich-Ungarn ein Stück weit wenigstens zu stabilisieren. Am Ende allerdings vergebens! Rommel klagte sich den „Pour le Mérite“ ein. Warum nicht, wenn es gerechtfertigt ist. Aber, auf Schwäbisch: „A G’schmäckle bleibt …“
Flucht in den Mythos Kurzum, das ist eigentlich nicht der Stoff für Mythen. Es wird aber zur Grundlage für den „Mythos Rommel“ wegen der fulminanten und bis heute wirkenden Rezeption des Buches „Infanterie greift an“. Warum? Der fatale Ausgang des Ersten Weltkrieges stellte für Deutschland eine bittere Enttäuschung dar. Weite Teile der deutschen Öffentlichkeit begriffen den Weltkrieg als wirklichen
AKTUELLES THEMA: Rommel beschäftigt uns noch immer. Davon zeugen beispielsweise die Ausstellung „Mythos Rommel“ im Haus der Geschichte in Stuttgart 2008/2009, sowie der TV-Film von 2012. Foto: picture-alliance/dpa
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Mythos Rommel Verteidigungskrieg. Was gerettet wurde, das war die Reichseinheit inklusive schmerzender Gebietsabtretungen. Rommel steht hier als Chiffre für das individuelle Leistungsvermögen der Deutschen in ihrer – Stichwort: Reichsgründung 1871 – „verspäteten Nation“. Dies gilt umso mehr, als Rommel die Weimarer Republik, dieses doch weithin mit Unbehagen und immer mehr mit Ablehnung betrachtete demokratische Experiment, in einem Zustand beruflicher Lähmung überdauerte. So sahen sich die Deutschen damals selbst, ohne die wirkliche Qualität dieser freiheitlichen Ordnung zu erkennen.
Der Mythos entfaltet sich Es war also eine „Flucht in den Mythos“, und diese führte unter Verkennung nationalsozialistischer Tatsachen und der Ausblendung freiheitlicher Gesinnung zum „Ersatzkaiser Hitler“. Die historische Forschung hat mittlerweile akribisch freigelegt, wie weite Teile der deutschen Bevölkerung die „Friedensjahre des Dritten Reiches“ als absoluten Aufschwung begriffen. Die Karriere Rommels steht hier exemplarisch. Er war kein Nazi – als die Goebbelsche Propaganda ihn dann im Zweiten Weltkrieg zum „Kämpfer der Bewegung mit SA-Stammbaum“ machte, verwehrte er sich vehement dagegen! Aber er stand für bürgerliches Leistungsethos im Nationalsozialismus. Ohne dieses hätte das System auch nicht funktionieren können. Dass das Ganze auf ein gigantisches Illusionstheater, noch dazu mit äußerst brutalen Zügen, hinauslief, wollten und konnten nur die wenigsten erkennen. Rommel zählte nicht zu ihnen. Übrigens recht aufschlussreich: Vermittelt seine Versetzung an die Kriegsschule in Wiener Neustadt nicht exemplarisch, wie die großdeutsche Nation zusammenwuchs …?
NEBENKRIEGSSCHAUPLATZ: Da Rommel vor allem an der Isonzofront kämpfte, konnte sich der „Mythos Rommel“ während des Ersten Weltkrieges noch nicht so recht entwickeln. Hier ein Gemälde, das die Schrecken der Isonzofront zeigt: Tote österreichisch-ungarische Soldaten im Jahre 1917. Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library
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„Mein Vater hat die Engländer eher geschätzt als abgelehnt. Der Sinn dieses Krieges gegen das Vereinigte Königreich hat sich ihm nie ganz erschlossen.“ Manfred Rommel
Der große Einschnitt ereignete sich dann im Westfeldzug 1940. Der Nicht-Generalstäbler Rommel macht den Traum wahr, der vormals, im dritten Quartal des Jahres 1914 an der Marne, zum Albtraum geworden war. Frankreich fällt binnen sechs Wochen. Für die Deutschen bedeutete dies: Die Schmach von Versailles ist getilgt. Geschehen nicht unwesentlich durch eine unkonventionelle Vorgehensweise, für die der Name Rommel steht. Ab jetzt wird er zum Mythos. Er nutzt die Propaganda und die Propaganda benutzt ihn. Wer mit dem Teufel speist, braucht bekanntlich einen langen Löffel. Rommel meint – bis 1943 –, ihn zu haben. Er hat ihn nicht. Seiner Pfiffigkeit und Impulsivität, gepaart mit militärischer Härte, ist es zu verdanken, dass das „System der Aushilfen in Nordafrika“ überhaupt so lange funktionierte. Hinzu gesellt sich die Neigung – hier kommt der Frontkämpfer aus dem Ersten Weltkrieg durch –, mit den einfachen Soldaten in vorderster Linie zu stehen. Nordafrika: Das ist auf den ersten Blick ein ganz anderer Krieg als der im Osten. Das Regime brauchte Rommel, weil dank seines Einsatzes der gleichfalls nach Expansion gierende italienische Bündnispartner stabilisiert wurde. Zudem kann davon abgelenkt werden, dass der Rasse- und Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion nicht in Art des West-
feldzuges 1940 zu lösen ist. Rommel ist derjenige, der 1942 Bewegung im Sinne des Blitzkrieges an allen Fronten suggeriert. Dass mit der Kampagne in Nordafrika, diesem vermeintlich exotischen Kriegsschauplatz, auch koloniale Gedanken und das Alexander-Motiv bedient werden, liegt auf der Hand: „Deutschland ganz groß …!“
Angelsächsischer Rommel Mit dem Afrika-Feldzug kommt die britische Komponente des Rommel-Mythos ins Spiel. Im britischen Selbstverständnis stand das Land zwischen dem Fall Frankreichs (Juni 1940) und dem Kriegseintritt der USA (Dezember 1941) allein gegen einen übermächtigen Feind in Europa. Den pazifischen Raum ausgeblendet – der Fall Singapurs ist ein demütigendes Fanal! –, stand die Insel gegen Nazi-Deutschland an zwei Orten: an den „White Cliffs of Dover“ und vor Kairo, d. h. im Raum „Tobruk – El Alamein“. Personifiziert wird dieser Umstand auf militärischer Ebene durch die Konstellation Montgomery – Rommel. Großbritannien hielt durch, der Westen Europas sollte davon nach 1945 profitieren. Was Großbritannien nicht behielt, das war die wirkliche Gleichberechtigung mit dem „Retter in der Not“ – den USA. Sehr deutlich erkennbar ist dies anhand des Konkurrenzverhältnisses zwischen Montgomery und Patton. Das konträ-
Auch die Engländer stricken am Mythos HOLLYWOOD-VERSION: Der „Mythos Rommel“ eroberte sogar die Leinwände Amerikas. Zugleich erschaffen Filme wie „Rommel – Der Wüstenfuchs“ neue Rommel-Bilder und erneuern den Mythos somit permanent. Werbebild zum US-Film von 1951 mit James Mason als „Wüstenfuchs“. Abb.: Alexander Querengässer
Auch dafür steht der Mythos Rommel. Es setzt ein mit der Publikation „Krieg ohne Hass“. Die Deutungshoheit (sofern davon in einer offenen Gesellschaft überhaupt die Rede sein kann) liegt bei der Witwe, auch beim Sohn Manfred (er wird für das liberal-konservative Deutschland stehen, welches sich zur Demokratie bekennt) sowie den militärischen Weggefährten Rommels in der ersten Jahreshälfte 1944: Hans Speidel und Friedrich Ruge. Rommel wird für die Bundeswehr traditionswürdig. Er repräsentiert exemplarisch das – trotz alledem – nicht korrumpierte deutsche Soldatentum. Nicht zu verkennende Geburtshilfe in diesem Sinne leisten dabei britische Historiker wie Desmond Young und Basil Liddell Hart. Sie schlagen die Brücken. Und die Veteranen des DAK, bestehend aus ehemaligen Mitgliedern und – zum weitaus größeren Teil – Nicht-Mitgliedern der NSDAP, sind gut etabliert in der entstehenden demokratischen Gesellschaft der jungen Bundesrepublik.
Eine faszinierende Gestalt re Paar Montgomery – Rommel im Sinne eines (Vorsicht, hier greift der Mythos!) ritterlichen Kampfes stützt ganz wesentlich den britischen Status in der Koalition der Sieger. Rommel erreichte dank Montgomery nicht den Nil, damit war das Weltreich gerettet – jedenfalls bis zum Verlust Indiens im Jahre 1947. But that’s another story …
Das „anständige Deutschland“ Rommel – besonders in Kombination mit Montgomery – heißt für die britische Seite „Sieg aus eigener Kraft“. Wenigstens in der Cyrenaika. Ob dies auch für Tunesien gilt, sei hier dahingestellt. Doch zurück nach Deutschland in die Jahre 1943 und 1944: Rommel obliegt nun eine „mission impossible“. Er, die Symbolfigur des Sieges, soll nun die „Festung Europa“ verteidigen. Das bisherige „System der Aushilfen“ entpuppt sich immer mehr als militärische Illusion, „Wille“ allein reicht nicht aus. Spätestens Mitte Juni 1944 erkennt Rommel, dass der Mythos gegen militärische Logik nichts mehr ausrichten kann. Das heißt, Rommel tritt erstmals offen als militärpolitisch Handelnder, d. h. beinahe als Stratege, auf. „Der Führer“ lässt ihn daraufhin tief fallen. Späte Erkenntnis? Dasselbe Problem repräsentiert seine ambivalente Haltung zum „Aufstand des Gewissens“. Aufschlussreich dabei ist, dass Rommel hier gleichsam als Chiffre für all die Deutschen steht, die keine Nazis waren. Er hatte sich für Deutschland
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eingesetzt. Was die Verbrechen anbelangt, so gilt: „Hingeschaut und weggesehen“. Also weithin verdrängt, so lange, bis es nicht mehr ging. Nur – dann war es eben zu spät. Rommels Tod und das Schicksal seiner Angehörigen beweisen geradezu prototypisch, wie das – ohne Ironie! – „anständige Deutschland“ Opfer wurde: das Beste gewollt, aber dem Falschen, d. h. dem Bösen, gefolgt. Dank der westlichen Alliierten dann – frei nach Goethes „Faust. Der Tragödie erster Teil“, Chor der Engel: „Gerettet, nicht gerichtet.“
Literaturtipps Haus der Geschichte Baden-Württemberg (Hg.): Mythos Rommel. Ausstellungskatalog zur Sonderausstellung, 18. Dezember 2008 bis 30. August 2009. Stuttgart 2008 Remy, Maurice Philip: Mythos Rommel. München 2003 Reuth, Ralf Georg: Rommel. Das Ende einer Legende. München 2012 Riederer, Günter: Hitlers Krieger im Wüstensand. Zur medialen Konstruktion des militärischen Mythos Rommel. In: Die Medien der Geschichte – Historizität und Medialität in interdisziplinärer Perspektive. Konstanz 2004 Runge, Matthias: Mythos Rommel. Aufstieg, Macht, Scheitern eines tragischen Helden. In: Militär und Geschichte: Bilder, Tatsachen, Hintergründe. Rastatt 2007
Für die deutsche Seite und die nun verbündeten Angloamerikaner lebt der Mythos weiter. Rommel wird posthum zum Garanten dafür, dass der Westen zusammensteht und dass Aussöhnung gelingt. Sofern es um die Auswertung von Rommels militärischen Erkenntnissen geht, tun sich Briten und Amerikaner allerdings erheblich leichter als die Deutschen (mit ihrem wegen der gewalttätigen Dimension der NS-Herrschaft zu Recht schlechten Gewissen). Denn für die pragmatisch orientierten Angelsachsen ist eines völlig klar: Bezogen auf das Militärhandwerkliche demonstrierte Rommel in Nordafrika, wie ein quantitativ schlechter Ausgerüsteter dem Materialüberlegenen auf lange Zeit kreativ Paroli bieten kann. In der Konstellation des „Kalten Krieges“ hatten überdies die Alliierten wenig Interesse daran, ein zweites Mal an der Küste der Normandie zu landen. Wie man es vermeiden konnte, das zeigte die Auseinandersetzung mit Rommels legendärer „Gespensterdivision“ (1940) und dessen Verteidigungskonzeption für die sogenannte „Festung Europa“ (1944). Rommel war, ist und bleibt ein Faszinosum. Aufgabe historischer Forschung über den Generalfeldmarschall liegt mehr denn je darin, die Freilegung seiner Persönlichkeit und seines militärischen wie auch politischen Wirkens zu bewerkstelligen. Dabei sollte unbedingt immer darauf geachtet werden, dass in Folge des unerbittlichen Fortschreitens der Geschichte aus dem Mythos kein Mysterium wird.
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Rommels „Italienauftrag”
Abtrünnige Italiener
In heikler „Sondermission“ Anfang März 1943 verließ Rommel den afrikanischen Kontinent. Nach längerer Wartezeit auf eine neue Verwendung erhielt er von Hitler den Befehl, Vorbereitungen für die militärische Besetzung Italiens – des wankenden VerbünVon Lukas Grawe deten – zu treffen.
ANGETRETEN: Rommel inspiziert Truppen in Ligurien. Foto: ullstein bild - ullstein bild
lich schlecht über den Stand der militärischen Lage informiert wurde wie Hitler. Diesen suchte Rommel einen Tag später in Winniza auf, um sich nach seiner Genesung für eine neue leitende Position zu empfehlen.
Zunächst ohne Verwendung
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n den letzten Monaten seines Aufenthalts in Afrika führte der von den zurückliegenden Niederlagen sichtbar angeschlagene Rommel eine Art „Schattendasein“, in dem er sich auf Worte und Gesten beschränken musste. In der Praxis fällte er schon lange keine großen Entscheidungen mehr. Dennoch dachte Rommel nicht daran, Nordafrika zu verlassen. In einem Brief an seine Frau Lucie-Maria schrieb er: „Alles in mir sträubt sich dagegen, diesen Kriegsschauplatz zu verlassen, solange ich noch aufrecht stehen kann.“ Auch seinen Untergebenen fiel der schlechte Gesundheitszustand ihres Kommandeurs auf, sodass für die meisten deutschen Soldaten in Afrika die Abberufung Rommels am 6. März 1943 keine Überraschung mehr war. Auf dem Weg zum „Führerhauptquartier“ in der Ukraine legte der Generalfeldmarschall einen Zwischenhalt in Rom ein, um einige abschließende Gespräche mit hochrangigen italienischen Militärs zu führen. Bei einer Unterredung mit Mussolini kam Rommel schließlich zu der besorgniserregenden Schlussfolgerung, dass der „Duce“ von seinen militärischen Untergebenen ähn-
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Nach ernüchternden Gesprächen mit dem „Führer“ flog Rommel für einen Genesungsurlaub zurück nach Deutschland und begab sich dort in ärztliche Behandlung. Auch Joseph Goebbels war längst aufgefallen, dass dieser Rommel nicht mehr viel mit dem strahlenden Sieger vergangener Tage gemein hatte: „Er ist wohl durch die lange Zeit in
HINTERGRUND
Afrika innerlich gebrochen. Aber man darf von dieser Tatsache öffentlich überhaupt keinen Gebrauch machen, denn Rommel ist ja immerhin das Kriegsidol der Deutschen“, vermerkte der Propagandaminister in sein Tagebuch. Zunächst blieb der populäre Feldmarschall daher ohne jedes Kommando und ohne jede Verwendung. Doch Hitler legte Wert auf die Anwesenheit seines mythenumrankten Generals und bestellte ihn am 9. Mai 1943 nach Berlin ein. In den folgenden zwei Monaten hielt sich Rommel unmittelbar in der Umgebung des „Führers“ auf, reiste mit ihm in das Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ nahe der ostpreußischen Stadt Rastenburg, war bei jeder Lagebesprechung zugegen und erfuhr so al-
Das deutsch-italienische Bündnis
Der 1936 geschlossene geheime Freundschaftsvertrag bildete die Grundlage für eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen dem faschistischen Italien und dem „Dritten Reich“. Mit dem „Stahlpakt“ von 1939 sicherten sich beide Länder im Falle eines Krieges unbedingte militärische Unterstützung zu, die auch für einen Angriffskrieg galt. Während sich Italien noch nicht am Polenfeldzug beteiligte, trat es am 10. Juni 1940 in den Krieg gegen Frankreich und Großbritannien ein. Nachdem Mussolinis Pläne zu einer Errichtung eines zweiten „Imperium Romanum“ auf dem Balkan und in Afrika zu scheitern drohten, unterstützte Hitler seinen Bundesgenossen mit deutschen Truppen.
Grundlage für die deutsche Waffenhilfe waren jedoch überwiegend eigene Interessen. Im Gegenzug beteiligte sich Mussolinis Staat an Hitlers Feldzug gegen die Sowjetunion, der jedoch besonders in der italienischen Bevölkerung als „deutscher Krieg“ angesehen wurde und daher keine Popularität genoss. Nach der alliierten Invasion Siziliens im Juli 1943 wurde die dauerhafte Bündnistreue Italiens immer unwahrscheinlicher. Mit dem Sturz Mussolinis und der folgenden Kriegserklärung des südeuropäischen Landes an das Deutsche Reich endete die militärische Zusammenarbeit, die stets von starken Spannungen und Interessengegensätzen geprägt war.
AUF UNGEWOHNTEM TERRAIN: Deutsche Truppen rücken nach Bekanntwerden des Waffenstillstandes der Badoglio-Regierung mit den Alliierten am 8. September 1943 in Mailand ein. Foto: BArch, Bild 183-J15480/Rottensteiner
les über die militärische Lage auf den anderen Kriegsschauplätzen. War der Generalfeldmarschall vor kurzem noch schockiert und enttäuscht über die unsinnigen „Aushalte“-Befehle Hitlers gewesen, so erlag er nun erneut dessen Persönlichkeit. Stolz vermerkte er: „Der Führer ist offensichtlich erfreut, mich zu haben. Ich stelle wiederholt fest, dass er mir sein volles Vertrauen schenkt.“
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Auf die Frage Erich von Mansteins, dem Chef der Heeresgruppe Süd, was er in Rastenburg zu tun habe, entgegnete Rommel: „Ich lasse mich hier von der Höhensonne bestrahlen. […] Ich sauge mich voll mit Sonne und Glauben!“ Auch seinen Lageanalysen schenkte Hitler wieder vermehrt Beachtung. Rommels Ansicht, dass von dem schwankenden Bundesgenossen Italien militärisch nicht mehr viel zu erwarten sei, schloss sich
der „Führer“ an. Der Generalfeldmarschall ging sogar davon aus, dass Italien in Kürze die Seiten wechseln und das Deutsche Reich im Stich lassen werde.
Vertrauen des „Führers” Denn nach der Kapitulation der deutschen Truppen in Afrika am 13. Mai 1943 war eine alliierte Invasion in Südeuropa zu erwarten. Auch Italien kam dafür als Ziel in Betracht.
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Rommels „Italienauftrag” Auf deutscher Seite wurden daher Vorbereitungen für den Fall eines italienischen Bündniswechsels getroffen. Rommel wurde von Hitler beauftragt, die Unternehmen „Alarich“ und „Fall Achse“ zu planen, die im Falle eines Ausscheidens Italiens aus dem Krieg in Kraft treten sollten. „Alarich“ sah vor, dass starke deutsche Kräfte heimlich in Italien „einsickern“ sollten, um das Land gegen eine alliierte Invasion zu verteidigen und diese soweit wie möglich im Süden festzuhalten. Rommel sollte die Vorbereitungen dafür treffen, 20 deutsche Divisionen in Süddeutschland zusammenzuziehen. Vier Divisionen sollten sofort nach Süden „geschleust“ werden. Das Unternehmen „Fall Achse“ ging sogar noch einen Schritt weiter und sollte sämtliche italienischen Streitkräfte entwaffnen, falls das Land aus dem Krieg ausscheiden oder sogar die Seiten wechseln sollte. Auch hier war Rommel für die Koordination und Planung vorgesehen, weshalb ihm ein eigener Stab mit vielen ehemaligen „Afrikanern“ zur Seite gestellt wurde.
Katastrophe befürchtet Nach der erfolgreichen alliierten Landung auf Sizilien am 10. Juli 1943 wurde die „italienische Frage“ immer akuter und Rommels Lagebeurteilung immer pessimistischer. Gegenüber Manstein ließ er verlauten, dass er mit der totalen Katastrophe rechne, da „das ganze Kartenhaus“ in Kürze in sich zusammenbrechen werde. Ein siegreicher Ausgang des Krieges erschien Rommel nunmehr unwahrscheinlich. Fünf Tage später wurde er zum Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B ernannt, die in Norditalien das Kommando über die deutschen Truppen übernahm und das Unternehmen „Alarich“ beaufsichtigte,
WECHSELTE DIE SEITEN: Marschall Pietro Badoglio verkündete das Ende der „deutschitalienischen Waffenbrüderschaft“ und erklärte schließlich dem Deutschen Reich den Krieg. Foto: picture-alliance/maxppp
Abtrünnige Italiener
ENTWAFFNET: Italienische Soldaten in Bozen begeben sich in deutsche Gefangenschaft. Foto: BArch, Bild 183-J15358/Fred Rieder
das bislang nur rudimentären Umfang angenommen hatte. Zudem war es fortan Rommels Aufgabe, die Verteidigung in Mittelitalien vorzubereiten.
Unternehmen „Alarich” Als der italienische „faschistische Großrat“ am 25. Juli Hitlers Verbündeten Mussolini absetzte, gab Rommel den Befehl zur vollen Umsetzung von „Alarich“. Dabei mussten vor allem die Alpenpässe gesichert werden, um die Versorgung der deutschen Truppen gewährleisten zu können. Noch hatte Italiens neuer Regierungschef, Marschall Badoglio, das Bündnis mit dem „Dritten Reich“ jedoch nicht offiziell beendet, sodass Rommel eine glaubhafte Begründung für das verstärkte deutsche Truppenaufgebot in Italien liefern musste. Er begab sich persönlich nach Italien, um das Gespräch mit dem italienischen Oberkommando zu suchen. Bei einer am 15. August stattfindenden Unterredung mit dem italienischen Chef des Stabes, General Roatta, sollte daher der Anschein normaler Bündnisbeziehungen erweckt werden. Roatta bekräftigte noch einmal den Willen seines Landes, am Bündnis mit Hitlers Deutschland festhalten zu wollen. Rommel selbst, dem der Ruf eines „Italien-Hassers“ vorauseilte, hielt solche Zusicherungen jedoch nicht mehr für glaubwürdig. Er sollte recht behalten: Anfang September 1943 verkündeten italienische Radiosender den Waffenstillstand Italiens mit den Al-
Literaturtipp David Fraser: Rommel – Die Biographie, RhedaWiedenbrück 1996.
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liierten. Umgehend befahl Hitler Rommel, den „Fall Achse“ in die Tat umzusetzen, um die italienischen Soldaten zu entwaffnen. Als Rommel erste Meldungen erreichten, dass sich italienische Truppen den Alliierten anschlossen und Seite an Seite mit ihnen kämpften, befahl er ihre Gefangennahme und Transport nach Deutschland. Bereits am 19. September waren 420 000 italienische Soldaten entwaffnet und gefangen genommen worden. Rommel war nunmehr auch bereit, ziemlich harte Maßnahmen zu ergreifen, um die „abtrünnigen Verräter“ zu bestrafen, sollten sie sich gegen ihre ehemaligen Kameraden wenden.
Rommels Abschied Nachdem die Unternehmen „Alarich“ und „Fall Achse“ umgesetzt worden waren, fanden Rommels militärische Tätigkeiten in Italien ihr Ende. Da sein Aufgabengebiet nur den Norden des Landes umfasste und für die Abwehr der alliierten Streitkräfte im Süden Generalfeldmarschall Kesselring verantwortlich zeichnete, war Rommel in den letzten Wochen seines Aufenthalts in Südeuropa weitestgehend beschäftigungslos. Obwohl die kurze Zeit, die Rommel als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B verbrachte, militärisch enttäuschend und persönlich deprimierend verlief, wollte er dennoch den alleinigen Oberbefehl in Italien übernehmen. Als schließlich Kesselring diesen Posten erhielt, zeigte sich Rommel sehr enttäuscht, auch wenn er im Grunde dem italienischen Kriegsschauplatz nur geringes Interesse entgegenbrachte. Seine restliche Zeit in Italien ließ er in seinem Hauptquartier am Gardasee ausklingen. Von dort aus verließ er ohne Bedauern am 21. November das Land.
Frankreich 1944
Abwehrkampf statt „Blitzkrieg“
Rückkehr nach Frankreich 15. Januar 1944: Rommel hatte seine zweite „Begegnung“ mit Frankreich. Doch diesmal stand sein dortiges Wirken unter einem ganz anderen Stern als 1940 – damals konnte Rommel noch die Rolle des schnell vorwärts stürmenden Siegers spielen. Die Zeiten Von Peter Andreas Popp hatten sich geändert …
VOM ANGRIEFER ZUM VERTEIDIGER: 1944 bekam Rommel den Auftrag, die erwartete Invasion in Frankreich abzuwehren. Hier inspiziert er Stellungen an der Biscaya, Frankreich. Foto: picture-alliance/ZB
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UNGEWOHNTE AUFGABE: Der lieber offensiv agierende Rommel musste sich bei der Sicherung der Atlantikküste intensiv Gedanken über den Verteidigungskrieg machen. Mit gewohnt großem Engagement kümmerte er sich um diese Aufgabe. Aufnahme Februar/März 1944. Foto: Stadtarchiv Weingarten VORGÄNGER: Unter GFM von Rundstedt wurde der Atlantikwall angelegt und ausgebaut. Im Gegensatz zu Rommel sah sein Verteidigungskonzept die Bekämpfung alliierter Truppen auf französischem Boden vor. Foto: picture-alliance/akg
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er Blitzsieg von 1940 war ein Ergebnis des erfolgreich geführten Gefechts der verbundenen Waffen. Die Panzer wirkten dabei als offensiv dynamische Komponente. Diese Erfahrungen, erweitert um die des Afrikafeldzuges, sollten eigentlich Niederschlag finden in der nicht mehr zur Veröffentlichung gelangten Schrift „Panzer greift an!“. Fragmentarisch wurden diese Erkenntnisse nach dem Krieg als „Rommel Papers“ veröffentlicht. Die Aufgabe des Jahres 1944 nahm Rommel völlig in Beschlag. Er hatte als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B die Verteidigung der „Festung Europa“ zu organisieren. Dieser Auftrag bedeutete für Rommel eher ungewohntes Terrain – freilich nicht im geographischen, sondern im militärischen Sinn.
Rommel in der Zwickmühle Anfang Januar war sich Rommel der Tatsache bewusst, dass ein Verhandlungsfriede mit den Alliierten auf der politischen Agenda zu stehen habe. Die „Festung Europa“ war infolge des „strategic bombing“ der Angloamerikaner ohne Dach. Italien – das hatten die Erfahrungen der zweiten Jahreshälfte 1943 gezeigt – hatte sich zum weichen Unterleib des ,,großgermanischen Imperiums“ entwickelt. Nur: Wie sollte dieser Verhandlungsfriede umgesetzt werden? Die Alliierten bestanden seit der Konferenz von Casablanca auf eine bedingungslose Kapitu-
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lation. Hitler war dieser Überlegung gänzlich unzugänglich. Das am 19. März 1944 von sämtlichen Feldmarschällen abverlangte und von Goebbels initiierte „Treuegelöbnis auf den Führer“ dokumentiert die Einstellung, dass ein Sonderfriede nicht infrage kam. Rommel hatte somit ein Dilemma: Er hatte die Landung der Alliierten am Ärmelkanal unbedingt zu verhindern. Doch hätte diese Landung andererseits Erfolg, dann wäre die Möglichkeit eines Sonderfriedens wahrscheinlicher. Diese Überlegung wird aus Rommels Perspektive Mitte Juni 1944 herangereift sein. Mit erfolgreich gelandeten alliierten Truppen an der Kanalküste wäre diese Lösung noch plausibler. Bei gesundem Menschenverstand müsste dann selbst Hitler endlich einlenken. Rommel sollte und wollte ihm jedenfalls den Sonderfrieden nahelegen. Sein Noch-Vorgesetzter als Oberbefehlshaber West, GFM Gerd von Rundstedt (bis 2. Juli 1944) soll übrigens auch zu dieser Erkenntnis gelangt sein, dessen Nachfolger (bis 16. August 1944), GFM Günther von Kluge, hingegen nicht. Politisch betrachtet besaß das NS-Regime bei all dem, was es mittlerweile auf dem Kerbholz hatte, aber keinen Handlungsspielraum mehr. Ahnte dies Rommel? Wohl nicht völlig. Stattdessen verlegte er sich auf das, was er konnte: Er agierte als Militärtechniker. Er machte sich an eine Aufgabe, die der Quadratur des Kreises glich: unbedingt die
Landung der Alliierten am Kanal zu verhindern. Die Treue gegenüber dem „Führer“ und sein eigenes militärisches Selbstverständnis geboten es. Sein Image nicht minder: das des Spitzenmilitärs für die „mission impossible“.
Rommels enger Rahmen Vor Darstellung seiner Maßnahmen im Einzelnen sind die personell-organisatorischen Voraussetzungen auszuloten, unter denen Rommel 1944 agierte. Denn was nützen noch so gute Ideen, wenn das personelle und materielle Umfeld Grenzen setzt. GFM Rommel war als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B fortan dem Oberbefehlshaber West (OB West) unterstellt. Hierbei handelte es sich um ein militärisches Oberkommando, geschaffen nach Beendigung des Westfeldzuges für die Truppen der Wehrmacht in den Niederlanden, in Belgien und dem besetzten Frankreich. Das Elsass, Lothringen und Luxemburg gehörten nicht dazu. Seit dem 15. März 1944 bestand eine Identität zwischen dem OB West und dem Heeresgruppenkommando D. So lautete die offizielle Bezeichnung bis 10. September 1944: OB West (Hgr. Kdo. D). Während der Wirkungszeit Rommels in Frankreich erfuhr der OB West einen Kommandowechsel von entscheidender Qualität: Vom 15. März 1942 bis zum 2. Juli 1944 war dessen Befehlshaber GFM Gerd von Rundstedt, danach, vom
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Frankreich 1944
IMPOSANT: Ein gigantisches 380-mm-Ferngeschütz, erbaut von der Organisation Todt. Trotzdem waren für Rommel schnell einsatzbereite Panzerverbände der Schlüssel zu einer effektiven Abwehr der alliierten Landung. Foto: picture-alliance/akg
2. Juli bis 16. August 1944, GFM Günther von Kluge. Die Abberufung von Kluges war geplant während der Genesung Rommels infolge des Tieffliegerangriffs vom 17. Juli 1944. Von Rundstedt wie von Kluge waren von der bisherigen Blitzkarriere Rommels alles andere als angetan gewesen. Rommel, der Nicht-Generalstäbler, bürgerlich und Schwabe, war mit dem Rückenwind des „Führers“ nach oben geschoben worden. Wie sie meinten: unverdient in „ihre“ Sphäre. Hinzu kam, dass Rommels Beauftragung, die „Festung Europa“ sturmfest zu machen, aus Rundstedts Perspektive wie ein Affront wirken musste. Dass Rommel dort wirkte, wo der nächste Schlag der Alliierten einfach stattfin-
den musste, legte doch die Führungsdefizite von Rundstedts bloß. Dieser war ja schließlich schon lange genug als OB West in der Verantwortung gestanden. Defizite in der Verteidigung gingen zu Lasten von Rundstedts, nicht zu Lasten Rommels.
INDISCHE LEGION: Rommel schreitet die Reihen seiner Einheit „freies Indien“ ab, die bei der Verteidigung des Atlantikwalls half. Rommel steckte viel Energie in die ihm anvertraute Aufgabe. Andererseits dachte er auch über die Möglichkeit eines Sonderfriedens mit den Alliierten nach. Foto: picture-alliance/ZB
Regimenaher von Rundstedt Mit einem Landungsunternehmen der Alliierten hatte GFM von Rundstedt bereits Erfahrungen sammeln können. „Operation Jubilee“, der gescheiterte alliierte Invasionsversuch am Hafen von Dieppe, fand am 19. August 1942 statt. Für die Alliierten war
„Rommel hat in seiner kurzen Tätigkeit am Atlantikwall enorm viel geleistet. Er geht systematisch und genauestens vor. Er lässt sich durch die Generalstäbler nicht beirren.“ Joseph Goebbels, Tagebuch vom 17. Mai 1944
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es ein militärisches Fiasko und eine nützliche Erfahrung zugleich gewesen. Sie hatten ausprobiert, wie ein von ihnen genommener Hafen gehalten werden könnte, und hatten die Strukturen der deutschen Verteidigung ausgelotet. Ihre Kenntnis über das deutsche Nachrichtenwesen war gewachsen. Problematisch wurde das gescheiterte Unternehmen für die gefangengenommenen Soldaten: Von Rundstedt ließ sie der Gestapo überstellen. Diese Tatsache ist höchst aufschlussreich. Rommel hätte dies nicht getan. Im Unterschied zu ihm wies von Rundstedt eine größere Nähe zur NS-Ideologie – gerade auch im Sinne von Komplizenschaft – auf. Von Rund-
Rommels Vorgänger am Atlantikwall stedt erwies sich letztlich als opportunistischer Feigling: Erst Ende Juni 1944 übte er Kritik an Hitlers Kriegsführung. Er plädierte für eine Beendigung des Krieges, was ihn mit Rommel verbindet. Die Ablösung vom Kommando geschah postwendend, doch nicht der Karrieresturz. Von Rundstedt sollte kurz danach den Vorsitz des von Hitler eingerichteten Ehrenhofs der Wehrmacht übernehmen, der die Widerständler aus der Ehrengerichtsbarkeit der Wehrmacht entlässt und justiziell dem Volksgerichtshof überstellt. Vom 5. September 1944 bis 12. März 1945 wirkte er wieder als OB West. In diese Zeit fällt die delikate Aufgabe, die Totenrede auf den zum Selbstmord getriebenen Rommel zu halten. Diese Aufgabe erfüllt er am 14. Oktober 1944 im Sinne des Regimes mit Bravour. Es war das Staatsbegräbnis für einen verdienten Soldaten: den einzigen, der Hitler nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli noch wirklich hätte gefährlich werden können.
Unentschlossener von Kluge GFM von Kluge, auf den Rommel und der militärische Widerstand nach der kurzzeitigen Abberufung von Rundstedts setzen, erwies sich wie bisher schon als „Ritter von der traurigen Gestalt“. Kurz zu seinem Profil: Von Kluge profitierte von der Winterkrise 1941 – er wurde Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte. Gegen die Ermordung von Juden im rückwärtigen Gebiet unternahm er nichts, obwohl sich in seinem Stab Offiziere befanden, die zum „Aufstand des Gewissens“ bereit waren: Henning von Tresckow als erster Generalstabsoffizier zum Beispiel. Ihm wurde ein Pistolenattentat auf Hitler am 13. März 1943 untersagt. Von Kluge wäre zu einem Putsch nur dann bereit gewesen, wenn der „Führer“ getötet sei. Ein aktives Zutun kam für ihn aber nicht infrage. Die Angehörigen des militärischen Widerstands hofften immer darauf – sie wurden von von Kluge letztlich verraten. Was verbindet von Kluge mit Rommel? Rommel hatte darauf gehofft, mit von Klu-
Literaturtipps McKee, Alexander: Der Untergang der Heeresgruppe Rommel. Caen 1944. Stuttgart 1985 Rommel, Manfred: 1944 – das Jahr der Entscheidung: Erwin Rommel in Frankreich. Stuttgart 2010 Ruge, Friedrich: Rommel und die Invasion. Erinnerungen. Stuttgart 1959 Speidel, Hans: Invasion 1944. Ein Beitrag zu Rommels und des Reiches Schicksal. Stuttgart 1949
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LAGEBESPRECHUNG: Generalfeldmarschall Rommel, zusammen mit General der Fallschirmtruppe Eugen Meindl in der Normandie. Rommel fürchtete besonders die starken alliierten Luftlandedivisionen. Insgesamt hatte die deutsche Verteidigung einfach zu wenig Personal für die Sicherung der Atlantikküste. Foto: picture-alliance/ZB
ges Rückendeckung Hitler die Aussichtslosigkeit der Lage darlegen zu können. Dieser Rückhalt fehlte gänzlich, obwohl der Abschiedsbrief von Kluges, geschrieben kurz vor seinem Selbstmord am 19. August 1944, die Zeilen enthält: „Wir beide, Rommel und ich, und wohl alle Führer hier im Westen, die den Kampf mit den überlegenen Amerikanern und Briten kannten, sahen die jetzt eingetretene Kriegsentwicklung voraus. Wir sind nicht gehört worden! Ich weiß nicht, ob der überall bewährte Feldmarschall Model die Lage hier noch meistern kann.
(...) Zeigen Sie nun auch die Größe, die notwendig sein wird, wenn es gilt, einen aussichtslos gewordenen Kampf zu beenden.“
Doppelter Widerstand Zwei Generalfeldmarschälle, die durch Selbsttötung ums Leben kamen und doch gänzlich verschieden waren. Beide dienten Hitler, doch von Kluge bewies nicht die geringste Resistenz gegenüber dem Unrechtsregime. Rommel hingegen entwickelte Resistenz, die kurz davor war, sich zum Widerstand gegen den Dikatator zu wandeln.
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Frankreich 1944 durch entsprechenden Ausbau der Sperrmittel, und zwar im Küstenvorfeld „noch tief im Wasser“, zu hindern. Rommel erkannte dabei immer mehr, dass der alliierten Luftüberlegenheit nur wenig entgegenzusetzen war. Das heißt, bei einer geglückten Landung der Alliierten würde es den Deutschen kaum gelingen, ihre Kräfte massiv in Küstennähe zu bringen. Sie müssten sich also bereits dort befinden. Details hierzu finden sich im Inspektionsbericht vom 21. April 1944. In einem Brief Rommels an Generaloberst Jodl vom 23. April 1944 präzisierte Rommel, dass ohne die rasche Hilfe der Panzerdivisionen und motorisierten Verbände die in der Verteidigung eingesetzten Divisionen schwerlich in der Lage sein würden, gleichzeitige Angriff von See und von Land her erfolgreich abzuwehren.
Entscheidend hierbei sind bei Rommel gerade auch militärhandwerkliche Überlegungen, die in der ersten Jahreshälfte 1944 zur Reife gelangten. Man kann durchaus sagen: Es geht um zweierlei Widerstand. Bei Rommel reifte der Widerstand gegen Hitler mit der zeitgleichen Erkenntnis, dass die Abwehr der westlichen Alliierten nicht mehr zu bewerkstelligen war. Die beginnende Auseinandersetzung mit den Gräueltaten des Regimes, wodurch bisheriges Ahnen zu Wissen wurde, tat bei Rommel ein Übriges.
Rommels Verteidigungskonzept Wie wollte Rommel den Widerstand gegen die Landung organisieren? Anders als von Rundstedt. Unter dessen Ägide war der Atlantikwall angelegt und verstärkt worden. Trotz des Einsatzes der Organisation Todt und der willigen Kooperation der französischen Zementindustrie sah von Rundstedt den Zustand der Anlagen als unzureichend an. Eine Landung der Alliierten war nach von Rundstedts Auffassung unvermeidlich. So bliebe als Lösung nur, die angelandeten Alliierten Truppen auf französischem Boden in Nähe der Kanalküste zu besiegen. Entscheidend dafür war die deutsche Luftüberlegenheit und – vor allem – die Verfügbarkeit schwerer Panzereinheiten (die allerdings von Rundstedt nicht unmittelbar unterstanden). Wo die Alliierten genau anlanden würden, war für von Rundstedt nicht so eindeutig bestimmbar … wohl aber eher an einer engeren Stelle des Ärmelkanals.
Unlösbare Aufgabe
ÜBEN FÜR DEN ERNSTFALL: Rommel bei einem Verteidigungsmanöver im Februar 1944. Er hatte die Aufgabe, die erwartete Landung der Alliierten um jeden Preis zu verhindern. Foto: picture-alliance/akg-images
Rommel hingegen setzte auf den Ausbau des Atlantikwalls um jeden Preis. Aus seiner Sicht würden die Alliierten an der engsten Stelle – also im Raum Calais – landen. Es galt, die Alliierten an einer Landung bereits
DAS ENDE: Letztendlich konnte auch das „Feldherrengenie“ Rommel nicht die Landung und den anschließenden Durchbruch der Alliierten verhindern. Die Abbildung zeigt Briten während der „Operation Overlord“ am 6. Juni 1944. Abb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
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Da die Alliierten die Fähigkeit hatten, drei Divisionen aus der Luft abzusetzen, sollten für Luftlandungen geeignete Gebiete mit besonderen Sperren, den „Rommel-Spargeln“ versehen werden. Rommel beabsichtigte, den Küstenstreifen auf einer Breite von 800 bis 1000 Meter landeinwärts zu verminen. Die nackten Zahlen sprechen für sich: Als er den Oberbefehl über die Heeresgruppe B übernommen hatte, waren 1,7 Millionen Minen verlegt. In seiner Verantwortlichkeit kamen drei bis vier Millionen Minen hinzu. 50 bis 100 Millionen sollten es nach seinen Vorstellungen werden! Als Rommel die Verteidigung organisierte, standen für ihn die taktischen Elemente eindeutig im Vordergrund. Man kann dies sehr gut bei der Einschätzung operativer Reserven sehen (Auszug aus „Krieg ohne Hass“): „Eine halbwegs starke Besetzung des bedrohten Küstenraums konnte nur unter Rückgriff auf die operativen Reserven erfolgen, während eine starke operative Reserve nur gebildet werden konnte, indem man Truppen aus dem Küstenverteidigungssystem herauszog.“ Obwohl Rommel bei Hitler die materiellen Ressourcen für den Bau der Sperranlagen erwirken konnte – ohne den Einsatz von Zwangsarbeitern ging dies nicht –, blieb das Dilemma unverändert: Die deutsche Seite hatte weder für den bedrohten Küstenraum noch für den Verfügungsraum ausreichend Personal. Als auf alliierter Seite das Überraschungsmoment noch hinzukam und der Tag der Anlandung als der „längste Tag“ zu ihrem Vorteil ausging, war die „Festung Europa“ nicht mehr zu halten. Rommel war sich dessen immer vollauf bewusst. Am D-Day war er nicht vor Ort.
Kolumne
„Nur-Soldat“ oder überzeugter NS-General? Von Peter Andreas Popp
Dr. Peter Andreas Popp ist Oberstleutnant und Lehrstabsoffizier für Militärgeschichte an der Offiziersschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck.
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ie Bundesrepublik Deutschland ist und war nicht das Deutschland Adolf Hitlers, sie genießt mittlerweile jahrzehntelanges Vertrauen. Zu verdanken ist dieser Umstand auch der Kriegsgeneration, die sich in den Wiederaufbau einbrachte. Rund 130 000 Soldaten des DAK gerieten nach Rommels Kapitulation vornehmlich in amerikanische Gefangenschaft. Allerdings wurden nicht alle davon während dieser Zeit Demokraten. Und wie sieht es mit Rommel aus? Er geriet bekanntlich nicht in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Doch lässt sich bei Rommel eine Wandlung hin in Richtung „Soldat in der Demokratie“ ausloten wie beispielweise bei Wolf Graf von Baudissin? Von Baudissin war ebenfalls im Afrikakorps und wurde später Begründer der Führungsphilosophie der Bundeswehr. Der US-Spielfilm aus dem Jahr 1951 „The Desert Fox“ suggeriert jedenfalls einen solchen Wandel Rommels. Doch auch dieser Film ist Teil des Rommel-Mythos – freilich in der Variante nach 1945. Erwin Rommel verdankte seinen rasanten Aufstieg nicht nur eigener Fähigkeit, sondern auch dem Wohlwollen Adolf Hitlers. Was waren hierfür die Gründe? Zum einen gehörte Rommel zum Typus des effizienzorientierten und Ressourcen nicht gerade schonenden Militärhandwerkers. Ohne diese Leute konnte Hitler die Wehrmacht nicht als Instrument seiner Machtpolitik verwenden. Zum anderen war Rommel der Prototyp des Normalbürgers in Deutschland, der seinen Weg bereits vor 1914 ins Militär gefunden hatte. Seine Welt war das Militär. Rommel dachte nach eigenem Selbstverständnis nicht politisch, sondern rein militärisch – er verharrte somit meist auf der taktischen Ebene.
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Genau in dem Moment, wo Rommel politisch-strategische Ansätze zeigte – man kann dies festmachen an seiner Weigerung, aus dem Afrika-Feldzug ein zweites Stalingrad zu machen –, setzte die Entfremdung zu Hitler ein. Diese mündete aber nicht in den Widerstand, für den die Namen Stauffenberg oder Henning von Tresckow stehen. Rommel ist und bleibt der effizienzorientierte „Schwabe“ – wenn auch nicht in der Form des pietistisch geprägten Protestantismus. Allerdings traf diese Prägung für seine Heimat zu. Und das Umfeld formt eben auch. In Rommels Fall war es ein asketisches und auf ein bestimmtes Ziel energisch hinarbeitendes Milieu. Rommels Ziel war nach 1919 die Wiederherstellung deutscher Großmacht durch das Militär. Krieg war für ihn ein legitimes Mittel der Politik. Seine Aufgabe, seine Pflicht und militärische Mission lag darin, den Sieg unter Anspannung aller Kräfte, und d. h. auch auf unkonventionelle Weise, zu erreichen – um jeden Preis! Problematisch wurde es in der Zeit, als der „klassische“ zwischenstaatliche Krieg in einen Rasse- und Vernichtungskrieg umschlug. Rommel hatte das Glück, nicht an der Ostfront „für Deutschland zu fechten“. Er konnte das Wissen um den Genozid im Osten eine gewisse Zeit ausblenden. Bis zur Landung der Alliierten in der Normandie organisierte er den Krieg in Frankreich so, als ob es diese „dunkle Seite“ im Osten nicht geben würde. Wäre er ein überzeugter „Nazi“ gewesen, so hätte er dies nicht ignoriert. Er hätte den Rasse- und Vernichtungskrieg in Afrika, in Italien und in Frankreich ebenfalls betont. Rommel repräsentierte idealtypisch das jugendliche Deutschland, welches • sich in der widrigen Welt nach 1918/19 nicht unterkriegen ließ,
• auf eine strahlende Zukunft hoffte und • verblendet auf das „neue Reich“ Adolf Hitlers setzte. Hitler brauchte unbedingt diese Klientel für den Aufbau seines ,,germanischen Imperiums“. Rommel war für Hitler nicht allein deswegen interessant, weil er, wie er selbst, Weltkriegsteilnehmer war – mit dem „kleinen“ Unterschied, dass Rommel ein wirklicher Held war und Hitler nur ein propagandistisch konstruierter. Nein, Rommel bildete gerade im soziologischen und individuell biographischen Sinne eine ideale Projektionsfläche für Adolf Hitler. Rommel gehörte nicht dem preußischen Militäradel an, also den Kreisen, die Hitler immer suspekt waren, und dies, obwohl sie doch alles andere als Demokraten darstellten. In der Vorstellung Adolf Hitlers stand Rommel prototypisch für den Offizier des noch zu schaffenden nationalsozialistischen Volksheeres. Er wurde damit zu einer propagandistischen Leitfigur. Rommel war eitel und spielte zunehmend den aktiven Part auf der Klaviatur der Goebbels-Propaganda. Einen besseren als ihn konnte sich das Regime auch nicht aussuchen. Denn Rommel war „unkonventionell“, er war kein Bedenkenträger, er verkörperte als „Blitzkrieger“ das dynamische Element des Nationalsozialismus. Jedenfalls so lange, wie „Blitzsiege“ zu erringen waren. Danach gab es ein Rollenproblem. Rommel diente dem Regime. Er wäre zum echten Nazi mutiert, wenn er ein General Schörner geworden wäre: der fanatische Typ des willig-brutalen Militärlakaien, dessen Tun darauf gerichtet war, Menschen zu verheizen und gläubig die NS-Parolen als hohe militärische Führungskunst auszugeben. Diese Gefahr bestand bei Rommel nicht, da er die Fähigkeit zu entwickeln begann, zwischen Hitler und Deutschland zu unterscheiden. Diese Trennung begann er in den letzten Monaten seines Lebens zu vollziehen. War Rommel nicht gerade insofern „typisch deutsch“? Erging es der Mehrzahl der Deutschen nicht ebenso – nur eben zu zögernd und letztlich zu spät?
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Rommels Tod
AUFGEBAHRT: Erwin Rommel auf dem Totenbett, Oktober Foto: RFA 1944.
Verwundung und erzwungener Selbstmord
Das tragische Ende des Generals 14. Oktober 1944: Erwin Rommel, der sich der Heimat von seinen im Juli 1944 erlittenen Verletzungen erholte, erhielt Besuch von zwei Abgesandten Hitlers. Sie stellten den Von Lukas Grawe Generalfeldmarschall vor eine unbarmherzige Entscheidung. 64
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ach dem Beginn der alliierten Landung in der Normandie am 6. Juni 1944 und den missglückten deutschen Abwehrversuchen stand für Rommel mehr denn je fest, dass der Krieg gegen die Übermacht des Gegners nicht mehr zu gewinnen war. Wiederholt teilte er seiner unmittelbaren militärischen Umgebung seine pessimistischen Ansichten mit und nahm dabei kein Blatt vor den Mund. Angesichts der katastrophalen militärischen Lage dachte der Generalfeldmarschall sogar an Selbstmord, verwarf diesen Gedanken jedoch wieder, da er es für „fahnenflüchtig“ hielt, sich auf diese Weise aus der Verantwortung zu stehlen. Noch immer war Rommel hingegen davon überzeugt, dass er Hitler von der Ausweglosigkeit der vorherrschenden Situation überzeugen könne und dass dieser dann die nötigen (politischen) Konsequenzen daraus ziehen werde. Mehrmals machte Rommel den „Führer“ in den letzten Juni- und ersten Julitagen auf die bedenkliche Lage aufmerksam und forderte ihn auf, die notwendigen Schlüsse zu ziehen.
Schwere Verwundung Am 17. Juli 1944 besuchte Rommel während einer Frontinspektion die Kommandierenden Generäle des I. und II. SS-Panzerkorps und machte sich ein Bild von der aktuellen Lage. Auf dem Rückweg zu seinem Hauptquartier im Schloss von La Roche Guyon wurde sein Fahrzeug von alliierten Kampfflugzeugen mit Bordwaffen angegriffen. Rommel erlitt schwere Verletzungen und wurde mit Schädelbruch in ein nahe gelegenes Lazarett gebracht (siehe Kasten rechts). Dort erfuhr er einige Tage später von Mitgliedern seines Stabes vom fehlgeschlagenen
ÜBERBRINGER DER „TODESKAPSEL“: Generalleutnant Wilhelm Burgdorf. Foto: Archiv CLAUSEWITZ
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HINTERGRUND
Wer schoss auf Rommel?
AM BODEN: Bauchgelandete Spitfire VZ-S der 412 Squadron kurz nach der Invasion. Ein Pilot der 412 Squadron behauptete nach dem Krieg, Foto: P. Arnold Rommels Fahrzeug zerstört zu haben.
Am 17. Juli 1944 befanden sich mehrere alliierte Flugzeuge auf Patrouille und suchten nach geeigneten Zielen auf den Straßen der Normandie. Rommel hatte die Gewohnheit, täglich einen Frontbesuch zu unternehmen. Nach der Inspektion von zwei Infanteriedivisionen und der anschließenden Lagebesprechung beim I. und II. SS-Panzerkorps begab sich Rommel in seinem Dienstfahrzeug auf die Rückfahrt. Auf Anweisung mied der Fahrer Hauptstraßen. Rommel saß wie üblich auf dem Beifahrersitz, Hauptmann Helmut Lang und Major Neuhaus (...) saßen hinten. Lang erinnerte sich später: „Wir begannen unsere Rückfahrt gegen 16 Uhr, da Marschall Rommel unbedingt so schnell wie möglich ins Hauptquartier der Heeresgruppe B zurückwollte. Entlang der ganzen Strecke sahen wir brennende Lastwagen, und von Zeit zu Zeit zwangen uns feindliche Bomber, auf Nebenstraßen auszuweichen. Ungefähr gegen 18 Uhr befand sich Rommels Fahrzeug in der Nähe Livarots (auf der N 179) und war auf eine geschützte Straße abgebogen, um in der Nähe operierenden feindlichen Flugzeugen auszuweichen. Wir wollten in etwa vier Kilometer Entfernung von Vimoutiers wieder auf die Hauptstraße zurückkehren. Als wir diese erreicht hatten, sahen wir in der Ferne, dass Livarot noch immer angegriffen wurde. Wir dachten, sie hätten uns nicht gesehen, und fuhren weiter. Plötzlich warnte uns unser Späher (...), dass zwei Flugzeuge entlang der Straße in
Attentat auf Hitler am 20. Juli und war über das Misslingen erleichtert. Seiner Frau Lucie-Maria schrieb er, dass er Gott für das Scheitern des „Mordanschlags“ danke. Rommel war stets gegen den „Tyrannenmord“ gewesen, da er im Falle des Gelingens bürgerkriegsähnliche Zustände im Deutschen Reich fürchtete. Er vertrat vielmehr die Ansicht, dass sich Hitler im Falle eines gelungenen Staatsstreiches vor einem Gericht verantworten sollte.
unsere Richtung flogen. Rommel wies Daniel [Fahrer] an, schneller zu fahren und in eine kleine Straße nach rechts abzubiegen, die zumindest einen gewissen Schutz bot. Doch bevor wir die Abbiegung erreicht hatten, eröffnete das mit hoher Geschwindigkeit nur wenige Meter über der Straße fliegende feindliche Flugzeug das Feuer. Rommel blickte zu diesem Zeitpunkt nach hinten. Der erste Feuerstoß traf die linke Fahrzeugseite, ein Bordkanonengeschoss zerschmetterte Daniels linke Schulter und Arm. Feldmarschall Rommel wurde durch splitterndes Glas am Kopf getroffen und erhielt einen Schlag gegen Schläfe und Jochbein, was einen dreifachen Schädelbruch und sofortige Bewusstlosigkeit zur Folge hatte.“ Am 17. Juli operierten mehrere Jagdbomberverbände in dem erwähnten Gebiet. Es ist daher nicht sicher, wer den Angriff auf Rommel letztlich wirklich ausführte. Viele Jahre lang wurde der Tieffliegerangriff Squadron Leader Chris Le Roux zugeschrieben, dem Staffelkapitän der 602 Squadron, der ausgesprochen korrekt war und ein „Stabsfahrzeug“ als Teil seiner Erfolge an jenem Tag angab. Viele Jahre später behauptete jedoch Flight Lieutenant Charlie Fox von der 412 (Canadian) Squadron, er habe den Angriff auf Rommels Fahrzeug angeführt. Doch er ist nicht der Einzige – eine Anzahl weiterer Piloten, die alle an jenem Tag im Einsatz waren, behaupten das François Prins Gleiche.
Doch erst jetzt erfasste der Generalfeldmarschall den Sinn des Besuchs von Caesar von Hofacker in seinem Hauptquartier am 9. Juli. Hofacker war als angesehener Luftwaffenoffizier das Bindeglied jener Verschwörergruppen in Berlin und Paris, die an der Ausarbeitung des Attentatsplans beteiligt gewesen waren. Die Männer des Widerstands waren zu der Überzeugung gekommen, dass sie für ihre Pläne den „Mythos Rommel“ benötigten, auch wenn sie in dem
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Rommels Tod
FALLEN GELASSEN: Der einst gefeierte Feldherr fiel bei Hitler in Ungnade und wurde zum Selbstmord gezwungen. Foto: National Archives
ZYNISCH: „Beileidsbekundung“ Hitlers an Rommels Ehefrau Lucie-Marie. Foto: SZ Photo/Süddeutsche Zeitung Photo
hoffte, recht bald wieder zu seinem alten Kommando zurückkehren zu können. Während seiner Genesung hatte Rommel nun nach mehreren Jahren erstmals wieder Zeit für seine Familie. Seinem Sohn Manfred, der als Luftwaffenhelfer bei einer Flakbatterie diente, wurde ein mehrwöchiger Urlaub zugestanden, um sich um seinen Vater kümmern zu können. Auch zu Hause verfolgte Rommel alle wesentlichen militärischen Entscheidungen und Ereignisse. Er wollte immer auf dem neuesten Stand gehalten werden.
Schwere Vorwürfe
schwäbischen Generalfeldmarschall eigentlich einen Günstling Hitlers erblickten. Im Zuge seines Besuchs hatte Hofacker Rommel überzeugen wollen, im Falle eines Staatsstreiches die notwendigen militärischen Maßnahmen an der Westfront zu unternehmen und Kontakt zu den Alliierten herzustellen. Dass diese Überlegungen den Tod Hitlers einschlossen, war für Hofacker selbstverständlich, weshalb er das Thema höchstwahrscheinlich unerwähnt ließ. Rommel hingegen sah in Hitler trotz allem noch immer den obersten Befehlshaber, dem er durch Eid verbunden war und dem er zu gehorchen hatte.
Auch Rommel unter Verdacht Im gesamten deutschen Machtbereich setzte unmittelbar nach dem misslungenen Attentatsversuch die unerbittliche Verfolgung der
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„Verschwörer des 20. Juli“ und ihrer Mitwisser ein. Auch Rommel geriet mehr und mehr in den Verdacht, von den Plänen des Widerstands gewusst zu haben. Als er am 8. August zu seiner Familie nach Herrlingen bei Ulm gefahren wurde, ahnte er jedoch noch nicht, dass sein Name mehrfach in den Verhören der SS und der Gestapo gefallen war. Vorerst beschäftigte ihn weiterhin die sich verschlechternde militärische Lage und er
„In einer Viertelstunde bin ich tot.“ Erwin Rommel zu seiner Frau am 14. Oktober 1944
Am 3. September wurde Rommel offiziell als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B ohne Angabe von Gründen abgelöst. Drei Tage später erhielt Rommel Besuch von seinem Stabschef Hans Speidel, der ebenfalls seines Postens enthoben worden war. Dieser berichtete, dass der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Generalfeldmarschall Keitel, und der Chef des Wehrmachtführungsstabes, Generaloberst Jodl, Rommel als „Defätisten“ bezeichnet hatten und bat den genesenden Generalfeldmarschall daher, sich vorzusehen. Rommel glaubte, dass er als Schuldiger für das militärische Versagen des deutschen Heeres im Westen herhalten sollte, und begriff noch nicht, dass er in Verbindung zum gescheiterten Attentat gebracht wurde. Am Tag darauf wurde Speidel in seiner Wohnung verhaftet, da auch ihm eine Beteiligung an der Verschwörung zur Last gelegt wurde. Rommel hatte zu Hause mittlerweile das Gefühl, dass er beobachtet wurde, und veranlasste daher den Ortskommandanten von Herrlingen, ihm eine militärische Wache zu schicken.
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Rommels Tod
VON DEN STRAPAZEN GEZEICHNET: Rommel im Kreise seiner Familie kurz vor seinem Tod im Herbst 1944.
In der deutschen militärischen Führung formierten sich währenddessen die zahlreichen Kritiker Rommels, die das beneidete „Idol“ endlich loswerden wollten und nun den Zeitpunkt für gekommen hielten. Besonders Keitel und Jodl, aber auch andere hochrangige Offiziere, die in der Vergangenheit von Rommel brüskiert worden waren, versuchten Hitler von der Schuld und Mitwisserschaft Rommels zu überzeugen. Propagandaminister Joseph Goebbels notierte bereits im August in sein Tagebuch: „Auch der Führer ist der Überzeugung, dass Rommel an den Attentatsvorbereitungen nicht beteiligt ist, dass er aber davon gewusst hat. Ich muss sagen, dass das […] die schwerste menschliche Enttäuschung für mich ist. Aber mir war seit Langem bekannt, dass Rommel kein Steher ist. Politisch hat er phantasievolle Vorstellungen. Großartig ist er zu gebrauchen, wenn es vorwärts geht, aber sobald eine schwere Krise hereinbricht, ist Rommel ohne jedes innere Widerstandsvermögen.“ Das in den letzten Monaten wiederholt pessimistisch hervorgetretene Wesen des
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Generalfeldmarschalls bildete nun einen wesentlichen Faktor, um seine Schuld zu beweisen.
Unheilvoller Besuch Noch immer erkannte Rommel nicht die große Bedrohung, in der er und seine Familie sich befanden. Vielmehr wollte er sich Anfang Oktober 1944 in einem persönlichen Brief an Hitler für die Freilassung seines ehemaligen Stabschefs Speidel einsetzen, den er als hervorragenden und loyalen Offizier beschrieb. Da Speidel jedoch am 4. Oktober vom „Ehrenhof des Heeres“ für unschuldig befunden und freigelassen wurde, verzichtete Rommel auf die Absendung des Briefes. Was er jedoch nicht ahnte, war, dass Speidel
Literaturtipps Hoffmann, Peter: Stauffenberg und der 20. Juli 1944. München, 2. Aufl. 2007 Reuth, Ralf Georg: Rommel – Das Ende einer Legende. München 2004
Foto: RFA
ihn bei den Verhören offenbar schwer belastet haben musste. Unter dem Vorsitz von Generalfeldmarschall von Rundstedt hatte der „Ehrenhof“, gestützt auf die Verhörprotokolle des Sicherheitsdienstes der SS (SD) und der Gestapo, Speidel mit den Aussagen Hofackers in Verbindung gebracht und ihm eine Mitwisserschaft unterstellt. Speidel machte daher als einzige Möglichkeit, dem Galgen zu entkommen, die Aussage, dass er die Pläne Hofackers pflichtgemäß seinem Vorgesetzten Rommel gemeldet, dieser jedoch eine Weiterleitung unterlassen habe. Damit hatte Speidel – er bestritt vehement, Rommel bei der Gestapo belastet zu haben, um seinen eigenen Kopf zu retten – die Verantwortung auf den schwäbischen Generalfeldmarschall abgeschoben. Hitler, der bislang nur an eine Entlassung Rommels als Konsequenz gedacht hatte, beschloss unter dem Eindruck des Aussage Speidels nun, von einem milden Urteil abzusehen. Er wollte Rommel nach Berlin zitieren und mit den Vorwürfen konfrontieren. Als Keitel am 7. Oktober dem Rekonvaleszenten
Tod durch Gift in Herrlingen befahl, mithilfe eines Sonderzuges in die Reichshauptstadt zu kommen, lehnte dieser unter Hinweis auf einen bevorstehenden Arzttermin ab. Zudem gestatte sein Gesundheitszustand keine weiten Reisen, so Rommel. Nach der Verhaftung Speidels war in Rommel die Befürchtung herangereift, dass man ihn für die Fehlschläge im Westen zur Verantwortung ziehen werde und er daher Berlin nicht lebend erreichen würde. Hitler, der durch SDund Gestapo-Berichte von der fortgeschrittenen Genesung seines einstigen Günstlings wusste, betrachtete die Weigerung Rommels als letztes Indiz für seine Schuld. Am 13. Oktober erhielt Rommel einen erneuten Anruf. Das OKW kündigte für den nächsten Tag den Besuch der Generäle Wilhelm Burgdorf und Ernst Maisel an, die mit dem Generalfeldmarschall über seine weitere Verwendung sprechen sollten. Burgdorf war kurz zuvor als Nachfolger des infolge seiner beim Attentat auf Hitler erlittenen Verwundungen verstorbenen Rommel-Vertrauten Rudolf Schmundt zum Chef des Heerespersonalamtes und Chefadjutanten des OKW bei Hitler avanciert. Maisel war als „Chef für Ehrenangelegenheiten“ im Heerespersonalamt tätig. Am 14. Oktober erklärte Rommel seinem Adjutanten Hermann Aldinger, dass er vermutlich klarstellen müsse, weshalb die Normandiefront zusammengebrochen sei. Hauptmann Aldinger sollte daher bereits das notwendige Kartenmaterial bereitlegen.
„Ich bin nicht beteiligt am Attentat. Ich habe in meinem ganzen Leben dem Vaterland gedient und das beste [sic] getan. Grüßen Sie mein schwäbisches Volk und besonders meine lieben alten Gebirgler.“ Rommel am Tag seines Todes (14. Oktober 1944) zu seinem Adjutanten Hermann Aldinger
Der wahre Anlass für den Besuch blieb dem Generalfeldmarschall bis zuletzt unklar. Gegen Mittag erschienen Burgdorf und Maisel, die von Rommel in seinem Arbeitszimmer empfangen wurden. In der folgenden Stunde legten die beiden Abgesandten Hitlers populärstem General das gesamte zusammengetragene Belastungsmaterial vor, das eine Mitwisserschaft Rommels am HitlerAttentat beweisen sollte.
Schwerwiegender Entschluss Zunächst ging er davon aus, dass es sich bei den Vorwürfen nur um ein Komplott missgünstiger Generäle handeln konnte und dass Hitler selbst von den Vorwürfen nichts wusste. Doch als Burgdorf und Maisel ihm das Gegenteil mitteilten, sah Rommel für sich keinen Ausweg mehr. Die beiden Generäle hatten ihn vor die Wahl gestellt: Er könne sich entweder festnehmen lassen, um wegen Hochverrats vor Gericht gestellt zu werden, oder er könne „den Weg des Offiziers“ gehen. Rommel stand somit vor der grausa-
men Alternative, sich selbst zu töten, um seine Familie vor „Sippenhaft“ zu bewahren und um seinen Ruf zu erhalten, oder getötet zu werden. Für den ersteren Fall hatte ihm Hitler ein Staatsbegräbnis und seiner Familie die volle Auszahlung seiner Pension zugesichert. Für Rommel, der seit langer Zeit ein gebrochener, mit dem „Schicksal“ der deutschen Nation hadernder Mann war, war die Entscheidung klar. Mit geistesabwesendem Blick sagte er zu seiner Frau: „In einer Viertelstunde bin ich tot.“ Auf die entsetzte Frage nach dem Grund verwies Rommel auf die Verschwörung des 20. Juli. „Ich bin nicht beteiligt am Attentat. Ich habe in meinem ganzen Leben dem Vaterland gedient und das beste [sic] getan. Grüßen Sie mein schwäbisches Volk und besonders meine lieben alten Gebirgler“, bemerkte Rommel zu seinem Adjutanten und verließ mit Burgdorf und Maisel das Haus und stieg in den geparkten Wagen. Außerhalb Herrlingens stoppte der Fahrer das Auto und Rommels Begleiter stiegen aus. Der Generalfeldmarschall nahm das ihm übergebene Gift und verstarb wenige Minuten später. Wie zuvor besprochen, brachten Burgdorf und Maisel seinen Leichnam ins Reservelazarett in Ulm und teilten dem diensthabenden Stabsarzt mit, Rommel habe einen Herzanfall erlitten.
Inszenierte Trauerfeier
GEDENKEN: Familienangehörige, Freunde und ehemalige Kameraden Rommels versammelten sich anlässlich des 20. Todestages am 14. Oktober 1964 auf dem Friedhof in Herrlingen. Foto: picture-alliance/UPI
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Vier Tage später, am 18. Oktober, fand in Ulm der von Hitler zugesagte Staatsakt statt. Das minutiös inszenierte Trauerzeremoniell wurde mit einer Ansprache des ehemaligen Rommel-Vorgesetzten Generalfeldmarschall von Rundstedt eröffnet. Lucie-Maria und Manfred Rommel ließen die Zeremonie über sich ergehen. Einen Monat später, am 16. November 1944, titelte die Ausgabe des Illustrierten Beobachters mit einem Porträt Rommels und der Unterschrift: „ ,Mag der Einzelne auch fallen, der Sieg der Nation ist sicher.’ Dies Wort seines Generalfeldmarschalls Rommel beseelt das ganze deutsche Volk in seinem schweren Schicksalskampf bis zur Stunde des Sieges.“
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Meinung
Widerstand gegen das NS-Regime
Rommel und der „Aufstand des Gewissens“ 20. Juli 1944: Das Attentat von Claus Schenk Graf von Stauffenberg auf Hitler scheiterte. Rommels Persönlichkeit ist grundsätzlich belegt mit dem Attribut des Heldenhaften – doch welche Rolle spielte er im militärischen Widerstand gegen das NS-Regime? Von Peter Andreas Popp
bar? Mit letzterer Frage beschäftigen sich Historiker nicht so gern. Sie führt ins Spekulative. Die Frage nach der Wahrscheinlichkeit liegt ihnen eher. Denn hier geht es um die Interpretation des Geschehens, die Bewertung von Quellen durch Abwägung von Tatsächlichkeit und Wahrscheinlichkeit. Also: Was wissen wir tatsächlich? Rommel war das infach ist es nicht, Rommels Rolle wäh„Dieser pathologische Lügner ist nunmehr völlig Musterexemplar für eirend des „Aufstands des Gewissens“ wahnsinnig geworden, seinen wahren Sadismus nen unpolitischen Solzu bewerten. hat er gegen die Männer des 20. Juli gerichtet, daten, den reinen MiliErstens: Rommel war der General, der in und wir sind noch nicht am Ende!“ tärhandwerker. Hier der Gunst Hitlers seit Beginn des WeltkrieRommel stellt sich das Problem, ges an erster Stelle stand. Und jetzt der Konwie lange der „reine trast: Am 14. Oktober 1944 blieb Rommel nur übrig, den Freitod zu wählen. Dazwischen rungen, das Regime zu beenden, mussten Fachmann“ es sich erlauben kann, Fragen eben reifen. an die Politik auszublenden, wenn er nicht liegt bekanntlich der „20. Juli“. Drittens: Wir wissen nicht, wie sich Rom- Gefahr laufen will, unprofessionell zu hanZweitens: Zu dem unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gezeichneten positiven mel am 20. Juli 1944 tatsächlich verhalten deln. Tatsache ist, dass Rommel erste ZweiRommel-Bild passt trefflich die Komponen- hätte, da er am 17. Juli auf der Straße nach fel an Hitler in der letzten Phase des Afrikate „Widerstand gegen Hitler“. Der Wider- Vimoutiers durch den Beschuss zweier alli- Feldzuges kamen: Rommel war nicht bereit, stand krönt gewissermaßen den „sauber“ ierter Flugzeuge schwer verletzt wurde. Die seine Soldaten im Wüstensand „stalingradund ritterlich geführten Afrika-Feldzug. Aus Überlegung ist besonders „reizvoll“, da Stauf- gleich“ zu opfern. Eine Brutalisierung der alliierter, besonders britischer Perspekti- fenbergs Attentat ursprünglich am 15. Juli hät- Kampagne nach Art des Rasse- und Vernichve konnte die Heroisierung Rommels zum te stattfinden sollen. Also: auch hier wieder tungskrieges gegen die Sowjetunion kam für ihn nicht infrage. Seit März 1943 war Widerstandkämpfer kaschieren, dass der die Verkettung unglücklicher Zufälle! Viertens: Bei den brutalen Ermittlungen Rommels Verhältnis zu Hitler jedenfalls „20. Juli“ zum Zeitpunkt des Attentats und in den Monaten zumindest bis Kriegsende der Gestapo nach dem gescheiterten Putsch nicht mehr das alte. vom 20. Juli 1944 fiel Im Juli 1943 hatte Rommel Gelegenheit, der Name Rommel. Hitler im Führerhauptquartier in Rasten„Ich möchte nochmals feststellen, dass mein Mann Doch hier wären die burg/Ostpreußen davon zu überzeugen, nicht an den Vorbereitungen oder den AusführunUmstände und Kongen des 20. Juli beteiligt war, da er als Soldat abditionen zu überprülehnte, diesen Weg zu beschreiten. Er war während fen, unter denen die Literaturtipps seiner Laufbahn immer Soldat und nie Politiker.“ Nennung von RomLucie Rommel Lill, Rudolf (Hg.): 20. Juli – Porträts des Widermels Namen stattstands. Düsseldorf 1995 fand. Kurzum: Wie Steinbach, Peter (Hg.): Lexikon des Widerstaneben nicht als Symbol eines „anderen wahr sind Geständnisse, die durch Folter des 1933–1945. München 1998 Deutschlands“ gewürdigt wurde. Aus deut- herbeigeführt werden? scher Perspektive konnte, nachdem eine geStumpf, Reinhard: Erwin Rommel und der Widerstand. In: Militärgeschichtliche Beiträge. wisse Zeit vergangen war, Rommels Verhal- Kein Stalingrad im Wüstensand Sammelband der Zeitschrift Militärgeschichte 5. ten – d. h. der Widerstand – als prototypisch Man muss bei der Klärung von Rommels Potsdam 1991 für „alle anständigen Deutschen“ gewertet Rolle im militärischen Widerstand sehr exakt
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werden. Plakativ gesprochen: Das deutsche Volk erkennt den Wahnsinn des Regimes. Doch die daraus zu ziehenden Schlussfolge-
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vorgehen, indem differenziert wird zwischen den Fragen: Was wissen wir tatsächlich? Was ist wahrscheinlich? Was ist zumindest denk-
Ueberschär, Gerd: Der deutsche Widerstand gegen Hitler. Darmstadt 2002
te: Hitler habe durch „Abschlachdass der Krieg nicht mehr mit ei„Rommel musste sterben, weil er nach der Lantungen große Schuld“ auf sich genem uneingeschränkten Sieg gedung der Alliierten in der Normandie dazu geraladen. wonnen werden könne. Von Nieten hatte, den Krieg zu beenden, da er verloren Eine Schlüsselrolle kommt der derlage war von Rommels Seite sei. Diesen Rat hat Hitler als Verrat gewertet.“ Unterredung zu, die Oberstleutnicht die Rede. Hitler antwortete: Robert Kempner, US-Ankläger in Nürnberg nant Dr. Caesar von Hofacker, „Mit mir schließt niemand FrieStauffen-bergs Mann in Paris, am den.“ Wenn das deutsche Volk den Krieg verlöre, sollten auch die Überlebenden Acht lässt, dass das „Dritte Reich“ eine tota- 9. Juli 1944 mit Rommel in La Roche Guyon ruhig zugrunde gehen; ein großes Volk müs- litäre Diktatur verkörperte. Das heißt: Rom- unter vier Augen führte. Über dieses halbmel hätte sich dem Treuegelöbnis nicht stündige Gespräch wissen wir nur aus indise „heroisch sterben“. Die entsprechende Konsequenz wie Hen- ungestraft verweigern können. Er hätte sich rekten Quellen. Von Hofacker wertete den ning von Tresckow und seine Offiziere im in einem Akt der Verweigerung „zum Ab- Dialog als Unterstützung des militärischen Stab der Heeresgruppe Mitte im Spätwin- schuss freigegeben“. Doch das Ereignis be- Widerstands durch Rommel. ter 1943 zog Rommel im Angesicht dieses deutete de facto, dass die Militärelite des Wahnsinns nicht. Er sann und handelte nicht „Dritten Reiches“ fortan wirklich alles hin- „Der Kampf neigt sich dem Ende“ nach der besten Methode, Hitler aus dem zunehmen bereit war, was Hitler an Unsinni- Rommel unterzeichnete am 15. Juli 1944 eine Weg zu räumen. Vielmehr organisierte er ab gem und Verbrecherischem befahl. „Der von Speidel verfasste dreiseitige Denkschrift, dem 15. Juli 1943 als Oberbefehlshaber der Führer“ verabschiedete Rommel mit den welche die Passage beinhaltet: „Die Truppe Heeresgruppe B die deutsche Verteidigung Worten: „Von Ihnen hängt der Ausgang des kämpft allerorts heldenmütig, jedoch der Krieges ab und damit das Schicksal des Rei- ungleiche Kampf neigt sich dem Ende entgeim Mittelmeerraum. ches.“ Und damit galt jetzt erst recht die Lo- gen“. Handschriftlich ergänzte er mit direkMitgegangen, mitgehangen sung: mitgegangen – mitgehangen. ter Ansprache an Hitler: „Ich muss Sie bitten, Der Bündnisabfall Italiens führte Rommel wieder näher an Hitler heran. Rommel sah Rommel will Hitler verhaften „Rommels Widerstand gegen die die deutschen Soldaten in Italien als Gäste, Seit Frühjahr hatte Rommel direkten KonHitler-Tyrannei, der ihn das gleichwohl hielt er ein rigoroses Vorgehen ge- takt mit Abgesandten des militärischen WiLeben kostete, betrachte ich als gen italienische Partisanen aus Gründen der derstands. Seine Mitarbeiter Stülpnagel und ein zusätzliches Ruhmesblatt.“ Sicherheit der eigenen Truppe für geboten Speidel zählten auch dazu. Den VerschwöWinston Churchill (siehe den Befehl an die Heeresgruppe B vom rern war klar, dass Rommel eine Schlüssel23. September 1943). Der italienische Kriegs- stellung gerade im Hinblick auf die Angloschauplatz erfuhr ab Sommer 1943 eine Qua- amerikaner hatte, wenn das Attentat wirk- die (politischen) Folgerungen aus dieser Lalität, wie sie bislang im Süden Europas nur lich erfolgreich sein sollte. So gut wie nichts ge unverzüglich zu ziehen.“ Das Wort „poliauf dem Balkan gegeben war. Rommel erhielt wurde protokolliert. Speidels Erinnerungen, tisch“ steht hier deswegen in Klammern, weil nicht den Oberbefehl über die deutschen geschrieben nach 1945, erwecken den Ein- es Rommel auf Anraten seines Stabes strich, Truppen auf der Apenninenhalbinsel. Seine druck, Rommel sei auf die Seite der Wider- um Hitler besser überzeugen zu können. Zu der intendierten (dritten) Unterredung mit Hitler kam es nicht. Rommels Vor„Der Feldmarschall trat den Attentatsabsichten entgegen, da er Hitler gesetzter, GFM von Kluge, leitete die Denknicht zum Märtyrer gemacht wissen wollte. Sein Gedankengang war schrift nicht weiter und Rommel selbst war es, sich der Person Hitlers durch zuverlässige Panzerverbände zu wegen des Fliegerangriffs vom 17. Juli vorbemächtigen, um ihn vor ein deutsches Gericht zu stellen und wegen erst nicht mehr präsent. Zehn Jahre nach den seiner Verbrechen am eigenen Volk und an der Menschheit zu verurJuni-/Juli-Ereignissen von 1944 urteilte der teilen. Das Volk, das ihn gewählt hatte, sollte ihn auch richten.“ Historiker Gerhard Ritter über Rommels Hans Speidel, General a. D. Verhalten als „Opposition (…) grundsätzlich (…) anderer Art“ als bei den Männern des neue Aufgabe bestand im Ausbau der „Fes- standskämpfer übergewechselt. Ist er damit „20. Juli“. Er hat damit recht und unrecht zutung Europa“: Er wurde ab November 1943 schon zum Widerstand bereit? Eindeutige gleich: Wenn Opposition mit Tatgesinnung Inspekteur des Atlantikwalls. Dieser Aufga- Angehörige des militärischen Widerstandes identifiziert wird, dann fehlte bei Rommel be widmete sich Rommel mit größtem Enga- bevorzugten auch diese Variante. Mit dem die Gesinnung zur Tat. Gleichwie, für Hitler gement. Widerstand durch Leistungsverwei- 6. Juni 1944, dem D-Day, kam für Rommel war Rommel ein Verräter. gerung war seine Sache nicht, im Gegenteil. kein anderer Ausweg infrage, als mit den Am 19. März 1944 wurde gegenüber dem Angloamerikanern zu verhandeln. Am 17. Dr. Peter Andreas Popp, Oberstleut„Führer“ das Treuegelöbnis der Generalfeld- und 29. Juni 1944 wies dies Hitler in direknant, Lehrstabsoffizier für Militärgemarschälle des Heeres geleistet, unterzeich- tem Gespräch mit Rommel brüsk zurück. schichte an der Offiziersschule der net von den GFM Busch, Kleist, Manstein, Anhand eines unveröffentlichten TageLuftwaffe in Fürstenfeldbruck. Zuvor Rommel, Rundstedt und Weichs. Wahrlich bucheintrags von Vizeadmiral Friedrich Rulangjähriger Mitarbeiter des Militärgekein Akt des Widerstands! Doch dieses Ur- ge vom 11. Juni 1944 ist bekannt, dass Romschichtlichen Forschungsamtes. teil ist nur dann stichhaltig, wenn man außer mel die Verbrechen des Regimes nicht billig-
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Staatsbegräbnis
Das Staatsbegräbnis vom 18. Oktober 1944
„Verabschiedung“ durch das NS-Regime Die kriminelle Energie des NS-Regimes zeigte sich auch in der Inszenierung von Schlüsselereignissen, die angelegt waren, eine konstruierte Wahrheit als reine Von Peter Andreas Popp Wahrheit darzustellen.
LETZTE RUHESTÄTTE: Die Urne wird auf dem Friedhof von Herrlingen beigesetzt.
TRAUERND: Die Witwe, Lucie Rommel, nimmt Beileidsbekundungen von Major Kimmich entgegen. Dahinter stehend Sohn Manfred. Fotos: (2) SZ Photo/Süddeutsche Zeitung Photo
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selbst besser stilisieren zu können, fand gerade in der Art und Weise, wie Rommel zum Tode gezwungen und dann durch das Regime als „toter Held vermarktet“ wurde, eine verführerische Ausdrucksform.
in „Rührstück“ besonderer Art verkörperte das Staatsbegräbnis für Erwin Rommel am 18. Oktober 1944 in Ulm. Der Ausdruck ,,Rührstück“ erscheint hier bewusst in Anlehnung an das sehr entlarvende Goebbels-Wort zum „Tag von Potsdam“ (21. März 1933). Warum war Rommel für das Regime gefährlich? Er wäre – Courage seinerseits vorausgesetzt – der einzige prominente deutsche Spitzenmilitär gewesen, der nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 eine politische Alternative zum NS-Regime auf militärischer Basis hätte aufbauen können. Und zwar aufgrund seines bisherigen Werdeganges sowie des tatsächlichen bzw. propagandistisch vermittelten Charismas. Der Mann musste aus Hitlers Sicht verschwinden, damit sich nicht „auf nationalsozialistische Art“ Geschichte nach Vorbild des Lebewohls Napoleons an seine Garde vom 18. April 1814 („Les Adieux de Fontainebleau“) wiederholte. Hitlers Todestrieb, der bedeutete, alles mitzureißen, um sich
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Staatsbegräbnis „Nr. 68“ Insgesamt fanden im nationalsozialistischen Deutschland 69 Staatsbegräbnisse statt: 29 vor Beginn des Zweiten Weltkrieges und weitere 40 bis zu dessen Ende. Das für Erwin Rommel bildete das vorletzte, also die „Nummer 68“. Im großen Unterschied zu allen anderen bedeutete es eine einmalige Inszenierung nach dem Motto „als ob“. Das heißt, ungeachtet der Tatsache, dass Rommels tatsächliche Rolle im militärischen Widerstand von der Historikerzunft als äußerst relativ betrachtet wird – für das NS-Regime verkörperte Rommel einen wirklichen Gegner. Und dieser war so zu beseitigen und zeremoniell zu „entsorgen“, dass er Hitler nicht noch als toter Feldherr gefährlich werden konnte. Wie die Stilisierung Rommels
als glänzender Held nicht unwesentlich von der Propaganda getragen wurde, so vollzog sich jetzt dessen „Verbringung in den Tod“ auf ebensolche Art und Weise. Rommels erzwungener Selbstmord geschah am 14. Oktober 1944. Die offizielle Todesursache in der Sterbeurkunde lautete auf „Herzschlag“, wobei das zuvor gesetzte Wort „Herzlähmung“ gestrichen war.
Makaber und pompös Solch ein Fauxpas ereignete sich beim Staatsakt selbst nicht. Die Regie oblag einem aus Berlin angereisten Stab des OKH. Man bahrte den Sarg, drapiert mit der Hakenkreuzflagge, im Ulmer Rathaus auf. Beginn der Zeremonie war exakt 13 Uhr. Rommels Insignien soldatischer Macht und Dienststellung – Marschallstab, Helm und Degen – befanden sich auf dem Sarg. Seine Auszeichnungen waren gesondert beigelegt auf einem Ordenskissen. Sechs Ritterkreuzträger bildeten das letzte Geleit. Vor dem Ulmer Rathaus standen stumm mehrere Tausend Menschen.
EFFEKTVOLLES SPEKTAKEL: Das NS-Regime „entsorgte“ Rommel mit Pauken und Trompeten. Das Foto zeigt, wie der dekorierte Sarg nach der Trauerfeier aus dem Ulmer Rathaus auf die wartende Lafette getragen wird. Foto: picture-alliance/akg
Rommels Kontrahent, GFM von Rundstedt, hielt im Auftrage des „Führers“ die Trauerrede: Er betonte die Siege des Verstorbenen in Afrika und hob dessen tiefe nationalsozialistische Gesinnung hervor. Die schauerlichen Ausführungen endeten mit dem Appell, bedingungslos im Sinne Rommels bis zum Endsieg weiterzukämpfen. Kurzum: ein „Schmierentheater“ und bemerkenswerterweise ohne jegliches Trostwort an die Hinterbliebenen. Wie auch, denn dies hätte der Geschmacklosigkeit die Krone aufgesetzt. Hitler hatte zwei Tage zuvor, am 16. Oktober, per Telegramm kondoliert mit
den Worten: „Nehmen Sie zu dem schweren Verluste(,) den sie durch den Tod Ihres Gatten erlitten haben(,) mein aufrichtiges Beileid entgegen. Der Name des Generalfeldmarschall Rommel wird für immer mit den heldenhaften Kämpfen in Nordafrika verbunden sein. Adolf Hitler.“ Kein Wort zu Italien 1943, erst recht kein Wort zu Frankreich 1940 und 1944! Die Zeremonie fand ihren Abschluss mit der Überführung des Sarges vom Rathaus zum Krematorium. Dort hielt Hanns Gert Freiherr von Esebeck (1903–1969) eine weitere Ansprache. Er war Kriegsberichterstatter
„Meine Mutter war völlig erstarrt. Man hat ja auch nicht gewusst, wie lange unsere Freiheit noch andauern würde, ob sie nicht vielleicht relativ rasch, nachdem dieses ,Theaterstück’ aufgeführt war, beendet würde.“ Manfred Rommel
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im Nordafrika-Feldzug und damit Goebbels’ Mann bei Rommel (nicht zu verwechseln mit Hans-Karl Freiherr von Esebeck (1892–1955), als Generalleutnant Kommandeur der 15. Panzerdivision in Nordafrika und mitbeteiligt am „20. Juli“). Rommels Asche fand ihre letzte Ruhe auf dem Dorffriedhof von Herrlingen.
Sterbend, brüllend, stehend? Kurz vor Ende des „Dritten Reiches“, nämlich im März 1945, erhielt die vom Regime gedemütigte Witwe das Konzept für ein mächtiges Rommel-Ehrenmal in drei Varianten zugesandt: (1) sterbender Löwe im Entwurf von Josef Thorak, (2) brüllender Löwe im Entwurf von Arno Breker und (3) stehender Löwe im Entwurf von Rudolf Löhner. Alle drei Bildhauer zählten bis zum Schluss zu den gehätschelten RegimeKünstlern. Lucie-Maria Rommel, geborene Mollin, versagte sich dieser „gewaltigen Ehre des Reiches“ für ihren subtil ermordeten Mann.
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Rommel in der NS-Propaganda
Ein Held für Hitler
Der Propaganda-Faktor Das „Dritte Reich“ inszenierte Rommel als genialen Feldherren und instrumentalisierte sein gutes Image rücksichtslos für Propaganda-Zwecke. Rommel ahnte, dass er benutzt wurde und einen verhängnisvollen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte. Von Peter Andreas Popp
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m Vergleich zu anderen Feldmarschällen der Wehrmacht existierte zwischen Rommel und Hitler zweifellos eine besondere Beziehung. Sie stand anfangs unter einem guten Stern, als Hitler am 15. März 1939 auf Anraten Rommels ohne großes Begleitkommando, jedoch in Rommels „Tuchfühlung“, den Hradschin aufsuchte. Es handelte sich um einen Tag äußerster Aggression: den Tag, an dem die „Zerschlagung der Rest-Tschechei“ stattfand. Die besondere Beziehung währte zumindest bis zum 3. November 1942. An diesem Tag verbat Hitler per Telegramm dem „Wüstenfuchs“ den geordneten Rückzug aus Nordafrika. Das Deutsche Afrikakorps sollte
denselben Weg gehen, wie ihn die 6. Armee in Stalingrad bis zum 30. Januar 1943 gegangen war: rigoroser Kampf bis zur Selbstvernichtung.
Fragiles Verhältnis Gespeist war die besondere Beziehung zwischen Hitler und Rommel durch ein komplexes Motivgeflecht wechselseitiger Bewunderung. Wenn man beider Karrieren seit 1914 miteinander vergleicht, so gehörten beide zur Gruppe der Aufsteiger. Ihr Leben wäre ohne den politischen Taumel, in dem sich Deutschland seit 1914 befand, wohl eher ganz unspektakulär verlaufen.
Solange die deutschen Armeen siegten, war das Verhältnis durchweg positiv. Wäre es wirklich stabil gewesen, so hätte es die Belastungen durch die spätestens ab Stalingrad einsetzenden Niederlagen Deutschlands abgefedert. Die Beziehung zwischen Rommel und Hitler war aber das genaue Gegenteil davon. Sie war rauschhaft, weil sie nur auf dem schönen Schein von Gläubigkeit und Karrierestreben basierte. Sie war substanzlos, weil zunehmend offenbar wurde, wie dünn doch das gemeinsame Wertefundament war. Sie enthielt, Rommel betrachtet, eine durchaus tragische Dimension: Rommel besaß nicht die Größe, wirklich authentisch zu sein und dem Bösen, d. h. Hitler, mit aller Konsequenz Paroli zu bieten. Rommel hatte – vom Buchtitel her betrachtet – etwas von der Hauptfigur Ulrich in Robert Musils Romanfragment „Der Mann ohne Eigenschaften“ an sich.
Konstrukt Rommel
BEZIEHUNG BESONDERER ART: Generalfeldmarschall Rommel und Reichsminister Goebbels bildeten eine Zweckgemeinschaft. Das Bild zeigt die beiden bei einem Pressetreffen im Oktober 1942 in Berlin. Foto: picture-alliance/ZB
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Die Propaganda des „Dritten Reiches“ gab etwas ganz anderes vor. Sie erhob Rommel zum Genie der Tat, welches auf dem Schlachtfeld das exekutierte, was das „Werk des durch die Vorsehung gesegneten Führers“ war. Es war ein Spagat: Rommel als „militärischer Macher“ auf der einen Seite und auf der anderen Adolf Hitler als „Herrgott des Dritten Reiches“. Rommel gehörte demnach zur Gruppe der Engel mit besonderen Aufgaben. Die Propaganda suggerierte, dass jeder, der wie Rommel „tickte“, den Marschallstab im Tornister habe. Rommel tat das Seine: Er setzte sich in Szene, was Neider in Partei (Martin Bormann, „Sekretär des Führers“) und Militär („die gelernten Generalstäbler“) erst recht auf den Plan rief. Wer rasch sehr hoch steigt, der fällt bekanntlich umso tiefer. Rommels Karriere war eine fragile. Er bedurfte neben eigenem Können und dem dabei immer notwendigen Quantum Glück dringend eines Mannes, der
AUF DEM TITEL: Rommel als Verkörperung des siegreichen Generals. Heft Nr. 10/1941 der Zeitschrift „Signal“ (französische Ausgabe). Das Heft verspricht den Lesern eine illustrierte Reportage über „Lieutenant-Général Rommel, commandant du corps allemand en Afrique“. Abb.: picture-alliance/akg
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Rommel in der NS-Propaganda seiner bedurfte, um selbst besser zu punkten. Mit diesem ging Rommel – anders als Hitler – geradezu ein symbiotisches Verhältnis ein: Reichspropagandaminister Joseph Goebbels.
Interpret Goebbels
GEKONNT INSZENIERT: Das Gemälde „Rommel greift an“ von Wolfgang Willrich aus dem Jahr 1942 zeigt den „Wüstenfuchs“ entschlossen und offensiv. Ganz nach dem Sprichwort: „Wo Rommel ist, ist vorn!“ Abb.: picture-alliance/akg-images
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Lassen wir die von Goebbels öffentlich getätigten Äußerungen über Rommel beiseite. Sie waren immer in penetrant propagandistischer Weise formuliert. Interessant sind die nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Bemerkungen über Rommel – anvertraut seinem (heute im Institut für Zeitgeschichte in München aufbewahrten) Tagebuch. Sie belegen, wie Goebbels als „Medium“ zwischen Rommel und Hitler wirkte, immer darauf bedacht, der zweite Mann hinter Hitler zu werden: 1. Eintrag vom 27. Juni 1942: „Rommel ist überhaupt ein General, der durch seine Erfolge auch die größten Propagandasiege erficht. Solche Generäle müssten wir mehrere haben.“ 2. Eintrag vom 30. September 1942: „Ich halte Rommel für einen der ersten Truppenführer unserer gesamten Wehrmacht. Der Führer hat auch die Absicht, ihn nach dem Kriege unter Umständen zum Oberbefehlshaber des Heeres zu machen, was er wie kein anderer verdient.“ 3. Eintrag vom 10. Mai 1943: „Rommel bleibt jetzt in der unmittelbaren Umgebung des Führers. Er will ihn sich aufsparen für die erste große und schwierige Aufgabe, die auftaucht, und will ihn dann immer dahin setzen, wo eine klare improvisatorische Führung am dringendsten gebraucht wird.“ 4. Eintrag vom 17. Mai 1944: „Rommel hat in seiner nur kurzen Tätigkeit am Atlantikwall enorm viel geleistet. Er geht systematisch und genauestens vor. Er lässt sich durch die Generalstäbler nicht beirren.“ 5. Eintrag vom 20. Juni 1944: „Der Führer, der bei Rommel und Rundstedt war, hat einen guten Eindruck von beiden bekommen, die vollkommen Herr der Situation sind und sich vor allem sehr gut miteinander vertragen. Aber er hat, wie mir aus dem Westen berichtet wird, auch einen außerordentlich frischen und vitalen Eindruck hinterlassen.“ 6. Eintrag vom 3. August 1944: „Mir werden Unterlagen für des Westkomplex zum 20. Juli vorgelegt. Daraus ist zu ersehen, dass General Stülpnagel völlig an diesem Verrat beteiligt war und dass er auch Kluge und Rommel mit auf seine Seite zu ziehen versucht hat. Weder Kluge noch Rommel haben seinen Einflüsterungen den nötigen Widerstand entgegengebracht. (...) Auch der Führer ist der Überzeugung, dass Rommel an den Attentatsvorbereitungen
Goebbels als „Regisseur“ des Mythos
„Es gibt keinen Zweifel, dass Rommel große Erwartungen an Hitler stellte und sich dann in diesen Erwartungen schmählich getäuscht sah. Genauso steht es für mich außer Zweifel, dass Hitler große Erwartungen in Rommel setzte und sich ebenfalls in diesen Erwartungen nachher getäuscht sah.“ MEINHARD GLANZ, GENERAL A. D., DAK „Ich selbst hielt Rommel für einen sehr eitlen Menschen, der sich mit Wonne von früh bis spät fotografieren ließ. Solche eitlen Menschen sind aber erfahrungsgemäß nie die tüchtigsten Menschen, denn ein wirklich tüchtiger Mensch hat es nicht nötig, sich fortgesetzt vor die Kamera zu schieben.“ MARTIN BORMANN, SEKRETÄR DES „FÜHRERS“ „Die Engländer zollen in ihren Zeitungen General Rommel das höchste Lob. Das ist ein Zeichen dafür, dass sie sich nicht wohl in ihrer Haut fühlen, denn in England lobt man den Gegner nur, wenn man unterliegt, weil man damit eine bessere Begründung für eine Niederlage hat.“ JOSEPH GOEBBELS, TAGEBUCH VOM 20. DEZEMBER 1941 „Wenn mein Vater in seiner ,afrikanischen’ Zeit zu Hitler kam, ist er ununterbrochen gelobt worden. Seine Erfolge beeindruckten Hitler außerordentlich. So [...] glaubte [mein Vater] auch einen gewissen Einfluss zu haben.“ MANFRED ROMMEL
AUS DEM CABRIOLET KOMMANDIEREND: So sah ihn die Propaganda am liebsten – mit Staubbrille und Ledermantel an der Front, die Truppen dirigierend und Siege erringend. Das Bild zeigt Rommel im Mai 1942 im Raum Tobruk. Die NS-Propaganda schreibt dazu: „Von der Kampffront in Nordafrika. Generaloberst Rommel besucht einen Stützpunkt an der vordersten Front.“ Foto: picture-alliance/ZB
nicht beteiligt ist, dass er aber davon gewusst hat. Ich muss sagen, dass das ... die schwerste menschliche Enttäuschung für mich ist. Aber mir war ja schon seit Langem bekannt, dass Rommel kein Steher ist. Politisch hat er phantastische Vorstellungen. Großartig ist er zu gebrauchen, wenn es vorwärts geht; aber sobald eine schwere Krise hereinbricht, ist Rommel ohne jedes innere Widerstandsvermögen.“
Ausgebeutet und abserviert Zu beachten ist, welche Schlüsselrolle Propagandaminister Goebbels am 20. Juli 1944 im Sinne der Stabilisierung der Lage ein-
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nahm: Er war es nämlich, der den Kommandeur des Wachbataillons „Großdeutschland“, Major Otto Ernst Remer, davon überzeugen konnte, dass der „Führer“ lebte, indem er Remer den Telefonhörer übergab.
Literaturtipps Reuth, Ralf Georg: Erwin Rommel. Des Führers General. München 1987 Reuth, Ralf Georg: Erwin Rommel. Die Propagandaschöpfung. In: Roland Smelser und Enrico Syring (Hg.): Die Militärelite des Dritten Reiches. 27 biographische Skizzen. Berlin 1997
Am anderen Ende der Leitung meldete sich schließlich Hitler. Rommel wird also bis zum letzten Lebensakt von Goebbels instrumentalisiert: Er ist als Verfolgter und dann als Toter der Garant dafür, dass Goebbels – selbst eine außengeleitete, d. h. von Hitler suggestiv abhängige Persönlichkeit – in Konkurrenz mit Bormann, Himmler und Speer besteht. Was die propagandistische Verwertung Rommels im Sinne tatsächlicher und ab 1943 suggerierter Siege betrifft, so hatte Rommel seinen Zweck schon längst erfüllt; spätestens mit der Landung der Alliierten in der Normandie …
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Orden und Auszeichnungen
VON HÖCHSTER STELLE: Verleihungsurkunde des „Pour le Mérite“ für Erwin Rommel mit Datum vom 10. Dezember 1917. Foto: Haus der Geschichte Baden-Württemberg
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Rommels höchste Tapferkeitsauszeichnungen
Sei tapfer und rede darüber!
Herbst 1917: Der strategisch bedeutsame Monte Matajur wurde von Rommels Soldaten erobert, doch den ausgelobten Orden „Pour le Mérite“ bekam ein anderer Kompanieführer. Rommel erkämpfte sich die Auszeichnung danach durch eine Beschwerde. Von Jörg-M. Hormann
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berleutnant Erwin Rommel, Kompaniechef und Abteilungsführer im Königlich Württembergischen Gebirgsbataillon (WGB), war über den Heeresbericht vom 27. Oktober 1917 wenig erfreut. Dort meldete das Große Hauptquartier über den Kriegsschauplatz der italienischen IsonzoFront: „… der scharfgratige Höhenrücken des Stol wurde von der k. u. k. 22. Schützendivision genommen, der 1641 Meter hohe, stark befestigte Gipfel des Monte Matajur fiel schon am 25. Oktober, 7:00 Uhr vormittags – 23 Stunden nach Beginn unseres Angriffes bei Tolmein – durch die hervorragende Tatkraft des Leutnants Schnieber, der mit vier Kompagnien des Oberschlesischen Infanterieregiments Nr. 63 den starken italienischen Grenzstützpunkt stürmte. Die zweite italienische Armee ist geschlagen. Kampf- und Marschleistungen aller Truppen, die durch die Vorberge der Julischen Alpen der italienischen Ebene zustreben, sind über jedes Lob erhaben. Die Zahl der Gefangenen hat sich auf 60 000, die der erbeuteten Geschütze auf 450 erhöht …“
Rommels Beschwerde Das geschilderte Geschehen hat der damals 26-jährige Oberleutnant Erwin Rommel ganz anders erlebt. Zusammen mit den Männern seiner Abteilung hatte er den strategisch wichtigen Berg nach 52 Stunden Marsch und Kampf am 25. Oktober 1917 er-
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obert. „Ich habe am 26.10.17 nicht gewusst, dass der Pour le Mérite dem Erstürmer des Matajur winkte. Dies habe ich erst in der italienischen Ebene erfahren. Daraufhin habe ich mich über den Offizier der 12. Infanteriedivision beschwert, der behauptet hat, den Matajur im Sturm genommen zu haben“, so Rommel in einem Brief vom 27. Juli 1930. Bevor der Stab des Oberkommandos der 14. Armee, der die 12. Isonzoschlacht führte, überhaupt reagieren konnte oder wollte, nämlich mit dem Eingeständnis der banalen Verwechslung zweier eroberter Gipfel, hatte Kaiser Wilhelm II. bei einem Frontbesuch Leutnant Walther Schnieber bereits die höchste preußische Tapferkeitsauszeichnung persönlich ausgehändigt. Durch den Kaiser einmal verliehene Orden werden nicht wieder zurückgefordert. Schwierigkeiten bereitete hingegen eine zweite Verleihung für die gleiche Tapferkeitsleistung – zumal nach der Beschwerde eines jungen Offiziers, der die Praxis der Ordensvergabe und damit indirekt die Autorität seiner Vorgesetzten infrage stellte. So etwas gehörte sich nicht für einen Offizier in der
Deutschen Armee. Doch sein Kommandeur Major Theodor Sproesser, den seine württembergischen Gebirgler „den alten Alpino“ nannten, hielt zu ihm. Noch bis in die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg hinein rieb er sich in Sachen Monte Matajur an seinem Gegenpart, dem Königlich Bayerischen Generalleutnant von Stein, dem die 12. Infanteriedivision und Leutnant Schnieber, der 1918 an der Westfront fiel, unterstellt waren.
Telegramm des Kaisers Die „Geister“ beruhigten sich mit einem Telegramm vom 10. Dezember 1917. Um 6:30 Uhr telegrafierte Seine Majestät Kaiser Wilhelm II. an den König von Württemberg: „Ich habe den Königlich Württembergischen Offizieren Major Sproesser und Oberleutnant Rommel vom württembergischen Gebirgsbataillon auf Vorschlag des Oberbefehlshabers der 14. Armee in Anerkennung ihrer glänzenden Leistungen in den schwierigen Vorhutkämpfen gegen den italienischen Feind und bei Eroberung des Monte Matajur den Tapferkeitsorden Pour le Mérite verliehen. Es macht mir Freude, Dich hiervon in Kenntnis setzen zu können.“ gez. Wilhelm Die Militärklasse des preußischen Ordens „Pour le Mérite“ ist
„BLAUER MAX“: Wohl so benannt nach der Verleihung an den Flieger Max Immelmann. Preußens höchste Tapferkeitsauszeichnung „Pour le Mérite“. Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann
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Orden und Auszeichnungen
„Allein ich habe auf dem Dienstweg Beschwerde eingelegt.“ Notiz von Erwin Rommel vom 1. November 1917 im Gefechtsbericht zur 12. Isonzoschlacht
zierte der „Blaue Max“, wie der Orden im Volksmund auch hieß, 687 ausgezeichnete Offiziere. Davon zählten unter anderem 536 zum Landheer, 73 waren Flieger und 54 waren Marineoffiziere. Im Gegensatz zum späteren „Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes“ von 1939, das gern mit dem „Pour le Mérite“ des Ersten Weltkrieges verglichen wird, waren zumindest die Verleihungen beim Landheer von 1914 bis 1918 keine reinen Tapferkeitsauszeichnungen. Zu viele Armeeführer (25), Kommandierende Generale (81), Divisionskommandeure (84), Brigadeführer (14), Generalstabsoffiziere (78), Regimentskommandeure (155) und Bataillonskommandeure (68) stehen Dienstgraden ab Hauptmann abwärts gegenüber, die im Krieg in erster Linie den Kopf hinhalten mussten. Das waren ganze 20. Zu den elf ausgezeichneten Kompanieführern gehörten u. a. Rommel, Schnieber, Ferdinand Schörner und der letzte Ritter des Ordens „Pour le Mérite“, der 1998 verstorbene Ernst Jünger. Am 18. Oktober 1918, kurz vor dem Ende des Ersten Weltkrieges, wurde Erwin Rommel zum Hauptmann befördert und blieb es bis zum 1. April 1932. Dieser lange beförderungslose Zeitraum ist Ausdruck des Beförderungsstaus
IN POSE: Rommel mit Marschallstab, Aufnahme aus dem Jahr 1942. Foto: picture-alliance/akg-images
eine Stiftung Friedrichs des Großen vom Juni 1740. Im Januar 1810 entschied König Friedrich Wilhelm III., den Orden nur noch für außerordentliche Leistungen auf dem Schlachtfeld zu verleihen. Der „Pour le Mérite“ blieb Offizieren vorbehalten und war bis 1918 die höchste preußische Tapferkeitsauszeichnung. Kaiser Wilhelm II. verlieh sie als König von Preußen auch an Offiziere der anderen deutschen Staaten, so auch an die Württemberger Sproesser und Rommel. Während des Ersten Weltkrieges
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im 100 000-Mann-Heer der Reichswehr. Von seinem ehemaligen Regimentskommandeur und Mitstreiter am Monte Matajur befürwortet, wurde Rommel in die Reichswehr übernommen. Seit Januar 1921 war er Kompanieführer der MG-Kompanie des Infanterieregiments Nr. 13 in Stuttgart. Als mehrere Offiziere „an ihm vorbei“ befördert wurden, war 1931 wieder eine Beschwerde fällig. Mit Hinweis auf seinen „Pour le Mérite“ und seine die Schlacht entscheidenden Verdienste in der 12. Isonzoschlacht wollte er seinen Karrierestillstand überwinden, doch es gab keine verfügbaren Dienststellungen für ihn.
Im Zweiten Weltkrieg Wie die geringe Zahl von Rittern des Ordens „Pour le Mérite“ vermuten lässt, waren diese in der ab 1935 schnell anwachsenden Wehrmacht recht rar. Am 15. Februar 1940 wurde der Infanterist Rommel – inzwischen Generalmajor – Kommandeur der 7. Panzerdivision. Rommel hatte recht eigenwillige Strategien und Taktiken des Vorgehens seiner Division. Ohne Flankensicherung und Versorgungssicherheit ging es bei Rommel vorwärts zum Ziel, mit ihm im Befehlswagen vorneweg. Diese Art der Kriegsführung brachte Freund und Feind durcheinander und erforderte viel Glück. Das „Kriegsglück“ war Rommel hold und brachte ihm Ende Mai 1940 das „Ritterkreuz“ ein – als erstem Divisionskommandeur des Frankreich-Feldzuges. Das „Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes“ von 1939 ist Hitlers Neuschöpfung bei der dritten Erneuerung des „Eisernen Kreuzes“ (EK) mit Beginn des Zweiten Weltkrieges. Ursprünglich kamen die Stiftung des EK, des preußischen Tapferkeitsordens von 1813 und seine zwei Erneuerungen von 1870 und 1914 mit der I. und II. Klasse des „Eisernen Kreuzes“ sowie mit dem Großkreuz aus. Als gedachter „Ersatz“ für Tapferkeitsorden des Ersten Weltkrieges wie dem preußischen „Pour le Mérite“ oder dem bayerischen „MilitärMax-Joseph-Orden“ und anderen rangierte das „Ritterkreuz“ anfangs zwischen der I. Klasse des EK und dem Groß-
LÄNDERÜBERGREIFEND: Erwin Rommel mit deutschen und italienischen Orden und Auszeichnungen. Foto: picture-alliance/akg-images
EICHENLAUB: Es hatte den Wert einer nochmaligen Tapferkeitsverleihung des „Ritterkreuzes“ und wurde rund 500 Mal an Heeressoldaten vergeben. Foto: Hermann Historica
BRILLANTEN: Höchste Tapferkeitsauszeichnung der Wehrmacht mit 27 Verleihungen in silberner Ausführung wie abgebildet und einer in Gold. Foto: Privat
SCHWERTER: Das „Eichenlaub mit Schwertern zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes“, so die offizielle Bezeichnung, es wurde 150 Mal verliehen. Foto: Hermann Historica
kreuz. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges führte man mit dem einfachen oder geschmückten Eichenlaub weitere Stufen des „Ritterkreuzes“ ein. Adolf Hitler als Oberster Befehlshaber der Wehrmacht entschied über jede Verleihung persönlich nach entsprechender Vorlage durch die bearbeitenden Personalämter der Wehrmachtteile. „Das Ritterkreuz wird verliehen für die einmalige außergewöhnliche Tapferkeitstat, die sich durch eigenen selbstständigen Entschluss, hervorragende persönliche Tapferkeit und ausschlaggeben-
den Erfolg für die Kampfführung auszeichnet“, heißt es unter anderem in der Verleihungsverordnung.
sen. Nach den militärischen Erfolgen im Jahr 1940 und der ersten Offensive und Eroberung der Cyrenaika als Befehlshaber des Afrikakorps erhielt Rommel am 20. März 1941 das „Eichenlaub zum Ritterkreuz des EK“ als zehnter Soldat der Wehrmacht von insgesamt 863 Verleihungen während des Zweiten Weltkriegs. Ein knappes Jahr später, im Januar 1942, folgte die Verleihung des „Eichenlaubs mit Schwertern zum Ritterkreuz des EK“. Erwin Rommel war der erste Soldat des Heeres und der insgesamt sechste der Wehrmacht, der diese Tapferkeitsauszeichnung des „Dritten Reiches“ mit insgesamt etwa 150 Verleihungen aus der Hand des „Führers“ entgegennahm.
Aus der Hand des „Fu? hrers“ Erbrachte ein Ritterkreuz-Träger abermals eine ritterkreuzwürdige Leistung, erhielt er ab Juni 1940 das „Eichenlaub zum Ritterkreuz“ und seinen Stufen, die auf der Bandspange aufliegen. Erwin Rommels Erfolge und Gunst bei Hitler lassen sich auch an der Verleihung des „Eichenlaubs zum Ritterkreuz des EK“ able-
HINTERGRUND Rommels italienische Orden Nachdem das Afrikakorps im Februar 1941 ihm die Silberne Tapferkeitsmedaille der Itain Tripolis angekommen war, gingen Rom- liener an die Brust. mels Truppen sofort zum Angriff über – zum Drei Tage nach der Verleihung des „EiEntsetzen der Engländer und zur Freude der chenlaubs mit Schwertern“ an Rommel folgzurückgedrängten Italiener. Die anschließen- ten die Italiener mit dem Grande Ufficiale de Eroberung der Cyrenaika durch Rommels des Militärordens von Savoyen. Damit konnSoldaten nötigte den Italienern großen Res- te Rommel den dekorativen Bruststern auf pekt ab, obwohl sie mit Rommels Vorwärtsder rechten Brustseite tragen taktik erhebliche Schwierigkeiten hatten. – bis zur Kapitulation ItaNach der Verleihung des „Eichenlaubs zum liens im Herbst Ritterkreuz des Eisernen 1943. Kreuzes“ durch Hitler an Rommel am 20. März 1941 wollten die Verbündeten Deutschlands nicht nachstehen. Am 22. April 1941 legte General Italo Gariboldi, Generalgouverneur von Italienisch-Libyen, Rommel das ITALIENISCH: TapferkeitsmedailKomturkreuz des Militärle und Militärorden von Savoyen ordens von Savoyen um für Rommel. Fotos: Sammlung JMH den Hals und steckte
Clausewitz Spezial
Verleihung der „Brillanten“ Das „Eichenlaub mit Schwertern und Brillanten zum Ritterkreuz des EK“ erhielt er am 11. März 1943 in Erkenntnis der sich abzeichnenden Niederlage im Afrikafeldzug, der in Rommel’scher Manier nicht mehr zu gewinnen war. Rommel bekam von Hitler im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ in einem schwarzen Etui die „Brillanten“ in die Hand gedrückt – wie zuvor als erster Soldat des Heeres und sechster Soldat der Wehrmacht von insgesamt 27 Verleihungen während des Zweiten Weltkrieges. Wenige Monate später reduzierte sich der Ordensschmuck der Hals- und Brustdekorationen von Erwin Rommel wieder. Die hohen Tapferkeitsauszeichnungen, die ihm die Italiener in Afrika verliehen hatten, durften seit der Kapitulation Italiens im Herbst 1943 nicht mehr getragen werden.
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Rommels Bücher
Nüchtern und engagiert zugleich!
Rommels Selbstzeugnisse Rommel war eine öffentliche Person des „Dritten Reiches“. Seine Karriere begann mit einem Buch, das bis heute militärtaktisch bedeutend ist und deshalb immer noch verlegt wird: „Infanterie greift an!“ Von Peter Andreas Popp
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ie französische Version, herausgegeben von Philippe Lunard, bringt es im Untertitel genau auf den Punkt: „Le renard du désert dans la forêt d’Argonne“ – „Der Wüstenfuchs im Argonnerwald“. Damit werden zwei historische Ereignisse in eins gesetzt: Der Zweite Weltkrieg wird mit dem Ersten verschmolzen. Ein kritischer Militärhistoriker würde hier sofort aufmerken und fragen: „Ist der Rommel der Jahre 1914 bis 1918 denn derselbe wie derjenige der Jahre 1939/40 bzw. 1941/43 und 1943/44?“ Tatsache ist, dass „Infanterie greift an!“ nicht geschrieben worden wäre, wenn Rommel nicht seit Mitte Oktober 1935 als Lehrgangsleiter an der Potsdamer Kriegsschule gewirkt hätte. Dort wurde ihm sein unkonventioneller Unterrichtsstil vorgeworfen: Er würde an den einschlägigen Dienstvorschriften „vorbei“ Taktik lehren. Die Offiziersanwärter hörten ihm jedenfalls begeistert zu. Unter ihnen war übrigens auch Gerd Schmückle, der Ende der 1970er-Jahre als „Viersterner“ ranghöchster deutscher General bei der NATO war. Rommel wollte seine Gedanken verschriftlichen, und er war in gewisser Weise als Ausbilder, dessen Lehrstunden bei aller Spontaneität eine gewisse Systematik aufweisen mussten, auch dazu gezwungen. Jedenfalls dann, wenn er sich vor Kritik aus den eigenen Reihen schützen wollte. In „Infanterie greift an!“ tritt zutage, dass Rommel zwar der Sohn eines Lehrers war, nicht aber als „Oberlehrer“ wirkte.
Sachlich und ohne Pathos Dass er damit Breitenwirkung erzielte, war ihm vollauf bewusst. Denn diese Schrift verkörpert auch eine Kriegsgeschichte der Württembergischen Gebirgsschützen. Erin-
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HOHE REPUTATION: Rommels Studie zur Infanterie-Gefechtsführung war ein „Bestseller“ und erfreute sich im In- und Ausland großer Beliebtheit. Der geplante Nachfolgeband „Panzer greift an!“ erschien niemals – Rommel wollte darin seine Erfahrungen aus dem Afrika-Feldzug verarbeiten. Foto: Archiv CLAUSEWITZ
nerungsliteratur an vergangene Kriege hat immer mit Zeitverzug Konjunktur. In den 1930er-Jahren war der Zeitpunkt dafür gekommen, ungeachtet der Tatsache, dass die Nationalsozialisten nunmehr an der Macht waren. Rommels Schrift verkaufte sich bis 1945 über 400 000 Mal. Es wurde ein militärisches Hausbuch, empfohlen unter anderem gleich nach dessen Erscheinen 1937 von neutraler Seite. Der Schweizer Militärhistoriker und spätere Strategieexperte Gustav
Literaturtipp von Lichem, Heinz: Rommel 1917 – der „Wüstenfuchs“ als Gebirgssoldat. München 1975 Gute Ergänzung zu „Infanterie greift an!“, in dem Rommel auch seine Einsätze im Gebirge (Isonzo-Front) beschreibt.
Däniker pries, wie „meisterhaft kurz und klar“ einzelne Kampfepisoden „geschildert“ würden, „mehrheitlich anhand von Skizzen und überall zum Schluss“ seien „Betrachtungen angestellt, welche die hauptsächlichsten Lehren festhalten“. Militärwissenschaftlich-theoretische Ausführungen waren Rommels Sache jedenfalls nicht. Genauso wenig hohles Pathos. Für Rommel bedeutete das Werk einen Karriereschub. Er wurde Verbindungsoffizier der Wehrmacht zur Reichsjugendführung. Die Instrumentalisierung und das bewusste „Sich-Einbringen“ in das Regime setzten fortan ein, was dem inhaltlichen Kern des Buches – überzeitlich gesehen – keinen Abbruch tut. Biographisch betrachtet, legte Rommel mit diesem Buch auch dar, was Hitler immer vorgab zu sein: ein tapferer deutscher Soldat im Ersten Weltkrieg. Zur Veröf-
ERSTAUSGABEN: Die deutsche Version „Krieg ohne Hass“, daneben „The Rommel Papers“ als englischsprachiges, erweitertes Gegenstück. In „Krieg ohne Hass“ benennt Rommel Logistikprobleme als mitentscheidend für das Scheitern des Afrika-Feldzuges. Foto: Haus der Geschichte Baden-Württemberg, abgelichtet in: Mythos Rommel (Katalog zur „RommelAusstellung“), Stuttgart 2009
fentlichung eines zweiten Buches, „Panzer greift an!“, kam es infolge des Kriegsverlaufes nicht mehr.
Krieg ohne Hass Bei dem zweiten deutschsprachigen Titel, der Erwin Rommel als Autor nennt, handelt es sich um Aufzeichnungen, die er während seiner Heimaturlaube von 1942 bis 1944 angefertigt hatte. Sie wurden 1950 posthum veröffentlicht von Fritz Beyerlein, Rommels Generalstabschef auf dem afrikanischen Kriegsschauplatz, und Lucie-Maria Rommel unter dem Titel „Krieg ohne Hass. Afrikanische Memoiren“. Es sind Niederschriften, die nach Konfiszierung eines Großteils des Nachlasses durch amerikanisches Militär noch im Besitz der Familie verblieben waren. Hierüber berichtet recht anschaulich Man-
HINTERGRUND
Auszug aus „Infanterie greift an!“
Zur Intention des Buches „Infanterie greift an!“ folgende Passage aus dem Vorwort der Erstausgabe: „Die unmittelbar nach den Gefechten gemachten Aufzeichnungen sollen der wehrhaften deutschen Jugend zeigen, mit welch grenzenloser Hingabe und Tapferkeit der deutsche Soldat und insbesondere der Infanterist in dem viereinhalbjährigen Krieg für sein Deutschland gekämpft hat. Sie sollen zeigen, zu welch ungeheuren Leistungen vor dem Feind – trotz Unterlegenheit an Kampfmitteln und Zahl – die deutsche Infanterie befähigt und wie überlegen auch die untere deutsche Führung un-
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fred Rommel in der Einleitung zu „The Rommel Papers“, herausgegeben 1953 von Basil H. Liddell Hart. In diesem zweiten englischsprachigen Buch nach Desmond Youngs „Rommel“ aus dem Jahr 1950 ist der Text von „Krieg ohne Hass“ integriert plus Aufzeichnungen, an die Liddell Hart im Rahmen der amerikanisch-britischen „special relationship“ teilweise herangekommen ist. Bemerkenswert an „Krieg ohne Hass“ ist die Nüchternheit, mit der Rommel die Gründe für die deutsche Niederlage in Afrika beschreibt. Es waren nicht allein die Italiener, sondern auch gravierende Probleme der Logistik. Erstaunlich ist dies deswegen, weil hier ein Nicht-Generalstäbler das benennt, was deutsche Generalstabsoffiziere in ihrem Denken immer schmählich vernachlässigt hatten: die Bedeutung der Logistik. Militärische Kar-
seren Gegnern war. Ferner soll das Buch dazu beitragen, dass Erfahrungen, die in schwerster Kriegszeit – manchmal unter großen Opfern und Entbehrungen – gewonnen wurden, nicht in Vergessenheit geraten.“
„Hitler hatte das Buch meines Vaters über den Ersten Weltkrieg gelesen.“ Manfred Rommel
riere macht man in Deutschland nicht in der Stabsabteilung G 4 (Logistik), sondern als G 3 (Führen laufender Operationen). Mit „Krieg ohne Hass“ ist ein Wandel im Rommel-Bild eingeleitet, abzulesen am Vorwort der Witwe: Der Afrika-Feldzug sei ein sauberer Krieg gewesen, denn nicht „der mörderische Fanatismus aufeinanderprallender Ideologien“ habe „das Schwert geführt“; und weiter: „Für die Masse der Soldaten (…) ein Krieg ohne Sinn“, gipfelnd in dem Postulat: „Ich glaube dem Vermächtnis meines Mannes (…) zu entsprechen, wenn ich diesem Buch den sehnlichen Wunsch voranstelle, dass es in der europäischen Geschichte nie wieder einen Abschnitt geben möge, über den eine Kriegsgeschichte geschrieben werden muss.“
Aufgabe für die Zukunft KLAR GEGLIEDERT: In insgesamt sieben Kapiteln beschreibt Rommel in „Infanterie greift an!“ Gefechte, an denen er im Ersten Weltkrieg selbst teilgenommen hatte, und zieht daraus Lehren. Die Erstauflage erschien 1937. Foto: Archiv CLAUSEWITZ
Beiden Werken gemein ist, dass sich Erwin Rommel engagiert und doch nüchtern zugleich artikuliert: Ein Kriegstreiber ist er nicht. Und damit ist das Grundproblem der Forschung über Rommel angesprochen. Es ist höchste Zeit im Sinne einer historisch-kritischen Rommel-Biographie, dass sich – bezogen auf den geographischen Verbleib des Nachlasses – deutsche und anglo-amerikanische Militärhistoriker zur wissenschaftlichen Edition aller schriftlichen Selbstzeugnisse von Erwin Rommel zusammensetzen. Verdient hätte er es als eine der meistzitierten Gestalten der jüngeren Militärgeschichte.
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Museen & Gedenkorte
Museen und Gedenkorte
Kritisches Gedenken Wohl kein deutscher Wehrmachtsgeneral ist auch in deutschen Museen noch so präsent wie Erwin Rommel. Auf ihn passt hervorragend Johann Wolfgang von Goethes Ausspruch: „Das Beste, was wir von der Geschichte haben, ist der Enthusiasmus, den sie erregt.“ Von Alexander Querengässer
ERINNERUNGSORT: Die deutsche Ehrenstätte El Alamein zum Gedenken der Toten des Afrika-Feldzuges unter Führung von Erwin Rommel. Die Anlage wird von der Deutschen Kriegsgräberfürsorge betreut. Foto: picture-alliance
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ZWISCHEN VERKLÄRUNG UND VERDAMMUNG: Erwin Rommel polarisiert die Menschen. Er ist allerdings eine komplexe Persönlichkeit, die sich einer simplen Zuordnung entzieht. Das Bild zeigt Rommel in seiner Rolle als „Wüstenfuchs“: von der Front aus Foto: picture-alliance/akg-images führend.
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Museen & Gedenkorte
BLICK IN DIE VERGANGENHEIT: Die hier gezeigte Totenmaske und Afrika-Uniform Rommels befinden sich in einer Vitrine in der Villa Lindenhof. Foto: picture-alliance/dpa
neralfeldmarschalls, der einst Erwin Rommel gehört hat. Der Mantel wird von Zeit zu Zeit in Sonderausstellungen präsentiert.
Rommels Totenmaske
VON DEUTSCHLAND NACH ÄGYPTEN: Manfred Rommel (links) übergab 1977 Besitztümer seines Vaters an einen Vertreter Ägyptens für ein Museum. Darunter befand sich auch ein Mantel. Ein ganz ähnlicher Ledermantel Rommels befindet sich im Besitz des Wehrgeschichtlichen Museums Rastatt. Foto: picture-alliance
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as Haus der Geschichte widmete 2009 in Baden-Württemberg dem Feldmarschall die Sonderausstellung „Mythos Rommel“. Es wurde beleuchtet, wie Rommel zur Ikone der NS-Propaganda wurde und warum die Legendenbildung, an der der „Wüstenfuchs“ selbst eifrig mitgearbeitet hat, bis heute anhält. Zur Ausstellung erschien ein reich bebilderter Begleitband. „Mythos Rommel“ erntete zwar vor allem aus der wissenschaftlichen Fachwelt großes Lob, musste sich aber auch von der Presse viel Kritik gefallen lassen. Immerhin fand die Ausstellung mit über 50 000 Besuchern großen Anklang in der Öffentlichkeit. Für einen Teil der Exponate konnte das Haus der Geschichte auf seine eigenen umfangreichen Sammlungsbestände zurückgreifen. Diese umfassen unter anderem den mit rotem Samt überzogenen Marschallsstab Rommels, der das typische Eiserne Kreuz und den Wehrmachtsadler trägt. Das Stück wurde dem Museum von Rommels
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Sohn Manfred vermacht, der von 1974 bis 1996 Oberbürgermeister von Stuttgart war. Zudem verfügt das Haus der Geschichte über die Ordensspange seiner Uniform sowie die Standarte seines Mercedes. Nur eine gute Autostunde von Stuttgart entfernt liegt das Wehrgeschichtliche Museum Rastatt. Der Ausstellungszeitraum des Museums erstreckt sich vom Mittelalter bis zum Ersten Weltkrieg. Jedoch befindet sich in den Magazinen der graue Ledermantel mit den Abzeichen BEeines deutschen GeSONDERES EXPONAT: Während der Ausstellung „Mythos Rommel“ war auch der Marschallstab Rommels zu sehen. Foto: Haus der Geschichte Baden-Württemberg
Im deutschen Panzermuseum in Munster befinden sich nicht nur etliche der Panzermodelle, mit denen Rommels Divisionen einst gekämpft haben. Im Sammlungssaal des Museums gibt es eine eigene Vitrine mit Exponaten zum Feldmarschall. Dazu gehören ein Uniformrock aus den Zeiten des Afrika-Feldzuges sowie die dazugehörige Mütze mit der obligatorischen Staubschutzbrille. Lange Zeit wurden diese Stücke als Rommels Generalsuniform präsentiert. Doch nach intensiven Vergleichen mit den vielen Fotos, die den „Wüstenfuchs“ an der Front in Afrika zeigen, zweifeln Wissenschaftler heute daran, dass es seine Jacke ist. Details an den Ärmelaufschlägen und Brusttaschen unterscheiden sich deutlich von den Uniformen, die Rommel auf diesen Fotos trägt. Außerdem wurden auf die Schultern bereits die gekreuzten Stäbe eines deutschen Generalfeldmarschalls aufgesetzt, obwohl es sich um eine Jacke handeln soll, die Rommel bei seiner Beförderung bereits abgelegt hatte. Das Museum stellt die Uniform nach wie vor aus, da an der Authentizität des Stückes an sich kein Zweifel besteht, sondern nur an der Identität des Trägers. Außerdem wird in Munster eine der Totenmasken, die nach Rommels Tod von seinem Gesicht abgenommen worden waren, ausgestellt.
Gräber in Ägypten Doch auch außerhalb der Museen gibt es noch etliche Orte, an denen die Erinnerung an Rommel, sein Leben und seine Taten erhalten geblieben ist.
Gigantische Grabanlage in Ägypten
KONTAKT
„MYTHOS ROMMEL“: Die Ausstellung im Haus der Geschichte in Baden-Württemberg untersuchte die Legendenbildung rund um Rommels Person. Begleitend dazu erschien ein hervorragend bebilderter Katalog. Foto: picture-alliance/dpa
In El Alamein, dem Ort, der wohl wie kein anderer mit dem Namen Rommel verbunden ist, gibt es zwar kein an den Feldmarschall gebundenes Denkmal, dafür monumentale Kriegsgräberstätten mehrerer Nationen. Das deutsche Monument ist dem mittelalterlichen Castel del Monte, welches Kaiser Friedrich II. in Süditalien errichten ließ, nachempfunden. Im Inneren des Rondells befindet sich ein schwarzer Marmorobelisk als Mahnmal für den unbekannten Soldaten. In den Gruftkammern der Außenwand wurden bisher 4213 deutsche Gefallene des Zweiten Weltkriegs beigesetzt. Ihre Namen sind auf Steintafeln festgehalten. Neben den gut gepflegten Kriegsgräberanlagen gibt es in El Alamein ein vom ägyptischen Verteidigungsministerium unterhaltenes Kriegsmuseum. Dieses wird konzeptionell von englischen, italienischen und deutschen Historikern des DHM unterstützt. Die Ausstellungsräume erzählen vom Verlauf und den Folgen der Schlacht und haben natürlich einen besonderen Fokus auf die beiden Protagonisten Montgomery und Rommel. Auf den Außenanlagen befindet sich eine der umfang-
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reichsten Ansammlungen von Militärtechnik aus dem Afrika-Feldzug, darunter einige seltene italienische Panzermodelle.
Rommels Villa Rommels letztes Hauptquartier, das Schloss La Roche Guyon im Norden Frankreichs, ist in einem sehr guten Zustand erhalten geblieben. Deswegen diente es auch zuletzt für den ARD-Film „Rommel“ als Kulisse. Die unterirdischen Stollen, damals von der Wehrmacht angelegt, können besichtigt werden. Das Schloss repräsentiert auf seltene Art und Weise verschiedene Bau-Epochen vom 12. bis ins frühe 19. Jahrhundert. Das nahe Städtchen mit seinen historischen Fachwerkbauten ist eine kleine Perle an der Seine. Rommels letzter Wohnsitz beherbergt heute ein größeres Museum. Die Lindenhofvilla in Herrlingen war 1905 im
WÜSTENTAUGLICH: Ist es Rommels Uniformjacke oder nicht? Das gezeigte Exponat im Panzermuseum Munster ist aber auf jeden Fall authentisch – lediglich die Frage nach dem früheren Träger ist nicht geklärt. Foto: Engau/ Deutsches Panzermuseum Munster
HAUS DER GESCHICHTE BADEN-WÜRTTEMBERG Konrad-Adenauer-Str. 16 70173 Stuttgart Öffnungszeiten: täglich (außer montags) sowie an Feiertagen von 10–18 Uhr donnerstags von 10–21 Uhr AN SCHULTAGEN von Dienstag, 9.7.2013., bis Dienstag, 23.7.2013., bereits ab 9 Uhr geöffnet Neujahr: 12–18 Uhr Karfreitag: geschlossen Ostermontag: 10–18 Uhr Pfingstmontag: 10–18 Uhr Heiligabend: geschlossen 1. Weihnachtsfeiertag: geschlossen 2. Weihnachtsfeiertag: 10–18 Uhr Silvester: 10–14 Uhr
Auftrag des Ulmer Messingwerkfabrikanten Max Robert Wieland gebaut worden. Die Pläne stammten aus der Feder des Münchener Architekten Richard Riemerschmid. Das Anwesen ist ein typischer Vertreter der Jugendstilvillen, welche um die Jahrhundertwende entstanden. Neben dem imposanten Hauptbau verfügt es über mehrere angegliederte Wirtschaftsgebäude. Erst während des Zweiten Weltkriegs gelangte die Villa in den Besitz Rommels, der nach einem sicheren Aufenthaltsort für seine Familie suchte. Das Anwesen war bis 1942 als jüdisches Kinder- und später Altenheim genutzt worden. Rommel ließ umfangreiche bauliche Veränderungen daran vornehmen. Nach seiner Verwundung in Frankreich 1944 erholte sich der Feldmarschall in Herrlingen, bis ihn am Morgen des 14. Oktober die Generale Burgdorf und Maisel auf seine letzte Fahrt abholten. Heute beherbergt die Villa eine eigene Ausstellung zu ihrem wohl berühmtesten Besitzer. Außerdem diente auch sie als authentische Kulisse für den ARD-Film „Rommel“ mit Ulrich Tukur. Darüber hinaus wird die Erinnerung an Rommel durch diverse Denkmäler aufrecht-
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Museen & Gedenkorte
erhalten. Besonders deren Nutzung und Instrumentalisierung ist immer wieder Gegenstand heftiger Pressediskussionen.
Problematische Erinnerung Das Rommel-Grab in Herrlingen ist jedes Jahr Sammelpunkt für Vertreter der Bundeswehr und jener Streitkräfte, denen Rommels Soldaten an der Front gegenüberstanden. Aber auch Abgeordnete der dünner werdenden Reihen der Afrikakorps-Veteranen erweisen ihrem ehemaligen Befehlshaber jedes Jahr die letzte Ehre. Neben dem eigentlichen
Grab gibt es noch einen Gedenkstein am Ort seiner Selbsttötung. Viel heftiger sind die Diskussionen dagegen in Rommels Geburtsort. 1961 schenkte der Afrikakorps Veteranenverbund der Stadt Heidenheim ein Rommel-Denkmal. Der Stein dient seitdem beständig als Aufmarschort für Neonazis, ist aber auch in jüngerer Zeit immer wieder Attacken erklärter „Nazigegner“ mit Spraydosen und sogar Hammer und Meißel ausgesetzt. Die Denkmalgegner stört vor allem Rommels Charakterisierung als „aufrecht, ritterlich und tapfer“ sowie als „Opfer der
FILMKULISSE: Rommels letztes Hauptquartier war das imposante Schloss von La Roche Guyon. Das Bild zeigt diesen Ort als Set für den ARD-Film „Rommel“. Das Schloss wurde im Krieg zwar bombardiert, ist aber trotzdem gut erhalten und kann besichtigt werden. Foto: picture-alliance/maxppp
Gewaltherrschaft“. Der Stein wurde sogar bereits des Öfteren mit dem Wort „Nazisau“ übersprüht. 2011 forderten fünf Heidenheimer auf einem großen, über den Stein gezogenen Plakat „Kein Denkmal für den Nazi-General“. Heidenheim reagierte und ergänzte den Stein mit einer Plakette, die in knappen Worten – aber sehr treffend – er-
KONTAKT VILLA LINDENHOF Lindenhof 2 89134 Blaustein-Herrlingen Öffnungen und Führungszeiten nach Vereinbarung Tel. 07304/70 44 E-Mail:
[email protected] www.blaustein.de/index.php?id=139
GEDIEGENES ANWESEN: In der Villa Lindenhof ist heute das Rommel-Archiv untergebracht. Die ehemalige Fabrikantenvilla war Rommels letzter Privatwohnsitz – er kaufte das Gebäude als Zufluchtsort für seine Familie während des Krieges. Foto: picture-alliance/dpa
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STEIN DES ANSTOSSES: An dieser Stelle starb Erwin Rommel am 14. Oktober 1944. Ein recht einfaches Denkmal erinnert daran, u. a. mit der Zeile: „Er nahm den Giftbecher und opferte sich, um das Leben seiner Familie vor den Schergen Hitlers zu retten.“ Foto: picture-alliance/dpa
Schwierige Frage nach dem richtigen Gedenken Thema ????? klärt, wie schwierig es ist, an einen Soldaten zu erinnern. „Tapferkeit und Heldenmut, Schuld und Verbrechen liegen im Krieg eng zusammen“, heißt es darauf. Aufgrund der Kontroversen forderten einige Politiker eine vollständige Demontage des unter Denkmalschutz stehenden Steines. Eine kürzlich stattgefundene öffentliche Tagung, an der sich auch interessierte Bürger beteiligen konnten, stimmte immerhin zu, dass das Denkmal umgestaltet werden müsse. Doch sollte man einer Instrumentalisierung mit einer Gegeninstrumentalisierung entgegentreten? Die Teilnehmer der Tagung verteilten im Anschluss Flugblätter mit dem Statement „Niemand sollte Heidenheim künftig in diesen überflüssigen Zusammenhang mit dem Nazihelden bringen können.“ Nach solchen Kontroversen stellt sich die Frage, ob mündige Bürger tatsächlich vor den langen Schatten einer zweifelhaften Vergangenheit „beschützt“ werden müssen oder nicht. Rommels Charakter, sein Leben und sein Wirken werden sich nie klar mit einem Für oder Wider den Nationalsozialismus erklären lassen. Er war, und das ist in allen Zeiten beachtlich, ein eigener Charakter mit Schwächen, die auch ihn zum Trittbrettfahrer des Regimes haben werden lassen. Aber er hatte ebenso Stärken, die dazu führten, dass er schließlich zu zweifeln begann, Probleme erkannte und über eine Lösung nachdachte. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint es vielen erstaunlich, wie der Feldmarschall zum Opfer eines Regimes erklärt werden kann, das er mitgetragen hat, während andere meinen, dass eine Mischung seiner eigenen Naivität und seines militärischen Pflichtbewusstseins ihn in diese Rolle getrieben haben. Die Diskussionen in Heidenheim haben nicht unerheblich dazu beigetragen,
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Rommel-Denkmale auch in anderen deutschen Orten mehr und mehr infrage zu stellen. So markiert eine kleine Plakette den Wohnsitz Rommels in Weingarten, wo er kurz vor dem Ersten Weltkrieg gelebt hat. Die Tafel verweist kurz auf seine wichtigsten Lebensstationen und endet mit den Worten „Ehre diesem tapferen Manne und Soldaten“. Auch diese Plakette soll nach Meinung einiger lokaler Politiker entfernt werden. Und wie in Heidenheim soll sich nun ein Arbeitskreis dem kontroversen Thema widmen. Rommel ist der einzige Wehrmachtsfeldmarschall, nach dem nach wie vor Bundeswehrkasernen benannt sind. Es gibt allerdings auch hier bereits Anträge aus der Politik, diese Kasernen umzutaufen.
Kontrovers und schillernd Fest steht jedenfalls: Der „Mythos Rommel“ ist fest verbunden mit einer „Faszination Rommel“. Diese Faszination führt nicht nur jährlich Tausende Besucher an seine Grabstätte. Sie schlägt sich auch darin nieder, dass Museen beständig Sonderausstellungen zu Rommel gestalten und seine Relikte werbewirksam in ihren Vitrinen ausstellen. Rom-
KONTAKT WEHRGESCHICHTLICHES MUSEUM RASTATT IM SCHLOSS RASTATT Herrenstraße 18 76437 Rastatt Öffnungszeiten: Nov.–März: Di–So u. Feiertage 10–16:30 Uhr April–Okt.: Di–So u. Feiertage 10–17:30 Uhr 24., 25. und 31. Dezember geschlossen 1. Januar ab 13 Uhr geöffnet
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IN DER GEDENKSTÄTTE: Im Zentrum des „Castel del Monte im Wüstensand“ steht der Obelisk aus schwarzem Marmor. Er ist Erinnerungsort und Mahnmal zugleich. Insgesamt wurden hier bisher über 4000 Gefallene zur letzten Ruhe gebettet. Foto: picture-alliance
mel ist nicht nur ein Gegenstand kontroverser Diskussionen, sondern für Museen auch ein nicht unerheblicher Marketingfaktor. Momentan ist der „Wüstenfuchs“ allerdings noch nicht allein in die Mauern von Museen gesperrt. Noch gibt es Stätten und Denkmäler, die an ihn erinnern. Die meisten sind mittlerweile selbst ein Stück Geschichte und spiegeln das Rommel-Bild älterer Generationen wider. Es darf und muss über dieses Bild diskutiert werden. Doch eine überstürzte Demontage dieser Denkmäler widerspräche nicht nur jedem demokratischen Grundsatz, sie würde auch die Gefahr heraufbeschwören, dass wir von jener Vergangenheit wieder eingeholt werden, die wir so hartnäckig verdrängen. Denkmäler sollen eben auch zum „Denken“ anregen. Das können sie aber nicht, wenn man sie entfernt. Oder wie es der französische Historiker Pierre Gaxotte ausdrückte: „Denkmäler sind die Lesezeichen der Geschichte.“ Menschen sollten lieber das Buch lesen, als das Lesezeichen zu zerschneiden.
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Rommel im Film
Hollywoods „Held“
Rommel erobert die Leinwände Erwin Rommel war – und ist es bis heute – Gegenstand zahlreicher Spiel- und Dokumentarfilme. Kein anderer Wehrmachtsoffizier dürfte es auf eine so umfangreiche Filmografie Von Alexander Querengässer gebracht haben wie er. von Rommels Charakter als zynischen und überheblichen deutschen Offizier.
Distanzloser Dokumentarfilm
GUT INSZENIERT: Actionszenen und eingespieltes Dokumentarmaterial verleihen dem „Wüstenfuchs“ von 1951 ein besonders authentisches Erscheinungsbild. Hier ist James Mason als Rommel in seinem Wagen in der Wüste Nordafrikas zu sehen. Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
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och während des Zweiten Weltkrieges eroberte Rommel nicht nur die deutsche Wochenschau, sondern auch die Leinwände Hollywoods. Bereits 1943 drehte Billy Wilder „Five graves to Cairo“ („Fünf Gräber bis Cairo“). Hierin trifft der britische Deserteur John Bramble in einem Hotel in der Wüste auf Feldmarschall Rommel, gespielt von Erich von Strohheim. Bramble nimmt die Identität eines verstorbenen Hausdieners an, ohne zu wissen, dass dieser ein deutscher Spion war. Als er hinter das Geheimnis seiner neuen Identität kommt, versucht er die deutschen Pläne auszuspionieren. Dabei behindert ihn zunächst das Mädchen Mouche, welches mit den Deutschen kollaborieren möchte, um seinen Bruder aus einem Konzentrationslager zu befreien. Rommel schickt Bramble nach Kairo, um den
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deutschen Einmarsch vorzubereiten. Der Deserteur erfährt dabei, dass die mysteriösen fünf Gräber wichtige Nachschubdepots des Afrikakorps sind. Kurz vor seiner Abreise wird Bramble von einem Stabsoffizier Rommels entlarvt. Der Brite begeht einen Mord, um sich der Verhaftung zu entziehen. Mouche deckt die Tat, da der Stabsoffizier ihr vorgelogen hatte, sich für ihren Bruder einzusetzen, um sie ins Bett zu bekommen. Wenig später kommt auch Rommel hinter Brambles wahre Identität. Doch der Deserteur kann zu den eigenen Linien entkommen. Nach El Alamein kehrt er zu dem Hotel zurück und erfährt, dass der Feldmarschall das Mädchen, welches ihn unterstützt hatte, erschießen ließ. „Fünf Gräber bis Kairo“ ist ein spannungsgeladener, intelligent gemachter Propagandafilm, zeichnet aber ein sehr negatives Bild
Obwohl Kriegsfilme einen großen Anteil am westdeutschen Kino der Nachkriegszeit hatten, wurde die Figur Rommel darin eher selten aufgegriffen. 1953 erschien zunächst ein Dokumentarfilm. Horst Wigankows „Das war unser Rommel“ beschäftigt sich vor allem mit dem Afrika-Feldzug. Wie die meisten Dokumentarfilmer dieser Zeit nutzte auch Wigankow fast ausschließlich die noch gut zugänglichen Aufnahmen der NS-Wochenschauen und versah sie mit einem neuen Kommentar. Dadurch nimmt der Film aber auch das visuelle Pathos der NS-Zeit auf, da die Bilder fast ausschließlich den deutschen Vormarsch, die Kameradschaft innerhalb der Wehrmacht, die Bedeutung des Kampfes gegen die Naturgewalten und eine nostalgische Verehrung der eigenen Kriegstechnik transportieren. Dazu gesellt sich die Grundaussage des Films, die Rommel ausschließlich als Mann des Krieges, nicht aber der Nationalsozialisten zeigt. Die Thematik „20. Juli“ klammert Wigankow bewusst aus. Obwohl sich die Produktion an den heimischen Kinokassen nicht durchsetzen konnte (der Spiegel kritisierte den Film als „frontdeutsch“), fand „Das war unser Rommel“ in fast allen westlichen und auch etlichen arabischen Ländern einen Verleih.
Rommels Spion 1959 lief der Agententhriller „Rommel ruft Kairo“ nach den gleichnamigen, druckfrischen Kriegserinnerungen von Johannes Willi Eppler in den Kinos an. Der Film behandelt den zweiten deutschen Vorstoß nach
HERVORRAGEND: Hosseins Darstellung gehört zu den besten unter den zahlreichen Kino-Rommels. Abb.: Autor
Tobruk. Für dieses Unternehmen braucht General Rommel dringend detaillierte Informationen über die Stellungen des Feindes. Die ägyptische Widerstandsbewegung schleust daher den Agenten Willy Eppler und seinen Funker Sandy in Kairo ein. Eppler gelingt es, Kontakt zu dem weiblichen
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Lieutenant Kay vom Secret Service herzustellen. Kay verliebt sich in den Deutschen und öffnet ihm die Tür zum geheimen Kartenraum. Eppler kann die geheimen Pläne Tobruks fotografieren und an Rommel übersenden, der daraufhin die Stadt einnimmt. Doch durch die Funkübertragung gerät er ins Visier der englischen Spionageabwehr unter Colonel Robertson. Dem sich enger ziehenden Netz können sich die Spione nicht entziehen. Nach langen Verhören werden sie zum Tod durch Erschießen verurteilt, aber in letzter Minute gerettet. Auch in „Rommel ruft Kairo“ nimmt der Feldmarschall, gespielt von Paul Klinger, nur eine Randstellung ein. Der Film ist spannend aufgebaut, leidet aber, wie viele deutsche Produktionen dieser Zeit, unter seinem schmalen Budget und der Intention, eine allseits saubere Wehrmacht zu skizzieren. Epplers Geschichte wurde 1958 auch in dem englischsprachigen Roman „The Cat and the Mice“ von Leonard Mosley aufgearbeitet. Zwei Jahre später adaptierte das britische Kino die Story in dem Film „Foxhole in Cairo“. Wie im deutschen Original wird Eppler von Adrian Hoven gespielt. Ein noch junger Michael Caine hat in dem Film eine Nebenrolle als Soldat des Afrikakorps.
LEGENDÄR: Die überzeugende Schauspielerleistung von James Mason als Rommel (rechts im Bild) verhalf dem Film „Der Wüstenfuchs“ (1951) zu seinem Kultstatus. In der abgebildeten Szene ist Rommel im Gespräch mit General Bayerlein (gespielt von George Macready) zu sehen. Foto: picture-alliance/United Archives/IFTN
Während Rommel in den westdeutschen Kriegsfilmen der 1950er-Jahre kaum behandelt wurde, nutzte Hollywood 1951 ein weiteres Mal die Biografie des Feldmarschalls für einen Spielfilm.
Der ehrenwerte Gegenspieler In Henry Hathaways „Desert Fox“ („Rommel, der Wüstenfuchs“) wird das Leben Rommels von El Alamein bis zu seinem „Freitod“ vergleichsweise authentisch nach dem damaligen Wissensstand nachgezeichnet. Amerika hält in diesem Film das Image des „ritterlichen“ Gegners wieder aufrecht. Der von James Mason dargestellte Rommel wird hier zum überzeugten Mitwisser des Staufenbergattentats. Mason hatte zwei Jahre später noch einmal einen Cameoauftritt als Rommel in Robert Wises „Desert Rats“ („Die Wüstenratten“). In einem semidokumentarischen Stil
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Rommel im Film
SPIONAGEABENTEUER IN DER WÜSTE: In „Rommel ruft Kairo“ wird ein deutscher Agent in das britische Hauptquartier eingeschleust. In dem deutschen Film von 1958 spielt Paul Klinger Rommel (links im Bild). Foto: picture-alliance
erzählt der Regisseur die Geschichte eines australischen Bataillons während der ersten Belagerung von Tobruk. Die Belagerung Tobruks wurde von Hollywood immer wieder gern aufgegriffen. 1966 erschien mit Arthur Hillers „Tobruk“ („Die Kanonen von Tobruk“) ein weiterer Kommandothriller, in welchem britische Offiziere den Vormarsch des Wüstenfuchses auf die Hafenstadt zu vereiteln suchen.
Ein Franzose als Rommel Rommels Einsatz in Frankreich 1944 oder seine Verwicklung in das Stauffenberg-Attentat schienen für Hollywood dagegen weniger interessant. Seinen bekanntesten Filmauftritt hatte der Feldmarschall in dem starbesetzten Epos „The longest day“ („Der längste Tag“), wo er von dem Berliner Werner Hintz verkörpert wurde. Die Szenen mit Rommel beschränken sich vor allem auf seinen Disput über die Art der Küstenverteidigung mit Rundstedt. Eine kurze Passage zeigt den Feldmarschall in seiner Stuttgarter Wohnung im Kreis seiner Frau und seines Sohnes Manfred, als er vom Angriff der Alliierten erfährt. In den 1960er-Jahren erlebte der Kriegsfilm auch in Italien eine kleine Blütephase, wobei zumeist Themen aus dem AfrikaFeldzug aufgegriffen wurden. 1969 drehte Giorgio Ferroni „La battaglia di El Alamein“, der den unsinnigen deutschen Verleihtitel „Königstiger vor El Alamein“ erhielt. Neben
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SCHWIERIG: In Arthur Hillers Film von 1966 soll ein Kommandounternehmen Rommel vor Tobruk aufhalten. Abb.: Autor
dem amerikanischen B-Star Fredrick Stafford ist Ferronis Film mit Dutzenden bekannten Mimen des Italo-Western besetzt. Der Film erzählt die Geschichte einer Kompanie der Fallschirmjägerbrigade Folgore, die während der Schlacht bei El Alamein aufgerieben wurde, um die Absetzbewegung der deutschen Armee zu decken. Stafford spielt einen unerfahrenen Offizier, der in den entscheidenden Momenten der Schlacht das Vertrauen seiner Soldaten verliert. Dieses Mini-Drama wird eingerahmt von einem B-Kriegsfilm ohne wirklich überzeugende Actionszenen, der den Einsatz der Folgores glorifiziert. Ein Lichtblick ist der vom Franzosen Robert Hossein gespielte Rommel.
ACTIONREICH: Richard Burton in „Raid on Rommel“. Rommel wird von Wolfgang Preiß gespielt. Foto: picture-alliance
Hossein hat nur wenige Szenen, spielt seinen Feldmarschall aber sehr überzeugend als pflichtbewussten Soldaten, der den Überblick in der Schlacht bewahrt und den Rückzug befiehlt. Als er von der Niederlage erfährt, nimmt er Kontakt zum Widerstand auf. Obwohl auch dieser Film sich damit klar zur Stellung Rommels im Stauffenberg-Attentat positioniert, zählt Hosseins Darstellung zu den besten des Feldmarschalls.
Streit um Rommel In Deutschland hat die Darstellung des Feldmarschalls im Fernsehen zuletzt immer wieder heftige Diskussionen ausgelöst. 2002 behauptete der Dokumentarfilmer Maurice Philip Remy in seinem Film und der dazu erschienen Biografie „Mythos Rommel“, dass die Quellen für eine Beteiligung Rommels am Widerstand sprechen würden. Damit verstieß er allerding gegen die gängige Meinung von Fachgelehrten. Die FAZ kritisierte ihrerseits, Remy sei auf der „falschen Fährte“. Obwohl der Dokumentarfilm unter Einbeziehung enger Vertrauter des Feldmarschalls dessen Lebensweg nachzeichnet, musste sich Remy immer wieder gefallen lassen, einzelne Indizien als Beweise überinterpretiert zu haben, um das Bild von Rommel als sauberen Wehrmachtsgeneral zu zeichnen. Zehn Jahre später, der Trubel um Remy hatte sich inzwischen gelegt, erschien ein
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Rommel im Film
AKTUELLE VERSION: Ulrich Tukur als Erwin Rommel während der Dreharbeiten zum besonders kontrovers aufgenommenen ARD-Film „Rommel“. Foto: picture-alliance/dpa
ARD-Film, der den Zuschauer über eben diese Indizien im Unklaren ließ. Ursprünglich sollte Remy auch diesen Film übernehmen, wurde aber vor Drehstart als Autor und Regisseur von Nikki Stein ersetzt. Das fertige ARD-Projekt „Rommel“ mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle nahm die letzten Wochen in Rommels Leben genauer unter die Lupe. Der Feldmarschall ist mit der Verteidigung des Atlantikwalls gegen eine potenzielle alliierte Invasion beschäftigt. Über die Details der Abwehr gerät er mit dem OB-West, Feldmarschall Rundstedt, in Streit. Zum „Führer“ hat er nur wenig Kontakt, aber noch immer unbedingtes Vertrauen. Erst verschiedene Ereignisse des Sommers 1944 bringen dieses
HINTERGRUND
Vertrauen ins Wanken. Rommel beginnt zu zweifeln und hat Kontakte zur Widerstandsgruppe um Stauffenberg. Sein eigener Stabschef, General von Speidel, versucht ihn in das Attentatsprojekt zu involvieren, doch dieses ist für Rommel keine Option. Er zieht andere Möglichkeiten in Erwägung, einschließlich eines Staatsstreiches. Nach dem gescheiterten Attentat werden ihm diese Gedankenspiele zum Verhängnis und er wird zum Selbstmord gezwungen. Noch vor Ausstrahlung des Films begannen die Kontroversen, losgetreten von Cornelia Hecht, die das Skript im Auftrag der Familie prüfte. Hecht war ebenso wie Remy zu Beginn des Projekts involviert und vertrat
Filmbiografien
Da Geschichte – in Form von Biografien – sich trefflich zur Visualisierung eignet und viele Menschen gern der Faszination von Bildern erliegen, reißt der Strom von Filmen zu bekannten historischen Persönlichkeiten nicht
DER „GUTE“ ROMMEL: James Mason mit Marschallstab und Walther P38 in den Händen. Der amerikanische Film „Der Wüstenfuchs“ stellte Rommel als ehrenhaften General dar, der nach dem Afrika-Feldzug desillusioniert nach Deutschland zurückkehrt und sich dem politischen WiFoto: picture-alliance/KPA derstand anschließt.
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ITALIENISCHER BEITRAG: „La battaglia di El Alamein“ von 1966 ist ein zweitklassiger Actionreißer. Das Bild zeigt ein Werbefoto mit dem englischen Titel „Desert Tanks“. Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
ab. Oft sind von Historikern oder Kriegsteilnehmern verfasste Biografien die Grundlage für Filme gewesen. Das Problem bei Videound Audioproduktionen liegt generell darin, dass durch die Suggestivkraft von Bild und Ton bestimmte „Images“ entstehen können, die nachhaltig erkenntnisblockierend wirken. Andererseits wird Komplexes auf diese Weise leichter zugänglich.
überschwänglich die Meinung, dass der Feldmarschall in die Attentatsplanung involviert war. Sie warf den Produzenten vor, eine „braune Soße“ zu kreieren und Rommels Ruf zu beflecken. Letzten Endes liefen viele der Attacken gegen Steins Film ins Leere, da dieser Rommel nicht, wie ihm vorgeworfen wurde, als einen bis zum bitteren Ende linientreuen Offizier zeichnete, sondern als von Zweifel geplagten Mann.
Darstellerische Grenzen Eines wurde in den letzten Jahren klar: Durch den Versuch mehrerer Biografen und Dokumentarfilmer, den Feldmarschall zu entmythologisieren, gerieten viele Darstellungen Rommels in den Filmen der 1950erund 1960er-Jahre in harsche Kritik, während neuere Produktionen bereits vor der Ausstrahlung kontrovers diskutiert wurden. Vor diesem Hintergrund werden es auch zukünftige Projekte schwer haben. Sicherlich gibt es in Deutschland kein Thema, welches so kontrovers ist wie das Verhältnis eines einzelnen Menschen zum NS-Regime. Trotzdem sollten sich einige Kritiker vielleicht in Erinnerung rufen, dass der Film eine Kunstform ist, von Natur aus nie vollständig authentisch sein kann und sich daher gewisse Freiheiten herausnehmen muss. Filme werden immer ihren Beitrag zum „Mythos Rommel“ leisten. Alexander Querengässer, Jg. 1987, Militärhistoriker und Autor aus Dresden. Verfasser zahlreicher Filmbesprechungen für Tageszeitungen.
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Literatur zu Erwin Rommel Wenn sich der an Rommel Interessierte in den Online-Katalog der Library of Congress begibt und den Begriff „Erwin Rommel“ eingibt, so erhält er 40 Treffer. Dasselbe „Experiment“ im Online-Katalog der Deutschen Nationalbibliothek führt zu insgesamt 59 Treffern (Datum der Recherche 27.7.2013). Anhand der Titelzahl ist unschwer zu erkennen, dass Rommel ein interessantes Thema darstellt. Wir geben einen Überblick, welche deutschsprachigen Titel einen guten Zugang zur Biographie General Rommels bieten. Von Peter Andreas Popp
in operationsgeschichtlicher Hinsicht noch immer zu verweisen auf: • Basil Liddell Hart: Geschichte des Zweiten Weltkrieges, 2 Bde. Düsseldorf/Wien 1972.
Das jüngste Buchprodukt gleich zuerst, weil dessen Verfasser, Peter Steinbach, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin ist. Laut Verlagsankündigung sollte das 150 Seiten umfassende Buch bereits im Mai dieses Jahres erschienen sein. Die Publikation steht zwar noch aus, sei aber dennoch wegen des in Fragen des deutschen Widerstands gegen Hitler ausgewiesenen Autors aufgeführt: • Peter Steinbach: Erwin Rommel. Ein deutscher Soldat. Stuttgart 2013.
wortlich zeichnete für das langjährige Großprojekt des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (MGFA) „Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg“. Wer
Wenn der Name Liddell Hart fällt, so darf natürlich der Hinweis auf Feldmarschall Montgomery, Rommels Gegenspieler, nicht fehlen. Im Unterschied zu Liddell Hart erfährt seine Kriegsgeschichte auch in jüngerer Zeit Neuauflagen: • Bernard Law Montgommery: Kriegsgeschichte; Weltgeschichte der Schlachten und Kriegszüge. Erftstadt 2005.
Eine Biographie steht nicht im „luftleeren“ Raum. Rommel ist der berühmteste deutsche General des Zweiten Weltkriegs und damit wohl der bekannteste deutsche militärische Führer im Zwanzigsten Jahrhundert. Für amerikanische Militärs ist er neben Clausewitz und Manstein „der deutsche Stratege“ schlechthin. Einen guten Überblick zum Thema „Zweiter Weltkrieg“, welche eine Einordnung Rommels in das Gesamtgeschehen erleichtert, bieten zwei Überblicksdarstellungen. Die eine stammt von Gerhard Schreiber, einem ausgewiesenen Kenner insbesondere des italienischen Kriegsschauplatzes einschließlich des Mittelmeerraumes. Sie erschien in der durchwegs empfehlenswerten Reihe „Beck-Wissen“ und bietet einen konzisen Überblick: • Gerhard Schreiber: Der Zweite Weltkrieg. München 2013. Etwas ausführlicher ist die Darstellung von Rolf Dieter Müller, der in der letzten Phase verant-
sich mit Rommel wirklich intensiv beschäftigen will, kommt an diesem insgesamt 13-bändigen Werk nicht vorbei. Quintessenz der Bände stellt dar: • Rolf-Dieter Müller: Der letzte deutsche Krieg: 1939–1945. Stuttgart 2005.
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Abb.: C.H. Beck
Rommels militärischer Ruhm im Zweiten Weltkrieg wuchs – geographisch betrachtet – auf den Kriegsschauplätzen Nordfrankreich (Westfeldzug 1940) und Nordafrika (1941/43). Für den Alpenraum im Ersten Weltkrieg – wo sich Rommel das erste Mal hervortat – liegt keine wissenschaftlich kritische Darstellung auf Deutsch vor. Stattdessen sei daher für diesen Zeitabschnitt ein englischsprachiges Werk angeführt: • John und Eileen Wilks: Rommel and Caporetto. Barnsley 2001.
Nordfrankreich 1940 steht für einen Mythos, dessen personelle Komponente Rommel bildet: „Blitzkrieg“. Als guter historischer Aufklärer erweist sich hier wegen seines profunden operationsgeschichtlichen Wissens Karl-Heinz Frieser. Der Verkaufserfolg seines schon wegen der Grafiken und des Kartenmaterials hervorragenden Buches spricht für sich. Nicht minder dessen Übersetzungen ins Englische, Französische und Rumänische: • Karl-Heinz Frieser: BlitzkriegLegende. Der Westfeldzug 1940. München 2005. Für die Aufschlüsselung von Rommel als „Wüstenfuchs“ ist KRIEGSTEILNEHMER: Das Buch „Helden der Wüste“ stammt von Hanns Gert Freiherr von Esebeck, Offizier im DAK.
VERFILMT: Der Autor Maurice Remy betätigte sich auch als Regisseur des gleichnamigen Fernseh-Mehrteilers.
Wenn es um die Details des Afrika-Feldzuges und die Verortung Rommels in der Generalität des NS-Staates geht, so sind die Darstellungen von Reinhard Stumpf ein „Muss“: • Reinhard Stumpf: Die Wehrmacht-Elite, Boppard am Rhein 1982. • Reinhard Stumpf: Der Krieg im Mittelmeerraum 1942/43: Die Operationen in Nordafrika und im mittleren Mittelmeer. In: Das Deutsche Reich und der Weltkrieg Bd. 6. Stuttgart 1990. Es wäre empfehlenswert, wenn das „Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften“ sich dazu entschließen könnte, folgende vergriffeneSchrift auf seiner Homepage dem Leser im pdf-Format zur Verfügung zu stellen. Es handelt sich um:
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Abb., sofern nicht anders angegeben: Archiv CLAUSEWITZ
GUTER ÜBERBLICK: Als Einführung in den Zweiten Weltkrieg ist das kleine Buch von Gerhard Schreiber sehr gut geeignet.
Sofern es um die operationsgeschichtliche Einordnung von Rommels Best- und Longseller „Infanterie greift an“ (1937) geht (er erfreut sich derzeit größter Beliebtheit in Russland!), ist sehr hilfreich die Studie von: • Ralf Raths: Vom Massensturm zur Stoßtrupptaktik. Die deutsche Landkriegtaktik im Spiegel von Dienstvorschriften und Publizistik 1906 bis 1918. Freiburg i.Br. 2009.
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Militärisches Nachrichtenwesen spielt bei den anfänglichen Erfolgen Rommels in Nordafrika eine herausragende Rolle. Hierzu klärt näher auf: • Hans-Otto Behrendt: Rommels Kenntnis vom Feind im Afrikafeldzug. Ein Bericht über die Feindnachrichtenarbeit, insbesondere die Funkaufklärung. Freiburg i.Br. 1980. Bevor auf biographische Darstellungen Rommels in deutscher Sprache eingegangen wird, sollen der Vollständigkeit halber noch Zeitzeugen zu Wort kommen. Deren Schriften genügen nicht den Anforderungen wissenschaftlich-kritischer Auseinandersetzung – ein Problem, das sich übrigens auch bei den frühen Rommel-Biographien stellt und einen deutlichen Hinweis auf die Dimension des Rommel-Mythos liefert. Zu nennen wegen ihrer guten Lesbarkeit (was den tatsächlichen Informationsgehalt ob der fehlenden Distanz noch problematischer macht) wären in Auswahl: • Heinz von Lichem: Rommel 1917. Der „Wüstenfuchs“ als Gebirgssoldat. München 1975. • Hans von Luck: Mit Rommel an der Front. Stationen eines bewegten Lebens. Hamburg u.a. 2006.
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• Volkmar Kühn: Mit Rommel in der Wüste. Kampf und Untergang des Deutschen AfrikaKorps 1941-1943. Würzburg 2006. BRITISCHER BEITRAG: David Fraser war selbst General, bevor er sich als Militärhistoriker betätigte.
Aus familiärer Perspektive ist aufschlussreich das Buch des „Wüstenfüchsles“, des langjährigen, eigensinnigen und gerade deshalb so populären Oberbürgermeisters der Stadt Stuttgart, Manfred Rommel. Aus Perspektive des Sohnes, dem der Vater im UMFANGREICH: „Die Welt im Krieg“ erschien in zwei Bänden. Band II behandelt u. a. den Kriegsschauplatz Nordafrika.
Wissen um die Verbrechen des Regimes die freiwillige Meldung zur Waffen-SS verbot, werden Rommels letzte Wirkungsmonate in Frankreich nachgezeichnet. Authentisch vom Sohn Erlebtes und geschichtswissenschaftlich Rekonstruiertes ergeben ein mitunter seltsames Amalgam, nicht immer fixiert auf das Jahr 1944, ein: • Manfred Rommel: 1944 – Das Jahr der Entscheidung. Erwin Rommel in Frankreich. Leipzig 2012.
In der Kürze liegt bekanntlich die Würze – darum vor Vorstellung voluminöser Rommel-Biografien zunächst der Verweis auf gute biografische Skizzen. Anzuführen sind im Sinne einer guten Erstinformation: • David Fraser: Generalfeldmarschall Erwin Rommel. In: Hitlers Militärische Elite, Bd. 2: Vom Kriegsbeginn bis zum Weltkriegsende. Darmstadt 1998. • Guido Knopp und Rudolf Gültner: Das Idol. In: Hitlers Krieger. München 1998. • Dieter Ose: Erwin Rommel. In: 20. Juli. Portraits des Widerstands. Düsseldorf – Wien 1984. (In der Taschenbuchausgabe von 1995 findet sich dieser Artikel nicht mehr) • Ralf Georg Reuth: Erwin Rommel – Die Propagandaschöpfung. In: Die Militärelite des Dritten Reiches. 27 biographische Skizzen. Berlin u.a. 1995. Um Illusionen gleich von Anfang an zu zerstreuen: Es gibt noch keine wirklich historisch-kritische Biografie über General Rommel. Als Beispiel für eine solche wäre die von Bernhard R. Kroener über Generaloberst Fromm anzuführen, auf den die Männer des „20.Juli” so sehr gesetzt hatten und so kläglich enttäuscht wurden. Es gibt zwar Rommel-Biographien, aber (noch) nicht die Rommel-Biografie! Grob gesagt lässt sich bei den Rommel-BioDEUTSCHE AUSGABE: Desmond Youngs RommelBiografie zeichnet ein sehr positives Bild des „Wüstenfuchses“.
grafien eine Kategorie-Bildung ablesen. Die einen sehen Rommel als „Nazi-General“ mit einer ausgeprägten Affinität zum NSRegime ohne Spuren von grundlegendem Zweifel. Rommel ist hier weit davon entfernt, den „20.Juli“ auch nur ansatzweise zu unterstützen. In diese Kategorie fallen mit Nuancierungen: • Ralf Georg Reuth: Erwin Rommel. Des Führers General. München/Zürich 1987. 159 Seiten. • Ralf Georg Reuth: Rommel. Das Ende einer Legende. München 2004. Das Anliegen des Autors ist es, gerade auch die nach 1950 gegebene Mythenbildung zu revidieren. Die zweite Gruppe von Autoren sieht Rommel als mehr oder minder brillanten, politisch gleichLÜCKE: Zu Rommels Wirken an der Alpenfront gibt es noch kein „Standardwerk“. Das Buch von Heinz von Lichem ist eher populärwissenschaftlicher Natur.
wohl partiell betriebsblinden Militär – noch dazu in der falschen Armee dienend –, der in der letzten Lebensphase einen unterschiedlich weit ausgeprägten Weg hin zur Resistenz, vielleicht sogar doch noch zum militärischen Widerstand gegen Hitler zurückgelegt hat. Solange nicht der eineindeutige Beweis in die ein oder andere Richtung erbracht ist, neigt der Verfasser dieses Artikels mit gewissem Vorbehalt eher dieser Gruppe zu. Zu nennen wären hier die Biographien von: • David Fraser: Rommel. Die Biographie. Berlin 2001. • Lutz Koch: Rommel. Der „Wüstenfuchs“. Eine Biographie. München 1978.
Abb., sofern nicht anders angegeben: Archiv CLAUSEWITZ
• Reinhard Stumpf: Der Feldzug nach El Alamein. Operative Grundlagen der Entscheidung in Nordafrika im Sommer und Herbst 1942. In: Entwicklung, Planung und Durchführung operativer Ideen im Ersten und Zweiten Weltkrieg, Bd. 2. Herford – Bonn 1989. Griffiger und militärhistorisch solider zugleich war und ist der Kriegsschauplatz Nordafrika kaum darstellbar.
Clausewitz Spezial Internet: www.clausewitz-magazin.de Redaktionsanschrift CLAUSEWITZ Spezial Infanteriestr. 11a, 80797 München Tel. +49 (0) 89.130699.720 Fax +49 (0) 89.130699.700
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• Ronald Levin: Rommel. Stuttgart u. a. 1969. • Maurice Philip Remy: Mythos Rommel. München 2002. • Desmond Young: Rommel. Der Wüstenfuchs. München 1996. Alle fünf Autoren sind keine Universitätsprofessoren, was der guten Lesbarkeit der Werke bestimmt keinen Abbruch tut. Young (ganz besonders), Levin und Fraser legen Zeugnis ab für die militärhandwerklich pragmatisch orientierte Sichtweise angelsächsischer Militärhistoriker und für die Annäherung der Briten an den Mann, der ihnen 1942 unter den deutschen Spitzenmilitärs das allergrößte Kopfzerbrechen bereitete. Frasers Darstellung verknüpft sehr plastisch die biografische Ebene mit dem militärischen bzw. militärpolitischen Geschehen. Hier werden dem Leser gut die Hintergründe, also „the story behind the story“, vermittelt. Remy lotet sehr sensibel die mentalen Veränderungen Rommel aus. Gerade weil die wirklich große Rommel-Biographie noch aussteht, muss abschließend unbedingt auf den Ausstellungskatalog und den Begleitband zur Ausstellung über Erwin Rommel im Haus der Geschichte BadenWürttemberg 2008/2009 hingewiesen werden: • Haus der Geschichte BadenWürttemberg in Verbindung mit der Landeshauptstadt Stuttgart (Hg.): Erwin Rommel – GeschichENGLISCHE AUSGABE: D. Youngs Buch erschien bereits wenige Jahre nach dem Krieg. Das Bild zeigt eine britische Taschenbuchausgabe von 1972.
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Geschäftsführung Clemens Hahn, Carsten Leininger Herstellungsleitung Sandra Kho Vertriebsleitung Dr. Regine Hahn Vertrieb/Auslieferung Bahnhofsbuchhandel, Zeitschriftenhandel: MZV Moderner Zeitschriften Vertrieb GmbH & Co. KG, Unterschleißheim
Im selben Verlag erscheinen außerdem:
BERÜCHTIGT: Die Auseinandersetzung(en) um El Alamein gehören zu den bekanntesten Schlachten in Nordafrika. Abb.: MGFA
te und Mythos. Mit Beiträgen von Jürgen Förster, Kay Hoffmann, Marc von Lüpke-Schwarz, Wolfgang Mährle, Maurice Philip Remy, Ernst-Heinrich Schmidt und Reinhard Stumpf, Karlsruhe 2009. • Haus der Geschichte BadenWürttemberg: Mythos Rommel. Ausstellungskatalog. Stuttgart 2008. Das Haus der Geschichte Baden-Württemberg zählt mittlerweile zu den interessantesten Orten musealer Aufbereitung von Geschichte. Die beiden Publikationen zeugen davon. Vielleicht ist mit Erscheinen der am An-
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fang erwähnten Rommel-Biographie von Peter Steinbach, der wirklich zum Kreis der Historikerzunft zählt, endlich die Rommel-Biografie erhältlich. Indizien dafür gibt es. Wer sich über den jüngsten Forschungsstand im Detail orientieren möchte, der greife zum umfänglichen Rezensionsartikel von: • Peter Lieb: Erwin Rommel. Widerstandskämpfer oder Nationalsozialist? In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 61 (2013), Heft 3, 303–343. (Download: http://www.oldenbourglink.com/doi/pdf/10.1524/vfzg.20 13.0015) Peter Lieb gar als Verfasser einer wissenschaftlich-kritischen Rommel-Biografie? Die Zeit dafür wäre fast 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges wirklich gekommen.
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Epilog
„Im Westen wollte er kein Kommando mehr annehmen; er sagte, jeder Schuss, der dort gegen die Alliierten abgefeuert werden würde, träfe uns selbst.“ Manfred Rommel
HERR ÜBER DEN ATLANTIKWALL: Rommel inspizierte die Verteidigungsanlagen ausgiebig – hier im März 1944. Die Propaganda suggerierte ein unüberwindbares Bollwerk: „Die schroff aufragenden Felsen […] bilden […] ein fast unüberwindliches Hindernis gegen feindliche Landungsversuche. Trotzdem sind auch hier […] starke Verteidigungsanlagen geschaffen worden, um jede gegnerische Invasion erfolgreich abzuwehren.“ Rommel selbst war nicht so optimistisch. Foto: picture-alliance/ZB
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