Vorwort
Für das Stück „Dancing Horses" meiner Solo-CD The Silk Roadspielte ich auf Congas einen ungeraden Rhythmus. Die Leute im Studio hörten fasziniert zu und kamen gar nicht auf die Idee, daß sie einen ungeraden Rhythmus, und zwar einen sehr schwierigen 10er, gehört hatten. Sie bewegten sich einfach zur Musik und waren begeistert von der Melodie des Rhythmus. Danach fragte mich jemand, welcher Latin-Groove das eben gewesen sei. Ich erklärte, daß dieser Rhythmus ein ungerader 10/4-Takt war, was allgemeines Staunen auslöste. Mir persönlich zeigen diese Situationen, wie wichtig es ist, sich auch mit Rhythmen anderer Musikkulturen zu beschäftigen, und dadurch dem eigenen Spiel neue Möglichkeiten zu eröffnen. Das Conga-Spiel ist eine hohe Kunst, die in Cuba und Puerto Rico Meister hervorgebracht hat. Die jüngere Generation der Congueros sucht neue Wege des musikalischen Ausdrucks und neue Klangspektren. Hier zeichnet sich eine bedeutende Entwicklung ab: die Öffnung des traditionellen Conga-Spiels hin zu neuen musikalischen Stilen. Meine Erfahrung mit phantastischen Musikern und Conga-Spielern ist es, zu versuchen, durch viel Spielen und Üben seinen eigenen Weg und persönlichen Stil zu finden. Man braucht ein festes Fundament, aber es ist egal, ob man Cubaner, Europäer oder Asiate ist. Die Rhythmen haben einen Planeten, unsere Erde. Afghanische Rhythmen können auch auf Congas übertragen werden, wie ich im zweiten Teil des Buches zeige. Es gibt keine Grenzen. Ich wünsche mir, daß viele Percussionisten ihren Horizont erweitern, von anderen Kulturen zu lernen versuchen und nicht in dogmatischen Bahnen denken. Ich wünsche allen Musikern von ganzem Herzen, speziell Percussionisten auf der ganzen Welt, das Beste und danke meinen Lehrern für ihre Geduld und Hingabe. Allen Musikerfreunden, die mich begleitet haben und mich noch begleiten werden, danke ich für die Inspiration und Kommunikation. Für mich gibt es nur eines:
Üben und Lernen bis eine Vollkommenheit erreicht ist, welche eine Einheit ist.
In diesem Sinne, alles Liebe
Flying Congas Teil 1 Basics
Anschlagtechniken Offener Schlag Beim offenen Schlag berühren alle Finger mit Ausnahme des Daumens die Conga. Der Schlag wird am Fellrand ausgeführt, die Knöchel der Hand bilden mit dem Rand eine Linie. Die Hand sollte beim Schlagen locker zurückfedern, so daß ein natürlicher Bewegungsablauf entsteht. Um einen satten Sound zu erzeugen, sind die Finger gerade ausgestreckt und liegen nahe beieinander.
Abgedämpfter Schlag Der abgedämpfte Schlag erzeugt einen trockenen kurzen Sound. Die Finger haben dieselbe Position wie beim offenen Schlag. Der Unterschied besteht darin, daß die Finger beim Anschlag auf dem Fell liegenbleiben. Die ganze Bewegung kommt aus dem Handgelenk.
Slap Der Slap wird mit den Fingerspitzen (Fingerkuppen) ausgeführt. Es entsteht ein kleiner Hohlraum zwischen der Handfläche und dem Congafell. Der richtige Slap-Sound kommt dann, wenn die Schlagkraft auf die Fingerspitzen verlagert ist. Sie bleiben beim Slap auf dem Fell liegen. Damit das Handgelenk nicht verkrampft, sollte die Bewegung entspannt ausgeführt werden.
Abgedämpfter Slap Der abgedämpfte Slap wird wie der Slap ausgeführt mit dem Unterschied, daß dabei die linke Hand auf dem Fell liegt. Die linke Hand muß ganz flach, ohne Hohlraum zu bilden, auf dem Fell liegen, da sonst der charakteristische Sound verloren geht.
Handballen Dieser Schlag wird mit dem Handballen aus dem Handgelenk ausgeführt. Die Finger bleiben aufgestellt und berühren das Congafell nicht. Es ist immer darauf zu achten, daß die Hand locker bleibt.
Fingerspitzen Das Congafell wird nur mit den Fingerspitzen (Fingerkuppen) angeschlagen. Die Kombination von Handballen und Fingerspitzen ist eine der elegantesten Conga-Techniken. Daher sollte sie mit viel Geduld und Sorgfalt geübt werden. Es ist wichtig, daß der Bewegungsablauf zwischen Handballentechnik und Fingerspitzen immer rund und gleichmäßig bleibt.
Bass-Ton Hier trifft die ganze Handfläche das Zentrum des Congafells. Die Finger dürfen das Fell nicht pressen und müssen nach dem Berühren des Fells wieder locker zurückfedern.
Fuß Der Fuß ist als Metronom eine wichtige Unterstützung des Spiels. Er sollte beim Spielen gleichmäßig mitlaufen, so daß sich ein stabiles Tempogefühl entwickelt.
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Technik Übungen für die Handballen-/Fingerspitzen-Technik
Die Handballen-/Fingerspitzen-Technik nimmt beim Conga-Spiel eine zentrale Rolle ein. Sie ist eine hohe Kunst, die viel Ausdauer und Geduld erfordert. Die schwierigen Bewegungsabläufe dieser Technik brauchen konstantes und präzises Üben. Beim Erlernen sollte man immer wieder auf langsames und lockeres Spielen der Hände achten. Durch stetes Training anhand der Übungen erreicht man die Unabhängigkeit der Hände. Daneben werden die Handgelenke und die Armmuskulatur gekräftigt, wichtig für den Sound und die Ausdauer. Die Handballen-/Fingerspitzen-Technik ist Voraussetzung sowohl für eine einwandfreie Technik als auch das Gestalten von Soli. Folgende Übungen eignen sich auch als Aufwärmtraining, das jeder Übestunde mit etwa 15 Minuten vorangestellt werden sollte.
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Rhythmen Tu mbao-Pattern Der Tumbao zieht sich als roter Faden durch sämtliche afro-cubanischen Rhythmen. Daher ist er die Ausgangsbasis für jeden Conga-Spieler. Man sollte diesen Grundrhythmus absolut verinnerlicht haben. Dies gilt auch für die Son-Clave, die zu den einzelnen Übungen gesungen werden sollte. Das Tumbao-Grundpattern sollte zur Son-Clave und ihrer Umkehrung geübt werden.
In den letzten Jahren hat sich das Conga-Spiel enorm verändert und weiterentwickelt. Dementsprechend variiert man heute auch den Tumbao. Der Conga-Spieler kann so in unterschiedlichen musikalischen Situationen optimal reagieren.
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Fills geben einem Rhythmus die richtige Würze. Hier sind moderne Fills notiert, die sich sehr gut in das Tumbao-Pattern integrieren und ihm Farbe geben. Voraussetzung für die Fills ist die Beherrschung einer sauberen Handballen-/Fingerspitzen-Technik. Folgende Fills sollten deshalb zunächst sehr langsam geübt werden, bis die einzelnen Bewegungsabläufe verinnerlicht sind. Das Auswendiglernen der verschiedenen Fill-Möglichkeiten hilft bei der Gestaltung unterschiedlicher musikalischer Situationen.
Songo-Pattern Über den Songo, der von Jose Luis Qintana-Changuito, einem der großen Meister der cubanischen Musik, entwickelt wurde, sagterselbst:„DerSongo ist eine percussive, polyrhythmische Bewegung, eine Linie, in der bei gegeneinander laufenden Rhythmen traditionelle cubanische Rhythmen auf Jazz und Rock treffen." Im Songo verschmelzen verschiedene Rhythmen miteinander wie Mambo und Rumba. Das hier notierte Songo-Pattern mit seinen Variationen eignet sich hervorragend für unterschiedliche Musikrichtungen: Rock, Jazz, Pop, Funk. Wer mit drei Congas spielt, kann die Bassfigur (B) auf die dritte Conga verteilen. Beim Üben sollte man auf keinen Fall vergessen, die Rumba-Clave (2/3-Clave) zu singen.
Mozambique-Patterns Mozambique ist eigentlich ein cubanischer Carneval-Rhythmus. Durch Eddie Palmieri wurde er in den späten 60er Jahren in New York populär. Hier sind vier Mozambique-Patterns im modernen New Yorker Stil notiert, die die verschiedenen Variationsmöglichkeiten dieses Rhythmus demonstrieren. Sie eignen sich sehr gut für Funk und Pop.
Wie Songo wird auch der Mozambique zur Rumba-Clave (2/3-Clave) gespielt.
Bembé-Pattern Bembe ist ein Rhythmus, der seinen Ursprung in Afrika hat. In Cuba wird er bei religiösen Zeremonien gespielt. Für die Unabhängigkeit beider Hände ist Bembe ein idealer Rhythmus. Er wurde speziell für dieses Buch ausgesucht, um die Technik zu verbessern, als Vorbereitung für das Solo-Spiel und die Improvisation. Folgendes Pattern mit den Variationen sollte deshalb sehr gewissenhaft geübt werden. Wichtig ist hierbei, daß das 6/8-Feeling deutlich herausgearbeitet wird. Die linke Hand ist hier besonders gefordert, sie ist der Motor.
Zum Bembe-Pattern soll die Afro-Clave (3/2-Clave) gesungen werden.
Das 16-taktige Bembe-Solo erfordert genaues Einstudieren des Bembe-Pattern mit seinen Variationen. Das Stück ist als Vortrags-Solo gedacht und soll dazu dienen, auch selbst Variationen zu erfinden und das eigene Solo-Spiel zu erweitern.
Der moderne Conga-Spieler muß flexibel sein und ein großes Repertoire an Rhythmen und Variationen dieser Rhythmen beherrschen. Gerade bei der Studio-Arbeit wird ein hohes Maß an Flexibilität und Kreativität verlangt. Folgende Conga/Tumba-Variationen können in ganz unterschiedlichen Tempi gespielt werden, je nach Bedarf und Feeling. Mit ihnen kann man traditionelle Rhythmen ersetzen wie Mambo, Son Montuno, Cha-Cha-Cha. Diese Variationen können auch umgekehrt und dem jeweiligen musikalischen Konzept angepaßt werden. Das Auswendiglernen der Variationen erleichtert es dem Conga-Spieler, sich in unterschiedlichen musikalischen Stilrichtungen optimal einzubringen.
Synkopen 2- und 4-taktige Synkopen-Übungen Die Synkope spielt eine ganz wichtige Rolle in der Latin-Musik. Diese 2-taktigen und 4-taktigen Übungen wurden speziell für musikalische Schwierigkeiten dieser Musikrichtung entwickelt. Am besten übt man zunächst ganz langsam und mit der Unterstützung eines Metronoms. Sobald man eine gewisse Sicherheit bei den Übungen erreicht hat, sollten sie in Alla Breve gespielt werden. So wird sich mit der Zeit ein Gespür für das richtige Latin-Feeling entwickeln. Das flüssige Aneinanderreihen der Übungen kann auch als Solo dienen.
Ein Conga-Spieler sollte in der Lage sein, sich auf der Bühne wie im Studio solistisch zu präsentieren. Das ist eine eigene Kunst, die erlernt werden muß. Oft wird ein 4-, 8- oder auch 16taktiges Solo verlangt. Voraussetzung hierfür ist ein absolut sicheres Taktgefühl. Folgende Übungen sind speziell als Training für das Solo-Spiel gedacht. Mit ihnen kann die Unabhängigkeit und Geschwindigkeit der Hände optimal trainiert und verbessert werden. Die Kunst des Solo-Spiels führt bei großer Ausdauer und viel Übung zu einem eigenen Stil.
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Soli
Die hier notierten Soli wurden so gestaltet, daß sie in verschiedenen Musikrichtungen eingesetzt werden können. Sie sind zum einen als Erweiterung des Solo-Repertoires gedacht, zum anderen sollen sie die Entwicklung eines sicheren Solo-Spiels unterstützen. Sie helfen auch, das Improvisations-Spiel zu verbessern. Um dies zu erreichen, sollte man zunächst einen einfachen Rhythmus wie beispielsweise Tumbao spielen, dann das 8-, 16- oder 32-taktige Solo einfügen, um danach im ursprünglichen Rhythmus fortzufahren.
Mit diesen Soli kann das Gefühl für die Länge von 8,16 oder 32 Takten entwickelt werden, das für jeden Solisten von großer Bedeutung ist. Oftmals muß der Conga-Spieler über eine bestimmte Anzahl von Takten improvisieren und ist dementsprechend gefordert.
Das 32-taktige Solo eignet sich auch als Vortragsstück.
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Ungerade Rhythmen Von einem modernen Conga-Spieler werden nicht nur die traditionellen afro-cubanischen Rhythmen verlangt, sondern je nach Stilrichtung auch Rhythmen, die nicht aus diesem Musikbereich stammen. Der Moguli ist ein sehr alter afghanischer 7/8-Rhythmus, der normalerweise auf Framedrums und Tabla gespielt wird. Ihn kann man aber auch als 7/8-Tumbao einsetzen. Ich habe diesen speziellen 7/8-Tumbao entwickelt, um das traditionelle Conga-Spiel neuen musikalischen Richtungen zu öffnen. Die folgenden 7/8-Pattern sollten zunächst auf der Conga geübt werden. Die Variationen lassen sich dann auf Conga und Tumba verteilen.
Das spezielle 7er-Feeling ist hier sehr wichtig. Dazu muß man wissen, wie der 7/8-Takt am besten gezählt wird.
Der Rhythmus wird in 4 und 3 unterteilt, und man zählt wie folgt:
Um das Zählen zu vereinfachen, benutze ich Tabla-Silben. Sie unterstützen das Singen des 7/8-Feelings beim Spielen:
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Die hier notierten Patterns sind die wichtigsten Grundübungen für das 7/8-Feeling. Um das nachfolgende Solo spielen zu können, sollten diese Vorübungen intensiv studiert werden. Dabei ist stets an die 4-3-Zählweise zu denken.
Dieses 7/8-Solo habe ich Kabul gewidmet, denn der Moguli ist der typische 7/8-Rhythmus von Afghanistan. Er kann in verschiedenen Tempi gespielt werden. Langsam gespielt erzeugt der Moguli eine sehr melancholische Stimmung. Im schnelleren Tempo weckt er eine fröhlichtänzerische Atmosphäre. Man kann dieses Solo natürlich auch als Vortragsstück verwenden.
11/4-Pattern mit Vorübungen Der 11 er-Rhythmus ist ein interessanter Rhythmus, der sich besonders für langsame Stücke eignet.
Zunächst sollte man die fünf Vorübungen einstudieren, damit die drei folgenden 11 /4-Rhythmen klar verständlich sind.
Um auch hier das richtige Feeling zu erreichen, muß man wie beim 7/8-Moguli den 11 er-Rhythmus unterteilen in: 4-4-3, oder
Lebenslauf Hakim Ludin, 1955 in Kabul/Afghanistan geboren, nahm dort bei seinem Lehrer Sofi Lahli Unterricht im Tabla-Spiel. 1975 kam er nach Deutschland und studierte zunächst Maschinenbau. In dieser Zeit spielte er mit der Avantgarde-Gruppe „Sohra" sowie in mehreren Jazz-Formationen. 1981 begann Hakim Ludin sein Schlagzeugstudium an der Musikhochschule Karlsruhe bei Hansjörg Bayer. Während seines Studiums war er neben der Klassik auch in verschiedenen anderen Musikbereichen tätig. So trat er mit mehreren Percussion-Gruppen auf und leitete Percussion-Workshops. Nach Abschluß seines Musikstudiums beschäftigte sich Hakim Ludin intensiv mit der afrocubanischen und afro-brasilianischen Musik. Zudem komponierte er Bühnenmusik für die Staatstheater Karlsruhe (Nathan der Weise, Antigone, Ödipus, Amphitryon), Darmstadt (Die Schutzflehenden von Aischylos) und die Städtischen Bühnen Freiburg (Totenfloß, Antigone, Sarkophag). Neben Studioarbeit und Fernsehauftritten war Hakim Ludin Dozent bei Veranstaltungen wie „3. Deutsches Percussion-Symposium - Hannover" (1991), „2. Prager Percussion-Tage" (1992). Zusammen mit Terry Bozzio, Ed Thigpen, Steve Smith und Joey Heredia dozierte er beim „Internationalen Sommer-Seminar für Drumset" in Marktoberdorf (1992), das in einem Konzert von Hakim Ludin mit Terry Bozzio seinen Höhepunkt fand. 1993 folgten mehrere Workshop-Tourneen durch England, Deutschland und Österreich, die von der Firma Roland Meinl organisiert waren. 1994 war Hakim Ludin Dozent und Musikalischer Leiter des „Internationalen Sommer-Seminar für Latin Percussion" in Marktoberdorf, für das internationale Größen wie Luis Conte, Alex Acuna, Glen Velez, Bill Summers angereist waren, um eine Woche lang Percussion auf höchstem Niveau zu unterrichten und zu zeigen. 1996 ist Hakim Ludin ebenfalls musikalischer Leiter und Dozent für „Rhythms - Internationales Sommer-Seminar für Percussion" in Marktoberdorf. 1996 erscheinen seine beiden Solo-CDs „The Silk Road" bei Brother Records und „One world percussion" bei Selected Sound/EMI. Hakim Ludin gehört zu den wenigen Percussionisten, die wegen ihrer Musikalität und ihres Gespürs für die zarten Klänge der Percussion-Instrumente in der Lage sind, Soloabende zu gestalten. In seinem Spiel verbindet er die beiden großen Musikbereiche Asien und Südamerika. Er ist Autor der Bücher „Bongos & Congas. Ein Lernprogramm fürafro-cubanische und afro-brasilianische Rhythmen" und „Percussion. Ein Lernprogramm fürafro-cubanische und afro-brasilianische Rhythmen", die 1991 beim Musikverlag Burger & Müller/Karlsruhe erschienen sind. Seit 1992 ist Hakim Ludin Endorser der Firma Roland Meinl, seit 1994 für Zildjian International, Vic Firth und Remo.
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